fallschirm absturz ueberlebt
Transcrição
fallschirm absturz ueberlebt
1 2 Stoische Logik Die Stoa Stoa = „Säulenhalle“ frühe Stoa: z.B. Chrysipp, Zenon von Kition, Cleanthes (Athen) spätes 4. und 3. Jhdt. v. Chr. späte Stoa: z.B. Epiktet, Seneca, Marc Aurel (Rom) 1. und 2. Jhdt. n. Chr. Quellen in: Arnim, Stoicorum veterum fragmenta (SVF) [nur gr., Referenzausgabe] Hülser, Fragmente der Dialektik der Stoiker (FDS), 4 Bde. gr. / dt. Long / Sedley, The Hellenistic Philosophers, 2 Bde. Cambridge 1987. Bochenski, Formale Logik Grundzug: Die stoische Logik ist eine Logik der Modifikation und Verbindung von ganzen Aussagen - eine Aussagenlogik. Beispiele: 1. die Satznegation in der stoischen Logik 2. „und“, „entweder ... oder“ 3. die „wenn ..., dann“-Verbindung 4. die fünf basalen Schlussformen (später: „hypothetische Syllogismen“) 3 4 Satznegation Das Gesetz der doppelten Negation (1) (2) (3) Zu den einfachen Aussagen gehört auch die (Satz-)Negation (apophatikos), z.B. „Es ist nicht der Fall, dass Tag ist“. Eine Unterart der Negation ist die Hypernegation. Die Hypernegation ist die Negation der Negation, z.B. „Es ist nicht der Fall, dass es nicht der Fall ist, dass Tag ist“, was ergibt: „Es ist Tag“. (Diogenes Laertios VIII 69) Hier schlafen alle. Hier schlafen nicht alle. Hier schlafen alle nicht. (kontradikt. Gegensatz zu (1)) (konträrer Gegensatz zu (1)) Ist nun (2) oder (3) die Satznegation von (1)? Die Satznegation bedeutet dasselbe wie der Ausgangssatz mit vorgestelltem „Es ist nicht der Fall, dass“ (und der im Deutschen erforderlichen Inversion). Ist der Ausgangssatz wahr, so ist die Negation davon falsch. Ist der Ausgangssatz falsch, so ist die Negation davon wahr. Prinzip NEG 1 Genau dann, wenn α wahr ist, ist „nicht: α“ nicht wahr 2 Genau dann, wenn α nicht wahr ist, ist „nicht: α“ wahr 3 Genau dann, wenn α nicht wahr ist, ist α falsch Suchen wir nach dem die Satznegation bildenden Ausdruck einer (fremden) Sprache, so müssen wir gerade nach dem Ausdruck Ausschau halten, der als Wahrheitswertvertauscher funktioniert. Negiert man einen negierten Ausgangssatz, so behauptet man wieder dasselbe, wie man mit dem Ausgangssatz behauptet hat. 5 Beweis für den Satz der doppelten Negation mit NEG zu zeigen: α hat immer denselben Wahrheitswert wie „nicht: (nicht α)“ zweimal „nicht:“ löscht sich. Prinzip NEG 1 Genau dann, wenn α wahr ist, ist „nicht: α“ nicht wahr 2 Genau dann, wenn α nicht wahr ist, ist „nicht: α“ wahr 3 Genau dann, wenn α nicht wahr ist, ist α falsch. 1. Fall: A ist wahr Dann ist „nicht: A“ nach NEG 1 nicht wahr Dann ist „nicht: (nicht: A)“ nach NEG 2 wahr (Einsetzung „nicht: A“ für α !) 2. Fall: „nicht: (nicht: A)“ ist wahr Dann ist „nicht: A“ nach NEG 2 (v.r.n.l.!) nicht wahr (Eins. „nicht: A“ für α!) Dann ist A nach NEG 1 (v.r.n.l.!) wahr. 3. Fall: A ist nicht wahr Dann gilt: nach NEG 3 ist auch A falsch Außerdem gilt: Dann ist nach NEG 2 (v.l.n.r.) „nicht: A“ wahr Dann ist nach NEG 1 „nicht: (nicht: A)“ nicht wahr (Einsetzung: „nicht: A“ für α) Dann ist nach NEG 3 „nicht: (nicht: A)“ falsch (Eins. „nicht: (nicht: A)“ für α) 4. Fall: „nicht: (nicht: A)“ ist nicht wahr Dann gilt: „nicht: (nicht: A)“ ist nach NEG 3 falsch (Einsetzung „nicht: (nicht: A)“ für „α“) Außerdem gilt: Dann ist „nicht: A“ nach NEG 1 wahr (v.r.n.l.) (Einsetzung „nicht: A“ für „α“) Dann ist „A“ nach NEG 2 (v.r.n.l.) nicht wahr Dann ist „A“ nach NEG 3 falsch. 6 Verbindungen mehrerer Sätze 1. „Bei dem, was sie sympeplegmenon (Verknüpftes), wir aber coniunctum (Verbundenes) ... nennen ... ist, wenn ein [Teilsatz] falsch ist, selbst wenn alle übrigen wahr sind, das Ganze falsch.“ (Aulus Gellius, Noctes Atticae XVI 8 [lat. Original], FDS 967, LS 35 D, Bochenski 20.19) 2. „Etwas anderes ist, was die Griechen diezeugmenon, wir aber disiunctum (Getrenntes) nennen ... von all den [Sätzen], die dabei getrennt werden, muss genau einer wahr sein, die übrigen falsch. (Aulus Gellius, Noctes Atticae XVI 8 [lat. Original], FDS 967, LS 35 E, Bochenski 20.15) 3. „Ein Zusammenhängendes (synêmmenon) ist ..., was durch das Klammerwort `ei´ (wenn, dann) verbunden wird. Dieser Verbinder besagt nämlich, dass das Zweite [aus] dem Ersten folgt.“ (Diogenes Laertios VII 7, 1-4, LS 35A) Die „sympeplegmenon“ bzw. „coniunctum“ genannte Verknüpfung und die „diezeugmenon“ bzw. „disiunctum“ genannte Verknüpfung lassen sich, ebenso wie die Satznegation, mit einer einfachen Kalkulationsregel zur Bestimmung des Gesamtwahrheitswertes aus den Wahrheitswerten der darin verbundenen Teilsätze vollständig erfassen: sie sind wahrheitswertfunktional. 7 Die philonische (materiale) Implikation „Philon [von Megara] sagte, dass das Zusammenhängende (synêmmenon) gerade dann ok (hygies) ist, wenn es nicht mit Wahrem beginnt und mit Falschem endet.“ (Sextus Empiricus, Adversus Mathematicos VIII §§113 - 115, Bochenski 20.07) Pro: 1. Die materiale (philonische) Implikation ist wahrheitswertfunktional. 2. Falls jemand etwas behauptet wie „Wenn N.N. kommt, dann bringt er auch Kuchen mit“, und N.N. kommt (also der Vordersatz, das Antezedens, wahr wird) aber N.N. keinen Kuchen mitbringt (also der Nachsatz, das Konsequens, falsch wird), so behauptet er etwas Falsches. 8 Contra: „Wenn 2 + 2 = 5 ist, dann ist Schröder Bundeskanzler“ (Antezedens falsch, Konsequens wahr) „Wenn 2 + 2 = 5 ist, dann ist Schröder nicht Bundeskanzler“ (Antezedens falsch, Kons. falsch) „Wenn Schröder nicht Bundeskanzler ist, ist Schröder Bundeskanzler“ (Ant. falsch, Kons. wahr) „Wenn 2 + 2 = 4 ist, dann ist Tokio Bundeshauptstadt“ (Antezedens wahr, Konsequens falsch) „Wenn Gras grün ist, ist Schröder Bundeskanzler“ (Antezedens wahr, Kons. wahr) (... übrigens: das Konsequens ≠ die Konsequenz !!) 3. „Wenn es Tag ist, gibt es Licht“ (Antezedens wahr, Konsequens wahr) 9 10 Der Gegenvorschlag des Diodoros Kronos Diodoros sagt, dass der zusammenhängende Satz wahr ist, wenn er, mit Wahrem beginnend, in Falschem weder endet noch enden kann. (Sextus Empiricus, Adversus Mathematicos II §110, LS 35 B, Bochenski 20.08) Hypothetische Syllogismen z.B.: „Wenn das Erste, dann das Zweite; nun das Erste, also das Zweite.“ „Entweder das Erste oder das Zweite; aber nicht das Erste; also das Zweite“ (Diogenes Laertios VII 76 - 81, LS 36A) Die Verbindung „Wenn A, dann B“ wird erst dann wahr, wenn nicht bloß in der Wirklichkeit, sondern in allen möglichen Welten, falls „A“ wahr ist, auch „B“ wahr ist usw. (in lat. Terminologie spätestens seit Boethius (480 - 525), De syllogismis hypotheticis; für disjunktive Formen nicht ganz konsequent) 1. Wenn α, dann β; nun aber α; also β. hypothetischer modus... ponendo ...ponens (kurz: modus ponens) 2. Wenn α, dann β nun aber nicht β also auch nicht α. hypothetischer modus... tollendo ...tollens (kurz: modus tollens) „Wenn Gras grün ist, ist Schröder Bundeskanzler“ wird falsch. Die „Wenn, dann“-Verbindung ist nicht wahrheitswertfunktional. Die philonische Verknüpfung ein minimales „Wenn, dann“ mit Blick allein auf die Wirklichkeit und unter Absehung von nichtrealisierten Möglichkeiten. 3. Entweder α oder β nun aber β (bzw. α) also nicht α (bzw. β) 4. Entweder α oder β disjunktiver modus... nun aber nicht β (bzw. α) tollendo also α (bzw. β). ...ponens. disjunktiver modus... ponendo ...tollens tollere heißt hier „aufheben“, ponere „setzen“. andere stoische Quellen vgl. Bochenski 22.01 - 08. 11 12 Beispiele 2. modus tollendo tollens 1. modus ponendo ponens N.N. hat laut §211 StGB (2) einen Mord begangen, wenn er heimtückisch einen Menschen getötet hat. N.N. hat heimtückisch einen Menschen getötet. Denn N.N. hat dem Opfer aufgelauert und dann hinterrücks mit dem Beil zugeschlagen. Also hat N.N. einen Mord begangen. "Klar is noch Benzin im Tank. Sonz würd die Karre ja nich fahn." P1: Wenn kein Bezin mehr im Tank ist, dann fährt die Karre nicht mehr; (halb ausgesprochen) P2: nun ist es aber nicht der Fall, dass die Karre nicht mehr fährt; (nicht ausgesprochen) K: also ist es auch nicht der Fall, dass kein Benzin im Tank ist. K*: also ist Benzin im Tank. 13 3. falscher modus tollendo tollens Schluss Nr. 3 Wenn Bond einen Fallschirm hat, überlebt er den Absturz; Bond hat keinen Fallschirm; Also überlebt Bond den Absturz nicht“. ... aber: Schluss Nr. 3b Nur wenn Bond einen Fallschirm hat, überlebt er den Absturz; Bond hat keinen Fallschirm; Also überlebt Bond den Absturz nicht“. enthält einen m.t.t.: Schluss Nr. 3c Wenn Bond den Absturz überlebt, dann hat er einen Fallschirm; Bond hat keinen Fallschirm; Also überlebt Bond den Absturz nicht“.