Internationaler Ländervergleich

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Internationaler Ländervergleich
Best Practice
im schulischen Umgang
mit legasthenen Schülern
Projekt „Vielfalt als Chance –
Mehrwerte aus länderübergreifenden Konzepten schaffen“
Im Auftrag des Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V., Bonn
Zur besseren Lesbarkeit wird auf die Nennung männlicher und weiblicher Ausführungen verzichtet und nur
die männliche Form verwendet.
Erstellt durch:
StrategieInnovation
Barbara Gronauer
Neuer Hagen 23
30974 Wennigsen / Germany
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© Barbara Gronauer, StrategieInnovation, Wennigsen, im Auftrag des Bundesverbandes Legasthenie und
Dyskalkulie e.V., Bonn, 2012
Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, sowie Weitergabe bzw. Verkauf sind nur mit
schriftlicher Genehmigung des Verfassers gestattet.
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Inhaltsverzeichnis
AUSGANGSSITUATION UND ANLASS FÜR DIESEN LÄNDERVERGLEICH ------------------------------------------------------------------ 4
DIE SITUATION VON MENSCHEN MIT EINER „LEGASTHENIE“ ------------------------------------------------------------------------------ 5
ZUR VORGEHENSWEISE BEIM LÄNDERVERGLEICH --------------------------------------------------------------------------------------------- 6
VON DEN BESTEN LERNEN ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7
4.1 KANADA – IM KONTINUIERLICHEN VERBESSERUNGSPROZESS ------------------------------------------------------------------------------------- 7
4.2 NEUSEELAND – DAS BILDUNGSMINISTERIUM INFORMIERT ELTERN ÜBER LEGASTHENIE--------------------------------------------------------- 9
4.3 FINNLAND – INKLUSION ALS EIN AUSDRUCK DER STAATSPHILOSOPHIE ------------------------------------------------------------------------- 11
4.4 SCHWEDEN – RUNDUMVERSORGUNG FÜR ENTFALTUNGSMÖGLICHKEITEN BEI ELTERN UND SCHÜLERN------------------------------------- 13
4.5 ITALIEN – DAS BILDUNGSSYSTEM WIRD „LEGASTHENIE-FREUNDLICH“ ------------------------------------------------------------------------- 15
4.6 ENGLAND – DAS BILDUNGSSYSTEM WIRD NEU AUSGERICHTET ---------------------------------------------------------------------------------- 18
4.7 NIEDERLANDE – SCHULTEST ALS MAßGABE ------------------------------------------------------------------------------------------------------ 20
4.8 DER FÖRDERPROZESS FÜR VON LEGASTHENIE BETROFFENE SCHÜLER IN DEN VERGLEICHSLÄNDERN ----------------------------------------- 23
4.9 ZUSAMMENFASSUNG ZUM INTERNATIONALEN LÄNDERVERGLEICH ----------------------------------------------------------------------------- 24
5. LEGASTHENIE-FREUNDLICHE SCHUL- UND UNTERRICHTSGESTALTUNG IN DEUTSCHLAND ---------------------------------- 26
5.1 BADEN-WÜRTTEMBERG, STADT SALEM ---------------------------------------------------------------------------------------------------------- 26
5.2 BAYERN – UMFASSENDE LEGASTHENIE-FÖRDERUNG -------------------------------------------------------------------------------------------- 26
5.3 NIEDERSACHSEN – LESETESTS FÜR ALLE ---------------------------------------------------------------------------------------------------------- 27
5.4 HESSEN – EIN INKLUSIVES SCHULBEISPIEL -------------------------------------------------------------------------------------------------------- 28
5.5 BREMEN – CITO-TEST UND LRS-TEST ----------------------------------------------------------------------------------------------------------- 28
5.6 NORDRHEINWESTFALEN – STADT DUISBURG ---------------------------------------------------------------------------------------------------- 29
5.7 INKLUSIONSORIENTIERTE ASSESSMENTS IN DEUTSCHLAND NOCH IN FERNER ZUKUNFT ------------------------------------------------------- 30
5.8 INTERNATIONALES LEGASTHENIE-KNOW-HOW FÜR DEUTSCHE SCHULEN ---------------------------------------------------------------------- 31
5.9 ZUSAMMENFASSUNG ZUR SITUATION DER SCHULISCHEN LEGASTHENIE-FÖRDERUNG IN DEUTSCHLAND ------------------------------------ 32
6. FAZIT: ENTWICKLUNGSPOTENZIALE FÜR DEUTSCHLAND ------------------------------------------------------------------------------- 34
ANHANG -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 37
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Ausgangssituation und Anlass für diesen Ländervergleich
In Deutschland ist es noch immer nicht selbstverständlich an einer regulären Schule für einen Schüler mit
Legasthenie eine entsprechende Förderung und ggf. technische Hilfsmittel zu erhalten.
Besonders enttäuschend ist dies für diejenigen Eltern, die von Bekannten und Freunden aus dem Ausland
hören, wie gut ihre Kinder dort gefördert, unterstützt und umsorgt werden. Denn gerade eine effektive
Schulbildung bildet eine verlässliche Ausgangsbasis für eine spätere aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben.
Aus dieser Erfahrung heraus stellte sich für den Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie die Frage, wie
diese positive Situation der Förderung für Schüler mit einer Legasthenie auch in Deutschland erreicht
werden könnte.
Daher verfolgt der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie mit dem im Jahr 2011 gestarteten Projekt
„Vielfalt als Chance“ das Ziel, die Situation für Menschen mit einer Legasthenie in der Schule, Ausbildung,
im Studium und im Beruf deutlich zu verbessern.
Dieser internationale Ländervergleich mit dem Titel „Vielfalt als Chance - Mehrwerte aus länderübergreifenden Konzepten schaffen“ ist eines der Teilprojekte des Gesamtprojekts „Vielfalt als Chance“.
In dem internationalen Ländervergleich sind die schulischen Situationen für Menschen mit Legasthenie in
ausgewählten Ländern mit dem Augenmerk auf Best Practice Beispiele dargelegt.
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Die Situation von Menschen mit einer „Legasthenie“
„Inklusion rechnet sich
Als Deutschland vor drei Jahren die UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen ratifizierte, war
das nur wenigen Zeitungen mehr als eine Randnotiz wert. Ein Thema für Spezialisten, dachten die einen,
eine Selbstverständlichkeit, meinten die anderen. Doch inzwischen ist klar: Diese völkerrechtliche
Verpflichtung zur Inklusion, dem gemeinsamen Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern und
Jugendlichen, wird unser Bildungssystem grundlegend verändern. Denn für unser Schulsystem bedeutet das
nicht weniger als eine Revolution. Bisher werden hierzulande die meisten der rund eine halbe Million
Förderschüler separat unterrichtet. Nirgends sonst auf der Welt gibt es ein so ausdifferenziertes
Sonderschulsystem: Streng gegliedert nach verschiedenen Förderschwerpunkten soll bestmöglich auf die
Handicaps der Kinder eingegangen werden. Beim gemeinsamen Unterricht ist Deutschland hingegen im
internationalen Vergleich Entwicklungsland: Während in anderen Ländern die meisten Kinder mit
Behinderung in Regelschulen lernen, sind es in Deutschland – bei großen Unterschieden zwischen den
Bundesländern – nur rund 20 Prozent.
Natürlich mag für einen kleinen Teil der Förderschüler nur separate Betreuung hinreichende Fürsorge bieten.
Die meisten Sonderschüler haben aber vornehmlich Lernschwierigkeiten oder Probleme in der emotionalen
und sozialen Entwicklung. Oder sie sind Kinder von Zuwanderern, denen eine angebliche Sprachbehinderung
attestiert wurde. Für solche Kinder wird die Förderschule zur Sackgasse: Fast drei von vier Sonderschülern
scheitern heute bereits am Hauptschulabschluss – der vermeintliche Schutzraum entpuppt sich als
Isolationsfalle. Das ist bitter für jeden Einzelnen, hat aber auch dramatische Folgen für Staat und
Gesellschaft: Studien der Bertelsmann Stiftung zeigen, dass Wirtschaftswachstum, Sozialausgaben und
Kriminalität in direktem Zusammenhang mit der Perspektivlosigkeit von Jugendlichen ohne Schulabschluss
stehen.“1
Diese Darstellung trifft auch auf Kinder und Jugendliche mit einer Legasthenie zu. Jedenfalls, soweit sie
nicht das Glück haben, durch ihre Eltern und/oder eine aufmerksame Schule als legasthen entdeckt und
gefördert worden zu sein.
Legasthen zu sein, heißt unter Beeinträchtigungen beim Lesen und Schreiben zu leiden. Ist man davon
betroffen, mag man kaum darüber öffentlich erzählen oder dies einem potenziellen Arbeitgeber mitteilen.
„Legastheniker“ wird im deutschen Sprachgebrauch auch heute noch als Schimpfwort gebraucht. Die
tatsächlichen Hintergründe dieser genetisch bedingten Lernbeeinträchtigung sind nur wenigen bekannt.
Betroffene können durch spezielle Lerntherapien lernen mit der Legasthenie erfolgreich zu leben und zu
arbeiten und auch die Schule mit Erfolg abschließen. Technische Hilfsmittel helfen die Anforderungen und
Aufgaben in Schule, Studium und Beruf zu meistern. Doch dies wissen in Deutschland kaum Lehrer,
Ausbilder oder Arbeitsgeber.
Daraus folgt, dass in Deutschland bisher nur wenige Schulen auf legasthene Schüler eingestellt sind.
Wie verhält sich dazu im Vergleich die schulische Situation der legasthenen Kinder und Jugendlichen im
Ausland? Dieser Frage wollte der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie mit diesem internationalen
Ländervergleich auf den Grund gehen.
1
Zitiert aus: Bertelsmann-Studie „Zusätzliche Ausgaben für ein inklusives Schulsystem in Deutschland“ siehe
http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_35784_35785_2.pdf
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Zur Vorgehensweise beim Ländervergleich
Für den Ländervergleich wurden nationale Legasthenie-Selbsthilfeverbände, Vertreter von Ministerien und
nationalen Bildungsagenturen befragt sowie die Homepages der verschiedenen Institutionen konsultiert.
Auswahl der Best Practice Beispiele aus dem Ausland
Im weiteren Verlauf des internationalen Ländervergleichs zeigte sich, dass Länder mit einem inklusiven
Bildungssystem und einer guten Förderung für Schüler mit einer Legasthenie bzw. mit einer Lernbeeinträchtigung wiederholt Spitzenwerte im PISA-Test erreichen.
Daher ist in diesem Bericht die Best Practice der Länder Kanada, Neuseeland, Finnland und Schweden
dargelegt. Ergänzend dazu wurde die Vorgehensweise in den Niederlanden und Neuerungen in England
und Italien dokumentiert.
Handlungsspielraum statt Standardregelungen für individuelle Förderung
Die Nachfragen zeigten, dass ein Ländervergleich hinsichtlich Legasthenie-Förderung an Schulen nicht so
leicht möglich ist. Detaillierte (englische) Informationen zur Vorgehensweise waren nur in manchen
Ländern verfügbar. Die Auskünfte waren meist allgemein und es waren keine speziellen „Vorschriften“ zum
Umgang mit legasthenen Schülern aufzufinden.
Die allgemeinen Auskünfte wurden damit begründet, dass die Auswahl der Unterstützungs- und Fördermaßnahmen für legasthene Schüler der Fachkompetenz des diagnostizierenden Psychologen oder der
therapeutischen Fachkraft obliegt: Entsprechend der individuellen Situation wählt der Experte Methoden
für verschiedene Screenings aus, nimmt die Auswertung vor und empfiehlt Fördermaßnahmen. Daher sind
keine Standardregelungen für die Gestaltung der Fördermaßnahmen festgelegt. Vielmehr steht ein
allgemein gehaltener Handlungsrahmen mit individuellen Auswahlmöglichkeiten zu Verfügung. In
interdisziplinären Teams besprechen Lehrer, Eltern, Förderlehrer, Sozialarbeiter und Therapeuten eine
prozessorientierte Förderung für eine optimale Entwicklung des betroffenen Schülers.
Die übliche Vorgehensweise an Schulen in den Vergleichsländern zeigt ein Förderdiagramm und ist am
Ende der ausländischen Best Practice Beispiele noch einmal zusammengefasst.
Best Practice Beispiele an deutschen Schulen
Auch in Deutschland sind vereinzelt schulische Best Practice-Verfahren im Einsatz, die legasthene Kinder
zum Teil schon seit vielen Jahren berücksichtigen. Eine Auswahl dieser Beispiele zeigt die Vielfalt der
Legasthenie-Förderung, die aktuell in Deutschland praktiziert wird.
Deutschland verfügt über das nötige Know-How und die monetären Mittel. Eine inklusive Beschulung zu
realisieren. Entwicklungspotenziale für Deutschland bilden das letzte Kapitel dieses Berichtes.
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Von den Besten lernen
In diesem Kapitel sind Best Practice Vorgehensweisen zur Förderung legasthener Schüler in den Ländern
Kanada, Neuseeland, Finnland, Schweden, Italien, England und Niederlande skizziert.
Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Lehreraus- bzw. –weiterbildung, dem Screening, der Förderung
und der Finanzierung.
4.1 Kanada – im kontinuierlichen Verbesserungsprozess
In Kanada wie auch in den anderen nachfolgenden Ländern wird „special education“ als ein kombiniertes
Fürsorge- und Bildungsangebot für Schüler mit einem individuellen Lernbedarf verstanden. Kinder und
Jugendliche, die hierfür in Betracht kommen, können psychische oder physische Beeinträchtigungen haben
und durchschnittlich begabt, weniger intelligent oder hochbegabt sein.
Unabhängig von der individuellen Situation stehen für alle Kinder spezielle Unterstützungsmöglichkeiten
zur Verfügung, damit sie bestmögliche Entwicklungschancen erfahren und ihre Potenziale optimal entfalten
können. Ziel ist es, möglichst alle Kinder und Jugendliche im Regelunterricht zu unterrichten und nur im
Bedarfsfall auf Kleingruppen auszuweichen oder spezielle Förderklassen zu bilden.
In Kanada werden nationale Schultests durchgeführt. Ziel dieser Schultests ist es, den Schülern, Lehrern und
Schulen sowie der Politik und Verwaltung aufzuzeigen, wo im Schul- und Bildungssystem noch Verbesserungsbedarf besteht.
Die Effektivität der eingesetzten Mittel und die Zufriedenheit der Beteiligten spielt eine große Rolle. So
bietet Alberta/Kanada zum Beispiel einen Feedback-Bogen zur Beurteilung der Schule, der von den
Schülern ausgefüllt werden soll.2
Lehreraus- und -weiterbildung
Spezielle Förderungen oder Lernbeeinträchtigungen sind kein expliziter Studieninhalt für
Lehramtsstudierende. Im Nachgang an das Grundstudium kann man sich zum Förderlehrer oder
Schulbegleiter weiterbilden.
In Ontario beispielweise wurde kürzlich in einer transparent gestalteten Lehrer-Befragung das Curriculum
für die Lehrerausbildung zur Diskussion gestellt. Die Ergebnisse des 2-jährigen Befragungsprozesses sind in
der Zusammenfassung „Preparing Teachers for Tomorrow“ nachzulesen, die nun die Basis für die Überarbeitung der Studienangebote bildet. 3
Unabhängig vom grundständigen Lehrerstudium geben die Ministerien ihren Schulen Handlungsempfehlungen für die Gestaltung des Unterrichts und zur Förderung beeinträchtigter Schüler an die Hand.
Diese Handlungsempfehlungen vermitteln über die sachliche Beschreibung der Aufgaben hinaus eine
annehmende Grundhaltung gegenüber dem bedürftigen Kind. Der Lehrer hat den Auftrag, das Kind optimal
zu fördern, zu stärken, aufzubauen und zu motivieren. Konkret drückt sich diese Haltung z.B. in den
gemeinsamen Überzeugungen aus, die das Ministerium Ontario in seiner Handreichung „Learning for All. A
2
Siehe dazu: http://www.education.alberta.ca/media/1260811/appb.pdf oder auch hier:
http://www.education.gov.ab.ca/charactered/print.asp
3
Vgl. http://www.oct.ca/publications/PDF/TQR/tqr_report_e.pdf
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Guide to Effective Assessment and Instruction for All Students, Kindergarten to Grade 12“ zu Beginn
postuliert:
„Our Shared Beliefs







All students can succeed.
Each student has his or her own unique patterns of learning.
Successful instructional practices are founded on evidence-based research, tempered by
experience.
Universal design and differentiated instruction are effective and interconnected means of
meeting the learning or productivity needs of any group of students.
Classroom teachers are the key educators for a student’s literacy and numeracy
development.
Classroom teachers need the support of the larger community to create a learning
environment that supports all students.
Fairness is not sameness.”4
In Ontario nimmt man weiter an, dass Schüler am besten lernen, wenn sich der Lehrer ein gutes Bild ihrer
Stärken, ihrer Interessen, Bedürfnisse und ihrer Lernbereitschaft macht. Die erfolgreiche schulische Arbeit
wird aus deren Sicht durch diese 3 Faktoren besonders kritisch beeinflusst:
„Personalization – Education that puts the learner at the centre, providing assessment and instruction that
are tailored to students’ particular learning and motivational needs.
Precision – A system that links “assessment for learning” to evidence-informed instruction on a daily basis,
in the service of providing instruction that is precise to the level of readiness and the learning needs of the
individual student.
Professional learning – Focused, ongoing learning for every educator “in context”, to link new conceptions
of instructional practice with assessment of student learning.
An education system in which these components are closely interconnected can successfully address the
need to “establish classroom routines and practices that represent personalized, ongoing ‘data-driven,
focused instruction’”.”5
Screening
In Kanada werden in Dreijahres-Abständen Schultests durchgeführt. Diese werden besonders genau
betrachtet, wenn Reformen im System durchgeführt werden, um Verbesserungsansätze abzuleiten.
Die Durchführung von Screenings in den Schulklassen ist den Schulen freigestellt. Im Staat Ontario
beispielweise benötigen etwa 15 % der ca. 2.000.000 Schüler eine Förderung. Es ist den Schulen freigestellt
eine offizielle Diagnose zugrunde zu legen. Man kann davon ausgehen, dass etwa ein Drittel jener Schüler
eine Diagnose aufweisen kann – je nachdem welche Schule sie besuchen.
4
5
Zitiert aus : http://www.edu.gov.on.ca/eng/general/elemsec/speced/LearningforAll2011.pdf, S. 6
Zitiert aus : http://www.edu.gov.on.ca/eng/general/elemsec/speced/LearningforAll2011.pdf, S. 7
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Förderung
Die Förderung in Kanada ist umfassend. Der North Vancouver School District beispielsweise gibt ein
Handbuch heraus „Inclusive Education 44. Learning Services Handbook“, in dem genau die Rollen und
Rahmenbedingungen der am Bildungsprozess beteiligten Personen wie Lehrer, Förderlehrer, Sozialarbeiter,
Psychologen, Therapeuten und Ministeriumsvertreter u.a., die Vorgehensweisen, Zielsetzungen und
Handlungsempfehlungen für die Unterrichtsgestaltung, Kommunikation, Screenings, Förderungen und
technischen Hilfsmittel beschrieben sind.6 Ähnlich verhält es sich in anderen Bundesländern Kanadas.
Finanzierung
Allen Kindern soll - unabhängig von ihren Voraussetzungen - eine gleichwertige Lernchance geboten
werden. Die Finanzierung wird durch das Bildungsministerium und die Kommunen getragen. Die
Investitionen in Bildung allgemein und in der speziellen Förderung nehmen derzeit stetig zu. Das Budget für
die Förderung von Schülern mit einem besonderen Bedarf steigt ebenfalls.
Um einen qualitativ hochwertigen Unterricht zu gewährleisten, wurden zwei Maßnahmen umgesetzt:


die Schulprogramme und Anforderungen an die Lehrer wurden spezifiziert und
das Gehalt der Lehrer wurde erhöht, um das Image des Lehrerberufs zu verbessern.
4.2 Neuseeland – das Bildungsministerium informiert Eltern über Legasthenie
Wie Kanada bewegt sich auch Neuseeland auf einem Spitzenrang in der PISA-Bewertung. Während in
Kanada nicht explizit von Legasthenie gesprochen wird, hält das neuseeländische Bildungsministerium
spezielle Informationen zum Thema Legasthenie (Dyslexia) auf seiner Homepage für Eltern und Schulen
bereit. Es wird deutlich beschrieben, dass sich die Schwierigkeiten von legasthenen Schülern, trotz eines
guten Unterrichts und üblicher Förderungen, nicht einfach verändern lassen. Weiter wird ausgeführt, dass
aufgrund der genetischen Spezifität der legasthenen Denkweise ein individualisierter Unterricht und eine
spezielle Therapie erforderlich sind.7
Das neuseeländische Bildungsministerium fordert Eltern durch motivierende Handreichungen auf, das
Gespräch mit den Lehrern zu suchen und gibt den Eltern für die Vorbereitung des Austausches
Gestaltungsleitfäden an die Hand.8
Lehreraus- und -weiterbildung
Die Lehrerausbildung in Neuseeland sieht bisher keine Informationen über Lernbeeinträchtigung oder
Legasthenie vor. Aus diesem Grund sind sich Schulen öfter unsicher, wie sie für legasthene Kinder die
Förderung am besten gestalten sollten.
Screening
In Neuseeland ist man sich bewusst, das legasthene Schüler nicht unbedingt einfach zu erkennen sind. Ihre
oftmals hohe Intelligenz schafft einen Ausgleich und hinzu kommen die natürlicherweise verschiedenen
6
Vgl.
http://www.nvsd44.bc.ca/en/Programs/~/media/PDF_uploads/Programs/StudentServices/2011_12/Inclusive%20Edu
cation%20Dec%202011.ashx
7
http://www.minedu.govt.nz/Parents/AllAges/UsefulInformation/Dyslexia.aspx
8
http://www.minedu.govt.nz/Parents/AllAges/ParentInformationKit/BookletsforParents.aspx
Seite 9
Entwicklungsgeschwindigkeiten der Heranwachsenden. Sind Auffälligkeiten zu verzeichnen, so sind Eltern
aufgerufen die Lehrer anzusprechen und umgekehrt.
Als üblicher Prozess finden in den ersten sechs Wochen des Schulbesuchs Screenings und Analyseverfahren
zur Identifikation von Lese- und Schreibschwierigkeiten statt. Die Ergebnisse werden in Schüler-Berichten
protokolliert. Wird nach Ablauf des ersten Schuljahres deutlich, dass das Schulkind nicht den gewünschten
Fortschritt erzielt, werden Experten zu Rate gezogen, um die Bedarfslage des Kindes zu erfassen. Dabei
werden Dritte herangezogen wie zum Beispiel spezialisierte Förderlehrer, Psychologen, Sozialarbeiter und
spezielle Therapeuten. Im interdisziplinären Austausch analysieren die Experten gemeinsam mit den Eltern
die erforderliche Förderstrategie, für die gezielt finanzielle Unterstützung zur Verfügung steht. Dieses
Ergebnis wird in einem individuellen Lernprogramm aufgezeichnet und anschließend umgesetzt.
Der aktuelle Entwicklungstand der Schüler wird jährlich überprüft
Entwicklungsprogramm an die sich veränderten Fähigkeiten erneut angepasst.
und
das
individuelle
Förderung und Nachteilsausgleich
Die Schüler werden durch spezielle Therapien darin unterstützt, zunächst ihre Stärken und Schwächen zu
verstehen. Im Einklang mit den eigenen Fähigkeiten verbessern sie dann kontinuierlich ihre Lese- und
Schreibkompetenz (und ggf. auch Rechenkompetenz). In der Therapie werden sie besonders in Phonetik, im
Hörverstehen und in der Aufnahme der Wortbedeutung trainiert.
Übungen und Aufgaben, in denen sie besonders erfolgreich ihre Stärken einsetzen können, werden in der
Therapie ebenfalls forciert. Ziel ist es, auf diese Weise das Selbstwertgefühl der Betroffenen zu stärken.
Denn eine ausgeprägte Selbstwirksamkeit hilft die Hürden der angeborenen Lernbeeinträchtigung zu
überwinden. In diesen Prozess sind sowohl die Lehrer als auch die Eltern und ggf. Förderlehrer und/oder
Therapeuten involviert, um gemeinsam ein optimales Lernumfeld zu erzeugen.
Die Schulen haben den Auftrag regelmäßig die Wirksamkeit der durchgeführten Förderprogramme zu
evaluieren. Diese Berichte sind den Eltern zugänglich zu machen.
Zum Nachteilsausgleich werden Zeitverlängerungen und technische Hilfsmittel an Schulen und Universitäten gegeben. Notenerlasse werden u. U. in den Klassen 10-13 gegeben, wenn sich gezeigt hat, dass die im
Vorfeld gewährten Nachteilsausgleiche nicht hinreichend waren.9 10
Finanzierung
Die Förderung von legasthenen Schülern erfolgt für 1.500 Schüler landesweit über den „Supplementary
Learning Support“ durch das Bildungsministerium.11 Diese Förderlehrer stehen pro Schüler für einen halben
Tag pro Woche zur Verfügung. Darüber hinaus stellt das Ministerium Informationen über Institutionen für
die Antragstellung einer finanziellen Förderung zur Verfügung. Liegt eine Diagnose vor, ist das Ministerium
9
Vgl.
http://www.minedu.govt.nz/NZEducation/EducationPolicies/SpecialEducation/ServicesAndSupport/AssistiveTechnolo
gy/AssistiveTechnologyFactsheets/ATSpecialAssessmentConditions.aspx
10
Vgl. http://www.nzqa.govt.nz/about-us/our-role/legislation/nzqa-rules/secondary-schools-supportinginformation/special-assessment-conditions-guidelines/
11
Vgl.
http://www.minedu.govt.nz/NZEducation/EducationPolicies/SpecialEducation/PublicationsAndResources/ResourcesF
orEducators/AQuickGuideToExtraSupport/LearningDifficulties/SupportWithOngoingLearningNeeds.aspx
Seite 10
verpflichtet, dem jeweiligen Kind oder Jugendlichen (5-15 Jahre) die gesetzlich zugesagte Förderung
zukommen zu lassen.12 13
4.3 Finnland – Inklusion als ein Ausdruck der Staatsphilosophie
In der finnischen Verfassung sind die fundamentalen Rechte auf Bildung festgeschrieben. Grundsätzlich hat
jeder Schüler an jedem Tag ein Recht auf bestmögliche Unterstützung und Förderung. Jeder Schüler, der
eine Förderung benötigt, muss eine Teilzeit-Förderung erhalten. Vertrauenslehrer, Schulberater und die
Zusammenarbeit von Lehrern, Eltern, Fürsorgepersonen und Experten sind dabei genauso üblich wie ein
individueller Lernplan und Förderunterricht.14
Der Staat verfolgt das Ziel, das gesunde Aufwachsen und die Entwicklung jedes Lernenden optimal auf sein
Alter und seine Bedarfe abzustimmen. Dies wurde kürzlich nochmals in der überarbeiteten Vorgabe des
Bildungsministeriums „AMENDMENTS AND ADDITIONS TO THE NATIONAL CORE CURRICULUM FOR BASIC
EDUCATION“ fixiert.15 Die Lernumgebungen sollen sicher und sozial positiv gestaltet sein. Anbieter von
sozialen und psychologischen Unterstützungsmaßnahmen sowie von Programmen zur Gesundheitsförderung sollen die Teilnehmer schätzen und fördern.
In einem mehrphasigen Prozess haben die Finnen den Ausschluss von Schülern mit besonderen
Lernerfordernissen in ausgegliederte Einrichtungen wieder umgekehrt und setzen seither auf einen
inklusiven Unterricht. Sie setzten auf eine Früherkennung, um Hindernisse in den Lernfortschritten und der
Kompetenzentwicklung zu vermeiden und einen optimalen Anschluss an den Regelunterricht – ggf. ergänzt
durch spezialisierte Förderung in Kleingruppen zu erreichen.
Laut aktueller statistischer Angaben werden etwa 23 Prozent der Schüler in Finnland temporär mit etwa
einer zusätzlichen Stunde pro Woche gefördert. 8,5 Prozent der Schüler erhalten einen „special needs
support“, eine auf ihre jeweilige Lernbeeinträchtigung abgestimmte spezielle Förderung bzw. Therapie.
Die Vorgaben des Ministeriums zur Realisierung dieser bestmöglichen Ausbildung und Förderung ist durch
die Nationale Bildungsagentur festgelegt worden. Diese Vorgaben müssen von jeder Schule und jedem
Bildungsanbieter
erfüllt
werden.16
Sowohl
Vorschulen,
Schulen
als
auch
berufliche
Ausbildungseinrichtungen sind gleichermaßen verpflichtet, auf besondere Lernbedarfe einzugehen und
entsprechende Unterstützung zu realisieren.17
12
Vgl.
http://www.minedu.govt.nz/Parents/YourChild/SupportForYourChild/ExtraSupport/ServicesAndFundingForSchoolStu
dentsWithModerateSpecialEducationNeeds.aspx
13
Vgl.
http://www.minedu.govt.nz/Parents/YourChild/SupportForYourChild/ExtraSupport/ServicesAndFundingForStudents
WithHighNeeds.aspx
14
Vgl. EDUCATION AND RESEARCH 2007–2012 DEVELOPMENT PLAN, Ministry of Education Finland
15
Basic Education Act, 628/1998, Amendments up to 1136/2010
http://www.finlex.fi/en/laki/kaannokset/1998/en19980628.pdf
16
Vgl. http://www.oph.fi/download/132551_amendments_and_additions_to_national_core_curriculum_basic_education.pdf
17
Vgl. http://www.oph.fi/english/sources_of_information/core_curricula_and_qualification_requirements/basic_education
Seite 11
Die Vorschule – frühzeitige Phase der Evaluation erforderlicher Unterstützung
Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Früherkennung in der Vorschule gelegt. Die Vorschule hat
den Auftrag, die Lernkompetenzen, die Individualität, das positive Selbstverständnis und das
Gruppenverhalten der Kinder zu stärken.18
Die in der Vorschule gelehrten Fächer umfassen Sprache und Interaktion, Mathematik, Ethik, Philosophie,
Umweltbewusstsein und Naturwissenschaften, Gesundheit, körperliche und motorische Entwicklung sowie
Kunst und Kultur.
Der Beobachtung der kindlichen Entwicklung ist mit besonderer Aufmerksamkeit nachzukommen, um zu
prüfen, ob sie für den Schulalltag bereit sind. Eben gerade in der Vorschulphase kann dies bereits effektiv
überprüft und frühzeitig durch ein multi-professionelles Team die passende Unterstützung realisiert
werden. Auf diese Weise können Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf so schnell wie möglich
aufholen, damit sie an dem üblichen Unterricht möglichst problemlos teilnehmen können. In Finnland
besuchen mehr als 99% aller Kinder die Vorschule.
Lehrerausbildung
In Finnland können sich Lehrer im Nachgang an das grundständige Studium als Förderlehrer oder
Schulbegleiter weiterbilden. Dieser ist dann für die besondere Förderung von Kindern mit Lernbeeinträchtigungen zuständig. Diese Form von Förderung geht über das, was ein regulärer Lehrer im Unterricht an
zusätzlicher spezieller Förderung im regulären Unterricht umsetzen kann, wesentlich hinaus.
Screening
Es werden in Finnland regelmäßig allgemeine Schultests (Lesen, Schreiben, Rechnen) durchgeführt. An den
Ergebnissen wird abgelesen, ob die Kompetenzentwicklungen der Schüler und die Veränderungen am
Schulsystem erfolgreich sind.
Es steht den Schulen frei, Screenings nach Wahl durchzuführen (Beobachten, Prüfen oder Gespräche mit
Psychologen, Sozialarbeitern, Familienberatern, etc.).19 Diese Einstufungen sollen so früh wie möglich
passieren, um den Schülern so früh wie möglich eine Förderung zukommen zu lassen. Der Förderbedarf ist
spätestens im Übergang zur zweiten Klasse sowie im Übergang zur 7. Klasse erneut zu überprüfen und ggf.
anzupassen. Dabei müssen sowohl die Schüler selbst sowie die Angehörigen ebenfalls gehört werden.
Der Lehrer hat nicht nur die Pflicht, das Wohlbefinden der Schüler im Blick zu haben und bei ersten
Anzeichen ein multi-professionelles Team heranzuziehen (wie z. B. Sozialarbeiter, Beratungslehrer,
Psychologen), sondern ist auch diejenige Person, welche die erste Initiative hinsichtlich einer Förderung
ergreifen soll.
In Finnland ist es nicht erforderlich als Legastheniker eine Diagnose nachzuweisen. Vielmehr ist der
Schulprozess so angelegt, dass es in Finnland durch den Bildungsauftrag automatisch zu einer Diagnose
kommt und diese durchgeführt wird, falls sich eine solche als erforderlich herausstellen sollte.
18
Informationen zu den Anforderungen für Vorschulen können hier angefordert werden: [email protected]
Vgl. The implications of using skills tests as basis for a national evaluation system in Finland. Outcomes from a pilot
evaluation in 2002–2003 in Finland
19
Seite 12
Förderung
Für die Förderung ist im finnischen „Education Act“20 vorgeschrieben, dass bei Bedarf



allgemeine Förderungen (Unterstützung durch Förderunterricht, temporäre EinzelFörderstunden, soziale Fürsorge) im normalen Unterricht erfolgen sollen,
intensivierte Unterstützungen außerhalb des Unterrichts erfolgen,
spezielle Förderklassen und Förderstunden zusätzlich eingerichtet werden.
Falls bei einem Schüler ein spezieller Förderbedarf erkannt wurde, ist in einem Bericht seine
Lebenssituation, die ausgewählten Fördermaßnahmen sowie die in den Unterstützungsprozess des Schülers
involvierten Personen/Funktionen festzuhalten. Eine Einordnung eines Schülers in den Förderunterricht
muss durch eine professionelle Instanz als erforderlich definiert werden und ist nur mit Einverständnis der
zuständigen Bezugspersonen zulässig. In den individuellen Lernplan muss zugleich die Rückführung in den
Regelunterricht perspektivisch eingeplant sein.
Hierbei wird unterschieden, ob ein Schüler:


temporären Unterstützungsbedarf hat und Förderunterricht erhält oder
eine Lernbeeinträchtigung vorliegt und daher eine spezielle Teilzeit-Förderung in
Verbindung mit dem regulären Unterricht erforderlich ist.
Finanzierung
Alle inklusiven Maßnahmen wie die Diagnose, Förderungen und Therapien werden durch das
Bildungsministerium bzw. die Gemeinden (42/58) getragen, die an die Schulen Budgets vergeben. Anhand
der Registrierung und des Monitorings der erfolgten Maßnahmen wird das erforderliche Budget erfasst und
künftig im Staatshaushalt eingeplant.
Derzeit beträgt der Anteil aller geförderten Schüler in Finnland 23 Prozent von der Schüler-Gesamtanzahl.
Wiederum 8,5 Prozent der geförderten Schüler haben einen besonderen Förderbedarf.
Evaluationen der Kosten-Nutzen-Relationen werden von Finnland von drei Institutionen durchgeführt:



National Audit Office of Finland (http://www.vtv.fi/en/)
Education Evaluation Council (http://www.edev.fi/portal/english5/
Regional State administrative agencies (http://www.avi.fi/fi/Sivut/inenglish.aspx).
Finnland konzipiert sein Schulsystem auf der Basis der Menschenrechte. Dies entspricht dem finnischen
Selbstverständnis. Daher wird nicht zuerst nach dem „Return on Invest“ der Unterstützungsmaßnahmen
gefragt, sondern vordergründig bedürftigen Kindern und Jugendlichen geholfen.
Die Effektivität der Maßnahmen wird anhand der Ergebnisse der allgemeinen Schultests überprüft, welche
den Schulen für jeden Schüler eine entsprechende Rückmeldung geben.
4.4 Schweden – Rundumversorgung für Entfaltungsmöglichkeiten bei Eltern und Schülern
In Schweden steht ebenfalls die Fürsorge, Ausbildung und Förderung von Kindern und Jugendlichen bei der
Ausgestaltung des Schulsystems im Vordergrund. Dabei geht es vornehmlich darum, allen Schulanfängern
20
Basic Education Act, 628/1998, Amendments up to 1136/2010
http://www.finlex.fi/en/laki/kaannokset/1998/en19980628.pdf
Seite 13
einen optimalen Start ins Schulleben zu ermöglichen und den Eltern parallel die Chance einzuräumen, zu
studieren oder beruflich tätig zu sein.
Das schwedische Schulsystem bezieht die Vorschule mit ein. Um die effektive Vorbereitung der Kinder in
der Vorschule weiter zu verbessern, hat die schwedische Regierung im Jahr 1998 auch für die Vorschule
einen eigenen Lehrplan entwickelt. Damit soll die Bedeutung des möglichst früh beginnenden lebenslangen
Lernens unterstrichen werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Kombination der Fürsorge und Bildung
für die Kinder, weil man in Schweden davon ausgeht, dass ein fürsorgliches Umfeld die besten
Voraussetzungen für erfolgreiche Entwicklung und Lernen stellt. Im kindgerechten Lernen und um die
Entwicklung optimal zu fördern, ist Spiel und Spaß und die aktive Mitarbeit besonders gewünscht. Im Jahr
2010 wurde der Lehrplan für die Vorschule erweitert und konkretisiert. Seitdem stehen die Entwicklung der
sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten sowie Kenntnisse in Naturwissenschaften und Technologie
ebenfalls mit auf dem Programm. Parallel dazu wurden auch die Anforderungen an die Lehrer und
schulischen Führungspersonen überarbeitet und neue Verantwortlichkeiten definiert. 21
Während der Phase der Vorschule und Grundschule bis zum Alter von etwa 13 Jahren haben schwedische
Schüler die Möglichkeit so genannte „out of school centres“ zu nutzen. Sie spielen für die Schüler und ihre
Eltern eine wichtige Rolle, da sie zum einen Sicherheit und Fürsorge bieten und zum anderen durch
besondere Lernangebote mit forschenden, experimentellen oder einfach praktischen Anteilen helfen, die
schulischen Ziele besser zu erreichen.
Wie für die Vorschulen und Grundschulen ist auch für die „out-of school centres“ ein Lehrplan in dem
Bildungsauftrag („Education Act“22 und seinen Erweiterungen23) durch die schwedische Regierung
festgeschrieben. Die drei Bildungseinrichtungen Vorschule, Grundschule und „out-of school centres“ haben
den Auftrag, durch Kooperation und Abstimmung einen optimalen Entwicklungsrahmen für die Kinder und
Jugendlichen zu realisieren. Jede Gemeinde muss dieses Angebot für Schüler sicherstellen.
Die jüngsten Reformen für alle Schulsysteme sehen vor, dass die grundlegenden Werte für die Erziehung
und Bildung nochmals deutlicher formuliert werden. Im Sinne der UN Konvention soll das Wohlergehen des
Kindes die Basis aller Bildungsangebote bilden. Der Reformvorschlag verlangt außerdem, dass an der Schule
neben dem üblichen Schularzt bzw. der Schulkrankenschwester auch Zugang zu einem Schulpsychologen
und zu Mitarbeitern des Sozialamtes gegeben sein soll. 24
Lehrerausbildung/Lehrerweiterbildung
In Schweden wurde und wird in den letzten Jahren das Lehrergehalt beständig angehoben, um die
Attraktivität des Lehrerberufs und das Engagement der Lehrer zu stärken. Ziel ist es, die am besten
geeigneten Menschen für den Lehrberuf zu begeistern.
Parallel wird derzeit die Lehrerausbildung an den veränderten Anforderungen des reformierten
Schulsystems neu ausgerichtet. Als Ergebnis entstehen mehr Spezialisierungsangebote für Regel-Lehrer und
die Weiterbildung zum Förderlehrer „Postgraduate Diploma in Special Needs Education“.
21
Vgl. http://www.sweden.gov.se/sb/d/14051/a/172124
Vgl. http://www.sweden.gov.se/content/1/c6/02/15/38/1532b277.pdf von 1985, inkl. Ergänzungen von 2000;
23
Vgl. http://www.sweden.gov.se/sb/d/574/a/157862
24
Vgl. http://www.sweden.gov.se/sb/d/12996/a/142348
22
Seite 14
Screening
In Schweden werden regelmäßige Schultests durchgeführt. Die Ergebnisse der Schultests werden als
Hilfestellung zur Gestaltung des künftigen Unterrichts angesehen.
Unabhängig von den allgemeinen Schultests haben die schwedischen Schulen den Auftrag, die optimale
Unterstützung für ihre Schüler zur Verfügung zu stellen. Bei Auffälligkeiten werden daher der Schularzt, der
Schulpsychologe, Sozialarbeiter, die Eltern, die Schüler selbst und/oder spezielle Therapeuten zu Rate
gezogen, um Screenings durchzuführen und einen eventuellen Förderbedarf zu analysieren. 25 26 27
Förderung und Nachteilsausgleich
Die schwedischen Schüler mit Legasthenie erhalten Therapieangebote zur Förderung der Schreib- und
Lesefähigkeiten. In der Grundschule stehen Förderlehrer und/oder pädagogische Hilfskräfte zur Verfügung,
um Aufgabenstellungen zu erklären oder bei Prüfungen die Aufgabenstellung vorzulesen.
Soweit es sinnvoll erscheint, erhalten Schüler zum Nachteilsausgleich einen Laptop und unterstützende
Software zur Verbesserung der Lese- und Schreibkompetenz sowie Anleitungen für deren Nutzung. Darüber
hinaus können auch Zeitverlängerungen und Notenerlasse gewährt werden.
Finanzierung
Da die Förderung des Wohlergehens des Kindes den Bildungsauftrag umfasst, hat jede Schule den Auftrag,
den Förderbedarf mit Beginn der Vorschule, der Grundschule und auch der weiterführenden Schulen zu
prüfen und zur Verfügung zu stellen.
Über die übliche Finanzierung des Bildungswesens hinaus hatte die schwedische Regierung für die Jahre
2008 bis 2011 einen zusätzlichen Etat für die Förderung von Lesen, Schreiben und Arithmetik zugesagt.
Besonders in den ersten Schuljahren soll den Schülern ein guter Schuleinstieg mit einem gesicherten
Erwerb von Grundkenntnissen möglich sein. Das Geld konnte für zusätzliche Lehrer, Maßnahmen zur
Kompetenzerweiterung und für Unterrichtshilfen eingesetzt werden.
Dieser Etat bleibt 2012 bestehen und zielt auch darauf ab, die PISA-Ergebnisse der schwedischen Schüler im
internationalen Vergleich wieder zu verbessern.
4.5 Italien – das Bildungssystem wird „Legasthenie-freundlich“
In Italien wurde im Jahr 2010 ein neues Gesetz (Gesetz 170/2010)28 verabschiedet, um durch
entsprechende Maßnahmen Schüler und Studierende mit spezifischen Lern-Störungen wie Legasthenie,
Dysorthographie, Schreibschwäche und Dyskalkulie in der Schule und an der Universität zu unterstützen. 29
Durch die Identifizierung von Lernbeeinträchtigungen, neue Formen der Bildung, ein angemessenes
Verfahren zur Bewertung der Schülerleistungen und eine spezifische Lehrerausbildung soll dieses Gesetz
25
Vgl.
http://www.butiken.spsm.se/produkt/katalog_filer/Assessment%20for%20Learning%20and%20Pupils%20with%20Sp
ecial%20Educational%20Needs.pdf
26
Vgl.
http://www.butiken.spsm.se/produkt/katalog_filer/Outline%20Indicators%20for%20Inclusive%20Assessment.pdf
27
Vgl. Pressemeldung zur Aktualisierung des Bildungsauftrags in 2009, siehe
http://www.sweden.gov.se/sb/d/11317/a/129198
28
Vgl.Instruktionen 12 luglio 2011 DSA
29
Vgl.Prot. MIURAOODGOS 3573
Seite 15
umgesetzt werden. Dabei stehen die Erstellung einer neuen Richtlinie für den schulischen und universitären
Erfolg und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Eltern mit dem Beginn des Kindergartens auf der
Agenda. 30 31 Eine nationale Arbeitsgruppe ist mit der Überwachung der Umsetzung der Bestimmungen des
Gesetzes 170/2010 und der Verordnung beauftragt.
Lehreraus- oder -weiterbildung
Das Bildungsministerium führt seit 2010 Trainings für Schulleiter und Lehrer durch und fördert die
Ausbildung eines "Ansprechpartners für Legasthenie“ in jeder Schule. Bis heute wurden bereits in zwölf
italienischen Regionen Schulungsmaßnahmen durchgeführt, die übrigen sechs folgen noch in 2012. 32
Ab dem kommenden Studienjahr, im Anschluss an die Nationale Konferenz der Dekane der Fakultäten für
Erziehungswissenschaft, wird das Ministerium an 32 Universitäten Weiterbildungen in Form von einzelnen
Kursen oder Masterkursen in "Lehren und Psychologie für Spezifische Lernprobleme" fördern, an denen
Schulleiter und Lehrer aller Ebenen teilnehmen können.
In drei verschiedenen Modulen werden die Inhalte auf die unterschiedlichen Lernbedürfnisse der
Mitarbeiter in Schulen angepasst und können einzeln besucht werden. Neben der Theorievermittlung
erfordert diese Weiterbildung zu einem Viertel die praktische Anwendung des Gelernten in der Schule oder
im Bildungsinstitut. Nur nach dieser praktischen Fallarbeit erhalten die Teilnehmer ihr Zertifikat. Die Kosten
für die Teilnehmer an den Kursen werden vom Ministerium getragen; es wurden für diese Weiterbildungen
2 Mio. € zur Verfügung gestellt.
Darüber hinaus sind 96 regionale Support-Center („CTS“) für Legasthenie geplant. Diese regionalen Zentren
sollen Unterstützungsstrukturen für Lehrkräfte anbieten und ihnen durch Beratung, Schulung, Austausch
und Monitoring bei der optimalen Förderung betroffener Schüler helfen. Die CTS können von Schulen und
Universitäten als Kompetenz-Zentren angefragt und z. B. für die Datenerfassung mit der Schule elektronisch
verknüpft werden. Das Ministerium beschäftigt drei Referenten und Experten für neue Technologien, die
Hinweise auf spezifische Hardware- und Softwareprodukte sowie den Einsatz von Ausgleichsmaßnahmen
geben können. Für den Auf- und Ausbau der CTS hat das Ministerium für Bildung zwischen 2010 und 2011
eine Million Euro freigegeben.
Screening
Nach den neuesten Zahlen (Stand Februar 2011) des Ministeriums für Bildung soll es in Italien rund 70 Tsd.
Schüler mit einer Lernbeeinträchtigung geben. Nach neueren wissenschaftlichen Forschungen soll sich der
Anteil der Schülerschaft mit einer Lernbeeinträchtigung jedoch auf 3% bis 5% belaufen. Diese Anzahl
konnte bisher nicht überprüft werden. Doch würde dies bedeuten, dass es sich hierbei um mehr als
200.000 Schüler handelt.
Daher wünscht die Regierung, dass mit Professionalität und Konsistenz in den Lehrstrategien die
Entwicklungsfortschritte in den Bildungsinstitutionen regelmäßig überprüft werden. In Zusammenarbeit mit
der Stiftung Telecom Italien und der italienischen Dyslexia Association wurde ein Aktionsprogramm zur
Früherkennung von Legasthenie, zur Schulung und Sensibilisierung von Lehrern sowie zur
30
Vgl.DISTURBI SPECIFICI DELL’APPRENDIMENTO
Vgl.LINEE GUIDA PER IL DIRITTO ALLO STUDIO DEGLI ALUNNI E DEGLI STUDENTI CON DISTURBI SPECIFICI DI
APPRENDIMENTO
32
Vgl.Associacion Italia dislessia: Campus 2012 Corso di Formazione in Strumenti e strategie compensative nel DSA
per Operatori dell'Area Clinica, operatori dell'Area Didattica Tutor Campus AID
31
Seite 16
Informationsverbreitung in den Familien und Schulen initiiert (siehe auch die oben genannten Quellen) und
um Nutzungshinweise auf moderne Technologien für das Lesen und Lernen erweitert.
Förderung und Nachteilsausgleich in Schulen und im Studium
Im Umgang mit Schülern mit einer (möglichen) Lernbeeinträchtigung wird die Zusammenarbeit mit den
Familien jener Schüler als besonders bedeutungsvoll gesehen. Daher sollen gerade die Familien durch die
Lehrer bei der Akzeptanz und im Umgang mit der Lernbeeinträchtigung Unterstützung erfahren, damit sie
sich mit den unerwarteten Schwierigkeiten besser arrangieren können.
In der Schule
Für ein effektives Wirken der Lehrer und der Fördermaßnahmen sollen die Schulen häufigere Treffen mit
den betroffenen Familien organisieren. Die Arbeit der Lehrer soll bekannt gemacht und im Team
besprochen werden, damit Lehrer und Familien pädagogisch zusammen arbeiten können.
Um die Schüler mit den genannten Lernbeeinträchtigungen zu unterstützen, sollen technische Hilfsmittel
zum Einsatz kommen, die den Schülern das Lernen erleichtern. Dazu zählen:





Lese-Software
Aufnahmemöglichkeiten von Texten (statt schreiben zu müssen)
Programme zur Textverarbeitung mit Rechtschreibprüfung, die die Produktion von
Texten und die gleichzeitige Korrektur von Fehlern ermöglichen, ohne den Leser zu
ermüden
Programme, die die Berechnungen erleichtern und
Prüfungserleichterung z.B. durch Terminverschiebung oder durch Nutzung von Computern und Sprachprogrammen in den Prüfungen.
Um Innovationen im Bildungsbereich noch stärker zu fördern, findet in diesem Jahr auch ein Wettbewerb
„Eine Schule der Legasthenie" statt.
Im Studium
Auch an den Universitäten haben Studierende mit Lernbeeinträchtigungen ein Recht auf dispensative
anerkannte Maßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen: Dies gilt sowohl für die Bewerbungsphase an
Hochschulen (zusätzliche Zeit bei Aufnahmeprüfungen bis zu einem Maximum von 30 Prozent) als auch für
den täglichen Universitätsbesuch und bei Prüfungen. In den Vorlesungen und Prüfungen können dieselben
Hilfsmittel zum Einsatz kommen wie in der Schule (z.B. mündliche statt schriftliche Prüfungen, Einsatz von
Computern mit Rechtschreibprogrammen und Vorlesefunktion, zusätzliche Zeit bis zu einem Maximum von
30 Prozent).
Darüber hinaus müssen Hochschulen spezifische Dienstleistungen und alle erforderlichen Maßnahmen zur
Akzeptanz, Betreuung, Informationsvermittlung sowie zur Organisation und Überwachung der Wirksamkeit
der Praktiken durchführen. Spezielle Tutoren sollen für die Beratung und die Organisation von
Lernaktivitäten, Lektionen und Übungen für lernbeeinträchtigte Studierende eingestellt werden.
Finanzierung
Der italienische Staat hat für die Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen mehrere Millionen Euro bereit
gestellt.
Seite 17
4.6 England – das Bildungssystem wird neu ausgerichtet
In England hat insbesondere das Engagement des Dyslexia Trust und der so genannte „Rose-Bericht“33 dazu
geführt, dass sich das Bildungsministerium für eine Neugestaltung des schulischen Bildungswesens öffnete.
In Zusammenarbeit mit Legasthenie-Verbänden und Selbsthilfegruppen von Eltern mit Kindern anderer
Lernbeeinträchtigung sowie mit fachkundiger Unterstützung des Dyslexia Trust wurden in dem RoseBericht neue Verfahren für Screenings sowie die Förderung und Umgestaltung des Schulunterrichts für das
englische Schulwesen ausgearbeitet und detailliert dargelegt.
In der Untersuchung „Evaluation of impact of DfE investment in initiatives designed to improve teacher
workforce skills in relation to SEN and disabilities“ wurde überprüft, welchen Einfluss die Ausbildung der
Lehrer auf den Umgang mit lernbeeinträchtigten Kindern hat. Dabei stellte man fest, dass neben den
Lehrern natürlich die Eltern eine hochwirksame Funktion in dem Stabilisierungsgefüge für die Schüler
einnehmen, die Rolle der Lehrer aber in keinem Maße unterschätzt werden dürfe, da sie die signifikant
höchste Wirkungskraft auf den Lernerfolg der Betroffenen haben.34
Dyslexia Trust ist in diesem Veränderungsprozess als Mittlerorganisation tätig und begleitet und
veröffentlicht zahlreiche Forschungsvorhaben im Kontext Legasthenie.35
Lehrerausbildung und -weiterbildung
Bisher gehören die Themen „Förderung und spezifische Lernbedürfnisse“ nicht in die Lehrer-Grundausbildung und auch nicht in weiterführende Studiengänge. Dies soll sich künftig möglichst ändern, doch
wurde dies bisher durch das Ministerium noch nicht beschlossen.
Bisher stehen den englischen Lehrern diese Unterstützungsangebote zur Verfügung:


Durch eine Kooperation, bestehend aus dem Ministerium für Bildung, einem nationalen
Schul-Netzwerk sowie einem Trainingsinstitut, wurde ein kostenfreier Weiterbildungskurs
„Nasentraining“ für Lehrer an allgemeinbildenden, weiterführenden Schulen zusammengestellt. Dieser Kurs besteht aus Workshops und Online-Lernmitteln zur selbstständigen
Vertiefung des Wissens, wie Schüler mit einer Lernbeeinträchtigung erkannt, unterstützt
und gefördert werden können. Ziel dieses Angebotes ist es, dass die gesamte Schule über
ein breit angelegtes Basiswissen und Fähigkeiten verfügt, die allen Beteiligten helfen,
adäquat auf die Bedürfnisse der betroffenen Menschen einzugehen. Parallel Trainings in
den Schulen können an die jeweilige Schulsituation angepasst werden.36
Dyslexia Trust hat ein Befragungs-Webtool („Professional Development Framework“)
entwickelt, mit dem einzelne Lehrer, Lehrer-Teams oder ganze Schulen ihr Wissen und ihre
Kompetenzen und Fähigkeiten im Umgang mit legasthenen Schülern prüfen können.
Dyslexia Trust empfiehlt diesen Fragebogen im Rahmen eines Workshops auszufüllen und
auf diese Weise den breiten Kenntnisstand zu erfassen. Erste Ergebnisse der Nutzung
dieses Webtools haben gezeigt, dass die Ergebnisse auch für die Kommunen sehr hilfreich
sind, da sie einen Benchmark-Vergleich ermöglichen und so leicht erkennen können, in
welchen Schulen eine sehr gute Expertise zu finden ist und wo diese noch fehlt. So können
33
Vgl. http://www.thedyslexia-spldtrust.org.uk/media/downloads/inline/the-rose-review.1327396992.pdf
Siehe dazu http://www.thedyslexia-spldtrust.org.uk/media/downloads/inline/review-of-idp-materials-by-warwickuniversity.1327397124.pdf
34
35
36
Siehe http://www.thedyslexia-spldtrust.org.uk/5/publications/6/index-of-papers/
Siehe: http://www.nasentraining.org.uk/
Seite 18
sich einzelne Schulen gegenseitig mit Wissensweitergabe und Praxisberatung helfen und
dadurch zügiger und bedarfsorientierter den betroffenen Schülern weiterhelfen. 37
Screening
Unabhängig von Screenings für die Feststellung von Lernbeeinträchtigungen finden in England in regelmäßigen Abständen „Schultests“ zur Überprüfung des Lernstandes in Lesen, Schreiben und Mathematik
statt.
Für die Screenings selbst steht den Schulen in England eine große Auswahl an Screening-Werkzeugen zur
Verfügung. Die Schulen können frei entscheiden, wann und wie sie Screenings durchführen möchten.
Dyslexia Trust und auch der englische Selbsthilfeverband BDA stellen auf ihren Homepages Listen mit
Screening-Tools zur Verfügung.38
Förderung und Nachteilsausgleich
Durch den Rose-Bericht liegt in England eine detaillierte Beschreibung für eine fördererfolgreiche
Schulorganisation vor (vergleichbar z. B. mit der kanadischen Anleitung aus Vancouver oder Ontario).
Internationale Teams mit wissenschaftlichen Vertretern aus mehreren Nationen arbeiten darüber hinaus an
weiteren Untersuchungen zur optimalen Unterstützung für von Legasthenie betroffene Menschen. Dabei
ähneln sich die empfohlenen Vorgehensweisen häufig und entsprechen überwiegend dem oben bereits
dargelegten Vorgehensmodell.
Weitere Vorschläge zur Förderung in der Schule und zuhause hat Dyslexia Trust auf seiner Homepage
zusammengestellt.39 Dort sind auch Beispiele zur Best-Practice zusammengefasst.40
In englischen Schulen werden zum Nachteilsausgleich technische Hilfsmittel und Schulassistenten für den
Unterricht und zusätzliche Zeit bei Prüfungen gewährt. Dies variiert allerdings von Schule zu Schule und von
Kommune zu Kommune. Ein einheitliches Vorgehen ist hierfür in England noch nicht umgesetzt.
Finanzierung
Die Finanzierung wird durch das Ministerium für Bildung getragen. Jede Schule kann ihr Budget verwalten
und entscheiden, wie die Gelder für Screenings und Förderungen eingesetzt werden.
Wünschen Eltern über die Angebote der jeweiligen Schule hinausgehende spezielle Förderungen oder noch
weitergehende Diagnosen, so sind diese privat zu zahlen.
Für Lehramts-Weiterbildungen außerhalb der Schule aus persönlicher Motivation stehen keine speziellen
Regierungsmittel zur Verfügung. Der Staat oder auch Universitäten bietet jedoch günstige Finanzierungsbedingungen an.
37
Weitere Informationen: http://www.thedyslexia-spldtrust.org.uk/professionaldevelopmentframework/
Vgl. z.B. diese Liste von Screening-Tools, zur Verfügung gestellt durch eine von der Regierung beauftragten
Expertengruppe dyslexia trust: http://www.thedyslexia-spldtrust.org.uk/4/resources/17/resources-for-schools/
38
39
Vorschläge zu Förderinstrumenten: http://www.interventionsforliteracy.org.uk/interventions/list-view/ und
http://www.interventionsforliteracy.org.uk/schools/
40
Siehe http://www.thedyslexia-spldtrust.org.uk/4/resources/127/models-of-best-practice/
Seite 19
Im Berufsleben
In England besteht bereits ein gewisses öffentliches Bewusstsein darüber, dass Menschen mit Legasthenie
am Arbeitsplatz spezielle Rahmenbedingungen benötigen, die ihnen helfen, sich einfach nur auf die zu
leistenden Aufgaben zu konzentrieren.
Es stehen Online-Tools für Trainings und auch verschiedenartige Testverfahren zur Verfügung, um sich als
Erwachsener auf Legasthenie prüfen zu lassen und entsprechende Unterstützungsmaßnahmen am
Arbeitsplatz umzusetzen.41
4.7 Niederlande – Schultest als Maßgabe
Die Niederländer nutzen schon seit vielen Jahren ein Schulsystem, bei dem sie die Kompetenzentwicklung
aller Schüler mittels halbjährlicher Cito-Schultests überprüfen. Die Cito-Test-Auswertungen werden über
ein Schüler-Monitoring-System dokumentiert und dem Lehrer zur Verfügung gestellt. Diese Auswertungsübersicht gibt den Lehrern Handlungsempfehlungen zur Förderung der einzelnen Schüler an die Hand. Auf
diese Weise hat der Lehrer den aktuellen Entwicklungsstand seiner Schulklasse im Blick, der Schulfortschritt
wird fortlaufend dokumentiert und die Wirksamkeit aller Maßnahmen nachvollziehbar.
Der Cito-Test wurde ursprünglich von einem niederländischen Staatsinstitut entwickelt. Heute ist das
Institut privat-wirtschaftlich aktiv und vertreibt in mehreren Ländern seine Produkte. Dazu gehören die
klassischen Cito-Tests (Lesen, Schreiben, Rechnen), aber auch spezifische Sprachtests u. a. m..
Lehrerfortbildung
Die werdenden Lehrer für Grundschulen und weiterführende Schulen besuchen nicht eine Universität,
sondern werden in einer speziellen Lehrerausbildungsinstitution auf den Unterricht vorbereitet. Diese
vermittelt bisher keine Informationen über Lernbeeinträchtigung und spezielle Förderungen. Ausgebildete
Lehrer können im Anschluss ein Postgraduierten-Studium in „Special educational needs“ besuchen und sich
zum Förderlehrer oder Schulbegleiter (school counseller) ausbilden lassen.
Die staatlich geförderte Legasthenie-Institution Masterplan Dyslexie setzt sich aktuell dafür ein, dass die
Lehrpläne der Lehrerausbildung eine Erweiterung um die Themen Lernbeeinträchtigung und speziell
Legasthenie künftig vorsehen.
Screening
Aufgrund der kontinuierlichen Cito-Tests liegen den Lehrern pro Schüler individuelle Lernhistorien und
Handlungsempfehlungen vor. Sind die Ergebnisse des Cito-Tests bei einem Kind unterdurchschnittlich, so
werden zunächst spezifische Fördermaßnahmen durch den Regel-Lehrer durchgeführt. Verändert sich
hierdurch die Situation des Schülers noch nicht ausreichend, wird ein Förderlehrer hinzugezogen, der in
Einzelsitzungen parallel oder nach dem Unterricht mit dem Schüler trainiert.
Darüber hinaus kann eine Schule ein Screening nach Wahl durchführen, um zu sehen, welche
Lernbeeinträchtigung vorliegt. In den Schulen stehen so genannte Protokolle zur Verfügung, in denen der
Umgang, Förderaufgaben und Hilfestellungen für legasthene Kinder beschrieben sind. Diese können von
den Lehrern bei Bedarf genutzt werden, wenn sie vermuten, dass ein Kind legasthen ist.
41
Siehe dazu hier: http://www.arkellcentre.org.uk/support/Assessments.html
Seite 20
Die Lehrer selbst dürfen und können keine Diagnose vornehmen.42 Die Beauftragung einer Diagnose durch
einen Schulpsychologen auf Kosten der Krankenkasse ist möglich, wenn das Kind zum wiederholten Male
einen nachweislich sehr schlechten Lesewert im Cito-Test erreicht (unter 15% von 100%). In der Praxis ist
das nur schwer möglich, weil oftmals die Intelligenz der Kinder ihre Leseschwäche ein Stück weit ausgleicht
und daher zwei aufeinander folgende Cito-Tests mit einem Ergebnis unter 15% Lesewert kaum erreicht
werden.
In der Diagnose bei Kindern und Jugendlichen zwischen 7,5 und 17 Jahren werden Tests wie z. B. der
„Wechsler Test“ eingesetzt. Im zweiten Schritt wird meist ein phonologischer Test speziell für Legasthenie
durchgeführt. Dieser besteht aus zwei Teilen:


Phonologische Funktionen
Rapid naming of letters and numbers.
Förderung
Die niederländischen Lehrer haben den Auftrag, die Schüler bestmöglich zu fördern und dafür neben den
üblichen Aufgabenstellungen zusätzliche Förderaufgaben einzusetzen.
Erhält ein Schüler eine Legasthenie-Therapie, so wird kein Standardverfahren eingesetzt, sondern wie in
den anderen Ländern auch ein individuelles Vorgehen zusammen gestellt. Im Wesentlichen werden dabei
zwei parallele Ansätze verfolgt, um die Kinder zu befähigen, mit der Legasthenie leben zu können und
durch die Nutzung geeigneter Strategien sich selbst zu helfen:


Psycholinguistische-Computer-Therapie kombiniert mit
Flüssig-Lesen-Strategie.
Kinder und Jugendliche mit Legasthenie werden darin angelernt, mit technischen Hilfsmitteln zu arbeiten.
Damit können sie sich die Texte während des Unterrichts vorlesen lassen. Damit die Kinder die Wörter
besser verstehen und erkennen können, wird in der Therapie die auditive Erfahrung mit einer Seherfahrung
(bestimmte Farben für bestimmte Buchstaben, z. B. grün für Vokale) kombiniert. Dies hilft besonders bei
den schwer erkennbaren Worten, eine Lesestrategie zu entwickeln.
Nachteilsausgleich
Liegt eine Diagnose vor, kann ein Kind einen Nachteilsausgleich gewährt bekommen. Die Schulen sind dazu
ermächtigt, den Nachteilsausgleich eigenständig festzulegen und müssen ihn dann an das Schulamt
melden. Dabei kommen zum Beispiel Notebooks besonders mit Software-Programmen zum Einsatz:



Einfache Vorlesesoftware „AMIX“ (Freeware);
Umfangreiche Vorlesesoftware Kurzweil2 und
Rechtschreibprogramme.
Schulen bieten legasthenen Kindern die Möglichkeit Schulcomputer zu nutzen. Meist für die Erledigung der
Hausaufgaben zuhause oder in der Bücherei/im Computerraum, wo Computer mit entsprechender
Software zur Verfügung stehen. IN anderen Fällen können sich Kinder von zuhause auf dem Schulserver
einloggen und webbasiert Programme wie zum Beispiel Kurzweil zum Lesetraining auf dem eigenen
Computer nutzen.
42
Siehe unter http://www.dyslexieroute.nl
Seite 21
Da die Abschlussprüfungen an den weiterführenden Schulen von allen Schülern am Laptop erstellt werden,
besteht hierbei kein besonderer Nachteilsausgleich für legasthene Schüler.
Finanzierung
Das CITO-Screening, die zusätzliche Förderung durch den regulären Lehrer sowie die Förderung durch
Förderlehrer innerhalb des Unterrichts, in Kleingruppen oder auch 1:1 außerhalb des Unterrichts, wird von
der Schule getragen. Wird ein Kind als legasthen diagnostiziert, so kann es über diese Leistungen hinaus
auch therapeutische Unterstützung sowie technische Hilfsmittel, die seit 2009 von der Krankenkasse
bezahlt werden, erhalten – letzteres innerhalb des Unterrichts nur, soweit die Schule gegenüber der
Nutzung aufgeschlossen ist.
Im Beruf
Für Erwachsene wurde kürzlich ein neuer Legasthenie-Test speziell für die niederländische Sprache von den
Niederlanden und Belgien zusammen entwickelt. Dieser Test wird ab 16 Jahren eingesetzt. Weitere
Informationen dazu sind über Masterplan Dyslexie zu beziehen.
Seite 22
4.8 Der Förderprozess für von Legasthenie betroffene Schüler in den Vergleichsländern
Diese Grafik zeigt den Ablauf der Zusammenarbeit von Lehrern und Schülern mit Unterstützung durch ein
multi-professionelles Team, der in den oben beschriebenen Ländern üblich ist:
Allgemeiner Schultest, je nach Land zu
unterschiedlichen Zeitpunkten vor der
Schule, zu Beginn der Schule oder in
verschiedenen Klassenstufen.
Lehrer ist grundsätzlich gehalten, in
seinem Unterricht auf spezielle
Bedarfe einzugehen; führt in Zusammenarbeit mit Eltern Fördermaßnahmen durch; Eltern können z.T.
auch im Unterricht unterstützen.
Schüler kann dem
Unterricht gut folgen.
Schüler verbessert sich trotz spezieller Unterstützung des Lehrers im normalen Unterricht nicht.
Interdisziplinäres „Förderteam“
bespricht Situation der einzelnen
Schüler, oftmals unter Beteiligung der
Eltern, und entscheidet, welche
Intervention im ersten Schritt
eingesetzt wird.
Meist führt der Förderlehrer mit
Unterstützung der Eltern Fördermaßnahmen durch.
Schüler kann dem
Unterricht gut folgen.
Schüler verbessert sich trotz Unterstützung durch den Förderlehrer nicht.
Interdisziplinäres „Förderteam“
bespricht die Situation erneut und
entscheidet eine spezialisierte
Testung des Schülers durch einen
Psychologen oder einen speziell
ausgebildeten Therapeuten
durchführen zu lassen.
Interdisziplinäres „Förderteam“
beschließt auf Basis der Diagnose eine
speziell abgestimmte Förderung für
den Schüler.
Psychologe oder spezialisierter
Therapeut führt eine Diagnose
durch; Kostenübernahme durch
Schulen, Jugendämter, Krankenkassen oder (selten) Privatzahler.
Therapeut, Förderlehrer, Lehrer,
Sozialarbeiter und Eltern führen
abgestimmte Fördermaßnahmen
durch (1:1 Förderung, in
Kleingruppen, in
Legastheniegruppen u.a.m.)
Schüler kann dem
Unterricht gut folgen.
Schüler verbessert sich trotz Unterstützung durch das „Förderteam“ nicht wesentlich.
esentlich
Interdisziplinäres „Förderteam“
beschließt auf Basis der Diagnose und
nachfolgenden Beobachtungen der
Ergebnisse der Förderung eine
reduzierte Schulabschluss-Zielsetzung,
die dem Schüler als Nachweis für
seine Eignung dient.
Therapeut, Förderlehrer,
Lehrer und Eltern begleiten
den Schüler in die auf die
Schule folgende weiterführende Ausbildung oder
direkt in eine passende
berufliche Tätigkeit.
Schüler absolviert die
Schule mit individualisiertem Abschluss,
beginnt eine Berufsausbildung bzw. führt
eine berufliche
Tätigkeit aus.
Seite 23
4.9 Zusammenfassung zum internationalen Ländervergleich
Selbstvertrauen – die Basis einer stabilen Persönlichkeit
Kinder und Jugendliche mit einem stabilen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl auf das Leben
vorzubereiten, ist ein großes Anliegen der Vergleichsländer.
Individuelle Handlungskompetenz und Unabhängigkeit
Die wachsende individuelle Handlungskompetenz von Kindern und Jugendlichen wird als das wichtigste Gut
angesehen. Denn nur wenn die jungen Menschen sich selbst zu helfen wissen, Neues dazulernen und ihre
Kompetenzen erweitern können, werden sie ein wirtschaftlich eigenständiges und unabhängiges Leben
führen können.
Gleiches Recht für alle – Chancengleichheit auch bei ungleichen Ausgangsbedingungen
Im Kern ist es das inklusiv-ausgerichtete gesellschaftliche Selbstverständnis, die Staatsphilosophie, die in
den beschriebenen Ländern die Rahmenbedingungen für die Bildungsinstitutionen definiert.
Wertschätzende Grundhaltung der Lehrer und beteiligten Experten
Den Vergleichsländern Kanada, Neuseeland, Finnland, Schweden, Italien, England und Niederlande
gemeinsam ist die von Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Respekt geprägte Grundhaltung im Umgang mit
Kinder und Jugendlichen in der Schule und mit deren Eltern. Diese Haltung wird als Auftrag und Vorgabe an
die Mitarbeiter in den schulischen Arbeitsfeldern formuliert.
Handlungsspielraum und Entscheidungsbefugnis für die Schulen
Damit die multi-professionalen Förderteams sinnvoll wirken und die Kinder und Jugendlichen erfolgreich
fördern können, ist ihnen von Seiten des Ministeriums mit dem Bildungsauftrag ein weiter
Handlungsspielraum, finanzielle Ausstattung und Entscheidungskompetenz zugesagt.
Die Experten verfügen über die Handlungsfreiheit, finanzielle Mittel sinnstiftend einzusetzen, die individuelle Situation des Kindes mittels Screenings oder Diagnosen genau zu analysieren und die Unterstützung
und Förderungen bedarfsorientiert und treffsicher zu gestalten.
Die Unterstützung für das Kind wird prozessorientiert verstanden. Das heißt, in regelmäßigen Sichtungen
wird der Entwicklungsstand des Kindes wohlwollend überprüft, um die Förderungen bedarfsgerecht zu
reduzieren, beizubehalten oder zu steigern.
Allgemeine Schultests als Benchmarks für die Effektivität der Schulentwicklung
Ergebnisse der allgemeinen Schultests werden sehr positiv bewertet und neben der Einschätzung der
Schüler insbesondere als Benchmarks zur Evaluation der Bildungsreformen und Schulentwicklungsprogramme verstanden. Schließlich zeigen die Schultest-Ergebnisse, wie gut die einzelne Schule gearbeitet hat.
Sind die Ergebnisse nicht zufriedenstellend, beginnt ein Analyseprozess von Schule und Schulamt, um die
Ursachen nachvollziehen zu können und durch Weiterbildungen, durch veränderte Abläufe etc. die
Situation in der Zukunft zu verbessern.
Lehrer - ein ehrbarer und verantwortungsvoller Beruf
Je früher bei Kindern mögliche Lernbeeinträchtigungen erkannt werden, um so eher kann ein Kind im
schulischen Alltag Anschluss an das Lernpensum finden. Je besser Lehrer auf diese Aufgabe vorbereitet und
Seite 24
je kompetenter sie im Umgang mit Kindern und Jugendlichen handeln, desto höher zahlt sich die frühe
Investition in die Förderung im Verlauf der Lebenszeiten der betroffenen Personen für die Gesellschaft aus.
Dafür erforderliche Kompetenzen sind eine ausgeprägte Empathie, gute Wahrnehmungsfähigkeit, die
Wertschätzung der Verschiedenartigkeit, ein Blick für Potenziale, Verständnis für die kindliche Entwicklung
und familiäre Situation und Motivationsfähigkeit.
In den Vergleichsländern schätzt man daher Lehrer sehr und man sucht für diese verantwortungsvolle
Aufgabe die besten Kandidaten. Der Lehrerberuf ist hoch angesehen. Reformen der Ausbildung werden
zeitnah umgesetzt und die Gehaltsklassen der Lehrer attraktiv gestaltet.
Bildungsausgaben steigen, die Anzahl der Schulabschlüsse auch
Die allgemeinen Bildungsausgaben nehmen in den Vergleichsländern ebenso zu wie die Ausgaben für
Schüler mit speziellem Förderbedarf. Die Schulsysteme verändern sich und die Neugestaltungen der
schulischen Abläufe erfordern Investitionen.
Dass sich die Ausgaben lohnen, wird von den Vergleichsländern nicht im Voraus in Frage gestellt. Da es
ihrem Grundverständnis entspricht, in jedem Falle für Chancengleichheit zu sorgen und Kinder mit
Lernbeeinträchtigung in ihrer Entwicklung zu fördern, werden die dafür notwendigen Investitionen
getätigt.
Die positiven Schul-Abschlusszahlen und herausragenden PISA-Werte überzeugen jedoch, dass diese Mittel
gut angelegt sind.
Positive Bildungsresultate schaffen positive Wirtschaftseffekte
Das positive Ergebnis aller schulischen Angebote und Förderungen wirkt sich langfristig positiv auf die
jeweilige Gesellschaft der Vergleichsländer aus.
Durch den höheren Bildungsstand bestehen bessere Chancen der Integration der legasthenen Absolventen
in den ersten Arbeitsmarkt.
Geringere Krankheitskosten, Sozialleistungen und Kriminalität und eine bessere Versorgung der
Wirtschaftsunternehmen mit potenziellen Fachkräften bewirken positive Wirtschaftsentwicklungen, die
letztlich den Staaten selbst zu Gute kommen.
Seite 25
5. Legasthenie-freundliche Schul- und Unterrichtsgestaltung in Deutschland
Die folgenden Beispiele Legasthenie-freundlicher Schulen oder städtischer Schulämter veranschaulichen,
dass eine Umsetzung wie im vorherigen Kapitel dargelegt, auch in Deutschland möglich ist.
Anders als in den Vergleichsländern existiert in Deutschland bisher keine konsistente Forderung und
Kontrolle der Umsetzung inklusiver Schulkonzepte.
Legasthenie-freundliche Schulen sind noch Ausnahmen; oftmals entstanden durch den Impuls eines
Schulleiters, Schulpsychologen oder zuständigen Amtsvertreters, der ein individuelles Schulkonzept
entwickelt und durchgesetzt hat.
Anmerkung: Einige dieser Schulen oder schulischen Institutionen haben am Wettbewerb „Legastheniefreundliche Schule“ 2012 des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie teilgenommen.
5.1 Baden-Württemberg, Stadt Salem
Immer wieder werden Schulen bekannt, die sich durch ein besonderes Engagement herausstellen.
Zu diesen Beispielen gehört auch die Werkrealschule Salem. Der Schulleiter Emil Bauscher setzt sich dafür
ein, Schüler mit Legasthenie zu einer Legasthenie-Therapie zu verhelfen. In einem Interview berichtete er,
von dem sich jährlich wiederholenden mühsamen Weg und die zeitintensiven Kraftaufwendungen für die
Akquise der monetären Mittel.43
Laut Bauscher befinden sich im Schuljahr 2011/2012 53 legasthene Schüler an seiner Schule. Damit sie
erfolgreich am Regelunterricht teilnehmen können, muss Bauscher insgesamt 42.400 € für jeweils eine
Therapiestunde pro Woche für 25 Wochen pro Schüler bezahlen. Dabei zahlen die Schüler einen Anteil von
60 € pro Monat. Diejenigen Schüler, deren Eltern nur wenig zahlen können, tragen 20 € pro Monat bei. Das
Landratsamt unterstützt diese Aktion mit einem Beitrag von 5.000 €. Doch ohne weitere Spenden von
Eltern, die Mitgliedsbeiträge seines schulischen Fördervereins, die Spenden des Rotary Clubs, den
Einnahmen aus Benefizkonzerten, Kuchenverkäufen der Klassen vor Supermärkten und auf dem
Ostermarkt sowie der von Bauscher eingesetzten unzähligen Stunden für Öffentlichkeitsarbeit, könnten die
individuellen Förderungen nicht realisiert werden.
Warum setzt sich Bauscher so sehr für die jungen Menschen ein?
Sein Verdienst sieht er in der erfolgreichen Abschlussquote all jener Schüler, die aufgrund der speziellen
Legasthenie-Therapie lernen konnten, sich mit ihrer Lernbeeinträchtigung zu arrangieren. Auf diese Weise
konnten sie dem Unterricht folgen, den Lernstoff erfolgreich bewältigen – und vor allem einen
Schulabschluss erreichen und damit eine Berufsausbildung anschließen. .
5.2 Bayern – umfassende Legasthenie-Förderung
Das Anne-Frank-Gymnasium in Erding bietet bereits seit 1998 Förderungen für Schüler mit einer
Legasthenie an. Mittels einer Rechtschreibreihenuntersuchung wird zu Beginn der 5. Klasse und am Ende
der 6. Klasse ein Screening durchgeführt, um Schülern mit erheblichen Rechtschreibproblemen zu
identifizieren. Diesen Kindern wird eine auf zwei Jahre angelegte Förderung mit einem Eltern-KindTrainingsprogramm angeboten. Derzeit werden in den Klassen 5 und 6 insgesamt 8 Kurse für 55 Kinder
durchgeführt. Ggf. werden auch später noch stabilisierende Trainings durchgeführt.
43
Siehe dazu das Salemer Schulkonzept und dessen Ziele unter: http://www.bildungszentrum-salem.de/107.html
Seite 26
Bei besonderem Bedarf wird darüber hinaus auch Einzelförderung im Rahmen der schulpsychologischen
Einzelfallbetreuung durch den (in Bayern vorhandenen) schulpsychologischen Dienst offeriert.
Das Gesamtkonzept der LRS-Förderung Anne-Frank-Gymnasium in Erding und eine Informationsschrift über
typische Fehlannahmen (Vorurteile) im Zusammenhang mit Legasthenie bzw. einer Lese-und Rechtschreibschwäche können auf der Schul-Homepage eingesehen werden.44 45
5.3 Niedersachsen – Lesetests für alle
Das Gymnasium Paul-Gerhardt-Schule unterstützt Schülerinnen und Schüler mit LRS-Förderungsbedarf.
Nach einer eingehenden Diagnose werden die Betroffenen einer individuellen Förderung zugeführt, die
eine Therapie durch Legasthenie-Therapeuten sowie Förderunterricht durch qualifizierte Förderlehrer
umfasst.
Der Ablauf
Nach der Aufnahme von Schülern von verschiedenen Grundschulen wird ein „vergleichendes Diktat“
geschrieben und im November des jeweiligen Jahres die Ermittlung des Förderbedarfs auf den ersten
pädagogischen Konferenzen anhand der Lernentwicklungsberichte und des Leistungsstands besprochen.
Dabei werden die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik betrachtet und die Deutsch-Diktate zudem bei
entsprechenden Auffälligkeiten auf „Legasthenie überprüft“. Daraufhin wird eine Teilung vorgenommen
zwischen den Kindern, die im Fach Deutsch im Regelbereich gefördert werden und denen, die eine spezielle
Legasthenie-Therapie benötigen. Auf den Elternsprechtagen Ende November wird der Förderbedarf durch
die Klassenlehrer/Fachlehrer bei den Eltern angesprochen.
Anschließend melden die Fachlehrer den Förderbedarf namentlich an die Koordinatorin der Sekundarstufe I
weiter. Die Eltern werden gebeten ihre Kinder schriftlich zum Förderunterricht anzumelden. Gefördert wird
– wenn notwendig – in maximal zwei Fächern. Pro Klasse gibt es drei bis vier Förderplätze. Auf den zweiten
pädagogischen Konferenzen wird die Wirksamkeit der Fördermaßnahmen diskutiert. Zum Schuljahresende
enden die Fördermaßnahmen.
Die Paul-Gerhardt-Schule fördert maximal zwei Schulhalbjahre, nämlich in 5/2 und 6/2. Dazwischen
erfolgen Einschätzungen zur Wirksamkeit der Fördermaßnahmen bzw. evtl. Empfehlung zur Fortsetzung.
Förderlehrer und Fachlehrer tauschen sich über die Lernfortschritte der Schüler aus und dokumentieren die
Lernfortschritte im Lernentwicklungsbericht.
Dieses Programm ist möglich, da neben den Regelschullehrern auch Förderlehrer und in LegasthenieTherapie ausgebildete Spezialisten an der Paul-Gerhardt-Schule tätig sind. Mit diesen Kräften können
Förderstunden direkt in den Regelklassen oder in separaten Kleingruppen umgesetzt werden. Durch die
enge Verzahnung profitieren die Beteiligten von kurzen Wegen und dem schnellen Austausch zwischen
Klassen-, Fach- und Förderlehrern auch außerhalb der pädagogischen Konferenzen. 46
44
Siehe http://www.afg-erding.de/tl_files/Schulleitung/psycho-geist/Gesamtkonzept_der_LRSFoerderung_am_AFG_%28Uebersicht%29.pdf
45
Siehe auch : http://www.afg-erding.de/tl_files/Schulleitung/psycho-geist/Lese-_und_RechtschreibschwaecheVorurteile_und_Wirklichkeit.pdf
46
Siehe dazu die Ausführungen auf der Schul-Homepage http://www.pgs-dassel.de/114.0.html
Seite 27
5.4 Hessen – ein inklusives Schulbeispiel
Die Grundschule Römerstadtschule in Frankfurt47 stellt auf ihrer Homepage sehr nachvollziehbar ihren
mehrstufigen Entwicklungsprozess zu einer inklusiven Schule dar. Dabei wurden wesentliche Aspekte
verwirklicht, die in den Ländern des internationalen Ländervergleichs standardmäßig für die Gestaltung der
Förderung beeinträchtigter Schüler eingesetzt werden.
Der Ablauf
In einem Screening-Verfahren werden die Kinder bereits vor der Aufnahme in den Schulunterricht im
Kindergarten oder der Kindertagesstätte gesichtet. Auf Basis dieser Ergebnisse stellt das Direktorat in
Zusammenarbeit mit den Lehrern bereits vor dem Schulbeginn Lerngruppen zusammen und legt die
Vorgehensweise für den Schulunterricht und die Förderungen im Rahmen des regulären Unterrichts fest.
Je nach Entwicklungsstand und Kenntnissen eines Schülers kann dieser für alle Fächer oder nur für einzelne
Fächer in Lerngruppen mit wechselnden Schülergruppen eingeteilt werden. Durch die offene Gestaltung
dieser Gruppen, die über mehrere Altersstufen hinweggehen kann, werden die Lerngruppen sehr
individuell an die Lernbedürfnisse der Schüler angepasst. Wachstums- und Entwicklungssprünge können
hierdurch genauso aufgefangen werden wie langsamere Entwicklungsphasen.
Um die Kinder auch bei ausgeprägtem Förderbedarf adäquat zu befähigen, führen Förderlehrer
Kleingruppenförderungen oder 1:1-Förderstunden durch. Ist eine spezielle Förderung notwendig, werden
Therapeuten oder andere externe Experten (z. B. Ärzte, Psychologen) zu Rate gezogen bzw. in die
Förderprogramme involviert.
Die Lehrer arbeiten in Teams bestehend aus dem regulären Klassenlehrer und einem Förderlehrer. In
wöchentlichen Besprechungen tauschen sich die Lehrerteams über den aktuellen Stand in der Klasse aus.
Erscheint es vielversprechend, mischen sie die Lerngruppen anders, um eine verbesserte Förderung und
Unterrichtssituation zu erzielen.
Zu jedem Schuljahresbeginn wird die aktuelle Klassenlage erneut analysiert, die Lerngruppen-Zusammensetzung überprüft und entsprechend der Ist-Situation ein neuer Lehrplan aufgestellt.
5.5 Bremen – CITO-Test und LRS-Test
In Bremen wird bereits seit einigen Jahren der CITO-Test zur Sprachstandfeststellung eingesetzt.
Bremerhaven arbeitet bereits 3 Jahre länger mit diesem Test. In Bremen wird er seit 2010 im
Vorschulbereich zur Sprachstandfeststellung durchgeführt. 48
Mit dem Einsatz des CITO-Tests werden sowohl Vor- als auch Nachteile verbunden. Ein Vorteil ist, dass mit
dem CITO-Test viele Kinder in kurzer Zeit auf ihren Sprachstand getestet werden können. So bleiben mehr
Ressourcen für die Förderung. Nachteilig ist, dass nun, anders als beim Bremer Sprachschatz, die
Erzieherinnen nicht mehr in den Test involviert sind. Hierdurch gehen Kontextinformationen verloren, zum
Beispiel über die Lebenssituation des Kindes, etc., die durch die Erzieherin in die Einstufung aufgenommen
werden konnten. Zusätzlich kritisieren die Eltern, dass der Test am Computer stattfindet. Hierfür müssen
die Kinder in Grundschulen, die entsprechend ausgestattet sind und dort mit der Maus die Eingaben
vornehmen. Daher sei es nicht möglich den aktiven, sondern nur den passiven Sprachstand zu prüfen, die
47
Siehe Schulprogramme und weitere Dokumente unter
http://www.schulserver.hessen.de/frankfurt/roemerstadt/index.htm
48
Vgl. http://www.bildung.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen117.c.24074.de
Seite 28
Sprachentwicklung sei nicht abbildbar. Aufgrund der Kritikpunkte wurde der CITO-Test nun überarbeitet
und kommt in der Version 3.0 im April zum Einsatz. Ab Sommer 2012 soll darüber hinaus ein
Sprachbildungskonzept umgesetzt werden. Hierzu liegen noch keine weiteren Informationen vor.
Im letzten Jahr wurden 4.700 Kinder getestet. Auf Basis der CITO-Test-Ergebnisse werden den entsprechenden (Vor-)schulen zusätzliche Unterrichtsstunden durch den Senat zur Verfügung gestellt. Ein zweiter
CITO-Test erfolgt zur Einschulung. In der zweiten Klasse folgt ein LRS-Test, durchgeführt durch das so
genannte REBUZ-Team.
REBUZ steht für „Regionale Beratungs- und Unterstützungszentren“, ein unabhängiges Beratungs- und
Unterstützungsangebot für Schüler, Eltern, Lehrkräfte und anderes schulisches Personal. In den REBUZ
arbeiten in multiprofessionellen Teams (Sonder-) Pädagogen, Schulpsychologen, Sozialpädagogen sowie
weitere Fachkräfte. Das REBUZ-Team bietet umfassende Unterstützung bei folgenden Fragestellungen an:
Lern- und Leistungsentwicklung
 Lese- und Rechtschreibschwäche, z. B. auch Nachteilsausgleich
 Mathematikschwäche
 besondere Begabung
 mögliche Schwierigkeiten der Lautsprachentwicklung
 Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs
Sozial-emotionale Entwicklung
 emotionale Entwicklung
 Verhaltensauffälligkeiten
 Schulabsentismus
 Gewalt und Gewaltprävention
 Sucht
 Psychische Auffälligkeiten
 Übergänge und Fragen der Schullaufbahn
 Krisen und Notfälle
 Inklusion.49
Speziell zum Screening möglicher Lese- und Rechtschreibschwächen nutzt das REBUZ zum Beispiel den
Mirola-Test (informelle Beobachtung) und - in der ersten Klasse in einer Abwandlung - die alphabetische
Schreibprobe in Anlehnung an die diagnostische Bilderliste. Im zweiten Schuljahr findet verbindlich der
Bremer-Schreib- und Lesetest statt, durchgeführt durch das Landesinstitut für Schule. Schüler mit einem
Förderbedarf werden dann an das REBUZ-Team gemeldet, damit sie auf Basis der Screening-Ergebnisse
passende Förderangebote wie z.B. Lese-Intensivkurse wahrnehmen können.
5.6 Nordrheinwestfalen – Stadt Duisburg
Das Schulamt Duisburg hat zum Schuljahr 2009 erstmals ein Pilotprojekt zur Förderung von Kindern mit
besonderen Problemen beim Erwerb des Lesens und Schreibens an zehn ausgewählten Schulen im
Stadtgebiet initiiert.
49
Vgl. http://www.bildung.bremen.de/sixcms/media.php/41/info_25-2010.pdf
Seite 29
Die teilnehmenden Schulen benannten zwei Lehrer (männlich/weiblich), die sich zur Teilnahme an einer
Weiterbildung zur LRS-Fachkraft und zur Leitung der LRS-Projektgruppe an ihren Schulen bereit erklärten.
Mit einer Förderung von drei mal 60 Minuten in der Woche für zwei Jahre wurden durchschlagende Erfolge
erzielt, wie die wiederholten Screenings und teilnehmenden Beobachtungen der Pilotprojekt-Schüler
zeigten. Kinder mit besonderen Auffälligkeiten wurden durch spezielle Therapeuten und Ärzte diagnostiziert, um die Förderung auf ihren Bedarf genau auszurichten. Der tatsächliche Erfolg des Programms wird
kontinuierlich über Nachtestungen der Kinder überprüft.
Die Finanzierung wird über eine Kombination verschiedener Quellen ermöglicht:



Anschaffung von Anfangsmaterialien aus dem Budget der Schulen
Übernahme von Honorarkosten (Lehramtsanwärter (LAA) und Studierenden) durch das
Jugendamt
„Unkostenbeitrag“ von zwei Mal 20 € jährlich durch die Eltern (der Elternbeitrag wird für
die Anschaffung persönlicher Materialien verwendet).
In regelmäßigen Projektsitzungen stimmen sich Vertreter der Kindertagesstätten, des Schulamtes und des
Jugendamtes ab. Die Projektbeteiligten vom Schulamt, Jugendamt, SPZ, der Universität Münster, der
Universität Duisburg/Essen, dem Studienseminar Duisburg und der Stadt Duisburg kennen sich ebenfalls
und tauschen sich in regelmäßigen Abständen aus.
Mittlerweile wurde das Programm im Duisburger Stadtgebiet auf alle städtischen Kindertagesstätten und
die ersten Klassen aller Projektschulen ausgeweitet.
Anhand der Nachtestungen und Beobachtungsergebnisse wird deutlich, dass manche Kinder keine weitere
Förderung benötigen, bei anderen Kindern zeigt sich ggf. eine Lernbehinderung, die eine andere oder
weitergehende Förderung notwendig macht. Mittels dieser Ergebnisse können die Lehrkräfte den
Unterricht und die Förderungen an den Bedarfsstand anpassen und für alle Beteiligten effektiv gestalten.50
5.7 Inklusionsorientierte Assessments in Deutschland noch in ferner Zukunft
Deutschland beteiligte sich an einem europäischen Förderprojekt zum Thema: „Wie Inklusionsorientierte
Assessments in der Schule umsetzbar sind?“. Insgesamt nahmen 25 Staaten teil und wählten Projektexpertinnen und -experten aus, die jeweils an fünf „Fallstudien-Standorten“ mit den dortigen LehrerKollegien zusammenarbeiteten.
Die deutschen Projektexperten bescheinigen den deutschen Lehrkräften im Umgang mit
inklusionsorientierten Screenings große Wissenslücken. Ferner macht der Ergebnisbericht deutlich, dass
sowohl in der Lehrerausbildung als auch in der Lehrerweiterbildung neue und inklusionsorientierte Inhalte
unbedingt erforderlich sind, wie z.B.:




Praxistrainings für Teamfähigkeit von Lehrern
Haltungswandel zur Akzeptanz der Verschiedenartigkeit von Schülern
Wertschätzung auch brachliegender Potenziale
innovative Einführungskonzepte an Schulen
50
Die Informationen wurden der Wettbewerbseinreichung entnommen; Informationen und Ansprechpartner unter
http://www.lehrerfortbildung.schulministerium.nrw.de/kompetenzteams/stadt+duisburg/index.asp?IDNr=584
Seite 30




Praxistrainings für die Durchführung der Assessments
Praxistrainings zur systemischen Gesprächsführung mit den Schülern und Eltern
Praxistrainings für die Zusammenarbeit in institutions-übergreifenden,
professionellen Teams mit den beteiligten Ämtern und externen Partnern und
Informationen zur Vorgehensweise in der Schulentwicklung.
multi-
Quer durch alle Fallstudien-Standorte hinweg haben sich im Projektverlauf zwei „Meta-Faktoren“ als
Erfolgsfaktoren herausgestellt:


Infrastruktur: die Strukturen, Strategien und Unterstützungssysteme für das Assessment
Gemeinsame Wertesysteme: Einstellungen, professionelle Wertvorstellungen und
Überzeugungen, die der Schulkultur und dem entsprechenden pädagogischen Ansatz
zugrunde liegen. 51
Ein Umdenken und innovatives Handeln ist nicht nur an deutschen Schulen, sondern auch bei Politikern,
kommunalen Vertretern und Fachexperten erforderlich.
Eine interdisziplinäre und produktive Zusammenarbeit benötigt neu definierte Gestaltungsräume für
tragfähige Umsetzungen innovativer Lösungen.
Empfehlungen zur Umsetzung einer inklusiven Beschulung in Deutschland sind in dem im Anhang
aufgeführten Kurzbericht sowie in dem ausführlichen Projekt-Abschlussbericht nachzulesen.52
5.8 Internationales Legasthenie-Know-how für deutsche Schulen
Die Non-Profit-Organisation Dyslexia International53 hat in Kooperation mit der UNESCO einen LegasthenieOnline-Kurs „Basics for teachers – Dyslexia: Identification and What to do“ zur Weiterbildung von Lehrern
aufgesetzt.
Der Online-Kurs umfasst laut Dyslexia International drei Teilbereiche:
1. Begriffsklärung, Ursachen der Legasthenie, Folgen aus der genetisch bedingten
Beeinträchtigung, Unterschiede zwischen der Wahrnehmung von Menschen mit und ohne
Legasthenie und Erklärungen, was den Umgang mit dem geschriebenen Wort für
legasthene Menschen so schwierig macht
2. Informelle Tests für Lehrer, deren Ergebnisse ggf. auf eine legasthene Veranlagung
hinweisen und Lehrern Anhaltspunkte für förderliche Unterrichtsangebote geben und sie
veranlassen, die Eltern zu informieren und ggf. eine Diagnose zu bewirken
3. Anleitungen zur Gestaltung eines inklusiven Unterrichts innerhalb der Regelklasse soweit
möglich, umfassende Informationen über Fördertechniken und –aufgaben, die - den
Bedürfnissen der Schüler entsprechend ausgewählt – helfen, mit der Beeinträchtigung
besser zurecht zu kommen. Die ausgewählten Förderinstrumente sind für Schüler von
51
Weitere Detail-Informationen unter http://www.european-agency.org/site/themes/assessment/index.shtml
http://www.european-agency.org/publications/flyers/assessment-materials/iia/implementing-inclusiveassessment-graphic-de.pdf
53
Siehe http://www.dyslexia-international.org/
52
Seite 31
genereller positiver Wirkung, so dass die Übungen problemlos in den Regelunterricht
integriert werden können. 54
In französisch- und englisch-sprachigen Ländern ist der Online-Kurs bereits im Einsatz. Aktuell sind die
Fördergelder für die Übersetzungen und Adaptionen des Online-Kurses in die spanische, deutsche,
portugiesische und arabische Sprache beantragt.
In Deutschland haben sich mehrere schulische Institutionen (z.B. Schulen, Lehrerweiterbildungseinrichtungen) entschlossen, an diesem EU-Comenius-Projekt teilzunehmen. Die Einführung des OnlineKurses wird an diesen Partnerinstitutionen in Workshops durch die Projektorganisatoren von Dyslexia
International begleitet und durch deutsche Lehrer erprobt.
In den bisher teilnehmenden Ländern wie z.B. England, Belgien und Frankreich haben Dyslexia International
und die jeweiligen Ministerien das gemeinsame Gespräch gesucht. Die Rückmeldungen der Lehrer sowie
der beobachtete Nutzen und die Wirkung der Kursinhalte wurden gemeinsam bewertet und Strategien für
landesweite Schulentwicklungsprogramme entwickelt und in Gang gesetzt.
5.9 Zusammenfassung zur Situation der schulischen Legasthenie-Förderung in Deutschland
Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg
Die Beispiele aus den verschiedenen Bundesländern veranschaulichen die Bandbreite an LegasthenieFörderung, die in Deutschland zum Teil schon seit vielen Jahren realisiert wird.
Doch noch sind diese Unterstützungsangebote als Insellösungen zu bezeichnen. Wünschen sich Eltern eine
Legasthenie-freundliche Schule, sind sie gezwungen, in spezielle Schulbezirke oder ins Ausland umzuziehen.
Lehrer fühlen sich oftmals überfordert und reagieren daher schnell ablehnend
Denn derzeit machen Eltern meist traurige Erfahrungen, wenn sie in den Schulen die Lehrer ihrer Kinder
ansprechen. Oftmals reagieren die Lehrer ablehnend, stöhnen, worum sie sich noch kümmern müssten und
lehnen im schlimmsten Fall eine Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes ab. So klingen immer wieder die
Erfahrungen betroffener Eltern, die beim Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie Rat und Trost
suchen.
Auf Nachfrage bei Lehrern scheint der Grund für dieses unkooperative Verhalten jedoch weniger an dem
wirklichen Unwillen als vielmehr an der Überforderung der Lehrer zu liegen.
In ihren Augen hätten die Auffälligkeiten bei den Schülern in den vergangenen Jahren stark zugenommen,
führen Lehrer aus. Verständlicherweise erwarteten Eltern von Lehrern eine entsprechende Sachkenntnis
für einen adäquaten Umgang mit ihren Kindern.
Doch die universitären Ausbildungen der Lehramtsstudierenden und Weiterbildungsseminare für aktive
Lehrer enthielten kaum Informationen, noch Praxisanleitungen für den Umgang mit Schülern mit einer
Lernbeeinträchtigung oder speziell zur Legasthenie.
Ratlos und durch die vielfältigen Anforderungen überfordert, reagieren Lehrer oft aggressiv oder mit
Ablehnung. So kommt es bei legasthenen Schülern vielfach erst durch die Kontaktaufnahme spezialisierter
54
Siehe dazu http://www.dyslexia-international.org/OnLearning.htm
Seite 32
Legasthenie-Therapeuten und durch deren Wissenstransfer zu einer konstruktiven und produktiven
Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Eltern und Therapeuten.
Lehrerausbildung vernachlässigt Beratungskompetenz und Prozess-Know-how
Wie auch das europäische Projekt „Inklusionsorientierte Assessments“ verdeutlichte, ist die Reform der
Studiengänge für Lehramt dringend erforderlich.
Anstelle zu einem überwiegenden Anteil Sachwissen zu vermitteln, sollten Lehramtsanwärter aller
Schulfächer auch in ihrer Beratungskompetenz und in Prozess-Know-how geschult werden. Vergleichbar
mit systemischen Coaching-Ausbildungen wäre für Lehramtsstudierende besonders ratsam, ihre eigenen
„blinden Flecken“ in ihrer Persönlichkeit aufzudecken und ihre wertorientierte Grundhaltung zu
hinterfragen.
Im Ergebnis würde die gesamte Gesellschaft von diesen Veränderungen profitieren. Die Schüler fänden in
den umsichtig ausgebildeten Lehrern wichtige Vorbilder, die ihnen in der Phase des Heranwachsens Halt
und Orientierung böten.
Bildungspolitik zielt auf sozialen Ausschluss: Inklusion nicht-sichtbar-Behinderter bleibt Stiefkind
Schaut man auf die aktuelle Strategie und Investitionen des Bundesministeriums für Forschung und Bildung
(BMBF), stellt man fest, dass die geplanten Ausgaben von 6 auf 12 Milliarden Euro erhöht wurden. Diese
Mittel müssen auf „Bildung“ und „Innovationsförderung“ aufgeteilt werden.
Der Blick auf die Investitionsplanungen des Bundesministeriums für Forschung und Bildung, auf der
Homepage veröffentlicht am 6.4.2011, verspricht jedoch keine Veränderungen in den Schulen oder den
Lehramtsstudiengängen.
Schwerpunkte werden lediglich auf die sprachlich- und technisch-orientierte Frühförderung in Kindergärten
und auf den Ausbau der Studienangebote für die Absolventen der doppelten Abiturjahrgänge gelegt.55
55
Vgl. BMBF: Investition in die Zukunft: Das Zwölf-Milliarden Euro-Paket der Bundesregierung;
http://www.bmbf.de/de/6075.php
Seite 33
6. Fazit: Entwicklungspotenziale für Deutschland
Inklusion anstelle Exklusion?
In den internationalen Vergleichsländern wird ein Schüler als Potenzialträger angesehen, der sich meist auf
Gesamtschulen durch eine optimale Unterstützung durch den Lehrer und eine positive Lernumgebung und
Förderung kreativ, angeregt und seinen Fähigkeiten entsprechend entwickeln kann und soll.
In Deutschland muss ein Schüler seinen Wert häufig beweisen. Fällt er dabei aus dem Raster, wird vielfach
nicht nach den Ursachen geforscht, sondern durch eine angepasste Schulempfehlung der Fall aus der Welt
geschafft.
Legasthene Schüler kennen solche Situationen. Aufgrund ihrer meist guten Intelligenz gelingt es
Legasthenikern in der Grundschule leicht, die Defizite im Lesen und Schreiben aus der Lernbeeinträchtigung
zu kompensieren. Bis dahin als Legastheniker noch unerkannt, fallen ihre Lese- oder Schreibschwierigkeiten
erst auf der weiterführenden Schule auf. Die Gefahr: unkundige Lehrer stempeln sie als dumm oder faul ab.
Ohne professionelle Screenings oder Diagnosen und aufgrund der Wissensdefizite bei Lehrern, werden
diese Schüler schnell auf Real - oder Hauptschule verwiesen. Ihre tatsächliche Begabung und Intelligenz
wird dadurch untergraben. Eine spezifische Förderung fehlt. Die Unwissenheit der Lehrer führt zu falschen
Einschätzungen, die den Schüler in seiner schulischen und beruflichen Laufbahn nachhaltig behindern und
demotivieren.
Legasthene Schüler von heute sind Fachkräfte von morgen
Auch Legastheniker zählen zu den vielversprechenden Fachkräften von morgen. Aufgrund der legasthenen
Veranlagungen liegen vielen Legasthenikern besonders die gestaltenden Berufe wie z.B. Ingenieurwesen,
Konstruktion, Design, Möbelbau, u.a.m., in denen räumliches Vorstellungsvermögen hilfreich ist.
Hinzu kommt, dass Legastheniker eine Neigung zur Selbstständigkeit haben und gern und erfolgreich
Unternehmen gründen, wie eine englische Studie nachweist.56
Doch die Zielgruppe „Lernbeeinträchtigte“ wird bei der Ausgestaltung der Demographie-orientierten
Aktivtäten bisher deutlich vernachlässigt.57
Stattdessen lässt sich durch Nachfragen feststellen, dass in Institutionen wie der Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer zwar Inklusions-orientiert beraten wird, doch verstehen jene Ansprechpartner unter Inklusion eher die vergünstigen Bedingungen für Arbeitgeber bei einer Einstellung von
Menschen mit einer Behinderung von mehr 50%.
Charta der Vielfalt – ein ernst gemeintes Anliegen der Regierung?
„Es kommt darauf an, die Vielfalt der Erfahrungen, Begabungen und Bedürfnisse auf der Grundlage
gemeinsamer Werte zu erkennen und anzuerkennen, zu fördern und zu nutzen.“, so lauten die Worte der
Kanzlerin Merkel auf der Urkunde der Charta der Vielfalt, die Unternehmen ausgehändigt bekommen.58
56
http://www.cass.city.ac.uk/news-and-events/news/2011/february/why-people-with-dyslexia-are-successful-inbusiness
57
Siehe dazu „Das Demographie-Netzwerk ddn“; www.demographie-netzwerk.de
58
Charta der Vielfalt; Grußwort der Schirmherrin Dr. Angela Merkel zur Initiative „Diversity als Chance – die Charta der
Vielfalt der Unternehmen in Deutschland“
Seite 34
Nimmt man diese Aufforderung ernst, sollten die beschriebenen kulturellen Rahmenbedingungen auch für
Bildungsinstitutionen gelten.
Die Menschen müssten sich der sozialen Auswirkungen und der gesellschaftlichen Kosten ihres bisherigen
„exklusiven Handelns“ bewusst sein.
Um den dafür erforderlichen Wandel in den Köpfen der beteiligten Politiker, Verwaltungen, Behörden,
Professoren, Lehrstühle, Sachbearbeiter und Lehrer und der Öffentlichkeit zu initiieren, braucht es
Aufklärung, Informationen, Perspektivwechsel und reflexive Lernprozesse.
Wertschätzung des Lehrerberufs: Reform der Studiengänge und Verbesserung des Lehrer-Images
Als eine wichtige Maßnahme sollten die Studiengänge für Lehramt sowie die Weiterbildungsseminare für
Lehrer schnellstens eine neue Ausrichtung erfahren und sich inhaltlich wie kulturell – den
Wirtschaftsunternehmen folgend - ebenfalls zur Charta der Vielfalt bekennen.
Neben Themen wie ‚Wertschätzende und motivierende Unterrichtsgestaltung´‘ und ‚Praxiswissen über
Lernbeeinträchtigungen‘ sollten die zukünftigen Lehrer auch die Fähigkeit zur effektiven multi-professionellen Zusammenarbeit innerhalb der Schule und mit externen Partnern lernen.
Kenntnisse in Gesprächsführung, über die positive Wirkung stabilisierender Kommunikation und
Psychoedukation könnten das Stresserleben der Lehrer besonders im Zusammentreffen mit betroffenen
Eltern deutlich reduzieren.
Mit kompetenten und gelassenen Lehrern fiele es Schülern und Eltern wesentlich leichter, gemeinsam
kreative und verständige Lösungen zur Förderung des Schülers zu entwickeln. Lösungsorientiertes Handeln
sorgt für einen echten Imagegewinn für den Berufsstand Lehrer.
Den Wert der Bildung als Investition der Zukunft anerkennen
Das BMBF schreibt: „Auch das Bildungsniveau hat einen erheblichen Einfluss auf die Wachstumsdynamik: Im
internationalen Vergleich zeigen Staaten mit guten PISA-Testleistungen die größten Wachstumsraten. Schon
der ehemalige amerikanische Präsident John F. Kennedy wusste: "Es gibt nur eins, was auf die Dauer teurer
ist als Bildung: keine Bildung." Die Fortsetzung des gegenwärtig guten Wirtschaftswachstums in
Deutschland ist nicht selbstverständlich - wir müssen auch etwas dafür tun.“59
Doch die bisherigen Maßnahmen überzeugen nicht.
Laut „Bildung auf einen Blick 2011. OECD-Indikatoren“ gibt Deutschland seit 1995 kontinuierlich weniger
Geld für die Bildungsbereiche Grundschule und weiterführende Schulen aus: 1995 investierte Deutschland
noch 5,1% seines BIP, in 2008 nur noch 4,9% seines BIP - deutlich weniger als der OECD-Durchschnitt von
5,9%. Damit steht Deutschland nun auf Platz 30 unter den 36 Ländern, deren Daten zum Anteil des
Nationaleinkommens vorliegen, der in Bildung investiert wird. 60
Aufbau von Netzwerken für eine „Schule der Zukunft“
Die Komplexität von Bildung und die Umsetzungen notwendiger Interventionsmaßnahmen bei Lernbeeinträchtigungen zeigen, dass „Schule“ in der heutigen Form damit überfordert ist.
59
Vgl. BMBF: Investition in die Zukunft: Das Zwölf-Milliarden Euro-Paket der Bundesregierung;
http://www.bmbf.de/de/6075.php
60
Vgl. Bildung auf einen Blick 2011. OECD-Indikatoren; www.oecd.de
Seite 35
Es bedarf grundlegender Bildungsreformmaßnahmen, die das Wohl des Schülers - und auch des Lehrers - in
den Mittelpunkt stellen. Nur so wird sichergestellt, dass ein wertschätzender und fördernder Umgang
miteinander erfolgen kann.
Schuldzuweisungen sind wenig zielführend. Stattdessen müssen Expertennetzwerke geschaffen werden,
die dafür sorgen, dass die vorhandenen Potenziale von Menschen mit Lernbeeinträchtigungen bestmöglich
gefördert werden. Auf diese Weise können sie sich zu fachkompetenten jungen Menschen entwickeln, die
trotz ihrer individuellen Handicaps zu starken Persönlichkeiten heranwachsen.
Um das zu gewährleisten, bedarf es eines innovativen Zusammenspiels von Bildung, Wirtschaft und
Gesellschaft, das den jungen Menschen eine Chancengleichheit ermöglicht, ihre Stärken erkennt und sie in
ihrer Entwicklung fördert und stabilisiert.
Fehlende finanzielle Mittel, Lehrermangel oder andere Restriktionen dürfen nicht als Verhinderungsgrund
gesehen werden, sondern es müssen neue Wege beschritten und erprobt werden, die diese Hindernisse
überwinden.
Die Beispiele aus Deutschland und dem Ausland zeigen, dass vielfältige und bereits erfolgreiche Modelle
existieren, deren bundesweite Übertragbarkeit realisierbar erscheint.
Seite 36
Anhang
Kurzzusammenfassung des Erfahrungsberichts „Wie Inklusionsorientierte Assessments in der Schule
umsetzbar sind?“
Seite 37
Seite 38
Seite 39
Seite 40
Seite 41
Seite 42
Seite 43
Seite 44