Das unentdeckte Massengrab von Jamlitz

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Das unentdeckte Massengrab von Jamlitz
Das unentdeckte Massengrab von Jamlitz
Die Historie
Der Reichsführer der SS Himmler plante in der Umgebung der Gemeinde Jamlitz die Errichtung eines
Truppenübungsplatzes. Die Bauarbeiten sollten durch so genannte „Arbeitsjuden“ als Teil des Programms „Vernichtung durch Arbeit“ durchgeführt werden. Im Jahr 1943 wurde daher in Jamlitz ein Außenlager des KZ-Sachsenhausen errichtet. Dieses Lager diente später von Herbst 1945 bis April 1947
als sowjetisches Speziallager.
Anfang Februar 1945 wurde das Außenlager Lieberose des KZ-Sachsenhausen geräumt. Die nicht
gehfähigen Häftlinge wurden in zwei Mordaktionen erschossen. Die Opfer der zweiten Mordaktion vom
3. Februar 1945 wurden auf dem heutigen Gebiet der Gemeinde Schenkendöbern in einer Kiesgrube
(bei Staakow) verscharrt. Nachdem man bereits 1958 auf zwölf Gebeine gestoßen war, dies aber vor
der Öffentlichkeit geheim gehalten hatte, fand man im Mai 1971 bei Bauarbeiten weitere 577 Gebeine.
Dass es sich dabei nicht um alle Opfer handeln konnte, war bereits der DDR bekannt, denn in einem
1984 herausgegebenen Museumsheft der „Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen
Arbeiterbewegung der Kreisleitung Beeskow der SED und der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte
Sachsenhausen“ ist die Rede von 1.100 ermordeten Häftlingen.
Das Massengrab mit den jüdischen KZ-Opfern der ersten Mordaktion am 2. Februar 1945 konnte bis
heute nicht gefunden werden. Im Jahr 2006 legte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Prof. Dr. Morsch ein wissenschaftliches Gutachten zur Existenz und wahrscheinlichen Lage
dieses Grabes vor, bei dem er sich auf die Auswertung umfangreicher Quellen stützt. Auf dieser Grundlage konnte er den Tathergang der beiden Mordaktionen am 02.02. und 03.02.1945 weitgehend rekonstruieren. Er konnte nachweisen, dass den Erschießungen insgesamt 1.342 Häftlinge zum Opfer fielen.
Damit wissen wir, dass nach den genannten bisherigen Funden der Verbleib der sterblichen Überreste
von 753 Ermordeten unbekannt ist.
Die Suche
Nach der friedlichen Revolution 1989 konnte sich unbelastet von ideologischer Ausgrenzung mit der
Geschichte der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft auch in der Region Jamlitz-Lieberose auseinandergesetzt werden. Im Ergebnis begann 1997 die systematische Suche nach dem Massengrab der
jüdischen KZ-Opfer, die vermutlich zum großen Teil Männer und Frauen aus Ungarn und Polen sind.
Das vom Gesetz her in Brandenburg für die ‚Feststellung, Anlegung und Pflege’ des Grabes zuständige
Amt Lieberose/Oberspreewald musste nach einiger Zeit erkennen, dass das Ausmaß der in Frage
kommenden Suchflächen, die umfangreich notwendige Einbindung von anderen Behörden und Organisationen, die politisch-moralische Sensibilität der Suchmaßnahmen, aber auch auftretende Rechtsfragen die eigenen Möglichkeiten überforderten und Unterstützung erforderlich war.
Deshalb übernahm im Sommer 2002 das Innenministerium als das für Gräberfragen zuständige Ressort
der Landesregierung die Koordinierung der Suchmaßnahmen. Innenminister Jörg Schönbohm hat wiederholt bekräftigt, dass „die Suche nach dem Massengrab in Achtung vor den Opfern und ihren Angehörigen für die Landesregierung eine historische, aber auch zutiefst politisch-moralische Verpflichtung
ist“. Im selben Jahr wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe gebildet. Die Kommission ‚Jamlitz’ arbeitete bis 2004. Insgesamt erfolgte die Absuche von rund 20 ‚Verdachtsflächen’ auf etwa 200.000 Quadratmetern. Das Grab wurde trotz großen Aufwandes – unter anderem unterstützte die Bundeswehr die
Suche durch den Einsatz von Flugzeugen mit Infrarot-Kameras – nicht gefunden. Bis 2009 galt ein etwa
5.000 Quadratmeter großes Grundstück in Jamlitz als Hauptverdachtsfläche, weil die stärksten Indizien
darauf deuteten, dass sich das Grab in der Nähe der ehemaligen sogenannten Schonungsblocks befinden könnte, wobei der Standort der Schonungsblocks zwar ungefähr, nicht aber exakt bekannt war.
Dieses Grundstück konnte erst im Mail 2009 untersucht werden.
Zur Vorbereitung und Durchführung der 2009 erfolgten Suchgrabung wurde erneut eine Arbeitskommission gebildet. Die Arbeit der Kommission ‚Jamlitz II’, in der unter anderem auch der Zentralrat der Juden
in Deutschland und die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten mitarbeiten, koordiniert wiederum das
Innenministerium.
Leider konnte das Grab auf dem als Hauptverdachtsfläche geltenden Grundstück nicht gefunden werden. Allerdings wurde festgestellt, dass sich einer der beiden Schonungsblocks exakt auf der Grenze
zum Nachbargrundstück befand, so dass sich der zweite Schonungsblock auf dem Nachbargrundstück
befunden haben muss. Da die Indizien auf die Existenz des Grabes in der unmittelbaren Umgebung der
Schonungsblocks hinweisen, soll nun auch das Nachbargrundstück überprüft werden. Jetzt hoffen alle
Beteiligten darauf, dass mit der Grabstelle der 753 ermordeten jüdischen KZ-Häftlinge das vermutlich
deutschlandweit größte Massengrab jüdischer NS-Opfer außerhalb der KZ-Hauptlager doch noch gefunden wird und zu einem Ort würdevoller Totenruhe und stillen, mahnenden Gedenkens werden kann.
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