Depressionen - Schmerzzentrum Ludwigshafen

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Depressionen - Schmerzzentrum Ludwigshafen
Ratgeber
Depression und Soziales
Familie, Beruf, Rehabilitation …
Ein Service der betapharm
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Ratgeber zum Thema Depression bietet umfassende
Informationen zu den sozialen Auswirkungen dieser Erkrankung.
Behandelt werden Themen wie: Umgang mit Depressionen,
Krankengeld, Arbeitsunfähigkeit, Rehabilitation und vieles mehr.
Fachkräften im Gesundheitswesen möchten wir damit bei der
Kommunikation mit ihren PatientInnen hilfreich zur Seite
stehen. Betroffenen und Angehörigen möchten wir umfassende
Informationen an die Hand geben, damit sie mit dieser Krankheit
im Alltag besser umgehen können.
Die fachliche und inhaltliche Qualität garantiert das gemeinnützige beta Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement
Entwicklung, das 1999 von der betapharm gegründet wurde.
In diesem Institut entwickeln Sozialexperten Angebote, die
helfen, Patienten ganzheitlich zu betreuen.
Sollten Sie noch Fragen über die Inhalte dieses Ratgebers
hinaus haben, stehen Ihnen die Expertinnen des
betafon – Infodienst für Sozialfragen gerne zur Verfügung.
Für Fachkräfte im Gesundheitswesen:
Mo–Do 9–18 Uhr und Fr 9–16 Uhr.
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Mit herzlichen Grüßen
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Für Patienten und Angehörige Mo – Do 16 –18 Uhr.
betafon 01805 2382366 (12 Cent / Minute).
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Dr. Wolfgang Niedermaier
Horst Erhardt
Geschäftsführer betapharm
Geschäftsführer beta Institut
Inhaltsverzeichnis
Depressionen
3
Umgang mit Depressionen
5
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
8
8
8
9
15
Arbeitsunfähigkeit
Entgeltfortzahlung
Krankengeld
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen
Krankenversicherung
Zuzahlungen
Zuzahlungsbefreiung bei Erreichen der Belastungsgrenzen
Rehabilitation
17
17
19
23
23
25
27
29
32
Allgemeines zur Rehabilitation
Stationäre Rehamaßnahmen
Psychotherapie
Stufenweise Wiedereingliederung
Berufliche Rehabilitation
Schwerbehinderung
36
36
38
40
Allgemeines zu Schwerbehinderung
Schwerbehindertenausweis
Grad der Behinderung bei Depressionen
Ernährung bei Depressionen
41
Sport und Depressionen
42
Urlaub bei Depressionen
43
Adressen
44
Hinweis:
Zur besseren Lesbarkeit wird im Text häufig die männliche Form verwendet.
Gemeint sind grundsätzlich weibliche und männliche Personen.
Inhaltsverzeichnis
1
Depressionen
Die Depression ist eine psychische Erkrankung, die die Stimmung,
das Denken, das Verhalten und die Körperfunktionen der
Betroffenen tiefgreifend und langfristig verändert.
Nicht zu verwechseln ist sie mit vorübergehenden Phasen von
Niedergeschlagenheit oder Antriebsschwäche, die fast jeder
aus seinem Leben kennt. Oft folgen solche Phasen auf Ereignisse
wie Trennungen, Verlust des Arbeitsplatzes oder Tod eines
Angehörigen. Der Körper braucht die Zeit, um sich von einschneidenden oder emotional belastenden Ereignissen zu erholen.
Mit einer krank machenden Depression hat das nichts zu tun,
solange die Phasen von gesunder Traurigkeit bald wieder vorüber
sind und ihren Zweck erfüllt haben, dass der Betroffene wieder
Mut und Kraft hat.
Bei der Depression kommt es langfristig zum Verlust der
Fähigkeit, sich an wichtigen Dingen des Alltags zu freuen bzw.
daran teilzunehmen. Depressive Menschen empfinden oft eine
innere Leere und es fehlt den meisten an Antrieb und der
Motivation zur Durchführung einfacher Alltagsaktivitäten wie
Putzen, Kochen oder Pflege von sozialen Kontakten oder Hobbys.
Selbst die Motivation zu essen bis hin zur Körperpflege fehlt bei
den meisten Erkrankten.
In Deutschland leiden mindestens 4 Millionen Menschen an behandlungsbedürftigen depressiven Störungen, in den westlichen
Industrieländern sind Depressionen hinter den Herz-KreislaufKrankheiten das zweithäufigste Leiden. Frauen erkranken ca.
zwei- bis dreimal so häufig wie Männer.
Es gibt leichte, mittelschwere und schwere Verlaufsformen von
Depressionen. Bekannt ist auch die saisonal abhängige Depression
(SAD), die so genannte „Winterdepression“, die jedoch innerhalb
der Depressionen nur eine kleine Gruppe darstellt.
Die meisten Depressionen können durch Behandlung mit
Medikamenten und eventuell begleitende Psychotherapie geheilt
werden.
Formen von Depressionen
Depressionen
3
Symptome von Depressionen
Depressionen haben sehr unterschiedliche Auswirkungen auf
seelischer und körperlicher Ebene. Sie können sich sehr unterschiedlich und über eine Vielzahl von Beschwerden äußern.
Hier eine Auswahl der häufigsten Symptome:
• Schwäche, Energieverlust, Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit,
gedrückte Stimmung
• Störung des Antriebs, Unentschlossenheit,
Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen
• geringes Selbstbewusstsein, Schuldgefühle
• geminderte Konzentrationsfähigkeit
• Spannung, Angst, Hilflosigkeit, Panikattacken
• Unruhe und Rastlosigkeit oder Bewegungslosigkeit
und Ausdruckslähmung
• Schlafstörungen: Oft wachen Patienten am frühen Morgen
auf und können nicht mehr einschlafen.
• körperliche Schmerzen, Verlust der Libido
• Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Verstopfung
4
Ursachen von Depressionen
Die Ursachen depressiver Erkrankungen sind noch nicht eindeutig
geklärt. Man geht davon aus, dass bei der Entstehung mehrere
Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehören die genetische und
neurobiologische Grundausstattung eines Menschen sowie die
seelischen Belastungen, denen er ausgesetzt ist. Es besteht in der
Wissenschaft wenig Zweifel daran, dass die Wahrscheinlichkeit,
an Depressionen zu erkranken, auch eine erbliche Komponente
hat. Bei depressiven Menschen ist ein Mangel an den chemischen
Botenstoffen (Neurotransmittern) Serotonin und Noradrenalin zu
beobachten.
Besteht durch biologische oder lang andauernde Einflüsse
(Familie und Erziehung) eine gewisse Anfälligkeit, können
Ereignisse wie Partnerverlust, Dauerüberlastung im Beruf,
Todesfälle im Umfeld oder lang andauernde Belastungen durch
Krankheit, Beziehungskonflikte und Stress Depressionen auslösen.
Depressionen und Licht
Man vermutet als Ursache der Winterdepression einen Lichtmangel. Dieser wird mit einer Lichttherapie ausgeglichen. Dabei
schaut der Patient täglich (am besten vormittags) in ein Licht mit
mindestens 2.500 Lux. Dies bewirkt über die Reizung der Netzhaut und des Sehnervs eine vermehrte Ausschüttung von
Serotonin und Melatonin, was den Krankheitsverlauf günstig
beeinflusst. Die Behandlung dauert mehrere Tage bis Wochen.
Allerdings sollte die Lichttherapie als unterstützendes Verfahren
zur medikamentösen und psychologischen Behandlung betrachtet werden.
Depressionen
Umgang mit Depressionen
Eine depressive Erkrankung hat nichts mit einer „Verstimmung“
oder einer schlechten Phase zu tun. Wird die Erkrankung nicht
behandelt, sondern bagatellisiert („Das wird schon wieder...“),
fühlen sich Betroffene noch weniger verstanden und sinken möglicherweise noch tiefer in die Depression. Depressionen sind ernst
zu nehmende Erkrankungen. Depressive Menschen können ihre
Traurigkeit und die Unfähigkeit, aktiv zu sein, nicht willentlich
beeinflussen.
Menschen, bei denen eine depressive Erkrankung vorliegen
könnte, sollten sich unbedingt in ärztliche Behandlung begeben.
Da vielen Betroffenen dazu die Kraft fehlt, wäre eine Unterstützung durch Angehörige oder Freunde ideal.
Eine medikamentöse Behandlung wird vom Arzt/Facharzt, je nach
Schweregrad, in die Wege geleitet. Die Behandlung verschafft
meist Linderung der Symptome und führt in der Regel zu einer
Heilung der Krankheit. Dazu müssen aber die Medikamente regelmäßig und über einen längeren Zeitraum eingenommen werden.
Einige Antidepressiva entfalten ihre Wirkung erst nach einigen
Wochen. Deshalb kann es hilfreich sein, wenn Angehörige an die
Medikamenteneinnahme erinnern und darauf achten, dass diese
den Anweisungen des Arztes entsprechend ausgeführt wird.
Kommt es zu einer Besserung durch die medikamentöse Therapie,
dürfen die Medikamente auf keinen Fall eigenmächtig niedriger
dosiert oder abgesetzt werden. Es bestünde dann die Gefahr eines
Rückfalls.
Antidepressiva sind keine Beruhigungsmittel, sie machen nicht
abhängig. Eine vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit
zwischen Betroffenem und behandelndem Arzt ermöglicht die
Auswahl des richtigen Medikaments und aller weiteren
Therapieschritte. Besonders am Anfang der Therapie wird der Arzt
meist mehrmals pro Woche nachfragen, wie das Medikament
anschlägt, welche Nebenwirkungen auftreten und was sich in
Bezug auf Schlaf, Antrieb etc. verändert.
Ärztliche Behandlung und
Medikamente
Es ist wichtig, dass Betroffene, Angehörige und Freunde wissen,
dass Depressionen eine behandelbare Krankheit sind. Beratung
und Informationen rund um Depressionen helfen sowohl den
Betroffenen als auch ihrem Umfeld. Informationen über die
Erkrankung und über Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen
gibt vor allem der behandelnde Arzt. Ab Seite 44 ist eine erste Auswahl wichtiger Adressen aufgelistet. Außerdem können Adressen
und Anlaufstellen über das betafon – Infodienst für Sozialfragen
angefordert werden (Telefon 01805 2382366, 12 Cent/Minute)
oder sind im Internet nachzulesen unter www.betanet.de.
Beratung
Umgang mit Depressionen
5
Gestaltung des Tagesablaufs
Viele depressive Menschen haben keinen Antrieb, und es scheint
ihnen nicht möglich, morgens aufzustehen, sich zu waschen und
anzukleiden, daher spielt die Gestaltung des Tagesablaufs eine
wichtige Rolle. Angehörige können dabei unterstützen und
Hilfestellungen anbieten. Daneben kann z. B. täglich um die
gleiche Zeit ein Spaziergang vereinbart werden. Bewegung an der
frischen Luft und bei Tageslicht ist in jedem Fall positiv für die
Erkrankten.
Es hilft Betroffenen, ihren Tagesablauf zu strukturieren und sich
am Vortag einen konkreten Plan zu schreiben, kleine Aufgaben
wie Duschen, Einkaufen, Aufräumen mit der konkreten Uhrzeit zu
versehen und dann zu kontrollieren, ob sie erledigt wurden. Die
Aufgaben sollten überschaubar und zu bewältigen sein. So haben
die Betroffenen Erfolgserlebnisse und fühlen sich weniger hilflos.
Angehörige können den Tagesablauf unterstützen, indem sie an
solchen Aktivitäten teilnehmen und damit den Erkrankten unterstützen.
6
Keine wichtigen
Entscheidungen treffen
Weitreichende Entscheidungen beruflicher oder privater Art
können bzw. sollen in einer Krankheitsphase nicht getroffen
werden. Depressive Menschen empfinden und bewerten anders,
deshalb bereuen sie möglicherweise Entscheidungen, wenn sie
wieder gesund sind.
Körperliche Aktivität
So schwer dies depressiven Menschen auch fällt, sie sollten selbst
versuchen und von ihrem Umfeld angehalten werden, so weit es
geht körperlich aktiv zu sein. Viele können morgens kaum das
Bett und tagsüber die Wohnung verlassen. Dies wäre jedoch ein
sehr großer Schritt zur Besserung. Bewegung kann helfen, den
negativen Gedanken- und Gefühlskreislauf zu stoppen. Jede
körperliche Aktivität, Aufstehen nach dem Aufwachen, Aufräumen, kleine Einkäufe und kurze Spaziergänge, kann als Erfolg
betrachtet werden.
Suizidale Äußerungen
ernst nehmen
Haben depressive Menschen Selbstmordgedanken, muss dies sehr
ernst genommen werden. Es ist wichtig und richtig, auf die
Gedanken und Gefühle einzugehen. Äußerst wichtig ist eine
schnelle Kontaktaufnahme zum behandelnden Arzt. Dieser kann
dann mit dem Betroffenen und den Angehörigen überlegen,
welche weiteren Schritte angebracht sind.
Geduld und Zuwendung
Mitleid, gut gemeinte Ratschläge oder Schuldgefühle sind nicht
hilfreich. Dagegen brauchen Betroffene Geduld und Zuwendung.
Der Umgang mit depressiven Menschen sollte akzeptierend,
respekt- und vertrauensvoll sein.
Umgang mit Depressionen
Appelle an den Willen von Betroffenen sind nicht empfehlenswert. Die Betroffenen leiden an einer Erkrankung, das hat nichts
mit Willensstärke zu tun. Die täglichen Anforderungen dürfen
zwar nicht ausbleiben, sollten jedoch der Leistungsfähigkeit
angepasst werden. So ergeben sich eher Erfolgserlebnisse.
Depressive Menschen empfinden in aktiven Phasen zum Teil
wenig positive Emotionen und wirken auf ihr Umfeld dadurch
„eisig“. Partner dürfen dies nicht persönlich nehmen, es ist Teil der
Krankheit. Partner und Betroffene sollten sich immer wieder
sagen, dass es die Depression ist, die verändert, und dass dies
wieder anders wird.
Die Belastung für Angehörige mit einem über Wochen und
Monate depressiven Menschen kann sehr groß sein. Die Entlastung der Angehörigen oder des Umfelds spielt hier eine große
Rolle. Daher ist es wichtig, dass auch Angehörige sich nicht übernehmen und auch an ihre eigenen Bedürfnisse denken. Es ist
wichtig, dass sie sich selbst etwas Gutes tun.
Möglicherweise hilft dem Betroffenen und auch seinem Umfeld
ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Hilfreich kann auch
der Austausch mit anderen Angehörigen von psychisch kranken
Menschen sein.
In jedem Bundesland gibt es die Angehörigengruppen ApK
(Angehörige psychisch Kranker). Der Bundesverband ist im
Internet unter www.bapk.de zu finden.
Entlastung der Angehörigen
oder des Umfelds
Umgang mit Depressionen
7
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle
Leistungen
Insgesamt sinken die Krankenstände in den Unternehmen, gleichzeitig steigt aber die Zahl der Arbeitnehmer, die wegen
psychischer Leiden (v. a. Depressionen) krankgeschrieben sind.
Das geht aus einer Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts
der AOK in Bonn hervor, die im Mai 2005 veröffentlicht wurde
Seit 1997 ist die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer
Probleme um 70 % gestiegen. Eine DAK-Studie (Deutsche Angestellten Krankenkasse) macht den steigenden Leistungsdruck
dafür verantwortlich. Die Deutschen lassen sich immer weniger
krankschreiben, aber immer öfter aus psychischen Gründen.
Auslöser dieses Trends könnte die Krise auf dem Arbeitsmarkt
sein – zu diesem Ergebnis kommt der Gesundheitsreport 2005.
8
Arbeitsunfähigkeit
Definition „Arbeitsunfähigkeit“
Arbeitsunfähigkeit (AU) ist ein durch Krankheit oder Unfall
hervorgerufener regelwidriger Körper- oder Geisteszustand,
aufgrund dessen der in der Kranken- und Unfallversicherung
Versicherte seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht oder nur
unter Gefahr der Verschlimmerung des Zustandes weiter ausüben kann. Die Arbeitsunfähigkeit ist Voraussetzung für
Krankengeld. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem
Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche
Dauer unverzüglich mitzuteilen.
Entgeltfortzahlung
Die Entgeltfortzahlung ist eine arbeitsrechtliche Regelung und
keine Leistung der Sozialversicherung. Sie ist im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt. Das Gesetz regelt die Zahlung des
Arbeitsentgelts an gesetzlichen Feiertagen und die Fortzahlung
des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall. Entgeltfortzahlung erhalten
alle Arbeitnehmer, auch geringfügig Beschäftigte, unabhängig
von der wöchentlichen Arbeitszeit, die ein ununterbrochenes
Arbeitsverhältnis von 4 Wochen haben. Die Arbeitsunfähigkeit
muss ohne Verschulden des Arbeitnehmers eingetreten sein. Die
Arbeitsunfähigkeit muss dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt
werden. Die gesetzliche Anspruchsdauer auf Entgeltfortzahlung
beträgt 6 Wochen. Die Entgeltfortzahlung beträgt 100 % des
bisherigen üblichen Arbeitsentgelts.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
Krankengeld erhalten versicherte Patienten von der Krankenkasse,
wenn sie länger als 6 Wochen arbeitsunfähig sind.
Krankengeld
Das Krankengeld ist eine so genannte Lohnersatzleistung, d. h.,
sie wird nur gezahlt, wenn nach 6 Wochen kein Anspruch (mehr)
auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber (§ 3 EntgeltfortzahlungsG) besteht.
Voraussetzungen für den Erhalt von Krankengeld:
• grundsätzlicher Anspruch auf Krankengeldbezug durch die
Krankenversicherung
Voraussetzungen
• Es handelt sich immer um dieselbe Krankheit bzw. um eindeutige Folgeerkrankungen derselben Grunderkrankung.
• Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit oder stationäre
Behandlung in Krankenhaus, Vorsorge- oder Reha-Einrichtung
auf Kosten der Krankenkasse
Keinen Anspruch auf Krankengeld haben:
• versicherungspflichtige Personen in Einrichtungen der
Jugendhilfe
Kein Anspruch
• Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie
zur Berufsfindung und Arbeitserprobung, die nicht nach dem
Bundesversorgungsgesetz erbracht werden; Ausnahme bei
Anspruch auf Übergangsgeld
• Studenten (in der Regel bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters oder bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres)
• Praktikanten
• Familienversicherte
• Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente, Erwerbsunfähigkeitsrente, einer Vollrente wegen Alters, eines
Ruhegehalts, eines versicherungspflichtigen Vorruhestandsgehalts
• Bezieher von Arbeitslosengeld II
Die Satzung einer Krankenkasse kann den Anspruch auf
Krankengeld für freiwillig Versicherte, die selbstständig tätig sind,
ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen,
je nachdem welchen Tarif der Versicherte gewählt hat.
Freiwillig Versicherte, die angestellt sind und deren Einkommen
über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, bekommen Krankengeld. Als monatliches Bruttoeinkommen wird dann die Beitragsbemessungsgrenze herangezogen.
Anspruch für
freiwillig Versicherte
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
9
Anspruch auf Krankengeld
Anspruch auf Krankengeld entsteht :
• bei Krankenhausbehandlung mit der Aufnahme, also vom
Beginn der Krankenhausbehandlung bzw. der Behandlung in
Vorsorge- oder Reha-Einrichtungen
• bei Arbeitsunfähigkeit mit dem auf die ärztliche Feststellung
der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag
Höhe
Das Krankengeld beträgt 70 % des regelmäßigen Arbeitsentgelts
(so genanntes regelmäßiges Bruttoentgelt), maximal aber 90 %
des regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts.
Definition „regelmäßig“
Bezüge, die wegen außergewöhnlicher Umstände gewährt
wurden oder ausfielen, bleiben beim regelmäßigen Entgelt
unbeachtet. Einmalige Zahlungen wie z. B. Weihnachtsgeld
oder Urlaubsgeld gehören, wenn sie tatsächlich regelmäßig
wiederkehrend geleistet werden, zum regelmäßigen Bruttoentgelt.
Höchstbetrag des Krankengelds
Bei freiwillig Versicherten über der Beitragsbemessungsgrenze
wird nur das Arbeitsentgelt bis zur Höhe der kalendertäglichen
Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, das ist 2006 ein Betrag
von 118,75 € (= Beitragsbemessungsgrenze 42.750 € : 360).
Da das Krankengeld 70 % dieses Arbeitsentgelts beträgt, kann es
maximal 83,13 € täglich betragen.
Das Krankengeld wird kalendertäglich für 30 Tage je Kalendermonat gezahlt.
Berechnungsbeispiel (ohne regelmäßige Zusatzleistungen)
Monatlich brutto 3.000,- €
3.000,- € : 30 für Kalendertag = 100,- €
davon 70 % = 70,- €
Folgt: Krankengeld beträgt 70,- € täglich
Monatlich netto 1.800,- €
1.800,– € : 30 für Kalendertag = 60,- €
davon 90 % = 54,- €
Folgt: Krankengeld beträgt 54,- € täglich
Abgezogen vom Krankengeld werden Sozialversicherungsbeiträge
für die Arbeitslosen-, Pflege- und Rentenversicherung. Die
Krankenkasse übernimmt die Beiträge der Krankenversicherung
und jeweils die Hälfte der drei genannten Versicherungen. Damit
ergibt sich in der Regel ein Abzug von 13,85 % bei Krankengeldempfängern mit Kindern, bzw. von 14,1 % bei kinderlosen
Empfängern.
10
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
Bei Bezug von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld wird
Krankengeld in Höhe dieser Leistungen gezahlt.
Sonderregelung
Die Dauer des Krankengelds beträgt wegen derselben Krankheit
längstens 78 Wochen (546 Kalendertage) innerhalb von je 3 Jahren
ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Dabei handelt es sich um die so
genannte Blockfrist.
Die Blockfrist beginnt mit dem erstmaligen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit für die ihr zugrunde liegende Krankheit. Bei jeder
Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Erkrankung beginnt eine
neue Blockfrist. Es ist möglich, dass mehrere Blockfristen nebeneinander laufen.
Dauer
„Dieselbe Krankheit“
bedeutet, dass eine identische Krankheitsursache zugrunde liegt.
Es genügt, dass ein nicht ausgeheiltes Grundleiden Krankheitsschübe bewirkt, z. B. eine erneute Arbeitsunfähigkeit wegen Überlastung am Arbeitsplatz.
Die Leistungsdauer verlängert sich nicht, wenn während der
Arbeitsunfähigkeit eine andere Krankheit hinzutritt. Es bleibt bei
maximal 78 Wochen.
Nach Ablauf der Blockfrist entsteht ein erneuter Anspruch
auf Krankengeld unter folgenden Voraussetzungen:
• erneute Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit,
• mindestens 6 Monate lang keine Arbeitsunfähigkeit wegen
dieser Krankheit und
• mindestens 6 Monate andauernde Erwerbstätigkeit oder der
Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehend.
Erneuter Anspruch auf
Krankengeld wegen derselben
Krankheit
Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld zwar theoretisch
besteht, aber tatsächlich ruht oder versagt wird, werden wie
Bezugszeiten von Krankengeld angesehen.
Beispiel
Der Arbeitgeber zahlt bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers dessen Arbeitsentgelt bis zu 6 Wochen weiter (§ 3
EntgeltfortzahlungsG), d. h., der Anspruch auf Krankengeld
besteht zwar, aber er ruht. Erst danach gibt es Krankengeld.
Die 6 Wochen Entgeltfortzahlung werden aber wie Krankengeld-Bezugszeiten behandelt, so dass noch maximal 72
Wochen (78 Wochen abzüglich 6 Wochen = 72 Wochen)
Krankengeld gezahlt wird.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
11
!
Praxistipp
Ruhen des Anspruchs
auf Krankengeld
Zahlt der Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers
das Entgelt jedoch nicht weiter, obwohl hierauf ein Anspruch
nach § 3 EntgeltfortzahlungsG besteht, gewährt die Krankenkasse
bei Vorliegen der Voraussetzungen das Krankengeld, da das
Krankengeld nur bei tatsächlichem Bezug des Arbeitsentgelts
ruht. Der Anspruch des versicherten Arbeitnehmers gegen den
Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung geht dabei auf die Krankenkasse über.
Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld:
• Bei Erhalt von (mehr als einmalig gezahltem) Arbeitsentgelt.
Das gilt besonders bei Entgeltfortzahlung bis zu 6 Wochen.
Wenn das Arbeitsentgelt niedriger als das Krankengeld ist,
wird die Differenz als Krankengeld geleistet. Nicht darunter
fallen Zuschüsse zum Krankengeld, soweit sie zusammen mit
dem Krankengeld das Nettoeinkommen nicht übersteigen.
• Bei Inanspruchnahme von Elternzeit (früher: Erziehungsurlaub) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bis zum
3. Geburtstag eines Kindes. Dies gilt nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Elternzeit eingetreten ist oder
wenn das Krankengeld aus einer versicherungspflichtigen
(Teilzeit-)Beschäftigung während der Elternzeit errechnet
wird.
• Bei Bezug von Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld,
Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Winterausfallgeld; auch
bei Ruhen dieser Ansprüche wegen einer Sperrzeit.
• Bei Bezug von Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld.
• Solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht
gemeldet ist. Meldefrist bis zu einer Woche nach Beginn
der Arbeitsunfähigkeit.
Ausschluss des Krankengelds
Ausschluss des Krankengelds bei Bezug von:
• Vollrente wegen Alters aus der Rentenversicherung
• Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit
aus der Rentenversicherung
• Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen Grundsätzen
• Vorruhestandsgeld
Mit Beginn dieser Leistungen bzw. mit dem Tage der Bewilligung
einer Rente endet der Anspruch auf Krankengeld. Wurden für
eine gewisse Zeit gleichzeitig Rente und Krankengeld gezahlt, so
fordert die Krankenkasse das Krankengeld zurück. Der Versicherte
darf unter Umständen lediglich den Teil des Krankengelds behalten, der über die Rente hinausging (so genannter Spitzbetrag).
12
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
Krankengeld wird gekürzt um den Zahlbetrag der:
• Altersrente, Rente wegen Erwerbsminderung oder
Landabgabenrente, jeweils aus der Alterssicherung der
Landwirte (ALG)
• Teilrente wegen Alters aus der Rentenversicherung
• Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
(früher: Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit)
• Knappschaftsausgleichsleistung, Rente für Bergleute,
soweit die Leistung nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder
stationären Behandlung zuerkannt wird
Krankengeld wird gekürzt
Wenn eine der oben genannten Zahlungen eintrifft, ist dies der
Krankenkasse schnellstmöglich mitzuteilen. Das erspart spätere
Rückzahlungen.
Praxistipp
Wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten nach ärztlichem
Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, kann die
Krankenkasse dem Versicherten eine Frist von 10 Wochen setzen,
um einen Antrag auf Rehamaßnahmen zu stellen.
Wegfall des Krankengelds,
Antrag auf Reha
Werden Arbeitslose, die Krankengeld beziehen, von der Krankenkasse aufgefordert, einen Antrag auf abgestufte Erwebsminderungsrente zu stellen, wird die Krankengeldzahlung eingestellt und von der Agentur für Arbeit (ehemals Arbeitsamt) im
Sinne der so genannten „Nahtlosigkeit“ eine Sonderform des
Arbeitslosengeldes bei Arbeitsunfähigkeit gezahlt.
Wenn mit Vollendung des 65. Lebensjahres der Bezug von
Regelaltersrente oder Altersrente aus der Alterssicherung der
Landwirte eintritt, kann die Krankenkasse dem Versicherten eine
Frist von 10 Wochen setzen, um einen Antrag hierfür zu stellen.
Wegfall des Krankengelds,
Antrag auf Rente
!
Es liegt beim Vorliegen der genannten Voraussetzungen im
Ermessen der Krankenkasse, ob sie den Wegfall des Krankengelds
plant und den Versicherten auffordert, innerhalb von 10 Wochen
einen Antrag auf Reha oder Rente zu stellen.
Kommt der Versicherte dieser Aufforderung nicht fristgerecht
nach, entfällt mit Ablauf der Frist der Anspruch auf Krankengeld,
und seine Mitgliedschaft in der Krankenkasse endet. Wird der
Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit
dem Tag der Antragstellung wieder auf, aber nicht die
Mitgliedschaft.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
13
Ende des Anspruchs auf
Krankengeld – Aussteuerung
Wird der Anspruch auf Krankengeld (78 Wochen Arbeitsunfähigkeit innerhalb von 3 Jahren wegen derselben Erkrankung)
ausgeschöpft und ist der Versicherte noch immer arbeitsunfähig,
dann endet seine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dieser Vorgang wird auch Aussteuerung genannt.
Die Krankenkasse informiert das Mitglied rund 2 Monate vor der
Aussteuerung darüber. Damit weiter ein Anspruch auf medizinische Leistungen besteht, ist es wichtig, weiterhin Mitglied der
Krankenkasse zu bleiben.
Es gibt folgende Möglichkeiten:
• freiwillige Versicherung bei der Krankenkasse
• Familienversicherung (wenn z. B. der Ehemann/die Ehefrau
Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist)
• Beantragung von Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit,
einer Sonderform des Arbeitslosengelds im Sinne der
Nahtlosigkeit
!
Praxistipp
14
Ist abzusehen, dass der Krankengeldbezug endet, sollten sich
Betroffene unbedingt rechtzeitig mit der Krankenkasse in
Verbindung setzen, um den künftigen Versicherungsschutz zu
klären.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
Die Grundsicherung soll den grundlegenden Bedarf für den
Lebensunterhalt von Menschen sicherstellen, die wegen Alters
oder aufgrund voller Erwerbsminderung aus medizinischen
Gründen endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind
und deren Einkünfte für den notwendigen Lebensunterhalt nicht
ausreichen.
Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung war
bis 31.12.2004 ein eigenes Gesetz und wird seit 1.1.2005 im
SGB XII – Sozialhilfe – geregelt.
Grundsicherung
im Alter und bei
Erwerbsminderung
Leistungsberechtigt sind Menschen mit gewöhnlichem
Aufenthalt in Deutschland,
• die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder
Voraussetzungen
• die das 18. Lebensjahr vollendet haben und – unabhängig von
der jeweiligen Arbeitsmarktlage – aus medizinischen Gründen
dauerhaft voll erwerbsgemindert sind und
• wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst aus ihrem
Einkommen und Vermögen bestreiten können.
Nicht leistungsberechtigt sind
• Personen, wenn das zu versteuernde Gesamteinkommen der
Eltern oder Kinder jährlich 100.000,– € übersteigt.
• Personen, die ihre Bedürftigkeit in den letzten 10 Jahren vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben
Die Grundsicherung ist abhängig von der Bedürftigkeit und entspricht in der Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt der Sozialhilfe.
Umfang und Höhe
Die Grundsicherung umfasst folgende Leistungen:
• den für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz der
Sozialhilfe
• die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für
Unterkunft und Heizung (bei nicht getrennt lebenden
Ehegatten oder bei einer eheähnlichen Partnerschaft jeweils
anteilig)
• Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, soweit keine
Pflichtversicherung besteht
• einen Mehrbedarfszuschlag von 17 % des maßgebenden
Regelsatzes bei Schwerbehinderten, die einen Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen „G“ besitzen
• einmalige Leistungen
• Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen, insbesondere
Übernahme von Mietschulden
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
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Von diesem Bedarf werden die eigenen Einkünfte abgezogen und
die Differenz wird als Grundsicherung ausgezahlt. Sind die
Einkünfte höher als der Bedarf, besteht kein Anspruch auf eine
Grundsicherungsleistung.
Anrechnung von
Einkommen und Vermögen
Grundsicherungsleistungen erhalten nur Bedürftige, die ihren
Lebensunterhalt nicht oder nicht vollständig bestreiten können.
Angerechnet werden
• eigenes Einkommen und Vermögen wie in der Sozialhilfe und
• Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Eheoder Lebenspartners, soweit es dessen Eigenbedarf übersteigt.
Dauer
Die Grundsicherung wird in der Regel für 12 Kalendermonate
bewilligt.
Bei Erstbewilligung beginnt die Auszahlung am Ersten des Monats,
in dem der Antrag gestellt worden ist.
Bei Änderung der Leistung beginnt die Auszahlung am Ersten des
Monats, in dem die Voraussetzungen für die Änderung eingetreten und mitgeteilt worden sind. Bekommt der Berechtigte
infolge der Änderung weniger Leistungen, beginnt der neue
Bewilligungszeitraum am Ersten des Folgemonats.
?
Wer hilft weiter?
16
Der Antrag kann beim zuständigen Sozialamt gestellt werden, in
dessen Bereich der Antragsberechtigte seinen gewöhnlichen
Aufenthaltsort hat. Auch die Rentenversicherungsträger nehmen
den Antrag entgegen.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung
in der gesetzlichen Krankenversicherung
Durch die Verordnung von Arznei- und Heilmitteln können bei
Patienten mit Depressionen verschiedene Zuzahlungen anfallen.
Versicherte ab 18 Jahren müssen zu bestimmten Leistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung Zuzahlungen leisten. Die nachfolgenden Regelungen gelten auch für Sozialhilfeempfänger.
Zuzahlungen
Die Praxisgebühr beträgt 10,– € pro Quartal und Arzt, Zahnarzt
oder Psychotherapeut.
Praxisgebühr
Die Praxisgebühr wird nicht fällig bei
• Überweisungen von einem anderen Arzt im selben Quartal,
• Vorsorge, Früherkennung, Kontrolluntersuchungen,
Schutzimpfungen sowie bei
• Überschreiten der Belastungsgrenze.
Zuzahlung (umgangssprachlich „Rezeptgebühr): 10 % der Kosten,
mindestens 5,– €, maximal 10,– €, in keinem Fall mehr als die
Kosten des Arzneimittels.
Preis/Kosten
bis 5,– €
5,01 bis 50,– €
50,– bis 100,– €
ab 100,– €
Arzneimittel
Zuzahlung
Preis = Zuzahlung
5,– €
10 % des Preises
10,– €
Diese Tabelle gilt entsprechend auch für Verbandmittel, die
meisten Hilfsmittel, Haushaltshilfe, Soziotherapie und Fahrtkosten.
Zuzahlung: 10 % der Kosten, mindestens 5,- €, maximal 10,– €,
in keinem Fall mehr als die Kosten des Verbandmittels.
Verbandmittel
Zuzahlung: 10 % der Kosten zuzüglich 10,– € je Verordnung.
Heilmittel
Zuzahlung: 10 % der Kosten, mindestens 5,– €, maximal 10,– €.
Bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt die
Zuzahlung 10 % je Packung, maximal jedoch 10,– € monatlich.
Hilfsmittel
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
17
Häusliche Krankenpflege
Zuzahlung: 10 % der Kosten pro Tag, begrenzt auf 28 Tage im
Kalenderjahr, zuzüglich 10,– € je Verordnung.
Soziotherapie
Zuzahlung: 10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5,– €, maximal
10,– €.
Haushaltshilfe
Zuzahlung: 10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5,– €, maximal
10,– €.
Krankenhausbehandlung,
Anschlussheilbehandlung
Zuzahlung: 10,– € pro Kalendertag, für längstens 28 Tage pro
Kalenderjahr.
Bereits im selben Jahr geleistete Zuzahlungen zu Krankenhausund Anschlussheilbehandlung werden angerechnet.
Ambulante und stationäre
Leistungen zur Rehabilitation
Zuzahlung: 10,– € pro Kalendertag an die Einrichtung, ohne zeitliche Begrenzung.
28 Tage, wenn die ambulante Rehamaßnahme aus medizinischen
Gründen länger als 42 Behandlungstage bzw. die stationäre Rehamaßnahme aus medizinischen Gründen länger als 6 Wochen
dauert.
Fahrtkosten
Zuzahlung: 10 % der Fahrtkosten, mindestens 5,– €, maximal
10,- €, in keinem Fall mehr als die Kosten der Fahrt.
Nicht befreiungsfähige
Zuzahlungen
Folgende Zuzahlungen werden bei der Berechnung der
Zuzahlungsbefreiung nicht berücksichtigt:
• Zahnersatz
Die Krankenkasse übernimmt:
50 % der Regelversorgungskosten (= Festzuschuss),
60 % der Regelversorgungskosten bei 5 Jahren Vorsorge
(= Festzuschuss + 20 % Bonus),
65 % der Regelversorgungskosten bei 10 Jahren Vorsorge
(= Festzuschuss + 30 % Bonus).
Den Rest zahlt der Versicherte zu. Darüber hinaus gelten beim
Zahnersatz besondere Härtefallregelungen.
• Kieferorthopädische Behandlung bei Erwachsenen
20 % der Kosten und nur soweit zusätzlich kieferchirurgische
Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind, ansonsten zahlt der
Versicherte voll.
18
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Die Belastungsgrenze soll verhindern, dass insbesondere
chronisch Kranke, Behinderte, Versicherte mit einem geringen
Einkommen und Sozialhilfeempfänger durch die Zuzahlungen
zu medizinischen Leistungen unzumutbar belastet werden. Die
Belastungsgrenze liegt bei 2 % des jährlichen Bruttoeinkommens.
Zuzahlungsbefreiung
bei Erreichen der
Belastungsgrenzen
Frühere Regelungen wie Sozialklausel, Härtefälle und Überforderungsklausel gelten seit 1.1.2004 nicht mehr.
Als „belastet“ gilt, wer mehr als 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für Zuzahlungen ausgeben
muss(te).
Voraussetzungen
Das Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt ist als Familienbruttoeinkommen zu verstehen. Es errechnet sich aus dem
Bruttoeinkommen des Versicherten und den Bruttoeinkommen aller Angehörigen des Versicherten, die mit ihm in
einem gemeinsamen Haushalt leben.
Berechnung
„Angehörige" des Versicherten sind:
• Ehepartner
• Kinder, die familienversichert sind
• eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner
(nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz)
• sonstige Angehörige nach § 7 Abs.2 KVLG
(Krankenversicherung der Landwirte)
Nicht zu den „Angehörigen" zählen Partner einer eheähnlichen
verschiedengeschlechtlichen oder nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft.
Kinder des Versicherten müssen dabei familienversichert sein.
Dasselbe gilt bei eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften.
Von diesem Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt wird ein
Freibetrag abgezogen:
• für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden
Angehörigen des Versicherten 4.410,– €
(= 15 % der jährlichen Bezugsgröße)
• für jeden weiteren im gemeinsamen Haushalt lebenden
Angehörigen des Versicherten und des eingetragenen
gleichgeschlechtlichen Lebenspartners 2.940,– €
(= 10 % der jährlichen Bezugsgröße).
Dieser Punkt gilt nur für Mitglieder in der Krankenversicherung der Landwirte
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
19
• für jedes Kind des verheirateten Versicherten und des eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartners 3.648,– €
• für das erste Kind einer/s allein erziehenden Versicherten
4.410,– € (= 15 % der jährlichen Bezugsgröße)
• für jedes weitere Kind einer allein erziehenden Versicherten
3.648,– €
Einnahmen zum Lebensunterhalt sind:
• Altersrenten
• Arbeitsentgelt
• Krankengeld
• Arbeitslosengeld
• Arbeitseinkommen (bei selbstständiger Tätigkeit)
• Einnahmen aus Kapitalvermögen, Vermietung und
Verpachtung
• Witwen- oder Witwerrente und andere Renten
wegen Todes
• Einnahmen von Angehörigen im gemeinsamen Haushalt
(Ehegatte, familienversicherte Kinder, eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner). Nicht hierzu zählen Partner
einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
Bei Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
SGB XII, von Arbeitslosengeld II, von Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung und bei Heimbewohnern, die Leistungen
vom Sozialamt bekommen, wird jeweils nur der Regelsatz des
Haushaltsvorstands als Bruttoeinkommen für die gesamte
Bedarfsgemeinschaft gezählt.
Nicht zu den Einnahmen zählen zweckgebundene Zuwendungen,
die einen beschädigungs- oder behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken sollen, wie z. B.:
• Pflegegeld (Pflegegeld/Pflegeversicherung,
Pflegegeld/ Sozialhilfe, Pflegegeld/Unfallversicherung)
• Blindenzulage
• Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)
• Taschengeld vom Sozialamt für Heimbewohner
• Beschädigten-Grundrente nach dem BVG
• Rente oder Beihilfe nach dem Bundesentschädigungsgesetz
bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG
• Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung,
soweit diese der Grundrente nach dem BVG entspricht
• Kindergeld
20
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Zuzahlungen werden als „Familienzuzahlungen“ betrachtet, d. h.
es werden die Zuzahlungen des Versicherten mit den Zuzahlungen
seiner Angehörigen, die mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben,
zusammengerechnet. Dasselbe gilt auch bei eingetragenen
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften.
Überschreiten die Zuzahlungen 2 % der o. g. Bruttoeinnahmen im
Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der Versicherte sowie
sein Ehegatte und die familienversicherten Kinder, die mit ihm in
einem gemeinsamen Haushalt leben, für den Rest des Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung bzw. den Mehrbetrag von der
Krankenkasse zurückerstattet.
Zuzahlungsbefreiung/
Rückerstattung der Zuzahlung
Verschiedene Krankenkassen bieten ihren Versicherten ein
Quittungsheft an, in dem sie übers Jahr alle Quittungen von
Zuzahlungen sammeln können.
Quittungsheft
Die Belastungsgrenze wird im Nachhinein wirksam, weshalb
der Patient immer alle Zuzahlungsbelege aufbewahren sollte, da
nicht absehbar ist, welche Kosten im Laufe eines Kalenderjahres
auflaufen. Wenn eine Versicherte im Lauf des Jahres die
„Belastungsgrenze“ erreicht hat, sollte sie sich mit ihrer
Krankenkasse in Verbindung setzen.
Die Krankenkasse wird dem Patienten die Zuzahlungen zurückerstatten, die die „2 %-Belastungsgrenze“ übersteigen. Bei
Erreichen der Belastungsgrenze wird für den Rest des Jahres eine
Zuzahlungsbefreiung ausgestellt.
Definition „schwerwiegend chronisch krank“
Als „schwerwiegend chronisch krank“ gilt, wer sich wenigstens
ein Jahr lang wegen derselben Krankheit mindestens einmal
pro Quartal in ärztlicher Behandlung befindet und mindestens
eines der folgenden Kriterien erfüllt:
• Pflegebedürftigkeit mit Pflegestufe 2 oder 3
• ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder
eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens
60 % (Schwerbehinderte)
• eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder
psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie,
Versorgung mit Hilfs- und Heilmitteln) ist erforderlich, ohne
die aufgrund der chronischen Krankheit nach ärztlicher
Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der
Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder
eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu
erwarten ist
!
Praxistipp
Sonderregelung
für chronisch Kranke
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
21
Für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden
Krankheit in Dauerbehandlung sind, gilt eine andere Belastungs–
grenze: Sie gelten bereits dann als „belastet“, wenn sie mehr als
1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für
Zuzahlungen ausgeben müssen/mussten.
!
Praxistipp
Überschreiten die Zuzahlungen 1 % der Bruttoeinnahmen im
Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der chronisch Kranke,
sein Ehepartner und die familienversicherten Kinder für den Rest
des Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung bzw. den Mehr–
betrag von der Krankenkasse zurück.
Grundsätzlich gilt:
Ist das Ehepaar bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen,
dann errechnet eine Krankenkasse, ab wann die Voraussetzungen
für die Zuzahlungsbefreiung erreicht sind und stellt ggf. eine
Zuzahlungsbefreiung aus. Dies wird der anderen Krankenkasse
mitgeteilt, so dass die Versicherten für den Rest des Jahres keine
Zuzahlungen mehr leisten müssen.
Nach Ablauf eines Kalenderjahres ist der Krankenkasse die weitere Dauer der Behandlung nachzuweisen. Auf Verlangen der
Krankenkasse kann eine Überprüfung durch den MDK erfolgen.
Sonderregelung für Pflegebedürftige
Pflegebedürftige mit Pflegestufe 2 oder 3 müssen einen jährlichen Nachweis über das Vorliegen einer schwerwiegenden
chronischen Erkrankung nicht mehr vorlegen.
Sonderregelung für Sozialhilfeempfänger
Berechnungsgrundlage für die Zuzahlungsgrenze bei Sozial–
hilfeempfängern ist der Regelsatz des Haushaltsvorstands
(Regelsätze der Sozialhilfe), das heißt: Ein Sozialhilfeempfänger
zahlt – je nach Bundesland – im Jahr ca. 70,– € zu, ein chronisch
kranker Sozialhilfeempfänger ca. 35,– €.
Sonderregelung für Sozialhilfebewohner im Heim
Seit 1.1.2005 müssen Heimbewohner, die Sozialhilfe beziehen,
nicht mehr Zuzahlungen leisten, bis sie die „1 %- bzw. 2 %-Grenze“
erreicht haben und damit eine Zuzahlungsbefreiung erhalten,
sondern haben auch die Möglichkeit, dass der örtlich zuständige
Sozialhilfeträger den Gesamtbetrag (West/Ost: 82,80 € / 79,40 €
bzw. bei chronisch Kranken West/Ost: 41,40 € / 39,70 €) an die
Krankenkasse des Heimbewohners vorab überweist.
Dieser als Darlehen gewährte Gesamtbetrag wird sodann in
monatlichen kleinen Ratenbeträgen mit dem Taschengeld des
Heimbewohners verrechnet.
22
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Rehabilitation
Die Rehabilitation ist ein sehr großer und komplexer Bereich, für
den alle Versicherungsträger zuständig sein können. Hier eine
Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten von Rehabilitationsmaßnahmen.
Grundsätzlich gilt:
Reha(bilitation) geht vor Rente (§ 9 SGB VI).
Das heißt: Es wird möglichst versucht, mit Rehamaßnahmen den
Bezug von Erwerbsminderungsrente (auch bei Berufsunfähigkeit)
zu verhindern oder zu verzögern.
Neben den Rentenversicherungsträgern übernehmen nahezu alle
anderen Träger der Sozialversicherung Rehamaßnahmen.
!
Praxistipp
Zuständigkeit
Nachfolgend eine Übersicht zur prinzipiellen Zuständigkeit:
• Die Krankenkassen
sind zuständig bei medizinischer Rehabilitation.
• Die Berufsgenossenschaften
sind zuständig bei Arbeitsunfall oder Wegeunfall für die
gesamte Rehabilitation.
• Die Rentenversicherungsträger
sind zuständig bei erheblicher Gefährdung oder Minderung der
Erwerbsfähigkeit und Vorliegen bestimmter versicherungsrechtlicher Voraussetzungen für die Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Medizinische Leistungen zur Rehabilitation dienen insbesondere
der Ausheilung einer Erkrankung und der Wiederherstellung der
Gesundheit.
Allgemeines zu
medizinischen Leistungen
der Rehabilitation
Unter anderem beinhalten sie:
•
•
•
•
•
•
Anschlussheilbehandlung (AHB)
stationäre Rehamaßnahmen
teilstationäre Rehamaßnahmen
ambulante Rehamaßnahmen
Reha-Sport und Funktionstraining
Berufsfindung und Arbeitserprobung
Rehabilitation
23
Dauer
Die Dauer beträgt in der Regel 3 bis 4 Wochen (ambulante Rehamaßnahme – 20 Behandlungstage, Reha-Sport und Funktionstraining – zwischen 6 und 36 Monaten je nach Träger der
Leistung), Verlängerung ist aus medizinischen Gründen überall
möglich.
Zuzahlung
Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahres müssen bei fast
allen ambulanten und (teil-)stationären Rehamaßnahmen
10,– € Zuzahlung pro Tag leisten:
• zeitlich unbegrenzt für ambulante und (teil-)stationäre
Rehamaßnahmen der Krankenkasse
• 28 Tage, wenn die ambulante Rehamaßnahme aus
medizinischen Gründen länger als 42 Behandlungstage bzw.
die stationäre Rehamaßnahme aus medizinischen Gründen
länger als 6 Wochen dauert
• längstens 42 Tage innerhalb eines Kalenderjahres für
stationäre medizinische Rehamaßnahmen des
Rentenversicherungsträgers
Bereits im selben Kalenderjahr geleistete Zuzahlungen an den
Rentenversicherungsträger und die Krankenkasse werden angerechnet
• für längstens 28 Tage innerhalb eines Kalenderjahres bei einer
Anschlussheilbehandlung der Krankenkasse; in Einzelfällen
kann als Kostenträger auch das Sozialamt (Krankenhilfe) nach
Maßgabe der Bestimmungen, wie sie die Krankenkasse vorsieht, auftreten.
Bereits im selben Kalenderjahr geleistete Zuzahlungen für eine
Krankenhausbehandlung an die Krankenkasse und für eine
Anschlussheilbehandlung an den Rentenversicherungsträger
werden angerechnet
• für längstens 14 Tage innerhalb eines Kalenderjahres bei einer
Anschlussheilbehandlung des Rentenversicherungsträgers.
Die bereits im selben Kalenderjahr geleistete Zuzahlung an den
Kostenträger (wie Krankenkasse oder Rentenversicherungsträger)
für die stationäre Krankenhausbehandlung kann im Fall einer
Anschlussheilbehandlung angerechnet werden.
Wenn der Versicherte mehrmals in einem Jahr stationär behandelt
wird, werden die Tage der Zuzahlung an die Krankenkasse für
Krankenhausbehandlung, ambulante und stationäre Rehamaß–
nahmen sowie Anschlussheilbehandlung angerechnet.
24
Rehabilitation
Keine Zuzahlungen sind erforderlich
• bei ambulanten Reha-Leistungen der Rentenversicherung
• bei Reha-Leistungen der Unfallversicherung
• bei Bezug von Übergangsgeld
• bei Kinderheilbehandlungen
Keine Zuzahlung
Zwischen zwei bezuschussten Rehamaßnahmen – egal ob
ambulant oder (teil-)stationär – muss in der Regel ein Zeitraum
von 4 Jahren liegen.
Wartezeit
Ausnahmen macht die Krankenkasse nur bei medizinisch
dringender Erforderlichkeit. Dies muss mit Arztberichten oder
einem Gutachten des behandelnden Arztes bei der Krankenkasse
begründet werden.
Der Rentenversicherungsträger genehmigt medizinische Reha–
maßnahmen vor Ablauf der 4-Jahresfrist, wenn vorzeitige
Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich
sind, weil ansonsten mit einer weiteren Minderung der Leistungsfähigkeit zu rechnen ist.
Darunter versteht man eine Kur: Betroffene wohnen für die Zeit
der Rehamaßnahme in einer entsprechenden Einrichtung.
Stationäre Rehamaßnahmen sind z. B. bei Nachbehandlungen
schwerer Erkrankungen wie Herzinfarkt, Geschwulstleiden oder
psychischen Erkrankungen wie Depressionen möglich.
Stationäre
Rehamaßnahmen
• Eine ambulante oder teilstationäre Rehamaßnahme reicht
nicht aus.
Voraussetzungen
• Die stationäre Aufnahme ist aus medizinischen Gründen
erforderlich.
• Die stationäre Rehamaßnahme wird in Einrichtungen mit
Versorgungsvertrag durchgeführt.
Stationäre Rehamaßnahmen dauern längstens 3 Wochen. Eine
Verlängerung aus medizinischen Gründen ist möglich.
Dauer
Rehabilitation
25
Antrag
Patienten müssen die medizinische Rehamaßnahme beim zuständigen Träger beantragen. Erforderlich sind eine ärztliche
Bescheinigung, Arztbericht(e) und möglichst ein eigenes,
persönliches Schreiben. Der Leistungsumfang bei ambulanten,
teilstationären und stationären Rehamaßnahmen liegt im
Ermessen der Krankenkasse bzw. des Renten- oder Unfallversicherungsträgers und wird aufgrund medizinischer
Erfordernisse festgelegt.
Vorgehensweise
bei der Antragstellung
Seit 1.4.2004 sind neue Rehabilitations-Richtlinien in Kraft.
Der behandelnde Arzt muss bei der Krankenkasse einen Antrag
auf „Einleitung zur Rehabilitation oder alternative Angebote"
stellen.
Kommt nach Ansicht der Krankenkasse eine Rehamaßnahme und
sie selbst als Kostenträger in Betracht, dann bekommt der Arzt
das Formular „Verordung von medizinischer Rehabilitation" zugeschickt. Falls der Antrag bei einem anderen Kostenträger (z. B.
Berufsgenossenschaft, Rentenversicherungsträger) gestellt werden muss, wird dies von der Krankenkasse mitgeteilt.
Bis zum 31.3.2006 (Übergangsfrist) dürfen noch alle Vertragsärzte
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation verordnen, danach
nur noch dafür qualifizierte Ärzte.
!
26
Praxistipp
Eigentlich genügt bei den Anträgen für Rehamaßnahmen die
Angabe der Indikationen nach der ICD 10 (Internationale
Klassifikation der Krankheiten). Es ist jedoch mittlerweile fast
zur Regel geworden, dass der Arzt die Notwendigkeit der
medizinischen Rehabilitation ausführlich begründet. Auf jeden
Fall vermindert es das Risiko einer Ablehnung beim Kostenträger,
wenn dem Antrag sofort eine ausführliche ärztliche Begründung
beigefügt wird. Es kann durchaus sein, dass der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung (MDK) über das ärztliche Attest
hinaus Patienten zu einer Begutachtung einlädt, um die
Notwendigkeit der Rehamaßnahme zu prüfen.
Wahl der Reha-Einrichtung
Der Arzt schlägt eine Reha-Einrichtung vor. Soll die Maßnahme
in einer bestimmten Einrichtung stattfinden, muss der Arzt das
ausdrücklich vermerken und möglichst auch begründen. Auch
Patienten oder deren Eltern können die Auswahl der RehaEinrichtung beeinflussen, z. B. aus Erfahrungs- oder religiösen
Gründen. Die Leistung wird in der Regel im Inland erbracht.
Rehabilitation
Zwischen zwei bezuschussten Rehamaßnahmen – egal ob ambulant oder (teil-)stationär – muss in der Regel ein Zeitraum von
4 Jahren liegen.
Wartezeit
Ausnahmen macht die Krankenkasse nur bei medizinisch
dringender Erforderlichkeit. Dies muss mit Arztberichten oder
einem Gutachten des behandelnden Arztes bei der Krankenkasse
begründet werden.
Der Rentenversicherungsträger genehmigt medizinische Rehamaßnahmen vor Ablauf der 4-Jahresfrist, wenn vorzeitige
Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich
sind, weil ansonsten mit einer weiteren Minderung der
Leistungsfähigkeit zu rechnen ist.
Ausnahmen
Bei psychischen Störungen mit Krankheitswert übernimmt die
Krankenkasse die Kosten bestimmter psychotherapeutischer
Behandlungen. Lebens-, Ehe- und Erziehungsberatung zählen
nicht zu den Leistungen der Krankenkasse. In Einzelfällen tritt
die Krankenhilfe des Sozialhilfeträgers für die Kosten ein.
Psychotherapie
Derzeit anerkannt sind psychoanalytisch begründete Verfahren,
Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Für andere Therapien übernehmen die Kassen die Kosten
nur im Einzelfall und auf Antrag.
Behandlungsverfahren
Für eine Psychotherapie ist keine Überweisung durch einen Arzt
erforderlich. Die gewählten Psychotherapeuten müssen allerdings
eine Kassenzulassung haben, damit die Krankenkasse die Kosten
übernimmt.
Therapeuten können entweder Psychologen („Psychologischer
Psychotherapeut“) oder Mediziner („Ärztlicher Psychotherapeut“)
sein – beide dürfen Kinder, Jugendliche und Erwachsene
behandeln – oder Pädagogen, die für die Therapie von Kindern
und Jugendlichen ausgebildet sind („Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten“). Alle drei Arten von Psychotherapeuten
haben zusätzlich zu ihrem „Grundberuf“ eine psychotherapeutische Zusatzausbildung abgeschlossen.
Therapeutenwahl
Rehabilitation
27
Probesitzungen
Es ist möglich, bis zu 5 Probestunden (bei einer analytischen
Psychotherapie bis zu 8) bei einem gewählten Therapeuten
zu machen, bis man entscheidet, ob man dort die Therapie durchführen will. Nach diesen „probatorischen“ Sitzungen, auf jeden
Fall bevor die eigentliche Therapie beginnt, sollte ein Arzt, z. B.
Hausarzt oder Internist, aufgesucht werden, um abzuklären, ob
eventuell eine körperliche Erkrankung vorliegt, die zusätzlich
medizinisch behandelt werden muss. Dieser Arztbesuch ist jedoch
nur nötig, wenn es sich bei dem behandelnden Therapeuten um
einen psychologischen Psychotherapeuten handelt. Handelt es
sich um einen ärztlichen Psychotherapeuten, erübrigt sich dieser
Arztbesuch. Das Antrags- und Genehmigungsverfahren wickelt
der Psychotherapeut dann direkt mit der Krankenkasse ab.
Dauer
Nach Klärung der Diagnose und Indikationsstellung werden vor
Beginn der Behandlung der Behandlungsumfang und die
-frequenz festgelegt. Die Dauer einer Psychotherapie ist abhängig
von der Art der Behandlung, wobei Probesitzungen nicht zur
Therapie zählen. Eine Sitzung dauert mindestens 50 Minuten.
Kurzzeittherapie:
maximal 25 Sitzungen, auch in halbstündigen Sitzungen mit entsprechender Vermehrung der Gesamtsitzungszahl, ebenso bei
Gruppentherapie
Analytische Psychotherapie:
bis 160 Stunden, in besonderen Fällen bis 240 Stunden; bei
Gruppenbehandlung bis 80, in besonderen Fällen bis 120 Doppelstunden
Verhaltenstherapie:
45, in besonderen Fällen bis 60 Stunden
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie:
50, in besonderen Fällen bis 80 Stunden, bei Gruppenbehandlung
bis 40, in besonderen Fällen bis 60 Doppelstunden.
Gruppentherapie:
Eine Gruppensitzung (100 Minuten) zählt wie zwei Einzelsitzungen; maximal 90 Sitzungen.
Analytisch und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
bei Kindern:
70, in besonderen Fällen 120 Stunden; bei Gruppenbehandlung
bis 40, in besonderen Fällen bis 60 Doppelstunden
Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen:
bis 45 Stunden, in besonderen Fällen bis 60 Stunden einschließlich Gruppentherapie in Doppelstunden
28
Rehabilitation
Analytisch und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
bei Jugendlichen:
90, in besonderen Fällen bis 140 Stunden; bei Gruppenbehandlungen bis 40, in besonderen Fällen bis 60 Doppelstunden
Eine Überschreitung ist dann zulässig, wenn mit der Beendigung
der Therapie das Behandlungsziel nicht erreicht werden kann,
aber bei Fortführung der Therapie begründete Aussicht darauf
besteht.
!
In den meisten Geschäftsstellen der Kassenärztlichen Vereinigung
(KV) auf Länderebene gibt es Vermittlungsstellen für psychotherapeutische Behandlungen. Unter www.kbv.de stehen die
Internetadressen der Kassenärztlichen Vereinigungen. Dort gibt es
unter dem Stichwort „Arztsuche“ ein Verzeichnis der Ärzte aller
Fachrichtungen, auch der psychologischen Psychotherapeuten
und der Kinder- und Jugendpsychotherapeuten vor Ort.
In einigen KVen gibt es eine telefonische „Koordinierungsstelle
Psychotherapie“. Dort bekommt man u. a. Auskünfte über
Therapieverfahren, die von der Krankenkasse bezahlt werden.
Außerdem werden dort freie Therapieplätze vermittelt.
Manche Psychotherapeuten stehen auch im Telefonbuch unter
„Ärzte“ oder in den Gelben Seiten unter „Psychotherapie“ oder
„Psychologie“.
Falls Patienten nachweisen können, dass erst nach mehrmonatiger Wartezeit ein Therapieplatz in der Region frei wird,
kann die Krankenkasse auf Antrag auch die Therapie bei einem
Psychotherapeuten mit Berufszulassung, jedoch ohne Kassenzulassung genehmigen. Daher sollte eine Liste der vergeblichen
Suche mit Namen der Psychotherapeuten, Anrufdatum und
Wartezeit angefertigt und bei der Krankenkasse vorgelegt
werden. Diese prüft jedoch selbst nach, ob tatsächlich kein Platz
bei Therapeuten, mit denen Verträge bestehen, zu bekommen ist.
Erst wenn die Genehmigung der Krankenkasse vorliegt, kann die
Therapie dort begonnen werden.
Praxistipp
Viele Patienten mit Depressionen sind arbeitsunfähig und über
Wochen und Monate nicht am Arbeitsplatz. Einen ganzen
Arbeitstag durchzustehen ist für viele nicht möglich. Allerdings
kann die stufenweise Wiedereingliederung eine gute Möglichkeit
sein, die Patienten wieder schrittweise an die Belastungen des
Arbeitsalltags heranzuführen. Für das Selbstbewusstsein der
Patienten ist diese Maßnahme in vielen Fällen gut, nur alleine zu
Hause zu sein kann bei einigen das Gefühl der Leere weiter
verstärken.
Stufenweise
Wiedereingliederung
Rehabilitation
29
Ziel der stufenweisen Wiedereingliederung (so genanntes
„Hamburger Modell“) ist, arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach
längerer schwerer Krankheit schrittweise an die volle Arbeitsbelastung heranzuführen und so den Übergang zur vollen
Berufstätigkeit zu erleichtern. Die stufenweise Wiedereingliederung ist eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation.
Der Träger ist in den meisten Fällen die Krankenkasse. Findet die
stufenweise Wiedereingliederung jedoch im unmittelbaren
Anschluss an eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation statt,
dann kann hierfür auch die Agentur für Arbeit, die Berufsgenossenschaft oder der Rentenversicherungsträger zuständig
sein, je nachdem, wer die medizinische Reha finanziert.
Voraussetzungen
Voraussetzungen bei der Krankenversicherung:
• Es besteht noch Anspruch auf Krankengeld bzw. es liegt
noch Arbeitsunfähigkeit vor für die Dauer der Wiedereingliederungsmaßnahme.
• Der Versicherte ist mit der Maßnahme einverstanden.
• Der Arzt stellt einen Wiedereingliederungsplan auf.
• Der Arbeitgeber erklärt sich mit der Maßnahme einverstanden.
• Der Versicherte wird am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt
Voraussetzungen bei anderen Kostenträgern:
• Arbeitsunfähigkeit
• ärztliche Feststellung, dass die bisherige Tätigkeit
wenigstens teilweise wieder verrichtet werden kann
• medizinische Rehamaßnahme, bei der festgestellt wurde,
dass eine stufenweise Wiedereingliederung notwendig ist
Dauer
Arbeitnehmer sind während der Maßnahme weiterhin arbeitsunfähig. Die Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung ist
abhängig vom individuellen gesundheitlichen Zustand des Arbeitnehmers. In der Regel dauert sie 6 Wochen bis 6 Monate.
Entgelt durch die Leistungsträger
Das durch die stufenweise Wiedereingliederung erzielte Entgelt
wird auf das Krankengeld (Krankenkasse) bzw. auf das Übergangsgeld (Agentur für Arbeit, Berufsgenossenschaft oder Rentenversicherungsträger) angerechnet, sofern der Arbeitgeber freiwillig Arbeitsentgelt entrichtet. Es besteht allerdings keine
Vergütungsfortzahlungspflicht des Arbeitgebers.
30
Rehabilitation
Bei der stufenweisen Wiedereingliederung müssen in der
Vorgehensweise bestimmte Dinge beachtet werden:
1. Dem Arbeitsversuch muss als Erstes aus medizinischer Sicht
zugestimmt werden: Nach Überzeugung des Arztes dürfen
einer stufenweisen Wiederbeschäftigung keine medizinischen
Gründe entgegenstehen.
!
Praxistipp
2. Zudem muss der Versicherte selbst die stufenweise
Wiedereingliederung wollen.
3. Arzt und Patient füllen gemeinsam den Antrag auf
stufenweise Wiedereingliederung aus. Dieses Formular hat
jeder Arzt vorliegen.
4. Arzt und Patient erstellen gemeinsam einen „Wiedereingliederungsplan“, aus dem hervorgeht, mit welcher Tätigkeit
und Stundenzahl dieser beginnt und in welchem Zeitraum
Art und Umfang der Tätigkeit gesteigert werden.
5. Der Antrag wird dem Arbeitgeber vorgelegt – von ihm
hängt die stufenweise Wiedereingliederung ab: Er muss sein
Einverständnis zu der Maßnahme mit einer Unterschrift
bestätigen, ist dazu aber nicht verpflichtet.
6. Es empfiehlt sich, eine Stellungnahme des Betriebsarztes
bzw. des MDK einzuholen.
7. Der Antrag wird bei der Krankenkasse eingereicht. Diese
prüft, ob sie der Maßnahme zustimmt. Zum Teil bezieht
auch die Krankenkasse den MDK mit ein.
8. Haben alle Beteiligten zugestimmt, kann die Maßnahme
beginnen.
9. Während der eingeschränkten Beschäftigung bleiben
Versicherte weiterhin arbeitsunfähig geschrieben.
Bei der stufenweisen Wiedereingliederung sind meistens
Krankenkassen, behandelnde Ärzte und Arbeitgeber beteiligt.
Es können aber auch die Agentur für Arbeit, oder Rentenversicherungsträger Kostenträger und deshalb Ansprechpartner
sein.
?
Wer hilft weiter?
Rehabilitation
31
Berufliche
Rehabilitation
„Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ sind mit Inkrafttreten
des SGB IX die Nachfolger der ehemaligen „Berufsfördernden
Maßnahmen zur Rehabilitation“. Sie werden von den
Versicherungsträgern (Rentenversicherungsträger, Berufsgenossenschaften, Jugendamt, Sozialamt, Bundesagentur für
Arbeit) (§§ 5, 6 SGB IX) übernommen, um die Erwerbsfähigkeit
herzustellen, zu erhalten oder zu verbessern und die Teilhabe am
Arbeitsleben zu sichern. Sie zählen zur Rehabilitation.
Zuständigkeit
Die Rentenversicherungsträger übernehmen die Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben, wenn die Maßnahmen geeignet sind,
eine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben zu erreichen. Es
gelten die rentenrechtlichen Voraussetzungen zur Rehabilitation.
Daneben übernehmen unter Umständen auch die Bundesagentur
für Arbeit, das Jugendamt oder das Sozialamt Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben.
!
Praxistipp
Leistungen der beruflichen
Rehabilitation
32
Rehabilitation
Die Anträge auf Kostenübernahme für die jeweiligen Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben sollten gestellt werden, bevor die
Maßnahmen in die Wege geleitet werden.
Stationäre Leistungen, Unterkunft, Verpflegung
Aus Gründen der Art oder Schwere der Behinderung oder zur
Sicherung des Erfolgs der Reha können die Maßnahmen auch
stationär erbracht werden. Das umfasst neben der Unterkunft
auch die Verpflegung, wenn die Unterbringung außerhalb des
eigenen oder elterlichen Haushalts erforderlich ist, d. h. wenn
aufgrund der Behinderung ein begleitender medizinischer, psychologischer und sozialer Dienst notwendig ist.
Es gibt mehrere Arten von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, unter anderem:
• Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes
sowie zur Förderung der Arbeitsaufnahme
• Berufsvorbereitung
• berufliche Bildung
Vorrangiges Ziel ist es, den bisherigen Arbeitsplatz zu erhalten. Ist
dies nicht möglich, wird nach einem anderen geeigneten Arbeitsplatz im bisherigen oder aber in einem anderen Betrieb gesucht.
Hilfen zur Erhaltung oder
Erlangung eines Arbeitsplatzes
In diesem Rahmen übernehmen vorwiegend die Rentenversicherungsträger in Zusammenwirken mit der Bundesagentur für Arbeit folgende Leistungen:
• Kosten für Arbeitsausrüstung, Hilfsmittel und technische
Arbeitshilfen, welche die Folgeerscheinungen der Behinderung
für eine bestimmte berufliche Tätigkeit ausgleichen. Ein
Ausgleich von ausschließlich medizinischen Funktionsstörungen genügt nicht zur Kostenübernahme bei der
Rentenversicherung.
• Umsetzung im Betrieb, Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes in Form beruflicher Anpassung, Weiterbildung und
Ausbildung
• Fahrtkostenbeihilfe für die täglichen Fahrten zwischen
Wohnung und Arbeitsstelle, soweit der Versicherte ansonsten
unzumutbar belastet wäre und das Rehaziel absehbar ist.
Bezugsdauer: in der Regel 1 Jahr, maximal 2 Jahre
• Trennungsbeihilfe bei erforderlicher auswärtiger Arbeitsaufnahme und damit verbundener doppelter Haushaltsführung.
Das tägliche Pendeln oder der Umzug der Familie zum
Arbeitsort müssen unzumutbar sein.
Bezugsdauer: 2 Jahre
• Überbrückungsbeihilfe bei Arbeitsaufnahme bis zur ersten
vollen Lohnzahlung. Die Überbrückungsbeihilfe wird in der
Regel als Darlehen gewährt.
Höhe:
– als Leistung zum Lebensunterhalt: 400,- DM
(umgerechnet: 204,52 €) wöchentlich
– für sonstige Aufwendungen (z. B. für Kindergarten):
500,- DM (255,65 €) wöchentlich
– in Härtefällen maximal 1.000,- DM (511,29 €) wöchentlich
als Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden muss
• Umzugskosten, soweit eine Arbeitsaufnahme am Wohnort
unmöglich ist. Als Umzugskosten gelten z.B. Transportkosten
und Reise des Familienversicherten samt Familie, nicht aber
Wohnraumbeschaffungskosten wie Maklergebühren,
Kautionen, Renovierungskosten. Der Umzug darf nicht später
als 2 Jahre nach der Arbeitsaufnahme stattfinden.
• Um- und Ausbaumaßnahmen im Wohnbereich, die zum
Erlangen oder Erhalten des Arbeits- oder Ausbildungsortes
erforderlich sind.
Rehabilitation
33
Berufsvorbereitung
Zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zählt die Berufsvorbereitung einschließlich der wegen eines Gesundheitsschadens
erforderlichen Grundausbildung. Darunter fallendie ganzheitliche
Stabilisierung der Persönlichkeit und des sozialen Umfelds neben
Aufbau und Festigung der Motivation und berudlichen
Fähigkeiten.
Berufliche Bildung
Zur beruflichen Bildung zählen Maßnahmen zur Anpassung an
den Beruf, Ausbildung und Weiterbildung einschließlich des
dafür erforderlichen Schulabschlusses. Nicht dazu zählen allgemeinbildende Maßnahmen.
Weitere Kosten
Die Rentenversicherungsträger übernehmen auch Kosten, die mit
den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in unmittelbarem
Zusammenhang stehen.
Hierzu zählen z. B.: Lehrgangskosten, Prüfungsgebühren, Lernmittel, Arbeitskleidung einschließlich Schuhwerk und Schutzkleidung, Arbeitsgeräte (z. B. Werkzeuge, Kleinmaschinen), Kosten
für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Teilnehmer an einer
Maßnahme eine Unterbringung außerhalb des eigenen oder des
elterlichen Haushalts nötig ist (z. B. unzumutbar weiter Anfahrtsweg) – wegen Art und Schwere der Behinderung oder zur
Sicherung des Erfolgs der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Dauer
Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollen für die Zeit
erbracht werden, die vorgeschrieben oder allgemein üblich ist, um
das angestrebte Berufsziel zu erreichen.
Die berufliche Eingliederung dauert in der Regel bis zur
Erreichung des angestrebten Berufsziels in der hierfür vorgeschriebenen oder allgemein üblichen Zeit im Sinne der notwendigen Ausbildungsdauer.
Die Weiterbildung dauert in der Regel bis zu 2 Jahren bei ganztägigem Unterricht.
Eine Teilförderung (eines Ausbildungsabschnitts) innerhalb einer
geschlossenen Weiterbildungsmaßnahme ist nicht möglich.
Eine Verlängerung ist denkbar bei:
• bestimmter Art und Schwere der Behinderung
• Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes
• voller Ausschöpfung des Leistungsvermögens des Behinderten
• Erlernbarkeit des Ausbildungsberufs nicht unter 2 Jahren
Bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden
Beiträge zur Kranken-, Unfall-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung übernommen.
34
Rehabilitation
Die Rehaträger können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
auch als Zuschüsse an den Arbeitgeber leisten. Anspruchs- und
antragsberechtigt ist der Versicherte; der Arbeitgeber ist „nur“
Begünstigter ohne eigenes Antragsrecht.
Zuschüsse an den Arbeitgeber
Die Gewährung eines Zuschusses kann von Auflagen und
Bedingungen abhängig gemacht werden. Zuschüsse an den
Arbeitgeber gibt es z. B. als:
• Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von
Bildungsleistungen
Zuschusshöhe: 100 % der laut Ausbildungsvertrag für das
letzte Ausbildungsjahr vereinbarten monatlichen Vergütung
Dauer: für die gesamte Dauer der Maßnahme
• Eingliederungszuschüsse
Zuschusshöhe: 50 %, in Ausnahmefällen bis zu maximal 70 %
des tariflichen bzw. ortsüblichen Brutto-Arbeitsentgelts,
Kürzung bei einer Bezugsdauer von mehr als 1 Jahr um
mindestens 10 %
Dauer: in der Regel 1 Jahr, in begründeten Einzelfällen
maximal 2 Jahre
• Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb
• Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung
Sie soll die vollständige und dauerhafte berufliche
Eingliederung verbessern oder überhaupt erst erreichen.
Zuschusshöhe: teilweise oder voll
Umschulung, Aus- oder Weiterbildung im Betrieb
Technische Veränderung des Arbeitsplatzes
Die Rentenversicherung finanziert ihren Versicherten
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht bei:
• Bezug oder Beantragung einer Altersrente von mindestens
2/3 der Vollrente (d. h.: kein Ausschluss bei Bezug/Antrag
von 1/3 bzw. 1/2 der Vollrente)
• Anwartschaft auf Versorgung nach beamtenrechtlichen
Vorschriften
• Versicherungsfreiheit als Bezieher einer Versorgung wegen
Erreichens einer Altersgrenze, so genannte Vorruhestandsleistungen
• Bezug einer Leistung, die regelmäßig bis zum Beginn einer
Altersrente gezahlt wird
• Untersuchungshaft oder Vollzug einer Freiheitsstrafe
oder freiheitsentziehender Maßregeln oder einstweiliger
Unterbringung
Fragen zur beruflichen Rehabilitation beantwortet das
Integrationsamt oder der jeweilige Kostenträger.
Ausschluss von Leistungen
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Wer hilft weiter?
Rehabilitation
35
Schwerbehinderung
Psychische Erkrankungen wie Depressionen können dazu führen,
dass der Erkrankte als schwerbehindert eingestuft wird. Unterstützung und Hilfen sind hauptsächlich im SGB IX – Rehabilitation
und Teilhabe – geregelt.
Allgemeines zur
Schwerbehinderung
Als schwerbehindert nach dem SGB IX gelten Personen mit einem
Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Leistungen nach
dem SGB IX erhalten sie nur, wenn sie ihren Wohnsitz, ihren
gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung in Deutschland
haben.
Als behindert nach dem SGB IX gelten Personen, deren
körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit
zu einer Beeinträchtigung führt, die für einen Zeitraum von mehr
als 6 Monaten von dem für das Lebensalter typischen Zustand
abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die
Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Schwerbehinderte erhalten auf Antrag beim Versorgungsamt
einen Schwerbehindertenausweis. Dieser kann je nach Art der
Behinderung Merkzeichen enthalten, wodurch der Schwerbehinderte Vergünstigungen in Anspruch nehmen kann.
36
Kündigungsschutz
Die Kündigung eines Schwerbehinderten bedarf in der Regel der
vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens 4 Wochen.
Zusatzurlaub
Schwerbehinderte haben Anspruch auf zusätzlich 5 bezahlte
Urlaubstage im Jahr. Bei mehr oder weniger als 5 Arbeitstagen in
der Woche erhöht bzw. vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend.
Gleichstellung
behindert/schwerbehindert
Personen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von weniger als
50, aber mindestens 30 erhalten die gleichen Leistungen wie
Schwerbehinderte (außer „Erleichterungen im Personenverkehr“),
wenn sie infolge ihrer Behinderung keinen geeigneten Arbeitsplatz
erlangen oder behalten können. Die Gleichstellung stellt die
Agentur für Arbeit (ehemals Arbeitsamt) auf Antrag fest.
Schwerbehinderung
Gleichgestellte genießen wie Schwerbehinderte einen besonderen
Kündigungsschutz. Sie haben jedoch im Gegensatz zu Schwerbehinderten keinen Anspruch auf einen Zusatzurlaub von
5 bezahlten Arbeitstagen im Jahr und auf vorgezogenes Altersruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres (Altersrente für
Schwerbehinderte).
Die Gleichstellung erfolgt durch die zuständige Agentur für Arbeit
(ehemals Arbeitsamt). Der Antrag muss unmittelbar bei
der Agentur für Arbeit gestellt werden unter Vorlage des Feststellungsbescheids des Versorgungsamts und eines Schreibens des
Arbeitgebers, der den Antragsteller als Schwerbehinderten einstellen bzw. weiterbeschäftigen würde. Die Gleichstellung wird mit
dem Tag der Antragsstellung wirksam. Sie kann befristet werden.
Der Grad der Behinderung (GdB) wird durch das Versorgungsamt
(= Amt für Familienförderung und Versorgung) festgestellt, soweit er nicht bereits anderweitig festgestellt wurde, z. B. durch
Rentenbescheid oder durch eine Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung.
Abhängig vom GdB sind die Nachteilsausgleiche für Behinderte.
Das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung hat
so genannte „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit“
erstellt; sie bilden eine Richtlinie bei der Beurteilung des
Grades der Behinderung.
Schwerbehinderten wird – teilweise auf freiwilliger Grundlage – eine Reihe von Nachteilsausgleichen zugestanden, z. B.:
• Eintrittspreisermäßigungen (z. B. Filme, Theater,
Sportveranstaltungen, Museen)
• Benutzung der Abteile und Sitze, die Schwerbehinderten in
Verkehrsmitteln vorbehalten sind
• bevorzugte Abfertigung in Ämtern
• Beitragsermäßigungen bei Vereinen, Interessenverbänden etc.
Informationen zum SGB IX und zu „Jobs für schwer behinderte
Menschen“ gibt die Agentur für Arbeit.
Arbeitsrechtliche Auskünfte (Kündigungsschutz, Zusatzurlaub)
erteilt das Integrationsamt.
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Praxistipp
Grad der Behinderung
!
Praxistipp
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Wer hilft weiter?
Schwerbehinderung
37
Schwerbehindertenausweis
Der Schwerbehindertenausweis belegt Art und Schwere der
Behinderung und muss vorgelegt werden, wenn Vergünstigungen
für Behinderte beantragt oder in Anspruch genommen werden.
Antrag
Die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises erfolgt auf
Antrag des Schwerbehinderten. Antragsformulare sind beim
Versorgungsamt erhältlich.
!
38
Praxistipp
Folgende Punkte sind beim Beantragen des Ausweises zu
beachten:
• Nicht nur die Grunderkrankung, sondern auch alle
zusätzlichen Beeinträchtigungen, z. B. Sehfehler, sowie
Begleiterscheinungen angeben.
• Kliniken und Ärzte anführen, welche am besten über die
angeführten Gesundheitsstörungen informiert sind. Dabei
unbedingt die dem Antrag beiliegenden Schweigepflichtsentbindungen und Einverständniserklärungen ausfüllen,
damit das Versorgungsamt bei den angegebenen Stellen die
entsprechenden Auskünfte einholen kann.
• Antragsstellung mit dem behandelnden Arzt absprechen.
Der Arzt sollte in den Befundberichten die einzelnen
Auswirkungen der Erkrankung (z. B. die Höhe der körperlichen
Belastbarkeit) detailliert darstellen. Diese Kriterien, nicht allein
die Diagnose, entscheiden über den Grad der Behinderung.
• Patienten sollten sich etwa eine Woche lang selbst beobachten
und beobachten lassen und alles aufschreiben, was körperlich
beeinträchtigt, was Schmerzen verursacht, womit sie sich
und/oder andere gefährden (z. B. zu langsam im Straßenverkehr, Autos nicht gehört oder gesehen).
• Bereits vorhandene ärztliche Unterlagen gleich bei Antragstellung mit einreichen, z. B. Krankenhausentlassungsbericht,
Kurbericht, alle die Behinderung betreffenden Befunde in
Kopie. Lichtbild beilegen (erst ab Vollendung des 10. Lebensjahres notwendig).
• Wenn der Behinderte niemals in der Lage ist, das Haus zu
verlassen, ist es auf Antrag möglich, einen Schwerbehindertenausweis ohne Foto zu bekommen.
• Nach der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)
bekommt der Behinderte vom Versorgungsamt einen so
genannte Feststellungsbescheid. Ab einem GdB von 50
besteht die Möglichkeit, einen Schwerbehindertenausweis zu
bekommen.
Gültigkeitsdauer
Der Ausweis wird in der Regel für längstens 5 Jahre ausgestellt.
Ausnahme: Bei einer voraussichtlich lebenslangen Behinderung
kann der Ausweis unbefristet ausgestellt werden.
Schwerbehinderung
Verlängerung: Die Gültigkeit kann auf Antrag höchstens zweimal
verlängert werden. Danach muss ein neuer Ausweis beantragt
werden.
Bei Schwerbehinderten unter 10 Jahren ist der Ausweis bis zur
Vollendung des 10. Lebensjahres befristet. Danach werden die
Voraussetzungen der Schwerbehinderung neu überprüft.
Bei Schwerbehinderten zwischen 10 und 15 Jahren ist der
Ausweis bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres befristet. Danach
werden die Voraussetzungen der Schwerbehinderung neu überprüft.
Verschlechtert sich der Gesundheitszustand eines Menschen mit
Schwerbehindertenausweis oder kommt eine weitere dauerhafte
Einschränkung durch eine neue Erkrankung dazu, dann sollte
beim Versorgungsamt ein Antrag auf Erhöhung des Grades der
Behinderung (GdB) gestellt werden. Der Vordruck für den Antrag
wird auf Anfrage vom Versorgungsamt zugeschickt und es wird
geprüft, ob ein neuer Schwerbehindertenausweis mit evtl. neuen
Merkzeichen ausgestellt wird.
Verschiedene Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis kennzeichnen die Behinderung und signalisieren, welche Vergünstigungen der Behinderte erhält.
Antrag auf Erhöhung
Es gibt folgende Merkzeichen:
Merkzeichen „G“: erhebliche Beeinträchtigung der
Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr
sowie erhebliche Geh- und/oder
Stehbehinderung
Merkzeichen „aG“: außergewöhnliche Gehbehinderung
Merkzeichen „H“: hilflos
Merkzeichen „Bl“: blind oder hochgradig sehbehindert
Merkzeichen „RF“: Rundfunk- und Fernsehgebührenbefreiung
Merkzeichen „B“: ständige Begleitung bei Benutzung
öffentlicher Verkehrsmittel notwendig
Merkzeichen „Gl“: gehörlos und an Taubheit grenzende
Schwerhörigkeit mit schwerer Sprachstörung
Bei Fragen zur Schwerbehinderung und dem Schwerbehindertenausweis hilft das Versorgungsamt weiter.
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Wer hilft weiter?
Schwerbehinderung
39
Grad der Behinderung
bei Depressionen
Das Versorgungsamt richtet sich bei der Feststellung der
Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und der
Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises nach den
„Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“.
Diese Anhaltspunkte enthalten allgemeine Beurteilungsregeln
und Einzelangaben darüber, wie hoch der Grad der Behinderung
bei welchen Behinderungen festzusetzen ist.
Die Anhaltspunkte gelten bundesweit und sollen für eine
möglichst einheitliche Praxis sorgen. Vom Bundesministerium für
Arbeit und Sozialordnung wurden sie zuletzt im Mai 2004 neu
überarbeitet und herausgebracht.
Hier die Angaben zu Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen
psychischer Traumen (darunter sind auch Depressionen eingeordnet):
GdB 0–20
leichtere psychovegetative oder psychische Störungen
GdB 30–40
stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung
der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere
depressive Störungen)
GdB 50–70
schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit)
mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten
GdB 80–100
schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit )
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten
40
Schwerbehinderung
Ernährung bei Depressionen
Grundsätzlich gibt es keine „Depressions-Diät“. Eine ausgewogene
Ernährung mit wenig Fett und vielen Ballaststoffen ist jedem
Menschen zu raten.
Allerdings besteht ein nachgewiesener Zusammenhang zwischen
zuckerreicher Ernährung und der Serotoninproduktion des
Körpers. Kohlenhydrate werden im Körper größtenteils zu
Traubenzucker (Glukose) umgewandelt, der wiederum die
Bauchspeicheldrüse zur Insulinbildung anregt. Insulin erhöht den
Tryptophanspiegel des Gehirns. Tryptophan ist für die Bildung
von Serotonin von Bedeutung, das bei der Entstehung von
Depressionen eine große Rolle spielt. Bei Depressionen ist
ein Mangel der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin zu
beobachten.
Daraus folgt, dass eine kohlenhydratreiche Ernährung die
Erkrankung günstig beeinflussen könnte. Außerdem enthalten
einige Lebensmittel natürliches Serotonin, z. B. Bananen, Weintrauben, Äpfel und Pflaumen.
In der wissenschaftlichen Forschung gibt es einzelne Studien, die
belegen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum
bestimmter Nahrungsmittel und dem Auftreten von Depressionen
gibt. Der Verzehr von raffiniertem Zucker und Milchprodukten
fördert ein Auftreten von Depressionen, hoher Konsum von
Fischen und Meeresfrüchten sowie stärkehaltigen Wurzelgemüsen hingegen vermindert das Depressionsrisiko.
Allerdings können Depressionen auf keinen Fall durch eine
entsprechende Ernährungsumstellung verhindert oder geheilt
werden.
Ernährung bei Depressionen
41
Sport und Depressionen
Körperliche Betätigung steigert das psychische Wohlbefinden
durch die Ausschüttung körpereigener Stoffe wie Serotonin,
Endorphin und Dopamin. In vielen Forschungen der letzten Jahre
konnte nachgewiesen werden, dass körperliche Aktivitäten
leichte bis mittelschwere Depressionen positiv beeinflussen
können. Der Nutzen ist besonders bei regelmäßigem Ausdauertraining (zwischen 30 und 60 Minuten) mindestens dreimal
(besser fünfmal) wöchentlich nachweisbar.
Die Forscher gehen davon aus, dass regelmäßige sportliche
Betätigung die chemischen Prozesse im Gehirn beeinflusst und
die Produktion von stimmungsaufhellenden Hormonen (Endorphinen) anregt. Diese so genannten „Glückshormone“ haben eine
antidepressive Wirkung.
Sport soll Spaß machen und depressive Patienten weder unternoch überfordern. Es darf kein Leistungsdruck entstehen, der
dann evtl. mit Versagensängsten und Stress einhergeht. Wird
Sport in der Gruppe ausgeübt, entstehen dadurch auch soziale
Kontakte.
Günstige Sportarten für depressive Patienten sind beispielsweise
(Nordic) Walking, Joggen, Radfahren, Schwimmen, Wandern,
Aerobic oder Langlauf.
Weniger geeignet sind Sportarten, bei denen Aggressivität,
Leistung und Konkurrenz im Mittelpunkt stehen, beispielsweise
Kampfsportarten oder Boxen.
42
Sport und Depressionen
Urlaub bei Depressionen
Während schwerer Depressionen ist es nicht ratsam, in einen
Urlaub zu „flüchten“. Durch die Krankheit fühlen sich depressive
Menschen schon vom Alltag überfordert. Eine fremde Umgebung
könnte den Druck, funktionieren zu müssen, und die Angst, zu
versagen, zusätzlich verstärken.
Eine fremde Umgebung führt nicht automatisch dazu, dass
Patienten weit weg von ihrem Alltag wieder gesund werden. Die
Depression und die damit verbundenen Probleme und Symptome
fahren mit. Ziel bei der Behandlung von Depressionen ist es, im
bzw. mit dem Alltag wieder klarzukommen.
Geht es Betroffenen durch medikamentöse und psychologische
Behandlung wieder besser, kann ein Ortswechsel sich allerdings
gut auf die Verfassung auswirken. Den Mut aufzubringen, die
eigenen vier Wände zu verlassen und sich für neue Erfahrungen
zu öffnen, kann Betroffenen ein neues Selbstwertgefühl und
Stolz auf das eigene Verhalten vermitteln.
Wichtig für einen gelungenen Urlaub ist, dass die verordneten
Medikamente weiterhin gewissenhaft eingenommen werden. Die
eigenen Grenzen sollten beachtet werden, Urlaub ist zur Erholung
da. Aktivitäten sollten angemessen geplant und angegangen werden, Überforderung kann zu Rückschlägen führen.
Urlaub bei Depressionen
43
Adressen
Kompetenznetz Depression
Psychiatrische Klinik der LMU München
Herr Prof. Ulrich Hegerl
Nußbaumstraße 7, 80336 München
Telefon 089 51605553
[email protected]
www.kompetenznetz-depression.de
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seinen Zielen einen qualitativ neuen Ansatz dar.
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hausärztlich tätigen Ärzte sowie andere wichtige an der Versorgung depressiver Patienten beteiligte Partner ein und will
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und neue Kommunikationsstrukturen verankern.
Aktion Psychisch Kranke e. V.
Herr Jörg Halke, Herr Ulrich Krüger
Brungsgasse 4–6, 53117 Bonn
Telefon 0228 676740
E-Mail: [email protected]
www.psychiatrie.de/aple
Geschäftszeiten: Montag bis Donnerstag 8–16 Uhr und
Freitag 8–12 Uhr
Emotions Anonymous – Selbsthilfegruppen für emotionale
Gesundheit – Kontaktstelle Deutschland
Katzbachstraße 33, 10965 Berlin
Telefon 030 7867984
E-Mail: [email protected]
www.EmotionsAnonymous.de
Geschäftszeiten:
Die Kontaktstelle ist donnerstags von 18–22 Uhr telefonisch
erreichbar. Ansonsten ist ein Anrufbeantworter geschaltet.
Familien-Selbsthilfe/Bundesverband der Angehörigen
psychisch Kranker (BApK)
Am Michaelshof 4b, 53117 Bonn
Telefon 0228 632646
E-Mail: [email protected]
www.bapk.de
44
Adressen
Impressum
Herausgeber
betapharm Arzneimittel GmbH
Kobelweg 95, 86156 Augsburg
Telefon 0821 748810, Telefax 0821 74881420
Redaktion
beta Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement gGmbH
Kobelweg 95, 86156 Augsburg
Text
Sabine Bayer
Leitung
Tanja Güntner
Der Inhalt des Ratgebers „Depression“ basiert auf sorgfältigen
Recherchen und gibt die gesetzlichen Rahmenbedingungen
zum Zeitpunkt der Drucklegung wieder. Einen Anspruch auf
Vollständigkeit erheben wir nicht.
Autoren und Herausgeber übernehmen keine Haftung für die
Angaben in dieser Broschüre.
Dezember 2005
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