Arabische Revolutionen - EN-PAZ

Konflikte & Lösungen
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1
Arabische Revolutionen
* Konfliktakteure
Arabische Revolutionsbewegungen,
!
Autokratische arabische Regierungen
Konfliktbeginn:
* 2010
Konfliktbeschreibung
Die arabischen Revolutionen bezeichnen die Befreiungsversuche der Bevölkerungen verschiedener
arabischer Staaten. Es kam in einigen dieser Länder
zum Sturz der Regierung. In manchen Ländern bestehen die Proteste noch an, in anderen arbeiten die
Regierungen darauf hin, sich mit der Bevölkerung
zu verständigen.
FlickrCC/ Ahmad Mahmoud
Konflikttransformation
Eine entscheidende Rolle nimmt bei den Protesten
Tunesien ein. Hier begannen die ersten größeren
Proteste Mitte Dezember 2010 und führten zur Auflösung der Regierung und Flucht des Präsidenten
Ben Ali Mitte Januar 2011. In Algerien und Ägypten
brachen im Januar 2011 auch erste Proteste gegen
die Regierungen aus. Der Auslöser hierfür war die
Präsenz der tunesischen Proteste in den Medien.
Die Bevölkerungen der anderen nordafrikanischen
Staaten erkannten, dass die Aufständigen in Tunesien aufgrund Probleme auf die Straße gingen, unter
denen auch sie litten.
?
Hilfe und Vermittlung der Internationalen Gemeinschaft beim
Aufbau von Zivilgesellschaften
Selbst wenn, wie in Tunesien, Ägypten und
Libyen, letztlich in allen Staaten Revolutionen Erfolg haben sollten, gibt es noch einige
Hürden auf dem Weg zur freiheitlichen
Demokratie. Die Anerkennung der Pluralität
der Zivilgesellschaft und der Zustand von
stabilen politischen Parteien und Institu-
Was waren die Probleme in Tunesien?
Durch eine hohe Geburtenrate in den 1980ern und
1990ern kamen viele Jugendliche in den 2000ern
aus den Schulen und fanden keine Arbeit. Der
Regierung gelang es nicht, genügend Arbeitsplätze
zu schaffen. Diese hohe Arbeitslosigkeit trotz recht
guter Schulbildung führte zu großer Frustration.
Hinzu kam, dass die Lebensmittelpreise seit 2007
stark anstiegen. Auch wenn die Regierung nicht
alleine dafür verantwortlich war, so ließ sie doch die
vielen Menschen im Stich, die unter Armut litten.
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tionen entspricht in den meisten Revolutionsstaaten nicht dem Status der Länder mit
langen demokratischen Traditionen. Die Demokratie nach westlichem Muster, dient in
der Region als Vorbild. Es müssen Anstrengungen betrieben werden, damit dieses Modell den örtlichen Gegebenheiten angepasst
werden kann. Denn die demographischen,
sozialen und wirtschaftlichen Problemlagen
sind auch für freiheitliche Staaten nach einer
geglückten Revolution große Herausforde-
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Denn die staatlichen Investitionen flossen vor allem
in Regionen, die vergleichsweise reich waren und
nutzten UnternehmerInnen und denen die schon
genug hatten.
Das führt uns zu einem weiteren Problem, unter
dem die Bevölkerung litt: Die Regierung betrieb
Vetternwirtschaft und war extrem korrupt. Vetternwirtschaft heißt, dass Verwandte und Freunde
der Regierung oder Regierungsangehörige selbst in
Wirtschaftszweigen oder Unternehmen arbeiteten,
die von der Regierung gefördert oder privilegiert
werden. Dies ist bereits Korruption. Korruption
umfasst allerdings auch direkte Geldgeschenke an
Regierungsangehörige und Selbstbereicherung an
der Staatskasse.
Als sich Mitte Dezember vier Menschen in der Öffentlichkeit selbst verbrannten, da sie mit der Armut nicht mehr zurecht kamen und sie sich von der
Regierung im Stich gelassen fühlten, kam es zu den
ersten Aufständen. Diese dauerten an und gewannen
an Zulauf, trotz der Versuche der Regierung, die Proteste mit Gewalt zu unterdrücken. Die Armee tötete
dabei einige Zivilisten, was die Wut gegen die Regierung extrem steigerte.
Die Proteste wurden zu groß, als dass die Polizei sie
hätte zurückdrängen können. Das Staatsoberhaupt
Ben Ali trat am 14. Januar 2011 zurück und es formte sich eine Übergangsregierung. Auch gegen diese
Übergangsregierung kam es zu Protesten, da viele
Mitglieder auch unter Ben Ali MinisterInnenposten
bekleideten.
Nun stellt sich womöglich die Frage, ob die Revolution in Tunesien mit dem Sturz des Staatsoberhauptes
und dem Einsetzen einer neuen Regierung vorüber
sein wird.
Diese Frage muss klar verneint werden. In Tunesien
wie auch in den anderen arabischen Ländern welche
von den Volksaufständen erfasst wurden, reicht es
rung. Zudem müssen besonders der Jemen und
Ägypten einen Weg zur politischen Integration
ihrer starken islamistischen (radikal-religiöse
Muslime) Bewegungen im neuen Staatsgebilde
finden, um keine zukünftigen Konfliktlinien
entstehen zu lassen. Ägypten muss außerdem
sicherstellen, dass sich seine Armee nicht mehr
wie in der Vergangenheit regelmäßig in politische Fragen einmischen kann.
Wichtig wird also auch die Hilfe und gegebenenfalls Vermittlung der Internationalen Gemeinschaft sein, damit die neuen (Übergangs)
Regierungen die Interessen der jeweiligen Völker und auch der Minderheiten vertreten und
keine neuen Kreisläufe von Diktatur, Korruption und Machtmissbrauch entstehen. Erst dann
werden aus den arabischen Volksaufständen
Arabische Revolutionen geworden sein.
Das Vorgehen der VN in Libyen war gekennzeichnet durch Gewaltanwendung und Morden. Es wurde eine Partei dabei unterstützt,
die andere mit Waffengewalt zu unterwerfen.
Stattdessen muss ein Waffenstillstand mit
Blauhelmen durchgesetzt werden und beide
Konfliktparteien an den Verhandlungstisch
gezerrt werden. Daraufhin müssen demokratische Strukturen wie in Ägypten und Tunesien
eingeleitet werden. Dies alles darf auch nicht
von Wirtschaftsinteressen korrumpiert werden
und im Idealfall sollten die Blauhelmsoldaten
aus benachbarten arabischen Staaten entsendet
werden. Dieses friedliche Modell könnte in Syrien oder anderen Staaten zu deutlich weniger
Toten und einem Friedensprozess führen, der
von der örtlichen Bevölkerung getragen wird.
nicht einfach aus die Führungsfiguren abzusetzen.
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Vielmehr ist es notwendig weite Teile der Staats-
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strukturen zu reformieren. Dies impliziert oft zum
* Initiativen zur ZKB
Beispiel eine Überarbeitung der meisten Gesetze im
NATO-Einsatz in Lybien völkerrechtswidrig?:
Land, eine neue Verfassung, veränderte Ausrichtun-
http://www.friedensdienst.de/uploads/media/
gen im Wirtschaftssystem und der Wirtschaftspolitik
Stellungnahme_NATO_Einsatz_in_Liby-
und natürlich muss in den staatlichen Institutionen
en_11_04_05.pdf
auch ein weitgehender personeller Wechsel erfolgen.
Dies kann gegebenenfalls Jahre andauern und ist ein
Wie der arabische Frühling mit alten Klischees
äußerst komplexes und anstrengendes Unterfangen.
aufräumt:
http://www.freitag.de/politik/1136-das-
Wie wird es in Tunesien nun jedoch
schlimmste-und-das-wunderbarste
Als erster fundamentaler Schritt muss eine neue
* Mehr zu den Ländern
Volksversammlung gewählt werden. Diese Versamm-
Die Zeit online: Die Macht der Sozialen Medien:
lung wird daraufhin eine neue Verfassung ausarbei-
http://www.zeit.de/digital/2011-04/leserarti-
ten und in Folge dessen die erste Regierung bilden.
kel-social-media-revolutionen
weitergehen?
Genau diese Wahlen fanden am 26.10.2011 statt. Von
der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusam-
Ausblidungs- und Jobsituation in Ägypten:
menarbeit in Europa), welche die Wahl mit hunderten
http://www.migazin.de/2011/07/27/umbruch-
Mitarbeitern beobachtete, wurde die Wahl als sehr
in-der-arabischen-welt/
fair und frei eingestuft. Dies ist ein erster großer
Erfolg in der tunesischen Geschichte, denn die letzten vergleichbaren Wahlen liegen mehr als 50 Jahre
* Mehr zum Konflikt
zurück. In den Medien wurde die Wahl mit über 90%
Der Westen sichert sich das lybische Öl:
Wahlbeteiligung auch als Ausnahmeerfolg gefeiert.
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35355/1.
Allerdings muss hier angemerkt werden, dass nur 4
html
der 10 Millionen Tunesier als Wähler registriert waren, also ein Großteil der Bevölkerung eigentlich gar
Die Rolle der islamistischen Gruppierungen bei
nicht teilnahm.
den arabischen Volksaufständen:
Auch das Ergebnis wird vom Westen und Teilen der
http://hsfk.de/Newsdetail.25.0.html?&tx_
tunesischen Bevölkerung mit Argwohn betrachtet.
ttnews[tt_news]=910&tx_ttnews[backPid]=5&c
Denn eine islamistische Partei namens Al Naahda
Hash=a25a4ead97
gewann 41% der Stimmen und ist damit stärkste
Kraft. Kritiker befürchten damit schon einen Wechsel
Interaktive Karte mit Konflikten auf dem afri-
vom „Arabischen Frühling“ hin zum „islamistischen
kanischen Kontinent:
Winter“. Allerdings sollte man sich hüten hier in ein-
http://hsfk.de/Newsdetail.25.0.html?&tx_
fachen Populismus zu verfallen. Bei der Wahl dieser
ttnews[tt_news]=910&tx_ttnews[backPid]=5&c
Partei ging es sehr wahrscheinlich nicht primär um
Hash=a25a4ead97
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religiöse Motive, sondern vielmehr um die Ablehnung einer bisherigen Führungsschicht, also einer
diskreditierten Elite. Die Tunesier haben die „Opfer“
Dokumentation über die Arabische Welt und
dieses Regimes gewählt, in diesem Falle die über
den Arabischen Frühling:
Jahrzehnte verbotene Al Naahda- Partei. Ausserdem
http://www.youtube.com/watch?v=eomRR_
wirbt die Partei mit dem Aufbau eines säkulären
gUpyM&feature=related
Staates nach dem türkischen Vorbild. Allerdings
hat sich die Gesamtsituation in Tunesien noch nicht
Revolution in Libyen/Artikelsammlung:
maßgeblich verbessert und es bleibt abzuwarten
http://www.sueddeutsche.de/thema/Krieg_
mit welchem Konzept die zukünftige Regierung die
in_Libyen
vielfältigen politischen und ökonomischen Problem
lösen wird. Da Tunesien wie bereits erwähnt ein
* Mehr zur Historie des Kon-
Schlüsselland der arabischen Revolten darstellt, wird
flikts
die zukünftige Revolution wohl auch einen Wegwei-
Chronik der medialen Aufarbeitung der Ara-
ser für Entwicklungen in anderen arabischen Län-
bische Revolutionen:
dern darstellen.
http://blog.zeit.de/schueler/2011/03/22/
arabische-revolutionen/
Die Hintergründe der ägyptischen
Revolution
Die Tyrannen stürzen - aber wie?:
Die Hintergründe für die ägyptischen Volksaufstän-
http://www.sueddeutsche.de/politik/syrien-
de sind wie schon erwähnt sehr ähnlich mit denen in
dikator-assad-die-tyrannen-stuerzen-aber-
Tunesien. Gibt es jedoch auch Unterschiede?
wie-1.1108034
Es gibt einige Unterschiede die wir Euch selbstverständlich nicht vorenthalten wollen. Erstens ist das
Chronik der Aufstände bei der englischspra-
Ausmaß des allgemeinen Machtmissbrauchs insge-
chigen Wikipedia:
samt höher gewesen, was die zukünftige Gestaltung
http://en.wikipedia.org/wiki/Arab_Spring
Ägyptens noch schwieriger erscheinen lässt. Beispielsweise leben momentan 40% der Bevölkerung
unter der Armutsgrenze von 1,50€ am Tag. Ebenfalls
ist die Auslandsverschuldung Ägyptens höher und
das Wirtschaftssystem in der Gesamtheit noch rückständiger.
Paradoxerweise Ist Ägypten aber auch seit jeher
ein politisches Schwergewicht im Nahen Osten.
Noch vor 50 Jahren etwa war es auf dem besten Weg
sich unter dem damaligen Präsidenten Nasser als
wirtschaftliche und politische Führungsmacht für
die gesamte Region zu entwickeln. Darauf sind die
FlickrCC/Crethi Plethi
Ägypter natürlich auch heute noch sehr stolz. Aller-
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dings muss es gerade in diesem Zusammenhang
Zahl jener Ägypter rasant steigt, welche dazu bereit
besonders schmerzen, dass das Ägypten von heute
wären das Streben nach mehr Demokratie gegen
¼ der Staatsquote für Brot- und Speiseölsubventio-
einen festen Arbeitsplatz zurück zu tauschen.
nen aufwenden muss, um seine Bevölkerung nicht
Zweitens könnte auch das Militär in dem weite-
verhungern zu lassen.
ren Revolutionsprozess ein ernsthaftes Problem
darstellen. Denn über Jahrzehnte wurde im au-
Geschichten vom Tahrir-Platz
tokratisch regierten Ägypten ein sehr mächtiger
Kurz nach dem aufflammen der Revolten in Tune-
Militärapparat aufgebaut welcher intensiv von
sien kam es auch in Ägypten zu Massenprotesten.
der Korruption und Vetternwirtschaft profitierte.
Der Tahrir-Platz in Kairo wurde dabei schnell die
Auch nach dem Untergang Mubaraks wird dieser
Bühne für tägliche Proteste.
Militärapparat versuchen seine Machtposition
Anders als in den anderen revolutionären Staa-
und Strukturen zu erhalten. Seitdem das Militär
ten kündigte der Sicherheitsapparat sehr schnell
bis Ende November in Form einer Übergangs-
ihrem Despoten die Gefolgschaft auf. Das ägypti-
regierung die Regierungsgeschäfte in Ägypten
sche Militär übernahm so zunächst die Funktion
leitete, gab es auch bereits erste Anzeichen dafür.
eines relativ objektiven Vermittlers. Ohne den
So wurden die ägyptischen Medien vom Militär
schützenden Sicherheitsapparat kam es dann auch
zensiert, wiederholt verurteilten Militärgerichte
relativ schnell zu dem gewaltlosen Sturz des zur
Kritiker und es kam auch zu vermeidbarer Instabi-
Lebenszeit ernannten Präsidenten Mubarak am
lität und Gewalt. Letzteres wurde möglicherweise
11.02.2011. Da sich das Militär nur in Extremsi-
zugelassen um der Bevölkerung zu verdeutlichen
tuationen gewaltsam einschaltete starben in dem
wie wichtig ein weiterhin stabiler Sicherheitsappa-
gesamten Prozess „nur“ 365 Bürger.
rat für das tägliche Leben der Bürger ist und auch
zukünftig sein wird.
Wie wird sich die Revolution in Ägyp-
Drittens könnte auch das zunehmende Erstarken
ten nun weiterentwickeln?
einer islamischen Partei namens „Muslimbru-
Dies ist eine extrem schwierige Frage. Denn ähn-
derschaft“ ein Problem im zukünftigen Ägypten
lich wie auch in Tunesien stehen die Ägypter ei-
darstellen. Diese Partei hat eine fast 100 Jahre
gentlich noch am Anfang des Revolutionsprozesses.
lange Tradition in Ägypten, besitzt Millionen
Drei Faktoren erschweren dabei wesentlich den
Sympathisanten und arbeitete schon seit meh-
Weg hin zu einer demokratischen und freiheitli-
reren Jahren, trotz bisherigem Verbot unter der
chen Zukunft.
Herrschaft Mubaraks, an einer Demokratisierung
Erstens wären da die negativen vorübergehenden
Ägyptens bei gleichzeitigem Einbezug islamischer
Folgen der Revolution selbst. Durch die momentane
Traditionen. Ideologisch strebt die Organisation
Instabilität in Ägypten werden natürlich weniger
nach Selbsteinschätzung eine Entwicklung nach
Auslandsinvestitionen getätigt, die so wichtige
türkischem Vorbild an. Bei den anstehenden Wah-
Tourismusbranche ist kaum noch existent, viele
len werden dieser Gruppierung beste Wahlchancen
Beamten erhalten ihre Gehälter nicht mehr und
zugeschrieben. Westliche Regierungen trauen der
zudem stiegen die Preise für Grundnahrungsmittel
Muslimbruderschaft jedoch nicht. Sie befürchten
seit Februar um circa 80%. So kommt es, dass die
eine mögliche Radikalisierung der ägyptischen
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Gesellschaft und auch eine staatliche Diskriminie-
dienstapparat aufzubauen. In dieser Angelegen-
rung der christlichen Minderheit, welche 10% der
heit waren sie sehr erfolgreich und neben einer
Bevölkerung ausmacht. Ob diese Ängste begründet
vergleichsweise großen Armee wurde in Syrien
sind oder nicht wird sich in naher Zukunft zeigen.
ein Geheimdienstapparat aufgebaut, welcher zu
Der im November zu wählenden Volksversamm-
den mächtigsten im Nahen Osten gehört. Da alle
lung werden in jedem Falle noch große Herausfor-
Führungspositionen wiederum mit Allawiten
derungen bevorstehen. Herausforderungen welche
besetzt wurden, sind diese Institutionen weiterhin
in vollem Umfang auch erst ab dem 17.03.2012!
sehr loyal gegenüber dem Regime und schrecken
in Angriff genommen werden können. Denn laut
auch nicht davor zurück Gewalt gegen die eigene
Militärrat wird erst an diesem Tag das zukünftige
Bevölkerung anzuwenden. Dies wurde etwa auch
Parlament seine Arbeit aufnehmen. Die Präsident-
schon 1982 demonstriert, als der Vater des jetzi-
schaftswahlen sollen sogar noch 6 Monate später
gen Präsidenten die mit Regimegegnern besetzte
stattfinden.
Stadt Hama bombardieren lies, wodurch 25.000
Menschen ums Leben kamen.
Der syrische Schrei nach Freiheit
In den letzten Monaten kam es in diesem Apparat
Die Ursachen für die Massenproteste in Syrien
jedoch interessanterweise zu ersten Abspaltun-
sind weitestgehend die gleichen wie auch in Tune-
gen und zur Fahnenflucht von Mitgliedern. Für
sien und Ägypten. Also spielten auch hier eine hor-
den Volksaufstand ist das natürlich sehr wichtig.
rende Arbeitslosenquote, eine fehlende Entwick-
Denn ohne diesen funktionierenden Apparat hätte
lungsperspektive, steigende Lebensmittelpreise,
Präsident Assad der Revolution zukünftig wenig
eine Großteils junge Bevölkerung, Korruption und
entgegenzusetzen.
Vetternwirtschaft eine wichtige Rolle. Aufgrund
Es gibt jedoch auch noch einen zweiten wichtigen
von Platzgründen können wir diese Probleme
Grund für die langsamen Fortschritte in Syrien.
allerdings nicht genauer für den syrischen Fall
Denn es besteht bisher keine einheitliche syrische
analysieren.
Opposition. Vielmehr gibt es eine große Anzahl
Was macht die Revolution in Syrien jedoch so
von verschiedenen Gruppen und der Umstand,
anders und warum gibt es keine fundamentalen
dass Syrien ein Land mit vielen Minderheiten ist,
Fortschritte trotz 7- monatiger Proteste und bisher
macht es nicht einfacher. So gibt es beispielsweise
mindestens 3000 Todesopfern?
Oppositionsgruppen welche sich aus der kurdi-
Ein erste Antwort ist durch die militärischen und
schen, christlichen oder armenischen Minderheit
geheimdienstlichen Strukturen Syriens zu finden.
zusammensetzen. Aber auch nach anderen Ei-
Nach dem Ende der französischen Kolonialherr-
genheiten haben sich Gruppen organisiert. Bei-
schaft kam nach jahrelangen Führungskämpfen
spielsweise gibt es syrische Jugendorganisationen,
der „Assad-Clan“ an die Macht. Diese Familie
Armeegruppen welche sich je nach Einheit orga-
gehört der religiösen Minderheit der Allawiten
nisiert haben, oder auch wie in Ägypten die Mus-
an und um Syrien, ein Land welches circa halb so
limbrüder, welche von den sunnitischen Syrern
groß ist wie die Bundesrepublik, erfolgreich zu
unterstützt werden.
kontrollieren konzentrierte sich der Clan jeher
Da zwar alle an einem Sturz des Regimes interes-
darauf einen mächtigen Militär- und Geheim-
siert sind, aber natürlich auch verschiedene Vor-
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stellungen über die Zukunft Syriens haben, ist es
sehr schwierig sie zu einer einheitlichen Gruppe zu
vereinen.
Dieses Problem ist dem jetzigen Regime natürlich
bekannt. So kommt es das der amtierende Präsident Baschir Al Assad dem Volk weitgehende
Reformen zur Beseitigung der bestehenden Strukturprobleme verspricht, jedoch gleichzeitig inständig vor dem Sturz seines Regimes warnt. Denn die
vielleicht wichtigste Errungenschaft des Regimes
war es in der Vergangenheit für relative Sicherheit
und Ordnung im Staat zu sorgen. Ohne diese ordnende Macht prophezeit er einen möglicherweise
extrem blutigeren Bürgerkrieg. Dieses Argument
stößt in der syrischen Bevölkerung nicht nur auf
Ablehnung, denn gerade Minderheiten fürchten
sich vor der Gefahr zukünftig möglicherweise unterdrückt zu werden.
Insgesamt bleibt also abzuwarten ob es schaffbar
ist eine einheitliche Opposition aufzubauen oder
aber ob sich mit der Zeit die Mehrheit der Syrer
doch wieder ihrer jetzigen Führung anschließt. Im
zweiten Falle müsste dann versucht werden einen
grundlgendenen Wechsel im bestehenden System
durchzusetzen. Die nachhaltige Durchsetzbarkeit
7
on in Syrien, bezogen auf die zukünftige Stabilität
des Landes, können kaum eingeschätzt werden.
Wenn also Baschir Al Assad die NATO und andere
Bündnisse vor einem zweiten Afghanistan warnt,
so handelt es sich hierbei nicht einfach um eine
leere Drohung.
Zweitens verfügt die syrische Führung über ein
bedeutendes Netzwerk zu anderen Staaten und
Organisationen und es ist anzunehmen, dass Syrien
im Interventionsfall über ebendieses Druck ausüben wird. So pflegt Syrien seit Jahrzehnten engste
Beziehungen zum Iran, hat bedeutenden Einfluss
auf die politische Stabilität des Libanons und steht
der libanesischen Hizbollah sowie der palästinensischen Hamas nahe. Im Konfliktfall könnten beispielsweise diese Organisationen einen bewaffneten Konflikt mit Israel provozieren, was die Region
langfristig nur noch weiter destabilisieren würde.
Aufgrund dieser Faktoren erscheint es momentan
nicht erstrebenswert von Aussen in den syrischen
Konflikt einzugreifen.
Tatsächlich ist aber auch generell die Frage eines
militärischen Eingreifens der Weltgemeinschaft
nicht einfach zu beantworten. Selbst mit Erlaubnis
der VN hat der Truppeneinsatz in der ethischen
wird jedoch von vielen Syrern angezweifelt.
und identitären Bedeutung weitreichende Auswir-
Warum interveniert der Westen trotz
tionale Politik. Zudem erhöhen sich Legitimität
Da Syrien bekanntlich mit Waffengewalt gegen
Revolutionsbewegungen deutlich, wenn sie ohne
3000 Toten nicht?
seine Bevölkerung vorgeht und das durch internationales Recht verboten ist, stellt sich die Frage warum der Westen nicht militärisch in den Konflikt
eingreift. Die Frage stellt sich umso dringlicher
nachdem genau dies in Lybien passierte.
Eine erste Antwort kann in der bereits beschriebenen Zersplitterung der Opposition gefunden
werden. Die Folgen einer militärischen Interventi-
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kungen für die Teilnehmerländer auf die Internaund Identifikationswert der jeweiligen nationalen
Hilfe von außen zum Erfolg führen. Andererseits
ist es vor allem für das Selbstbild und die Glaubwürdigkeit des Westens sehr schwierig, die blutige
Niederschlagung bürgerlicher Protestbewegungen
in der Arabischen Welt tatenlos hinzunehmen.
Das Eingreifen der Vereinten Nationen in Libyen
Im Falle Libyens haben die Vereinten Nationen
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(VN) ein Mandat zum militärischen Schutz der
Demokratiebewegung beschlossen, welches durch
Luftangriffe einiger NATO- und EU-Staaten auf
Armeeverbände und Einrichtungen des GaddafiRegimes umgesetzt wurde. Dabei kam es wiederholt zur Tötung von Zivilisten, da zum einen die
Luftschläge der NATO im mehreren Fällen Wohnhäuser trafen. Zum anderen operierten die Truppen des Diktators bewusst in der Nähe der zivilen
Bevölkerung. Die gezielte Tötung des Despoten AlGaddafis selbst, die von einigen Staaten gefordert
wurde, wurde nicht vom VN-Mandat für Libyen
legitimiert.
Trotzdem kam es in der Zwischenzeit zum erfolgreichen Sturz des Regimes. Da die lybische Bevölkerung im Vergleich zu vielen anderen arabischen
Staaten kulturell und ethnisch etwas homogener
ist, wird allgemein von einer relativ schnellen und
unproblematischen Reformierung des libyschen
Staates ausgegangen. Aufgrund dieser Annahme
beendete die NATO auch bereits am 31.10.2011
ihre Aktivitäten in Libyen.
8
gehinderten Zugang zu den Waffenarsenalen der
Armee erhielten, wurde die Situation zudem noch
verschärft.
Man muss sich also fragen ob man eine Intervention zum Schutz der Demokratiebewegung wirklich einfach mit dem offiziellen Zusammenbruch
eines Regimes beenden kann. Anderseits bleibt zu
hoffen, dass der lybische Übergangsrat möglichst
schnell einen funktionierenden libyschen Staat
etablieren kann, welcher neben einer prosperierenden demokratischen Zukunft auch zeitnah für
sozialen Frieden sorgen kann.
Weitere Konflikte
Es gibt noch viele weitere arabische Länder, in
denen Proteste aufflammten oder noch brodeln
(Bahrain, Jemen, Jordanien, Oman, etc.). In manchen Ländern gehen die Herrschenden auf die Bevölkerung zu und suchen den offenen Dialog, der
oftmals bisher durch eine einseitige Presse und
Unterdrückung von Oppositionellen verhindert
wurde. Kritik am herrschenden System hat eigentlich eine Rolle, die zur Verbesserung der Lebenssi-
Herrscht in Libyen jedoch wirklich
Frieden?
Diese Frage kann trotz dem Ende des Gaddafi-Regimes nicht einfach beantwortet werden. Denn der
Konflikt kostete bisher mindestens 35.000 Menschen das Leben und viele Libyer sehnen sich nach
Gerechtigkeit für die jeweils erlebten Kriegsgräuel.
Da die Justiz in Libyen momentan nur sehr einge-
tuationen führen kann. Missstände können aufgedeckt und behoben werden. Wenn die Kritik, wie
es in einigen arabischen Ländern passiert ist, in
der Öffentlichkeit keinen Platz findet oder sogar
unter Strafe steht, entlädt sie sich in Wut. Diese
Wut forderte teilweise viele Menschenleben, wenn
Regierende wie Gaddafi (Libyen) sich mit allen
Mitteln an der Macht halten wollen.
schränkt funktioniert kommt es deshalb täglich
zu Racheakten zwischen Gaddafianhängern und
Gegnern. Auch entstand ein gefährlicher Rassismus gegenüber Farbigen Lybiern, da sie von den
Gaddafigegnern automatisch als Angehörige von
Gaddafis Söldnertruppen verkannt werden.
Durch den Umstand, dass nach dem Zusammenbruch des Regimes große Bevölkerungsteile unWikimedia/Syriana2011
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