Alles tönt aus einem Punkt: Koaxial-Chassis verheißen
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Alles tönt aus einem Punkt: Koaxial-Chassis verheißen
Spezial Koax-Lautsprecher Zentralorgan Alles tönt aus einem Punkt: Koaxial-Chassis verheißen genaueste Abbildung sowie plausibelste Räumlichkeit. Doch warum müssen Doppel-Chassis so unterschiedlich sein? Weil es den Königsweg nicht gibt. Cabasse, Tannoy und Thiel haben mit verschiedenen Philosophien ihre Töner perfektioniert und bauen damit attraktivste Standboxen von 2000 bis 10.000 Euro. 20 11/13 stereoplay.de Stereoplay - November 2013 –Weka Media Publishing GmbH – Leuschnerstr 1 – D-70174 © Sélectionné par / selected by Cabasse France – Tel +33 298 05 88 89 – www.cabasse.com arum bauen eigentlich nicht alle Lautsprecher-Hersteller ihr Chassis nach dem Punktstrahler-Prinzip, das unbestritten Vorteile bei der Abbildung verheißt? Ganz einfach: Je näher Mittel- und Hochtöner einander kommen, desto stärker beeinflussen sich auch deren Schallanteile, und die Vorteile des koaxialen Prinzips verkehren sich nur allzu oft in einen Nachteil. Der einfachste und seit Jahrzehnten beschrittene Weg ist, eine Hochtonkalotte mit kleiner Antriebseinheit in die Polkernbohrung eines klassischen Konus-(Tief-)Mitteltöners zu verpflanzen. Das funktioniert, aber fordert den beiden Chassis einige Klimmzüge im Übergangsbereich ab und sorgt auch für akustisch nachteilige Effekte wie Interferenzen, Resonanzen und die unkontrollierte Bündelung des Hochtonschalls durch den Trichter des Mitteltöners. Drei der renommiertesten PunktstrahlerSpezialisten sind deshalb ausgezogen, ihren Treibern die unangenehmen Nebenwirkungen abzugewöhnen. Die US-Manufaktur Thiel forscht seit Jahrzehnten an der perfekten Koax-Form, bei der der Mitteltöner für den Hochtonschall akustisch „unsichtbar“ ist und sich beide deshalb nicht beeinflussen. Das Ergebnis in Form eines gewellten Ringes sieht ungewöhnlich aus, hat aber außerdem den Vorteil der perfekten Zeitrichtigkeit zwischen den Tönern. Die französischen Spezialisten von Cabasse dagegen verlagern den Hochtöner etwas vor den Mitteltöner. Auf diese Weise kombinieren sie das Punktstrahlerprinzip mit möglichst gutem Rundstrahlverhalten. W Der andere Weg Ganz anders der englische Traditionshersteller Tannoy: Hier sitzt der Koax-Hochtöner hinter dem Konus und ist horngeladen. Der Tiefmitteltontrichter ist akustisch in die Berechnung des Hornes einbezogen, und ein engerer Abstrahlwinkel ist hier sogar gewollt. Welche der drei Standboxen zwischen 2000 und 10.000 Euro wird im Hörraum in ihrer Preisklasse reüssieren? Ein Stück Hochtechnologie kauft man mit allen dreien. Malte Ruhnke ■ Stereoplay - November 2013 –Weka Media Publishing GmbH – Leuschnerstr 1 – D-70174 © Sélectionné par / selected by Cabasse France – Tel +33 298 05 88 89 – www.cabasse.com 11/13 stereoplay.de 21 Spezial Koax-Lautsprecher Cabasse Java LE ie französische Firma Cabasse darf mit Fug und Recht zu den traditionsreichsten Lautsprecher-Herstellern gezählt werden, wurde sie doch bereits im Jahr 1950 gegründet. Auf den Punktstrahler kam man indes erst später, doch auch dieses Prinzip beherrschen mittlerweile fast alle Lautsprecherserien bis hin zur 120.000 Euro teuren La Sphere. Die neue Java LE markiert dagegen das andere Ende der Range und stellt die preiswerteste Punktstrahler-Standbox der Franzosen dar. Das Mittelhochton-Chassis teilt sie sich mit der kleinen Schwester Minorca: Der intern „BC10“ genannte Strahler besteht aus einer mit Lack beschichteten Gewebekalotte, die mit ihrer Schallführung der Mitteltönerkonstruktion leicht vorgesetzt worden ist. Diese Anordnung minimiert die Beeinflussung der Schallanteile untereinander und verhindert den durch einen Mitteltönerkonus bedingten „Trichterklang“ des Hochtonschalls. Beugungsund Interferenzeffekte werden weiterhin durch die schlauchförmige Wölbung des Mitteltöners verhindert. So kann die Ringtöner-Membran aus einem extrem zugfesten, doch biegsamen Spezial-Schaumstoff gefertigt werden. Die Membran ist D naht- und sickenlos außen befestigt und stemmt sich dennoch Partialschwingungen und Membranresonanzen sehr widerstandsfähig entgegen. Diese Konstruktion ermöglicht eine hohe Übergangsfrequenz von 3500 Hz ohne Nachteile im Abstrahlverhalten und garantiert damit gleichzeitig ungestörte Schallausbreitung und sehr geringe Klirrwerte. Auf der anderen Seite muss der Koaxialtöner auch großzügig von schwerer Mitteltonarbeit, bei der viel Luft zu bewegen ist, entlastet werden, denn dafür genügt seine Membranfläche schlicht nicht. Unter 900 Hz müssen also bereits die beiden Tiefmitteltöner übernehmen. Diese Konen im 17-Zentimeter-Format sind ebenfalls aus einem sehr leichten Spezial-Schaumstoff gefertigt und kommn daher mit schnellen Mitteltonbewegungen gut zurecht. Beide sind parallel geschaltet, was im Mittelton eine gewisse Bündelung bewirkt und vom künftigen Besitzer eine feinfühlige Ausrichtung der Box in der Höhe und Einwinkelung fordert. Die leichten Materialien und die relativ große Membranfläche ermöglichen der Java einen größenbezogen ungewöhnlich guten Wirkungsgrad bei moderater Impedanz. Das macht sie auch für Röhrenbesitzer interessant. Das Gehäuse ist in der LEVersion, die gegenüber der alten Bi-Wiring-Experimente halten die Franzosen für unnötige Spielerei und setzen auf ein stabiles Single-Wiring-Terminal. Das Reflexrohr spielt im Bodenboden auf eine Bodenplatte mit definierten Abstandhaltern, um immer dieselbe Ankopplung an den Raum zu ermöglichen. Stabile Metall-Spikes sorgen für einen sicheren Stand des edlen Hochglanzgehäuses. 22 11/13 stereoplay.de Stereoplay - November 2013 –Weka Media Publishing GmbH – Leuschnerstr 1 – D-70174 © Sélectionné par / selected by Cabasse France – Tel +33 298 05 88 89 – www.cabasse.com Der Gusskorb des Tieftö- Cabasse Java LE ners ist mit geschwungenen 2.000 Euro (Herstellerangabe) Streben gebaut und deshalb Vertrieb: ATR, Mülheim Telefon: 0208 / 88 26 60 www.cabasse.com www.audiotra.de Auslandsvertretungen: siehe Internet besonders steif. Die Membran aus einem sehr leichten Spezial-Schaum- Maße: B: 25 x H: 110 x T: 35 cm Gewicht: 24,5 kg stoff wird von einer kleinen, aber extrem leistungsfä- Aufstellungstipp: ab 0,5 m Wandabstand, Hörabstand ab 2,5 m, normal/ wenig bedämpfte Räume ab 25 m² higen Schwingspule ohne Hinterlüftung angetrieben. Messwerte Frequenzgang & Impedanzverlauf Cabasse ATC ELJava 150 PMC 40 LE 100 dB 100 dB axial axial Frequenzgang Frequenzgang 10*hoch 10*hoch 30*seitl. 30*seitl. 90 dB 90 dB 80 dB 80 dB 70 dB 70 dB 16 Ohm 16 Ohm 8 Ohm 60 dB 60 dB Das Herzstück der Java ist der 10-Zentimeter-Koax. Die weiße Mitteltonmembran ist ein Ringstrahler, der außen fest verklebt wird und innen von der 40-Millimeter-Schwingspule angetrieben 50 dB 50 dB 10 Hz 10 Hz 4 Ohm Impedanzverlauf Impedanzverlauf 1 kHz 1 kHz 100 Hz 100 Hz 2 Ohm 8 Ohm 4 Ohm 2 Ohm 1 Ohm 1 Ohm 10 kHz 40 kHz 10 kHz 40 kHz Leichte Brillanzsenke und Hochtonbündelung, sonst ausgewogen mit recht gleichmäßiger Impedanz Pegel- & Klirrverlauf 85-100 dB SPL Cabasse Java MC 40 LE Pegel- & Klirrverlauf 110 dB 85 dB wird. Der Gewebehochtöner mit seiner 90 dB 95 dB 100 dB 100 dB 90 dB Plastik-Schallführung findet vor der 80 dB Mitteltonschwingspule Platz, um die 70 dB 60 dB gegenseitige Beeinflussung der beiden Feier-Werk Die unauffällige weiße Standbox erwies sich im stereoplayHörraum als Favoritenkiller: So dynamisch und spielfreudig hatte bei Deep Purples „Lazy“ (von der DVD-A „Machine Head“ ) noch keine Box aufgespielt. Als stünde die Band direkt vor dem Hörer im Proberaum, drehte die Hammond-Orgel von leise nach brutal, hämmerten Schlagzeug und Bass in atemberaubend treibendem Tempo den Groove voran. Selbst die charakterlich Stereoplay - November 2013 –Weka Media Publishing GmbH – Leuschnerstr 1 – D-70174 © Sélectionné par / selected by Cabasse France – Tel +33 298 05 88 89 – www.cabasse.com 200 Hz 500 Hz 1 kHz 2 kHz 5 kHz Spannung 9,6 V Impedanz-Δ 3,3-19 Ω Strombedarf 2,9 A Benötigt nur geringe Leistungen und mittlere Pegelstabilität Untere Grenzfreq. -3/-6 dB 57/47 Hz Maximalpegel 104,5 dB 14 10 6 2 11 10 12 10 13 Abbildung Bewertung Bassqualität großzügige Art, bei Mahlers 1. Sinfonie (gespielt vom Royal Concertgebouw Orchestra) nicht immer alle Details auf dem Silbertablett zu zeigen und den Klangkörper eher rund und warm darzustellen, sollte nicht als Makel verstanden werden. Klassikhörer werden sich schon eher daran gewöhnen müssen, dass die Java immer energetisch-dynamisch spielt und selbst in Piano-Passagen ein Temperamentbündel ist. Doch ihre direkte Art und die angesichts der Gehäusegröße unglaublichen Pegelreserven machten sie ohnehin eher zum Top-Tipp für Rock und energiereichen Jazz und Funk. Mit einer quirligen, nicht bis in die letzte Tiefe reichenden, aber extrem dynamischen und energetischen Vorstellung bei Mark Egans „Truth Be Told“ spielte sie sich in die Herzen der Hörer und in die absolute Spitzenklasse! Malte Ruhnke ■ 100 Hz Grenzdynamik ähnliche Tannoy Precision, die mit einer noch verblüffenderen Raumdarstellung zu punkten wusste, konnte der dynamischen Unbändigkeit und Direktheit der Cabasse nichts entgegensetzen. Im Gegensatz zur unten herum etwas schlank abgestimmten Schwester Minorca begeisterte sie auch mit einem nicht ultratiefen, aber kraftvollen und durchsetzungsstarken Bassfundament, das sie zum echten Groove-Champion werden ließ. Doch diese Spielfreude ging keineswegs zu Lasten anderer audiophiler Tugenden: Auch komplexe Swing-Arrangements wie auf dem Album „Ray Sings, Basie Swings“ gab sie ohne einen Anflug von Angestrengtheit wieder und folgte den dynamischen Bläsereinwürfen wie eine Eins. Klassische Orchester gab sie eher homogen warm als analytisch aufgelöst wieder, doch diese zuweilen etwas 50 Hz Feinauflösung vor allem bei der Weichenabstimmung optimiert wurde, nur in Hochglanzlack erhältlich. Die Schallwand wurde hier verstärkt, die großen Seitenwände sind gekrümmt, um Resonanzen von beiden fernzuhalten. Das Bassreflexrohr arbeitet im Downfire-Betrieb auf einen kontrollierten Luftspalt zwischen dem Gehäuse und dem Bodensockel. 50 dB 20 Hz Im Mittelhochton blitzsauber, im Oberbass völlig unkritischer Klirr stereoplay Kompatibilitätsdiagramm Natürlichkeit Chassis zu minimieren. Klang 0 10 56 20 30 40 50 60 Messwerte 70 7 ■■■■■■■■■■ Praxis 5 ■■■■■■■■■■ Wertigkeit 6 ■■■■■■■■■■ Spielfreudige und unglaublich dynamisch-livehaftige Box mit energetischer Spielweise, kann aber auch ausgewogen, warm und homogen spielen. Hervorragende Ortbarkeit, einzig bei Detailauflösung und Raumtiefe kommt sie an Grenzen. stereoplay Testurteil Klang absolute Spitzenklasse 56 Punkte Gesamturteil gut – sehr gut Preis/Leistung 74 Punkte überragend 11/13 stereoplay.de 23