Insolvenz- und Erbrecht - Schuldnerfachberatungszentrum (SFZ)

Transcrição

Insolvenz- und Erbrecht - Schuldnerfachberatungszentrum (SFZ)
Insolvenzverfahren und Erbrecht
Das vorliegende Informationsblatt erhalten Sie von einer rheinland-pfälzischen Schuldnerberatungsstelle. Diese möchte Sie darüber informieren, was passiert, wenn ein Schuldner, der gerade
ein Insolvenzverfahren durchläuft, mit dem Erbrecht in Berührung kommt. Stirbt der Schuldner,
dann fragen sich die Erben, ob und wie das Verfahren weitergeht (Fall 1). Erbt der Schuldner,
dann möchte dieser wissen, was mit seinem Erbe passiert (Fall 2).
Grundlagen zum Erbrecht
Was ist eine Erbschaft?
Bei einer Erbschaft treten der oder die Erben
nach einem Todesfall (sog. Erbfall) automatisch und vollständig in die Rechte des Verstorbenen (sog. Erblasser) ein. Dies nennt
man Gesamtrechtsnachfolge, die Rechte
bezeichnet man als Nachlass. Hierfür ist
keine Gerichts- oder Behördenentscheidung
nötig. Die Erben werden im Zeitpunkt des
Todesfalls etwa Eigentümer der Gegenstände, die vorher dem Erblasser gehörten. Sie
haften aber ab dem gleichen Moment auch
für die Schulden des Verstorbenen (sog.
Nachlassverbindlichkeiten): die Erben sind
daher verpflichtet, die Forderungen der
Nachlassgläubiger gegen den Verstorbenen
zu begleichen.
Gibt es mehrere Erben, so kann
ein Nachlassgläubiger gegenüber
jedem der einzelnen Erben seine
Forderung vollständig geltend machen bis
die Forderung beglichen ist.
Beispiel: Der Erblasser hat vier Kinder, die
je zu einem Viertel Erbe geworden sind. Der
Erblasser schuldete einem Gläubiger 1000 €.
Dieser kann nun von einem einzelnen Erben
die vollen 1000 € verlangen. Zahlt einer der
Erben den Betrag, kann er von den anderen
einen Ausgleich verlangen, in diesem Fall je
250 € von seinen drei Geschwistern. Die
Forderung des Gläubigers erlischt durch die
Zahlung des einen Erben und kann nicht
mehr gegen die anderen Erben geltend
gemacht werden.
Was ist ein Pflichtteilsanspruch?
Pflichtteilsansprüche entstehen, wenn der
Erblasser einen gesetzlichen Erben, etwa
seinen Ehegatten oder sein Kind, von der
Erbschaft ausschließt. Dies geschieht wenn
der Erblasser in einem Testament oder
Erbvertrag etwa eines seiner Kinder als
Alleinerben einsetzt, obwohl er noch andere
Kinder hat. In diesem Fall wären alle anderen
gesetzliche Erben, nämlich die anderen
Kinder, von der Erbschaft ausgeschlossen.
Die sog. gewillkürte Erbfolge, also die Bestimmung der Erbschaft durch den Erblasser
selbst (z.B. durch Testament), hat Vorrang
vor den gesetzlichen Erbrechten. Die auf
diese Weise enterbten Personen haben aber
einen Anspruch auf eine Vermögensentschädigung in Geld, den sog. Pflichtteilsanspruch. Dieser Anspruch besteht in halber
Höhe des ursprünglich gesetzlichen Erbrechts.
Beispiel: Der Erblasser setzt einen Freund
zum Alleinerben ein. Das einzige Kind des
Erblassers wird im Testament nicht erwähnt.
Der Freund erbt nun ein Grundstück im Wert
von 100.000 €. Ohne Testament hätte das
Kind das Grundstück geerbt. Daher hat es
nun einen Pflichtteilsanspruch gegen den
Freund des Erblassers in Höhe von 50.000 €.
Der Pflichtteilsberechtigte wird im
Gegensatz zum Erben nicht allein
durch den Tod des Erblassers
Eigentümer oder Inhaber des jeweiligen
Geldbetrages. Er muss den Betrag von dem
Erben einfordern, notfalls vor Gericht.
Was ist ein Vermächtnis?
Ein Vermächtnis stellt keine Erbschaft dar.
Es liegt vor, wenn der Erblasser einer bestimmten Person (etwa im Rahmen eines
Testaments) einen bestimmten Gegenstand
zukommen lassen will. Dabei kann es sich
zum Beispiel um einen Ring oder einen
beliebigen anderen Vermögenswert handeln.
Wie der Pflichtteilsberechtigte
erlangt auch der sog. Vermächtnisnehmer mit dem Todesfall
einen Anspruch auf Herausgabe des Gegenstands gegen den Erben, den er notfalls
vor Gericht durchsetzen muss. Beide Ansprüche gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten.
Ist man zur Annahme der Erbschaft bzw.
Durchsetzung seiner erbrechtlichen
Ansprüche verpflichtet?
Nein. Die Erben haben grundsätzlich sechs
Wochen Zeit darüber zu entscheiden, ob sie
die Erbschaft annehmen. Die Frist beginnt in
der Regel mit Kenntnis des Todesfalls.
Bei mehreren Erben hat jeder
einzelne Erbe das Recht, seine
Erbschaft auszuschlagen. Geschieht dies, erhöht sich die Erbschaft der
übrigen Erben: Schlägt einer von drei
gleichberechtigten Erben seine Erbschaft
aus, erben die beiden übrigen Erben nicht
mehr zu einem Drittel sondern je zur Hälfte.
Falls die Erben die Erbschaft ausschlagen,
sind sie (rechtlich gesehen) niemals Erben
gewesen. Das bedeutet, dass die Gläubiger
eines insolventen Schuldners auch keine
Ansprüche gegen die Erben haben bzw.
niemals hatten. Umgekehrt haben die Erben
aber auch keinerlei Rechte mehr über den
Nachlass. Die Ausschlagung erfolgt durch
Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht.
Ohne ausdrückliches Ausschlagen gilt die Erbschaft als angenommen!
Vermächtnis- oder Pflichtteilsansprüche
müssen nicht ausdrücklich ausgeschlagen
werden. Der Anspruchsinhaber kann einfach
auf die Geltendmachung seiner Rechte
verzichten. Er muss keine Erklärung beim
Nachlassgericht abgeben.
Vermächtnis- und Pflichtteilsansprüche verjähren nach drei
Jahren und können danach nicht
mehr eingefordert werden, wenn die Erben
sich auf die Verjährung berufen. Für nähere
Informationen sollten Sie anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.
Das Insolvenzerbrecht
Besonderheiten des Insolvenzerbrechts in
drei bedeutenden Verfahrensschritten (A-C):
Schaubild zum
Ablauf des Insolvenzverfahrens:
(erfolgloser) außergerichtlicher Einigungsversuch
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiung
A
Beginn des Insolvenzverfahrens
und der Wohlverhaltensperiode
B
Abschluss des Insolvenzverfahrens,
Fortlauf der Wohlverhaltensperiode
C
Ablauf der Wohlverhaltensperiode:
Erteilung der Restschuldbefreiung
Die Fallkonstellationen
Fall 1: Das Insolvenzverfahren des Schuldners S wurde am 03.03.2011 eröffnet. Er
verstirbt am 06.10.2011 bei einem Autounfall.
Welche Auswirkungen hat der Todesfall
auf das Insolvenzverfahren selbst?
Das Insolvenzverfahren (A) wird durch den
Todesfall nicht automatisch beendet. Ein
bereits begonnenes Verbraucherinsolvenz-
verfahren geht, ohne dass hierfür ein Antrag
oder eine Gerichtsentscheidung nötig ist, mit
dem Todesfall in ein sogenanntes Nachlassinsolvenzverfahren über (siehe unten).
Innerhalb des Nachlassinsolvenzverfahrens
wird das vererbte Vermögen von einem
Nachlassinsolvenzverwalter verwaltet. Dieser
wird vom Insolvenzgericht bestimmt.
Wie wirkt sich der Todesfall auf eine bereits vom Verstorbenen beantragte Restschuldbefreiung aus?
Ist die Wohlverhaltensperiode zum Todeszeitpunkt des Schuldners abgelaufen und
steht nur noch die Entscheidung des Insolvenzgerichts aus (C), ob die Restschuldbefreiung erteilt wird, so kann diese Entscheidung auch gegenüber den Erben ergehen.
Sie würden also von geerbten Schulden
befreit. Tritt der Todesfall nach dem Antrag
auf Erteilung der Restschuldbefreiung aber
noch während der Wohlverhaltensperiode ein
(B), erfolgt an deren Ende keine Restschuldbefreiung der Erben! Die Restschuldbefreiung soll das „Wohlverhalten“ des (verstorbenen) Insolvenzschuldners belohnen. Das
„Wohlverhalten“, etwa das Bemühen um eine
Arbeitsstelle, ist eine sog. höchstpersönliche
Pflicht, die von niemand anderem erfüllt
werden kann, auch nicht von den Erben.
Welche Voraussetzungen hat das
Nachlassinsolvenzverfahren?
Voraussetzung der Nachlassinsolvenz ist die
Annahme der Erbschaft. Das Verfahren kann
von Erben und Gläubigern beantragt werden.
Die Erben können das Verfahren beantragen, wenn sie in naher Zukunft nicht in der
Lage sein werden, die Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen. Jeder Erbe kann das
Verfahren beantragen
Wozu dient das Nachlassinsolvenzverfahren und welche Wirkungen hat es?
Das Nachlassinsolvenzverfahren dient wie
das gewöhnliche Insolvenzverfahren dem
Zweck, die Schulden gegenüber den Nachlassgläubigern zu erfüllen. Gleichzeitig soll
es die Haftung der Erben beschränken.
Innerhalb des Verfahrens werden das bisherige Vermögen des Erben (Eigenvermögen)
von den geerbten Gegenständen und Rechten (Nachlassvermögen) getrennt. Der Erbe
haftet nun gegenüber den Alt- bzw. Nachlassgläubigern seines Erblassers nur noch
mit dem Nachlassvermögen. Sein Eigenvermögen wird verschont. Allerdings darf das
Nachlassvermögen nun auch nur noch zu
Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten
genutzt werden. Die Kosten des Verfahrens
werden aus dem Nachlassvermögen bezahlt.
Die Nachlassinsolvenz kann nur
für eine Erbschaft als Ganzes
beantragt werden. Gibt es mehrere Erben, so kann das Verfahren nur über
die gesamte Erbschaft aller Erben, nicht
aber über den Erbteil der einzelnen Erben
eröffnet werden.
Fall 2: Der insolvente Schuldner S hat ein
Insolvenzverfahren und die Restschuldbefreiung beantragt. Im Laufe des Verfahrens
stirbt sein Vater; seine Mutter ist schon
lange tot. S ist Alleinerbe.
Erbschaften, Pflichtteilsansprüche oder
Vermächtnisse nach Beginn aber vor
Beendigung des Insolvenzverfahrens (A)
Eine Erbschaft wird mit dem Eigenvermögen
des Erben vereint. Sie wird Teil des Vermögens, mit dem die Forderungen der Gläubiger erfüllt werden (Insolvenzmasse) Dasselbe gilt für Pflichtteils- oder Vermächtnisansprüche, falls der Schuldner sie geltend
macht. Tut er dies, so muss er bei der
Durchsetzung dieser Ansprüche mitwirken
(etwa vor Gericht). Unterstützt er den Treuhänder bei der Durchsetzung nicht, kann ihm
die Restschuldbefreiung verweigert werden.
Die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung ist als sog. höchstpersönliches
Recht allein Sache des Erben, das nicht vom
Treuhänder ausgeübt werden darf.
Der insolvente Erbe muss weder
eine Erbschaft annehmen noch
einen Pflichtteils- oder Vermächtnisanspruch geltend machen!
Erbschaften, Pflichtteilsansprüchen oder
Vermächtnisse nach Beendigung des
Insolvenzverfahrens aber während der
Wohlverhaltensperiode (B)
Solches Vermögen kann der Schuldner zur
Hälfte behalten. Die andere Hälfte ist an den
Treuhänder abzugeben.
Auch hier hat der Schuldner das
Recht zur Ausschlagung der
Erbschaft und muss einen Vermächtnis- oder Pflichtteilsanspruch nicht
geltend machen.
Vermächtnis- oder Pflichtteilsansprüche,
die während des Insolvenzverfahrens
entstehen (A), aber erst nach dessen
Beendigung und vor Ablauf der Wohlverhaltensperiode (B) geltend gemacht werden
Solche Ansprüche werden zur Erfüllung der
Insolvenzschulden verwendet, wenn der
Treuhänder oder ein Gläubiger dies beim
Insolvenzgericht beantragt (sog. Nachtragsverteilung). Das Insolvenzgericht kann eine
solche Verteilung auch ohne Antrag anordnen oder auf die Verteilung verzichten, wenn
die Ansprüche nur geringen Wert haben und
sich der Aufwand der Verteilung nicht lohnt.
Verweigerung der Restschuldbefreiung,
wenn der Schuldner seinem Treuhänder
eine Erbschaft oder erbrechtliche Ansprüche verschweigt
Dies ist möglich, wenn der Schuldner dem
Treuhänder solche Informationen aktiv verheimlicht. Ein Verheimlichen kann auch in
einem Verschweigen zu sehen sein. Solange
der Schuldner eine Erbschaft aber später
noch annehmen oder einen Pflichtteils- oder
Vermächtnisansprüche immer noch geltend
machen kann, darf er sie verschweigen.
Weitere Möglichkeiten für
den oder die Erben
Die Nachlassverwaltung
Dieses Verfahren kann durchgeführt werden,
wenn die Erben keinen Überblick über den
Nachlass haben und unsicher sind, ob die
Nachlassverbindlichkeiten beglichen werden
können. Ansonsten stimmt das Nachlassverfahren in seiner Wirkung im Wesentlichen mit
dem Nachlassinsolvenzverfahren überein. Es
muss beim Nachlassgericht beantragt werden.
Die Einreden
Ist das Nachlassvermögen zu klein, um die
Kosten eines Nachlassinsolvenz- oder Nachlassverwaltungsverfahrens, zu tragen, können die Erben gegenüber Nachlassgläubigern die sog. Dürftigkeitseinrede erheben.
Die Erben müssen dann nur das Nachlassvermögen zur Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten verwenden. Ihr Eigenvermögen bleibt verschont. Reicht der Nachlass
nicht aus, um die Nachlassschulden zu
begleichen oder besteht gar kein Nachlassvermögen, dann können die Erben die sog.
Unzulänglichkeitseinrede bzw. die Erschöpfungseinrede erheben.
Die Broschüre wurde Ihnen überreicht von:
Stempel der Beratungsstelle
Diese Broschüre wurde erstellt vom
Schuldnerfachberatungszentrum (SFZ) der
Johannes Gutenberg-Universität (JGU), 55099
Mainz, Web: sfz.uni-mainz.de, Mail: [email protected]
Für die Richtigkeit der Angaben in dieser Broschüre übernehmen wir keine Gewähr.
Version 18.04.2012

Documentos relacionados