2008_1 Ausgabe_deutsch

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2008_1 Ausgabe_deutsch
yo-yo
Das Magazin der Simba · Dickie · Group
SDG-Logo 2008
Bonjour Saint-Claude
Die Simba Dickie Group übernimmt
die französische Smoby Gruppe
SDG-Logo bis max. 250 mm!!!
bis min. 75 mm!!!
Handwerk trifft Hightech
Hautnah dabei: Wie aus einem OldtimerOriginal ein Miniatur-Sammlerstück wird
Ausgabe Nr. 1/Juni 2008
EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser,
Sie halten gerade die erste Ausgabe von YO-YO
in den Händen, das Magazin der Simba Dickie
Group, das ab jetzt regelmäßig erscheinen wird.
Ich möchte Sie einladen, die faszinierende Welt
der Spiel­warenindustrie besser kennenzulernen.
In all ihren Facetten.
- Maison de la France - 23 place de Catalogne 75685 Paris cedex 14 - RCS Paris 340 709 211 00064 - Iconographie : Frédéric de Gasquet - Philippe Wang – Nice/Acropolis - Cédric Helsly Damien Falco - Galeries Lafayette - Getty Images.
Wir erzählen von den Menschen, die weltweit für
uns arbeiten, von Herstellungsprozessen zwischen
Handwerk und Hightech, von internationalen
Handelsstrukturen, unserer Firmen­philosophie,
unseren Visionen.
Eine davon wird gerade Realität. Im März haben
wir große Teile der französischen Smoby Gruppe
im Haut-Jura übernommen. Einst war sie die
Nummer eins auf dem französischen Spielwarenmarkt, doch zuletzt in finanzielle Bedrängnis
geraten. Ich bin stolz auf diese Expansion, da
es etliche internationale Interessenten gab. Wir
konnten dadurch viele Arbeitsplätze und den
Industriestandort Europa sichern. Die zusätzliche
Produktrange – wie diese Miniküche – und das
erstklassige Team stellen eine große Bereicherung
für uns dar. Mehr dazu lesen Sie ab Seite 10.
MOTIVIEREN - UNTERNEHMEN - ÜBERRASCHEN- ENTWICKELN - ERFINDEN - ERSCHAFFEN
Messen & Ausstellungen, Incentives, Seminare & Kongresse
Für die Organisation Ihrer Fachveranstaltungen bietet Ihnen Frankreich alle Vorzüge eines
erstklassigen Reiseziels: neben außergewöhnlichem historischem und kulturellem Erbe natürlich
auch leistungsfähige Infrastrukturen, verbunden mit bestqualifizierten Fachkräften. Beste
Voraussetzungen, um Ihr Vorhaben zum Erfolg zu führen!
Im vergangenen Jahr erhitzte nach SpielzeugRückrufaktionen die Sicherheitsfrage die Gemüter
von Eltern, Politikern und Verbraucherschützern.
Wir weichen dieser Diskussion nicht aus, sondern
regen sie in diesem Magazin an. Denn eine ein­seitig geführte Debatte nützt weder den Kindern,
die unser Spielzeug benutzen, noch uns.
Lesen Sie dazu Seite 16.
Weitere Informationen unter www.franceguidepro.com
Ich wünsche Ihnen gute
Unterhaltung!
FRANKREICH ÜBERRASCHT TAG FÜR TAG.
Ihr
Michael Sieber
CEO Simba Dickie Group
JUNI 2008
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Inhalt
Pari s Hilt on als Mo dedesignerin
NEWS
Schöne bunte Spielzeugwelt
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INSIDE
s
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Bonjour Saint-Claude!
Die Simba Dickie Group übernahm die
Smoby Group im französischen Jura 10
Die Vision von der vierten Generation
Wie aus einem kleinen Familienunternehmen ein Global Player wurde
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Die amerikanische Schauspielerin und Hotelerbin Paris
Hilton (27) hat ein Problem: „Ich brauche eine neue beste
Freundin!“ Und die will sie – natürlich – jetzt durch eine
Reality-Show finden. Bei „My new BFF“ (= Best Friend
Forever) bewerben sich Mädels, die mit Paris shoppen
oder Partys feiern wollen. Ab Oktober wird die Show im
US-Fernsehen ausgestrahlt. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, hat sich Paris schon mal drei kleine Freundinnen
organisiert: Exklusiv für Simba Toys entwarf die ausgewiesene Style-Ikone die Outfits für drei Fashion-Dolls der Steffi
Girls Serie. Wie sich das für modebewusste Glamourgirls gehört, mit authentischen Accessoires wie XXLSonnenbrillen, MP3-Player und Funkel-Schmuck. Ganz nach
dem Vorbild Paris, die dazu sagt: „That‘s hot!“
UP-TO-DATE
In aller Munde
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Die Debatte um sicheres Spielzeug 16
NICE-TO-KNOW
Früh übt sich?!
Experten-Interview zu edukativem
Spielzeug
Mund, Nase, Augen auf beim
Spielzeug(ver)kauf
Spielregeln für Verkäufer
So vergeht Ihnen nie das Lächeln
Auf Geschäftsreise in China
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21
32
27
28
REPORT
s
Handwerk trifft Hightech
Wie ein Schuco-Modell entsteht
22
Da müssen sie durch –
Plüschtierquälerei beim TÜV
Ein Teddybär bei der Sicherheitsprüfung
32
s
Titelthemen sind im Inhaltsverzeichnis
mit rotem Pfeil gekennzeichnet
Ihr Ko n ta k t z u u ns
Haben Sie Fragen oder Anregungen?
Sie erreichen uns unter:
Telefon +49 (0) 89.4 57 10.165
Fax
+49 (0) 89.4 57 10.205
E-Mail
[email protected]
www.simba-dickie-group.de
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Impressum YO-YO
Herausgeber: Simba Toys GmbH & Co. KG, Werkstraße 1, 90765 Fürth/Stadeln, Tel.: +49 (0) 911.97 65.01,
Fax.: +49 (0) 911.97 65.120
Verlag: heller & partner communication GmbH, Possartstraße 14, 81679 München Internet: www.heller-partner.de
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D as Kind i m Mann
Spielzeug ist was für Kinder? Dann fragen
Sie mal Manfred Rackl. Der 37-Jährige
aus Berching in der Oberpfalz bekennt
sich zu seiner Leidenschaft für BobbyCars. Als ein bayerischer Radio­sender
zum Gewinnspiel für verrückte Ideen aufrief, war der Mann nicht mehr zu halten.
20.000 Bewerber wollten das große
Los ziehen, einen Audi A4 3.0 TDI.
Doch nur drei Vorschläge kamen an.
Rackl fuhr um vier Uhr morgens von zu
Hause durch den Berufsverkehr zum Büro
im Landratsamt Neumarkt. Auf einem
BIG-Bobby-Car. Seine Technik: Auf Knien
rutschen und sich abwechselnd mit einem
Bein abstoßen. Er hatte böse Krämpfe,
doch seine Frau und die beiden Töchter
feuerten ihn an. Nach 30 Kilometern er­
reichte er um 12.15 Uhr unter frenetischem
Jubel der Arbeitskollegen das Ziel. Und
durfte umsteigen in seinen 240 PS starken
Traumwagen mit Kennzeichen NM – RM 1.
Gr üss mir die S onne ...
Geben Sie es ruhig zu, Sie dachten, der Hubschrauber sei echt.
Es könnte einer von den Fünfen sein, mit dem eilige Zeitgenossen
– wie beispielsweise Glamourgirl Paris Hilton – neuerdings in Manhattan zum Newark Liberty International Airport fliegen. In neun
Minuten und ab 99 Dollar (www.flyush.com). Er hebt in der East
34th Street und nahe der Wall Street ab, man kann sogar sein
Gepäck einchecken und die Sicherheitskontrolle absolvieren. Das
spart 60 bis 90 Minuten im Vergleich zur Straßenanfahrt. Der
flinke Manhattan-Flieger ist ein „Sikorsky S-76“, der abgebildete
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hingegen ein funkferngesteuertes Modell des Rettungshelikopters
„BIG EC-135 DRF“, eine Neuheit aus dem Hause Carson. Das
Koaxialmodell ist für innen und außen geeignet. Der Hauptrotor mit
45 Zen­timetern Durchmesser gibt dem Modell der Deutschen Flugrettung nicht nur Flugstabilität. Durch zwei gegen­läufige Rotoren
und reduzierbare Steuerausschläge beherrschen ihn auch Einsteiger,
während erfahrene Piloten waghalsige Flugmanöver absolvieren
können. Starkes Extra: Per USB-Kabel lässt sich die Fernbedienung
an einen PC anschließen und über die Flugsimulatorsoftware steuern.
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NEWS
Ausgezeichnet!
Erstmals wurde der „Toy Award“ der Toy
Fair Dubai vergeben und prompt erhielt
Simba Toys Middle East (STME) zwei Auszeichnungen. Sieger waren die Püppchen
Jamila Family Tube (links) in der Kategorie
„Best cultural adapted toy“ sowie das Winnie
the Pooh Playcenter (rechts) als „Best
educational toy“. Jamila ist eine
Fashion-Doll-Entwicklung von
Simba Toys, speziell für den
Markt im Mittleren Osten. Die
Awards sind ein wichtiger Schritt
auf dem Weg, die Gruppe
auch in den Vereinigten
Arabischen Emiraten
zu etablieren.
Wa r um w i r d spi e l z e u g teurer?
Bei Lebensmitteln ist es längst spürbar: Die Preise steigen. In
diesem Jahr werden auch Spielwaren um fünf bis zehn Prozent
teurer, wie der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels
(BVS) ankündigt. Warum? Weil rund 60 Prozent der deutschen
Importe aus China stammen und dort die Löhne steigen. Zudem
muss die Branche strengere Qualitätskontrollen finanzieren.
Nicht zuletzt wurde die chinesische Währung aufgewertet und
die Rohmaterialkosten in der Volksrepublik steigen.
Schöne bunte spielzeugwelt
Spielzeugfirma Eichhorn schreibt Holzeisenbahngeschichte: „Marbletrax“ ist die neue Kombination
von Schienen- und Kugelbahn aus hochwertigen
Kunststoffen und Buchenholz. Kinder zwischen drei
und sechs Jahren können den Lauf von Zug und
Kugeln selbst bestimmen. So fallen die Kugeln
manuell gesteuert vom Waggon durch die Brücke
oder rollen automatisch vom Lastwagen über die
Schiene in die Zugwaggons. Der Kreativität der
kleinen Lokführer sind also keine Grenzen gesetzt.
Action für kleine Jungs
Bei den Power Rangers ist es wie bei den Modell­
eisenbahnen: Väter kaufen sie ihren Söhnen, weil sie
die aus ihrer eigenen Jugend kennen. Jetzt können
sich alle über Neues von den Superhelden freuen.
Zum 15. Jubiläum erscheint die Serie „Super Legends“
und bietet Action im Kampf gegen das Böse. Auf der
Beschleunigungsrennbahn geht es darum, Gegner in
eine Falle zu locken.
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Rennwochen für
Monsterfahrer in Sonneberg
Modellbauhersteller Dickie-Tamiya veranstaltet seit
mehr als einem Jahrzehnt die weltweit größte JugendRennserie für ferngesteuerte Modellrennwagen. Vom
1. - 3. August 2008 steigt der Tamiya Fighter Cup: Spaß,
Speed, Action auf dem Tamiya Raceway in Sonneberg/
Thüringen. Dabei sind Anfänger und Fortgeschrittene
mit ihren Fighter Buggys. Der Tamiya Euro Cup findet
dort am 9./10. August 2008 mit 150 Fahrern statt. Infos
unter: www.tamiya.de und www.carson-modelsport.de
Flocke
forever
Alle lieben Flocke.
Hatte Eisbärkind Knut
ganz Deutschland verzückt, ist
das Bärenmädchen bereits weltweit bekannt.
Als sich das Bärenbaby Anfang April erstmals im
Nürnberger Zoo den Zuschauern zeigte, gingen die
Bilder um den Globus. Um sie möglichst lange als
Flöckchen vor Augen oder später in Erinnerung zu
haben, gibt es jetzt „Mein erstes Abenteuer“, das
Brett­spiel mit Flocke-Lizenz für Kinder ab vier Jahren vom Hersteller Noris-Spiele. Die Firma mit Sitz
in der Heimat des Bärenkindes produziert das Spiel
in Fürth. „Made in Germany“ sind auch die beiden
Flocke-Puzzles mit 200 und 500 Teilen.
Babybär Flocke,
wenige Wochen alt.
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Weltneu he i t a us Hol z
1.000.000.000
Etwa eine Milliarde Spielzeuge hat die
Simba Dickie Group seit 1982 verkauft.
Studie: Tab u für TV-Geräte i m Kinderzi mme r
Je mehr Zeit Schüler mit Medienkonsum verbringen und je brutaler dessen Inhalte sind, umso
schlechter fallen ihre Schulnoten aus. Dies ist
das Fazit einer Studie des Kriminologischen
Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Demnach haben Kinder, die bei den Pisa-Vergleichstests schlecht abschnitten, viel öfter Fernseher,
Spielekonsolen und Computerspiele benutzt als
ihre Vergleichsgruppen. Bundesweit wurden 5.500
Viertklässler und 17.000 Neuntklässler befragt.
Ein Lösungsweg: Eltern und Pädagogen sollten
bei Kids und Teenagern stärker die Lust auf
Sport, Musizieren, Spielen an der frischen Luft
und klassisches Spielzeug wecken.
Sie mag Teddy
lieber als TV.
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INSIDE
Bonjour
Saint- Claude!
Im März übernahm Simba Dickie den Löwenanteil der Smoby Gruppe, ehemals Frankreichs
Spielzeughersteller Nummer eins. Damit rettete sie in Lavans-lès-Saint-Claude wichtige
Arbeitsplätze und investierte in den Industriestandort Europa.
E
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berry, Mobiltelefon, Brieftasche ein und
raste vom Büro zum Flug­hafen. Ohne
frisches Hemd, ohne Reisenecessaire.
Hauptsache erst einmal über Genf zum
Firmensitz in der Gemeinde Lavans-lèsSaint-Claude. Weilers Auftrag: mit den
Menschen reden. Was war passiert?
Die Telefone glühten, E-Mails füllten im
Sekundentakt die Mailboxen in der Fürther
Geschäftszentrale. Kurz darauf packte
Geschäftsführer Uwe Weiler nur Black-
Die Smoby Gruppe wurde 1924 als
Familienunternehmen in Frankreich gegründet. Durch Übernahme der Firmen
Majorette und Berchet stieg die Smoby
Einstiger BIG Player in der Krise
Majorette Gruppe zum Primus des französischen Spielzeugmarktes auf. Im Laufe
der Jahre führte sie weltweit 18 Tochterunter­nehmen, beschäftigte zuletzt weltweit 2.300 Mitarbeiter, 1.080 davon in
der Heimat. Zentrum war der Firmensitz
im regionalen Naturpark des Haut-Jura,
der sich auf die Départements Jura,
Doubs und Ain erstreckt. Vor einem Jahr
geriet Smoby dann in die Verlustzone.
Man hatte mehrere Firmen gekauft, aber
nicht wirklich integriert. Die Produktpalette wurde unübersichtlich,
s
Die Landschaft des Haut-Jura ist für ihre Wälder,
Seen und die Spielwarenindustrie bekannt.
rst liefen die Verhandlungen schleppend an, blieben zäh und dann ging
plötzlich alles ganz schnell. Am Morgen
des 3. März entschied sich das Handelsgericht im französischen Jura für die
Fürther Firmengruppe Simba Dickie als
neuen Eigner eines Großteils des Spielwarenherstellers Smoby Group.
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viele Segmente kannibalisierten einander.
Es ging bergab. Die Mitarbeiter wussten
nicht, wie und ob es überhaupt weitergehen
würde, bangten um ihren Arbeitsplatz,
um ihre Zukunft. Zu Recht, denn Smoby
war stets einer der größten Arbeitgeber.
schleiferei und Uhrenbau, vor allem aber
die Kunststoff- und
eben die Spielwarenindustrie.
Das Haut-Jura ist eine Gegend voller
Gegensätze mit Tannenwäldern, Flüssen
und Weinbergen, mit Höhenlagen bis zu
1.500 Metern, idyllischen Almen und
steinernen Zeugnissen der Vergangenheit, die bis zur Eroberung durch die
Römer etwa 50 vor Christus reicht. Wasserfälle, Schluchten und Seen machen den
wildromantischen Charme dieses Landstriches aus. Über dem Fluss Bienne liegt
in der Region Franche-Comté die Gemeinde Lavans-lès-Saint-Claude, in der
die Smoby-Administration untergebracht
ist. Weitere Produktions­­standorte sind
Arinthod und Moirans. Von hier aus werden
die Spielwaren in alle Welt versandt.
Seit März 2007 stand das Unternehmen
Smoby mit einem Schuldenvolumen von
über 270 Millionen Euro zunächst unter
Käse und Spielzeug – viel mehr nicht
Geprägt war die Gegend immer von
Land- und Forstwirtschaft sowie dem
Handwerk, insbesondere der Pfeifenherstellung. Französische Pfeifen kommen
heute fast ausnahmslos aus Saint-Claude.
» Wir wollen den Standort
Europa und die mehr als
400 Arbeitsplätze retten. «
Michael Sieber, CEO Simba Dickie Group
„Wir haben in den letzten Jahren vielfach bewiesen, dass wir Neustrukturierungen nach Übernahmen erfolgreich
durchführen“, so COO Uwe Weiler. Die
Fürther Firmengruppe vereint unter ihrem
Dach bekannte Marken wie Simba, Dickie,
Schuco (Modellautos), BIG, Nicotoy
(Kuscheltiere), Noris, Tamiya (Modellbausätze) und Eichhorn (Holzspielzeug;
siehe auch Seite 28). Markenartikel werden
im eigenen Haus entwickelt und weltweit vertrieben. Zudem ist die Gruppe
stark im Vertrieb von Lizenzthemen wie
zum Beispiel Walt-Disney-Artikeln.
Gläubigerschutz, ab Oktober 2007 dann
unter Insolvenzverwaltung. Das Handelsgericht in Lons-Le-Saunier leitete das
„Redressement Judiciaire“ (Vergleichsverfahren) ein. Sofort bekundeten zehn
Bewerber aus aller Welt ihr Interesse,
vor allem aus den USA. „Das wollten
wir verhindern“, sagt Michael Sieber,
CEO der Simba Dickie Group. „Wäre
ein amerikanischer Großkonzern zum
Zuge gekommen, wäre Smoby für Europa
verloren gewesen.“
Meilenstein in der Firmengeschichte
Erfahrung setzt sich durch
„Das wichtigste Ziel ist nun, unsere Philosophie und Denkweise zu vermitteln,
die Menschen zu motivieren und
schnellstmöglich Smoby wieder auf die
Erfolgsspur zu setzen“, beschreibt CFO
Manfred Duschl die nahen Zukunftspläne.
So sahen das auch die Franzosen. Zuletzt
gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einer
französischen Investorengruppe. Die hatte
natürlich Heimvorteil. Doch die Insolvenzverwalter entschieden sich für die Simba
Dickie Group als strategischen Investor
für Teile der ehemaligen Smoby-BerchetGruppe. Die jahrzehntelange, internationale Er­fahrung im Spielwarenbereich
und die stabilen weltweiten Distributions-
Für die fränkische Firmengruppe bedeutet die Übernahme einen Meilenstein in
ihrer über 25-jährigen Firmengeschichte.
Und viel Arbeit. Das Fürther Führungstrio hat zunächst mit jedem Mitarbeiter
gesprochen. Mit jedem einzelnen, vom
Azubi bis zum Manager. Der Vertrag
verlangte die Übernahme von 401 Mitarbeitern. Doch Simba Dickie beschäftigt
446 Mitarbeiter weiter. Die Menschen
zeigen sich zutiefst dankbar.
dischen Fürther Familienunternehmens
(Umsatz 2007: 370 Millionen Euro).
Gefehlt haben diese großen Outdoorprodukte wie Rutschen und Spielhäuser,
Dreiräder, die Mini­küchen und Werkbänke von Smoby, die in Qualität und
Design weltweit einzigartig sind. „In der
global gesehen doch eher kleinen Spielwarenbranche wird es immer wichtiger,
ein umfassendes Produktangebot zu be­
sitzen“, so Uwe Weiler.
„Made in Europe“ ist die Zukunft
Außerdem erschließen sich dem Unternehmen neue Vertriebswege im mediterranen Raum. Die Integration werde zwar
ein paar Jahre dauern. Doch die Investition in Europa sei wichtig. Einerseits
wäre die Produktion der Smoby-Spielzeuge in Fernost logistisch ohnehin viel
zu aufwändig und teuer. Andererseits
werde die Produktion in China zukünftig
durchaus an Attraktivität verlieren. Dort
hat der Wandel begonnen. „Die Lohnkosten werden explodieren“, weiß Weiler.
Und die Zeiten, als ausländische Produzenten in Hongkong mit Export-Subventionen gelockt wurden, sind längst
vorbei. Zudem entsteht durch die steigende
Lebensqualität und Kaufkraft in China,
aber auch Indien oder Russland ein ganz
neuer Markt. Ein Markt, der Qualitätsspielzeug „Made in Europe“ schätzt.
s
Idyllische Lage: In der kleinen
Gemeinde Lavans-lès-Saint-Claude
sitzt die Smoby-Administration.
Klimatisch zu rau für den Weinanbau –
den gibt es nur im westlichen Teil des
Jura – lohnte sich die Viehwirtschaft, vor
allem die Käsemanufaktur. Rund 80 Prozent der Milchproduktion werden heute
zu Käse verarbeitet. Fondue und Raclette
wurden hier (und nicht von den Schweizern) erfunden. Am bekanntesten ist der
Comté, edler Rohmilchkäse von der rotscheckigen Montbéliard-Kuh. Nennenswert sind ­ noch Wild und Morcheln. Im
Laufe des 19. Jahrhunderts hatten sich
immerhin einige andere Industriezweige
entwickelt, die Fertigung von Knöpfen
und Schnallen zum Beispiel, Diamant-
Retter in der Not
möglichkeiten mit 20 eigenen Tochterunternehmen
hatten die staatlichen Verwalter vor dem Tribunal
de Commerce in Lons-leSaunier überzeugt.
Die Verschmelzung fügt sich harmonisch
in die Expansions- und Wachstumsstrategie
der Gruppe ein. Smoby bereichert das
Portfolio des erfolgreichen, mittelstän-
Typisch Smoby: OutdoorSpielzeug wie Boccia (oben)
und Rutschen.
Gerettet: die Firmenzentrale der
Smoby Group in Lavans-lès-Saint-Claude.
Wildromantische Landschaft:
der Bonlieusee im französischen Jura.
Willkommen: M. Christian Rouyer (links), Präfekt
des Départements Jura, empfing Michael Sieber.
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NICE-TO-KNOW
Groß, größer,
Sandkasten in
Schmetterlingsform mit Wasseranschluss.
Früh übt sich?!
Smoby
Beim neuen Mitglied der Simba-Dickie-Familie ist alles
riesig – die Fabrikhallen, die Maschinen, die Lager und die
Produkte. Diese werden im Jura entwickelt, produziert und
weltweit verschickt. Ein einzigartiges Phänomen.
W
ie hineingegossen in die Landschaft
liegen die Fabriken im französichen
Teil des Jura. Von außen wirken sie eher
unscheinbar. Doch im Inneren der SmobyFabriken scheint immer die Sonne. Hier
entsteht das farbenprächtigste, fröhlichste
Kinderspielzeug: Schaukeln, Sandkästen
und bis zu acht Quadratmeter große
Spielhäuser, in denen Schneewittchen und
die sieben Zwerge Platz fänden.
technischen Innovationen in höchster
Qualität und endet beim umweltschonenden Recycling der Produktionsrückstände. Außergewöhnlich für die Branche: Ingenieure, Designer und Werktätige
arbeiten unter einem Dach und können
somit sehr schnell auf individuelle Kundenwünsche reagieren. Durch die zentrale Lage sind die Produkte auch kurzfristig europaweit lieferbar.
Diese opulenten Outdoor-Spielwaren aus
hochwertigem Plastikmaterial sind die
Spezialität der Franzosen. Deshalb ist in
den modernen Fabrikanlagen in Lavanslès-Saint-Claude, Arinthod, Moirans,
Groissiat und Bellignat alles weiträumig.
Die größte Maschine ist sieben Meter
hoch, ragt wie ein Einfamilienbungalow
in die Werkshalle. Sie fabriziert im
„Blow molding“-Verfahren, einer Blasform-Technik, die Spielhäuser. Weit mehr
als 600 verschiedene Produkte treten in
den insgesamt fünf Fabrikanlagen der
Region ihre Reise durch die verschiedenen Fertigungsstationen an, ehe sie
am Ende in riesigen Pappkartons verschwinden, wie man sie aus Möbelhäusern kennt. Eine Garnison von Gabelstaplerfahrern sorgt dafür, dass die
Pakete in Trucks
zum Transport in
90 Länder getürmt
werden.
Thomas le Paul ist dabei, die Firmenstrukturen zu optimieren. Der 32-Jährige
ist ein Glücksfall für das prestigeträchtige
Projekt. Er war zuletzt Geschäftsführer
von Simba Toys Italien, ist aber gebürtiger Franzose und hat früher schon einmal für die Smoby-Gruppe gearbeitet.
„Die Mitarbeiter sind hochspezialisiert
und motiviert“, sagt er. Seine neue Herausforderung fasziniert den Vater einer
drei Monate alten Tochter: „Jedes SmobyProdukt ist Ergebnis intensiver Forschungsarbeit.“ In jeder Phase der Entstehung eines neuen Spielzeugs wird
geprüft, ob es die richtigen Maße hat, ob
die Funktionen für das psychomotorische
Verhalten und das Alter der Kinder geeignet sind, für die es gedacht ist.
Thomas le Paul, der
neue Geschäftsführer
von Smoby Toys.
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Das Smoby-Team
besteht aus Experten für Kreationen
aus Kunststoff. Das
beginnt beim Material, geht über
das Design bis zu
International tonangebend ist Smoby auch
bei Mini-Küchen und -Werkbänken, die
unter anderem auch in Lizenz für Tefal
und Black & Decker entstehen. Die kleinen Haushaltsgeräte und Handwerkszeuge
sind den Originalen täuschend ähnlich,
die Kids kochen, bügeln, bohren und
hämmern wie die Großen. Das anspruchsvolle Spielzeug ist der neue Stern am
Simba-Dickie-Firmament.
n
Smoby bedeutet Plastikproduktion in Perfektion.
Niesende Dinos, pinkfarbene Gameboys, plappernde Pandabären – Lern- und Multimedia-Spielzeuge waren die Stars
auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Ist das pädagogisch
wertvoll? Dr. Nicole Becker gibt die Antwort.
Yo-Yo: Frau Dr. Becker, wie stehen Sie zu
Spielen mit Lerneffekt, dem edukativen Spiel­
zeug? Geht dabei nicht die Unbekümmertheit verloren?
Dr. Nicole Becker: Viele Eltern sind an-
Riesige Fabrikhallen für die
groß(artig)en Outdoor-Produkte.
gesichts der aktuellen Diskussionen über
die Leistungen des öffentlichen Schulwesens besorgt darüber, dass ihre Kinder
dort zu wenig lernen. Ich halte Lernspiele
dann für angebracht, wenn die Inhalte
sinnvoll sind und die Kinder ihre Freude
daran haben. Denn was Kinder gern tun,
tun sie auch unbekümmert.
Das geht aber oft noch weiter: Die Tages­mutter spricht Englisch mit dem Baby, das
Kleinkind soll mit Buch­staben spielen …
Werkbank für kleine
Handwerker.
Das hängt mit der Angst der Eltern
zusammen, ihre Kinder könnten etwas
verpassen. Man spricht heute von der
„Wissensgesellschaft“ und betont, wie
wichtig intellektuelle Leistungen und
Bildungszertifikate sind, um in der Welt
zu bestehen. Es ist aber unsinnig, Kinder
mit Lern­­­inhalten zu konfrontieren, bevor
sie die kognitive Reife besitzen, diese zu
ver­­arbeiten. Das Einjährige ist mit ganz anderen Entwicklungsaufgaben und -schrit­ten
beschäftigt. Es kann mit Buchstaben
schlicht noch nichts anfangen.
Wenn das Kind altersgemäße Lernspiele
noch nicht beherrscht – müssen sich die
Eltern sorgen?
Das Spielhaus Jura Lodge
wirkt wie aus Holz.
Nein, Menschen sind keine Maschinen,
die nach einem vorher festgelegten Plan
funktionieren. Jeder hat sein individuelles Entwicklungstempo. Nehmen Eltern
regelmäßig die kinderärztlichen Unter­
suchungen wahr und werden dort keine
gravierenden Entwicklungsverzögerungen
festgestellt, kann man das gelassen sehen.
Kids lieben Nintendo Wii und iPod. Wie
schätzen Sie den Technik-Trend ein?
Ich denke nicht, dass solche Arten des
Spiels per se schlecht sind. Es ist eine
Frage der Dosierung. Manche Kinder
haben ein gutes Gespür dafür, wann es
Zeit wird, sich vom Gameboy ab- und
der sozialen Umwelt oder anderen Dingen zuzuwenden, andere nicht. Hier sind
Eltern und Bezugspersonen gefordert,
Grenzen zu setzen.
Eltern teilen die Vorlieben ihrer Kinder oft
nicht: Erwachsene mögen Holzspielzeug,
Kinder die Laserschwerter, Monster und
Plastikzombies. Ist dieser „Schund“ schlecht
für Kinder?
Wir haben als Erwachsene andere ästhetische Präferenzen und offenbar vergessen, dass wir früher selbst fürs Knall­bunte
empfänglicher waren als fürs Naturbe­
lassene. Ich vermute, Laserschwerter und
Plastikmonster sind so beliebt, weil sie
sich von der sonstigen Umgebung ab­
heben. Kinder stellen sich in bestimmtem
Alter beispielsweise gern allmächtige
Wesen vor. Die müssen dann auch anders
aussehen als das, was man schon kennt.
Wir müssten mal unter­suchen, wie die
Kinder selbst das sehen! Erst dann ließe
sich beantworten, ob diese – uns Erwachsenen seltsam anmutenden Spielzeuge –
Kindern schaden können.
Die Expertin:
Dr. Nicole Becker ist Akademische Rätin in
der Abteilung Allgemeine Pädagogik am Ins­titut
für Erziehungswissenschaft der Universität
Tübingen. Der Schwerpunkt ihrer Forschung
lag in der Vergangenheit auf dem Verhältnis
von Hirnforschung und Pädagogik. Derzeit
führt sie ein Forschungsprojekt zum Thema
„Aufmerksamkeits-Defizit-/HyperaktivitätsSydrom (ADHS) aus Elternsicht“ durch.
Warum ist Spielen überhaupt so wichtig?
Kinder erschließen sich dadurch ihre
Welt. So entwickeln sich grund­legende
kognitive und motorische Fähigkeiten.
Als Erwachsene nennen wir das spielerisch, für Kinder ist es gewisser­maßen
der natürliche Zugang zur Welt. Dabei
können sie sich entwickeln und ihre
Grenzen austesten.
Wird zunehmend weniger gespielt?
Nein, im Gegenteil. Je mehr Freizeit eine
Gesellschaft hat, um so mehr spielt sie.
Das gilt für Kinder und für Erwachsene.
Ich glaube auch nicht, wie in den 1980er
Jahren kritische Stimmen behauptet haben,
dass die Kindheit durch die vielen neuen
Medien verschwindet. Ein Teil der Spielwelt verändert sich, das Segment wird ins­
gesamt breiter, und damit verändert sich
auch die Kindheit. Es wird eben nur
anders und mit anderen Dingen gespielt
als früher.
Haben Malen, Basteln, Kneten schon ausgedient?
Auf keinen Fall. Und das wird auch noch
lange so bleiben. Diese Beschäftigungen
besitzen eine starke motorische Kom­
ponente, also grundlegenden Einübungscharakter, und geben den Kindern Raum
für ihre Phantasie und Kreativität.
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UP-TO-DATE
In aller Munde
Die debatte um sicheres Spielzeug
Die Serie von Spielzeug-Rückrufen im vergangenen Sommer hat dem Image der Spielwarenbranche geschadet. Nun hat EU-Kommissar Günter Verheugen die Sicherheitsfrage zur
Chefsache erklärt und fordert noch mehr Regeln für Hersteller und Importeure. Berechtigt
oder übertrieben? Ein Blick zurück nach vorn.
G
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Die Rückruf-Aktionen 2007
Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahr
mussten große Spielzeughersteller mehrmals Produkte aus dem Verkehr ziehen.
Ein US-Spielzeugkonzern rief innerhalb
von fünf Wochen dreimal bleihaltiges
Spielzeug zurück. Blei kann zu Hirnschäden führen, wenn es verzehrt wird. Weltweit waren das rund 800.000 Artikel
(in Deutschland etwa 38.000), darunter
675.000 Accessoires für Anziehpuppen.
Die enthielten Magnet-Kleinteile, die
Kinder hätten verschlucken können. Anfangs vermutete man bei dem Spielzeug-
Giganten die Defizite ausschließlich in
der chinesischen Produktion. Tatsächlich
stellte sich heraus, dass lediglich 13 Prozent der Spielzeuge wegen bleihaltiger
Farbe, 87 Prozent jedoch aufgrund falschen
Designs zurück mussten. Und: Die Metallteile in den Puppen kamen aus dem
US-Stammhaus. Man entschuldigte sich
daraufhin für die verzerrte Darstellung
offiziell bei den chinesischen Behörden.
Eine Vertriebsfirma zog eine Million Baby­lätzchen aus dem Verkehr. Darin hatten
neuseeländische Wissenschaftler Blei
s
ünter Verheugen, der deutsche Kommissar für Industrie und Unternehmen
in Brüssel, fordert strengere Qualitätskon­
trollen für Spielzeug. Im Januar legte er
seinen Richtlinien-Entwurf vor (siehe
Kasten Seite 18). So sollen etwa Spielwaren, die elektronische Chips enthalten,
zusätzlich zu den Kontrollen der Hersteller eine Zertifizierung durch Drittstellen
vorweisen. „Die Welt des Spielzeugs hat
sich komplett verändert“, so sein Argument. Die Vorschriften aus der Spielzeugrichtlinie 88/378/EWG seien nach
20 Jahren dringend überholungsbedürftig.
Ein bisschen ängstlich schaut sie
schon, die kleine Maus. Dabei ist
ihr Teddybär doch geprüft.
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UP-TO-DATE
Für die Sicherheit
unserer Kinder
sollten alle an einem
Strang ziehen.
De r EU - Vo rs c h l a g fü r e i n e
n e u e Sp i e l z e u g r i ch t l i n i e
Diese neuen Regeln sollen spätestens am
1. Januar 2010 in Kraft treten:
•Verbot krebserregender, erbgutgefährdender oder fortpflanzungsgefährdender
Stoffe sowie allergener Duftstoffe und
niedrigere Grenzwerte für gefährliche
Stoffe wie Blei und Quecksilber
•Verpflichtung der Hersteller zur Anbringung ausreichender Gefahrenhinweise
•strengere Vorschriften für verschluckbare Kleinteile und für Kombinationen
von Lebensmitteln und Spielzeug
•Verpflichtung der Hersteller zur Ausarbeitung einer umfassenden technischen
Dokumentation für alle ihre Spielzeuge
•Prüfung von Spielzeug, für das noch
keine Normen bestehen (z.B. Spielzeuge mit Magneten), durch unab­
hängige Prüflabors
•mehr Verantwortung der Importeure für
die Sicherheit des von ihnen ein­ge­
führten Spielzeugs
•Vorschriften zur Verbesserung der Erkennbarkeit der CE-Kennzeichnung von Spielzeug
•Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zu
Sanktionen gegen Hersteller, die gegen
die Spielzeugrichtlinie verstoßen
18
YO-YO
JUNI 2008
Kinderspielzeug kommt aus China
macher, die die Gesundheit unserer
Kinder riskieren. Doch dies sind die
Fakten:
Qualität steht im Mittelpunkt
„Die Sicherung von Spielzeug ist um­
fassend geregelt“, sagt Volker Schmid,
Geschäftsführer des Verbandes der Spielwarenindustrie (DVSI), Stuttgart. „Die
TÜV-Berichte zeigen: In China wird
China ist der weltweit größte Exporteur
von Spielzeug und exportiert jährlich
rund 22 Milliarden Artikel, etwa 60 Prozent der weltweiten Produktion. Die in
Europa verkauften Spielwaren werden
sogar zu 80 Prozent in der Volksrepublik
hergestellt. Wer importiert, muss dafür
sorgen, dass sie den europäischen Sicherheitsstandards entsprechen. Bei der Simba
Dickie Group durchlaufen alle Artikel die
Qualitäts- und Sicherheitstests nach EURichtlinien.
» Wir haben viel seltener
Rückrufe als beispielsweise die Autoindustrie.
Kinderspielzeug ist ein
sehr gut kontrollierter
Gebrauchsgegenstand. «
Noch im Spätsommer 2007 reagierten
die zuständigen chinesischen Behörden
prompt: In China wurden sofort über 300
Lizenzen nationaler Hersteller eingezogen,
bis heute sollen es nach Brancheninformationen fast 1.000 sein.
äußerst hohe Qualität pro­duziert, sonst
würden nicht 80 Prozent aller Spielzeuge
in der EU dort herkommen.“ Zumal: Nur
ganz wenig Spielzeug ist hundertpro­
zentig chinesischer Herkunft. „Die meisten Spielzeughersteller dort, von denen
etwa 3.500 Firmen Exportlizenzen be­
sitzen, arbeiten für ausländische Auftraggeber, die nicht nur das Design vorgeben,
sondern auch Material und Vorprodukte
liefern“, erklärt der Verbandschef. Den
Beschluss des Bundeswirtschaftsministeriums, national die Marktaufsicht durch
die Gewerbeaufsichts­ämter zu stärken
und künftig noch mehr Stichproben
Dennoch lösten die Rückrufe weltweit Empörung der Verbraucherschutzorganisationen, politische Diskussionen und Sorgen bei
vielen Eltern aus. Auf nationaler und auf
EU-Ebene wurden die Einfuhrbedingungen
chinesischer Import­artikel hitzig diskutiert.
Es konnte der Eindruck ent­stehen, Spielzeughersteller seien skrupellose Geschäfte-
Ulrich Brobeil, Justitiar des Verbandes
der Spielwarenindustrie (DVSI), Stuttgart
durchzuführen, „befürworten wir.“ Mehr
noch: „Spielzeuganbieter sollten nachweisen müssen, dass sie das für die Spielzeugsicherheit erforderliche Qualitätsmanagement tatsächlich beherrschen“,
so Schmid.
So bietet der Verband in Kooperation mit
dem TÜV Rheinland seit Oktober 2007
die Ausbildung zur „Spielzeugsicherheitsfachkraft“ an. Sie richtet sich vor
allem an kleine Firmen – nach dem Vorbild der großen Konzerne wie der Simba
Dickie Group, „die hervorragendes Qualitätsmanagement vorleben.“
GRÖSSE IST DOCH WICHTIG
Wie ernst die Unternehmen ihre Verantwortung nehmen, zeigt die derzeit
steigende Nachfrage nach CE- und GSSiegeln, den lizenzierten Zeichen der
deutschen Regierung, die nach unabhängiger Prüfung (TÜV, Dekra) vergeben
werden. Das GS-Zeichen holt sich der
Produzent selbst, um seine Qualität zu
beweisen, noch ist es keine Pflicht.
Eine Sicherheitsprüfung kann allerdings
bis zu 2.000 Euro kosten, die sich offenbar einige Importeure nicht leisten wollen.
Daher kann ein Tipp für Verbraucher
lauten, sich auf Produkte der großen
Spielzeughersteller zu verlassen.
» Einfuhrverbote wären
zwar denkbar, aber wir
wollen doch Vertrauen
in ein offenes Welthandelsmodell schaffen. «
Meglena Kuneva, EU-Verbraucherschutzkommissarin, Brüssel
Schwarze Schafe gibt es überall
Spielen soll
Spaß machen!
Allein der TÜV Rheinland, der inter­
national Sicherheitsprüfungen durchführt,
beschäftigt in China 24 Labors mit 1.400
Mitarbeitern. In Hongkong werden jeden
Monat mehr als 10.000 Tests auf gesundheitsgefährdende Schadstoffe in Spielzeugen durchgeführt. „Angetrieben von
den großen deutschen Handelsketten
stei­gen Produktqualität und Produktionsbedingungen in Asien kontinuierlich“, so
Jörg Mähler, Geschäftsführer TÜV Rhein­
land in Hongkong. „Dass es in China –
aber auch anderswo – schwarze Schafe
gibt, die Grenzwerte aus Kostengründen
oder bei Materialengpässen igno­rieren,
kann niemand gänzlich ausschließen.“
Bei Waren, die Kinder betreffen, sind
Verbraucher eben besonders sensibel. Dass
regelmäßig Automobile zurückgerufen
werden, erhitzt die Gemüter kaum. Dabei
re­gistrierte das Kraftfahrt-Bundesamt 2007
allein 371 Fälle (2006: 342), die 536.477
Autobesitzer betrafen.
KONTROLLE WIRD ZUNEHMEND BESSER
Ein Grund dafür, dass kritische Ware
schneller identifiziert wird, ist das seit
2005 aktive Schnellwarnsystem RAPEX
(Rapid alert system for non-food dangerous goods). Im Internet (http://ec.europa.eu/consumers/dyna/rapex/rapex_
archives_en.cfm) veröffentlicht die EU
wöchentlich Produkte, von denen Risiken
ausgehen können.
Marktaufsichtsbehörden in 30 europäischen
Ländern melden alles, vom Babynuckel
bis zur Bohrmaschine, vom Hustensaft
über Tierfutter bis zur Zahnpasta. Auch
das Kraftfahrt-Bundesamt bedient sich
dieses Systems. In Deutschland ist die
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitssicherheit für die Meldungen zuständig. Dass immer mehr gemeldet wird,
„heißt doch, dass die Wachsamkeit der
nationalen Kontrollbehörden steigt“, so
die EU-Ver­braucherschutzkommissarin
Meglena Kuneva. Das bedeute nicht
gleichzeitig, dass es tatsächlich mehr
mangelhafte Ware aus Fernost gibt.
s
•Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zu
verstärkter Marktüberwachung und Kon­trolle vor Ort und an den Außengrenzen
der EU
ent­deckt. Die Simba Dickie Group rief
im November vorsichtshalber Spielzeugperlen zurück, ein Vertriebsprodukt eines
italienischen Partners. In den USA und
Australien wurde über Probleme berichtet,
nachdem Kinder sie geschluckt hatten.
Die Fürther reagierten, ehe überhaupt
klar war, ob das hierzulande vertriebene
Spielzeug dieselben kritischen Stoffe
enthielt. Her­steller war ein australisches
Unter­nehmen, das die Produkte aber in
China produzieren ließ.
JUNI 2008
YO-YO
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UP-TO-DATE
NICE-TO-KNOW
Mund, Nase,
Augen auf
Deshalb gibt es keine sachlichen Argumente für ein Importverbot aus China.
„Es wäre unsinnig, besorgten Eltern zu
raten, grundsätzlich Produkte aus Fernost
zu meiden“, so Gitta Geue, Umwelt­
referentin der Verbraucherzentrale Bayern,
„schließlich leben wir in einer globalisierten Wirtschaft.“ Wichtiger ist ihr, „zu
vermitteln, woran man bedenkliche Ware
erkennt.“ Sehr oft ist das Billigware.
beim Spielzeug(ver)kauf
» Wir brauchen eine bessere
Marktüber­wachung. Die
Bundesregierung muss
dafür sorgen, dass dieser
Schrott nicht in unseren
Kinderzimmern landet.
Selbst die Sicherungs­
systeme der großen
Konzerne reichen nicht. «
Kunden in der Spielwarenabteilung sind kritisch und skeptisch, oft unsicher. Dabei ist es ganz leicht für Verkäufer, sie
zu beruhigen. Wenn sie die Spielregeln kennen.
W
er andere überzeugen will, muss
wissen, wovon er spricht. Knowhow und gute Argumente sind Pflicht für
Verkäufer. Beruhigende Worte sind die
Kür. Mit diesen Tipps kann jeder die
Qualität eines Produktes erkennen.
Hingucker. Den Hinweis „Nicht für
Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbands der
Verbraucherzentralen (vzbv), Berlin
Kinder unter drei Jahren“ muss man ernst
nehmen. In diesem Alter stecken Kinder
alles in den Mund. Das Produkt darf keine Teile haben, die sich lösen könnten.
Das ist der Punkt. Wer nicht bereit ist,
einen angemessenen Preis zu zahlen, darf
keine Höchstqualität erwarten. Die Verbraucher selbst setzen die Hersteller mit
ihrer Forderung nach immer niedrigeren
Preisen für Spielzeug unter Druck. Qualität hat aber nun einmal ihren Preis. Wer
sicher gehen will, muss geprüftes Qualitätsspielzeug kaufen. Ganz einfach. n
Expertentum. Die Suche nach den Güte­
siegeln lohnt sich. Fehlt das CE-Zeichen
auf Spielzeug oder Verpackung, lassen
Sie lieber die Finger davon.
Schnupperkurs: Was streng chemisch
riecht, sollte bleiben, wo es ist. Es könnte
schädliche schwermetallhaltige Farben
und Stoffe beinhalten.
Lesestoff. Auf Verpackung oder Etikett
muss die vollständige Herstelleradresse
oder Adresse des Importeurs genannt
sein. So wissen Kunden, an wen sie sich
im Schadensfall wenden können.
Fachchinesisch. PVC enthält oft gesund-
heitsgefährdende Weichmacher, Blei, Zinn­organika oder Nonylphenol. Die könnten
schaden, wenn ein Kleinkind sie lutscht.
Plastikspielzeug besteht idealerweise aus
Kunststoffen wie Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) oder Acetyl-Butyl-Styrol
(ABS), da sie als unbedenklich gelten.
Fehlt die konkrete Angabe auf Produkt
oder Verpackung, handelt es sich meistens um PVC. Gutes Zeichen ist der Hinweis „PVC-frei“ oder „Phthalat-frei“.
damit sich keine Schimmelpilze bilden.
Stoffpuppen für Kleinkinder vor dem
ersten Knuddeln waschen. Sie könnten
mit Bioziden behandelt sein.
Ohrensausen. Brabbelnde Kuscheltiere
oder Spieluhren sind beliebte Einschlafhilfen. Für zarte Kinderohren können sie
aber viel zu laut sein. Erwachsene sollten
sie sich direkt ans Ohr halten. Ist das unangenehm, bedeutet es Krach fürs Kind.
Gut Holz. Holzspielzeug gilt als um-
weltverträglich und solide. Für Kleinkinder eignen sich unlackierte, gewachste
Hartholzbauklötze am besten. Bei lackiertem Spielzeug auf Speichel- und Schweißechtheit achten. Verfärbt es prompt die
Hände, ist es tabu.
Fingerspiele. Eine Schweizer Studie er-
gab, dass jede fünfte Fingerfarbe zu viel
des allergenen Konservierungsstoffs MI/
MCI enthielt. Gut sind Farben auf Basis
von Lebensmittel- oder Pflanzenfarben
und ohne Konservierungsstoffe.
IN guter gesellschaft. Brettspiele und
Puzzles werden kaum getestet. Dabei
fanden Warenprüfer durchaus bedenkliche Biozide oder Farbstoffe. 2007 wurden einige Holzpuzzles aus den Läden
geholt. Auch hier sollten die Erwachsenen ihrer Nase folgen: Was komisch
riecht, lieber liegen lassen. Wer den
strengen Geruch erst zu Hause feststellt,
sollte das Spiel gründlich lüften.
S ymbo l k r a f t
Diese Icons sollten Sie kennen. Denn einige
von ihnen sind ein richtig gutes Zeichen.
CE-Zeichen. Alle Spielzeuge
auf dem deutschen Markt
müssen dieses Zeichen tragen.
Damit verpflichtet sich der
Hersteller, die europäische Spielzeug-Richtlinie
88/378/EWG beziehungsweise das deutsche Geräte- und Produkt-Sicherheitsgesetz
(GPSG) einzuhalten. Es wird von Herstellern
und Importeuren in eigener Regie vergeben.
GS-Zeichen. Steht für „geprüfte Sicherheit“ auf Basis
des GPSG. Kriterien wie beim
CE-Zeichen. Aber: Eine offizielle, unabhängige Prüf­stelle untersucht, ob EUSicherheitsnormen plus Bestimmungen des Lebens- und Futtermittelgesetzbuchs stimmen.
LGA tested. Dass Produkte
mit diesem Zeichen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, hat eine unab­hängige Prüfstelle (die LGA QualiTest GmbH)
nachgewiesen.
LGA tested Quality. Nachweis definierter, gehobener
und konstanter Qualität. Es
bestätigt Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit, Funktionseigenschaften, Verschleißverhalten, Lebensdauer eines Produktes
und somit seine umfassende Qualität. Die Produktion wird jährlich überwacht.
Spiel gut. Wird von einem
Arbeitsausschuss vergeben.
Der pädagogische Spielwert
steht im Mittelpunkt. Getestet
werden auch Design, Sicherheit und Haltbarkeit
sowie Material und Umweltverträglichkeit. Jedes Jahr werden etwa 500 Artikel geprüft,
rund die Hälfte erhält das Zeichen. Spielzeug
aus PVC-Plastik ist seit 2005 ausgeschlossen.
Reinlichkeit. Plüschtiere sollten wasch-
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Geborgenheit:
Das Gefühl, in
Sicherheit zu sein.
bar sein. Danach gut trocknen lassen,
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REPORT
Handwer k
trifft Hi ghtech
Für die einen ist es die emotionale Reise zurück in die Kindheit. Andere suchen Ästhetik und Perfektion. Manche geben
ihr letztes Hemd dafür: Schuco Modellfahrzeuge. Doch wie
entsteht dieses originalgetreue Spielzeug?
E
s gibt einen Ort in Deutschland, an
dem wird mehrmals im Jahr Weihnachten gefeiert: beim Spielwaren- und
Modellhersteller Schuco in Fürth. In dem
Traditionsunternehmen ist immer dann
„Bescherung“, wenn nach vielen Monaten
der Feinarbeit endlich die Lieferung mit
den ersten fertigen Modellen einer neuen
Serie eintrifft. „Bei außergewöhnlichen
Fahrzeugen wie dem 1:18-Feuerwehrauto
mit Drehleiter, im Original von 1968,
gibt’s einen Ansturm auf mein Büro. Alle
wollen den Neuzugang sehen und an­
fassen“, so Michael Baumgärtner.
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YO-YO
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Etwa 40 Neuheiten erblicken hier jähr­
lich das Licht der Spielzeugwelt. Bei den
Automobilen und Nutzfahrzeugen, nach
historischen oder aktuellen Vorbildern,
variiert die Größe von Streichholz- oder
Zigarettenschachtel-Dimension (Maßstab
1:87 bis 1:43) bis zum stattlichen 1:18Modell wie dem Feuerwehrwagen. „Der
Maßstab 1:18 ist ebenso wie 1:12 wegen
der Detailtreue die Königsklasse der Modellbau-Kunst“, so Baumgärtner. Eine Erstauflage umfasst etwa 3.000 Exemplare,
spätere Varianten gibt es in limitierten
Editionen von nur 1.000 bis 1.500
s
Der 39-Jährige leitet die Produktent­
wicklung bei Schuco. Er begleitet die
Miniaturen vom Entschluss „Diese Serie
entwickeln wir“ bis zu dem Moment, in
dem das fertige Fahrzeug zum ersten Mal
feierlich ausgepackt wird.
Original und
Miniatur: der
Porsche 356 A
Speedster im
Maßstab 1:43.
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REPORT
D ie S ch u co S to ry: Vom
Sp ie l z e u g z u r L e g e n d e
Maßnehmen ist immer
noch auch Handarbeit.
1 und 2: Die gescannten Maße des roten
Porsche 356 A Speedster werden am
Computer zu einem 3-D-Modell verarbeitet.
3: Der Prototyp aus chinesischer Künstlerhand. 4: Porsche 356 A Carrera Rallye aus
der Classic Line im Maßstab 1:43.
Teamwork: Udo Plichta bedient den
Laserscanner (links), Michael Baumgärtner
richtet die Referenzpunkte aus.
1
2
3
4
Schön, aber selten: Michael Baumgärtner mit
dem Porsche 356 A Speedster im Maßstab 1:18.
Stück. Je seltener, desto attraktiver für die
Sammler. Bei aktuellen Miniaturen, die
im Auftrag nahezu aller wichtigen Automobil-Hersteller fabriziert werden, erreicht die Auflage sogar fünfstellige
Zahlen. Jüngstes Beispiel ist der Audi
R8. Schuco-Fans müssen jedoch in jedem Fall sehr geduldig sein: „Von der
Idee bis ins Regal vergehen immer mindestens neun Monate, manchmal sogar
zwölf“, erzählt Michael Baumgärtner.
HÖCHSTE GEHEIMHALTUNG
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OLDTIMER SIND HANDVERMESSEN
pünktlich zur Premiere eines neuen Modells in der Glas­vitrine der Niederlassungen haben. Daher hütet Baumgärtner
einen geheimen Schatz: Die streng ver-
Komplizierter wird es bei nostalgischen
Exemplaren. Bei Oldtimern existieren
keine CAD-Daten. Aber Schuco hat seit
zwei Jahren einen fleißigen Mitarbeiter,
der allen das Leben erleichtert: den mobilen Laserscanner. „Mit dieser modernen
3-D-Technik benötigen wir gerade mal
zwei Stunden, um von historischen Fahrzeugen millimetergenau die Maße zu
nehmen, die anschließend digital umgewandelt werden“, erläutert Udo Plichta,
Produktentwickler bei Schuco. Vorbei die
Zeiten, als hunderte Fotos gemacht und
mühsam umgerechnet werden mussten.
Jetzt geht’s ruck, zuck: „Wir positionieren
Kugeln als optische Vergleichspunkte,
legen einen Meterstab an, der Scanner
macht sechs Aufnahmen, die wir am
Computer später aufeinanderlegen, fertig“,
erklärt Plichta. Viel schwieriger ist es für
den 38-Jährigen und seine Kollegen, die
historischen Originale aufzuspüren. Die
Recherche gerät oft zur Abenteuertour
durch Deutschlands Scheunen und Hinterhof-Garagen. Dort sind viele der „Perlen“
versteckt. Denn nur wenige OldtimerBesitzer geben ihre Kostbarkeiten der
Öffentlichkeit preis.
LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK
Schneller gestaltete sich das Suchen und
Finden bei dem gelben Opel Ascona A,
der den Schreibtisch von Michael Baumgärtner ziert. Bei dem 1:87-Modell der
„Piccolo“-Reihe handelt es sich um das
Fahrzeug, mit dem der legendäre deutsche Rallyefahrer Walter Röhrl und sein
Kopilot Jochen Berger 1973 die
s
Unternehmen wie Audi, BMW, Mercedes
Benz, Opel oder VW können nicht warten, sondern wollen ihre Modellautos
In der bald 100-jährigen
Schuco-Geschichte wurden
mehr als 100 Millionen
Spielzeuge verkauft.
traulichen CAD- (Computer Aided Design) Daten und Fotos der brandneu entwickelten 2008er oder 2009er Modelle.
„Paradiesisch für jeden Auto-Fan. Denn
da sind Modelle dabei, von denen niemand weiß, dass sie überhaupt auf den
Markt kommen.“ Abgesehen vom Hersteller natürlich.
Schuco steht für „Schreyer u. Co.“.
Kaufmann Heinrich Schreyer gründete
die Spielwarenfirma 1912 gemeinsam
mit Heinrich Müller in Nürnberg. Der
gelernte Werkzeugmacher Müller war
ein Tüftler und entwickelte mit Plüsch
oder Filz überzogene Blechfiguren, die
Schuco zur Legende machten: 1913
Tipp-Tapp-Hunde, die „laufen“ konnten;
1914 die frei marschierende Figur
Automato, die 50 Jahre später dem
Roboter als Vorbild diente; 1920 der
Acrobato, ein Blech-Artist, der Purzelbäume schlug. Heinrich Müller erfand
ständig neue, zukunfts­weisende Mechaniken und meldete viele, viele Patente an.
1936 brachte Schuco die ersten Miniaturautos auf den Markt. Unvergessen
das „Wende-Auto“, das wegen gegenlaufender Räder nicht vom Tisch fallen
konnte, oder der Mercedes „Silberpfeil“. Mitte der 50er Jahre produzierten 800 Menschen täglich bis zu
8.000 Exemplare in Nürnberg. Aus
hochwertigem Metall. Dabei hatten
längst Zinkdruckguss und Kunststoff
den Spielzeugmarkt erobert. Die Metall­
verarbeitung rentierte sich eigentlich
schon lange nicht mehr. 1976 war
der Konkurs unabwendbar. Daraufhin
wurden Werkzeuge und Formen in alle
Welt verstreut, teilweise verschrottet.
Ein Teil Schuco-Geschichte ging un­
wiederbringlich verloren.
1990 wurde Schuco zwar von einem
ehemaligen Konkurrenten wiederbelebt, doch 1999 zog sich die Inhaberfamilie ganz aus der Branche zurück
und verkaufte Schuco an die Simba
Dickie Group. Dort hauchte man dem
Mythos neues Leben ein, entwickelte
innovative Produktlinien, setzte höchste
Standards in Qualität und Präzision
und eroberte Sammlerherzen (zurück). Heute setzt Schuco im wahrsten
Sinne des Wortes wieder Maßstäbe.
www.schuco.de
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REPORT
NICE-TO-KNOW
Rallye Monte Carlo gewannen. „Ich habe
das Fahrzeug im Opel Museum gesehen
und war sofort Feuer und Flamme.“ Der
Opel Ascona A ist ein Idealkandidat: Er
ist ein Automodell mit Seele, er hat eine
Geschichte, er erlaubt Varianten.
So vergeht Ihnen
nie das Lächeln
ARBEIT AM MODELLAUTO IST KUNST
Die selbst erfassten CAD-Daten gehen
mit Fotos und Skizzen an den „Maker“
(engl.: Macher) nach Dongguan, weltweite „Hauptstadt“ der Spielzeugproduktion in Süd-China. Dort gehen Künstler
und Designer ans Werk. Sie erarbeiten
den Prototypen aus Kunstharz. „Doppelt
so groß wie das spätere Auto, damit Einzelheiten besser erkennbar sind“, erklärt
Baumgärtner. Das ist wichtig: Jede Abweichung vom Original ist ein Sakrileg –
da sind die Sammler kompromisslos.
Selbst Freiherr von Knigge wäre mit seiner Etikettekunst in China kläglich gescheitert.
Kultur und Umgangsformen des Riesenreiches sind den meisten Europäern so fremd wie das
Zubereiten einer Pekingente. Im Geschäftsleben sollte man einige Grundregeln kennen.
W
er unvorbereitet nach China reist,
wird nicht weit kommen. Asiaten
pflegen eine ganz eigene Verhaltens- und
Verhand­lungs­­kultur. Um nicht von einem
Fettnäpfchen ins nächste zu stolpern,
sollten sich Geschäftsreisende mit den
Grundregeln vertraut machen.
Auf Basis des Prototyps beginnt – wieder
im Fränkischen – der Feinschliff. Hat der
Maker alle Details umgesetzt? Oder war
er gar zu detailverliebt, sodass der Gesamteindruck nicht mehr stimmt? Es geht
um Zehntelmillimeter. Passt der Proto­
typ, werden in China individuelle Werkzeuge und Stahlformen hergestellt. Die
„Nullserie“ von zehn Exemplaren entsteht als graue Karosserie, die noch x-fach
überarbeitet wird. Erst wenn das Fahrzeug serienreif ist, wird es im Zinkdruckguss-Verfahren gegossen und lackiert.
Und dann ist bald schon wieder Weihnachten in Fürth.
n
Guten Tag. Alter bedeutet Kompetenz.
Die älteste Person in der Runde wird zuerst begrüßt. „Ladies first“ gilt nicht.
Handschlag ist heute durchaus üblich,
sollte aber weich sein. Nicht wundern:
Dabei sehen Chinesen zu Boden.
V e rsp i e lt e J u n gs
Seit zwei Jahren ist für die mittlerweile
1.400 Mitglieder der „Schuco-Collectors-Club“ das Epizentrum. Für 49
Euro Jahresbeitrag gibt es Sonder­
editionen im Wunsch-Maßstab, ein
Geburtstagsmodell, exklusive Vorkaufsrechte sowie die „Schuco Collectors
News“. Highlight ist das jährliche ClubTreffen im November in der SchucoZentrale in Fürth. Informationen unter
www.schuco-club.de
Diese 1:43-Variante des
Porsche 356 A steht auf
einem Original-Motor.
26
YO-YO
JUNI 2008
Wir danken der Firma Dauphin HumanDesign Group GmbH & Co. KG Offenhausen für die freundliche Unterstützung.
Eine Zier. Bescheidenheit ist eine Tugend.
Das, worauf man eigentlich stolz ist, die
eigene Familie oder Leistung, wird heruntergespielt, lässt aber beim Abwiegeln
den Stolz durchblicken. Zum Lächeln.
MiEnenspiel. Gesten zählen mehr als Worte.
Eine falsche könnte böse Folgen haben,
also sprechen Chinesen lieber mit ausdruckslosem Gesicht. Ihnen dabei direkt
in die Augen zu sehen, wäre respektlos.
Cool bleiben. Öffentliche Gefühlsäuße-
rungen sind den Chinesen ein Graus.
Wer mit erhobener Stimme spricht, stört
die Harmonie, bringt andere in Verlegenheit und kratzt am Ehrgefühl.
Guter Tausch. Aus Respekt überreicht
man die Visitenkarte mit beiden Händen,
Schrift lesbar für das Gegenüber. So
nimmt man die Kärtchen auch entgegen.
Ausgiebig betrachten.
Wer nicht fragt … Häufig bohrende,
immer gleiche Fragen dienen der Kontaktaufnahme. Also geduldig antworten,
wenn es heißt: Woher kommen Sie?, Was
sind Sie von Beruf?, Wie geht es der
Familie? Umgekehrt gehört privates Interesse zum guten Ton und Geschäft.
getischt hat. Frauen trinken zum Essen
keinen Alkohol.
Ja oder nein? Höflich ist, nie direkt zu
Stäbchen neben den Teller. Sie in den
Reis zu stecken, erinnert an Räucherstäbchen für Verstorbene und bedeutet, man
wünscht den Personen am Tisch den Tod.
sagen, was man will oder nicht will, um
zu verhindern, dass der andere durch Zurückweisung sein Gesicht verliert. Geschenke und Ein­ladungen werden daher
nicht gleich an­genommen. Erst mehrmals
abzulehnen, ist Ausdruck von Demut.
Sofort zu akzep­tieren, wirkt gierig.
BeiZeiten. Pünktlichkeit wird geschätzt.
Privatleben. Geschäftspartner werden
nicht nach Hause, sondern in ein Restaurant eingeladen, ins Separee, eine Ehre.
Diese privaten Speise­räume bieten oft eine
Sitzecke mit Fernseher, der nach dem
Essen für Karaoke genutzt wird. Getrennt
zu zahlen, ist verpönt.
In Geberlaune. Blumen sind kein Ge-
schenk, sie gelten den Toten. Man schenkt
Nützliches, außer Schneidewerkzeug, das
die Beziehung kappen würde. Auffällig
teure Gaben gelten als Bestechung. Fürs
Geschenkpapier bieten sich die Farben
Rot, Gelb und Pink an, da sie positiv
besetzt sind. Negatives wird bei Blau,
Schwarz, Weiß und Grau assoziiert. Gilt
auch für Kleidung. Geschenk mit beiden
Händen überreichen. Ausgepackt wird
aber nie vor den Augen des Gönners.
Tabu bei Tisch. Wer genug hat, legt die
hand in hand. Mit Unbekannten wird
nicht verhandelt. Man muss sich von
einem Geschäftspartner einführen lassen.
Das gesprochene Wort. China ist eine
„High Context Culture“: Schriftliche
Verträge sind oft weniger bedeutsam als
die Beziehung zum Geschäftsfreund. Gute
Pflege zählt.
Andere Länder ... Lachen ist oft Ventil
für große Gefühle. Chinesen lachen, wenn
uns zum Weinen ist, bei einem Unfall
zum Beispiel. Westliche Witze findet man
meistens gar nicht komisch.
Nur die Ruhe. Die Beherrschung zu ver-
lieren, ist der schlimmste Fauxpas. Das
schädigt das Ansehen unwiderruflich.
farbspielE. Wegen der Symbolkraft der
Farben sollte eine Präsentation nie zu
bunt sein, sondern wie der Dresscode:
gedeckte Farben, schlicht, konservativ.
Guten Hunger. Als Gast sollte man
alles probieren, was auf den Tisch kommt,
viel essen, aber nicht den Teller leer kratzen. Chinesen drücken ihren Wohlstand
aus, indem sie großzügig mit Speisen sind.
Essen Gäste alles auf, ist das eine Blamage
für den Gastgeber, weil er zu wenig aufJUNI 2008
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INSIDE
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3
1
4
Vision von der
vierten Generation
Die
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Angefangen hat alles mit einer Handvoll Holzfiguren. Heute gehört die Simba Dickie Group
zu den größten Spielwaren-Herstellern der Welt. Wie aus einem winzigen Familien­unter­nehmen ein Global Player wurde – eine ganz persönliche Geschichte.
D
ie Samstage waren dem kleinen
Michael Sieber immer am liebsten.
Da durfte er alle neuen Spiel­sachen ausprobieren in der Firma seines Vaters Fritz
im fränkischen Fürth. Darum haben ihn
seine Freunde beneidet, deren Väter in der
Schraubenindustrie oder Landwirtschaft
arbeiteten. Heute gehört das Familien­
unternehmen Simba Dickie Group zu den
größten Spielwaren­herstellern der Welt
mit rund 1.500 Mit­arbeitern. Dazu kommen noch mehrere Tausend Mitarbeiter
in Joint-Venture-Betrieben. Doch bis dahin war es ein langer Weg.
1: Die Geschwister Monika und Michael Sieber.
2: Firmensitz 1964-1968 in der Nürnberger Straße.
3: In Sack bei Fürth lebte Familie Sieber von 1960-1962.
4: Seit 1987 steht die Firmenzentrale in der Werkstraße.
5: Klein-Michael auf großer Reise: 1963 mit Vater Fritz in Mailand.
6: Früh offen für den Osten: Michael Sieber präsentiert sich im Ausland.
7: Mit ihnen fing alles an: historische Nussknacker aus dem Erzgebirge.
Nussknacker aus dem Erzgebirge
Als Devisengarant genoss der Unternehmer in der sowjetischen Besatzungszone
hohes Ansehen. Trotzdem wollte er weg.
„Mein Vater war ein freiheitsliebender
Mensch“, erzählt Sohn Michael Sieber.
Außerdem musste die Firma wegen des
Uran­vorkommens in der Gegend und den
entsprechenden Grabungsarbeiten ständig umziehen. Nach dem vierten Standortwechsel entschied sich die Familie zur
Flucht. Sie ließen alles zurück, flohen
über Leipzig und Berlin nach Kassel zu
einer Freundin der Mutter, die kurz zuvor
selbst aus der DDR ausgewandert war
und ihnen das Flüchtlingslager ersparte.
Da war Michael Sieber drei Jahre alt.
Willkommen in Fürth
Fritz Sieber fand Arbeit bei der englischen Firma Matchbox in Emmerich,
wo er Ver­triebsleiter wurde. Er war es, der
damals den Boom der Miniatur-Autos in
Deutschland auslöste. Die Flüchtlings­
familie zog es aber bald wieder in die
Selbstständigkeit. 1959 ließ sich Fritz
Sieber mit Frau und drei Kindern im
traditionellen Spielwarenzentrum Nürnberg in Mittelfranken nieder. Zum zweiten
Mal gründete er eine Holzspielzeug-Firma
namens SISO.
Michael Sieber ist mit dem Duft frisch
verarbeiteten Holzes aufgewachsen. Als
Kind half er mit, in der Fürther Wohnung
das Spielzeug in Spandosen zu packen,
das seine Mutter dann mit dem Transporter an die Nürnberger Geschäfte lieferte.
Als Jugendlicher träumte er davon, Fußballprofi zu werden, doch seine Knie
s
1946 trat Fritz Sieber das Erbe seines
Vaters Herbert im Erzgebirge an und grün­dete die Firma SISO (Sieber und Sohn).
Er fertigte Nussknacker, Räuchermännchen, Puppenstuben, Kaufläden, kleine
Pferdeställe und Holzbaukästen für den
Export nach Westdeutschland. Das hand-
gefertigte Spielzeug aus Wilkau-Haßlau
in der Nähe von Zwickau war begehrt.
Bald vertrieb Sieber 90 Prozent seiner
Produkte über die staatlichen Exportorga­
nisationen weltweit, vor allem nach Japan
und in die USA.
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INSIDE
spielten nicht mit. Von da an stellte sich
die Frage, was er denn beruflich mal
machen wolle, nie wieder.
Die Faszination Spielwarenwelt
In den Sechzigerjahren stieg der Vater
schnell zum größten Importeur italienischer Produkte in Deutschland auf.
Firmengeschichte schrieb er mit der
Rakete „Thor“, dem ersten Spielzeug,
das im deutschen Fernsehen beworben
wurde. SISO übernahm andere Firmen
und war wiederum eine der ersten, die
eigene Kollektionen in Ostblockstaaten
wie Polen, Rumänien und Tschechien
produzierte. Für seine Verdienste um die
Ost-West-Beziehung wurde Fritz Sieber
mehrfach ausgezeichnet. „Mein Vater
dachte früh europaweit“, so Michael
Sieber, der bereits als 17-Jähriger mit auf
Reisen zu Messen und Geschäftspartnern
ging. Die Faszination Spiel­warenwelt
hatte ihn gepackt.
Für ein intensives Studium blieb keine
Zeit. Nach dem Abitur arbeitete Michael
Sieber in Spielwarenfirmen in Paris, Italien, England, den Niederlanden, eignete
sich in Betrieben und an den Universitäten in Windeseile kaufmännische und
Management-Fähigkeiten an. Doch dann,
in den Siebzigerjahren, erlitt Fritz Sieber
den dritten Herzinfarkt, wollte nicht mehr
weitermachen wie bisher. 1976 verkaufte
er 60 Prozent seiner Firma an eine holländische AG mit internationaler Ausrichtung. Eine Fehlentscheidung. Die Chemie
stimmte nie, bald sahen die Siebers keine
Perspektive mehr.
kommen und seine Witwe wollte das Unternehmen abgeben. Der kriselnde BIGKonzern stand nach dem Tod des Inhabers
führungslos da.
Fritz Sieber starb 2004 im Alter von 80
Jahren. Sohn Michael Sieber ist heute
die Hälfte des Jahres unterwegs.
de lädt er den Akku wieder auf. Und die
Urlaubsreisen mit der Großfamilie sind
ihm heilig.
Damals wie heute: bei Simba Dickie
spielt Holz eine wichtige Rolle.
Der innige Familienvater ist ein beliebter
Arbeitgeber. Es herrscht eine freundliche,
nahezu freundschaftliche Atmosphäre unter
den fast 530 Mitarbeitern in Fürth. Die
meisten Führungskräfte sind „Eigengewächse“. Charity-Aktionen sind ebenso
selbstverständlich wie das Engagement
im „Nürnberger Bündnis Fair Toys“, das
sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der asiatischen Spielzeugindustrie einsetzt und Kinderarbeit verbietet.
Die Gruppe hat bereits 2004 den International Council of Toy Industries (ICTI)
übernommen, den vom Weltverband der
Spielwarenindustrie aus­gearbeiteten Verhaltenskodex.
Nebenbei schuf Michael Sieber seinen
eigenen drei Kindern ein Spielzeugparadies. „Sie waren bei jedem Artikel meine
Testpersonen.“ Inzwischen umfasst das
Sortiment der Simba Dickie Group mehr
als 3.000 Artikel, die den 3.000 Quadratmeter großen Showroom in Fürth füllen.
Nach der Konsolidierung kommt jetzt das
Smoby-Angebot hinzu (siehe Seite 10).
Für den Vertrieb stehen allein in Deutschland rund 75.000 Quadratmeter Distributionsfäche bereit, ein Großteil davon im
Logistikzentrum Sonneberg in Thüringen.
Rund um den Globus zu hause
Die Gruppe produziert in eigenen Betrieben in Deutschland und Tschechien, aber
vor allem in den Partnerproduktionsbetrieben in Bulgarien und China (rund 70
Prozent), besitzt Niederlassungen in mehr
als 20 Ländern in ganz Europa, Skandinavien, Asien und den USA. Seit 2006
macht die Firma knapp 60 Prozent ihres
Gesamtumsatzes im Ausland.
Die Fliegerei stört den 52-Jährigen aber
nicht. „Ich genieße die Ruhe da oben.“
Voraussetzung für diesen Beruf sei allerdings konsequent gesunde Lebensweise.
Kraft gibt ihm das Familienleben, „das
ist mein Jungbrunnen.“ Am Wochenen-
Was Michael Sieber antreibt, ist seine
Vision: die Simba Dickie Group erfolgreich in die nächste Generation zu führen.
Er hat drei Kinder, eine Nichte und drei
Neffen. „Mindestens vier davon sind interessiert.“ Da strahlt er.
n
Simba Toys erblickt das Licht der Welt
In Hongkong zuhause: Hier hat die
Simba Dickie Group ihren zweiten Firmensitz.
Man trennte sich und am 1. Mai 1982
gründeten Fritz und Michael Sieber mit
fünf Mitarbeitern Simba Toys, konzentrierten sich zunächst auf Mädchenartikel.
Bis dato ging es um Unabhängigkeit und
Zukunft des Familienunternehmens, in
dem auch Siebers Schwester Monika als
Auslandskorrespondentin arbeitete. Jetzt
wollten Vater und Sohn expandieren.
1984 eröffneten sie das erste Büro in
Hongkong. 1993 erwarben sie Dickie
Toys (Fahrzeuge). 1998 kaufte Michael
Sieber die Holzspielzeuge Eichhorn,
1999 die Modellauto-Firma Schuco,
2001 Noris (Brett-)Spiele, 2004 BobbyCar-Hersteller BIG, 2006 Plüschtierproduzent Nicotoy. „Unsere Firmenpolitik
war nie aggressiv“, betont Sieber. „Wir
haben Betriebe übernommen, die Probleme hatten.“ So war der Dickie-Besitzer
bei einem Learjet-Absturz ums Leben ge-
Die Glasfassaden gleichen sich:
BIG-Zentrale in Gleißenberg
Gute Laune: Das Führungstrio der Sima Dickie
Group bilden (v. l.) COO Uwe Weiler (seit 15
Jahren im Unternehmen), CEO Michael Sieber,
und CFO Manfred Duschl (seit 19 Jahren dabei).
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REPORT
Da müssen sie durch
Plüschtierquälerei beim TÜV
Ist Kinderspielzeug nun sicher oder nicht? Laut Gesetz
gehört es neben Lebensmitteln zu den bestüberwachten Produkten überhaupt. Stimmt das? Wir wollten wissen, wie
solch eine Sicherheitsprüfung abläuft und waren live dabei.
M
orgens halb zehn in Nürnberg. Bär
Benoit weiß noch nicht, was ihn
heute erwartet, und grinst vor sich hin.
Das Lachen wird ihm noch vergehen.
Der 41 Zentimeter große Nicotoy Plüsch­
teddy aus dem Hause Simba Dickie
Group ist Testkandidat bei einer Sicherheitsprüfung für Spielzeug. Da muss er
durch, um in Europa auf den Spielzeugmarkt zu dürfen.
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Gleich wird’s heiss
Es geht los mit der Entflammbarkeits­
prüfung. Der Teddy wird auf einen Ständer gespannt, so dass sein Popo in Höhe
einer Art Bunsen­brenner hängt. Der Abstand beträgt exakt 20 Millimeter und
wird per Schablone gemessen. Dann fährt
das Gerät automatisch vor, schickt drei
Sekunden lang eine Flamme zehn Millimeter tief ins Bärenfell. Mit der Stoppuhr
misst Simone Trümper, Diplom-Ingenieurin für Bekleidungstechnologie, wie
viel Plüsch in drei Sekunden ab­fackelt.
Das ergibt die „Flammenausbreitungsgeschwindigkeit“. Jedes Plüschtier brennt irgendwann. Hier geht es darum, „dass der
Bär, sollte er Feuer fangen, nicht schlagartig in Flammen aufgeht, sich ein
s
Erschöpfter Testkandidat: Teddybär Benoit
hat die Sicherheitsprüfung bestanden.
Was Benoit gleich widerfahren wird, regelt die EU-Richtlinie 88/378/EWG. Danach darf von Spielzeug keine Gesundheits- oder Verletzungsgefahr ausgehen.
Technische Einzelheiten, die zu kontrollieren sind, schreibt die EN71-Normenreihe vor: physikalische und mechanische
Merkmale, Entflammbarkeit, chemische
sowie elektrische Eigenschaften, Hygiene und Radioaktivität. Fünf Tests sind
es bei Teddybären, bei ferngesteuerten
Elektroautos sogar bis zu zehn.
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REPORT
bei Spielzeug wegen der Kurzlebigkeit
vieler Produkt­reihen eher unüblich. Es
bedeutet eine Art Dauervertrag. Nach bestandenem Test wird das Produkt beim
TÜV aufbewahrt. Die Prüfer kontrollieren die Fertigungsstätte. Sie machen
jährliche Testkäufe, um sicherzugehen,
dass die einmal bescheinigte Qualität
auch konstant bleibt. Sollte das Spielzeug
im Ladenregal nicht identisch mit dem
„Rückstellmuster“ sein, wird der Hersteller informiert und muss reagieren.
Feuer im Fell: Abstand messen
für die Entflammbarkeitsprüfung.
Die Zeit läuft: In drei Sekunden darf das
Plüschtier nicht in Flammen aufgehen.
Kind also noch retten kann“, erklärt die
Prüferin. Benoit besteht den Test, sein Po
glimmt nur kurz vor sich hin.
Streckbank: Vorbereitung zur
Verschluckbarkeitsprüfung.
„Zehn Sekunden lang muss das Auge
halten“, erklärt der Experte. Zehn Sekunden können lang sein. Heiko Kampf
guckt emotionslos zu. „Spielzeug zu testen
macht schon mehr Spaß als Matratzen
oder Gummistiefel“, sagt er. Das Auge
hält und bedeutet somit keine Gefahr
für Kinder.
Hoffentlich hält das Auge
Er könnte aufatmen, doch für die Zugprüfung muss er richtig tapfer sein. Prüfung auf Verschluckbarkeit ist zunächst
simpel. Kleinteile werden in einen Zylinder gesteckt, der dem Rachenraum eines
Kleinkindes entspricht. Was darin verschwindet, braucht den Produkthinweis
„Nicht für Kinder unter drei Jahren“. Besitzt ein Plüschtier verschluckbare Kleinteile wie Knopfaugen, müssen diese daher
bombenfest sitzen.
In Europa soll Spielzeug sicher sein
Die strengen Sicherheitsanforderungen
sollen verhindern, dass bei „bestimmungs­
gemäßer“ oder vorherzusehender Verwen­
dung unter Berücksichtigung des üb­lichen
Verhaltens von Kindern die Siche­r­heit
oder Gesundheit gefährdet wird, heißt es
im Amtsdeutsch. Die Hersteller müssen
also auch eventuellen Missbrauch berück­
sichtigen.
Jetzt wird Benoit mit dem Unterleib in
die Zugmaschine gequetscht. Prüfingenieur
Heiko Kampf greift ein Auge, schraubt
es in eine Klammer und hakt diese oben
im Gerät ein. Computergesteuert wird der
Bär auseinandergezogen. Mit einer Last
von 90 Newton, das sind etwa neun Kilo.
40.000 Spielzeugprüfungen und Zertifizierungen übernimmt die LGA Qualitest
GmbH Nürnberg pro Jahr, ein Tochterunternehmen des TÜV Rheinland in Köln.
Unter Spannung:
Das Auge hält.
Dieser ist mit über 100.000 Tests jährlich
einer der weltweit führenden Spielzeugprüfer, in Europa der größte. Auf Herstellerwunsch umfasst die Spielzeugprüfung
die gesamte Produktions- und Lieferantenkette mit Blick auf nachhaltige Ressourcenverwendung, Arbeitsbedingungen
und Sozialstandards. Der TÜV Rheinland
beschäftigt an 360 Standorten in 62 Ländern rund um den Globus etwa 12.500
Mitarbeiter.
„Seit den Rückrufaktionen des vergangenen Jahres steigt die Nachfrage nach
unabhängigen Prüfungen ständig“, so
Rainer Weiskirchen, Diplom-Betriebswirt
und Un­ternehmenssprecher der LGA
Nürnberg. Vor allem die Zahl der chemischen Prüfungen haben zugenommen.
Die deutschen Hersteller wollen sichergehen, dass innerhalb der Lie­­­fer­­­antenkette
keine Schadstoffe wie Schädlingsbekämpfungsmittel ins Spiel kommen.
Plüschtier in völliger Auflösung
Die chemischen Prüfungen (nach EN 71
Teil 3) auf Migration von Schwer­metallen
und Speichelechtheit sind der Härtetest.
Benoit wird in ein großes Labor gebracht.
Eine freundliche junge Dame nimmt ihn
auf den Arm. Ehe er sich wehren kann,
schneidet sie ihm kaltblütig das linke
Ohr ab. Chemielaborantin Bianca Holzmann braucht ein Gramm Fell für die
chemische Analyse. Das Ohr wird mit
Magensäuresimulanz gemischt und über
» Die Nachfrage nach
unabhängigen Prüfungen
steigt ständig. «
Rainer Weiskirchen, LGA-Unternehmenssprecher
Nacht im Wärmeschrank bei 37 Grad gerüttelt. So, als hätte ein Kind das Ohr
verschluckt und nun im Magen. Am
nächsten Tag wird die Probe instrumentell analytisch untersucht. Man würde
Formaldehyd oder andere Lösungsmittel
finden, vor allem aber werden Schwermetalle wie Blei und Cadmium gesucht.
mikrobiologische Prüfung (Verkeimungs­
anfälligkeit und Resistenz gegenüber
Bakterien und Pilzen) erfolgt in seiner
Abwesenheit.
Könnte er brummen, sprechen oder
Lieder singen, was manche seiner Kollegen
heutzutage draufhaben, hätte er also
Elektrochips oder Batterien im Bauch,
müsste er noch die elektromagnetische
Verträglichkeitsprüfung (EMV nach Richtlinie 2004/108/EG und 73/23/EWG) absolvieren, die Störaussendung und Störfestigkeit misst, sowie die elektrische
Sicherheitsprüfung nach EN 62115. Und
wären seine Arme angeschraubt und
nicht genäht, käme der Test des Dreh­
moments verschraubter Teile hinzu.
Das bleibt ihm erspart. Benoit lächelt
erschöpft.
n
Benoits Fell ist völlig in Ordnung. Prüfung bestanden. Die hygienische und
Das CE-Zeichen ist Pflicht
Als äußeres Merkmal muss jedes Spielzeug das CE-Kennzeichen tragen. Damit
versichert der Hersteller, sein Bevollmächtigter oder Importeur, dass das Produkt in vollem Umfang den Europäischen
Normen entspricht oder eine Baumusterprüfung mit positivem Ergebnis durch­
geführt wurde. Außerdem ist die Angabe
seines Namens und seiner Anschrift
obligatorisch. Darüber hinaus gibt es das
GS-Güte­siegel („Geprüfte Sicherheit“),
4
1
1: Das muss sein: Chemielaborantin
Bianca Holzmann schneidet dem Teddy
das Ohr ab.
2 und 3: Was wäre, wenn ... : Das Ohr
wird in Magensäureersatz gelöst.
1
4: Aufwändige Analyse: Im Gas-Chromatographen wird das Fellsäuregemisch
in Gas umgewandelt und auf Schwermetalle und andere Giftstoffe untersucht.
2
Testgelände
2
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1: Quietsche-Entchen oder Schlagbohrer: Im reflexionsarmen Messraum der
LGA werden akustische Kennwerte
bestimmt – zum Schutz vor zu viel Lärm.
2: Von Automobilen bis zu Spiel­
zeugen: In der modernsten EMVAbsorber-Halle Europas werden in
Nürnberg Produkte auf elektromagnetische Verträglichkeit hin untersucht.
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