TagesAnzeiger, Tirreno Resort, 16. August 2012

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TagesAnzeiger, Tirreno Resort, 16. August 2012
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Tages-Anzeiger – Donnerstag, 16. August 2012
Reisen
Schon fast kitschig: Fünf solche Traumstrände finden sich im Biderosa-Naturreservat auf Sardinien. Der Zugang zu diesem Gebiet ist auf 120 Autos pro Tag beschränkt. Foto: Bruno Morandi (Laif )
Die Karibik liegt im Mittelmeer
Sardinien verfügt über einige der schönsten Strände Italiens. Am Golf von Orosei mit seinem Naturreservat und den einzigartigen
Tauchgründen muss man sich dennoch nicht vor Touristenmassen fürchten. Ein wenig Lärm sollte man aber ertragen können.
Von Nicole Tesar
Am Anfang fährt das schlechte Gewissen
mit. Die Fahrt mit dem motorradähnlichen Vehikel namens Quad, das jedoch
vier Räder hat, führt über Naturwege
quer durch den Biderosa-Nationalpark
im Osten Sardiniens. Das Getöse des
­Gefährts kontrastiert mit der Ruhe im
Park. Der eine oder andere der wenigen
Strandbesucher wendet den Kopf, als
die Gruppe mit den sechs Quads in
­unmittelbarer Nähe vorbeifährt.
Ausgangspunkt der dreistündigen
Tour durch den Park und das Hinterland
war das Club-Hotel Tirreno in Cala Liberotto in der Gemeinde Orosei. Das Gebiet gehört zur Provinz Nuoro, der am
dünnsten besiedelten Gegend von Sardinien. Zwischen dem Kap Comino bis zur
Cala Ginepro breitet sich ein einzigartiger, unberührter Streifen über 15 Kilometer aus, mit einsamen Stränden und
Küsten ohne jede Überbauung. Der
Strand von Berchida etwa gehört zu den
schönsten Italiens: weisser Sand, kristallklares Wasser und dazu beeindruckende Wacholderbäume, die über
100 Jahre alt sind.
Der Strand, an dem wir auf unseren
Quads vorbeirattern, ist einer von fünf
Traumstränden im Biderosa-Natur­
reservat, und er wird nie überlaufen
sein. Denn er untersteht dem Schutz der
Forstverwaltung der Provinz Nuoro, und
der Zugang zum Gebiet ist beschränkt:
Nur 120 Autos sind zugelassen. Für
unsere Reisegruppe erledigt Tourleiter
Nino Pica die Formalitäten am Eingang.
Er besitzt eine Spezialbewilligung für
sein Unternehmen; ausser ihm darf
keine Gruppe mit dem Quad ins Reservat. Und während die Quadfahrer auch
Radwege und Feuerwehr- und Forsttracks benützen dürfen, sind Autos und
Motorräder nur auf einer sieben Kilometer langen Autostrasse zugelassen.
ITALIEN
Rom
Berchida
und Biderosa
SARDINIEN
Nuoro
Das Wrack eines deutschen Transportschiffs bietet heute Fischen ein Daheim. Foto: PD
Cala Liberotto
Cala Ginepro
Orosei
Cala Osalla
Im Zweiten Weltkrieg gesunken
Golf von Orosei
Flamingos und Wildschweine
Der Weg beim Aufstieg zum Gipfel des
Monte Urcatu wird von zahlreichen
­Pinien- und Wacholderbäumen gesäumt.
Das letzte kurze Stück gehen wir zu Fuss
und werden dafür mit einem überwältigenden Ausblick auf die Küstenlandschaft des Parks und den Golf von Orosei entschädigt. Im Frühling und Herbst
färben Flamingos die Seen im Park rosa;
manchmal bekommen Besucher auch
Wildschweine zu Gesicht. Dieses Glück
hatten wir nicht. Vermutlich haben wir
sie mit dem Krach unserer Gefährte verscheucht.
Allerdings ist man auf private Transportmittel angewiesen, um die Gegend
Capo Comino
SARDINIEN
sagt der erfahrene Hobbytaucher Felix
Maurhofer. Das ganze Spektrum – ­Felsen,
Grotte, offenes Tauchen, Wracktauchen
– stehe einem offen. Der einzige Taucher
unserer Reisegruppe absolviert zwei
Tauchgänge. Im Orosei Diving Center
schliesst er sich anderen Touristen an,
die von einem Tauchlehrer begleitet
werden. Nach nur 15 Minuten Fahrt vom
Hafen Orosei geht das Schiff nahe beim
Wrack kt12 vor Anker.
10 km
TA-Grafik ib
um Orosei zu erkunden, denn die Küste
ist durch das öffentliche Bussystem nicht
besonders gut erschlossen. Vom Hotel
Tirreno fährt der Bus nur rund alle zwei
Stunden nach Orosei mit seinen rund
5000 Einwohnern. Die Fahrt dauert
eine knappe halbe Stunde, doch wer sie
auf sich nimmt, darf dafür den besterhaltenen Dorfkern der Provinz Nuoro
besichtigen. Durch die Gassen mit ihren
uralten Häusern führt ein ausgeschilderter historischer Spazierweg.
Brot backen für fünf Wochen
Die Sarden legen besonderen Wert auf
traditionelle Gerichte. Altes Wissen wird
von Generation zu Generation weitergegeben, etwa das Backen des hauchdünnen Hirtenbrots «pane carasau». In ganz
Sardinien essen die Menschen dieses
Fladenbrot. Giuseppina Lai, Chef­köchin
des Restaurants Corallo im Hotel Tirreno, zeigt den Gästen einmal in der Woche, wie das Brot im Steinofen ge­backen
wird. Sie erzählt, dass sich alle weiblichen Mitglieder einer Familie alle fünf
Wochen treffen und «so viele Fladenbrote backen, dass sie bis zum nächsten
Zusammenkommen ausreichen». Gelagert wird das Brot in Säcken – früher aus
Stoff, heute aus Plastik. Als Übersetzer
der Erläuterungen vom Italienischen ins
Schweizerdeutsche agiert Hoteldirektor
Luc Schwarz. Er ist schweizerisch-italienischer Doppelbürger und leitet das
­Resort seit fünf Jahren.
Für Taucher ist die Gegend um Orosei einmalig. «Auf relativ engem Raum
gibt es 15 verschiedene Tauchplätze»,
kt12 liegt in einer Tiefe von 34 Metern
und ist eines der schönsten und am besten erhaltenen Relikte des Mittelmeers:
ein deutsches Transportschiff, das von
einem englischen U-Boot gegen Ende
des Zweiten Weltkrieges torpediert
wurde und mit dem Kiel nach unten
sank. Man kann die Kanonen am Heck
sehen, die Schraube, das Ruder, die
Frachträume, in denen noch Ladung
vorhanden ist. «Das Tauchen ist für geübte Taucher unproblematisch. Das
Schiff wirkt wie ein künstliches Riff. Das
zieht viele Fische an, und die Sicht im
kristallklaren Wasser ist fantastisch»,
schwärmt Maurhofer. «Das sind karibische Verhältnisse.» Im Wrack trifft er
etwa auf Adlerfische, Zackenbarsche
und Meeraale.
Den zweiten Tauchplatz erreichen
die Taucher per Schiff nach einer halben
Stunde: Punta Nera di Osalla. Dort gelingt Maurhofer ein Foto des seltenen
Bärenkrebses: «Das ist eine Attraktion.
Diesen Krebs hatte ich bis zu diesem
Zeitpunkt nur in Gran Canaria gesehen.
Im Mittelmeer noch nie.»
Auch der historisch interessierte
Ferien­gast kommt auf der Insel auf seine
Kosten: Sardinien ist eine Fundgrube
archäologischer Schätze. Bereits etwa
6000–3000 v. Chr. war das Gebiet um
Orosei besiedelt. ­Davon zeugen die Ruinen des Nuraghen-Dorfes Sa Linnarta
ganz in der Nähe von Orosei, wo noch
Teile der typischen Turmbauten zu
­sehen sind. Römische Spuren finden
sich in der nahe gelegenen Siedlung
­Fanum­Carisi.
Die Quadfahrt ist zu Ende. Mit der Unsicherheit im Umgang mit dem Fahrzeug
ist auch das schlechte Gewissen wegen
ökologischer Bedenken in den Hintergrund gerückt. Das Abenteuer hat alles
übertönt. Am Ende des Ausflugs haftet
eine dicke Staubschicht auf den Kleidern, auf dem Gesicht und dem Haar.
Ein Bad im Meer lockt jetzt erst recht.
Dieser Text wurde von der Berner
Hotelgruppe Ferienverein ermöglicht.
Sardinien Tipps & Informationen
Anreise per Flugzeug: Um in die Region
Orosei im Osten Sardiniens zu gelangen,
empfiehlt sich ein Flug nach Olbia.
Ab Zürich fliegen die Fluggesellschaften
Air Berlin, Swiss und die Swiss-Partnerin
Edelweiss Air in die Stadt im Norden der
Insel, ab Basel und Genf die Billigfluggesellschaft Easyjet mehrmals pro Woche. Ab Bern
fliegt Skywork Airlines jeweils samstags
nach Olbia. Von dort aus ist Orosei in einer
Autostunde erreichbar.
www.swiss.com; www.edelweissair.ch
www.airberlin.com; www.skywork.ch
Anreise mit dem Auto: Ab dem italienischen
Festland verkehren regelmässig Fähren nach
Sardinien. Ab Livorno in der Toskana verkehrt
täglich eine Fähre nach Olbia. Die Fahrt
dauert sechs bis zehn Stunden. Von Genua
dauert die Überfahrt länger, rund neun bis
zehn ­Stunden.
Unterkünfte: Das Club Hotel Tirreno an der
Cala Liberotto verfügt über vier Sterne.
Es liegt in der Gemeinde Orosei. Das Sportund Familienresort erhielt als eine von drei
Unterkünften auf Sardinien die Auszeichnung
«Top Hotel 2012» des Hotelbewertungsportals Holidaycheck. Massgebend waren einzig
die Gästebewertungen.
www.ferienverein.ch
Ein zauberhaftes Hotel im Zentrum von
Orosei ist der Anticos Palathos. Das wunderschöne Haus – ein historischer Palazzo –
ist mit vielen originalen Anti­quitäten aus­
gestattet.
www.anticospalathos.com
Das Holiday Residence Rifugio in Orosei ist
ein Apartmenthaus mit zehn unterschiedlich
ausgestatteten Wohnungen und liegt
1,5 Kilometer entfernt vom wunderschönen
12 Kilometer langen Sandstrand von Orosei.
www.holiday-residence.net (nt)

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