Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

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Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Balanceorientierte Arbeitszeit- und
Dienstplangestaltung in der Pflege
Erarbeitet im Rahmen des Projektes
»Gesellschaftliche Wertschätzung von Dienstleistungen steigern!
Dienstleistungsqualität – Arbeitsqualität – Zeitinnovationen«
Berlin, Juni 2013
Expertise
„Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege“
Erarbeitet im Rahmen des Projektes „Gesellschaftliche Wertschätzung von Dienstleistungen steigern!
Dienstleistungsqualität – Arbeitsqualität – Zeitinnovationen“
Wert.Arbeit GmbH, Berlin
Gesellschaft für Arbeit, Chancengleichheit und Innovation
Albrechtstraße 11a
10117 Berlin
und
Udo Böhlefeld
Graewis-Verlag
Wallstr. 60
10179 Berlin
Berlin, Juni 2013
Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und
des Landes Berlin – Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Inhalt
1.
Balanceorientierung – was bedeutet das?
2
2.
Entgrenzung der Arbeit
5
2.1.
3.
4.
5.
Erwartungen der Beschäftigten und Work-Life-Balance als Voraussetzung
für „Gute Arbeit“
5
2.2.
Gestaltung von Schichtarbeit
7
2.3.
Balanceorientierte Schichtarbeit
2.3.1. Arbeitszeitdauer
2.3.2. Planbarkeit
2.3.3. Arbeitszeitsouveränität
2.3.4. Handlungsspielräume für beide Seiten – und Vorteile für den
Arbeitgeber
2.3.5. Erwartungen der Beschäftigten
10
10
11
12
12
13
Branchenfokus Pflege – Bedeutung wächst
17
3.1.
Boombranche Pflege
17
3.2.
Demografischer Wandel
17
3.3.
Besondere Herausforderung
18
Beschäftigtenstruktur
19
4.1.
Überwiegend weibliche Beschäftigte
20
4.2.
Beschäftigungssituation
20
4.3.
Geringfügige Beschäftigung und Zeitarbeit
21
4.4.
Besonderheiten der Arbeitsorganisation
21
Anforderungen an die Dienstplan- und Arbeitszeitgestaltung in der
Pflege
23
5.2.
Arbeitszeit
23
5.3.
Atypische Beschäftigung
5.4.
Zeit- und Termindruck
24
24
5.5.
Gesundheitliche Beschwerden
25
5.6.
Handlungsmöglichkeiten der betrieblichen Akteurinnen und Akteure
25
6.
Beispiele guter Praxis
27
7.
Literaturverzeichnis
30
1
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
1.
Balanceorientierung – was bedeutet das?
Lebensqualität und Leistungsfähigkeit miteinander in Einklang zu bringen, so lautet – auf
eine knappe Formel gebracht – eine mögliche Definition für „Balanceorientierung“.
Grundlage ist dabei das Zusammenspiel mehrerer Lebensfaktoren:
• Privatleben (private Lebenszeit, Aktivitäten mit und für Familie sowie Freunde,
Familienarbeit)
• Berufsleben (Arbeitsbedingungen und -zeit, Karriere, Erfolge, Wertschätzung)
• Selbst und Werte (Wie bin ich mit meinen Werten im Einklang?)
• Kommunikation und Kooperation (Zusammenwirken mit Anderen)
• Finanzielle Sicherheit (Sicheres und auskömmliches Einkommen)
• Gesundheit (psychische und physische Belastungen versus Gesundheitsförderung)
Balanceorientierung heißt, die betrieblichen Maßnahmen und individuelle Kompetenzen
aufeinander zu beziehen sowie zu entwickeln, das Verhältnis von Arbeit und Leben in eine
sozial nachhaltige Beziehung zu bringen: Arbeitszeit und Lebenszeit, Anforderungen und
Ressourcen, Wertschätzung und Perspektiven, Verausgabung und Erholung sowie Quantität
und Qualität von Arbeit.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist in der Bundesrepublik ein viel diskutiertes
Thema. Insbesondere die Situation berufstätiger Mütter wird als besonders
verbesserungswürdig angesehen. Die politische Debatte etwa bezüglich des Angebots an
Kinderbetreuungsplätzen (U3-Betreuung) oder auch das nach wie vor aktuelle Thema eines
Betreuungsgeldes für Eltern, die auf Kindertagesstättenbetreuung verzichten, zielt lediglich
auf die Spitze eines Eisbergs: Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach,
Monitor Familienleben 2011, wird insgesamt auf die Bedürfnisse von Familien zu wenig
Rücksicht genommen:
•
In der Arbeitswelt (sagen 65,0 % der Bevölkerung insgesamt)
•
bei dem Angebot für Kinderbetreuungsplätzen (54,0 %)1
Die Vereinbarkeit beider Lebensbereiche ist die Voraussetzung, um dauerhaft gesund mit
sich und der Umwelt im Einklang zu stehen. Ohne diese Balance wird der Mensch auf Dauer
psychisch und physisch krank.
»Work-Life-Balance bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und
Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden
Arbeits- und Lebenswelt. Betriebliche Work-Life-Balance-Maßnahmen zielen darauf ab,
erfolgreiche Berufsbiografien unter Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und
gesundheitliche Erfordernisse zu ermöglichen.«
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Eine etwas weitergehende Betrachtung sieht den Menschen „nicht nur als Rollen- und
Funktionsträger innerhalb der Arbeitswelt (...), sondern innerhalb der Lebens- und der
Arbeitswelt. Die Rollen und Funktionen des Individuums in beiden Bereichen sind somit nicht
losgelöst voneinander zu betrachten, um eine Balance zwischen beiden Bereichen
1
Vgl. Pfahl 2011, S. 3
2
Expertise: Balanceorientierte
tierte Arbeits
Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
herzustellen, in denen das Individuum
Individ
in seinen Rollen und Funktionen interagiert.“
intera
Und das
eben ist auch lebensphasenabhä
phasenabhängig.
»Work-Life-Balance heißt:
eißt: d
den Menschen ganzheitlich zu betrachten
chten ((als Rollen- und
Funktionsträger) im beruflich
eruflichen und privaten Bereich (der Lebenss und Arbeitswelt) und
ihm dadurch die Möglichkeit
lichkeit zu geben, lebensphasenspezifisch und
nd indi
individuell für beide
Bereiche die anfallenden
den Ve
Verpflichtungen und Interessen erfüllen
len zu können, um so
dauerhaft gesund, leistungsfä
tungsfähig, motiviert und ausgeglichen zu sein.«
Projekt „BALANCE“, http://ba
ttp://balanceonline.org/enzyklopaedie/work-life-bala
balance: 31.05.2013
Von allen Seiten betrachtet, bedeute Balance demnach, „dass der Mensch nicht losgelöst
und isoliert von Strukturen innerhalb
innerh
der Gesellschaft lebt, sondern innerhalb eines Systems,
das unterschiedliche Subsysteme
Subsystem besitzt, die alle eine bestimmte Struktur und Funktion zu
erfüllen haben und sich in einer Ursache-Wirkung-Kette bedingen.“2
Nachstehende Abbildungen
ildungen ze
zeigen die Befragungsergebnisse
se des DG
DGB Index „Gute
Arbeit“ hinsichtlich der Ausgew
Ausgewogenheit zwischen Beruf und Privatleben im Branchenvergleich:
Quelle: DGB-Index Gute Arbeit, 200
2007, INIFES (Tatjana Fuchs)
Quelle: DGB-Index Gute Arbeit, 200
2007, INIFES (Tatjana Fuchs)
2
Zitiert nach
31.05.2013
Projekt
ekt
„BALA
„BALANCE“,
http://balanceonline.org/enzyklopaedie/
zyklopaedie/work-life-balance;
3
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
4
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
2.
Entgrenzung der Arbeit
Seit den 90er Jahren sind Beschäftigte mit einer Arbeitswelt konfrontiert, in der sie
zunehmend selbstverantwortlich Zeit und Rahmen ihrer Arbeit strukturieren. Globalisierung
und moderne Managementstrategien, ständig im Wandel begriffene Arbeitsanforderungen
und die wachsenden Ansprüche der Nachfrageseite auf ständige Verfügbarkeit von
Dienstleistungen führen dazu, dass insbesondere bei den Beschäftigten der Dienstleistungsbranche die Grenzen zwischen Privatleben und Erwerbsarbeit verschwimmen.
Arbeiten im Dienstleistungsbereich können nicht auf Vorrat produziert und gelagert werden,
das gilt umso mehr für den gesamten Pflegebereich. Diese Tätigkeiten müssen vor Ort und
zu der Zeit erbracht werden, zu der es die Pflegebedürftigen benötigen oder wünschen. Die
Nachfrage wirkt sich so unmittelbar auf die Angebots- und die Arbeitszeiten der
Beschäftigten aus. Wochenend-, Feiertags-, Früh- und Spätdienste sowie Nachtarbeit sind
die Folge.
Die Entgrenzungstendenzen haben längst auch die Strukturen in den Unternehmen erfasst,
führen zur Ausdünnung betrieblicher Steuerungs- und Organisationsstrukturen sowie zum
Personalabbau. Klassische Dienstpläne werden den daraus resultierenden Anforderungen
und veränderten Wünschen der Beschäftigten nicht mehr gerecht – die Branche leidet
Mangel an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Nachwuchskräften.
Die Beschäftigten in der Pflege sind unmittelbares Bindeglied zwischen Unternehmen
und Pflegebedürftigen. Sie vermitteln durch ihr Auftreten einen Eindruck auch ihrer
Arbeitsbedingungen: Freundlichkeit kann nicht angeordnet werden, Überarbeitung und
Unzufriedenheit, zu knapp bemessene Zeiten für die jeweiligen Kundinnen und Kunden
können aber zu hohem Stress und in der Folge zu mangelhaftem Service führen.
Vor diesem Hintergrund wird unmittelbar deutlich, dass:
•
Einerseits Handlungsbedarf hinsichtlich der Gestaltung einer als positiv empfundenen
Work-Life-Balance besteht,
•
Andererseits aber die Gegebenheiten im Pflegebereich, solche Bedingungen zu
gestalten, grundsätzlich schwierig sind.
2.1.
Erwartungen der Beschäftigten
Voraussetzung für „Gute Arbeit“
und
Work-Life-Balance
als
Die generelle Entwicklung der Erwerbsarbeit geht für die meisten Beschäftigten mit
steigender Belastung und individueller Beanspruchung einher. Hinsichtlich gelungener WorkLife-Balance sind diese Megatrends somit grundsätzlich kritisch einzuschätzen. Damit wird
die Notwendigkeit deutlich, zur Verbesserung der Balanceorientierung integrierte Ansätze
der Arbeitsgestaltung zu verfolgen, die neben der ökonomischen Effizienz auch und gerade
arbeits- sowie beschäftigtenorientierte Zielstellungen verfolgen. Die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Grundprinzipien positiver Arbeitsgestaltung (Stichwort „Gute
Arbeit") sind dabei nicht neu und bestehen im Wesentlichen aus folgenden Schwerpunkten3:
3
Vgl. IG Metall 2010
5
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
−
Handlungsspielräume bei der Ausübung der Tätigkeiten
−
Beteiligung an der Aufgabenverteilung und Arbeitsgestaltung
−
Ganzheitliche Aufgabengestaltung
−
Angemessener Planungshorizont zur Ausübung der Tätigkeiten
−
Kommunikationserfordernisse und Teamförderlichkeit
−
Funktionierende Informations- und Rückmeldesysteme
−
Erreichbare Zielsetzungen
−
Zeitliche Ressourcen beim Umgang mit Störungen
Die Prinzipien sind spezifisch hinsichtlich der jeweils konkreten Arbeitsumstände zu
interpretieren und auszuformulieren. Deutlich wird jedoch, dass in vielen Fällen die gestalterischen Prinzipen auch Anforderungen hinsichtlich der Qualifikation der Beschäftigten mit
sich bringen. Die Erweiterung der Arbeitsinhalte etwa hinsichtlich einer möglichst
ganzheitlichen Aufgabengestaltung bedeutet beispielsweise die Übernahme von
planerischen und kontrollierenden Tätigkeiten durch Beschäftigte, die zuvor ausschließlich
auf Anweisung durchführende Arbeiten erledigt haben. Damit einher geht zunächst eine
zusätzliche (Qualifikations-) Anforderung und die Bereitschaft der Beschäftigten zu
lebenslangem Lernen: Der kontinuierliche Entwicklungsprozess ganzheitlicher Arbeitsgestaltung erfordert auch die permanente Erweiterung der Qualifikationen der Beschäftigten.
Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der zunehmenden Alterung der
Erwerbsbevölkerung spielt die Frage der lernförderlichen Arbeitsgestaltung eine wichtige
Rolle. Die Zukunftsfähigkeit von Arbeitsplätzen wird weniger daran gemessen werden
können, dass diese Arbeitsplätze „altersgerecht" im Sinne von „Schonarbeitsplätzen" sind,
sondern vielmehr daran, in wie fern sie „alternsgerecht" sind. Alternsgerecht meint dabei eine
Arbeitsgestaltung, die es den Beschäftigten erlaubt, an einem Arbeitsplatz „alt zu werden".
Entscheidende Kriterien an einen alternsgerechten Arbeitsplatz überschneiden sich mit
den oben genannten Eckpunkten der Gestaltung „Guter Arbeit":
− Kontinuierliche Förderung geistiger Fähigkeiten
−
Beanspruchungswechsel
−
Möglichkeit des Einbringens beruflichen Erfahrungswissens
−
Einbindung in kommunikative Arbeitszusammenhänge
−
Vermeidung von körperlicher Überlastung und psychischem Stress
Die dargestellten Erkenntnisse zeigen: Die Einführung balanceorientierter Arbeitszeiten
bzw. Schichtsysteme ist bei ganzheitlicher Betrachtungsweise nicht von den Fragen
balanceorientierter Arbeitsgestaltung loszulösen. Nicht nur „wann" gearbeitet wird, ist für eine
gelungene Work-Life-Balance entscheidend, sondern auch „wie“ gearbeitet wird.
Die Gestaltung „Guter Arbeit" wird damit zu einem Schlüsselfaktor für die erfolgreiche
Bearbeitung der Problemfelder Motivation und Identifikation, Vereinbarkeit von Berufs- und
Privatleben, demografischem Wandel und Fachkräfte- bzw. Nachwuchsmangel.
6
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Quelle: Meissner/Stockfisch 2011
2.2.
Gestaltung von Schichtarbeit
In Betrieben, deren Betriebszeiten länger sind als die Arbeitszeit der einzelnen Beschäftigten, wird in der Regel in Schichtarbeit gearbeitet. Dies bedeutet, dass die individuelle
Arbeitszeit der Beschäftigten nur einen Teil der Betriebszeit abdeckt; die Folgeschicht
löst die erste Schicht ab und dehnt so die Betriebszeit aus. Nach Untersuchungen des DGB 4
arbeiteten in der Bundesrepublik im Jahr 2008 16,9 % aller Beschäftigten in Schichtarbeit
(19,0 % der Männer und 14,6 % der Frauen). Die Schichten selbst können dabei sehr
unterschiedliche Zeiträume umfassen. Insbesondere ungewöhnliche Arbeitszeiten (Spät-,
Nacht-, Wochenendarbeit usw.) werden im Rahmen von Schichtsystemen abgedeckt. So
arbeiteten insgesamt 15,2 % aller Beschäftigten z.T. zwischen 23 Uhr und 6 Uhr
(Nachtarbeit), 43,8 % abends nach 18 Uhr, 44,8 % samstags und 25,8 % auch sonntags. Die
Branchen mit den höchsten Quoten dauerhafter oder gelegentlicher Schichtarbeit sind dabei
der Handel, Gaststätten und Verkehr mit 43,0 %, das produzierende Gewerbe (ohne Bau)
mit 33,0 % sowie der öffentliche und private Dienstleistungssektor mit 23,0 %5.
Je nach Branche und damit zusammenhängend den jeweiligen Betriebszeiten existieren
ausgesprochen vielfältige Schichtsysteme. Die nachstehende Abbildung gibt einen Überblick
bezüglich der grundsätzlichen Formen der Schichtarbeit:
4
5
Vgl. Meissner/Stockfisch 2011, S. 2
Vgl. Meissner/Stockfisch 2011, S. 3
7
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Permanente
Schichtsysteme
(In den USA und Japan
bevorzugt!)
Wechselschichtsysteme
(In Europa bevorzugt!)
Gängige Schichtsysteme
Dauerfrühschicht
Dauerspätschicht
Dauernachtschicht
Geteilte Schichten
zu konstanten
Zeiten (z.B.
Schiffswachen)
I. System ohne
1. Zweischichtsystem
Nachtarbeit
ohne Wochenendarbeit
2. Zweischichtsytem
mit Wochenendarbeit (z.B. mit
Springern oder
verdünnten
Schichten)
Regelmäßige Systeme a) Zweischichtsystem
II. System mit
Nachtarbeit ohne
(z.B. 12-StundenWochenendarbeit
Tag-, 12-Stunden(„diskontinuierliche
Nachtschicht; 3Arbeitsweise“)
Schichtbelegschaft)
b) Dreischichtsystem
(z.B. 3 x 8 Std.; 3Schichtbelegschaft)
Unregelmäßige
Systeme (z.B. mit
Variation der Anzahl
von Schichtbelegschaften, Schichtdauer, Schichtwechselzeiten,
Schichtwechselzyklus
1. Regelmäßige
III. System mit
a) SchichtSysteme
Nachtarbeit und
Belegschaften (z.B.
Wochenendarbeit
Schiffswachen)
(„kontinuierliche“
b) 4-SchichtArbeitsweise)
Belegschaften (z.B.
8- oder 12-StundenSchichten;
kombiniert als sog.
Schwedenschicht)
c) 5- oder 6-SchichtBelegschaften
2. Unregelmäßige
Systeme (z.B.
Variation der Anzahl
von Schichtbelegschaften, der
Schichtdauer, der
Schichtwechselzeiten, des Schichtwechselzyklus)
I.
II.
III.
IV.
Quelle: Meissner/Stockfisch 2011, S. 4
8
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Im Zusammenhang mit balanceorientierter Arbeitszeitgestaltung kann Schichtarbeit grundsätzlich als schwierige Rahmenbedingung gelten: Die Arbeit an Wochenenden und abends/
nachts schränkt die möglichen Sozialkontakte ebenso ein wie notwendige bzw. gewünschte
Zeiten für private Verpflichtungen. Hinzu kommen zusätzliche gesundheitliche
Belastungen durch Schichtarbeit. In der arbeitswissenschaftlichen wie arbeitsmedizinischen
Forschung sind die möglichen Folgen von Schichtarbeit immer wieder untersucht worden.
Die Ergebnisse dieser Forschungen haben zur Formulierung der Erkenntnisse in Form von
„10 Geboten" zur Schichtarbeit geführt. Die Beachtung dieser Regeln sind z.T. in der
betrieblichen Praxis schwierig umzusetzen und selbst die Umsetzung kann hinsichtlich
gelungener Balanceorientierung keinesfalls als hinreichend gelten. Vielmehr sind die Regeln
der „10 Gebote“ notwendige Voraussetzung für eine möglichst schädigungsarme Gestaltung
von Schichtarbeit. Die arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen können wie folgt
zusammengefasst werden6:
−
„Schichtarbeit soll überschaubar und vorhersehbar sein, kurzfristige Schichtplanänderungen sollten vermieden werden
−
Ungünstige Schichtfolgen, z.B. Nacht – frei – Früh, sind zu vermeiden
−
Ruhezeiten von mindestens 32 Stunden nach einer Nachtschichtfolge, mindestens
56 Stunden nach mehr als zwei Nachtschichten in Folge
−
Mindestens ein freier Abend pro Woche zwischen Montag und Freitag
−
Geblockte Wochenendfreizeiten sollten gewährt werden (2-3 Tage)
−
Maximal 3 Nachtschichten in Folge
−
Belastungsabhängige maximale Arbeitszeit pro Tag (8 Stunden) und pro Woche
(5 Tage)
−
Gleichmäßige Verteilung von Wochenarbeitszeiten
−
Möglichst frühes Ende der Nachtschicht und möglichst später Beginn der
Frühschicht
−
Der Vorwärtswechsel sollte bevorzugt werden
Die Empfehlungen sind gemäß § 6 Abs. 1 ArbZG als Grundlage für die Schichtplangestaltung zu beachten. Gleichwohl ist eine durchgängige Umsetzung in der Praxis
aufgrund zum Teil widersprüchlicher Forderungen kaum möglich. So führt in einem
kontinuierlichen Schichtbetrieb ein frühes Ende der Nachtschicht unweigerlich zu einem
frühen Beginn der Frühschicht und widerspricht damit den Empfehlungen. Auch die
Vorwärtsrotation (Früh – Spät – Nacht – Früh ...) ist in der Praxis nur dann akzeptabel, wenn
ausreichend lange Ruhezeiten nach der Nachtschichtphase existieren und nicht etwa
durch Einbringschichten oder Mehrarbeit verkürzt werden.
6
Böker 2011, S. 741
9
Expertise: Balanceorientierte
tierte Arbeits
Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Aufeinanderfolge der
er Schichten
Schichte
Quelle: Meissner/Stockfisch
isch 2011, S
S. 22
Von besonderer Bedeutung
eutung für d
den Aspekt der Balanceorientierung
rung ist die Anforderung an
die Planbarkeit der Schichtarbeit
chichtarbeit und die Vermeidung kurzfristigerr Änderunge
Änderungen. Genau diese
Aspekte aber lassen
n in der Praxis häufig zu wünschen übrig.
ig. Unter de
dem Hinweis auf
notwendige Flexibilität
tät werden oft sehr kurzfristige Arbeitszeitanforderun
itanforderungen (etwa von
Freitag auf Samstag)) formuliert u
und auf mehr oder weniger „freiwilliger
williger Basis"
Basis durchgesetzt.
Unter solchen Bedingungen
gungen ist d
die gelungene Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben kaum
möglich. Planbarkeitt wird dami
damit zu einem wesentlichen Kriterium
rium für Ve
Verlässlichkeit im
Rahmen einer positiven
en Work
Work-Life-Balance.
2.3.
Balanceorientierte
rientierte S
Schichtarbeit
Die sich widerstrebenden
nden Anford
Anforderungen an balanceorientierte Schichtarbe
Schichtarbeit machen eine
betriebsspezifische sowie beteiligungsorientierte
beteilig
Erarbeitung eines
es Arbeitsze
Arbeitszeit- und Organisationsmodells notwendig.
endig. Um e
einen ganzheitlichen Anspruch der
er Balanceo
Balanceorientierung umsetzen zu können, bedarf
edarf es zus
zusammenfassend – neben der Beachtung
achtung der bereits genannten arbeitswissenschaftlichen
aftlichen Em
Empfehlungen – der Berücksichtigung
ng folgende
folgender Merkmale:
–
Arbeitszeitdauer
–
Planbarkeit
–
Arbeitszeitsouveränität
veränität
–
Ganzheitliche Arbeitsgest
gestaltung und Handlungsspielräume
–
Teamförderliche
he Arbeitsbe
Arbeitsbedingungen
–
Betriebliche Unterstützung
nterstützungsfunktionen
2.3.1. Arbeitszeitdauer
Für eine positiv empfundene
pfundene W
Work-Life-Balance spielt die Dauer
auer der A
Arbeitszeit eine
herausragende Rolle.. Je länger die individuelle Arbeitszeit ist, desto geringer
gering ist auch die
Zufriedenheit der Beschäftigten
schäftigten in ihrem jeweiligen Work-Life-Kontext.
10
Expertise: Balanceorientierte
tierte Arbeits
Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Dauer und Verteilung
g der Arbeitszeit
Arbe
Quelle: Meissner/Stockfisch
isch 2011, S
S. 22
Bereits bei Arbeitszeiten
iten von 40 bis 45 Wochenstunden steigt die
ie Unzufried
Unzufriedenheit stark an
gegenüber kürzeren Wochenarb
Wochenarbeitszeiten. Bei Orientierung an
n der gese
gesetzlich erlaubten
Höchstarbeitszeit von
n 48 Stunde
Stunden überwiegt die Unzufriedenheit.. Im Umkehr
Umkehrschluss werden
Arbeitszeiten mit weniger
eniger als 3
34 Wochenstunden als positiv hinsichtlich der Work-LifeBalance empfunden.. Dabei ist die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten abhängig von
individuellen Bedingungen
ungen und nicht zuletzt von der jeweiligen
ligen Einkom
Einkommenssituation:
Mensch muss sich Teilzeit le
leisten können. Die Mehrzahl der Besch
Beschäftigten, dabei
insbesondere diejenigen
igen mit E
Elternpflichten, würden eine Verkürzung
rkürzung de
der Arbeitszeiten
begrüßen.
2.3.2. Planbarkeit
Planbarkeit ist ein ganz entsch
entscheidendes Kriterium bei der Vereinbarkeit
ereinbarkeit von Beruf und
Familie, sowohl was die Betreuun
Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen
rftigen Ange
Angehörigen angeht,
als auch bei der privaten
aten Zeitges
Zeitgestaltung. Sie wollen wissen, wann und
d wie lange
lan sie arbeiten
müssen, um Absprachen
achen im P
Privatleben treffen zu können. Forschungs
Forschungsergebnisse des
Projektes Lanceo stellen
ellen einen eindeutigen Zusammenhang fest:
st: „Je wenig
weniger planbar (…)
die Arbeit ist, desto
to weniger stabil ist auch das Verhältnis von Erwerbsarbeit
Erw
und
Privatleben“7.
Dabei ist eine möglichst
ichst langfri
langfristige Planung wünschenswert. Ein verlässlicher
verlässl
und damit
relativ starrer Jahresschichtplan
sschichtplan ist balanceorientierter als ein Wochenpla
Wochenplan, der aus der
Arbeitgeberperspektive
ive flexibler ist und möglicherweise täglich verändert wird. Denn die
Kehrseite einer solchen
chen Flexib
Flexibilität ist die Unkalkulierbarkeit und Unplan
Unplanbarkeit für die
Beschäftigten. Unregelmäßigkeit
gelmäßigkeit und Unstetigkeit der individuellen
ellen Arbeit
Arbeitszeit führen zu
Unregelmäßigkeit und
nd Unsteti
Unstetigkeit bei der privaten Lebensgestaltun
nsgestaltung. Unter dem
betriebswirtschaftlichen Grundsatz
Grunds
sind sowohl räumliche, inhaltliche wie zeitliche
Flexibilitätsanforderungen
ngen an die Beschäftigten gestiegen8.
7
8
Kratzer/Nies/Pangert/Vogl
t/Vogl 2011, S. 8
Vgl. Pfahl 2011, S. 6
11
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
2.3.3. Arbeitszeitsouveränität
Die Steigerung der Flexibilität birgt hinsichtlich der Balanceorientierung sowohl Chancen
als auch Risiken für die Beschäftigten. Flexible Arbeitszeitregelungen können nur dann als
balanceförderlich gelten, wenn die Beschäftigten Einfluss auf die Gestaltung der eigenen
Arbeitszeit nehmen können: „Um vereinbarkeitsförderlich zu sein, muss sie (die Arbeitszeit)
nicht nur flexibel nach Dauer und Lage sein, sie muss zusätzlich eine für die Beschäftigten
selbst wählbare und planbare Flexibilität aufweisen"9.
Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten ist demzufolge ein entscheidendes Kriterium für die
Work-Life-Balance. Das bedeutet, dass die Beschäftigten über Lage und Dauer der eigenen
täglichen Arbeitszeit (mit-)entscheiden können. Flexible Arbeitszeit auf Abruf läuft einer
individuellen Zeitplanung zuwider. Maximale Arbeitszeitsouveränität wäre hinsichtlich der
Balanceorientierung als positiv zu bewerten. Da in der Praxis weder die eine, noch die
andere Variante realistisch sein dürfte, kommt der Gestaltung der „Spielregeln" große
Bedeutung zu. Nach § 87 (1) BetrVerfG besitzt der Betriebsrat beim Abschluss entsprechender Betriebsvereinbarungen volles Mitbestimmungsrecht und kann auf
größtmögliche Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten achten.
Bei Verfügung der Arbeitgeberseite über Zeitguthaben bzw. über Teile von Zeitguthaben
sind möglichst lange, verbindliche Ankündigungsfristen festzuschreiben, um so
zumindest Planbarkeit für die Beschäftigten zu schaffen. Eine flexible Arbeitszeitgestaltung
„von heute auf morgen" oder gar im Rahmen der laufenden Schicht unter der Priorität des
Unternehmens bzw. „betrieblicher Belange", ist hingegen nur unter den Bedingungen echter
Freiwilligkeit akzeptabel und sollte ansonsten ausgeschlossen werden.
2.3.4. Handlungsspielräume für beide Seiten – und Vorteile für den Arbeitgeber
Wie unter 2.1 dargestellt, sind balanceorientierte, ganzheitliche Arbeitssysteme nicht auf den
Aspekt der Arbeitszeit zu reduzieren. Positive Wechselwirkungen für Beschäftigte wie
Arbeitgeber werden durch Kompetenzerwerb, Motivation und effizientes Handeln erzielt 10.
Dies bedingt eine Arbeitsgestaltung, die sich am Konzept „vollständiger Aufgaben"
orientiert11:
9
10
11
•
„Das selbständige Setzen von Zielen, die in übergeordnete Ziele eingebettet werden
können,
•
Selbstständige Handlungsvorbereitungen im Sinne der Wahrnehmung von
Planungsfunktionen,
•
Auswahl der Mittel einschließlich der erforderlichen Interaktion zur adäquaten
Zielerreichung,
•
Ausführungsfunktionen mit Ablauf-Feedback zur Handlungskorrektur,
•
Kontrolle mit Resultat-Feedback und der Möglichkeit, Ergebnisse der eigenen
Handlungen auf Übereinstimmung mit den gesetzten Zielen zu überprüfen.“
Glasen 2011, S. 27
Vgl. Kratzer/Nies/Pangert/Vogl 2011, S. 6
Ulich 1994, S. 167 ff.
12
Expertise: Balanceorientierte
tierte Arbeits
Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
In der Praxis ist eine
e solche ga
ganzheitliche Aufgabengestaltung nur mit Abs
Abstrichen und als
Gruppenaufgabe zu realisieren
realisieren. Dennoch können die Kriterien
rien zur Ü
Überprüfung der
Arbeitsaufgaben und zielgerichte
zielgerichteten Weiterentwicklung der Arbeitsgestaltung
itsgestaltung dienen. Dabei
ist die Überforderung
g der Besc
Beschäftigten durch die Erweiterung
g des Aufg
Aufgabeninhalts zu
vermeiden: Nicht ausreichend
usreichende Qualifikationen oder individuelle
uelle Dispo
Dispositionen führen
schnell zur Überforderung und so zum Gegenteil der Zielstellung.
llung. Neg
Negative Wechsel12
wirkungen zwischen
n Arbeit u
und Privatbereich
sind die Folge. Insofern ist eine
gemeinsame und schrittweise
chrittweise E
Entwicklung der Arbeitsaufgabe
e im Verän
Veränderungsprozess
notwendig, um die angestrebte positive Bereicherung zwischen
n den Lebe
Lebensbereichen zu
erzielen.
Absprachen im Zusammenhang
mmenhang praktizierter Arbeitszeitsouveränität
ität erforder
erfordern Teamfähigkeit
der Beteiligten. Dazu gehören
ren soziale
s
Kompetenzen: Qualifikationen
onen wie Ko
Kompromiss- und
Konfliktfähigkeit,
Kommunikati
ommunikationsund
Kooperationsbereitschaft
eitschaft
–
wesentliche
Schlüsselqualifikationen
nen für fun
funktionierende Abstimmungsprozesse
esse und Entscheidungen
zwischen den Beschäftigten.
äftigten. Die
Diese Qualifikationen sind durch gezielte Maßnahmen
Maß
in der
Arbeitspraxis, aber auch durch Teamtrainings, Kommunikations- und Konfliktseminare
Kon
zu
fördern. Die Aufgabe von Führu
Führungskräften ist dabei, die Rahmenbedingung
enbedingungen zu schaffen
und die Teamentwicklung
lung aktiv zu begleiten.
2.3.5. Erwartungen
en der Beschäftigten
Besc
Über die bis hierher behandelte
behandelten Aspekte hinaus sind konkrete Hilfs- und Unterstützungsfunktionen für Beschäftigte
äftigte erford
erforderlich. Eine Übersicht der Wünsche
sche von Be
Beschäftigten mit
besonderen Anforderungen
rungen an die Work-Life-Balance liefert die
ie Darstellun
Darstellung von SowiTra
2011:
Auf die Frage „Wenn Sie einmal
al danach g
gehen, was Sie
wissen oder vermuten: Tun die meisten Unternehmen
U
in
Deutschland genug dafür, ihren Mitarbeiterin
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu
erleichtern, oder müsste in den meisten Unt
Unternehmen mehr
dafür getan werden?“ – antworteten 84,0
,0 % „müsste mehr
getan werden", nur 5,0 % antworteten
teten mit „U
„Unternehmen tun
13
genug" .
Quelle: Dipl.-Soz. Svenja
ja Pfahl, Sow
SowiTra, Jenseits von Zeitnot….
… und Karriereverzicht. Wege
Weg aus dem Arbeitszeitdilemma,
S. 17, 2011
12
13
Vgl. Kratzer/ Nies/Pangert/V
/Vogl 2011, S. 6
Vgl. Pfahl 2011, S. 5
13
Expertise: Balanceorientierte
tierte Arbeits
Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Die Wünsche von Beschäftigten
schäftigten hinsichtlich Vereinbarkeit Familie und Beruf ssind vielfältig14:
54%
48%
56%
67%
67%
75%
87%
94%
0%
20%
40%
Beschäftigte allgemein
60%
80%
100%
Mütter mit Kindern bis 18 Jahre
Quelle: Dipl.-Soz. Svenja
enja Pfahl, SowiTra,
S
Jenseits von Zeitnot…. … und
nd Karrierev
Karriereverzicht.
Wege aus dem Arbeitszeitdilemma,
Arbeitsze
S. 17, 2011
•
87,0 % (94,0 % der Mütter
Mü
mit Kindern bis 18 Jahre) wünschen sich flexiblere
Arbeitszeiten (Gleitzeit, Arbeitszeitkonten)
A
•
67,0 % (75,0 % der Mütter
Mütte mit Kindern bis 18 Jahre) Sonderurlaub
derurlaub be
bei krankem Kind
•
56,0 % (67,0 % der Mütter
Mütte mit Kindern bis 18 Jahre) Viele Teilzeitstell
Teilzeitstellen
•
54,0 % (48,0 % der Mütter
Mütte mit Kindern bis 18 Jahre) Betriebliche
iebliche Kinderbetreuung
Kind
Als familienfreundliche
he Arbeitsz
Arbeitszeiten werden beispielsweise genannt 15:
• Kurze Dauer der tatsächlichen
tatsächl
Arbeitszeit (TZ mit 20-30 h/ Woche;
Woche VZ mit 42 oder
mehr Stunden)
•
Familiäre Bedürfnisse
ürfnisse bei Arbeitszeitgestaltung berücksichtigen
•
Gleitzeit und Arbeitszeitko
Arbeitszeitkonto (sofern: Gestaltungsrechte!)
•
Telearbeit / Home-Office
ffice
•
Schutz von wichtigen
ichtigen Soz
Sozialzeiten (abends, Wochenende)
•
Planbare und überschaub
überschaubare Arbeitszeit
•
Selbstbestimmte
te Flexibilit
Flexibilität bei Bedarf
•
Familienfreundliches
dliches Betri
Betriebsklima & Angebote
•
Verständnis unter
nter Kollegin
Kolleginnen (Fehlzeiten, keine Überstunden)
Hinsichtlich pflegesensibler
ensibler Arb
Arbeitszeiten werden folgende Aspekte
pekte genan
genannt 16:
• Freistellungen / Auszeiten
• Arbeitszeitkonten
ten und gez
gezielter Aufbau von Zeitguthaben
• Ergebnisorientierung
tierung in de
der Arbeit statt Anwesenheitskultur
• Befristete Teilzelt,
lzelt, ggf. vor
vorgezogener Wiedereinstieg
• „Pflege-Vollzeit"
14
15
16
Vgl. Pfahl 2011, S.17
Vgl. Pfahl 2011, S. 18
Vgl. Pfahl 2011, S. 22
14
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
•
•
•
•
Befreiung/Lockerung von betrieblichen Kernzeiten/Anwesenheitspflichten
Befreiung von Wochenend- und Nachtarbeit
Kurzfristige Arbeitsunterbrechungen im Tagesverlauf
Telearbeit/Home-Office
Die notwendige betriebliche Unterstützung für balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung
liegt damit sowohl auf der Ebene kollektiver Regelungen (z.B. über Betriebsvereinbarungen) als auch im Rahmen individueller Übereinkünfte mit einzelnen Beschäftigten.
Die Unternehmenskultur sollte den Rahmen für konkrete Regelungen liefern und dabei die
„Eckpunkte für familienfreundliche Arbeitszeiten" berücksichtigen17:
•
Niedrigere Arbeitszeitstandards
•
Qualifizierte Teilzeit – überall
•
Schluss mit der Vollzeitkultur
•
Ende der „überlangen“ Arbeitszeiten
•
Anreize für gleichmäßigere Arbeitsverteilung
•
Lebenslauf-Ansatz stärken
•
„Zeitsensibilität für Fürsorge“
Wie weit in der betrieblichen Praxis konkrete Unterstützungsleistungen verbreitet sind, und
wie weit demgegenüber die Wünsche der Beschäftigten entwickelt sind, zeigt die folgende
Übersicht:
17
Vgl. Pfahl 2011, S. 24
15
Expertise: Balanceorientierte
tierte Arbeits
Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Abbildung Betriebliche
e Sozialleist
Sozialleistungen für Erziehende
Quelle: Meissner/Stockfisch
isch 2011, S. 27
16
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
3.
Branchenfokus Pflege – Bedeutung wächst
Professionelle Pflege wird in Deutschland im Krankenhaussektor, aber auch im ambulanten
und im stationären Pflegebereich geleistet. Pflegeberufe sind „typisch“ weiblich – d.h. der
Anteil der Frauen liegt im Allgemeinen im nicht approbierten Bereich deutlich über der
Dreiviertelmarke. Bei auch in Zukunft steigendem Fachkräftebedarf stagniert jedoch die Zahl
der Beschäftigten. Während die demografische Entwicklung im Grundsatz mehr Personal
notwendig macht, führen gleichzeitig die aktuellen Arbeitsbedingungen sowie Lohn- und
Gehaltsgefüge eher zur Abwanderung von Beschäftigten in andere Bereiche. Nach einem
„Status-quo-Szenario“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg (IAB)
steigt der Bedarf an Pflegevollkräften ausgehend vom Jahr 2005 bis 2025 um rund 27,3 %
an.
3.1.
Boombranche Pflege
Die Entwicklungen der pflegenden Dienstleistungen werden maßgeblich von der
Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte bestimmt. Dabei wird Pflege fast immer als
Kostenfaktor gesehen.
Der Wandel vom Kostentreiber zum Wachstumsmotor kann nur funktionieren, wenn auch in
Zukunft genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Das Darmstädter Forschungsinstitut
WifOR und die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) haben in einer
gemeinsamen Studie die Personalentwicklung in ambulanten sowie stationären
Einrichtungen für ärztliches und nichtärztliches Personal analysiert. Ihr Fazit: Ohne
entschlossene Kursänderung wird der Fachkräftemangel zunehmen. 2030 werden
bundesweit mindestens 400.000 Vollzeitkräfte fehlen. Die PwC-Studie geht im schlimmsten
Fall von bis zu knapp einer Million fehlenden Fachkräfte aus.
Dabei ist der Fachkräftemangel schon heute im gesamten Pflegebereich deutlich spürbar.
Die WifOR/PwC-Studie zeigt, dass es besonders betroffene Regionen geben wird. In
Brandenburg und Rheinland-Pfalz bleiben im Basis-Szenario der Expertenstudie im Jahr
2030 rund 28,0 % der Stellen unbesetzt.
3.2.
Demografischer Wandel
Bedingt durch den demografischen Wandel steigt der Anteil älterer Menschen an der
Gesamtbevölkerung. Lebensweisen und medizinische Versorgung tragen dazu bei, dass
sich die durchschnittliche Lebensdauer erhöht. So nimmt die Zahl älterer Menschen zu,
gleichzeitig wächst die Zahl Pflegebedürftiger. Allein in der Bevölkerungsgruppe der über 80Jährigen wird ein Anstieg von rund 73,0 % auf 6,3 Millionen erwartet. Bis 2030 werden über
28 Millionen Menschen in Deutschland 60 Jahre oder älter sein18. Für Berlin wird mit einer
Zunahme der 65- bis unter 80-Jährigen um 14,0 % gerechnet. Die Zahl der über 80-Jährigen
soll im gleichen Zeitraum sogar um 87,0 % steigen. 19
18
19
Vgl. Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), 2008
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin (2009), S. 17
17
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Diese wachsende Zahl älterer Menschen wird im Idealfall länger aktiv und mit wenigen
Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Gleichzeitig steigt aber
auch die Zahl Pflegebedürftiger und die Komplexität der Krankheitsbilder nimmt zu.
In Berlin wird bis 2030 mit einer Zunahme der Pflegebedürftigen von 66,0 % gegenüber dem
Jahr 2007 gerechnet. Die Zahl der Pflegebedürftigen soll sich von rund 96.000 auf dann
159.000 Menschen erhöhen.20
Während die Nachfrage nach Pflegepersonal steigt, kommt es gleichzeitig beim familiären
Pflegepotenzial – bedingt durch zunehmende Erwerbsbeteiligung bei Frauen und sinkender
Geburtenrate – zu einem Verlust an familiärem Pflegepotenzial.
3.3.
Besondere Herausforderung
Ob in der Alten- oder in der Krankenpflege: Pflege muss rund um die Uhr geleistet werden.
Dabei sind auch die Beschäftigten selbst im hohen Maße daran interessiert, gute Arbeit in
der Pflege zu leisten. Dies stellt einerseits hohe Ansprüche an Beschäftigte und
Arbeitsorganisation, andererseits eröffnet es die Möglichkeit, eine Vielzahl unterschiedlicher
und flexibler Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Formen der Regulierung der Arbeitszeiten, die
einen Ausgleich verschiedener Zeitinteressen versprechen, kommt eine besondere
Bedeutung zu. Passgenauigkeit: Arbeitsumfang, Dienstzeiten, Arbeitsdauer pro Tag und
Dienst-Frei-Rhythmus müssen zur aktuellen familiären Situation der Beschäftigten passen.
Einrichtungen und Betrieben stehen viele Wege offen, um die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten
zu organisieren. Für eine balanceorientierte Arbeitszeit- sowie Dienstplangestaltung muss
gelten, dass die Arbeitszeiten planbar sind und die Beschäftigten mitreden können. Dafür
gibt es verschiedene Optionen – von innovativen Schichtmodellen über Arbeitszeitkonten bis
zur verkürzten Vollzeitarbeit beispielsweise.
20
Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010), 2. 29
18
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
4.
Beschäftigtenstruktur
Aus beschäftigungspolitischer Perspektive gilt die Gesundheitswirtschaft als Hoffnungsträger
für die Länder Berlin und Brandenburg. Dabei stellt der demografische Wandel erhebliche
Herausforderungen für die Gewinnung von Fachkräften in beiden Bundesländern dar. Im
Zentrum der folgenden Betrachtungen steht allein die Beschäftigung im pflegenden Bereich
des Gesundheitswesens, zu denen Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen, Pflegeheime
und sonstige stationäre Einrichtungen sowie Alten- und Behindertenwohnheime und die
Ambulanten Sozialen Dienste gerechnet werden. 21
Innerhalb der Gesundheitswirtschaft ist dieser Kernbereich besonders beschäftigungsintensiv. In Berlin sind rund 81,0 % der insgesamt 130.324 Beschäftigten hier konzentriert.
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
in der Gesundheitswirtschaft (Kernbereich)
Krankenhäuser
Arzt- und Zahnarztpraxen
Gesundheitswesen (sonstige Praxen und Rettungsdienste)
Pflegeheime
Stationäre Einrichtungen zur psychosozialen Betreuung,
Suchtbekämpfung usw.
Altenheime; Alten- und Behindertenwohnheime
Ambulante soziale Dienste
44.092
23.624
16.643
15.640
36
10.805
19.484
Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit aus IAB Pallas online, 2011
Wie das IAB feststellt, hat die Beschäftigung in den Krankenhäusern in der zweiten Hälfte
der 90er Jahre bis etwa 2005 stark abgenommen – gleichzeitig haben Ambulante Soziale
Dienste, Pflege- sowie Altenheime und die sonstigen Praxen deutlich an Beschäftigung
zugelegt.22
Kernbereich
insgesamt
Krankenhäuser
Arzt- und
Zahnarztpraxen
Sonstige Praxen
und
Rettungsdienste
Pflege- u.
Wohnheime,
Betreuung
Behinderter*
Ambulante
Soziale Dienste
Beschäftigungsentwicklung in den Branchen
des Gesundheitskernbereiches 2000 bis 2011
2000
2011
absolut
109.353
130.324
20.971
In Prozent
19,2
55.186
19.050
44.092
23.624
-11.094
4.574
-20,1
24,0
9.627
16.643
7.016
72,9
17.448
26.481
9.033
51,8
8.042
19.484
11.442
142,3
* die Einrichtungen der psychosozialen Betreuung wurden in der Vergangenheit getrennt erfasst.
Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit aus IAB Pallas online, 2011
21
22
Auf Basis des Reports IAB-Regional 1/2013, Berichte und Analysen aus dem Regionalen
Forschungsnetz
ebd.
19
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
4.1.
Überwiegend weibliche Beschäftigte
Bundesweit ist der Anteil der Frauenbeschäftigung in der Gesundheitswirtschaft hoch, die
Branche erweist sich als Frauendomäne. So lag ihr Anteil 2011 bei 78,0 %. Von allen
sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeiten über 20,0 % in der Branche.
In Berlin sind drei Viertel der Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft weiblich (74,5 %). In
der Gesamtwirtschaft liegt der Anteil der Frauenbeschäftigung bei 51,6 %. Der Anteil der
Frauen im Kernbereich – den pflegenden Berufen also – liegt noch höher: Bei 78,4 %
(Brandenburg: 81,4 %).
Der Anteil der jüngeren Beschäftigten im Kernbereich liegt im Durchschnitt aller
Beschäftigten. In Berlin sind 5,6 % der Beschäftigten im Kernbereich unter 25 Jahre. Knapp
80,0 % der Beschäftigten gehören der Altersgruppe zwischen 25 und 54 Jahren an. Nach
Branchen innerhalb des Kernbereichs ist in Berlin vor allem in den Alten- und Pflegeheimen
der Anteil der Älteren (45 bis 54 Jahre) deutlich stärker besetzt als im Bereich der
Krankenhäuser und Arztpraxen. Mit dem Anteil von gut 15,0 % sind die über 54-Jährigen im
Kernbereich etwa so gut vertreten wie in der Gesamtwirtschaft.23
4.2.
Beschäftigungssituation
Die Arbeitszeiten im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft sind stark teilzeitgeprägt.
Während die Vollzeitbeschäftigung in Berlin insgesamt in den letzten elf Jahren um 5,7 %
zurückgegangen ist, hat die der Teilzeitbeschäftigten stark zugenommen (+43,4 %).
Bundesweit hat 2011 ein gutes Drittel der Beschäftigten der Branche (34,8 %) in Teilzeit
gearbeitet. In Berlin sind es 31,0 %, dabei betrifft das fast ausschließlich Frauen. Knapp
90,0 % der Teilzeitkräfte sind weiblich.
Seit 2000 verzeichnet die Teilzeitbeschäftigung in der Gesundheitswirtschaft Berlins hohe
Zuwächse (+53,8 %), insgesamt gehen fast 64,0 % des Beschäftigungswachstums in der
Hauptstadt auf Teilzeitbeschäftigung zurück. In Krankenhäusern ist die Zahl der
Vollzeitstellen in dieser Zeit um rund 30,0 % gesunken, in Pflege- und Wohnheimen sowie
den sonstigen Praxen und Rettungsdiensten wurden mehr Teilzeit- als Vollzeitstellen
geschaffen.
Nach den Gesundheitsbranchen differenziert ist Teilzeit vor allem im Kernbereich verbreitet
und hier vor allem bei Pflege- und Wohnheimen, den ambulanten Diensten und in
Krankenhäusern. Wie das IAB feststellt, „vor allem ein Instrument der Flexibilisierung des
Personaleinsatzes und Reduzierung von Personalkosten und weniger Ergebnis gewünschter
freiwilliger Teilzeit der Beschäftigten.“ Und: „Das Gesamt-Arbeitszeitvolumen dürfte – wenn
überhaupt nur geringfügig gestiegen sein.“ 24
23
24
ebd.
ebd.
20
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Entwicklungen der Beschäftigten in den Branchen des Gesundheitskernbereichs
Berlin nach Arbeitszeit 2000 und 2011
2000
2011
Gesamt Vollzeit Teilzeit Gesamt Vollzeit Teilzeit
Gesundheitswirtschaft
134.130 102.005
32.113 161.366 111.845
49.405
insgesamt
Kernbereich
109.353
80.712
28.633 130.324
85.099
45.127
Krankenhäuser
55.186
43.615
11.570
44.092
30.428
13.659
Arzt- und
19.050
13.763
5.282
23.624
17.169
6.428
Zahnarztpraxen
Sonstige Praxen und
9.627
6.899
2.726
16.643
11.520
5.099
Rettungsdienste
Pflege- und Wohnheime,
17.448
12.170
5.278
26.481
14.520
11.957
Betreuung Behinderte*
Ambulante soziale
8.042
4.265
3.777
19.484
11.462
7.984
Dienste
*
Einrichtungen zur psychosozialen Betreuung und Suchtbekämpfung wurden in der Vergangenheit
getrennt erfasst.
Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit aus IAB Pallas online, 2011
4.3.
Geringfügige Beschäftigung und Zeitarbeit
Im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft kommen in der Hauptstadt auf 100 Beschäftigte 9
geringfügig entlohnte Beschäftigte – deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt (14). Der
Anteil der Zeitarbeit machte an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten 2,9 % aus,
der Bundestrend liegt mit 3,2 % aller Beschäftigten leicht darüber. Dennoch wird Zeitarbeit in
Berlin gerade in der Pflege als flexibles Personalinstrument genutzt. Nach einer Studie der
Hans-Böckler-Stiftung wird Zeitarbeit in der Pflege jedoch nicht zur Kompensation von
Auftragsspitzen genutzt, sondern als Mittel zur Aufrechterhaltung der Versorgung bei zu
geringer Personalausstattung.25
4.4.
Besonderheiten der Arbeitsorganisation
Wie die erwähnte PwC-Studie zeigt, ließe sich der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen
durch eine bessere Ausschöpfung der Arbeitskraft der vorhandenen Fachkräfte zwar nicht
gänzlich vermeiden, aber deutlich abmildern. Erreichbar sei demzufolge ein Szenario, in dem
2030 in etwa das heute bekannte Versorgungsniveau gehalten werden könne und
bundesweit „nur noch“ rund 168.000 Pflegekräfte und gut 51.000 Ärzte fehlen.
Dabei wird angenommen, dass die Vollzeit- und Teilnahmequoten über alle Berufsgruppen
hinweg um durchschnittlich 10,0 % gesteigert werden können. In der ambulanten Altenpflege
beispielsweise müsste der Anteil der Berufsaussteiger von 18,0 % auf 10,0 % sinken,
gleichzeitig die Vollzeitquote von 69,0 % auf rund 76,0 % gesteigert werden. Hinzu kommt
nach dem PwC-Szenario eine Verlängerung der tatsächlichen Jahresarbeitszeit im
Pflegewesen um 20,0 %.
25
Bräutigam et al. 2010, 5
21
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Damit die Pflegekräfte länger berufstätig sein können, müssten sich aber die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen ändern. Eine höhere Teilnahmequote setze voraus, dass
die Beschäftigten ihren Beruf auch jenseits von 50 Jahren noch ausüben können.
„Insbesondere in der Pflege muss die Arbeit durch den konsequenten Einsatz technischer
Hilfsmittel leichter werden. Eine regelmäßige Jobrotation und psychologische Betreuung
können die Belastung abmildern.”
Auch in den ärztlichen Berufen sei der vorzeitige Ausstieg – mit hohem finanziellen Aufwand
– der ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte ein Problem. “Viele Ärzte leiden unter wachsendem
bürokratischem Aufwand, der immer weniger Zeit für die Patientenversorgung lässt. So
kämen in den Kliniken oft starre Hierarchien hinzu, die gerade jüngere Mediziner zur
Abwanderung in nicht-ärztliche Berufe bewege.
Eine besondere Herausforderung, auf die bislang nur unzureichend reagiert worden sei, ist
die so genannte Feminisierung des Gesundheitswesens. Bei dem hohen Anteil an
weiblichen Fachkräften könne eine anzustrebende Anhebung von Teilzeit- und Vollzeitquoten nur gelingen, wenn sich Beruf und Familie besser vereinbaren lassen als heute.
Kinderbetreuung sei flächendeckend zu gewährleisten – auch nachts und am Wochenende.26
26
„112 – und niemand hilft“, Hrg.: PwC, Frankfurt am Main, August 2012
22
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
5.
Anforderungen an die Dienstplan- und Arbeitszeitgestaltung in der Pflege
5.1.
Wünsche der Beschäftigten
Mit Faktoren, die in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, dass Beschäftigte nicht in andere
Bereiche abwandern oder frühzeitig aus dem Beruf ausscheiden, befasst sich unter anderem
der „DGB-Index Gute Arbeit 2009: Gute Arbeit aus Arbeitnehmersicht“ sowie die Studie
„Arbeitsintensität und gesundheitliche Belastungen aus der Sicht von Beschäftigten im
Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesen“ im Auftrag der ver.di-Bundesverwaltung. Dabei
wurden unter Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Rahmenbedingungen –
überproportional hoher Frauenanteil – die folgenden Faktoren für „Gute Arbeit“ in den Fokus
genommen:
−
Lage und Dauer der Arbeitszeit
−
Atypische Beschäftigungsverhältnisse
−
Zeit- und Termindruck aus Sicht der Beschäftigten
−
Gesundheitliche Beschwerden von Beschäftigten
5.2.
Arbeitszeit
Anhand der Arbeitszeitlage erfasst der Index „Gute Arbeit“, wann die Arbeit stattfindet. Von
besonderem Interesse ist dabei die Arbeitszeit außerhalb der klassischen Arbeitszeit: Arbeit
am Wochenende, Arbeit am Abend (zwischen 18 und 22 Uhr), Nachtarbeit (zwischen 22 und
5 Uhr), Schichtarbeit, Arbeit nach Bedarf und völlig unregelmäßige Arbeit.
Für die Mehrzahl der Pflegeberufe in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist Wochenendarbeit ein fester Bestandteil ihrer Arbeitszeit. Nachtarbeit (zwischen 22 und 5 Uhr)
müssen insbesondere Krankenschwestern und -pfleger leisten. In diesen Pflegebereichen
sind Zwei- bis Drei-Schicht-Systeme die berufliche Realität.
Die Arbeit nach betrieblichem Bedarf ist mit 42,0 % weit verbreitet. Insbesondere
Altenpflegerinnen und -pfleger sind davon betroffen. Jeder zweite Beschäftigte dieses
Berufes beantwortete im DGB-Index „Gute Arbeit“ die Frage damit, dass sich seine Arbeit
nach dem betrieblichen Bedarf richte. Immer noch 14,0 % gaben an, dass die anfallende
Arbeit „völlig unregelmäßig“ sei.
Im Vergleich zur Gesamtheit der Beschäftigten sind die Pflegeberufe deutlich häufiger
teilzeitgeprägt, da die überwiegend weiblichen Beschäftigten die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf hier am ehesten realisieren könnten. Zwar handle es sich angesichts eines
deutlich weniger vorhandenen Angebots an Vollzeitstellen faktisch um „Zwangsteilzeit“, die
überproportionalen Teilzeitverträge führen insgesamt jedoch zu einer kürzeren
wöchentlichen Arbeitszeit.
23
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
5.3.
Atypische Beschäftigung
Zu den atypischen Beschäftigungsverhältnissen zählen befristete Verträge, Minijobs,
Zeitarbeit und Teilzeitbeschäftigung mit weniger als 21 Wochenstunden. Atypische
Beschäftigung bedeutet oft Niedriglohn, unsichere Beschäftigung, eine deutlich geringere
ökonomische Absicherung und ein erhöhtes Armutsrisiko. Laut DGB Index ist die befristete
Beschäftigung verbreitet: 15,0 % der Beschäftigungsverhältnisse betrifft das.
Überdurchschnittlich viele Beschäftigte mit Minijobs gibt es in der Altenpflege (7,8 %).
Insgesamt arbeiten 27,0 % aller Beschäftigten im Gesundheits-, Sozial- und
Erziehungswesen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Bei Krankenschwestern und
-pflegern liegt die Quote gar bei 28,0 %.
5.4.
Zeit- und Termindruck
Zeit-/Termin- druck Gewird
verursacht samt
durch
... zu knappe
Personalbemessung
... zu viele,
gleichzeitig zu
bearbeitende
Abläufe/Projekte
...Störung durch
ungeplante
Zusatzaufgaben
... zu knapp
vorgegebene
Termine
... Druck der
Vorgesetzten
Gesund- Soziale LehrKrankenErziehe
heitsBerufe
berufe schwester/ -rinnen/
dienst-pfleger
-er
berufe
44,4
48,3
49,7
27,5
72,0
43,1
Altenpflegerinnen/
-er
61,2
31,2
37,6
27,3
26,1
49,1
23,8
22,2
28,5
35,0
26,3
16,8
47,6
10,2
44,0
18,9
23,3
20,2
12,2
29,4
9,2
34,6
16,5
19,5
17,4
15,4
22,5
11,1
27,3
Quelle: DGB-Index 2009 (Auszug)
Im Rahmen des DGB-Index wurde nach Ursachen für möglichen Zeit- und Termindruck
gefragt. Eine zu knapp bemessene Personaldecke stand bei den Antworten mit Abstand der
Spitze der Nennungen. Für rund die Hälfte der Beschäftigten ist dieser Faktor die
wesentliche Ursache für hohe Arbeitsintensität – Krankenschwestern und -pfleger nennen
das zu 72,0 % und Altenpfleger bzw. Altenpflegerinnen zu 61,0 %.
An zweiter Stelle der Belastungsfaktoren stehen zu viele, gleichzeitig zu bearbeitende
Abläufe oder Projekte (31,0 %). Störungen durch ungeplante Zusatzaufgaben liegen mit
35,0 % in den Gesundheitsberufen an dritter Stelle der Ursachen. Auch hier sind
Krankenschwestern und -pfleger überdurchschnittlich betroffen. Sie nennen die
Zusatzaufgaben zu 48,0 % und in der Altenpflege sind es 45,0 %.
Zu knapp vorgegebene Termine und Druck der Vorgesetzten werden
überdurchschnittlich oft von Altenpflegerinnen bzw. -pflegern als Ursachen für Zeit- und
Termindruck benannt.
24
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Der Index „Gute Arbeit“ befragte die Beschäftigten auch danach, welche Maßnahmen,
Veränderungen und Einflussmöglichkeiten aus Sicht der Beschäftigten geeignet seien, den
Termin- und Zeitdruck abzubauen. Entsprechend der am meisten genannten Ursache ist
eine höhere Personalbemessung die häufigste genannte Maßnahme zur Beseitigung. Mit
einer Einschränkung: Im Gesundheitsdienst sieht mit über 54,0 % die Mehrheit der Befragten
eine klare Arbeitsorganisation und ein reibungsloser Ablauf als wirksamste Maßnahme
an. Hier folgt die stärkere Personalbemessung erst an zweiter Stelle. Auffällig ist, dass dem
mitarbeiterseitigen Einfluss auf Arbeitsorganisation, Arbeitsmenge und Arbeitszeit am
wenigsten zugetraut wird, das Problem Zeit- und Termindruck zu lindern.
5.5.
Gesundheitliche Beschwerden
Wenn auch nicht im Mittelpunkt dieser Betrachtung, soll doch der Vollständigkeit halber das
Thema Gesundheit am Arbeitsplatz nicht unerwähnt bleiben. So befragte der DGB-Index
erstmals auch zu gesundheitlichen Beschwerden der Beschäftigten im Zusammenhang mit
ihrer Arbeit. Im Ergebnis kam es zu einer bedenklich langen Liste:
−
Allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung
−
Schmerzen im unteren Rücken, im Nacken- und Schulterbereich
−
Kopfschmerzen
−
Nervosität oder Reizbarkeit
−
Niedergeschlagenheit
−
Nächtliche Schlafstörungen
Einseitige körperliche Belastungen kamen in einzelnen Berufen zu den psychischen
Beschwerden hinzu, etwa Schmerzen in der Hüfte oder in den Knien. Schmerzen in Beinen
und Füßen sowie Armen und Händen sind bei Krankenschwestern und -pflegern sowie den
Altenpflegerinnen und Altenpflegern häufig genannt.
5.6.
Handlungsmöglichkeiten
Akteure
der
betrieblichen
Akteurinnen
und
Neben dem aufmerksamen Blick auf die Einhaltung gesetzlicher Regelungen und Tarifverträge haben die Interessenvertretungen die Möglichkeit, Betriebsvereinbarungen abzuschließen, wenn deren Sachverhalte nicht bereits in Tarifverträgen geregelt sind (§77 Abs. 3
BetrVG). Dabei sind Betriebliche Vereinbarungen Verhandlungsergebnisse, die Ausdruck
von Gestaltungsbedarf sind. Sie sind abhängig vom Kräfteverhältnis und der wirtschaftlichen
Lage des jeweiligen Unternehmens.
Die Beschäftigten brauchen frühzeitig Klarheit
Die Lage ihrer Arbeitszeit und entsprechende Erholungszeiten sind so rechtzeitig bekannt zu
machen, dass die Beschäftigten ein geregeltes Privatleben führen können. Der Gesetzgeber
hat deshalb im §12, TzBfG eine Frist von mindestens vier Tagen festgelegt, wenn der
Arbeitsvertrag ausdrücklich „Arbeit auf Abruf“ vorsieht. Die Beteiligten sind auf der sicheren
Seite, wenn Mitarbeitervertretung und Unternehmer eine Vereinbarung zur (rechtzeitigen)
Vorlage eines Schichtplans geschlossen haben.
25
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
Menschengerechte Gestaltung der Schichtpläne
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW hat in einem Erlass
die menschengerechte Gestaltung der Schichtpläne als Mindestbedingung klar gestellt. Es
empfiehlt unter anderem:
−
Ausreichende Ruhezeiten bei Schichtwechsel, keinesfalls kürzer als 24 Stunden
−
Regelmäßig freie Wochenenden in kontinuierlichen Schichtsystemen
−
Wochenendfreizeiten von mindestens zwei Tagen, davon ein Samstag oder Sonntag
−
Ausgleich der Mehrbelastung von Schichtarbeiterinnen und -arbeitern durch
zusätzliche Freizeit
−
Keine Arbeitsperioden von 8 oder mehr Arbeitstagen in Folge; möglichst keine langen
Schichten
Hier sind Tarifverträge, Gesetze, aber auch Empfehlungen von Arbeitsmedizinern berührt –
sie sollten bei der Schichtplangestaltung berücksichtigt werden. Leider hat sich die
Rechtsprechung mit den Besonderheiten im Gesundheitswesen relativ wenig auseinandergesetzt. Bei festen betriebsüblichen Arbeitszeiten sind Verfahrensregelungen
verhältnismäßig einfach zu finden. Flexible Schichtpläne erfordern vor allem die Dokumentation sowie die Zustimmung des Betriebsrats rechtzeitig vor Inkrafttreten des jeweiligen
Schichtplans.
Mehrarbeit: Freizeitausgleich oder Vergütung
Teilzeitbeschäftigte leisten Mehrarbeit über das Vereinbarte hinaus, wenn Stunden über das
geplante Arbeitsende hinaus nicht zu einem anderen Zeitpunkt ausgeglichen werden. Sie
erhalten für jede Mehrarbeitsstunde ein zusätzliches Stundenentgelt. Werden Mehrarbeit und
Überstunden angeordnet, muss die Mitarbeitervertretung zustimmen. Gibt es als Ausgleich
für mehr Arbeit auch mehr Geld? Oder werden die Beschäftigten unvermittelt zur Freizeit
gezwungen? Ist die Pflegekraft mit der Mehrarbeit einverstanden? Fragen, die ein Betriebsoder Personalrat vor der Zustimmung prüft.
Tags schlafen und nachts arbeiten
2007 hat die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) Schichtarbeit und
Nachtschicht als vermutlich „krebserregend beim Menschen“ eingestuft. Lange Jahre war
Nachtarbeit in Deutschland für Frauen und Kinder gesetzlich verboten – bis die Regierung
Kohl dieses Verbot 1994 für Frauen aufgehoben hat. Wer nachts arbeitet (23:00 bis 6:00
Uhr) oder Bereitschaftsdienst hat, steht unter dem besonderen Schutz des
Arbeitszeitgesetzes. Die Beschäftigten können durch Geld oder freie Tage zusätzlich
entlohnt werden. Die betrieblichen Interessenvertretungen stehen den Beschäftigten dabei
zur Seite, um diesen Anspruch durchzusetzen.
Auch in vielen anderen Fällen stehen die Mitarbeitervertretungen, Betriebs- und Personalräte
bereit, um mit offenen Augen über die Einhaltung der Gesetze zu wachen oder um in
Vereinbarungen mit Arbeitgebern familienfreundliche Arbeitszeitmodelle umzusetzen.
26
Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege
6.
Beispiele guter Praxis
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung
gewonnen. Pflegepersonal ist weit überwiegend weiblich. Aber auch Männer wollen immer
öfter Verantwortung in der Familie übernehmen und suchen nach Arbeitszeit- bzw.
Schichtmodellen, in denen das möglich ist. Einige Beispiele guter Praxis:
In einem Essener Krankenhaus etwa werden verschiedene Arbeitszeitmodelle gezielt
eingesetzt.
Mehr als ein Drittel der Beschäftigten arbeitet in Teilzeit. Viele von ihnen leiten Stationen
oder Abteilungen. Arbeitsbeginn und Arbeitsende werden frei abgesprochen, insbesondere
bei den Teilzeitbeschäftigten.
Zeitkonten zeichnen die Plus- und Minusstunden der Beschäftigten auf und ermöglichen
Gleitzeit und familienorientierte Kernzeiten. Die Zeitkonten eröffnen auch ausländischen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen über den tariflichen Urlaub hinausgehenden
Heimataufenthalt.
Falls im privaten Bereich ein akuter Notfall eintritt, können die Beschäftigten in
Schichtmodellen mit erhöhter Flexibilität arbeiten oder zur Pflege Angehöriger bei weiter
bestehendem Vertragsverhältnis beurlaubt werden.
Eine Arbeitsgruppe trifft sich zweimal pro Jahr, um sich über die Entwicklungen
auszutauschen und neue Ziele festzulegen. Diese Maßnahmen sorgen für eine geringe
Fluktuation der Beschäftigten sowie einen sehr niedrigen Krankenstand.27
Ein Reha-Zentrum in Brandenburg arbeitet seit 2001 kontinuierlich an der Verbesserung
der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.
Die ersten Schritte waren die Ausweitung der Teilzeitarbeit und die Einrichtung von Telearbeitsplätzen für Mütter in Elternzeit. Jahr für Jahr wurde das Angebot für Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter verbessert.
„Diesem Prozess ging die Erkenntnis voraus, dass zufriedene Beschäftigte einen
entscheidend höheren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können“, begründet das
Unternehmen sein Konzept. Mittlerweile wurden die Teilzeitangebote weiter ausgebaut, für
langjährig Beschäftigte und Ältere gibt es Zusatzurlaub. Zusätzliche freie Tage gibt es auch
für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wechselschichten.
Es gibt darüber hinaus einen Kindergartenzuschuss, und das Zentrum beschäftigt zwei
Tagesmütter, die sich während der Dienstzeiten am Wochenende um den Nachwuchs der
Beschäftigten kümmern.
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Quelle INQA Datenbank „Gute Praxis“
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Geplant ist eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich für Eltern mit
Kindern bis 12 Jahren oder pflegebedürftigen Angehörigen. Für die Umsetzung dieses
Angebots wird weiteres Personal eingestellt.
Die Gesundheit der Beschäftigten ist ein weiterer wichtiger Faktor. Mit betrieblichen
Vorsorge- und Präventionsangeboten konnten bereits einige Ziele erreicht werden: Die
Absenkung des Krankenstandes, die Senkung der Fluktuation oder der Erhalt der
Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Das Reha-Zentrum ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden: Die Leistungsfähigkeit der
Beschäftigten sei höher, sie seien stärker motiviert, und die Beschäftigten werden langfristig
an das Haus gebunden.
Im September 2005 wurde das Zentrum mit dem Audit „Beruf und Familie“ des
Bundesfamilienministeriums ausgezeichnet.
Ein ambulanter Pflegedienst aus Aachen beschäftigt rund 80 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, überwiegend Pflegefachkräfte, Schwesternhelferinnen und Haushaltshilfen. Das
Angebot reicht von Betreuungsleistungen bis hin zur Intensivpflege. Der Pflegedienst hat am
Projekt „PIA – Pflege-Innovationen in der Gesundheitsregion Aachen“ teilgenommen.
Ziel war, eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur zu entwickeln, um Motivation und
Zufriedenheit der Beschäftigten zu erhöhen. Ein Schwerpunkt dabei: Die Weiterbildung
„Projektarbeit im Team“, die bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr gut ankam.
Darüber hinaus konnten sich die Beschäftigten an einer Umfrage darüber beteiligen, welche
Arbeitssituationen sie als besonders belastend empfinden. Als eine Konsequenz aus der
Befragung wurden Schulungen angeboten, die sich mit Themen wie emotionale Abgrenzung
oder auch Umgang mit demenzkranken Menschen beschäftigten.
Als belastend wurden auch die mit dem Pflegedienst verbundenen Autofahrten empfunden.
In einem ersten Schritt wurde den Betroffenen ein Fahrsicherheitstraining angeboten und
darüber hinaus wurde der Fuhrpark erneuert.
Das Fazit des Pflegedienstes ist positiv. Die Unternehmenskultur hat sich durch die
Teilnahme an dem Projekt verbessert, der Informationsfluss wurde durch Konzeption und
Umsetzung eines neuen, strukturierten Übergabeprozess optimiert. Insbesondere die Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an neuen Projekten gehört zu den erfolgreichen
neuen Ansätzen. In Zukunft soll auch mit neuen Arbeitszeitmodellen stärker auf die
individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten eingegangen werden.
Mit 21 Beschäftigten arbeitet der Ambulante Pflegedienst Hornbostel. Das kleine
Unternehmen setzt dabei auf eine familienfreundliche Personalpolitik. Alle Dienstleistungen
des Pflegedienstes können auch vom Personal in Anspruch genommen werden.
Das fängt bei der Beratung an und reicht bis zu den haushaltsnahen Dienstleistungen. Bei
Bedarf stehen sich die Kolleginnen und Kollegen untereinander bei. Das Angebot ist für die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kostenlos. Auch der 24-Stunden-Haushaltsnotruf hilft den
Beschäftigten. Unterschiedliche Arbeitszeitmodelle stellen sicher, dass auch Familien mit
Kindern ihre Zeit einteilen können. Wer längere Zeit zu Hause benötigt, kann bis zu 30 Tage
freigestellt werden – bei voller Bezahlung.
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Mit umfangreichen Maßnahmen hat eine Klinik im Main-Kinzig-Kreis den Weg zur
familienfreundlichen Arbeitszeitgestaltung beschritten. Die Vertrauensarbeitszeit wurde auch
für Oberärztinnen und -ärzte eingeführt. Besetzungsanforderungen werden durch eine
Führungskraft unpersonalisiert erstellt, die Mitglieder des jeweiligen Teams stimmen ihre
jeweilige individuelle Arbeitszeit dann ab. Abwesenheitszeiten werden in verschiedenen
Stufen geplant: Auf die Urlaubsplanung aufbauend werden arbeitsfreie Tage geplant. Im
Bedarfsfalle nimmt eine weitere Kollegin bzw. ein Kollege auf Zeitkonto frei.
Bei Wahlarbeitszeitmodellen können Beschäftigte ihre Vertragsarbeitszeit innerhalb einer
Bandbreite von 75,0 bis 100,0 % frei wählen. Das Bruttoarbeitsentgeld wird jeweils angepasst.
Für bedarfsorientierte Kinderbetreuung auf dem Klinikgelände steht in einer Völklinger
Klinik das klinikeigene Kinderzimmer des Familienhauses bereit. Dort können Beschäftigte
ihre Kinder von Geburt an bis etwa zum 12. Lebensjahr von Montag bis Sonntag von 6 Uhr
bis 22 Uhr betreuen lassen. Weil die Klinik die Kosten für die Kinderbetreuung übernimmt, ist
die Kinderbetreuung für die Beschäftigten auch günstiger als ein klassischer Krippenplatz.
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