Australien will Seltenerdmetalle fördern
Transcrição
Australien will Seltenerdmetalle fördern
Neuö Zürcör Zäitung 32 FOKUS DER WIRTSCHAFT Freitag, 17. Dezember 2010 U Nr. 294 Australien will Seltenerdmetalle fördern Nachfrageboom trifft auf Nachschubkrise Barbara Bierach, Sydney Nicholas Curtis und Stephen Ward sind die Vorstandsvorsitzenden zweier kleinerer, unbekannter australischer Bergbauunternehmen, doch plötzlich haben sie Termine mit der grossen Politik. Curtis, Executive Chairman der Lynas Corporation, soll in Washington auftreten und über seltene Erden reden; Ward, Managing Director von Arafura Resources, wird zum selben Thema bei der EU erwartet. Der Grund ist, dass ihre Unternehmen Elemente aus der Erde fördern, ohne die in den HightechIndustrien kaum etwas funktioniert oder existieren würde: kein MP3-Player, kein Smartphone, keine Windturbine und kein Elektroauto. Und auch kaum ein modernes Waffensystem. Daher das Interesse der Politiker. Eine neue Opec Die 17 Seltenerdmetalle mit Namen wie Lanthan oder Neodym kommen bis jetzt fast ausschliesslich aus China, das gegenwärtig mehr als 95% des Weltmarkts bedient. Deng Xiaoping habe schon 1992 erklärt, dass China die neue Opec für Seltenerdmetalle wird; das sei jetzt Realität, sagt Jack Lifton, ein Experte für strategisch relevante Rohstoffe aus Detroit. Er ist überzeugt, dass China daran arbeite, seinen HightechIndustrien mit Hilfe der eigenen Vorkommen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, den der Rest der Welt kaum schlagen könne. Die Experten von Arafura Ressources arbeiten daran. Sie entdeckten mit der Nolans-Mine ein Vorhaben von mindestens 30 Mio. t Seltenerdmetallen. Die hauseigenen Geologen vermuten, dass es sich dabei um das derzeit grösste bekannte Vorkommen ausserhalb Chinas handelt. Im Frühjahr 2011 soll die Machbarkeitsstudie abgeschlossen sein, 2013 die Produktion beginnen. Kann die Mine tatsächlich wie geplant 20 000 t jährlich ausstossen, könnte sie dann rund 10% des Bedarfs vom Weltmarkt decken. Der liegt derzeit bei 125 000 t im Jahr. Laut der Forschungsgesellschaft BCC ist bis 2014 aber ein Nachfrageanstieg von 40% zu erwarten und bis 2020 sogar von 240%. Explodierende Preise Es herrsche eine klassische Nachschubkrise, sagt Professor Brent McInnes von der Curtin University in Westaustralien. Der Nachschub werde schon im kommenden Jahr nicht mehr ausreichen, um die globale Nachfrage zu bedienen. McInnes meint, dass die chinesische Hightech-Industrie schon 2016 mehr Seltenerdmetalle verbrauchen wird, als gefördert werden. Deswegen kürze China schon seit Jahren die Exportquoten. Die Verknappung spiegelt sich in den Preisen, die sich binnen Jahresfrist vervielfachten (vgl. Tabelle). Den ersten Handelsstreit hat es schon gegeben, als Peking wegen einer Auseinandersetzung über Territorialfragen die Lieferung an Japan einstellte. Das alarmierte nicht nur die Einkäufer, sondern auch die Politiker in der ganzen Welt. Die amerikanische Aussenministerin Hillary Clinton sagte bei ihrem China-Besuch im Oktober, es sei nicht weise, im Hinblick auf Elemente, die für die modernsten zivilen und militärischen Technologien entscheidend seien, von einer einzigen Quelle abzuhängen. Seltenerdmetalle Geschätzte Nachfrage von 2009 bis 2022 In tausend Tonnen pro Jahr Der Nachschub an seltenen Erden kommt fast ausschliesslich aus China. Die australischen Unternehmen Lynas Corporation, Arafura Resources und Alcane Resources wollen das ändern. 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 2009 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Nachfrage: Global China Rest der Welt Globales Angebot QUELLE: BCC NZZ-INFOGRAFIK / cke. Seither befürchten die Australier, dass die Einmischung von Regierungen in aller Welt dazu führt, dass zu viele Projekte zum Angebotsausbau bei Erdmetallen angestossen werden, was die Produktpreise wieder drücken und die eigenen Investitionen am Ende unrentabel machen könnte. Japan beispielsweise hat gerade ein Gesetz verabschiedet, das bis zu 100 Mrd. Yen an Krediten für die Förderung von seltenen Erden bereitstellt. Chinesische Anteilseigner Arafura mit einer Marktkapitalisierung von knapp 330 Mio. austr. $ (324,5 Mio. Fr.) hat noch nicht einmal mit dem Fördern begonnen, da haben die Chinesen bereits einen Fuss in der Tür. 22,2% der Arafura-Anteile gehörten dem staats- eigenen East China Mining Exploration & Development Bureau (ECE). Arafura brauchte die Kapitalspritze aus dem Reich der Mitte zur Erschliessung der Mine. Nun rudert das Unternehmen zurück: ECE soll nicht an der kommenden Kapitalerhöhung teilnehmen, was den Anteil auf rund 17% drücken wird. Die Mühle, die künftig Erdmetalle aus dem Erz waschen soll, wird auch nicht wie geplant in der Volksrepublik entstehen, sondern in Südaustralien. Mick Muir, einer der Arafura-Verwaltungsräte, erwartet, dass die Anlage mit einer Mischung aus Eigenkapital und Schulden finanziert werden wird. Einige Hersteller aus Europa hätten bereits signalisiert, dass sie sich an der Finanzierung beteiligen wollen. Wenig Ausweichmöglichkeiten Das Interesse der Ausländer ist verständlich, denn Quellen ausserhalb Chinas bleiben auf absehbare Zeit rar. In Kanada will Great Western Minerals 2011 die Produktion aufnehmen. In den Nordwest-Territorien hat Avalon Ventures ein bedeutendes Depot entdeckt, doch bis das erschlossen ist, kann es Jahre dauern. Dasselbe gilt für Vorhaben in Vietnam und Indien. In den USA deckte bis 2002 die Mine Mountain Pass der Chevron-Tochter Molycorp in der kalifornischen MojaveWüste den Bedarf der Industrie. Danach machte das Unternehmen die Mine dicht, weil die Chinesen mit billigerem Material die Märkte über- schwemmten. Gegenwärtig investiert Molycorp 500 Mio. $, um bis zum Jahr 2012 wieder betriebsfähig zu sein und 40 Mio. Pfund Rare Earth Oxid (REO) pro Jahr herzustellen. Verkauf auf Vorrat Der erste nicht-chinesische Produzent, der lieferfähig sein will, ist die australische Lynas Corporation. Im dritten Quartal 2011 soll die Produktion in der Mine Mount Weld im Westen Australiens anlaufen, das metallhaltige Erz wird in Kuantan in Malaysia zu REO weiter verarbeitet. Ziel ist zunächst eine Produktion von 11 000 t im Jahr, auf die Dauer ist das doppelte Fördervolumen geplant. Für die ersten Jahre ist die Produktion bereits an verschiedene Abnehmer verkauft, darunter die französische Rhodia, ein ausgekoppelter Unternehmensteil der Rhône-Poulenc. Alkane Resources will in drei Jahren an den Start gehen, allerdings mit einem wesentlich kleineren Projekt. Arafura-Verwaltungsrat Muir geht davon aus, dass es bis ins Jahr 2013 dauern wird, bis rund auch nur 50 000 t der Seltenerdmetalle jährlich aus nichtchinesischen Minen kommen. 10 000 t werde Molycorps Mountain Pass liefern, 20 000 t Lynas mit Mount Weld und weitere 20 000 t Arafura mit Nolans. Einstweilen sei deshalb weiter mit steigenden Preisen zu rechnen. Um diese Entwicklung halbwegs zu zementieren, gab die chinesische Regierung bereits bekannt, Vorräte aufbauen zu wollen. ......................................................................................................................................................................... Preise seltener chinesischer Metalle SCHWIERIG ZU FÖRDERNDE TECHNOLOGIE-METALLE Reinheit 99%, Preis in $ pro kg Juni 05 Juni 06 Juni 07 Juni 08 Juni 09 Juni 10 August 10 Lanthanum 1.45 2.15 2.82 8.83 5.90 8.10 35.00 ......................................................................................................................................................................... Cenum 1.37 1.65 2.63 4.38 3.80 7.00 35.00 ......................................................................................................................................................................... Neodymium 6.05 11.07 31.05 32.88 14.50 37.00 63.00 ......................................................................................................................................................................... Praseodymium 7.55 10.70 30.37 32.61 14.50 37.00 61.50 ......................................................................................................................................................................... Samanum 2.60 2.40 3.12 4.80 4.75 3.40 30.40 ......................................................................................................................................................................... Dysorosium 36.40 70.44 88.30 120.80 112.00 231.00 286.00 ......................................................................................................................................................................... Europium 286.20 240.00 311.00 491.00 495.00 535.00 605.00 ......................................................................................................................................................................... Terbium 300.00 434.00 575.40 740.00 360.00 520.00 620.00 ......................................................................................................................................................................... QUELLE: LYNAS bab. U Am Begriff «seltene Erden» stimmt gar nichts. Erstens handelt es sich um Metalle, und zweitens finden sie sich fast überall in der Erdkruste. Selten sind jedoch wirtschaftlich auszubeutende Vorkommen, bei denen die Konzentration der gefragten Elemente über 1% liegt. Es existieren 15 seltene Erden oder Lanthanoide, die im Periodensystem die Nummern 57 bis 71 tragen. Dazugezählt werden auch Yttrium, das für gewöhnlich in denselben Erzen gefunden wird, und Scandium. Die Gewinnung ist schwierig; seltene Erden kommen meist in Verbindung mit radioaktivem Material vor – die Nolans-Mine von Arafura beispielsweise enthält auch Uran. Die Trennung erfordert komplizierte, energieintensive Prozesse. Arafura plant, zum Auswaschen Chlorwasserstoffsäure einzusetzen, und rechnet dabei mit dem Anfall von 1 Mio. t CO2-Emissionen im Jahr. BP steht vor Tiefseebohrungen in Libyen Kritik am Erdölkonzern auch durch den Neid der Konkurrenz bedingt Die britische Firma BP will demnächst in tiefen libyschen Gewässern Erdöl fördern. Anders als die USA erlaubt Tripolis Tiefseebohrungen. Westliche Bürger, aber auch amerikanische Firmen kritisieren BP für die Projekte. Kristina Bergmann, Kairo Der britische Erdölkonzern BP will bald mit der Förderung von Erdöl in tiefen libyschen Gewässern beginnen. Verantwortliche Libyer sagen, der Plan bestehe seit langem und er werde mit der nationalen Erdölgesellschaft (NOC) durchgeführt. Sprecher von BP erklärten, das Unternehmen habe viel aus der Erdöl- und Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko gelernt. Die Förderung vor Libyen habe sich wegen der Explosion der Förderplattform Deepwater Horizon verzögert. Nun sei jedoch der Zeitpunkt gekommen, von Probebohrungen zur Förderung überzugehen. Unfaire Anschuldigungen Umweltspezialisten, insbesondere solche am Mittelmeer, zeigten sich vom Vorgehen der Firma BP wenig überzeugt. So erklärte die italienische Umweltministerin, die Bohrungen von BP im Mittelmeer gäben Anlass zu Besorgnis. Sprecher von BP sagten daraufhin, sie bohrten zunächst nur onshore in der Sahara bei der libyschen Oase Ghadames. Es handle sich um traditionelle Bohrungen, wie sie in Libyen und vielen anderen Ländern seit Jahren durchgeführt würden. Laut Medienberichten steht die Erteilung einer Lizenz an BP auch in Zusammenhang mit dem verurteilten Attentäter Abdelbaset Megrahi. Der frühere libysche Sicherheitsbeamte hatte laut dem Urteil 1988 einen Anschlag auf ein amerikanisches Flugzeug über der schottischen Ortschaft Lockerbie verübt und kam in ein schottisches Gefängnis. Im vergangenen Jahr wurde er wegen Prostatakrebs im Endstadium, der 2008 entdeckt worden war, zurück nach Libyen geschickt. Aber Megrahi starb nicht, und britische Zeitungen schrieben, BP habe Megrahis Ausreise in die Wege geleitet, um so die Bohrlizenz zu bekommen. Das kann jedoch wegen der Zeitspanne zwischen den Daten nicht stimmen. BP hatte die Lizenz 2007 – nach dem Besuch des damaligen britischen Premierministers Blair beim libyschen De-facto-Herrscher Ghadhafi – erhalten. Damals unterzeichnete das Unternehmen mit Tripolis und der NOC einen Vertrag, laut dem auf 54 000 km2 bei Ghadames und in der Bucht von Sirte Öl gesucht werden darf. Bei Erfolg könne aus 20 Bohrlöchern on- und offshore gefördert werden. Tripolis möchte, dass alle wichtigen Erdölfirmen in Libyen vertreten sind. Zu ihnen gehören neben den grossen amerikanischen Konzernen auch BP. Nach der Verstaatlichung von Libyens Erdölsektors in den 1970er Jahren hatte die Firma das Land verlassen. Ab 2004, nach der Aufhebung des Embargos der Uno und der USA, kehrten zahlreiche internationale Erdölkonzerne nach Libyen zurück. Das gefiel Tripolis, da Libyen durch die Erdölvorkommen wohlhabend werden würde. Die Energiepolitik des Landes befriedigt aber auch Machtgier und Stolz der Herrscher und Bürger Libyens. Das Land besitzt die grössten Erdölreserven Afrikas und fördert momentan 1,7 Mio. Fass pro Tag (bpd). 2020 will Libyen 3 Mio. bpd produzieren, wofür es Investitionen von 30 Mrd. $ braucht. Die angestrebte Fördermenge entspricht jedoch lediglich einer Rückkehr zum Förderniveau von 1970. Danach war die Produktion wegen der Verstaatlichungen und der internationalen Sanktionen jahrelang stark gefallen. Inzwischen gehört Libyen wieder zu den wichtigsten Erdölproduzenten der Welt. Das libysche Rohöl ist begehrt, weil es leicht zu verarbeiten ist. Sein Transport nach Europa ist einfach, und sogar für die USA ist der Import günstig, da Libyen gut ausgebaute Häfen und grosse OffshoreErdölvorkommen besitzt. Damit spricht für die internationalen Firmen vieles für einen Ausbau der Förderung in Libyen. Seit wenigen Jahren werden Rohöl und Erdgas weltweit auch auf unkonventionelle Weise gefördert. Das hat das Potenzial förderbarer Vorkommen und Reserven gesteigert. Heute spricht man deshalb weniger als auch schon vom nahen Ende der Energiewirtschaft auf der Basis von Rohöl und Erdgas, obwohl der Energiehunger weltweit ungebremst ist. BP schätzt, dass der Energieverbrauch bis 2025 weltweit um 57% steigen wird. Die Tiefseebohrlöcher vor Libyen werden sich rund 1700 m unter dem Meeresspiegel befinden. Die erste Erdölquelle von BP in Libyens Gewässern soll knapp 200 m tiefer liegen als das Loch des Macondo-Ölfeldes im Golf von Mexiko. Das schockierte die Welt. Bei ihrer Empörung vergass sie nicht nur ihren Energiekonsum, sondern auch, dass es bereits zahlreiche Tiefseebohrungen gibt, zum Beispiel im Nachbarland Ägypten oder vor Angola. Riskantes Geschäft Da viele Energiefirmen – zum Beispiel RWE, Shell oder Petrobras – mit dem Trend mithalten wollen, unkonventionell nach Rohöl und Erdgas zu bohren, scheint es fragwürdig, nur BP einen Vorwurf zu machen. Tatsächlich sind Tiefseebohrungen gefährlich. Dies nicht nur, weil sich lecke Bohrlöcher in der grosser Tiefe schwerer verschliessen lassen, sondern auch, weil austretendes Erdöl die praktisch grenzenlosen Meere verschmutzen und eine andere wichtige Einnahmequelle, den Tourismus, vernichten könnte. Die Entscheidung, in grosser Wassertiefe nach Erdöl zu suchen, beruht vor allem auf dem Druck, schnell viel Erdöl zu fördern. Da Tiefseebohrungen dreimal so viel kosten wie konventionelle OnshoreBohrungen, können nur Grossunternehmen, wie beispielsweise BP, solche durchführen. BP hielt in seinem Vertrag von 2007 fest, dass es in den kommenden 7 Jahren für Explorationen knapp 1 Mrd. $ ausgeben werde. Weitere 50 Mio. $ müsse die Firma für die Ausbildung der Mitarbeiter aufbringen, heisst es im Abkommen. Sollten sich die Explorationen als erfolgreich erweisen, müsse BP abermals 50 Mio. $ für die Schulung der lokalen Mitarbeiter zahlen. Das Geld würde von der NOC verwaltet und eingesetzt werden. Der Druck, viel Erdöl auf moderne Weise zu fördern, hat die Konkurrenz zwischen den Erdölfirmen weiter verstärkt. In Libyen besteht sie insbesondere zwischen BP und amerikanischen Unternehmen. BP war lange mittelgross, doch ab 1995 stieg die Firma auf und wurde nach Exxon die Nummer zwei im Erdölgeschäft. Das lag vor allem an den gewinnbringenden Tiefseebohrungen von BP vor Angola und Mexiko. Die Gewinne des Unternehmens stiegen, der Aktienwert verdoppelte sich, und die Dividenden verdreifachten sich, und BP kaufte die Firmen Amoco und Atlantic Richfield. Dann explodierte Deepwater Horizon. Danach fiel nicht nur der Aktienwert von BP, sondern erstmals wurde ein Amerikaner, Bob Dudley, Chef des Unternehmens. Im November 2007, also ein halbes Jahr später als BP, unterzeichnete Exxon einen Vertrag mit Tripolis und der NOC, im Becken von Sirte in Tiefen von 1600 bis 2600 m nach Erdöl zu suchen. Das Abkommen umfasste auch die Durchführung einer Tiefseebohrung. Exxon ist jedoch bis jetzt nicht fündig geworden und kann deshalb anders als BP schon aus rein technischen Gründen nicht in absehbarer Zeit mit der Förderung beginnen.