22Sterne und ein Raumschiff

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22Sterne und ein Raumschiff
D I E W E LT
S A M S TAG , 21. F E B RUA R 2 015
FRANKREICH
SONDERSEITE
Belcastel Laguiole
FRANKREICH Conques
MIDI - PYRENÄEN
Im Küchenreich der Besten: Éric Sampietro, Bernard Bach, Michel Bras und Hervé Busset (von links) haben sich an die Spitze gekocht und sind sternedekoriert
22 Sterne und ein Raumschiff
CRTMP/LUC JANNEPIN; NATHALIE HANON; ALEXANDRE LARDEUR; DOMAINE DE CAMBELONG
S E I T E R 12
Condom
Toulouse Castres
Pujaudran
Colomiers
Quint-Fonsegrives
Pyrenä
en
SPANIEN
Die Küchenchefs im französischen Südwesten gehören zu den besten des Landes
S
WOLFGANG FASSBENDER
ébastien Bras beruhigt die Gemüter. Das leckerste Gemüsegericht des Hauses, als Gargouillou weltweit ein Begriff,
sei mitnichten von der Speisekarte verschwunden. Beweise bringt der
Blick in die Küche des dreifach Michelinbesternten Restaurants, in der inzwischen der Sohn des berühmten Michel
Bras die Verantwortung trägt: In Schalen
liegen Blüten, Kräuter, Knollen, Gurken,
Früchte und Pilze in großer Vielfalt bereit, die für den Salat gebraucht werden.
Genau richtig für den gerade startenden
Abendservice im „Raumschiff“, wie
Gourmets verliebt witzeln. Das imposante Restaurant erhebt sich majestätisch
über der Landschaft um die Messerschmiede Laguiole und ist zu einem
Wahrzeichen der Gegend geworden.
Das „Le Suquet“ empfängt im Département Aveyron in der Region MidiPyrenäen. Hier lassen gastronomische
Traditionen Feinschmecker in Spezialitäten schwelgen, die den Ruf Frankreichs
als Nation der Haute cuisine mitbegründet haben. Neben den wohl bekanntesten, Stopfleber, Trüffel und Roquefort,
gibt es weitere lokale Köstlichkeiten zu
probieren. Und wenn diese dann noch
von den Großen der Kochzunft kreativ
komponiert auf die Teller gebracht werden, ist das Ergebnis ein kulinarischer
Höhenflug. Der Olymp der Kochkunst
wird im ländlich strukturierten Midi-Pyrenäen häufig erklommen, stehen hier
doch nicht weniger als 22 Sterne-Köche
am Herd, worauf die Region zu recht
stolz ist.
Wer einmal dem Charme dieser Genuss-Gegend erliegt, will kaum mehr
weg. „Obwohl mich die Idee, nach Paris
zu gehen, gestreift hat, hätte ich mich
unwohl gefühlt, weg von zu Hause zu
sein“, seufzt Michel Sarran. Also ist der
mit zwei Michelin-Sternen Dekorierte
geblieben und in seinem Toulouser Restaurant zu einem der kochenden Stars
aufgestiegen. „Midi-Pyrenäen ist eine der
reichsten
Gegenden
Frankreichs“,
schwärmt Michel Sarran, „mit einer Vielzahl an Produkten wie dem Lamm aus
dem Aveyron, von den Pyrenäen oder aus
dem Quercy, Safran, der Foie gras oder
den Tauben des Lauragais.“ Apropos
Lauragais: Das gilt in Frankreich als Pays
de Cocagne, als Schlaraffenland – und
dieser Begriff lässt sich auf die ganze Region Midi-Pyrenäen erweitern.
Wer Foie gras und Foie gras de canard,
also Gänse- oder Entenstopfleber, sagt,
muss freilich auch Gers sagen und sich in
eines der urtümlichsten Départements
Frankreichs aufmachen. Schon die Anreise, an Getreidefeldern und Pflaumenbaum-Hainen vorbei, lässt einen in die
Welt vom Alexandre Dumas eintauchen.
Lockenkopf Éric Sampietro scheint sich
in Condom die legendären Musketiere
der Gascogne zum Vorbild genommen zu
haben, ficht gegen jene, die Leberterrinen für allzu schwer und mächtig halten
und zaubert federleichte Kreationen. In
einer Kapelle aus dem 13. Jahrhundert begeistert er im Restaurant „La Table des
Cordeliers“ mit Kalbsbries mit Blumenkohl und gegrillten Haselnüssen, lässt
sich sogar zur gebratenen Banane mit
Sellerie und weißer Schokolade hinreißen. Sein Sommelier beweist derweil,
dass Midi-Pyrenäen nicht nur für großartigen Armagnac, sondern auch für authentische Weine gut ist: Gaillac, Cahors,
Marcillac. Die Liste ließe sich fast beliebig erweitern.
Apropos authentisch. Die 22 Sterneköche der Region ehren zwar die Traditionen, ruhen sich aber nie auf dem Althergebrachten aus, tüfteln, recherchieren
und erfinden. Michel Sarran bastelt an
Kreationen wie der Schaumcreme aus
Tarbais-Bohnen mit altem Rum und Kokosmilch, während Bernard Bach vom
doppelt besternten „Le Puits Saint
Jacques“ in Pujaudran seine Mittagsgäste
unter der Woche mit einem gerade mal
32 Euro teuren Drei-Gang-Menü begeis-
KOCHKUNST DER
EXTRAKLASSE
Le Suquet in Laguiole
(Sébastien und Michel Bras)
www.bras.fr
Le Puits Saint Jacques, Pujaudran
(Bernard Bach)
www.lepuitssaintjacques.fr
L’Amphitryon, Colomiers
(Yannick Delpech)
www.lamphitryon.com
Michel Sarran, Toulouse
www.michel-sarran.com
La Table des Cordeliers, Condom
(Éric Sampietro)
www.latabledescordeliers.com
Bistrot des Saveurs, Castres
(Scott Simon)
www.bistrot-saveurs.com
Restaurant du Vieux Pont, Belcastel
(Nicole Fagegaltier)
www.restaurant-belcastel.com
Le Moulin de Cambelong, Conques
(Hervé Busset)
www.moulindecambelong.com
En Pleine Nature, Quint-Fonsegrives
(Sylvain Joffre)
www.en-pleine-nature.com
www.tourismus-midi-pyrenees.de
tert. Von den 62 Euro, die Sylvain Joffre
im „En Pleine Nature“ (Quint-Fonsegrives) für fünf Abend-Gänge verlangt, gar
nicht zu reden: Genuss muss nicht teuer
sein, ist es gerade in diesem Teil Frankreichs nie.
Das bestätigt auch Simon Scott vom
„Bistrot des Saveurs“, der seine Sporen
in London verdiente, sich bald in Castres
und das Tarn verliebte. „Die Dinge, die
ich am meisten schätze, sind die lokalen
Märkte und die Kontakte zu den kleinen
Produzenten.“ Womit er am liebsten koche? „Ich habe zu viele Produktfavoriten,
aber ich würde besonders Gemüse sagen,
mit einer Tendenz zu dem, was wir vergessene Gemüse nennen.“
Rare Gemüse, vergessene Früchte und
akribisch gesammelte Kräuter: Auch
Hervé Busset von der „Moulin de Cambelong“ kümmert sich um derlei Zutaten.
Sein Menü namens „Cuisine Botanique“
vereint Mädesüß, Schafgarbe oder Melisse, wird freilich auch mal angereichert
mit Speck der Schweinerasse Noir de Bigorre. Das schwarze Tier, vor allem seines Schinkens wegen berühmt, hat es
auch Nicole Fagegaltier vom „Vieux
Pont“ in Belcastel angetan, der einzigen
Frau unter den Sterneköchen der Umgebung. Zwei-Sterne-Kollege Yannick Delpech („L’Amphitryon“) ist hingegen bei
vielen Gourmets für sein „Menu Truffe
Noire“ berühmt geworden. Der schwarze
Pilz des Quercy gehört zu jenen Produkten, welche die Reise nach Midi-Pyrenäen auch in der kühlen Jahreszeit lohnenswert machen.
Sébastien Bras leistet sich zwar den
Luxus, sein „Suquet“ im Winter zu
schließen, vergisst sonst aber nie, den
Besuchern vor den Desserts noch einen
Löffel vom traditionellen Aligot zu reichen, dem Kartoffel-Käse-Püree, das nirgendwo so fluffig ausfällt wie hier. Wer
auf das übliche Drumherum eines TopRestaurants verzichten kann, darf ganzjährig aufs „Capucin“ in Toulouse ausweichen und kann in der lockeren Dependance der Familie Bras BuchweizenGalettes in Form von Eis-Hörnchen bestellen, die mit den besten regionalen
Produkten gefüllt sind. Auch ohne Sterne
lässt es sich in der Region nämlich vortrefflich speisen.
Vermutlich wird sie sich nie beweisen
lassen, die Legende von der Entstehung
des berühmtesten Blauschimmelkäses
der Welt. Jene von einer Fee und einem
Schafhirten handelnde Geschichte, die
ein im Felsspalt vergessenes Frischkäsebrot zum Inhalt hat. Bei der Rückkehr des
abgelenkten Hirten soll der Käse zwar
bläulich verschimmelt gewesen sein, sich
aber gerade deshalb als besonders
schmackhaft erwiesen haben. Die Kunde
sprach sich herum. Und so wurde das unweit des Städtchens Millau gelegene Dorf
Roquefort-sur-Soulzon berühmt für gesprenkelte Schafskäse-Laibe mit intensiv
würzigem Goût. Ob dazu eher der Süß-
IMPRESSUM
Eine Veröffentlichung der Redaktion Sonderthemen für „Die Welt“
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Gesamtanzeigenleiter: Stephan Madel |Nationale Vermarktung: Christoph Schmidt, Alexander Kühl ([email protected])
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wein Pacherenc du Vic-Bilh getrunken
wird oder lieber trocken-würziger Roter à
la Madiran, ist umstritten. Es lohnt sich
aber auch, den anderen Blauschimmelkäse der Region, Bleu des Causses, zu probieren. Für diesen aus Ziegenmilch bereiteten Rocamadour gilt wie für das gesam-
te Käseplateau bei Tisch, dass die Rezepte
seit Jahrhunderten von einer Generation
an die nächste weitergegeben werden.
Diese Bodenständigkeit ist es auch, die
Michel Bras, der drei Sterne erkochte, an
Midi-Pyrenäen schätzt: „Die intensive
Bindung zu dieser Erde vermittelt mir
viele Erkenntnisse und die Fähigkeit, sie
ganz zu erfassen, jede Winzigkeit, das
Grandiose oder auch das Eigenwillige.“
Serie MIDI-PYRENÄEN:
In der nächsten Folge geht es um Pilgern
auf dem Jakobsweg
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