2008_1 Ausgabe_deutsch
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yo-yo Das Magazin der Simba · Dickie · Group SDG-Logo 2008 Bonjour Saint-Claude Die Simba Dickie Group übernimmt die französische Smoby Gruppe SDG-Logo bis max. 250 mm!!! bis min. 75 mm!!! Handwerk trifft Hightech Hautnah dabei: Wie aus einem OldtimerOriginal ein Miniatur-Sammlerstück wird Ausgabe Nr. 1/Juni 2008 EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, Sie halten gerade die erste Ausgabe von YO-YO in den Händen, das Magazin der Simba Dickie Group, das ab jetzt regelmäßig erscheinen wird. Ich möchte Sie einladen, die faszinierende Welt der Spielwarenindustrie besser kennenzulernen. In all ihren Facetten. - Maison de la France - 23 place de Catalogne 75685 Paris cedex 14 - RCS Paris 340 709 211 00064 - Iconographie : Frédéric de Gasquet - Philippe Wang – Nice/Acropolis - Cédric Helsly Damien Falco - Galeries Lafayette - Getty Images. Wir erzählen von den Menschen, die weltweit für uns arbeiten, von Herstellungsprozessen zwischen Handwerk und Hightech, von internationalen Handelsstrukturen, unserer Firmenphilosophie, unseren Visionen. Eine davon wird gerade Realität. Im März haben wir große Teile der französischen Smoby Gruppe im Haut-Jura übernommen. Einst war sie die Nummer eins auf dem französischen Spielwarenmarkt, doch zuletzt in finanzielle Bedrängnis geraten. Ich bin stolz auf diese Expansion, da es etliche internationale Interessenten gab. Wir konnten dadurch viele Arbeitsplätze und den Industriestandort Europa sichern. Die zusätzliche Produktrange – wie diese Miniküche – und das erstklassige Team stellen eine große Bereicherung für uns dar. Mehr dazu lesen Sie ab Seite 10. MOTIVIEREN - UNTERNEHMEN - ÜBERRASCHEN- ENTWICKELN - ERFINDEN - ERSCHAFFEN Messen & Ausstellungen, Incentives, Seminare & Kongresse Für die Organisation Ihrer Fachveranstaltungen bietet Ihnen Frankreich alle Vorzüge eines erstklassigen Reiseziels: neben außergewöhnlichem historischem und kulturellem Erbe natürlich auch leistungsfähige Infrastrukturen, verbunden mit bestqualifizierten Fachkräften. Beste Voraussetzungen, um Ihr Vorhaben zum Erfolg zu führen! Im vergangenen Jahr erhitzte nach SpielzeugRückrufaktionen die Sicherheitsfrage die Gemüter von Eltern, Politikern und Verbraucherschützern. Wir weichen dieser Diskussion nicht aus, sondern regen sie in diesem Magazin an. Denn eine einseitig geführte Debatte nützt weder den Kindern, die unser Spielzeug benutzen, noch uns. Lesen Sie dazu Seite 16. Weitere Informationen unter www.franceguidepro.com Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung! FRANKREICH ÜBERRASCHT TAG FÜR TAG. Ihr Michael Sieber CEO Simba Dickie Group JUNI 2008 YO-YO 3 Inhalt Pari s Hilt on als Mo dedesignerin NEWS Schöne bunte Spielzeugwelt 8 INSIDE s 22 Bonjour Saint-Claude! Die Simba Dickie Group übernahm die Smoby Group im französischen Jura 10 Die Vision von der vierten Generation Wie aus einem kleinen Familienunternehmen ein Global Player wurde 28 Die amerikanische Schauspielerin und Hotelerbin Paris Hilton (27) hat ein Problem: „Ich brauche eine neue beste Freundin!“ Und die will sie – natürlich – jetzt durch eine Reality-Show finden. Bei „My new BFF“ (= Best Friend Forever) bewerben sich Mädels, die mit Paris shoppen oder Partys feiern wollen. Ab Oktober wird die Show im US-Fernsehen ausgestrahlt. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, hat sich Paris schon mal drei kleine Freundinnen organisiert: Exklusiv für Simba Toys entwarf die ausgewiesene Style-Ikone die Outfits für drei Fashion-Dolls der Steffi Girls Serie. Wie sich das für modebewusste Glamourgirls gehört, mit authentischen Accessoires wie XXLSonnenbrillen, MP3-Player und Funkel-Schmuck. Ganz nach dem Vorbild Paris, die dazu sagt: „That‘s hot!“ UP-TO-DATE In aller Munde 16 Die Debatte um sicheres Spielzeug 16 NICE-TO-KNOW Früh übt sich?! Experten-Interview zu edukativem Spielzeug Mund, Nase, Augen auf beim Spielzeug(ver)kauf Spielregeln für Verkäufer So vergeht Ihnen nie das Lächeln Auf Geschäftsreise in China 15 21 32 27 28 REPORT s Handwerk trifft Hightech Wie ein Schuco-Modell entsteht 22 Da müssen sie durch – Plüschtierquälerei beim TÜV Ein Teddybär bei der Sicherheitsprüfung 32 s Titelthemen sind im Inhaltsverzeichnis mit rotem Pfeil gekennzeichnet Ihr Ko n ta k t z u u ns Haben Sie Fragen oder Anregungen? Sie erreichen uns unter: Telefon +49 (0) 89.4 57 10.165 Fax +49 (0) 89.4 57 10.205 E-Mail [email protected] www.simba-dickie-group.de 4 YO-YO JUNI 2008 10 Impressum YO-YO Herausgeber: Simba Toys GmbH & Co. KG, Werkstraße 1, 90765 Fürth/Stadeln, Tel.: +49 (0) 911.97 65.01, Fax.: +49 (0) 911.97 65.120 Verlag: heller & partner communication GmbH, Possartstraße 14, 81679 München Internet: www.heller-partner.de JUNI 2008 YO-YO 5 D as Kind i m Mann Spielzeug ist was für Kinder? Dann fragen Sie mal Manfred Rackl. Der 37-Jährige aus Berching in der Oberpfalz bekennt sich zu seiner Leidenschaft für BobbyCars. Als ein bayerischer Radiosender zum Gewinnspiel für verrückte Ideen aufrief, war der Mann nicht mehr zu halten. 20.000 Bewerber wollten das große Los ziehen, einen Audi A4 3.0 TDI. Doch nur drei Vorschläge kamen an. Rackl fuhr um vier Uhr morgens von zu Hause durch den Berufsverkehr zum Büro im Landratsamt Neumarkt. Auf einem BIG-Bobby-Car. Seine Technik: Auf Knien rutschen und sich abwechselnd mit einem Bein abstoßen. Er hatte böse Krämpfe, doch seine Frau und die beiden Töchter feuerten ihn an. Nach 30 Kilometern er reichte er um 12.15 Uhr unter frenetischem Jubel der Arbeitskollegen das Ziel. Und durfte umsteigen in seinen 240 PS starken Traumwagen mit Kennzeichen NM – RM 1. Gr üss mir die S onne ... Geben Sie es ruhig zu, Sie dachten, der Hubschrauber sei echt. Es könnte einer von den Fünfen sein, mit dem eilige Zeitgenossen – wie beispielsweise Glamourgirl Paris Hilton – neuerdings in Manhattan zum Newark Liberty International Airport fliegen. In neun Minuten und ab 99 Dollar (www.flyush.com). Er hebt in der East 34th Street und nahe der Wall Street ab, man kann sogar sein Gepäck einchecken und die Sicherheitskontrolle absolvieren. Das spart 60 bis 90 Minuten im Vergleich zur Straßenanfahrt. Der flinke Manhattan-Flieger ist ein „Sikorsky S-76“, der abgebildete 6 YO-YO JUNI 2008 hingegen ein funkferngesteuertes Modell des Rettungshelikopters „BIG EC-135 DRF“, eine Neuheit aus dem Hause Carson. Das Koaxialmodell ist für innen und außen geeignet. Der Hauptrotor mit 45 Zentimetern Durchmesser gibt dem Modell der Deutschen Flugrettung nicht nur Flugstabilität. Durch zwei gegenläufige Rotoren und reduzierbare Steuerausschläge beherrschen ihn auch Einsteiger, während erfahrene Piloten waghalsige Flugmanöver absolvieren können. Starkes Extra: Per USB-Kabel lässt sich die Fernbedienung an einen PC anschließen und über die Flugsimulatorsoftware steuern. JUNI 2008 YO-YO 7 NEWS Ausgezeichnet! Erstmals wurde der „Toy Award“ der Toy Fair Dubai vergeben und prompt erhielt Simba Toys Middle East (STME) zwei Auszeichnungen. Sieger waren die Püppchen Jamila Family Tube (links) in der Kategorie „Best cultural adapted toy“ sowie das Winnie the Pooh Playcenter (rechts) als „Best educational toy“. Jamila ist eine Fashion-Doll-Entwicklung von Simba Toys, speziell für den Markt im Mittleren Osten. Die Awards sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die Gruppe auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu etablieren. Wa r um w i r d spi e l z e u g teurer? Bei Lebensmitteln ist es längst spürbar: Die Preise steigen. In diesem Jahr werden auch Spielwaren um fünf bis zehn Prozent teurer, wie der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS) ankündigt. Warum? Weil rund 60 Prozent der deutschen Importe aus China stammen und dort die Löhne steigen. Zudem muss die Branche strengere Qualitätskontrollen finanzieren. Nicht zuletzt wurde die chinesische Währung aufgewertet und die Rohmaterialkosten in der Volksrepublik steigen. Schöne bunte spielzeugwelt Spielzeugfirma Eichhorn schreibt Holzeisenbahngeschichte: „Marbletrax“ ist die neue Kombination von Schienen- und Kugelbahn aus hochwertigen Kunststoffen und Buchenholz. Kinder zwischen drei und sechs Jahren können den Lauf von Zug und Kugeln selbst bestimmen. So fallen die Kugeln manuell gesteuert vom Waggon durch die Brücke oder rollen automatisch vom Lastwagen über die Schiene in die Zugwaggons. Der Kreativität der kleinen Lokführer sind also keine Grenzen gesetzt. Action für kleine Jungs Bei den Power Rangers ist es wie bei den Modell eisenbahnen: Väter kaufen sie ihren Söhnen, weil sie die aus ihrer eigenen Jugend kennen. Jetzt können sich alle über Neues von den Superhelden freuen. Zum 15. Jubiläum erscheint die Serie „Super Legends“ und bietet Action im Kampf gegen das Böse. Auf der Beschleunigungsrennbahn geht es darum, Gegner in eine Falle zu locken. YO-YO JUNI 2008 Rennwochen für Monsterfahrer in Sonneberg Modellbauhersteller Dickie-Tamiya veranstaltet seit mehr als einem Jahrzehnt die weltweit größte JugendRennserie für ferngesteuerte Modellrennwagen. Vom 1. - 3. August 2008 steigt der Tamiya Fighter Cup: Spaß, Speed, Action auf dem Tamiya Raceway in Sonneberg/ Thüringen. Dabei sind Anfänger und Fortgeschrittene mit ihren Fighter Buggys. Der Tamiya Euro Cup findet dort am 9./10. August 2008 mit 150 Fahrern statt. Infos unter: www.tamiya.de und www.carson-modelsport.de Flocke forever Alle lieben Flocke. Hatte Eisbärkind Knut ganz Deutschland verzückt, ist das Bärenmädchen bereits weltweit bekannt. Als sich das Bärenbaby Anfang April erstmals im Nürnberger Zoo den Zuschauern zeigte, gingen die Bilder um den Globus. Um sie möglichst lange als Flöckchen vor Augen oder später in Erinnerung zu haben, gibt es jetzt „Mein erstes Abenteuer“, das Brettspiel mit Flocke-Lizenz für Kinder ab vier Jahren vom Hersteller Noris-Spiele. Die Firma mit Sitz in der Heimat des Bärenkindes produziert das Spiel in Fürth. „Made in Germany“ sind auch die beiden Flocke-Puzzles mit 200 und 500 Teilen. Babybär Flocke, wenige Wochen alt. 8 Weltneu he i t a us Hol z 1.000.000.000 Etwa eine Milliarde Spielzeuge hat die Simba Dickie Group seit 1982 verkauft. Studie: Tab u für TV-Geräte i m Kinderzi mme r Je mehr Zeit Schüler mit Medienkonsum verbringen und je brutaler dessen Inhalte sind, umso schlechter fallen ihre Schulnoten aus. Dies ist das Fazit einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Demnach haben Kinder, die bei den Pisa-Vergleichstests schlecht abschnitten, viel öfter Fernseher, Spielekonsolen und Computerspiele benutzt als ihre Vergleichsgruppen. Bundesweit wurden 5.500 Viertklässler und 17.000 Neuntklässler befragt. Ein Lösungsweg: Eltern und Pädagogen sollten bei Kids und Teenagern stärker die Lust auf Sport, Musizieren, Spielen an der frischen Luft und klassisches Spielzeug wecken. Sie mag Teddy lieber als TV. JUNI 2008 YO-YO 9 INSIDE Bonjour Saint- Claude! Im März übernahm Simba Dickie den Löwenanteil der Smoby Gruppe, ehemals Frankreichs Spielzeughersteller Nummer eins. Damit rettete sie in Lavans-lès-Saint-Claude wichtige Arbeitsplätze und investierte in den Industriestandort Europa. E 10 YO-YO JUNI 2008 berry, Mobiltelefon, Brieftasche ein und raste vom Büro zum Flughafen. Ohne frisches Hemd, ohne Reisenecessaire. Hauptsache erst einmal über Genf zum Firmensitz in der Gemeinde Lavans-lèsSaint-Claude. Weilers Auftrag: mit den Menschen reden. Was war passiert? Die Telefone glühten, E-Mails füllten im Sekundentakt die Mailboxen in der Fürther Geschäftszentrale. Kurz darauf packte Geschäftsführer Uwe Weiler nur Black- Die Smoby Gruppe wurde 1924 als Familienunternehmen in Frankreich gegründet. Durch Übernahme der Firmen Majorette und Berchet stieg die Smoby Einstiger BIG Player in der Krise Majorette Gruppe zum Primus des französischen Spielzeugmarktes auf. Im Laufe der Jahre führte sie weltweit 18 Tochterunternehmen, beschäftigte zuletzt weltweit 2.300 Mitarbeiter, 1.080 davon in der Heimat. Zentrum war der Firmensitz im regionalen Naturpark des Haut-Jura, der sich auf die Départements Jura, Doubs und Ain erstreckt. Vor einem Jahr geriet Smoby dann in die Verlustzone. Man hatte mehrere Firmen gekauft, aber nicht wirklich integriert. Die Produktpalette wurde unübersichtlich, s Die Landschaft des Haut-Jura ist für ihre Wälder, Seen und die Spielwarenindustrie bekannt. rst liefen die Verhandlungen schleppend an, blieben zäh und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Am Morgen des 3. März entschied sich das Handelsgericht im französischen Jura für die Fürther Firmengruppe Simba Dickie als neuen Eigner eines Großteils des Spielwarenherstellers Smoby Group. JUNI 2008 YO-YO 11 INSIDE viele Segmente kannibalisierten einander. Es ging bergab. Die Mitarbeiter wussten nicht, wie und ob es überhaupt weitergehen würde, bangten um ihren Arbeitsplatz, um ihre Zukunft. Zu Recht, denn Smoby war stets einer der größten Arbeitgeber. schleiferei und Uhrenbau, vor allem aber die Kunststoff- und eben die Spielwarenindustrie. Das Haut-Jura ist eine Gegend voller Gegensätze mit Tannenwäldern, Flüssen und Weinbergen, mit Höhenlagen bis zu 1.500 Metern, idyllischen Almen und steinernen Zeugnissen der Vergangenheit, die bis zur Eroberung durch die Römer etwa 50 vor Christus reicht. Wasserfälle, Schluchten und Seen machen den wildromantischen Charme dieses Landstriches aus. Über dem Fluss Bienne liegt in der Region Franche-Comté die Gemeinde Lavans-lès-Saint-Claude, in der die Smoby-Administration untergebracht ist. Weitere Produktionsstandorte sind Arinthod und Moirans. Von hier aus werden die Spielwaren in alle Welt versandt. Seit März 2007 stand das Unternehmen Smoby mit einem Schuldenvolumen von über 270 Millionen Euro zunächst unter Käse und Spielzeug – viel mehr nicht Geprägt war die Gegend immer von Land- und Forstwirtschaft sowie dem Handwerk, insbesondere der Pfeifenherstellung. Französische Pfeifen kommen heute fast ausnahmslos aus Saint-Claude. » Wir wollen den Standort Europa und die mehr als 400 Arbeitsplätze retten. « Michael Sieber, CEO Simba Dickie Group „Wir haben in den letzten Jahren vielfach bewiesen, dass wir Neustrukturierungen nach Übernahmen erfolgreich durchführen“, so COO Uwe Weiler. Die Fürther Firmengruppe vereint unter ihrem Dach bekannte Marken wie Simba, Dickie, Schuco (Modellautos), BIG, Nicotoy (Kuscheltiere), Noris, Tamiya (Modellbausätze) und Eichhorn (Holzspielzeug; siehe auch Seite 28). Markenartikel werden im eigenen Haus entwickelt und weltweit vertrieben. Zudem ist die Gruppe stark im Vertrieb von Lizenzthemen wie zum Beispiel Walt-Disney-Artikeln. Gläubigerschutz, ab Oktober 2007 dann unter Insolvenzverwaltung. Das Handelsgericht in Lons-Le-Saunier leitete das „Redressement Judiciaire“ (Vergleichsverfahren) ein. Sofort bekundeten zehn Bewerber aus aller Welt ihr Interesse, vor allem aus den USA. „Das wollten wir verhindern“, sagt Michael Sieber, CEO der Simba Dickie Group. „Wäre ein amerikanischer Großkonzern zum Zuge gekommen, wäre Smoby für Europa verloren gewesen.“ Meilenstein in der Firmengeschichte Erfahrung setzt sich durch „Das wichtigste Ziel ist nun, unsere Philosophie und Denkweise zu vermitteln, die Menschen zu motivieren und schnellstmöglich Smoby wieder auf die Erfolgsspur zu setzen“, beschreibt CFO Manfred Duschl die nahen Zukunftspläne. So sahen das auch die Franzosen. Zuletzt gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einer französischen Investorengruppe. Die hatte natürlich Heimvorteil. Doch die Insolvenzverwalter entschieden sich für die Simba Dickie Group als strategischen Investor für Teile der ehemaligen Smoby-BerchetGruppe. Die jahrzehntelange, internationale Erfahrung im Spielwarenbereich und die stabilen weltweiten Distributions- Für die fränkische Firmengruppe bedeutet die Übernahme einen Meilenstein in ihrer über 25-jährigen Firmengeschichte. Und viel Arbeit. Das Fürther Führungstrio hat zunächst mit jedem Mitarbeiter gesprochen. Mit jedem einzelnen, vom Azubi bis zum Manager. Der Vertrag verlangte die Übernahme von 401 Mitarbeitern. Doch Simba Dickie beschäftigt 446 Mitarbeiter weiter. Die Menschen zeigen sich zutiefst dankbar. dischen Fürther Familienunternehmens (Umsatz 2007: 370 Millionen Euro). Gefehlt haben diese großen Outdoorprodukte wie Rutschen und Spielhäuser, Dreiräder, die Miniküchen und Werkbänke von Smoby, die in Qualität und Design weltweit einzigartig sind. „In der global gesehen doch eher kleinen Spielwarenbranche wird es immer wichtiger, ein umfassendes Produktangebot zu be sitzen“, so Uwe Weiler. „Made in Europe“ ist die Zukunft Außerdem erschließen sich dem Unternehmen neue Vertriebswege im mediterranen Raum. Die Integration werde zwar ein paar Jahre dauern. Doch die Investition in Europa sei wichtig. Einerseits wäre die Produktion der Smoby-Spielzeuge in Fernost logistisch ohnehin viel zu aufwändig und teuer. Andererseits werde die Produktion in China zukünftig durchaus an Attraktivität verlieren. Dort hat der Wandel begonnen. „Die Lohnkosten werden explodieren“, weiß Weiler. Und die Zeiten, als ausländische Produzenten in Hongkong mit Export-Subventionen gelockt wurden, sind längst vorbei. Zudem entsteht durch die steigende Lebensqualität und Kaufkraft in China, aber auch Indien oder Russland ein ganz neuer Markt. Ein Markt, der Qualitätsspielzeug „Made in Europe“ schätzt. s Idyllische Lage: In der kleinen Gemeinde Lavans-lès-Saint-Claude sitzt die Smoby-Administration. Klimatisch zu rau für den Weinanbau – den gibt es nur im westlichen Teil des Jura – lohnte sich die Viehwirtschaft, vor allem die Käsemanufaktur. Rund 80 Prozent der Milchproduktion werden heute zu Käse verarbeitet. Fondue und Raclette wurden hier (und nicht von den Schweizern) erfunden. Am bekanntesten ist der Comté, edler Rohmilchkäse von der rotscheckigen Montbéliard-Kuh. Nennenswert sind noch Wild und Morcheln. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatten sich immerhin einige andere Industriezweige entwickelt, die Fertigung von Knöpfen und Schnallen zum Beispiel, Diamant- Retter in der Not möglichkeiten mit 20 eigenen Tochterunternehmen hatten die staatlichen Verwalter vor dem Tribunal de Commerce in Lons-leSaunier überzeugt. Die Verschmelzung fügt sich harmonisch in die Expansions- und Wachstumsstrategie der Gruppe ein. Smoby bereichert das Portfolio des erfolgreichen, mittelstän- Typisch Smoby: OutdoorSpielzeug wie Boccia (oben) und Rutschen. Gerettet: die Firmenzentrale der Smoby Group in Lavans-lès-Saint-Claude. Wildromantische Landschaft: der Bonlieusee im französischen Jura. Willkommen: M. Christian Rouyer (links), Präfekt des Départements Jura, empfing Michael Sieber. JUNI 2008 YO-YO 13 INSIDE NICE-TO-KNOW Groß, größer, Sandkasten in Schmetterlingsform mit Wasseranschluss. Früh übt sich?! Smoby Beim neuen Mitglied der Simba-Dickie-Familie ist alles riesig – die Fabrikhallen, die Maschinen, die Lager und die Produkte. Diese werden im Jura entwickelt, produziert und weltweit verschickt. Ein einzigartiges Phänomen. W ie hineingegossen in die Landschaft liegen die Fabriken im französichen Teil des Jura. Von außen wirken sie eher unscheinbar. Doch im Inneren der SmobyFabriken scheint immer die Sonne. Hier entsteht das farbenprächtigste, fröhlichste Kinderspielzeug: Schaukeln, Sandkästen und bis zu acht Quadratmeter große Spielhäuser, in denen Schneewittchen und die sieben Zwerge Platz fänden. technischen Innovationen in höchster Qualität und endet beim umweltschonenden Recycling der Produktionsrückstände. Außergewöhnlich für die Branche: Ingenieure, Designer und Werktätige arbeiten unter einem Dach und können somit sehr schnell auf individuelle Kundenwünsche reagieren. Durch die zentrale Lage sind die Produkte auch kurzfristig europaweit lieferbar. Diese opulenten Outdoor-Spielwaren aus hochwertigem Plastikmaterial sind die Spezialität der Franzosen. Deshalb ist in den modernen Fabrikanlagen in Lavanslès-Saint-Claude, Arinthod, Moirans, Groissiat und Bellignat alles weiträumig. Die größte Maschine ist sieben Meter hoch, ragt wie ein Einfamilienbungalow in die Werkshalle. Sie fabriziert im „Blow molding“-Verfahren, einer Blasform-Technik, die Spielhäuser. Weit mehr als 600 verschiedene Produkte treten in den insgesamt fünf Fabrikanlagen der Region ihre Reise durch die verschiedenen Fertigungsstationen an, ehe sie am Ende in riesigen Pappkartons verschwinden, wie man sie aus Möbelhäusern kennt. Eine Garnison von Gabelstaplerfahrern sorgt dafür, dass die Pakete in Trucks zum Transport in 90 Länder getürmt werden. Thomas le Paul ist dabei, die Firmenstrukturen zu optimieren. Der 32-Jährige ist ein Glücksfall für das prestigeträchtige Projekt. Er war zuletzt Geschäftsführer von Simba Toys Italien, ist aber gebürtiger Franzose und hat früher schon einmal für die Smoby-Gruppe gearbeitet. „Die Mitarbeiter sind hochspezialisiert und motiviert“, sagt er. Seine neue Herausforderung fasziniert den Vater einer drei Monate alten Tochter: „Jedes SmobyProdukt ist Ergebnis intensiver Forschungsarbeit.“ In jeder Phase der Entstehung eines neuen Spielzeugs wird geprüft, ob es die richtigen Maße hat, ob die Funktionen für das psychomotorische Verhalten und das Alter der Kinder geeignet sind, für die es gedacht ist. Thomas le Paul, der neue Geschäftsführer von Smoby Toys. 14 YO-YO JUNI 2008 Das Smoby-Team besteht aus Experten für Kreationen aus Kunststoff. Das beginnt beim Material, geht über das Design bis zu International tonangebend ist Smoby auch bei Mini-Küchen und -Werkbänken, die unter anderem auch in Lizenz für Tefal und Black & Decker entstehen. Die kleinen Haushaltsgeräte und Handwerkszeuge sind den Originalen täuschend ähnlich, die Kids kochen, bügeln, bohren und hämmern wie die Großen. Das anspruchsvolle Spielzeug ist der neue Stern am Simba-Dickie-Firmament. n Smoby bedeutet Plastikproduktion in Perfektion. Niesende Dinos, pinkfarbene Gameboys, plappernde Pandabären – Lern- und Multimedia-Spielzeuge waren die Stars auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Ist das pädagogisch wertvoll? Dr. Nicole Becker gibt die Antwort. Yo-Yo: Frau Dr. Becker, wie stehen Sie zu Spielen mit Lerneffekt, dem edukativen Spiel zeug? Geht dabei nicht die Unbekümmertheit verloren? Dr. Nicole Becker: Viele Eltern sind an- Riesige Fabrikhallen für die groß(artig)en Outdoor-Produkte. gesichts der aktuellen Diskussionen über die Leistungen des öffentlichen Schulwesens besorgt darüber, dass ihre Kinder dort zu wenig lernen. Ich halte Lernspiele dann für angebracht, wenn die Inhalte sinnvoll sind und die Kinder ihre Freude daran haben. Denn was Kinder gern tun, tun sie auch unbekümmert. Das geht aber oft noch weiter: Die Tagesmutter spricht Englisch mit dem Baby, das Kleinkind soll mit Buchstaben spielen … Werkbank für kleine Handwerker. Das hängt mit der Angst der Eltern zusammen, ihre Kinder könnten etwas verpassen. Man spricht heute von der „Wissensgesellschaft“ und betont, wie wichtig intellektuelle Leistungen und Bildungszertifikate sind, um in der Welt zu bestehen. Es ist aber unsinnig, Kinder mit Lerninhalten zu konfrontieren, bevor sie die kognitive Reife besitzen, diese zu verarbeiten. Das Einjährige ist mit ganz anderen Entwicklungsaufgaben und -schritten beschäftigt. Es kann mit Buchstaben schlicht noch nichts anfangen. Wenn das Kind altersgemäße Lernspiele noch nicht beherrscht – müssen sich die Eltern sorgen? Das Spielhaus Jura Lodge wirkt wie aus Holz. Nein, Menschen sind keine Maschinen, die nach einem vorher festgelegten Plan funktionieren. Jeder hat sein individuelles Entwicklungstempo. Nehmen Eltern regelmäßig die kinderärztlichen Unter suchungen wahr und werden dort keine gravierenden Entwicklungsverzögerungen festgestellt, kann man das gelassen sehen. Kids lieben Nintendo Wii und iPod. Wie schätzen Sie den Technik-Trend ein? Ich denke nicht, dass solche Arten des Spiels per se schlecht sind. Es ist eine Frage der Dosierung. Manche Kinder haben ein gutes Gespür dafür, wann es Zeit wird, sich vom Gameboy ab- und der sozialen Umwelt oder anderen Dingen zuzuwenden, andere nicht. Hier sind Eltern und Bezugspersonen gefordert, Grenzen zu setzen. Eltern teilen die Vorlieben ihrer Kinder oft nicht: Erwachsene mögen Holzspielzeug, Kinder die Laserschwerter, Monster und Plastikzombies. Ist dieser „Schund“ schlecht für Kinder? Wir haben als Erwachsene andere ästhetische Präferenzen und offenbar vergessen, dass wir früher selbst fürs Knallbunte empfänglicher waren als fürs Naturbe lassene. Ich vermute, Laserschwerter und Plastikmonster sind so beliebt, weil sie sich von der sonstigen Umgebung ab heben. Kinder stellen sich in bestimmtem Alter beispielsweise gern allmächtige Wesen vor. Die müssen dann auch anders aussehen als das, was man schon kennt. Wir müssten mal untersuchen, wie die Kinder selbst das sehen! Erst dann ließe sich beantworten, ob diese – uns Erwachsenen seltsam anmutenden Spielzeuge – Kindern schaden können. Die Expertin: Dr. Nicole Becker ist Akademische Rätin in der Abteilung Allgemeine Pädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen. Der Schwerpunkt ihrer Forschung lag in der Vergangenheit auf dem Verhältnis von Hirnforschung und Pädagogik. Derzeit führt sie ein Forschungsprojekt zum Thema „Aufmerksamkeits-Defizit-/HyperaktivitätsSydrom (ADHS) aus Elternsicht“ durch. Warum ist Spielen überhaupt so wichtig? Kinder erschließen sich dadurch ihre Welt. So entwickeln sich grundlegende kognitive und motorische Fähigkeiten. Als Erwachsene nennen wir das spielerisch, für Kinder ist es gewissermaßen der natürliche Zugang zur Welt. Dabei können sie sich entwickeln und ihre Grenzen austesten. Wird zunehmend weniger gespielt? Nein, im Gegenteil. Je mehr Freizeit eine Gesellschaft hat, um so mehr spielt sie. Das gilt für Kinder und für Erwachsene. Ich glaube auch nicht, wie in den 1980er Jahren kritische Stimmen behauptet haben, dass die Kindheit durch die vielen neuen Medien verschwindet. Ein Teil der Spielwelt verändert sich, das Segment wird ins gesamt breiter, und damit verändert sich auch die Kindheit. Es wird eben nur anders und mit anderen Dingen gespielt als früher. Haben Malen, Basteln, Kneten schon ausgedient? Auf keinen Fall. Und das wird auch noch lange so bleiben. Diese Beschäftigungen besitzen eine starke motorische Kom ponente, also grundlegenden Einübungscharakter, und geben den Kindern Raum für ihre Phantasie und Kreativität. JUNI 2008 YO-YO 15 UP-TO-DATE In aller Munde Die debatte um sicheres Spielzeug Die Serie von Spielzeug-Rückrufen im vergangenen Sommer hat dem Image der Spielwarenbranche geschadet. Nun hat EU-Kommissar Günter Verheugen die Sicherheitsfrage zur Chefsache erklärt und fordert noch mehr Regeln für Hersteller und Importeure. Berechtigt oder übertrieben? Ein Blick zurück nach vorn. G 16 YO-YO JUNI 2008 Die Rückruf-Aktionen 2007 Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahr mussten große Spielzeughersteller mehrmals Produkte aus dem Verkehr ziehen. Ein US-Spielzeugkonzern rief innerhalb von fünf Wochen dreimal bleihaltiges Spielzeug zurück. Blei kann zu Hirnschäden führen, wenn es verzehrt wird. Weltweit waren das rund 800.000 Artikel (in Deutschland etwa 38.000), darunter 675.000 Accessoires für Anziehpuppen. Die enthielten Magnet-Kleinteile, die Kinder hätten verschlucken können. Anfangs vermutete man bei dem Spielzeug- Giganten die Defizite ausschließlich in der chinesischen Produktion. Tatsächlich stellte sich heraus, dass lediglich 13 Prozent der Spielzeuge wegen bleihaltiger Farbe, 87 Prozent jedoch aufgrund falschen Designs zurück mussten. Und: Die Metallteile in den Puppen kamen aus dem US-Stammhaus. Man entschuldigte sich daraufhin für die verzerrte Darstellung offiziell bei den chinesischen Behörden. Eine Vertriebsfirma zog eine Million Babylätzchen aus dem Verkehr. Darin hatten neuseeländische Wissenschaftler Blei s ünter Verheugen, der deutsche Kommissar für Industrie und Unternehmen in Brüssel, fordert strengere Qualitätskon trollen für Spielzeug. Im Januar legte er seinen Richtlinien-Entwurf vor (siehe Kasten Seite 18). So sollen etwa Spielwaren, die elektronische Chips enthalten, zusätzlich zu den Kontrollen der Hersteller eine Zertifizierung durch Drittstellen vorweisen. „Die Welt des Spielzeugs hat sich komplett verändert“, so sein Argument. Die Vorschriften aus der Spielzeugrichtlinie 88/378/EWG seien nach 20 Jahren dringend überholungsbedürftig. Ein bisschen ängstlich schaut sie schon, die kleine Maus. Dabei ist ihr Teddybär doch geprüft. JUNI 2008 YO-YO 17 UP-TO-DATE Für die Sicherheit unserer Kinder sollten alle an einem Strang ziehen. De r EU - Vo rs c h l a g fü r e i n e n e u e Sp i e l z e u g r i ch t l i n i e Diese neuen Regeln sollen spätestens am 1. Januar 2010 in Kraft treten: •Verbot krebserregender, erbgutgefährdender oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe sowie allergener Duftstoffe und niedrigere Grenzwerte für gefährliche Stoffe wie Blei und Quecksilber •Verpflichtung der Hersteller zur Anbringung ausreichender Gefahrenhinweise •strengere Vorschriften für verschluckbare Kleinteile und für Kombinationen von Lebensmitteln und Spielzeug •Verpflichtung der Hersteller zur Ausarbeitung einer umfassenden technischen Dokumentation für alle ihre Spielzeuge •Prüfung von Spielzeug, für das noch keine Normen bestehen (z.B. Spielzeuge mit Magneten), durch unab hängige Prüflabors •mehr Verantwortung der Importeure für die Sicherheit des von ihnen einge führten Spielzeugs •Vorschriften zur Verbesserung der Erkennbarkeit der CE-Kennzeichnung von Spielzeug •Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zu Sanktionen gegen Hersteller, die gegen die Spielzeugrichtlinie verstoßen 18 YO-YO JUNI 2008 Kinderspielzeug kommt aus China macher, die die Gesundheit unserer Kinder riskieren. Doch dies sind die Fakten: Qualität steht im Mittelpunkt „Die Sicherung von Spielzeug ist um fassend geregelt“, sagt Volker Schmid, Geschäftsführer des Verbandes der Spielwarenindustrie (DVSI), Stuttgart. „Die TÜV-Berichte zeigen: In China wird China ist der weltweit größte Exporteur von Spielzeug und exportiert jährlich rund 22 Milliarden Artikel, etwa 60 Prozent der weltweiten Produktion. Die in Europa verkauften Spielwaren werden sogar zu 80 Prozent in der Volksrepublik hergestellt. Wer importiert, muss dafür sorgen, dass sie den europäischen Sicherheitsstandards entsprechen. Bei der Simba Dickie Group durchlaufen alle Artikel die Qualitäts- und Sicherheitstests nach EURichtlinien. » Wir haben viel seltener Rückrufe als beispielsweise die Autoindustrie. Kinderspielzeug ist ein sehr gut kontrollierter Gebrauchsgegenstand. « Noch im Spätsommer 2007 reagierten die zuständigen chinesischen Behörden prompt: In China wurden sofort über 300 Lizenzen nationaler Hersteller eingezogen, bis heute sollen es nach Brancheninformationen fast 1.000 sein. äußerst hohe Qualität produziert, sonst würden nicht 80 Prozent aller Spielzeuge in der EU dort herkommen.“ Zumal: Nur ganz wenig Spielzeug ist hundertpro zentig chinesischer Herkunft. „Die meisten Spielzeughersteller dort, von denen etwa 3.500 Firmen Exportlizenzen be sitzen, arbeiten für ausländische Auftraggeber, die nicht nur das Design vorgeben, sondern auch Material und Vorprodukte liefern“, erklärt der Verbandschef. Den Beschluss des Bundeswirtschaftsministeriums, national die Marktaufsicht durch die Gewerbeaufsichtsämter zu stärken und künftig noch mehr Stichproben Dennoch lösten die Rückrufe weltweit Empörung der Verbraucherschutzorganisationen, politische Diskussionen und Sorgen bei vielen Eltern aus. Auf nationaler und auf EU-Ebene wurden die Einfuhrbedingungen chinesischer Importartikel hitzig diskutiert. Es konnte der Eindruck entstehen, Spielzeughersteller seien skrupellose Geschäfte- Ulrich Brobeil, Justitiar des Verbandes der Spielwarenindustrie (DVSI), Stuttgart durchzuführen, „befürworten wir.“ Mehr noch: „Spielzeuganbieter sollten nachweisen müssen, dass sie das für die Spielzeugsicherheit erforderliche Qualitätsmanagement tatsächlich beherrschen“, so Schmid. So bietet der Verband in Kooperation mit dem TÜV Rheinland seit Oktober 2007 die Ausbildung zur „Spielzeugsicherheitsfachkraft“ an. Sie richtet sich vor allem an kleine Firmen – nach dem Vorbild der großen Konzerne wie der Simba Dickie Group, „die hervorragendes Qualitätsmanagement vorleben.“ GRÖSSE IST DOCH WICHTIG Wie ernst die Unternehmen ihre Verantwortung nehmen, zeigt die derzeit steigende Nachfrage nach CE- und GSSiegeln, den lizenzierten Zeichen der deutschen Regierung, die nach unabhängiger Prüfung (TÜV, Dekra) vergeben werden. Das GS-Zeichen holt sich der Produzent selbst, um seine Qualität zu beweisen, noch ist es keine Pflicht. Eine Sicherheitsprüfung kann allerdings bis zu 2.000 Euro kosten, die sich offenbar einige Importeure nicht leisten wollen. Daher kann ein Tipp für Verbraucher lauten, sich auf Produkte der großen Spielzeughersteller zu verlassen. » Einfuhrverbote wären zwar denkbar, aber wir wollen doch Vertrauen in ein offenes Welthandelsmodell schaffen. « Meglena Kuneva, EU-Verbraucherschutzkommissarin, Brüssel Schwarze Schafe gibt es überall Spielen soll Spaß machen! Allein der TÜV Rheinland, der inter national Sicherheitsprüfungen durchführt, beschäftigt in China 24 Labors mit 1.400 Mitarbeitern. In Hongkong werden jeden Monat mehr als 10.000 Tests auf gesundheitsgefährdende Schadstoffe in Spielzeugen durchgeführt. „Angetrieben von den großen deutschen Handelsketten steigen Produktqualität und Produktionsbedingungen in Asien kontinuierlich“, so Jörg Mähler, Geschäftsführer TÜV Rhein land in Hongkong. „Dass es in China – aber auch anderswo – schwarze Schafe gibt, die Grenzwerte aus Kostengründen oder bei Materialengpässen ignorieren, kann niemand gänzlich ausschließen.“ Bei Waren, die Kinder betreffen, sind Verbraucher eben besonders sensibel. Dass regelmäßig Automobile zurückgerufen werden, erhitzt die Gemüter kaum. Dabei registrierte das Kraftfahrt-Bundesamt 2007 allein 371 Fälle (2006: 342), die 536.477 Autobesitzer betrafen. KONTROLLE WIRD ZUNEHMEND BESSER Ein Grund dafür, dass kritische Ware schneller identifiziert wird, ist das seit 2005 aktive Schnellwarnsystem RAPEX (Rapid alert system for non-food dangerous goods). Im Internet (http://ec.europa.eu/consumers/dyna/rapex/rapex_ archives_en.cfm) veröffentlicht die EU wöchentlich Produkte, von denen Risiken ausgehen können. Marktaufsichtsbehörden in 30 europäischen Ländern melden alles, vom Babynuckel bis zur Bohrmaschine, vom Hustensaft über Tierfutter bis zur Zahnpasta. Auch das Kraftfahrt-Bundesamt bedient sich dieses Systems. In Deutschland ist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit für die Meldungen zuständig. Dass immer mehr gemeldet wird, „heißt doch, dass die Wachsamkeit der nationalen Kontrollbehörden steigt“, so die EU-Verbraucherschutzkommissarin Meglena Kuneva. Das bedeute nicht gleichzeitig, dass es tatsächlich mehr mangelhafte Ware aus Fernost gibt. s •Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zu verstärkter Marktüberwachung und Kontrolle vor Ort und an den Außengrenzen der EU entdeckt. Die Simba Dickie Group rief im November vorsichtshalber Spielzeugperlen zurück, ein Vertriebsprodukt eines italienischen Partners. In den USA und Australien wurde über Probleme berichtet, nachdem Kinder sie geschluckt hatten. Die Fürther reagierten, ehe überhaupt klar war, ob das hierzulande vertriebene Spielzeug dieselben kritischen Stoffe enthielt. Hersteller war ein australisches Unternehmen, das die Produkte aber in China produzieren ließ. JUNI 2008 YO-YO 19 UP-TO-DATE NICE-TO-KNOW Mund, Nase, Augen auf Deshalb gibt es keine sachlichen Argumente für ein Importverbot aus China. „Es wäre unsinnig, besorgten Eltern zu raten, grundsätzlich Produkte aus Fernost zu meiden“, so Gitta Geue, Umwelt referentin der Verbraucherzentrale Bayern, „schließlich leben wir in einer globalisierten Wirtschaft.“ Wichtiger ist ihr, „zu vermitteln, woran man bedenkliche Ware erkennt.“ Sehr oft ist das Billigware. beim Spielzeug(ver)kauf » Wir brauchen eine bessere Marktüberwachung. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass dieser Schrott nicht in unseren Kinderzimmern landet. Selbst die Sicherungs systeme der großen Konzerne reichen nicht. « Kunden in der Spielwarenabteilung sind kritisch und skeptisch, oft unsicher. Dabei ist es ganz leicht für Verkäufer, sie zu beruhigen. Wenn sie die Spielregeln kennen. W er andere überzeugen will, muss wissen, wovon er spricht. Knowhow und gute Argumente sind Pflicht für Verkäufer. Beruhigende Worte sind die Kür. Mit diesen Tipps kann jeder die Qualität eines Produktes erkennen. Hingucker. Den Hinweis „Nicht für Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Berlin Kinder unter drei Jahren“ muss man ernst nehmen. In diesem Alter stecken Kinder alles in den Mund. Das Produkt darf keine Teile haben, die sich lösen könnten. Das ist der Punkt. Wer nicht bereit ist, einen angemessenen Preis zu zahlen, darf keine Höchstqualität erwarten. Die Verbraucher selbst setzen die Hersteller mit ihrer Forderung nach immer niedrigeren Preisen für Spielzeug unter Druck. Qualität hat aber nun einmal ihren Preis. Wer sicher gehen will, muss geprüftes Qualitätsspielzeug kaufen. Ganz einfach. n Expertentum. Die Suche nach den Güte siegeln lohnt sich. Fehlt das CE-Zeichen auf Spielzeug oder Verpackung, lassen Sie lieber die Finger davon. Schnupperkurs: Was streng chemisch riecht, sollte bleiben, wo es ist. Es könnte schädliche schwermetallhaltige Farben und Stoffe beinhalten. Lesestoff. Auf Verpackung oder Etikett muss die vollständige Herstelleradresse oder Adresse des Importeurs genannt sein. So wissen Kunden, an wen sie sich im Schadensfall wenden können. Fachchinesisch. PVC enthält oft gesund- heitsgefährdende Weichmacher, Blei, Zinnorganika oder Nonylphenol. Die könnten schaden, wenn ein Kleinkind sie lutscht. Plastikspielzeug besteht idealerweise aus Kunststoffen wie Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) oder Acetyl-Butyl-Styrol (ABS), da sie als unbedenklich gelten. Fehlt die konkrete Angabe auf Produkt oder Verpackung, handelt es sich meistens um PVC. Gutes Zeichen ist der Hinweis „PVC-frei“ oder „Phthalat-frei“. damit sich keine Schimmelpilze bilden. Stoffpuppen für Kleinkinder vor dem ersten Knuddeln waschen. Sie könnten mit Bioziden behandelt sein. Ohrensausen. Brabbelnde Kuscheltiere oder Spieluhren sind beliebte Einschlafhilfen. Für zarte Kinderohren können sie aber viel zu laut sein. Erwachsene sollten sie sich direkt ans Ohr halten. Ist das unangenehm, bedeutet es Krach fürs Kind. Gut Holz. Holzspielzeug gilt als um- weltverträglich und solide. Für Kleinkinder eignen sich unlackierte, gewachste Hartholzbauklötze am besten. Bei lackiertem Spielzeug auf Speichel- und Schweißechtheit achten. Verfärbt es prompt die Hände, ist es tabu. Fingerspiele. Eine Schweizer Studie er- gab, dass jede fünfte Fingerfarbe zu viel des allergenen Konservierungsstoffs MI/ MCI enthielt. Gut sind Farben auf Basis von Lebensmittel- oder Pflanzenfarben und ohne Konservierungsstoffe. IN guter gesellschaft. Brettspiele und Puzzles werden kaum getestet. Dabei fanden Warenprüfer durchaus bedenkliche Biozide oder Farbstoffe. 2007 wurden einige Holzpuzzles aus den Läden geholt. Auch hier sollten die Erwachsenen ihrer Nase folgen: Was komisch riecht, lieber liegen lassen. Wer den strengen Geruch erst zu Hause feststellt, sollte das Spiel gründlich lüften. S ymbo l k r a f t Diese Icons sollten Sie kennen. Denn einige von ihnen sind ein richtig gutes Zeichen. CE-Zeichen. Alle Spielzeuge auf dem deutschen Markt müssen dieses Zeichen tragen. Damit verpflichtet sich der Hersteller, die europäische Spielzeug-Richtlinie 88/378/EWG beziehungsweise das deutsche Geräte- und Produkt-Sicherheitsgesetz (GPSG) einzuhalten. Es wird von Herstellern und Importeuren in eigener Regie vergeben. GS-Zeichen. Steht für „geprüfte Sicherheit“ auf Basis des GPSG. Kriterien wie beim CE-Zeichen. Aber: Eine offizielle, unabhängige Prüfstelle untersucht, ob EUSicherheitsnormen plus Bestimmungen des Lebens- und Futtermittelgesetzbuchs stimmen. LGA tested. Dass Produkte mit diesem Zeichen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, hat eine unabhängige Prüfstelle (die LGA QualiTest GmbH) nachgewiesen. LGA tested Quality. Nachweis definierter, gehobener und konstanter Qualität. Es bestätigt Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit, Funktionseigenschaften, Verschleißverhalten, Lebensdauer eines Produktes und somit seine umfassende Qualität. Die Produktion wird jährlich überwacht. Spiel gut. Wird von einem Arbeitsausschuss vergeben. Der pädagogische Spielwert steht im Mittelpunkt. Getestet werden auch Design, Sicherheit und Haltbarkeit sowie Material und Umweltverträglichkeit. Jedes Jahr werden etwa 500 Artikel geprüft, rund die Hälfte erhält das Zeichen. Spielzeug aus PVC-Plastik ist seit 2005 ausgeschlossen. Reinlichkeit. Plüschtiere sollten wasch- 20 YO-YO JUNI 2008 Geborgenheit: Das Gefühl, in Sicherheit zu sein. bar sein. Danach gut trocknen lassen, JUNI 2008 YO-YO 21 REPORT Handwer k trifft Hi ghtech Für die einen ist es die emotionale Reise zurück in die Kindheit. Andere suchen Ästhetik und Perfektion. Manche geben ihr letztes Hemd dafür: Schuco Modellfahrzeuge. Doch wie entsteht dieses originalgetreue Spielzeug? E s gibt einen Ort in Deutschland, an dem wird mehrmals im Jahr Weihnachten gefeiert: beim Spielwaren- und Modellhersteller Schuco in Fürth. In dem Traditionsunternehmen ist immer dann „Bescherung“, wenn nach vielen Monaten der Feinarbeit endlich die Lieferung mit den ersten fertigen Modellen einer neuen Serie eintrifft. „Bei außergewöhnlichen Fahrzeugen wie dem 1:18-Feuerwehrauto mit Drehleiter, im Original von 1968, gibt’s einen Ansturm auf mein Büro. Alle wollen den Neuzugang sehen und an fassen“, so Michael Baumgärtner. 22 YO-YO JUNI 2008 Etwa 40 Neuheiten erblicken hier jähr lich das Licht der Spielzeugwelt. Bei den Automobilen und Nutzfahrzeugen, nach historischen oder aktuellen Vorbildern, variiert die Größe von Streichholz- oder Zigarettenschachtel-Dimension (Maßstab 1:87 bis 1:43) bis zum stattlichen 1:18Modell wie dem Feuerwehrwagen. „Der Maßstab 1:18 ist ebenso wie 1:12 wegen der Detailtreue die Königsklasse der Modellbau-Kunst“, so Baumgärtner. Eine Erstauflage umfasst etwa 3.000 Exemplare, spätere Varianten gibt es in limitierten Editionen von nur 1.000 bis 1.500 s Der 39-Jährige leitet die Produktent wicklung bei Schuco. Er begleitet die Miniaturen vom Entschluss „Diese Serie entwickeln wir“ bis zu dem Moment, in dem das fertige Fahrzeug zum ersten Mal feierlich ausgepackt wird. Original und Miniatur: der Porsche 356 A Speedster im Maßstab 1:43. JUNI 2008 YO-YO 23 REPORT D ie S ch u co S to ry: Vom Sp ie l z e u g z u r L e g e n d e Maßnehmen ist immer noch auch Handarbeit. 1 und 2: Die gescannten Maße des roten Porsche 356 A Speedster werden am Computer zu einem 3-D-Modell verarbeitet. 3: Der Prototyp aus chinesischer Künstlerhand. 4: Porsche 356 A Carrera Rallye aus der Classic Line im Maßstab 1:43. Teamwork: Udo Plichta bedient den Laserscanner (links), Michael Baumgärtner richtet die Referenzpunkte aus. 1 2 3 4 Schön, aber selten: Michael Baumgärtner mit dem Porsche 356 A Speedster im Maßstab 1:18. Stück. Je seltener, desto attraktiver für die Sammler. Bei aktuellen Miniaturen, die im Auftrag nahezu aller wichtigen Automobil-Hersteller fabriziert werden, erreicht die Auflage sogar fünfstellige Zahlen. Jüngstes Beispiel ist der Audi R8. Schuco-Fans müssen jedoch in jedem Fall sehr geduldig sein: „Von der Idee bis ins Regal vergehen immer mindestens neun Monate, manchmal sogar zwölf“, erzählt Michael Baumgärtner. HÖCHSTE GEHEIMHALTUNG 24 YO-YO JUNI 2008 OLDTIMER SIND HANDVERMESSEN pünktlich zur Premiere eines neuen Modells in der Glasvitrine der Niederlassungen haben. Daher hütet Baumgärtner einen geheimen Schatz: Die streng ver- Komplizierter wird es bei nostalgischen Exemplaren. Bei Oldtimern existieren keine CAD-Daten. Aber Schuco hat seit zwei Jahren einen fleißigen Mitarbeiter, der allen das Leben erleichtert: den mobilen Laserscanner. „Mit dieser modernen 3-D-Technik benötigen wir gerade mal zwei Stunden, um von historischen Fahrzeugen millimetergenau die Maße zu nehmen, die anschließend digital umgewandelt werden“, erläutert Udo Plichta, Produktentwickler bei Schuco. Vorbei die Zeiten, als hunderte Fotos gemacht und mühsam umgerechnet werden mussten. Jetzt geht’s ruck, zuck: „Wir positionieren Kugeln als optische Vergleichspunkte, legen einen Meterstab an, der Scanner macht sechs Aufnahmen, die wir am Computer später aufeinanderlegen, fertig“, erklärt Plichta. Viel schwieriger ist es für den 38-Jährigen und seine Kollegen, die historischen Originale aufzuspüren. Die Recherche gerät oft zur Abenteuertour durch Deutschlands Scheunen und Hinterhof-Garagen. Dort sind viele der „Perlen“ versteckt. Denn nur wenige OldtimerBesitzer geben ihre Kostbarkeiten der Öffentlichkeit preis. LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK Schneller gestaltete sich das Suchen und Finden bei dem gelben Opel Ascona A, der den Schreibtisch von Michael Baumgärtner ziert. Bei dem 1:87-Modell der „Piccolo“-Reihe handelt es sich um das Fahrzeug, mit dem der legendäre deutsche Rallyefahrer Walter Röhrl und sein Kopilot Jochen Berger 1973 die s Unternehmen wie Audi, BMW, Mercedes Benz, Opel oder VW können nicht warten, sondern wollen ihre Modellautos In der bald 100-jährigen Schuco-Geschichte wurden mehr als 100 Millionen Spielzeuge verkauft. traulichen CAD- (Computer Aided Design) Daten und Fotos der brandneu entwickelten 2008er oder 2009er Modelle. „Paradiesisch für jeden Auto-Fan. Denn da sind Modelle dabei, von denen niemand weiß, dass sie überhaupt auf den Markt kommen.“ Abgesehen vom Hersteller natürlich. Schuco steht für „Schreyer u. Co.“. Kaufmann Heinrich Schreyer gründete die Spielwarenfirma 1912 gemeinsam mit Heinrich Müller in Nürnberg. Der gelernte Werkzeugmacher Müller war ein Tüftler und entwickelte mit Plüsch oder Filz überzogene Blechfiguren, die Schuco zur Legende machten: 1913 Tipp-Tapp-Hunde, die „laufen“ konnten; 1914 die frei marschierende Figur Automato, die 50 Jahre später dem Roboter als Vorbild diente; 1920 der Acrobato, ein Blech-Artist, der Purzelbäume schlug. Heinrich Müller erfand ständig neue, zukunftsweisende Mechaniken und meldete viele, viele Patente an. 1936 brachte Schuco die ersten Miniaturautos auf den Markt. Unvergessen das „Wende-Auto“, das wegen gegenlaufender Räder nicht vom Tisch fallen konnte, oder der Mercedes „Silberpfeil“. Mitte der 50er Jahre produzierten 800 Menschen täglich bis zu 8.000 Exemplare in Nürnberg. Aus hochwertigem Metall. Dabei hatten längst Zinkdruckguss und Kunststoff den Spielzeugmarkt erobert. Die Metall verarbeitung rentierte sich eigentlich schon lange nicht mehr. 1976 war der Konkurs unabwendbar. Daraufhin wurden Werkzeuge und Formen in alle Welt verstreut, teilweise verschrottet. Ein Teil Schuco-Geschichte ging un wiederbringlich verloren. 1990 wurde Schuco zwar von einem ehemaligen Konkurrenten wiederbelebt, doch 1999 zog sich die Inhaberfamilie ganz aus der Branche zurück und verkaufte Schuco an die Simba Dickie Group. Dort hauchte man dem Mythos neues Leben ein, entwickelte innovative Produktlinien, setzte höchste Standards in Qualität und Präzision und eroberte Sammlerherzen (zurück). Heute setzt Schuco im wahrsten Sinne des Wortes wieder Maßstäbe. www.schuco.de JUNI 2008 YO-YO 25 REPORT NICE-TO-KNOW Rallye Monte Carlo gewannen. „Ich habe das Fahrzeug im Opel Museum gesehen und war sofort Feuer und Flamme.“ Der Opel Ascona A ist ein Idealkandidat: Er ist ein Automodell mit Seele, er hat eine Geschichte, er erlaubt Varianten. So vergeht Ihnen nie das Lächeln ARBEIT AM MODELLAUTO IST KUNST Die selbst erfassten CAD-Daten gehen mit Fotos und Skizzen an den „Maker“ (engl.: Macher) nach Dongguan, weltweite „Hauptstadt“ der Spielzeugproduktion in Süd-China. Dort gehen Künstler und Designer ans Werk. Sie erarbeiten den Prototypen aus Kunstharz. „Doppelt so groß wie das spätere Auto, damit Einzelheiten besser erkennbar sind“, erklärt Baumgärtner. Das ist wichtig: Jede Abweichung vom Original ist ein Sakrileg – da sind die Sammler kompromisslos. Selbst Freiherr von Knigge wäre mit seiner Etikettekunst in China kläglich gescheitert. Kultur und Umgangsformen des Riesenreiches sind den meisten Europäern so fremd wie das Zubereiten einer Pekingente. Im Geschäftsleben sollte man einige Grundregeln kennen. W er unvorbereitet nach China reist, wird nicht weit kommen. Asiaten pflegen eine ganz eigene Verhaltens- und Verhandlungskultur. Um nicht von einem Fettnäpfchen ins nächste zu stolpern, sollten sich Geschäftsreisende mit den Grundregeln vertraut machen. Auf Basis des Prototyps beginnt – wieder im Fränkischen – der Feinschliff. Hat der Maker alle Details umgesetzt? Oder war er gar zu detailverliebt, sodass der Gesamteindruck nicht mehr stimmt? Es geht um Zehntelmillimeter. Passt der Proto typ, werden in China individuelle Werkzeuge und Stahlformen hergestellt. Die „Nullserie“ von zehn Exemplaren entsteht als graue Karosserie, die noch x-fach überarbeitet wird. Erst wenn das Fahrzeug serienreif ist, wird es im Zinkdruckguss-Verfahren gegossen und lackiert. Und dann ist bald schon wieder Weihnachten in Fürth. n Guten Tag. Alter bedeutet Kompetenz. Die älteste Person in der Runde wird zuerst begrüßt. „Ladies first“ gilt nicht. Handschlag ist heute durchaus üblich, sollte aber weich sein. Nicht wundern: Dabei sehen Chinesen zu Boden. V e rsp i e lt e J u n gs Seit zwei Jahren ist für die mittlerweile 1.400 Mitglieder der „Schuco-Collectors-Club“ das Epizentrum. Für 49 Euro Jahresbeitrag gibt es Sonder editionen im Wunsch-Maßstab, ein Geburtstagsmodell, exklusive Vorkaufsrechte sowie die „Schuco Collectors News“. Highlight ist das jährliche ClubTreffen im November in der SchucoZentrale in Fürth. Informationen unter www.schuco-club.de Diese 1:43-Variante des Porsche 356 A steht auf einem Original-Motor. 26 YO-YO JUNI 2008 Wir danken der Firma Dauphin HumanDesign Group GmbH & Co. KG Offenhausen für die freundliche Unterstützung. Eine Zier. Bescheidenheit ist eine Tugend. Das, worauf man eigentlich stolz ist, die eigene Familie oder Leistung, wird heruntergespielt, lässt aber beim Abwiegeln den Stolz durchblicken. Zum Lächeln. MiEnenspiel. Gesten zählen mehr als Worte. Eine falsche könnte böse Folgen haben, also sprechen Chinesen lieber mit ausdruckslosem Gesicht. Ihnen dabei direkt in die Augen zu sehen, wäre respektlos. Cool bleiben. Öffentliche Gefühlsäuße- rungen sind den Chinesen ein Graus. Wer mit erhobener Stimme spricht, stört die Harmonie, bringt andere in Verlegenheit und kratzt am Ehrgefühl. Guter Tausch. Aus Respekt überreicht man die Visitenkarte mit beiden Händen, Schrift lesbar für das Gegenüber. So nimmt man die Kärtchen auch entgegen. Ausgiebig betrachten. Wer nicht fragt … Häufig bohrende, immer gleiche Fragen dienen der Kontaktaufnahme. Also geduldig antworten, wenn es heißt: Woher kommen Sie?, Was sind Sie von Beruf?, Wie geht es der Familie? Umgekehrt gehört privates Interesse zum guten Ton und Geschäft. getischt hat. Frauen trinken zum Essen keinen Alkohol. Ja oder nein? Höflich ist, nie direkt zu Stäbchen neben den Teller. Sie in den Reis zu stecken, erinnert an Räucherstäbchen für Verstorbene und bedeutet, man wünscht den Personen am Tisch den Tod. sagen, was man will oder nicht will, um zu verhindern, dass der andere durch Zurückweisung sein Gesicht verliert. Geschenke und Einladungen werden daher nicht gleich angenommen. Erst mehrmals abzulehnen, ist Ausdruck von Demut. Sofort zu akzeptieren, wirkt gierig. BeiZeiten. Pünktlichkeit wird geschätzt. Privatleben. Geschäftspartner werden nicht nach Hause, sondern in ein Restaurant eingeladen, ins Separee, eine Ehre. Diese privaten Speiseräume bieten oft eine Sitzecke mit Fernseher, der nach dem Essen für Karaoke genutzt wird. Getrennt zu zahlen, ist verpönt. In Geberlaune. Blumen sind kein Ge- schenk, sie gelten den Toten. Man schenkt Nützliches, außer Schneidewerkzeug, das die Beziehung kappen würde. Auffällig teure Gaben gelten als Bestechung. Fürs Geschenkpapier bieten sich die Farben Rot, Gelb und Pink an, da sie positiv besetzt sind. Negatives wird bei Blau, Schwarz, Weiß und Grau assoziiert. Gilt auch für Kleidung. Geschenk mit beiden Händen überreichen. Ausgepackt wird aber nie vor den Augen des Gönners. Tabu bei Tisch. Wer genug hat, legt die hand in hand. Mit Unbekannten wird nicht verhandelt. Man muss sich von einem Geschäftspartner einführen lassen. Das gesprochene Wort. China ist eine „High Context Culture“: Schriftliche Verträge sind oft weniger bedeutsam als die Beziehung zum Geschäftsfreund. Gute Pflege zählt. Andere Länder ... Lachen ist oft Ventil für große Gefühle. Chinesen lachen, wenn uns zum Weinen ist, bei einem Unfall zum Beispiel. Westliche Witze findet man meistens gar nicht komisch. Nur die Ruhe. Die Beherrschung zu ver- lieren, ist der schlimmste Fauxpas. Das schädigt das Ansehen unwiderruflich. farbspielE. Wegen der Symbolkraft der Farben sollte eine Präsentation nie zu bunt sein, sondern wie der Dresscode: gedeckte Farben, schlicht, konservativ. Guten Hunger. Als Gast sollte man alles probieren, was auf den Tisch kommt, viel essen, aber nicht den Teller leer kratzen. Chinesen drücken ihren Wohlstand aus, indem sie großzügig mit Speisen sind. Essen Gäste alles auf, ist das eine Blamage für den Gastgeber, weil er zu wenig aufJUNI 2008 YO-YO 27 INSIDE 2 3 1 4 Vision von der vierten Generation Die 6 5 Angefangen hat alles mit einer Handvoll Holzfiguren. Heute gehört die Simba Dickie Group zu den größten Spielwaren-Herstellern der Welt. Wie aus einem winzigen Familienunternehmen ein Global Player wurde – eine ganz persönliche Geschichte. D ie Samstage waren dem kleinen Michael Sieber immer am liebsten. Da durfte er alle neuen Spielsachen ausprobieren in der Firma seines Vaters Fritz im fränkischen Fürth. Darum haben ihn seine Freunde beneidet, deren Väter in der Schraubenindustrie oder Landwirtschaft arbeiteten. Heute gehört das Familien unternehmen Simba Dickie Group zu den größten Spielwarenherstellern der Welt mit rund 1.500 Mitarbeitern. Dazu kommen noch mehrere Tausend Mitarbeiter in Joint-Venture-Betrieben. Doch bis dahin war es ein langer Weg. 1: Die Geschwister Monika und Michael Sieber. 2: Firmensitz 1964-1968 in der Nürnberger Straße. 3: In Sack bei Fürth lebte Familie Sieber von 1960-1962. 4: Seit 1987 steht die Firmenzentrale in der Werkstraße. 5: Klein-Michael auf großer Reise: 1963 mit Vater Fritz in Mailand. 6: Früh offen für den Osten: Michael Sieber präsentiert sich im Ausland. 7: Mit ihnen fing alles an: historische Nussknacker aus dem Erzgebirge. Nussknacker aus dem Erzgebirge Als Devisengarant genoss der Unternehmer in der sowjetischen Besatzungszone hohes Ansehen. Trotzdem wollte er weg. „Mein Vater war ein freiheitsliebender Mensch“, erzählt Sohn Michael Sieber. Außerdem musste die Firma wegen des Uranvorkommens in der Gegend und den entsprechenden Grabungsarbeiten ständig umziehen. Nach dem vierten Standortwechsel entschied sich die Familie zur Flucht. Sie ließen alles zurück, flohen über Leipzig und Berlin nach Kassel zu einer Freundin der Mutter, die kurz zuvor selbst aus der DDR ausgewandert war und ihnen das Flüchtlingslager ersparte. Da war Michael Sieber drei Jahre alt. Willkommen in Fürth Fritz Sieber fand Arbeit bei der englischen Firma Matchbox in Emmerich, wo er Vertriebsleiter wurde. Er war es, der damals den Boom der Miniatur-Autos in Deutschland auslöste. Die Flüchtlings familie zog es aber bald wieder in die Selbstständigkeit. 1959 ließ sich Fritz Sieber mit Frau und drei Kindern im traditionellen Spielwarenzentrum Nürnberg in Mittelfranken nieder. Zum zweiten Mal gründete er eine Holzspielzeug-Firma namens SISO. Michael Sieber ist mit dem Duft frisch verarbeiteten Holzes aufgewachsen. Als Kind half er mit, in der Fürther Wohnung das Spielzeug in Spandosen zu packen, das seine Mutter dann mit dem Transporter an die Nürnberger Geschäfte lieferte. Als Jugendlicher träumte er davon, Fußballprofi zu werden, doch seine Knie s 1946 trat Fritz Sieber das Erbe seines Vaters Herbert im Erzgebirge an und gründete die Firma SISO (Sieber und Sohn). Er fertigte Nussknacker, Räuchermännchen, Puppenstuben, Kaufläden, kleine Pferdeställe und Holzbaukästen für den Export nach Westdeutschland. Das hand- gefertigte Spielzeug aus Wilkau-Haßlau in der Nähe von Zwickau war begehrt. Bald vertrieb Sieber 90 Prozent seiner Produkte über die staatlichen Exportorga nisationen weltweit, vor allem nach Japan und in die USA. 7 28 YO-YO JUNI 2008 JUNI 2008 YO-YO 29 INSIDE spielten nicht mit. Von da an stellte sich die Frage, was er denn beruflich mal machen wolle, nie wieder. Die Faszination Spielwarenwelt In den Sechzigerjahren stieg der Vater schnell zum größten Importeur italienischer Produkte in Deutschland auf. Firmengeschichte schrieb er mit der Rakete „Thor“, dem ersten Spielzeug, das im deutschen Fernsehen beworben wurde. SISO übernahm andere Firmen und war wiederum eine der ersten, die eigene Kollektionen in Ostblockstaaten wie Polen, Rumänien und Tschechien produzierte. Für seine Verdienste um die Ost-West-Beziehung wurde Fritz Sieber mehrfach ausgezeichnet. „Mein Vater dachte früh europaweit“, so Michael Sieber, der bereits als 17-Jähriger mit auf Reisen zu Messen und Geschäftspartnern ging. Die Faszination Spielwarenwelt hatte ihn gepackt. Für ein intensives Studium blieb keine Zeit. Nach dem Abitur arbeitete Michael Sieber in Spielwarenfirmen in Paris, Italien, England, den Niederlanden, eignete sich in Betrieben und an den Universitäten in Windeseile kaufmännische und Management-Fähigkeiten an. Doch dann, in den Siebzigerjahren, erlitt Fritz Sieber den dritten Herzinfarkt, wollte nicht mehr weitermachen wie bisher. 1976 verkaufte er 60 Prozent seiner Firma an eine holländische AG mit internationaler Ausrichtung. Eine Fehlentscheidung. Die Chemie stimmte nie, bald sahen die Siebers keine Perspektive mehr. kommen und seine Witwe wollte das Unternehmen abgeben. Der kriselnde BIGKonzern stand nach dem Tod des Inhabers führungslos da. Fritz Sieber starb 2004 im Alter von 80 Jahren. Sohn Michael Sieber ist heute die Hälfte des Jahres unterwegs. de lädt er den Akku wieder auf. Und die Urlaubsreisen mit der Großfamilie sind ihm heilig. Damals wie heute: bei Simba Dickie spielt Holz eine wichtige Rolle. Der innige Familienvater ist ein beliebter Arbeitgeber. Es herrscht eine freundliche, nahezu freundschaftliche Atmosphäre unter den fast 530 Mitarbeitern in Fürth. Die meisten Führungskräfte sind „Eigengewächse“. Charity-Aktionen sind ebenso selbstverständlich wie das Engagement im „Nürnberger Bündnis Fair Toys“, das sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der asiatischen Spielzeugindustrie einsetzt und Kinderarbeit verbietet. Die Gruppe hat bereits 2004 den International Council of Toy Industries (ICTI) übernommen, den vom Weltverband der Spielwarenindustrie ausgearbeiteten Verhaltenskodex. Nebenbei schuf Michael Sieber seinen eigenen drei Kindern ein Spielzeugparadies. „Sie waren bei jedem Artikel meine Testpersonen.“ Inzwischen umfasst das Sortiment der Simba Dickie Group mehr als 3.000 Artikel, die den 3.000 Quadratmeter großen Showroom in Fürth füllen. Nach der Konsolidierung kommt jetzt das Smoby-Angebot hinzu (siehe Seite 10). Für den Vertrieb stehen allein in Deutschland rund 75.000 Quadratmeter Distributionsfäche bereit, ein Großteil davon im Logistikzentrum Sonneberg in Thüringen. Rund um den Globus zu hause Die Gruppe produziert in eigenen Betrieben in Deutschland und Tschechien, aber vor allem in den Partnerproduktionsbetrieben in Bulgarien und China (rund 70 Prozent), besitzt Niederlassungen in mehr als 20 Ländern in ganz Europa, Skandinavien, Asien und den USA. Seit 2006 macht die Firma knapp 60 Prozent ihres Gesamtumsatzes im Ausland. Die Fliegerei stört den 52-Jährigen aber nicht. „Ich genieße die Ruhe da oben.“ Voraussetzung für diesen Beruf sei allerdings konsequent gesunde Lebensweise. Kraft gibt ihm das Familienleben, „das ist mein Jungbrunnen.“ Am Wochenen- Was Michael Sieber antreibt, ist seine Vision: die Simba Dickie Group erfolgreich in die nächste Generation zu führen. Er hat drei Kinder, eine Nichte und drei Neffen. „Mindestens vier davon sind interessiert.“ Da strahlt er. n Simba Toys erblickt das Licht der Welt In Hongkong zuhause: Hier hat die Simba Dickie Group ihren zweiten Firmensitz. Man trennte sich und am 1. Mai 1982 gründeten Fritz und Michael Sieber mit fünf Mitarbeitern Simba Toys, konzentrierten sich zunächst auf Mädchenartikel. Bis dato ging es um Unabhängigkeit und Zukunft des Familienunternehmens, in dem auch Siebers Schwester Monika als Auslandskorrespondentin arbeitete. Jetzt wollten Vater und Sohn expandieren. 1984 eröffneten sie das erste Büro in Hongkong. 1993 erwarben sie Dickie Toys (Fahrzeuge). 1998 kaufte Michael Sieber die Holzspielzeuge Eichhorn, 1999 die Modellauto-Firma Schuco, 2001 Noris (Brett-)Spiele, 2004 BobbyCar-Hersteller BIG, 2006 Plüschtierproduzent Nicotoy. „Unsere Firmenpolitik war nie aggressiv“, betont Sieber. „Wir haben Betriebe übernommen, die Probleme hatten.“ So war der Dickie-Besitzer bei einem Learjet-Absturz ums Leben ge- Die Glasfassaden gleichen sich: BIG-Zentrale in Gleißenberg Gute Laune: Das Führungstrio der Sima Dickie Group bilden (v. l.) COO Uwe Weiler (seit 15 Jahren im Unternehmen), CEO Michael Sieber, und CFO Manfred Duschl (seit 19 Jahren dabei). JUNI 2008 YO-YO 31 REPORT Da müssen sie durch Plüschtierquälerei beim TÜV Ist Kinderspielzeug nun sicher oder nicht? Laut Gesetz gehört es neben Lebensmitteln zu den bestüberwachten Produkten überhaupt. Stimmt das? Wir wollten wissen, wie solch eine Sicherheitsprüfung abläuft und waren live dabei. M orgens halb zehn in Nürnberg. Bär Benoit weiß noch nicht, was ihn heute erwartet, und grinst vor sich hin. Das Lachen wird ihm noch vergehen. Der 41 Zentimeter große Nicotoy Plüsch teddy aus dem Hause Simba Dickie Group ist Testkandidat bei einer Sicherheitsprüfung für Spielzeug. Da muss er durch, um in Europa auf den Spielzeugmarkt zu dürfen. 32 YO-YO JUNI 2008 Gleich wird’s heiss Es geht los mit der Entflammbarkeits prüfung. Der Teddy wird auf einen Ständer gespannt, so dass sein Popo in Höhe einer Art Bunsenbrenner hängt. Der Abstand beträgt exakt 20 Millimeter und wird per Schablone gemessen. Dann fährt das Gerät automatisch vor, schickt drei Sekunden lang eine Flamme zehn Millimeter tief ins Bärenfell. Mit der Stoppuhr misst Simone Trümper, Diplom-Ingenieurin für Bekleidungstechnologie, wie viel Plüsch in drei Sekunden abfackelt. Das ergibt die „Flammenausbreitungsgeschwindigkeit“. Jedes Plüschtier brennt irgendwann. Hier geht es darum, „dass der Bär, sollte er Feuer fangen, nicht schlagartig in Flammen aufgeht, sich ein s Erschöpfter Testkandidat: Teddybär Benoit hat die Sicherheitsprüfung bestanden. Was Benoit gleich widerfahren wird, regelt die EU-Richtlinie 88/378/EWG. Danach darf von Spielzeug keine Gesundheits- oder Verletzungsgefahr ausgehen. Technische Einzelheiten, die zu kontrollieren sind, schreibt die EN71-Normenreihe vor: physikalische und mechanische Merkmale, Entflammbarkeit, chemische sowie elektrische Eigenschaften, Hygiene und Radioaktivität. Fünf Tests sind es bei Teddybären, bei ferngesteuerten Elektroautos sogar bis zu zehn. JUNI 2008 YO-YO 33 REPORT bei Spielzeug wegen der Kurzlebigkeit vieler Produktreihen eher unüblich. Es bedeutet eine Art Dauervertrag. Nach bestandenem Test wird das Produkt beim TÜV aufbewahrt. Die Prüfer kontrollieren die Fertigungsstätte. Sie machen jährliche Testkäufe, um sicherzugehen, dass die einmal bescheinigte Qualität auch konstant bleibt. Sollte das Spielzeug im Ladenregal nicht identisch mit dem „Rückstellmuster“ sein, wird der Hersteller informiert und muss reagieren. Feuer im Fell: Abstand messen für die Entflammbarkeitsprüfung. Die Zeit läuft: In drei Sekunden darf das Plüschtier nicht in Flammen aufgehen. Kind also noch retten kann“, erklärt die Prüferin. Benoit besteht den Test, sein Po glimmt nur kurz vor sich hin. Streckbank: Vorbereitung zur Verschluckbarkeitsprüfung. „Zehn Sekunden lang muss das Auge halten“, erklärt der Experte. Zehn Sekunden können lang sein. Heiko Kampf guckt emotionslos zu. „Spielzeug zu testen macht schon mehr Spaß als Matratzen oder Gummistiefel“, sagt er. Das Auge hält und bedeutet somit keine Gefahr für Kinder. Hoffentlich hält das Auge Er könnte aufatmen, doch für die Zugprüfung muss er richtig tapfer sein. Prüfung auf Verschluckbarkeit ist zunächst simpel. Kleinteile werden in einen Zylinder gesteckt, der dem Rachenraum eines Kleinkindes entspricht. Was darin verschwindet, braucht den Produkthinweis „Nicht für Kinder unter drei Jahren“. Besitzt ein Plüschtier verschluckbare Kleinteile wie Knopfaugen, müssen diese daher bombenfest sitzen. In Europa soll Spielzeug sicher sein Die strengen Sicherheitsanforderungen sollen verhindern, dass bei „bestimmungs gemäßer“ oder vorherzusehender Verwen dung unter Berücksichtigung des üblichen Verhaltens von Kindern die Sicherheit oder Gesundheit gefährdet wird, heißt es im Amtsdeutsch. Die Hersteller müssen also auch eventuellen Missbrauch berück sichtigen. Jetzt wird Benoit mit dem Unterleib in die Zugmaschine gequetscht. Prüfingenieur Heiko Kampf greift ein Auge, schraubt es in eine Klammer und hakt diese oben im Gerät ein. Computergesteuert wird der Bär auseinandergezogen. Mit einer Last von 90 Newton, das sind etwa neun Kilo. 40.000 Spielzeugprüfungen und Zertifizierungen übernimmt die LGA Qualitest GmbH Nürnberg pro Jahr, ein Tochterunternehmen des TÜV Rheinland in Köln. Unter Spannung: Das Auge hält. Dieser ist mit über 100.000 Tests jährlich einer der weltweit führenden Spielzeugprüfer, in Europa der größte. Auf Herstellerwunsch umfasst die Spielzeugprüfung die gesamte Produktions- und Lieferantenkette mit Blick auf nachhaltige Ressourcenverwendung, Arbeitsbedingungen und Sozialstandards. Der TÜV Rheinland beschäftigt an 360 Standorten in 62 Ländern rund um den Globus etwa 12.500 Mitarbeiter. „Seit den Rückrufaktionen des vergangenen Jahres steigt die Nachfrage nach unabhängigen Prüfungen ständig“, so Rainer Weiskirchen, Diplom-Betriebswirt und Unternehmenssprecher der LGA Nürnberg. Vor allem die Zahl der chemischen Prüfungen haben zugenommen. Die deutschen Hersteller wollen sichergehen, dass innerhalb der Lieferantenkette keine Schadstoffe wie Schädlingsbekämpfungsmittel ins Spiel kommen. Plüschtier in völliger Auflösung Die chemischen Prüfungen (nach EN 71 Teil 3) auf Migration von Schwermetallen und Speichelechtheit sind der Härtetest. Benoit wird in ein großes Labor gebracht. Eine freundliche junge Dame nimmt ihn auf den Arm. Ehe er sich wehren kann, schneidet sie ihm kaltblütig das linke Ohr ab. Chemielaborantin Bianca Holzmann braucht ein Gramm Fell für die chemische Analyse. Das Ohr wird mit Magensäuresimulanz gemischt und über » Die Nachfrage nach unabhängigen Prüfungen steigt ständig. « Rainer Weiskirchen, LGA-Unternehmenssprecher Nacht im Wärmeschrank bei 37 Grad gerüttelt. So, als hätte ein Kind das Ohr verschluckt und nun im Magen. Am nächsten Tag wird die Probe instrumentell analytisch untersucht. Man würde Formaldehyd oder andere Lösungsmittel finden, vor allem aber werden Schwermetalle wie Blei und Cadmium gesucht. mikrobiologische Prüfung (Verkeimungs anfälligkeit und Resistenz gegenüber Bakterien und Pilzen) erfolgt in seiner Abwesenheit. Könnte er brummen, sprechen oder Lieder singen, was manche seiner Kollegen heutzutage draufhaben, hätte er also Elektrochips oder Batterien im Bauch, müsste er noch die elektromagnetische Verträglichkeitsprüfung (EMV nach Richtlinie 2004/108/EG und 73/23/EWG) absolvieren, die Störaussendung und Störfestigkeit misst, sowie die elektrische Sicherheitsprüfung nach EN 62115. Und wären seine Arme angeschraubt und nicht genäht, käme der Test des Dreh moments verschraubter Teile hinzu. Das bleibt ihm erspart. Benoit lächelt erschöpft. n Benoits Fell ist völlig in Ordnung. Prüfung bestanden. Die hygienische und Das CE-Zeichen ist Pflicht Als äußeres Merkmal muss jedes Spielzeug das CE-Kennzeichen tragen. Damit versichert der Hersteller, sein Bevollmächtigter oder Importeur, dass das Produkt in vollem Umfang den Europäischen Normen entspricht oder eine Baumusterprüfung mit positivem Ergebnis durch geführt wurde. Außerdem ist die Angabe seines Namens und seiner Anschrift obligatorisch. Darüber hinaus gibt es das GS-Gütesiegel („Geprüfte Sicherheit“), 4 1 1: Das muss sein: Chemielaborantin Bianca Holzmann schneidet dem Teddy das Ohr ab. 2 und 3: Was wäre, wenn ... : Das Ohr wird in Magensäureersatz gelöst. 1 4: Aufwändige Analyse: Im Gas-Chromatographen wird das Fellsäuregemisch in Gas umgewandelt und auf Schwermetalle und andere Giftstoffe untersucht. 2 Testgelände 2 3 1: Quietsche-Entchen oder Schlagbohrer: Im reflexionsarmen Messraum der LGA werden akustische Kennwerte bestimmt – zum Schutz vor zu viel Lärm. 2: Von Automobilen bis zu Spiel zeugen: In der modernsten EMVAbsorber-Halle Europas werden in Nürnberg Produkte auf elektromagnetische Verträglichkeit hin untersucht. 34 YO-YO JUNI 2008 JUNI 2008 YO-YO 35