1989 10-1 Nachkriegsliteratur 1945
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1989 10-1 Nachkriegsliteratur 1945
BD LITERATUR UND LITERATURWISSENSCHAFT BDBA Deutsche Literatur 1945 - 1989 HANDBUCH 10-1 Nachkriegsliteratur 1945 - 1989 / Helmut Peitsch. - Göttingen : V & R Unipress, 2009. - 404 S. : Ill. ; 25 cm. - (Schriften des ErichMaria-Remarque-Archivs ; 24) (Veröffentlichungen des Universitätsverlags Osnabrück bei V & R Unipress). - ISBN 978-3-89971730-3 : EUR 53.90 [#0956] Wann endet die Nachkriegsliteratur? Die gängigen germanistischen Periodisierungsvorschläge reichen von 1949 über 1952, 1955, 1959/60, 1968/71 bis 1989/90.1 Dabei gehört es zum Konstruktcharakter von Epochenbegriffen, daß ihre historische Fixierung immer nur bis auf weiteres getroffen und ihre inhaltliche Füllung immer neu diskutiert wird. Jede Periodisierung hat freilich heuristische Konsequenzen, die in diesem Fall vor allem die Frage betreffen, inwieweit sich die deutsche Teilung in einer jeweils eigenständigen westdeutschen und einer ostdeutschen literarischen Entwicklung niedergeschlagen hat bzw. ob die zeitweilig stark betonten Unterschiede mit dem historischen Abstand nicht zurücktreten zugunsten eines integrativen Blicks auf eine spannungsvolle Zeit des Übergangs. Wie die Beziehungen zwischen den gleichzeitigen Literaturen der beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften beschaffen und vor allem: wie sie im Laufe der Jahrzehnte gesehen und beurteilt wurden, will Helmut Peitschs kompakte Darstellung in konsequenter Gegenüberstellung und Spiegelung rekonstruieren. Drei historischen Ereignissen kommt gliedernde Funktion zu, 1 Vgl. z.B. Nachkriegsliteratur - eine neue deutsche Literatur? / Frank Trommler. // In: Literaturmagazin. - 7 (1977), S. 167 - 186. - Zur Periodisierung der deutschen Literatur seit 1930 / Hans Dieter Schäfer. // In: : Literaturmagazin. - 7 (1977), S. 95 115. - Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart / von Wilfried Barner ... Hrsg. von Wilfried Barner. - München : Beck, 1994. - XXIV, 1116 S. ; 23 cm. - Dieser Band ist zugl. Bd. 12 der Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. - ISBN 3-406-38660-1 : DM 78.00 [2586]. - Hier besonders S. 3 - 160. - Rez.: IFB 95-1-075 http://www.bsz-bw.de/depot/media/3400000/3421000/3421308/95_0074.html Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945 / Ralf Schnell. - 2., überarb. und erw. Aufl. - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2003. - XI, 628 S. : Ill. ; 25 cm. ISBN 3-476-01900-4 : EUR 39.95 [7694]. - Rez.: IFB 04-2-450 http://ifb.bsz-bw.de/bsz105764299rez.htm - Erzählliteratur der frühen Nachkriegszeit : (1945 - 1952) / von Volker Wehdeking und Günter Blamberger. - München : Beck, 1990. - 239 S. ; 23 cm. - (Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte). - ISBN 3-40634759-2. weil sie sich besonders nachhaltig auf die Bedingungen der Produktion, Distribution und Rezeption von Literatur ausgewirkt haben: Die Gründung der beiden deutschen Teilstaaten 1949 schafft zwei konkurrierende Systeme mit unterschiedlichen Vorstellungen von Öffentlichkeit, Staat, Zensur und literarischem Markt; der Mauerbau 1961 verschärft einerseits die Lage, leitet jedoch andererseits einen Prozeß der zunehmenden wechselseitigen Anerkennung zwischen zwei Literaturen ein, der bis zur Mitte der siebziger Jahre andauert. Die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 und die sich daran anschließende Übersiedlung vieler bedeutender DDR-Autoren (bis 1989 über fünfzig) eröffnet schließlich eine Phase, in der die Legitimation einer eigenständigen DDRLiteratur zunehmend schwindet. Nach einleitenden Überlegungen widmet Peitsch zunächst der unmittelbaren Nachkriegszeit 1945 bis 1949 ein Kapitel, das die schwierigen Distributionsbedingungen in den Besatzungszonen erhellt, die Schuldfrage in politischem, philosophischem und literarischem Kontext untersucht und mit der Kurzgeschichte eine Gattung aufgreift, in der die Autoren der „Jungen Generation“ ihren programmatischen Anspruch auf Neubeginn, „Kahlschlag“ (Wolfgang Weyrauch) und „tabula rasa“ (Alfred Andersch) einlösen wollten. Für den Zeitraum 1949 bis 1961 werden Entwicklungen im Verlags- und Zeitschriftenwesen, die Etablierung der offiziellen Leitdiskurse Antifaschismus (in der DDR) und Antitotalitarismus (in der BRD) sowie die Schwierigkeiten fokussiert, die sich aus dem Verhältnis zwischen ästhetischer Moderne und sozialistischem Realismus ergeben. Generell stellt sich in der Rückschau heraus, wie sehr die Differenzierung zweier deutscher Literaturen im ersten Nachkriegsjahrzehnt vor allem vom Westen forciert wurde: „Die Gründung der BRD führte, unter Beteiligung staatlicher Stellen, zur Schaffung auf Westdeutschland beschränkter repräsentativer literarischer Institutionen und zur Spaltung in der Besatzungszeit entstandener ‚gesamtdeutscher’. Die Akademie für Sprache und Dichtkunst, Darmstadt, wurde ebenso wie die Literatur-Abteilung der Westberliner Akademie der Künste auf den Ausschluss Ostdeutscher ausgerichtet […]“ (S. 30). In der DDR dagegen war damals noch viel vom gemeinsamen kulturellen Erbe, von der angeblich unteilbaren Einheit der deutschen Literatur die Rede. Erst seit 1961 verändert sich diese Haltung auf beiden Seiten: Die schweigende Ausgrenzung von DDR-Autoren durch die Bundesrepublik endet ebenso wie die wortreiche Beschwörung kultureller Einheit in der Deutschen Demokratischen Republik. Mit dem Ende der sechziger Jahre wächst die Zahl der Titel, die ostdeutsche Autoren zuerst in der BRD publizieren (müssen); solche ‚Umweg-Publikation’ deutet schon auf die zunehmende, von Hans Mayer als solche benannte und durch die Übersiedlungswellen seit 1976 massiv beförderte „Konvergenzbewegung der deutschen Literatur“2 hin. Auf rund 360 Seiten Haupttext (zu denen etwa 30 Seiten Literaturverzeichnis hinzukommen) können die Autoren, Werke und Diskurse aus fast fünfzig Jahren Nachkriegsliteratur natürlich nur selektiv erfaßt werden. Es macht aber den Wert der Darstellung aus, daß eine plausible Repräsentativität gewährleistet 2 Literatur heute im geteilten Deutschland / Hans Mayer. // In: Schriftsteller und Politik in Deutschland / Werner Link (Hrsg.). - Düsseldorf : Droste-Verlag, 1979, S. 115 - 129, hier S. 127. bleibt. Das geschieht einerseits durch eine angemessene Vielfalt der Zugänge: Manche Kapitel sind strikt sozialgeschichtlich grundiert und faktengesättigt, etwa wenn es um Verlags- und Zeitschriftenwesen (S. 117 - 139) oder um Rundfunk und Fernsehen (S. 185 - 216) geht; daneben stehen aber auch primär geistesgeschichtlich orientierte Überlegungen beispielsweise zu Geschichte und Identität (S. 301 - 327), literarästhetische Ausführungen wie die zum Dokumentarismus (S. 245 - 279) sowie knappe textimmanente Analysen, etwa zur jeweils spezifischen Erzählweise von Wolfgang Koeppens Tod in Rom (S. 177 -1 79) oder Gisela Elsners Die Riesenzwerge (S. 240 - 243). Als besonders geglückt ist ein Kunstgriff hervorzuheben, den man emblematisch nennen könnte: Peitsch verwendet insgesamt 14 Abbildungen, die jeweils am Anfang eines Kapitels stehen und deren Aussagekraft in einer kursiv gesetzten, umfangreichen Subscriptio entfaltet wird. Das Spektrum reicht vom Buchcover bis zum Schriftstellerfoto, vom Typoskript bis zur Zeichnung, von der Briefmarke bis zum Theaterplakat – und immer ist das Bild mehr als bloße Illustration, nämlich ein geschickt genutzter Anlaß, an exemplarischen Gegenständen beachtliche Bedeutungstiefen auszuloten. Sascha Kiefer QUELLE Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft http://ifb.bsz-bw.de/ifb2/