einstein@home

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einstein@home
Welt der Wissenschaft: Pulsar-astronomie
Hinter den Kulissen von
Einstein@Home
Ein Projekt für verteiltes Rechnen stellte sich vor
Jeder Wissenschaftsinteressierte weltweit kann mit seinem PC von zu Hause aus
am Projekt Einstein@Home mitwirken und damit die Astrophysiker bei der Suche
nach Pulsaren und Gravitationswellen unterstützen. Am 2. Juli 2011 informierte das
Albert-Einstein-Institut (AEI) in Hannover über den Stand des im Jahr 2005 begonnenen
Projekts und über die aktuellen Forschungsgebiete.
Von Benjamin Knispel
E
in heller, moderner Bau aus Be-
angereisten Gästen einen Blick hinter die
Wissenschaftler bei der Suche nach Gravi-
ton und viel Glas mit einer auf-
Kulissen. Den Anlass für diese Veranstal-
tationswellen oder Radiopulsaren zu un-
fällig rot umbauten Eingangstür
tung bot auch das einjährige Jubiläum der
terstützen. Neu hinzugekommen ist im
– so erscheint einem Passanten
astronomischen Erstentdeckung durch
August 2011 ein Projekt zur Suche nach
das Albert-Einstein-Institut (Max-Planck-
Einstein@Home. Im August 2010 war dem
Pulsaren in den Daten des US-amerika-
Institut für Gravitationsphysik) auf dem
Projekt ein bis dato unbekannter und dazu
nischen Satelliten Fermi, der den Himmel
Gelände der Leibniz Universität in Hanno-
noch besonders interessanter Radiopulsar
im Gammastrahlenlicht beob­achtet.
ver. Dem zufälligen Blick verborgen bleibt
in Daten des Arecibo-Teleskops ins Netz
Die wissenschaftlichen Träger von Ein-
jedoch, was in den Büros der Physiker im
gegangen, dem kurz darauf die Entde-
stein@Home sind das Center for Gravita-
Inneren des Gebäudes alltäglich geschieht.
ckung eines weiteren Pulsars folgte (siehe
tion and Cosmology an der University of
Wer jedoch das Institut am 2. Juli 2011 be-
SuW 12/2010, S. 78).
Wisconsin-Milwaukee und das AEI in Han-
suchte, erhielt einzigartige Einblicke in die
Für Einstein@Home stellen Freiwillige
nover, mit finanzieller Unterstützung der
aktuellen Forschungsgebiete. An diesem
aus aller Welt Rechenzeit auf ihren Heim-
National Science Foundation (NSF) und
Tag gewährte das AEI den aus aller Welt
oder Bürocomputern zur Verfügung, um
der Max-Planck-Gesellschaft. Doch ohne
die Beteiligung der Öffentlichkeit wäre ein
derart komplexes Forschungsvorhaben
Einstein@Home – wie kann ich teilnehmen?
W
unmöglich. Mit weltweit mehr als 300 000
Freiwilligen ist Einstein@Home eines der
enn auch Sie die Suche nach neuen Pulsaren und Gravitationswellen aktiv
größten Projekte seiner Art – Grund genug
unterstützen möchten, dann können Sie unter http://einstein.phys.uwm.edu
also, die Teilnehmer nach Hannover ein-
in das Projekt Einstein@Home einsteigen. Innerhalb weniger Minuten installieren
zuladen und ihnen einen Blick hinter die
Sie auf ihrem Computer den BOINC-Manager. Nun kann Ihr PC bei der Datenanalyse
Kulissen zu gewähren.
»mitrechnen«, und Sie können sich an Ihrem neuen Einstein@Home-Bildschirmschoner erfreuen. Die Software ist für Windows, Mac und Linux verfügbar.
Wie entstand Einstein@Home, und
welche Zukunftspläne gibt es? Wer sind
die Menschen, die an dem Projekt ar-
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November 2011
Sterne und Weltraum
AEI Hannover
Zu den jüngsten Endeckungen von
Einstein@Home gehört der 31 000 Lichtjahre entfernte Pulsar J 1952+2630 – ein
Neutronenstern, der von einem Weißen
Zwerg begleitet wird. Der Pulsar blitzt alle
20,7 Millisekunden einmal auf. Seine
Radioemission entlang eines Doppelkegels
ähnelt den gerichteten Strahlen eines
Leuchtturms. Der Umlauf beider Himmelskörper um den gemeinsamen Schwerpunkt
des Systems dauert 9,4 Stunden.
Die Software von Einstein@Home arbeitet
ähnlich wie ein Bildschirmschoner. Wird der
AEI Hannover
heimische PC nicht für andere Aufgaben
genutzt, so analysiert das Programm Daten
des Projekts, und auf dem Bildschirm
erscheint eine farbige Grafik.
beiten? Und was treibt andere Wissen-
consin-Milwaukee,
Entstehungsge-
Antrag einzureichen. Bei diesem erneuten
schaftsbegeisterte an, sich daran zu betei-
schichte des Projekts, die mehr als einen
Anlauf ging alles glatt, und seither ist die
ligen? Rund 40 Teilnehmer fanden sich im
Anlauf erforderte. Einen ersten Finanzie-
NSF ein wichtiger Projektpartner.
AEI ein, um Antworten auf diese Fragen zu
rungsantrag lehnte die NSF ab, woraufhin
erhalten, darunter auch die Freiwilligen,
Physiker des AEI und der University of
deren Computer die beiden ersten Pulsare
Wisconsin-Milwaukee das Projekt zu Be-
Vielfältige neue Forschungsprojekte
aufgespürt hatten. Einige Gäste hatten ih-
ginn in Eigenregie aufzogen und Ein-
Einen Blick in die nahe Zukunft wagte Al-
ren Weg sogar von Australien aus angetre-
stein@Home im Februar 2005 aus der
len mit der Ankündigung einer neuen Su-
ten. Und natürlich standen die Türen auch
Taufe hoben. Schnell zeichnete sich ab,
che nach Gammapulsaren in Daten des
Neugierigen und potenziellen Einstein@
dass sich viele Freiwillige für diese Art von
Large Area Telescope an Bord des NASA-
Home-Teilnehmern offen.
öffentlicher Wissenschaft begeistern las-
Satelliten Fermi. Inzwischen läuft diese
Zunächst beschrieb Bruce Allen, Leiter
sen. So wurde das Einstein@Home-Team
Suche ebenfalls auf Einstein@Home. Das
von Einstein@Home und Direktor am AEI
wenige Monate später von der NSF aus-
relativ junge Forschungsgebiet brachte
sowie Professor an der University of Wis-
drücklich gebeten, einen überarbeiteten
bereits viele unerwartete Entdeckungen
www.astronomie-heute.de
die
November 2011
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Teilnehmer von Einstein@Home nutzten
den Workshop des Albert-Einstein-Instituts,
um sich vor Ort über das Projekt zu
informieren und die Forscher persönlich
AEI Hannover
kennenzulernen.
hervor. Auch hierbei erfordert die Datenauswertung viel Rechenzeit, aber sie lässt
sich in kleine Aufgabenpakete teilen. Jedes
Paket benötigt nur eine winzige Datenmenge, um lange Analyseberechnungen
durchzuführen. Damit eignet sich das
Projekt ideal für ein verteiltes Rechnen. So
kann
Einstein@Home
möglicherweise
demnächst den Fund eines neuen GamAEI Hannover
mapulsars vermelden.
Im nächsten Vortrag berichtete Benjamin Knispel, Mitglied in Allens Arbeitsgruppe, über die ersten Pulsarentdeckungen mit Einstein@Home. Der erste
mit diesem Projekt entdeckte Radiopulsar
Einige der Teilnehmer des Projekts
rund einem Quadratkilometer erreichen.
wurde weltweit an fünf großen Radiotele-
bringen mehr als nur die Rechenzeit ihrer
Das SKA wird 50 Mal empfindlicher sein
skopen untersucht. Damit wollten die
Computer ein. Ein Beispiel ist Heinz-Bernd
als die derzeit leistungsstärksten Radiote-
Wissenschaftler in kurzer Zeit möglichst
Eggenstein, der als Moderator der projekt-
leskope und den Himmel bis zu zehntau-
viele Daten sammeln, um den Neutronen-
eigenen Internetforen und als ehrenamt-
send Mal schneller absuchen können. Als
stern umfassend zu charakterisieren. Das
licher Softwareentwickler an Einstein@
Standorte kommen das südliche Afrika
Ergebnis: Bisher ist nur ein Dutzend ver-
Home mitwirkt. Er trug maßgeblich dazu
oder Westaustralien in Betracht. Aufgrund
gleichbarer Objekte bekannt (siehe SuW
bei, die für die Suche nach Radiopulsaren
der überragenden Empfindlichkeit des Te-
12/2010, S. 78).
verwendete Software für Grafikkarten
leskops sollte es alle innerhalb des Milch-
Die Folgebeobachtungen am ersten
nutzbar zu machen. Moderne Grafikkar-
straßensystems beheimateten aktiven Ra-
entdeckten Pulsar waren noch nicht abge-
ten enthalten viele hundert spezialisierte
diopulsare aufspüren können. Zudem soll
schlossen, als Einstein@Home auf einen
Computerprozessoren. Mit ihnen lässt
das SKA unter anderem erforschen, wie
weiteren Radiopulsar stieß – diesmal in
sich durch parallel ausgeführte Arbeit an
sich das Universum im Alter von 300 000
einem Doppelsternsystem mit einem Wei-
Teilaufgaben die notwendige Rechenzeit
Jahren bis eine Million Jahre nach dem
ßen Zwerg oder einem anderen Neutro-
erheblich verkürzen. Eggenstein beschrieb
Urknall entwickelte. In diesem »dunklen
nenstern. Beide Objekte umkreisen den
das Funktionsprinzip und erklärte, wie
Zeitalter« leuch­teten noch keine Sterne,
gemeinsamen Schwerpunkt des Systems
Computernutzer ihre heimischen Grafik-
das Universum war aber bereits durchläs-
innerhalb von nur 9,4 Stunden (siehe Bild
karten für verteilte Rechenprojekte zur
sig für elektromagnetische Strahlung.
auf S. 55 oben). Auch dieses Objekt ist eine
Verfügung stellen und wie sie die Rechen-
Besonderheit, sind doch nur fünf ver-
leistung maximieren können.
Die Suche nach Gravitationswellen von
schnell rotierenden Neutronensternen ist
gleichbare Doppelsternsysteme bekannt.
Michael Kramer, Direktor am Max-
die Hauptaufgabe und das Langzeitziel
Zum Abschluss überbrachte Knispel eine
Planck-Institut für Radioastronomie in
von Einstein@Home. In den nächsten
weitere gute Nachricht: Einstein@Home
Bonn, berichtete über das geplante Square
zwei Jahren werden die bestehenden Gra-
entdeckte in Daten des Radioteleskops im
Kilometre Array (SKA). Dieses multinatio-
vitationswellendetektoren der ersten Ge-
australischen Parkes zehn weitere Pulsare.
nale Großobservatorium, das im Jahr 2019
neration mit verbesserter Technik ausge-
Damit liegt die Anzahl der Neuentde-
seinen Betrieb aufnehmen soll, wird aus
stattet, um ihre Messempfindlichkeit um
ckungen durch Einstein@Home nunmehr
tausenden kleinen Antennen bestehen,
rund eine Größenordnung zu steigern
bei zwölf Radiopulsaren.
die gemeinsam eine Sammelfläche von
und sie zu Detektoren der zweiten Gene-
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Sterne und Weltraum
SPDO / TDP / DRAO / Swinburne Astronomy Productions
ration umzubauen. Die Gravitationswel-
puterverbund ATLAS und einen Proto-
Das geplante Square Kilometre Array (SKA)
lendetektoren sind Laserinterferometer
typen der Gravitationswellendektoren der
wird mit tausenden kleinen Antennen die
mit Messstrecken von mehreren hundert
dritten Generation. Der Zehn-Meter-Pro-
Empfindlichkeit und Schnelligkeit der heute
bis mehreren tausend Metern Länge: Ein
totyp ist eine verkleinerte Version der
leistungsstärksten Radioteleskope bei
Laserstrahl wird geteilt und durchläuft
großen interferometrischen Detektoren.
weitem übertreffen.
beide Armlängen des Interferometers. An-
In dieser immer noch beeindruckend
schließend werden die Strahlen überla-
großen Miniatur erproben die Physiker
gert. Aus dem Interferenzsignal lässt sich
Technologien, welche die Messgenauigkeit
den notwendigen Platz zur Aufbewahrung
dann die relative Änderung der Armlän-
von Gravitationswellendetektoren verbes-
der Messdaten zur Verfügung. Über ein
gen registrieren, die durch Gravitations-
sern sollen. Ihr Ziel ist es, alle übrigen
schnelles Netzwerk greifen die einzelnen
wellen hervorgerufen worden sein könnte
Störquellen soweit zu reduzieren, dass die
Rechner des Verbunds auf diese Daten zu
und verarbeiten sie effizient.
(siehe SuW 1/2009, S. 30). Zu diesem The-
Messgenauigkeit allein durch die Quan-
ma referierte Jonathan Leong in einem
teneffekte des Lichts begrenzt wird. Aber
Bei einem Grillabend im Innenhof des
abschließenden Vortrag. Der am AEI tätige
selbst diese Grenze lässt sich inzwischen
Instituts und angeregten Gesprächen
Physiker forscht am Gravitationswellen-
durch den Einsatz gequetschten Lichts un-
klang der Besuch bei Einstein@Home aus.
detektor GEO 600 südlich von Hannover.
terschreiten. Zudem experimentieren die
Wenn auch Sie die Suche nach neuen Pul-
Forscher am Prototypen mit Quantenef-
saren und Gravitationswellen unterstüt-
fekten an makroskopischen Objekten.
zen möchten, dann können Sie auf der
Im Rahmen von GEO 600 wurden viele
der Techniken entwickelt, die nun in die
Detektoren des Gravitationswellenobser-
Website von Einstein@Home einsteigen,
vatoriums AdvancedLIGO in den USA ein-
Auch Computer kooperieren
gebaut werden. Dazu gehört ein leistungs-
Der Computerverbund ATLAS besteht aus
auf Ihrem PC installieren (siehe Kasten
stärkeres Laserlicht, das die durch einzelne
rund 1700 Rechnern zur Datenanalyse
auf S. 54). Vielleicht ist ja der nächste mit
Photonen hervorgerufenen statistischen
beim Nachweis von Gravitationswellen.
Einstein@Home entdeckte Pulsar Ihrem
Schwankungen verringert. Eine aktuelle
Seit 2005 durchsucht Einstein@Home Da-
Beitrag zu verdanken…
Entwicklung ist ein so genannter Quetsch-
ten der Gravitationswellendetektoren in-
indem sie die dort angebotene Software
lichtlaser, den die Forscher bei GEO 600
nerhalb der LIGO-Virgo-Science Collabora-
Weblinks zum Thema mit Hintergrundinforma-
erstmals außerhalb eines Labors nutzen.
tion (LVC), der auch GEO 600 angehört,
tionen über Gravitationswellen und Pulsare:
Mit dem besonders präparierten »ge-
nach Gravitationswellen von unbekann­
www.astronomie-heute.de/artikel/1124073
quetschten Licht« aus dieser Laserquelle
ten, schnell rotierenden Neutronenster-
lässt sich das noch verbleibende Quanten-
nen. Die Analyse der von den Gravitations­
rauschen deutlich reduzieren. Störungen
wellendetektoren
LVC
Benjamin Knispel pro-
seismischer Natur, die an der Spiegelauf-
ge­messenen Daten erfordert im Allgemei-
movierte an der Leibniz
hängung angreifen, werden durch speziel­
nen viele Rechenoperationen und ist da-
Universität Hannover und
le Mehrfachpendelsysteme kompensiert.
mit sehr rechenzeitaufwändig. Nicht alle
am Max-Planck-Institut für
Leong stellte diese Techniken vor und il-
dieser Analyseaufgaben lassen sich von
Gravitationsphysik. Er
lustrierte seinen Vortrag mit Bildern der
Projekten wie Einstein@Home bearbeiten
Experimentalaufbauten in GEO 600 und
und müssen mit Hilfe spezieller Rech-
rem der Suche nach Radiopulsaren mit Ein-
mit praktischen Beispielen.
nerverbünde realisiert werden. Im Fall von
stein@Home und der Simulation der galak-
Nach den Vorträgen besichtigten die
ATLAS stellen mehrere Dutzend Datenser-
tischen Neutronensternpopulation als Quelle
Besucher bei geführten Touren den Com-
ver und ein Magnetbandspeichersystem
von Gravitationswellen.
www.astronomie-heute.de
innerhalb
der
widmet sich unter ande-
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