Erfüllung bei bargeldloser Überweisung

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Erfüllung bei bargeldloser Überweisung
Ron Francke
Erfüllung bei bargeldloser Überweisung
Institut für Deutsches und Internationales Bank- und Kapitalmarktrecht
an der Universität Leipzig
- II -
Autor:
Ron Francke
Stand der Arbeit:
Juli 2004
Veranstaltung:
Rechtsfragen des Bankvertrages, insbesondere des bargeldlosen
Zahlungsverkehrs
Seminar an der Ostdeutschen Sparkassenakademie Potsdam
vom 14. bis 16. Juli 2004
Herausgeber:
Institut für Deutsches und Internationales Bank- und Kapitalmarktrecht
Burgstraße 27 (Petersbogen) 04109 Leipzig
Direktoren: Prof. Dr. Franz Häuser / Prof. Dr. Reinhard Welter
Zitiervorschlag:
Francke, Ron, Erfüllung bei bargeldloser Überweisung,
http://www.uni-leipzig.de/bankinstitut/dokumente/2004-07-14-01.pdf
Umsetzung:
Gunther Thomas / Anja Hennig / Vladimir Primaczenko / Ralf Herzog
http://www.uni-leipzig.de/bankinstitut/
- III LITERATURVERZEICHNIS
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Handelsgesetzbuch – Kommentar
31. Aufl. 2003, München
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In JZ 1953, 446 – 448
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Bankvertragsrecht, Erster Teil
3. Aufl. 1988, Berlin
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Erfüllung einer geldschuld durch Banküberweisung
In WM 1999, 1257 – 1263
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Haftung der Kreditinstitute bei nationalen und grenzüberschreitenden
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Die Erfüllung und ihre Surrogate
2. Aufl. 1994, Tübingen
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van Die banküberweisung nach dem Überweisungsgesetz
In WM 2000, Sonderbeilage 1
Das Zurückweisungsrecht des Empfängers einer „aufgedrängten“
Gutschrift
In WM 1994, Festgabe für Thorwald Hellner, S. 10 –17
Welter, Zur Rechtzeitigkeit einer fristgebundenen Zahlung durch
Hausüberweisung am Kassenterminal
In WM 1994, 775 – 782
Hoffmann, Uwe
Die Barleistung zwischen gesetzlichem Regelmodell und
wirtschaftlicher Last
In WM 1995, 1341 – 1344
Isele, Hellmut
Geldschuld und bargeldloser Zahlungsverkehr
In AcP 129 (1928), 129 – 185
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Kommentar zum BGB
10. Aufl. 2003, München
Jung, Dae- Ik
Erfüllung der Geldschuld per Überweisung und Lastschrifteinzug
unter besonderer Berücksichtigung des Valutaverhältnisses und der
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Dissertation 2002, Frankfurt/M.
Kümpel, Siegfried
Bank- und Kapitalmarktrecht
3. Aufl. 2004, Köln
Kupisch, Berthold
Bankanweisung und Bereicherungsausgleich
In WM 1994, Sonderbeilage 3
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1. Aufl. 2004, München
- IV -
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Lehrbuch des Schuldrechts, Allgemeiner Teil
14. Aufl. 1987, München
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Das Recht der Banküberweisung unter besonderer
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Dogmatische Strukturen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs
In AcP 186 (1986), 187 – 236
Münch, Christof
Das Giralgeld in der Rechtsordnung der Bundesrepublik
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Nobbe, Gerd
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum
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In WM 2001, Sonderbeilage 4
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Säcker, Franz Jürgen;
Rixecker, Roland
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch
Band 2a, §§ 241 – 432
4. Aufl. 2003
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Schimansky, Herbert;
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Bankrechts- Handbuch
2. Aufl. 2001, München
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Geldrecht
In Staudinger, Kommentar zum BGB
2. Buch, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 244 – 248
zit.: Staudinger/K.Schmidt, §, Rn.
Schmidt, Karsten
Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch
Band 5
2001, München
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Bank- und Börsenrecht
1971, München
Schönle, Herbert
Ort und Zeit bargeldloser Zahlung
In Festschrift für Winfried Werner zum 65. Geburtstag
1984, Berlin
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Widerruf bei Zahlungen und Überweisungen
In AcP 160 (1961), 17 – 28
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Bankrecht
2. Aufl. 2004, Köln
Simitis, Spiros
Bemerkungen zur rechtlichen Sonderstellung des Geldes
In AcP 159 (1960-61), 406 – 466
Stebut, Dietrich von
Geld als Zahlungsmittel und Rechtsbegriff
In Jura 1982, 561 – 572
Weber, Beatrix;
Recht des Zahlungsverkehrs
-VGößmann, Wolfgang
4. Aufl. 2004, Berlin
- VI GLIEDERUNG
A.
EINLEITUNG........................................................................................................................... 1
I.
Die Entwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs...................................................... 1
II.
Gesetzlicher Regelfall der Barzahlung ............................................................................... 2
III. Realer „Regelfall“ der bargeldlosen Zahlung - Wirtschaftliche Gleichrangigkeit zur
Barzahlung .................................................................................................................................... 2
IV. Rechtliche Gleichstellung der bargeldlosen Zahlung?...................................................... 3
B. HAUPTTEIL ............................................................................................................................. 3
I.
Rechtsnatur der Geldschuld ................................................................................................ 3
1. Geldschuld als qualifizierte Schickschuld ...................................................................... 3
2. Bringschuld ....................................................................................................................... 5
3. Holschuld........................................................................................................................... 6
II. Überblick über die Rechtsverhältnisse beim Überweisungsvorgang ............................ 7
1. Das „Valutaverhältnis“ zwischen Gläubiger und Schuldner einer Geldschuld ........... 7
2. Das „Deckungsverhältnis“ zwischen dem Schuldner und seiner Bank ...................... 8
3. Das „Inkassoverhältnis“ zwischen dem Gläubiger und seiner Bank ........................... 8
4. Das Interbankenverhältnis zwischen den eingeschalteten Banken ............................ 8
III. Das Valutaverhältnis bei der bargeldlosen Zahlung durch Überweisung ...................... 9
1. Erfüllung oder Leistung an Erfüllungs statt ? ................................................................. 9
a) Erfüllung i.S.d. § 362 I.................................................................................................. 9
b) Leistung an Erfüllungs statt i.S.d. § 364 I................................................................... 9
c) Stellungnahme ............................................................................................................10
2. Einverständnis des Gläubigers mit der Überweisung................................................11
a) Notwendigkeit des Einverständnisses.....................................................................11
b) Erteilung des Einverständnisses ..............................................................................12
c) Verzicht auf ein Einverständnis? ..............................................................................13
3. Eintritt der Erfüllungswirkung.........................................................................................14
a) Gutschrift auf dem Empfängerkonto.........................................................................14
b) Elektronischer Überweisungsverkehr ......................................................................15
c) Vorverlegung des Erfüllungszeitpunkts?..................................................................16
d) Sonderfälle ..................................................................................................................18
4. Gefahrtragung bei der Zahlung durch Überweisung...................................................19
a) Rechtzeitigkeit der Zahlung (Verzögerungsgefahr) ................................................19
(1)
Haus- und Filialüberweisung.............................................................................20
(2)
Außerbetriebliche Überweisung.......................................................................21
b) Verlustgefahr...............................................................................................................22
IV. Besondere Fallgruppen.....................................................................................................25
1. Zurückweisungsrecht des Empfängers .......................................................................25
a) Bei Fehlüberweisung .................................................................................................25
b) Bei „aufgedrängter“ Gutschrift...................................................................................26
2. Überweisung auf ein falsches Konto............................................................................28
a) Schuldner verwendet die falsche Kontonummer.....................................................28
b) Gläubiger teilt die falsche Kontonummer mit ..........................................................29
C. SCHLUSS..............................................................................................................................30
-1-
A. Einleitung
I.
Die Entwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs
Die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehr und des damit verbundenen Abrechnungsverkehrs heißt Girogeschäft. Der
Begriff stammt vom griechischen Wort „gyrus“ ab, was soviel wie
Kreis oder Kreislauf bedeutet. Wie der Fleischspieß beim griechischen Nationalgericht Gyros, dreht sich auch das Geld im Kreis,
ohne wirklich bewegt zu werden.
Tatsächlich handelt es sich nur um Buchungsvorgänge und damit
um eine reine Abrechnungsangelegenheit zwischen den Banken.1
Heute dient dabei das Girokonto als rechtstechnisches Mittel zur
Durchführung des Zahlungsverkehrs.
Die Ursprünge des bargeldlosen Zahlungsverkehrs liegen jedoch
bereits um 300 v. Chr. in Ägypten. Dort wurde zunächst Getreide,
später Münzgeld, zentral im Staatsspeicher gelagert und nur durch
Buchungsvorgänge übertragen. Die Gründe lagen auch damals
schon in der sicheren und bequemen Abwicklung von Zahlungen
ohne das Risiko eines Verlustes und natürlich in der zunehmenden
Menge von Zahlungen im florierenden Handel.
Es sollte allerdings noch bis ins 17. Jahrhundert dauern, bis auch
in Deutschland erste Ansätze erkennbar waren. Eine weitergehende Verbreitung des Giroverkehrs ließ noch bis ins 19. Jahrhundert
auf sich warten. Nun verbreiteten sich zunehmend der Wechsel
und die Postanweisung als Zahlungsmittel. Anfang des 20. Jahrhunderts führten die Sparkassen den bargeldlosen Zahlungsverkehr ein und schlossen sich zum Sparkassen- und Giroverband
zusammen.
Erst durch die Einführung von Lohn- und Gehaltskonten wurde der
bargeldlose Zahlungsverkehr Ende der 1950 –er Jahre schließlich
zum Massengeschäft. Bereits Mitte der 1980 –er Jahre verfügte
jeder deutsche Haushalt über 2 Girokonten. Überweisungen per
Überweisungsbeleg oder Internet- Banking gehören mittlerweile
zum täglichen Leben.
1
Schwintowski / Schäfer, § 7, Rn. 1, 2.
-2-
II. Gesetzlicher Regelfall der Barzahlung
Dem historischen Gesetzgeber des BGB erschien die Barzahlung
noch als der Normalfall. Der Ursprung dafür liegt wohl in der geschichtlich- traditionell besonders geachteten Stellung der Barzahlung. Diese schlägt sich bis heute in volkstümlichen Redewendungen wie „nur Bares ist Wahres“ oder „Bargeld lacht“ nieder.
Auch wenn das BGB nicht allgemein regelt, womit eine Geldschuld
zu erfüllen ist2, sieht es doch grundsätzlich auch bei Geldschulden
das Bewirken der Leistung durch Einigung und Übergabe der Sache gem. § 929 BGB 3, in diesem Fall von Banknoten und Münzen,
vor.4 Nach Auffassung des BGH geht das Gesetz „als selbstverständlich davon aus, dass jede Geldschuld durch Barzahlung des
Nennwertbetrages erfüllt werden ... kann“.5 Dabei werden die währungsrechtlichen Bestimmungen über die „gesetzlichen Zahlungsmittel“ (§ 1 II WährungsG, § 14 I 2 BBankG, § 3 MünzG) als gesetzliche Auslegungsregeln für den Inhalt der Geldschuld verstanden.6
Nur auf Bargeld erstreckt sich auch der gesetzliche Annahmezwang des Gläubigers.7 So nimmt die Barzahlung eine bevorzugte
Stellung als traditioneller gesetzlicher Regelfall der Geldschuld ein8,
z.B. beim gutgläubigen Erwerb gem. § 935 II und beim Pfandverkauf gem. § 1238 I.
III. Realer „Regelfall“ der bargeldlosen Zahlung - Wirtschaftliche Gleichrangigkeit zur Barzahlung
In der Praxis ist indes mehr und mehr die bargeldlose Zahlung neben die Barzahlung getreten, hat bald die vorrangige Bedeutung
erlangt und insbesondere im höheren Wertebereich die Barzahlung
nahezu ersetzt.9
2
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 335.
Alle Paragraphenangaben ohne nähere Bezeichnung sind solche des
BGB.
4
BGHZ 87, 156, 163; MüKo- BGB, Wenzel, § 362, Rn. 19.
5
BGHZ 124, 254, 259; BGH WM 1993, 2237, 2239.
6
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 335.
7
BGHZ 124, 254, 260; OLG Frankfurt, NJW 1987, 455; von Dücker, WM
1999, 1257, 1258.
8
Hoffmann, WM 1995, 1341.
9
Von Caemmerer, JZ 1953, 446; von Dücker, WM 1999, 1257, 1258.
3
-3Die Mehrzahl aller Geldschulden wird heute durch Gutschrift auf
Bankkonten beglichen. Die bargeldlose Zahlung ist daher wirtschaftlich als zumindest gleichrangig anzusehen, ohne dass dies
noch einer näheren Begründung bedarf.10
IV. Rechtliche Gleichstellung der bargeldlosen Zahlung?
Wegen dieser wirtschaftlichen Gleichrangigkeit wurde schon bald
auch eine rechtliche Gleichstellung der bargeldlosen Zahlung mit
der Barzahlung gefordert.11
Die vorliegende Arbeit will für die bargeldlose Zahlung per Überweisung aufzeigen, inwieweit eine rechtliche Gleichstellung zur Barzahlung angenommen werden kann. Dabei sollen sich die Betrachtungen auf das Valutaverhältnis beschränken und die anderen
Rechtsverhältnisse beim Überweisungsvorgang nur abgrenzend
angesprochen werden, sofern sich unmittelbare Auswirkungen auf
das Valutaverhältnis ergeben.
Es soll insbesondere erörtert werden, ob und in welchem Umfang
die bestehenden gesetzlichen Regelungen unter Einbeziehung der
neu eingeführten Regelungen zum Überweisungsverkehr eine vollkommene Gleichstellung der bargeldlosen Zahlung mit der Barzahlung ermöglichen und welche praktischen Konsequenzen sich daraus für die am Überweisungsvorgang Beteiligten ergeben.
Um die praktische Relevanz des Themas aufzuzeigen, werden
dann einige besondere Fallgruppen erläutert. Abschließend wird ein
zusammenfassender Ausblick gegeben.
B. Hauptteil
I.
Rechtsnatur der Geldschuld
1. Geldschuld als qualifizierte Schickschuld
Das Gesetz bestimmt in § 270 I die Geldschuld im Regelfall („im
Zweifel“) als qualifizierte Schickschuld.
10
BGH NJW 1988, 1320; Staudinger/K.Schmidt, Vor § 244, Rn. C 39; von
Stebut, Jura 1982, 561, 567.
11
Isele, AcP 129 (1928), 129, 165.
-4Dabei muss zwar der Schuldner das Geld an den Wohnort des
Gläubigers übermitteln ( § 270 I), der Erfüllungsort bleibt indes der
Wohnort oder der Ort der gewerbliche Niederlassung des Schuldners ( § 270 IV i.V.m. § 269 I bzw. II).12 Die Geldschuld ist also
grundsätzlich keine Bringschuld.13
Die Gegenauffassung sieht die Geldschuld jedoch als modifizierte
Bringschuld an.14 Dies ergäbe sich gerade daraus, dass der
Schuldner das Geld an den Wohnsitz des Gläubigers zu übermitteln hat. Zwar führt Langenbucher15 die Regelungen des neuen
Überweisungsrechts (§ 676a ff.) zur Begründung an, macht aber
nicht deutlich, wie sie die ausdrückliche Regelung der §§ 270 IV,
269 „umgehen“ will. Sie stellt darauf ab, dass § 676b I 1 dem
Überweisenden eine Zinsentschädigung bei verspäteter Überweisung gewährt, obwohl der Überweisungsempfänger bei der
Schickschuld das gesamte Verzögerungsrisiko trägt. Somit hätte
der Überweisende einen Anspruch auf Zinszahlung, aber keinen
Schaden. Dieser Widerspruch lässt sich jedoch mittels einer Drittschadensliquidation zugunsten des Zahlungsempfängers lösen, so
dass der Empfänger letztendlich auch die Zinsen bekommt.
Doch stellt nur allein die Geltendmachung des Zinsanspruchs über
die Drittschadensliqiudation noch keinen Widerspruch dar- wird
diese Konstruktion doch auch in anderen Situationen angewandt,
wo ein direkter Anspruch mangels eines Schuldverhältnisses nicht
besteht. Langenbucher ist zuzugeben, dass einige Argumente für
die generelle Ausgestaltung der Geldschuld als Bringschuld sprechen. So muss der Überweisende nicht mehr hinsichtlich der Verzögerungsgefahr freigestellt werden, da er jetzt aus § 676b I 1 einen Ersatzanspruch hat.
Auch Schönle16 will die Geldschuld als Bringschuld ausgestalten
und damit nicht das gesamte Risiko dem Gläubiger anlasten. Doch
macht er im Gegensatz zur Auffassung Langenbuchers klar, dass
es sich hierbei um „Vorschläge für die Anpassung dispositiver Ge-
12
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 49.
Gernhuber, Erfüllung, § 2 VII, 1.
14
Langenbucher, Zahlungsverkehr, § 1, Rn. 131.
15
Langenbucher, aaO.
16
Schönle, FS W.Werner, S. 817, 837f.
13
-5setzesbestimmungen und vertraglicher Vereinbarungen“17 handelt.
Er betont, dass die derzeitige Gesetzeslage mit der ausdrücklichen
Regelung der §§ 270, 269 eine solche Auslegung
nicht zulässt.18 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
Umstritten ist weiterhin, ob es sich bei der Regelung des § 270 um
eine Auslegungsregel19 oder um ergänzendes dispositives Gesetzesrecht20 handelt.
Wie bereits erwähnt muss die Regelung des § 270 als generelle
Wertung des Gesetzes bei der Übermittlung von Geldschulden
angesehen werden. Zwar ist diese Wertung durch Parteivereinbarung disponibel, doch genügt dafür noch nicht die Vereinbarung
über die Zahlung per Überweisung an sich. Die Vereinbarung der
Zahlung per Überweisung hat keinen Einfluss auf den Leistungsort
und ändert die Geldschuld nicht in eine Bringschuld.21 §§ 270 I und
IV gelten daher grundsätzlich auch bei bargeldloser Zahlung.22
Jedoch genießen gesetzliche Sondervorschriften und abweichende
Parteiabreden Vorrang. Die Geldschuld kann durch Parteivereinbarung sowohl zur Bringschuld, als auch zur Holschuld gemacht
werden.23
2. Bringschuld
Die Vereinbarung einer Bringschuld muss nicht ausdrücklich erfolgen, liegt aber – wie oben erwähnt – nicht schon in der Angabe
eines Kontos durch den Gläubiger und dem damit anzunehmenden
Einverständnis mit der bargeldlosen Zahlung an sich.24 Auch die
Vereinbarung eines Zahlungsortes genügt für sich allein noch nicht,
da die Bedeutung einer solchen Vereinbarung in der Begründung
eines bestimmten Gerichtsstandes und nicht in der Herbeiführung
materiellrechtlicher Folgen liegt.25 Es genügt auch keine einseitige
Erklärung des Gläubigers nach Vertragsschluss, z.B. durch einen
17
Schönle, FS W.Werner, S. 817, 837.
Schönle, FS W.Werner, S. 817.
19
So wohl BGHZ 28, 123, 127f.
20
so Gernhuber, Erfüllung, § 2 VII, 2.
21
Schönle, FS W. Werner, S. 817, 820f.
22
BGH WM 1982, 291, 293; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 358.
23
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 360.
24
So aber Einsele, AcP 199 (1999), 145, 185.
25
BGHZ 1, 109, 112.
18
-6Vermerk auf der Rechnung.26 Doch will Canaris 27 wohl schon die
Vereinbarung eines Fälligkeitstermins für die Annahme einer Bringschuld genügen lassen, da diese Vereinbarung im Zweifel auf den
Eintritt des Leistungserfolges und nicht allein auf
die Leistungshandlung gerichtet ist.
Häufig ist eine Bringschuld in Miet- und Pachtverträgen, gerichtlichen Vergleichen oder Prämienzahlungen für Versicherungen vereinbart.28 Gesetzliche Sonderregelungen sind z.B. § 224 AO, der
die Steuerschuld zur Bringschuld erklärt, § 1194 BGB, der vorbehaltlich anderer Parteivereinbarungen den Sitz des Grundbuchamts
als Zahlungsort für Kapital und Zinsen aus der Grundschuld bestimmt und § 57 I lit. a CISG, der im internationalen Warenverkehr
den Käufer bei Fehlen von Vereinbarungen der Parteien zur Zahlung am Ort der Niederlassung des Verkäufers verpflichtet.29
Liegt eine Bringschuld vor, ist die Leistung rechtzeitig erst mit der
Tilgung erbracht.30 Entscheidend ist somit der Eintritt des Leistungserfolges.31 Es ist also nach der hier vertretenen Auffassung
auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers abzustellen. Nach anderer Auffassung wäre der Zeitpunkt des Eingangs der Deckung bei der Empfängerbank maßgeblich.32
3. Holschuld
Durch Vereinbarung eines Lastschrifteinzugs wird die Geldschuld
zur Holschuld. Die Übermittlungspflicht des Schuldners entfällt.33
Dieser hat das für die Erfüllung seinerseits erforderliche getan,
wenn die Voraussetzungen für die Einlösung der Lastschrift herstellt, also insbesondere für ausreichende Kontodeckung sorgt und
einen ggf. erforderlichen Abbuchungsauftrag unterschreibt.34
26
LG Frankfurt/M. WM 1994, 790.
Canaris, BankvertragsR, Rn. 480.
28
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 359, 360.
29
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 53a.
30
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 53b.
31
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 382.
32
Schimansky, BankR- Hdb, § 49, Rn. 53b.
33
Canaris, BankvertragsR, Rn. 629; Häuser, WM 1991, 1, 2;
Staudinger/K.Schmidt, vor § 244, Rn. C 51; a.A.: Gernhuber, Erfüllung,
§ 2 VII 4c, der nicht die Bank, sondern den Gläubiger als Erfüllungsgehilfen des Schuldners ansieht).
34
Schimansky, BankR- Hdb., § 58, Rn. 154.
27
-7Auf eine vertiefende Behandlung der Einzelprobleme des Lastschriftverfahrens muss an dieser Stelle verzichtet werden.
II. Überblick über die Rechtsverhältnisse beim Überweisungsvorgang
Zwischen den an einem Überweisungsvorgang beteiligten Personen und Banken sind verschiedene Rechtsverhältnisse zu unterscheiden. So liegt bei der institutsinternen Überweisung („Hausüberweisung“) ein dreigliedriges Rechtsverhältnis vor. Schuldner
und Gläubiger unterhalten ein Konto bei derselben Bank (§ 676a I
1). Bei der institutsübergreifenden Überweisung sind Schuldnerund Gläubigerbank verschieden, es können auch noch weitere
Banken zwischengeschaltet sein (§ 676a I 2).
1. Das „Valutaverhältnis“ zwischen Gläubiger und
Schuldner einer Geldschuld
Überweisungen dienen in den meisten Fällen der Begleichung einer Geldschuld aus einem zwischen Gläubiger und Schuldner geschlossenem Vertrag (z.B. Kaufvertrag).35 Nur in diesem Verhältnis findet ein tatsächlicher Austausch von Werten statt. Daher
nennt man dieses Verhältnis „Valutaverhältnis“.
Überweisungen können allerdings auch ohne Valutaverhältnis ausgeführt werden. Eine solche „Eigenüberweisung“ liegt z.B. vor,
wenn ein Bankkunde mit mehreren Konten Geld von einem seiner
Konten auf ein anderes transferiert.36 In diesem Fall dient die Überweisung nicht der Erfüllung einer Geldschuld.
Nachfolgende Ausführungen beschränken sich daher, wie eingangs erwähnt, auf die Darstellung der spezifischen Probleme im
Valutaverhältnis.
35
36
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 45.
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 334.
-82. Das „Deckungsverhältnis“ zwischen dem Schuldner
und seiner Bank
Der seit Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes 37 im BGB geregelte Übertragungsvertrag zwischen dem Schuldner und seiner
Bank wird als Deckungsverhältnis bezeichnet, da hier die Schuldnerbank Deckung für den Überweisungsbetrag sucht. Nach dem
neuen Überweisungsgesetz sind hier künftig der Girovertrag und
der einzelne Überweisungsvertrag zu unterscheiden. Das Dekkungsverhältnis ermöglicht dem Kunden den Geldtransfer über
seine Bank abzuwickeln, zu dem er sich im Valutaverhältnis verpflichtet hat.38
3. Das „Inkassoverhältnis“ zwischen dem Gläubiger
und seiner Bank
Das Verhältnis zwischen dem Gläubiger und seiner Bank wird als
„Inkassoverhältnis“ bezeichnet. Auch dieses Verhältnis ist rechtlich
ein Girovertrag.
Zu beachten ist, dass bei der Bezahlung einer Geldschuld per
Überweisung der Gläubiger selbst, und nicht seine Bank, Empfänger der Überweisung ist. Die Bank des Gläubigers wird zwar häufig
als „Empfängerbank“ bezeichnet, ist jedoch lediglich Zahlstelle des
Gläubigers.39 Die Bank darf daher auch nicht als „Dritter“ i.S.d. §
362 II missverstanden werden.40
4. Das Interbankenverhältnis zwischen den eingeschalteten Banken
Das Verhältnis zwischen den eingeschalteten Kreditinstituten wird
als „Interbankenverhältnis“ bezeichnet. Sind noch weitere Banken
zwischengeschaltet, liegt ein Zahlungsvertrag vor (§ 676d).
37
Gesetz zur Umsetzung der EG- Überweisungsrichtlinie 97/5/EG vom 27.
Januar 1997, BT-DS 14/745.
38
Jauernig- BGB, Teichmann, § 676a, Rn. 2.
39
BGHZ 53, 139, 142; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 334.
40
BGHZ 72, 316, 318f.; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 337.
-9-
III. Das Valutaverhältnis bei der bargeldlosen Zahlung
durch Überweisung
1. Erfüllung oder Leistung an Erfüllungs statt ?
a) Erfüllung i.S.d. § 362 I
Gefragt werden muss zunächst, ob die Hingabe von Giralgeld
(auch: „Buchgeld“)41 Leistung i.S.d. § 362 I sein kann, so dass
auch die Zahlung durch Überweisung – genau wie die Barzahlung
– grundsätzlich als Erfüllung der Geldschuld anzusehen ist. 42
Dafür spricht zunächst die enorme wirtschaftliche Bedeutung. So
scheint die Überweisung allgemein als „Zahlungsmittel“ anerkannt.
Sowohl für Schuldner als auch für Gläubiger stellt sie eine schnelle,
bequeme und sichere Form der Bezahlung dar. Die Risiken43, die
in der Geldübermittlung per Überweisung liegen, sind praktisch
gering und werden auch vom Verkehr als kaum relevant angesehen. Auch Giralgeld sei damit Geld im Rechtssinne.44 Daher stellt
die Zahlung per Überweisung keine andere als die geschuldete
Leistung dar, es handelt sich um eine bloße Leistungsmodalität.45
Der Begriff der Geldschuld erfasst nach der Verkehrsanschauung
auch die Giralgeldzahlung.46
b) Leistung an Erfüllungs statt i.S.d. § 364 I
Die traditionelle Auffassung lehnt eine vollkommene Gleichstellung
der bargeldlosen Zahlung zur Barzahlung ab. Danach stellt die
Überweisung eine Leistung an Erfüllungs statt i.S.d. § 364 I dar.47
Zur Begründung wird einerseits die Stellung des Bargeldes als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel angeführt48, so dass die Leistung von Buchgeld eine andere als die geschuldete Leistung dar-
41
Zur Begriffsvielfalt und Abgrenzung: Münch, Giralgeld, S. 22f., 25-28.
Baumbach / Hopt, Hopt, HGB, 2. Teil, VI, (7), C/23; Gernhuber, Erfüllung,
§ 11 I, 2, S. 203; Isele, AcP 129 (1928), 129, 165; Larenz, Schuldrecht
AT, § 18 IV, S. 249; MüKo- BGB, Wenzel, § 362, Rn. 22; Staudinger/K.Schmidt, Vor § 244, C 45;
43
S. dazu unten B III 4.
44
Münch, Giralgeld, S. 173.
45
Staudinger/K.Schmidt, Vor § 244, Rn. C 45.
46
Münch, Giralgeld, S. 173.
47
RGZ 134, 73, 76; BGH JZ 1953, 469, 470; BGHZ 58, 108, 109; von
Caemmerer, JZ 1953, 446f.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 467;
Meyer- Cording, Banküberweisung, S. 127; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. 4, S. 21; Weber/Gößmann, Zahlungsverkehr, S. 26.
48
Hoffmann, WM 1995, 1341, 1343.
42
- 10 stelle.49 Denn bei der Überweisung erwirbt der Gläubiger nicht das
Eigentum an Münzen und Scheinen, sondern lediglich einen Gutschriftanspruch, also eine selbständige Geldforderung gegen seine
Bank gem. § 676f I 1 i.V.m. § 676g I 1.50
Andererseits wird auch die Rechtsstellung des Buchgeldempfängers nicht als gleichwertig mit der des Bargeldempfängers angesehen.51 (Unklar in diesem Zusammenhang: Weber, die von einer
„erstrebten Gleichstellung des Bargeld-
und Buchverkehrs“
52
spricht , obwohl gerade diese Ansicht gegen eine Gleichstellung
argumentiert). Im Vordergrund stehen dabei die zusätzlichen Risiken für den Gläubiger53, die sich aus einer giralen Zahlung ergeben.
In der älteren Literatur noch häufiger angeführt54, ist in der neueren
Literatur weitgehend anerkannt, dass das Risiko einer Bankeninsolvenz, insbesondere auch nach der Neuregelung der Einlagensicherungssysteme, nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.55
Auch die inflationsbedingte Geldentwertung während der Überweisungslaufzeit56 spielt bei den derzeitigen Inflationsraten keine Rolle
mehr.
Berücksichtigung findet heute vor allem die Gefahr, dass der Gläubiger bei Überweisung auf ein debitorisch geführtes oder von einem Drittgläubiger gepfändetes Konto nicht frei über den
Gutschriftsbetrag verfügen kann.
c) Stellungnahme
Der dargestellte Streit ist ohne praktische Bedeutung, solange eine
vorherige oder nachträgliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten verlangt wird und somit der durch die unbare Zahlung möglicherweise „benachteiligte“ Gläubiger sein Einverständnis mit der
49
BGH WM 1962, 1090, 1091; Münch, Giralgeld, S. 169.
Schimansky, BankR- Hdb., § 49 , Rn. 41, 41b.
51
Canaris, BankvertragsR, Rn. 303, 466f.
52
Weber/Gößmann, Zahlungsverkehr, S. 32.
53
S. dazu unten B III 4.
54
Isele, AcP 129 (1928), 129, 159f.; Simitis, AcP 159, 434, von Caemmerer, JZ 1953, 446.
55
Canaris, BankvertragsR, Rn. 303; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn.
B 336; Staudinger/ Olzen (2000), Vor § 362, Rn. 35.
56
Ausführlich dazu: Meyer- Cording, Banküberweisung, S. 131-134.
50
- 11 Überweisung erklärt hat.57 Von Caemmerer hält diesen Gegensatz
der Auffassungen gar für ein bloßes „Formulierungsproblem“.58
Darin liegt wohl der Grund, dass diese Frage in jüngerer Zeit immer
häufiger offen gelassen wird.59
2. Einverständnis des Gläubigers mit der Überweisung
a) Notwendigkeit des Einverständnisses
Die Überweisung soll die Barzahlung ersetzen. Ziel ist es also, den
Gläubiger so zu stellen, als sei mit Bargeld erfüllt worden.
Die rechtliche Gleichstellung und damit die Erfüllungswirkung tritt
jedenfalls ein, wenn der Gläubiger die Leistung annimmt und somit
sein Einverständnis mit der Zahlung durch Überweisung erklärt.60
Die Notwendigkeit eines Einverständnisses ergibt sich schon daraus, dass es für Buchgeld keinen Annahmezwang gibt.61 Der
Gläubiger ist daher grundsätzlich nicht gezwungen, eine Überweisung zu akzeptieren.62 Würde man einen solchen Annahmezwang
oder wenigstens eine Annahmeobliegenheit auch für Buchgeld annehmen wollen63, müsste dies mit einem Kontozwang verbunden
sein. Dieser wäre wiederum nur dann vorstellbar, wenn die Kreditinstitute einem Kontrahierungszwang unterliegen.
Der Gläubiger ist indes nicht gezwungen, ein Konto einzurichten
um dem Schuldner die bargeldlose Zahlung zu ermöglichen.64 Die
von Münch65 vorgeschlagene fallbezogene Annahmeobliegenheit
mit der Obliegenheit zur Eröffnung eines Girokontos ist daher zu
weitgehend. Sie liefe nicht nur den Grundsätzen der Privatautonomie, sondern insbesondere den geltenden gesetzlichen Regelun-
57
MüKo- BGB, Wenzel, § 362, Rn. 22; Schimansky, BankR- Hdb., § 49,
Rn. 45; Staudinger/Olzen (2000), Vor § 362, Rn. 35;
58
von Caemmerer, JZ 1953, 446.
59
BGHZ 87, 156, 163; BGH WM 1999, 11, 12; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 346, Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 45.
60
RGZ 134, 73, 76; BGHZ 98, 24, 30; BGH WM 1999, 11; Canaris, BankvertragsR, Rn. 468; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 336; von
Caemmerer, JZ 1953, 446.
61
Canaris, BankvertragsR, Rn. 468.
62
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 338; Canaris, BankvertragsR,
Rn. 466.
63
Münch, Giralgeld, S. 214f.
64
Canaris, BankvertragsR, Rn. 466; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn.
B 338; Schimansky, BankR- Handb, § 49, Rn. 45.
65
Münch, Giralgeld, S. 215ff.
- 12 gen zuwider, in denen die Barzahlung als der „Normalfall“ angesehen wird. Dies zeigt sich insbesondere auch in zahlreichen neu
entstehenden Problemen, die eine solche Obliegenheit mit sich
bringen würde. Fraglich erscheint beispielsweise die Handhabung
bei Minderjährigen. Ist es nicht heutzutage üblich, dass ein 16- jähriger bereits ein Girokonto unterhält? Dennoch kann die Verkehrssitte die girale Zahlung nicht auch für einen Minderjährigen ohne
Konto zum Leistungsgegenstand erklären. Es leuchtet wohl unmittelbar ein, dass es auch keinen Zwang zur Kontoeröffnung für den
gesetzlichen Vertreter eines 16- jährigen geben kann, nur weil es in
diesem Alter bereits „sozial üblich“ ist, ein Konto zu unterhalten.
Auch wird man nicht annehmen können, dass der gesetzliche Vertreter mit der Zustimmung zu einem Vertragsabschluß des Minderjährigen gleichzeitig in die Eröffnung eines Kontos einwilligt.
Eine Obliegenheit zur Kontoeröffnung könnte auch nur dann angenommen werden, wenn jeder die Möglichkeit hat, ein Konto zu eröffnen. Jedoch wird ein Kontrahierungszwang der Kreditinstitute im
allgemeinen nicht anerkannt.66 Sehr problematisch stellt sich dies
auch bei Auslandsgeschäften dar, da ein möglicher Kontrahierungszwang dort jedenfalls nicht gelten würde.
b) Erteilung des Einverständnisses
Wegen der enormen wirtschaftlichen Bedeutung des Überweisungsverkehrs zur schnellen und unkomplizierten Zahlungsabwicklung werden an die Form der Einverständniserteilung nur sehr geringe Anforderungen gestellt.
Selbstverständlich kann eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen
den Parteien vorliegen. Häufig wird der Gläubiger sein Einverständnis mit der bargeldlosen Zahlung indes nur konkludent äußern. So
genügt dafür die Bekanntgabe des Kontos auf Rechnungen, Briefbögen oder sonstigen Geschäftspapieren67, nicht aber bei veralteten veralteten Rechnungen oder Briefvordrucken68. Es genügt
auch, wenn der Gläubiger wiederholt Zahlungen auf sein Konto
66
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. A 59; Schimansky, BankR- Hdb. §
47, Rn. 2.
67
Allg. Auffassung, vgl. BGH NJW 1953, 897; BGH Z 98, 24, 30.
68
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 343.
- 13 akzeptiert.69 In der älteren Literatur wollte man auch die Aufnahme
des Kontos in ein öffentliches Girokundenverzeichnis oder Adressregister ausreichen lassen.70 Geradezu erstaunlich ist es, dass
diese im Jahre 1928 geprägte Formulierung sich auch in der aktuellen Literatur unkommentiert wiederfindet.71 Es sei in diesem Zusammenhang nur am Rande darauf hingewiesen, dass eine Veröffentlichung von Kundenverzeichnissen aufgrund des Bankgeheimnisses nicht erfolgt.
c) Verzicht auf ein Einverständnis?
Diskutiert wird, ob angesichts des in der Praxis vorherrschenden
Willens aller Parteien zur bargeldlosen Zahlung ganz auf ein Einverständnis des Gläubigers verzichtet werden kann.72
Wie vorstehend erläutert, kann der Gläubiger gewichtige Gründe
haben, eine Barzahlung oder Überweisung auf ein bestimmtes
Konto zu wünschen. Daher ist zumindest irgendein Tätigwerden
oder eine Äußerung des Gläubigers mit Publizitätswirkung in Bezug auf seine Kontonummer erforderlich.73 Allein die Eröffnung
eines Kontos genügt dazu nicht.74 Würde man dies annehmen75,
käme dies einem Verzicht auf das Einverständnis gleich.76
Weiterhin erscheint zweifelhaft77, ob die ausdrückliche gesetzliche
Regelung des § 270 durch Gewohnheitsrecht „abrogiert“ werden
kann78, zumal es sich um eine Auffangregelung („im Zweifel“) für
den Fall handelt, dass vertragliche Abreden fehlen.79 Die Regelung
des § 270 I verdeutlicht einmal mehr, dass die Übermittlung von
Bargeld an den Wohnsitz des Gläubigers der gesetzliche Normalfall ist und eine Überweisung eines Einverständnisses bedarf.
69
BGH WM 1955, 1473, OLG Köln, NJW- RR 1991, 50.
Isele, Geldschuld, AcP 129 (1928), 129, 145.
71
Staudinger/Olzen (2000), Vor § 362, Rn. 37; Weber/Gößmann, Zahlungsverkehr, S. 25.
72
Gernhuber, Erfüllung, § 11 I, 2, S. 203; Münch, Giralgeld, S. 186f.;
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 45; Schönle, Bank- und BörsenR, § 32 I, S. 329; von Dücker, WM 1999, 1257, 1261.
73
So auch MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 343.
74
BGH NJW 1953, 897; MüKo- BGB, Wenzel, § 362, Rn. 21.
75
So von Caemmerer, JZ 1953, 446, 447; von Dücker, WM 1995, 1257,
1261.
76
Gernhuber, Erfüllung, § 11 I, 2, S. 203.
77
So auch Hoffmann, WM 1995, 1341, 1343.
78
So aber Schönle, Bank- und BörsenR, § 32 I, S. 329.
79
Jauernig- BGB, Vollkommer, § 270, Rn. 1, § 269, Rn. 6.
70
- 14 Denn eine Überweisung lässt sich in aller Regel nicht an den
Wohnsitz übermitteln – wer unterhält schon ein Kontensystem bei
sich zuhause oder wohnt in seiner Bank.
3. Eintritt der Erfüllungswirkung
Umstritten ist, zu welchem Zeitpunkt die Erfüllungswirkung eintritt.
a) Gutschrift auf dem Empfängerkonto
Die Kontogutschrift ist das Zahlungsmittel des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Sie kann bezüglich der Erfüllungswirkung der Barzahlung nur dann gleich erachtet werden, wenn sie „dem Verfügungsbereich des Gläubigers so nahe gerückt worden ist, dass
dieser das Buchgeld wie bares Geld verwerten kann“80
Dies ist dann der Fall, wenn er den geschuldeten Betrag endgültig
zur freien Verfügung erhält.81 Erfüllung kann somit jedenfalls bei
erfolgter vorbehaltloser Gutschrift auf dem Konto des Empfängers
angenommen werden.82 Damit erhält der Gläubiger einen abstrakten unwiderruflichen Anspruch gegen seine Bank.83 Erst dann kann
er von der Bank kraft Girovertrages ohne weiteres die Auszahlung
des geschuldeten Betrages verlangen oder sonst frei über den Betrag disponieren.84 Für die Erfüllungswirkung ist nicht entscheidend, wann der Betrag vom Konto des Schuldners abgebucht oder
einer zwischengeschalteten Bank, insbesondere der Empfängerbank selbst, gutgeschrieben wurde.85 Es ist weder eine Annahme
durch den Begünstigten notwendig, noch dessen Kenntnis von der
Gutschrift.86 Entscheidend ist, dass der Geldbetrag dem Empfänger nicht wieder entzogen werden kann, die Gutschrift also endgül-
80
BGHZ 6, 121, 125; BGHZ 103, 143, 147; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 350.
81
BGH WM 1999, 11; Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 47.
82
Jung, Erfüllung, S. 119.
83
BGHZ 6, 121, 122f.; BGH WM 1999, 11; Staudinger/Olzen (2000), Vor §
362, Rn. 39.
84
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 350; Staudinger/K. Schmidt,
Geldrecht, Vor § 244, Rn. C 48.
85
RGZ 54, 329, 331; BGHZ 6, 121, 122; Staudinger/Olzen (2000), Vor §
362, Rn. 39.
86
BGHZ 103, 143, 146; Häuser/Welter, WM 1994, 775, 780; MüKo- HGB,
Häuser, ZahlungsV, Rn. B 350.
- 15 tig ist.87 Dabei kommt es allein auf den Zeitpunkt der Gutschrift und
nicht auf die Wertstellung an.88
Diese freie Dispositionsmöglichkeit des Gläubigers kann fehlen,
wenn der Gläubiger nicht Kontoinhaber ist, sondern nur neben dem
Schuldner verfügungsberechtigt. In diesem Fall ist es eine Frage
der Auslegung der zwischen Gläubiger und Schuldner getroffenen
Vereinbarung, ob Erfüllung bereits mit der Kontogutschrift, also
schon mit Vorliegen der Verfügungsmöglichkeit, oder erst mit der
tatsächlichen Verfügung des Gläubigers über den Geldbetrag zu
eigenen Zwecken eingetreten ist.89
Eine Gutschrift auf einem Sparkonto reicht grundsätzlich nicht90,
da gem. § 808 nicht sichergestellt werden kann, dass auch tatsächlich der Gläubiger die freie Verfügungsmöglichkeit erhält, z.B.
weil das Sparbuch sich im Besitz eines Dritten befindet.
b) Elektronischer Überweisungsverkehr
Besonderheiten ergeben sich im elektronischen Überweisungsverkehr daraus, dass nicht Buchungsbelege übersandt, sondern diese
nur in Datenerfassungsanlagen erfasst und in elektronischer Form
weitergegeben werden. Fraglich ist daher, zu welchem Zeitpunkt
der elektronischen Erfassung und Weiterleitung der unwiderrufliche
Anspruch des Überweisungsempfängers entsteht und damit die
Erfüllungswirkung eintritt.
Ein solcher Anspruch entsteht noch nicht bei der Eingabe der Belege in die Datenverarbeitungsanlage.91 Zu diesem Zeitpunkt befinden sich die Daten lediglich im Rechenzentrum der Bank. Sie sind
weder für den Überweisungsempfänger noch für die kontoführende
Stelle zugänglich. Es bedarf jedoch einer „’Entäußerung’ der Erklärung“92 durch die Bank, die damit ihren Rechtsbindungswillen
kundtut. Zuvor befindet sich die Erklärung der Bank, dem Empfänger einen Anspruch einzuräumen, lediglich im Vorbereitungsstadi87
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 350; Staudinger/K.Schmidt, Vor
§ 244, C 48.
88
OLG Hamm, WM 1994, 786, 787.
89
BGH WM 1999, 11, 12.
90
OLG Hamm, NJW 1987, 70; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B
350.
91
BGHZ 103, 143, 146.
92
Canaris, BankvertragsR, Rn. 420.
- 16 um.93 Mit Recht stellt die herrschende Auffassung daher auf den
Zeitpunkt ab, in dem nach dem Willen der Empfängerbank die Daten der Gutschrift zur vorbehaltlosen Bekanntgabe an den Kunden
bereitgestellt werden.94 Dieser Zeitpunkt wird als „Abrufpräsenz“95
bezeichnet. Abrufpräsenz ist gegeben, wenn der Kunde die Möglichkeit des Datenabrufs hat, ohne jedoch tatsächlich davon Gebrauch gemacht haben zu müssen.96 Diese Abrufmöglichkeit besteht sowohl durch die vorbehaltlose Zusendung von Kontoauszügen oder deren Bereitstellung am Kontoauszugsdrucker oder wenn
der Kunde „sonst mit Willen der Bank unmittelbaren Zugriff auf die
Daten erlangt“97 (d.h. auch beim Abruf per Online- Banking).
c) Vorverlegung des Erfüllungszeitpunkts?
Fraglich ist, ob auch zu einem früheren Zeitpunkt schon Erfüllungswirkung angenommen werden kann.
Insbesondere nach Inkrafttreten des neuen Überweisungsgesetzes
flammte die Diskussion darüber wieder auf, ob bereits mit Entstehen des Anspruchs auf Gutschrift, also zum Zeitpunkt der Gutschrift des Überweisungsbetrages bei der Empfängerbank, Erfüllung eingetreten ist.98 Dabei wird zum einen auf die Risikoverteilung abgestellt: Das Risiko von Fehlern der Empfängerbank oder
der Insolvenz derselben trägt nach dieser Auffassung der Gläubiger
in unmittelbarer Anwendung des § 270 I. 99 Für die Vorverlegung
des Erfüllungszeitpunktes spricht darüber hinaus, dass schon mit
Eingang des Betrages bei der Empfängerbank der Gläubiger gem.
§ 676g I 1 einen Gutschriftsanspruch hat. Ab diesem Zeitpunkt
kann der Anspruch des Empfängers auf Gutschrift nicht mehr zerstört werden, da ein Widerruf durch den Überweisenden gem. §
676a IV nur bis zu dem Zeitpunkt möglich ist, in dem der Betrag auf
93
BGHZ 103, 143, 146.
BGHZ 103, 143, 147; Häuser/Welter, WM 1994, 775, 781; Staudinger/Olzen (2000), Vor § 362, Rn. 41.
95
Möschel, AcP 186 (1986), 187, 204.
96
Staudinger/Olzen (2000), Vor § 362, Rn. 43.
97
BGHZ 103, 143, 147.
98
Gößmann/van Look, WM- Sonderbeil. 1/2000, S. 20f.; Kümpel, Bankrecht, Rn. 4.337, 4.339; Kupisch, WM 1979, Sonderbeil. 3, S. 16; Langenbucher, ZahlungsV, § 1, Rn. 129; Schimansky, BankR- Hdb., § 49,
Rn. 48, 48a; Schütz, AcP 160 (1961), 17, 28.
99
Kümpel, Bankrecht, Rn. 4.337.
94
- 17 einem Konto der Empfängerbank gutgeschrieben wurde.100 Die
Empfängerbank schuldet somit die unbedingte und schnelle Herausgabe des Gegenwertes durch Erteilung einer entsprechenden
Kontogutschrift.101
Diese Ansicht übersieht jedoch, das die Vorverlegung des Erfüllungszeitpunktes dem Gläubiger gerade nicht die geforderte bargeldgleiche Verfügungsmöglichkeit gibt. An dieser Wertung ändern
auch die neuen gesetzlichen Regelungen nichts. Sie manifestieren
geradezu die bisher vorherrschende Auffassung, dass erst die
Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers zur Erfüllung führt.
So regelt § 676g I 2 die Folgen einer nicht fristgemäßen Kontogutschrift - nämlich die Zahlung von Zinsen für die Dauer der Verspätung. Dies belegt eindeutig, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit einer verspäteten Kontogutschrift gerechnet hat. Auch die in §
676g I 4 getroffene Regelung über die Vorverlegung der Wertstellung auf den Tag des Geldeingangs beim Kreditinstitut ändert daran
nichts, spielt doch das Datum der Wertstellung nach
allgemeiner Auffassung keine Rolle für den Erfüllungszeitpunkt.
Entscheidend ist also, dass bei einer verspäteten Gutschrift der
Kunde während des Zeitraumes der Verspätung diverse Ansprüche
gegen seine Bank hat – nur das Geld bekommt er nicht ausgezahlt.
In genau diesem Moment nützt ihm der Anspruch gar nichts. Es
zeigt sich der Unterschied zwischen seinem Anspruch auf Gutschrift des Betrages und dem Anspruch auf Auszahlung aus der
Gutschrift.
Auch das Abstellen auf die (angeblich) veränderte Widerrufsmöglichkeit des Überweisenden102 ist kein Argument für diese Ansicht.
Zunächst ändert es nichts an der eben geschilderten Situation,
dass der Kunde einen – jetzt unwiderruflichen – Anspruch auf Gutschrift hat, das Geld wegen eines Fehlers seiner Bank aber tatsächlich nicht ausgezahlt bekommt.
Weiterhin stellt die „neue“ gesetzliche Regelung der Widerrufsmöglichkeit durch den Überweisenden gar keine wirkliche Neue100
101
Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. 1, S. 20.
Kümpel, Bankrecht, Rn. 4.339.
- 18 rung dar. Sie passt lediglich die Rechtslage an die tatsächlichen
Gegebenheiten des Überweisungsverkehrs an und sorgt so für
Rechtssicherheit sowohl auf Gläubiger- als auch auf Schuldnerseite. Die automatisierte Abwicklung des Überweisungsverkehrs wurde in den letzten Jahren immer besser, schneller und zuverlässiger. Die Nutzung von „Online- Banking“ nahm erheblich zu. Die
Datensätze der Überweisungen wurden durch die zunehmende
Vernetzung immer häufiger ausgetauscht. Eine Verarbeitung nur
einmal am Tag bzw. über Nacht oder in gesammelten Datensätzen
(sog. „Stapelverfahren“) sind seit einigen Jahren nicht mehr denkbar. Der Kunde erwartet eine unverzügliche Abwicklung. Diese
immer schnellere Abwicklung der Zahlungen führte dazu, dass
zwischen dem Eingang der Zahlung bei der Empfängerbank und
Gutschrift auf dem Kundenkonto immer weniger Zeit verging. Nach
Eingang bei der Empfängerbank wurde der entsprechende Datensatz sofort automatisiert weiterverarbeitet. Ein in der Zwischenzeit
erfolgender Überweisungsrückruf konnte schon aufgrund der technischen Gegebenheiten gar nicht mehr berücksichtigt werden,
auch wenn der Überweisende u.U. einen Anspruch darauf gehabt
hätte. Dem trägt die neue gesetzliche Regelung Rechnung, insbesondere durch den ausdrücklichen Verweis auf die automatisierten
Zahlungsverkehrssysteme (§ 676a IV 2).
d) Sonderfälle
Aus der Sicht des Überweisungsempfängers103 muss die Leistung
sich einem bestimmten Schuldverhältnis zuordnen lassen.104
Lässt sich die zu tilgende Verbindlichkeit und die Identität des Zahlenden vom Gläubiger nicht feststellen, tritt keine Erfüllungswirkung
ein. Die Bestimmung der Verbindlichkeit kann durch entsprechende
Angaben zum „Verwendungszweck“ auf dem Überweisungsformular105 oder „online“ im entsprechenden Feld erfolgen. Jedoch liegt
genau hier das praktische Problem: die entsprechenden Angaben
werden beim Ausfüllen des Überweisungsträgers häufig vergessen. Daraus ergeben sich oftmals dann Probleme, wenn es sich
um die Zahlung einer Versicherungsprämie ohne Angabe der Ver102
Kümpel, Bankrecht, Rn. 4.339.
BGH WM 1992, 1432, 1434.
104
BGHZ 51, 157, 160; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 352.
105
BGHZ 106, 163, 166.
103
- 19 sicherungsnummer handelt. Würde man hier ohne weiteres Nichterfüllung annehmen, entfiele auch der Versicherungsschutz. Dies
kann daher nur dann angenommen werden, wenn der Überweisende von der Nichterfüllung Kenntnis erlangt. Kann die Versicherung, z.B. durch Rückfrage bei der Bank, den Auftraggeber feststellen, hat sie die Möglichkeit, diesen wegen der Konkretisierung der
Tilgungsbestimmung direkt anzusprechen. Kann sie die Zahlung
nicht zuordnen, muss sie den Betrag an den Auftraggeber zurück
überweisen. Behält sie indes das Geld über einen längeren Zeitraum, ohne Nachforschungen anzustellen oder den Überweisenden zu informieren, muss sie die Zahlung als Erfüllung gegen sich
gelten lassen.106
4. Gefahrtragung bei der Zahlung durch Überweisung
a) Rechtzeitigkeit der Zahlung (Verzögerungsgefahr)
Vom Zeitpunkt der Erfüllung ist die Rechtzeitigkeit der Zahlung zu
unterscheiden.107 Leistet der Schuldner nicht rechtzeitig, kommt er
gem. § 286 I durch Mahnung des Gläubigers bzw. gem. § 286 I, II
ohne Mahnung in Verzug. Bei der Frage nach der Rechtzeitigkeit
der Leistung steht nicht der Leistungserfolg, sondern die Leistungshandlung im Vordergrund.108 Da der Leistungsort gem. §
270 IV i.V.m § 269 I der Wohnsitz des Schuldners ist, muss dieser
alles, was seinerseits zur Erfüllung erforderlich ist, vor Ablauf der
Zahlungsfrist an seinem Wohnsitz getan haben.109 Es genügt also,
dass der Schuldner das Geld rechtzeitig absendet, vorausgesetzt
der Betrag geht dann tatsächlich beim Gläubiger ein.110 Dies gilt
sowohl für den Eintritt des Verzugs wie auch für dessen Beendigung.111
Die Verzögerungsgefahr liegt im Überweisungsverkehr somit beim
Empfänger. Die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Zahlung beantwortet sich allein nach der Absendung der Überweisung. Daher ist
zu klären, was unter der Absendung zu verstehen ist.
106
OLG Hamm, NJW- RR 1987, 1241, 1243.
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 49.
108
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 370.
109
BGH NJW 1964, 499; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 370.
110
BGHZ 44, 178, 179f.
111
LG Frankfurt/M. WM 1994, 790.
107
- 20 (1) Haus- und Filialüberweisung
Bei der Hausüberweisung entsteht der Anspruch des Gläubigers
auf Gutschrift gleichzeitig mit der Belastung des Schuldnerkontos.
Das ist bereits mehr, als gem. § 270 I zu verlangen ist.112 Daher
genügt der rechtzeitige Eingang des Überweisungsauftrages bei
der beauftragten Bank, wenn eine ausreichende Kontodeckung
bzw. Kreditlinie vorhanden ist.113
Wegen des Grundsatzes der Unternehmenseinheit gilt gleiches
auch für die Filialüberweisung. Schon aus den eben genannten
Gründen ist die - teilweise verlangte114 - Belastung des Schuldnerkontos nicht notwendig.115 Geradezu unverständlich ist, warum
über die Belastung hinaus noch die Absendung des Überweisungsauftrages an die kontoführende Zweigstelle des Empfängers
gefordert wird.116 Der Schuldner hat bereits mit der Abgabe des
Überweisungsauftrages bei vorhandener Kontodeckung alles erforderliche getan. Die Gegenansicht würde von ihm weitergehende
Pflichten auferlegen, auf deren Erfüllung er keinen Einfluss nehmen
kann. Zwar ist dieser Ansicht zuzugeben, dass der Schuldner sich
aufgrund des zwischen ihm und seiner Bank bestehenden Vertragsverhältnisses in tatsächlicher Hinsicht „näher“ an seiner Bank
befindet, das Risiko zu diesem Zeitpunkt demnach eher seiner
„Sphäre“ zuzuordnen wäre. Doch steht dem die Wertung der §§
269, 270 entgegen, die den Übergang der Gefahr auf den Gläubiger
nicht an die Zuordnung des Risikos, sondern ausschließlich an die
Vornahme der Leistungshandlung durch den Schuldner knüpfen.
Da der Schuldner keinen Einfluss mehr auf den Überweisungsvorgang hat, die Bank aber nicht selbst Schuldner ist, kann eine weitere Handlung vom Schuldner nicht gefordert werden.
112
BGH WM 1964, 113; Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 50.
OLG Celle, MDR 1969, 1007; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B
376; Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 50; Staudinger/K.Schmidt,
Vor § 244, Rn. C 26.
114
Canaris, BankvertragsR, Rn. 481; Staudinger/K.Schmidt, Vor § 244, Rn.
C 26.
115
OLG Celle, MDR 1969, 1007.
116
Canaris, BankvertragsR, Rn. 481; Staudinger/K.Schmidt, Vor § 244,
Rn. C 26.
113
- 21 (2) Außerbetriebliche Überweisung
Auch bei der überbetrieblichen Überweisung stellt sich die Frage,
wann die Absendung des Betrages erfolgt ist.
Überwiegend wird auch hier verlangt, dass der Überweisungsauftrag der Schuldnerbank rechtzeitig vorliegt, ausreichende Deckung
vorhanden ist und der Betrag dem Gläubiger später tatsächlich
gutgeschrieben wird.117
Die am weitesten gehende Meinung verlangt darüber hinaus, dass
der Schuldner den Überweisungsauftrag so rechtzeitig erteilt, dass
mit der Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift spätestens
zum Fälligkeitszeitpunkt zu rechnen ist.118 Diese Ansicht überzeugt unter mehreren Gesichtspunkten nicht.
Zunächst kann eine für Gläubiger und Schuldner nachvollziehbare
zeitliche Abgrenzung nicht danach getroffen werden, wann die Vertragsparteien mit der „Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift rechnen“. Es kann insbesondere nicht vom Schuldner verlangt werden, sich vor Erteilung eines Überweisungsauftrages mit
gesetzlichen Regelungen, Bankenabkommen und bankinternen
Arbeitsabläufen auseinander zu setzen, nur um eine Prognose
über die Laufzeit der Überweisung zu treffen. Die Fristenregelung
der neu eingeführten §§ 676a II 2 und 676g I 1 (die Canaris 119 aber
noch nicht kannte) schafft hier zwar einen Anhaltspunkt, legt indes
jedoch nur eine maximale Frist fest. Hier ist es wohl auch nicht
interessengerecht zu sagen, dass der Schuldner immer mit der
maximalen Frist rechnen muss- zumal er diese im Zweifel gar
nicht kennt.
Doch selbst wenn man diese „Maximalfristen“ zugrunde legt, würde dieser „rechnerische Zeitpunkt“ mit dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift zusammenfallen oder sogar später liegen. Dann ist jedoch auch schon Erfüllung eingetreten.120 Damit würde sich der Erfüllungsort entgegen der ausdrück-
117
OLG Celle, MDR 1969, 1007; BFH NJW 86, 2968; Jauernig- BGB, Vollkommer, § 270, Rn. 7; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 379;
Schimansky, BankR- Hdb. , § 49, Rn. 52.
118
Canaris, BankvertragsR, Rn. 480.
119
Canaris, BankvertragsR
120
Canaris, BankvertragsR, Rn. 476.
- 22 lichen Regelung des § 269 I auf den Wohnort des Gläubigers verlagern. Erfüllung wäre zu diesem Zeitpunkt nur dann noch nicht
eingetreten, wenn die Gläubigerbank entgegen ihrer gesetzlichen
Pflichten die Gutschrift verspätet vornimmt. Dieses Abweichen der
Bank von ihren Pflichten kann indes nicht dem Schuldner angelastet werden. Ab dem Zeitpunkt der Abgabe des Überweisungsauftrages (ausreichende Deckung vorausgesetzt) soll die Bank nach
der gesetzlichen Wertung der §§ 676b I 1, 676g I 1das Verspätungsrisiko tragen. Daraus ergibt sich auch, dass die Bank entgegen der von Canaris vertretenen Meinung nicht Erfüllungsgehilfe
des Schuldners ist.121 Unklar – und deshalb für eine praktikable
Abgrenzung ungeeignet – ist auch, nach welchen Kriterien „besonders gravierende Verspätungsfolgen“122 von „normalen“ Verspätungsfolgen abgegrenzt werden sollen und vor allen Dingen, auf
welcher gesetzlichen Grundlage diese Abgrenzung vorgenommen
werden soll.
Aus vorgenannten Gründen ergibt sich gleichzeitig, dass es auch
auf die Weitergabe des Überweisungsauftrages durch die erstbeauftragte Bank (wiederum als Erfüllungsgehilfe des Schuldners)
nicht ankommen kann.123 Ebenso erscheint eine einheitliche Behandlung von inner- und außerbetrieblicher Überweisung unter
Erwägungen der Rechtssicherheit geboten.124
b) Verlustgefahr
Wie bereits festgestellt, tritt Erfüllung der vereinbarten bargeldlosen
Zahlung erst mit der Gutschrift auf dem Gläubigerkonto ein. Der
Schuldner trägt somit das Risiko, dass trotz einer Belastung seines Kontos mit dem Überweisungsbetrag die Gutschrift beim
Gläubiger ausbleibt.125 Dies ergibt sich aus der Bestimmung des §
270 I, der als Zahlungsort den Wohnsitz des Gläubigers festlegt.
Damit würde der Schuldner auch das Risiko der Insolvenz der
Gläubigerbank tragen. Wie bereits festgestellt (und in der Literatur
121
Canaris, BankvertragsR, Rn. 481.
Canaris, BankvertragsR, Rn. 480a.
123
So aber Gernhuber, Erfüllung, § 2 VII 4b; Staudinger/K.Schmidt, Vor §
244, Rn. C 26.
124
So auch MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 381; Schimansky,
BankR- Hdb., § 49, Rn. 51.
122
- 23 anerkannt), ist dieses Risiko praktisch wenig relevant. Es kann an
dieser Stelle jedoch nicht gänzlich unbeachtet bleiben126, da dieses
Risiko insbesondere bei kleineren Banken und größeren Kontoguthaben (§ 4 II EAEG begrenzt den Entschädigungsanspruch auf 20
TEU) auch weiterhin existiert.
Nicht vollkommen überzeugend ist in dieser Hinsicht das Argument, dass der Gläubiger sein Kreditinstitut selbst auswähle und
bereits deshalb einen Teil der Verantwortung am Geldverlust durch
Zahlungsunfähigkeit auf ich nehme.127 Gerade die von Münch128
für diese Ansicht vorgebrachten Argumente sprechen bei näherer
Betrachtung dagegen. So rechnet der durchschnittliche Privatkunde als „bankenrechtlicher Laie“ nicht mit dem Risiko einer Insolvenz seiner Bank.
Ein solches Image haben sich die deutschen Banken bewusst und
erfolgreich aufgebaut. Alles musste edel und großzügig ausgestattet sein, um dem Kunden das Gefühl zu geben, dass er sich der
Rückzahlung seiner Einlagen sicher sein könne. Der Ursprung für
diese Entwicklung, die in einzelnen Bereichen wie dem „Private
Banking“ noch heute anhält, liegt im bis 1967 in Deutschland geltenden Zinsabkommen. Da es bestimmte Höchstzinssätze für Einlagen und Kredite festlegte, konnten die Kreditinstitute nur durch
eine Vielzahl von Filialen und dieses „Sicherheitsgefühl“ entsprechende Marktanteile sammeln.
Der „normale“ Kunde denkt nicht über Insolvenzrisiken, Eigenkapitalquote und Bankenaufsicht nach, wenn er ein Konto eröffnet. Das
gesamte Bankensystem ist auch heute noch darauf ausgerichtet,
ihm dieses Sicherheitsgefühl zu geben.
Daher muss die grundsätzliche Überlegung gelten, dass bei der
außerbetrieblichen Überweisung auf beiden Seiten Kreditinstitute
stehen und die Vertragspartner des Valutaverhältnisses auf die
vom anderen Teil getroffene Auswahl des Kreditinstituts keinen
Einfluss haben.
125
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 364.
So auch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 303.
127
Isele, AcP 129 (1928), 129, 160; Münch, Giralgeld, S. 202.
128
Münch, Giralgeld, S. 203.
126
- 24 Der Schuldner trägt damit zunächst das Insolvenzrisiko seiner
Bank. Es wäre unangemessen, ihn zusätzlich auch noch das auf
Seiten des Gläubigers begründete Insolvenzrisiko der Bank tragen
zu lassen. Jedoch sollte hier nicht auf die Wahl der Bank bei der
Kontoeröffnung abgestellt werden.
Vielmehr weiß jeder Gläubiger, wenn er nicht sofort Bargeld bekommt, dass bei der Übermittlung des Geldes „irgend etwas“ passieren kann. Dieses Bewusstsein der – obgleich geringen – Verlustgefahr ist bei der Erteilung des Einverständnisses mit der
Ü-
berweisung vorhanden und erstreckt sich damit konkludent auch
auf die Tragung dieses Risikos. Um auch Distanzgeschäfte durchführen zu können, bei denen eine Barzahlung ausscheidet, kalkuliert der Gläubiger ganz bewusst ein solches Verlustrisiko ein, um
überhaupt das Geschäft zu machen. Daher ist es sachgerecht,
wenn er dieses Risiko trägt.
Das Insolvenzrisiko geht demnach zu dem Zeitpunkt auf den Gläubiger über, wenn die Gutschrift bei der Empfängerbank eingeht. Ab
diesem Zeitpunkt kann der Schuldner auch keinerlei Einfluss mehr
auf den Verlauf der Zahlung nehmen. Schreibt die Bank nun entgegen ihrer vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtung den Betrag
nicht unmittelbar auf dem Konto des Gläubigers gut und fällt währenddessen in Insolvenz, ist dies keine Frage der Verlustgefahr,
sondern ein Verzug der Empfängerbank gegenüber ihrem Kunden.
Dies stellt somit eine Pflichtverletzung gegenüber dem Gläubiger
dar und kann daher nicht dem Schuldner zur Last fallen.
Jedoch ist der Zeitpunkt der Erfüllung unabhängig davon zu betrachten. So geht die Gefahr nicht deshalb bei Eingang des Betrages bei der Empfängerbank auf den Gläubiger über, weil schon
Erfüllung eingetreten ist. Es geht hier nicht um die Frage, wann der
„Zahlungsvorgang seinen bestimmungsgemäßen Abschluss gefunden hat“129, sondern um die Risikoverteilung noch während der
Transaktion.
Anders verhält es sich dagegen bei der Haus- oder Filialüberweisung. Hier sind Schuldner- und Gläubigerbank gleich, so dass keine Notwendigkeit für eine „Verteilung“ des Risikos besteht. Wie
- 25 gesehen trägt der Schuldner bei der überbetrieblichen Überweisung das Insolvenzrisiko seiner Bank. So bleibt es auch hier, nur
dass der Gläubiger sein Konto bei der gleichen Bank hat und daher
kein Insolvenzrisiko trägt.
In der älteren Literatur spielte häufig auch die Frage eine Rolle, zu
wessen Lasten ein Verlust durch eine inflationsbedingte Geldentwertung während der Laufzeit der Überweisung geht.130 Wie bereits angeführt, spielt dieses Risiko aktuell keine Rolle mehr.
IV. Besondere Fallgruppen
1. Zurückweisungsrecht des Empfängers
Diskutiert wird, ob der Überweisungsempfänger eine ihm erteilte
Gutschrift unter bestimmten Voraussetzungen zurückweisen kann.
Grundsätzlich kann ein solches Zurückweisungsrecht nicht angenommen werden, wenn der Empfänger sein Einverständnis mit der
bargeldlosen Zahlung erklärt hat. Er muss dann die Gutschrift auf
seinem Konto als Erfüllung gegen sich gelten lassen, und zwar
„unabhängig davon, ob sie ihm willkommen ist“.131 Das erscheint
auf den ersten Blick nicht problematisch, ergeben sich doch durch
eine Gutschrift für den Empfänger in aller Regel nur Vorteile.
Doch kann die Sache in bestimmten Fällen anders liegen, insbesondere wenn Mängel im Valutaverhältnis mit einem debitorischen
Kontostand oder einer Kontopfändung zusammentreffen.132
a) Bei Fehlüberweisung
Überwiegend wird ein Zurückweisungsrecht des Empfängers bei
einer Fehlüberweisung angenommen, da in diesem Fall zwischen
Überweisendem und Empfänger keine zu tilgende Geldforderung,
also kein Valutaverhältnis, besteht.133 Dies kann z.B. bei Nichtigkeit
des zugrunde liegenden Vertrages wegen arglistiger Täuschung
oder bei einer irrtümlichen Überweisung der Fall sein. Erhält in einem solchen Fall der Empfänger ohne Rechtsgrund einen Betrag
129
Langenbucher, Zahlungsverkehr, § 1, Rn. 129.
Meyer- Cording, § 23 III, S. 131-134.
131
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 242.
132
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 241.
133
BGHZ 128, 135, 137f.; Canaris, BankvertragsR, Rn. 429; Häuser, WM
Festgabe Hellner 1994, S. 10.
130
- 26 gutgeschrieben, hat der Überweisende gegen ihn einen Ausgleichsanspruch gem. § 812 I 1. Der Bereicherungsausgleich findet
nunmehr nur zwischen Überweisendem und Überweisungsempfänger statt, die Bank bleibt davon völlig unberührt.134 Solange der
Empfänger der Fehlüberweisung ein ausreichendes Kontoguthaben unterhält, kann er unproblematisch eine Rücküberweisung
vornehmen, indem er seiner Bank einen entsprechenden Überweisungsauftrag erteilt. Steht das Konto jedoch im Debet, muss die
Bank den Auftrag nicht ausführen.135 Damit käme die Überweisung
in erster Linie der Empfängerbank zugute: Das Debet auf seinem
Konto verringert sich, dadurch erlangt er Befreiung von seinen Verbindlichkeiten. Der Bereicherungsanspruch des Überweisenden
gegen den Empfänger bliebe bestehen, ist aber wegen des debitorischen Kontos möglicherweise nicht durchsetzbar. Jedenfalls
kann ihn der Empfänger bei einer bestehenden Verrechnungsmöglichkeit für seine Bank nicht aus dem falsch überwiesenen Betrag
erfüllen.136 Das Gleiche gilt, wenn der auf einem kreditorisch geführten Empfängerkonto eingehende Betrag von einem anderen
Gläubiger gepfändet wird.137
In diesem Ausnahmefall hat der BGH dem Überweisungsempfänger ein Zurückweisungsrecht zugebilligt.138 Nur durch die Zurückweisung der Gutschrift kann der „Empfänger“ eine Verrechnung mit
einem Debet oder eine Pfändung des Betrages verhindern. Auch in
der Literatur wird das Zurückweisungsrecht als interessengerechte
Lösung gebilligt, da ein Recht der Bank zur Gutschrift nur für solche Geldeingänge besteht, die auch für den Kunden bestimmt
sind.139
b) Bei „aufgedrängter“ Gutschrift
Überweist der Schuldner bei bestehendem Valutaverhältnis den
Betrag einer Geldschuld an den Gläubiger, obwohl eine Überweisungsabrede140 fehlt oder überweist er auf ein vom Gläubiger nicht
134
BGHZ 128, 135, 137; Canaris, BankvertragsR, Rn. 429; MüKo- HGB,
Häuser, ZahlungsV, Rn. B 324.
135
BGHZ 93, 315, 324.
136
BGHZ 128, 135, 138.
137
BGH WM 1997, 1324.
138
BGH WM 1989, 1560, 1561; BGHZ 128, 135, 137f.
139
Schimansky, BankR- Hdb., § 47, Rn. 12.
140
S.oben B III 2.
- 27 angegebenes Konto, tritt durch die Gutschrift des Betrages keine
Erfüllung ein.141 Damit hat der Überweisende gegen den Empfänger wiederum einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 I 1, da er ohne Rechtsgrund geleistet hat. Der
Schuldner könnte nun diese Forderung gegen die Forderung des
Gläubigers aus dem Grundverhältnis (die der Schuldner ja gerade
mit dieser Zahlung begleichen wollte) gem. § 387 aufrechnen, so
dass beide Forderungen gem. § 389 erloschen wären. Damit würde der Schuldner dem Gläubiger die Gutschrift auf das ohne Vereinbarung gewählte Konto „aufdrängen“ können. Der Gläubiger
möchte dies jedoch, z.B. wegen eines Debet- Saldos oder einer
Kontopfändung nicht hinnehmen, da er in diesem Fall nicht frei
über den Betrag verfügen kann. Es fragt sich daher, ob er auch in
dieser Situation ein Zurückweisungsrecht gegenüber seiner Bank
ausüben kann.
Dies hat der BGH mit Blick auf das in diesem Fall tatsächlich bestehende Valutaverhältnis abgelehnt, da der Betrag dem Empfänger in diesem Fall materiell zusteht.142 Der BGH will einen Ausgleich nur im Valutaverhältnis annehmen, lässt aber offen, ob der
Überweisende eine Aufrechnungsmöglichkeit mit der zu tilgenden
Geldschuld hat.143 Er stellt darauf ab, dass der Begünstigte aus
eigener Entschließung durch Abschluss des Girovertrages sein
Einverständnis mit der Entgegennahme aller für ihn bestimmten
Zahlungen durch seine Bank erklärt hat. Es sei weder mit den
Rechten und Pflichten der Bank aus dem Girovertrag, noch mit der
Interessenlage vereinbar, dass der Kunde eine solche Zahlung zurückweisen können soll, da die Bank weder Kenntnis vom Inhalt
des Valutaverhältnisses habe noch diese haben muss.144
Diese Argumentation ist überaus widersprüchlich. Der BGH hat
mehrfach betont, dass die bargeldlose Zahlung nur dann Erfüllung
bewirkt, wenn der Gläubiger sein Einverständnis erklärt hat. Dieses
Einverständnis könne jedoch nicht allein darin gesehen werden,
dass er ein Konto eröffnet.145 Damit wandte sich der BGH – nach
141
BGHZ 128, 135, 137; OLG Hamm, NJW 1988, 2115.
BGHZ 128, 135, 138.
143
BGHZ 128, 135, 138; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 256.
144
BGHZ 128, 135, 138f.
145
RGZ 134, 7, 76; BGH NJW 1953, 897; BGHZ 98, 24, 30.
142
- 28 der hier vertretenen Ansicht mit durchaus gewichtigen Gründen –
gegen die Auffassung, die wegen der allgemeinen Verbreitung von
Girokonten schon die Eröffnung eines Girokontos als Einverständnis genügen lassen wollte146, was in Praxi einen Verzicht auf das
Einverständnis des Gläubigers dargestellt hätte.147
Gleichzeitig hatte der BGH die Aufrechnung mit dem Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung zuvor bereits zugelassen.148
Dies würde dazu führen, dass der Schuldner dem Gläubiger die
Gutschrift auch auf ein dem Gläubiger unerwünschtes Konto „aufdrängen“ kann. Auch der Vorschlag, eine Aufrechnung in diesem
Fall nicht zuzulassen149, überzeugt nicht. Die Voraussetzungen
der Aufrechnung liegen gem. § 387 vor, auch Aufrechnungsverbote
greifen hier nicht. Demnach käme nur eine „Korrektur“ gem. § 242
in Frage.
Die Gegenansicht befürwortet daher zutreffend ein Zurückweisungsrecht des Gläubigers in diesen Fällen, so dass der Überweisende keinen Bereicherungsanspruch hat, mit dem er ggf. aufrechnen könnte.150 Ein anderes Ergebnis läuft zudem der Wertung
des § 818 III zuwider. Derjenige, der das überwiesene Geld einfach
ausgegeben hat, könnte sich auf Entreicherung berufen; derjenige,
der über das Geld gar nicht tatsächlich verfügen konnte soll diese
Möglichkeit nicht haben.
2. Überweisung auf ein falsches Konto
a) Schuldner verwendet die falsche Kontonummer
Verwendet der Schuldner eine falsche Kontonummer, z.B. aufgrund einer Verwechslung oder eines Schreibfehlers, und liegt der
Fehler beim Schuldner, tritt keine Erfüllung ein, da der Gläubiger
keine Gutschrift erhält. Gegenüber dem tatsächlichen Empfänger
des Geldes hätte der Überweisende einen Bereicherungsanspruch, da er rechtsgrundlos geleitstet hat.
146
Von Caemmerer, JZ 1953, 446, 447.
Gernhuber, Erfüllung, § 11 I, 2, S. 203.
148
BGH WM 1985, 826.
149
MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 330.
150
Canaris, BankvertragsR, Rn. 336; Häuser, WM Festgabe Hellner 1994,
10, 15.
147
- 29 Hat der Überweisende auf das Konto eines „Unbeteiligten“ überwiesen, kann dieser ggf. die Überweisung zurückweisen.151 Hat er
auf ein Konto des Gläubigers überwiesen, welches nicht zur Zahlung offen stand, sollte ihm nach der hier vertretenen Auffassung
ebenfalls ein Zurückweisungsrecht zustehen.152
b) Gläubiger teilt die falsche Kontonummer mit
Leistet der Schuldner auf ein ihm vom Gläubiger falsch mitgeteiltes
oder nicht mehr bestehendes Konto, wird er dennoch frei und
muss nicht noch einmal leisten.153
Die falsche Angabe des Kontos erzeugt in Analogie zu §§ 170ff.
einen Rechtsschein, den der Gläubiger in zurechenbarer Weise
durch die Mitteilung der falschen Kontonummer geschaffen hat.
Der Schuldner wird demnach, sofern er nicht bösgläubig war, von
seiner Schuld befreit. Dies gilt selbst dann, wenn der Inhaber des
angegebenen Kontos ein Dritter ist und der Name des Kontoinhabers nicht mit dem auf der Überweisung angegebenen Namen
übereinstimmt.154
Zum gleichen Ergebnis kommt eine andere Ansicht über eine analoge Anwendung des § 270 III bzw. über die Annahme eines sich
aus § 270 III ergebenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes.155 Danach soll der Gläubiger die Verlustgefahr tragen, da das Risiko von
ihm verursacht wurde und somit „aus seiner Sphäre stammt“156.
Nach einer dritten Ansicht tritt zwar keine Erfüllung ein, der Gläubiger muss aber für den Schaden der Fehlleitung einstehen.157 Danach soll jedoch nicht ausschließlich der Empfänger das Verlustrisiko tragen, sondern eine „mitwirkende Verursachung“ durch den
Schuldner berücksichtigt werden. Ein Mitverschulden käme schon
dann in Betracht, wenn bei der Wahl der elektronischen Daten-
151
S.oben B IV 1 a.
S.oben B IV 1 b; a.A.: BGHZ 128, 135, 138.
153
OLG Köln, NJW 1990, 2261, 2261; FG Baden- Württemberg, WM 1984,
962; Canaris, BankvertragsR, Rn. 485, Weber/Gößmann, Zahlungsverkehr, S. 25.
154
FG Baden- Württemberg, WM 1984, 962, 963; Canaris, BankvertragsR,
Rn. 485; Weber, Zahlungsverkehr, S. 25.
155
BFH WM 1988, 252, 253; MüKo- HGB, Häuser, ZahlungsV, Rn. B 368;
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 46.
156
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 46.
157
Heymann/Horn,HGB, Anh § 372 III Rn. 38.
152
- 30 übermittlung kein Abgleich des Empfängernamens mit der Kontonummer erfolgt.158 Damit würde jedoch das im Inkassoverhältnis
zwischen dem Gläubiger und seiner Bank begründete Risiko (die
Bank hat die Verpflichtung zum Namensabgleich aus dem Girovertrag159) in unzulässiger Weise auf den Schuldner abgewälzt. Diese
Auffassung überzeugt daher nicht.
C. Schluss
Natürlich ist die enorme wirtschaftliche Bedeutung der bargeldlosen Zahlung eine Tatsache, die für eine Gleichstellung mit der Barzahlung spricht. Nur kann eine solche Gleichstellung nicht durch
„Verbiegen“ des Gesetzes hergestellt werden. In den verschiedenen zur bargeldlosen Zahlung einer Geldschuld vertretenen Auffassungen zeigt sich, dass die gesamte Konzeption des BGB auf die
Barzahlung ausgerichtet ist. Jeder Versuch der Gleichstellung der
bargeldlosen Zahlung wirft immer neue Fragen und Probleme auf,
die nur durch allgemeine Überlegungen und Grundsätze, jedoch
nicht durch Anwendung des Gesetzes befriedigend gelöst werden
können. Die „Auslegung“ der gesetzlichen Regelungen geht dabei
teilweise so weit, dass die Rechtssicherheit nicht mehr gewährleistet ist.
Dabei sind die teilweise heftig diskutierten Probleme praktisch oftmals kaum relevant. So bezeichnet Schimansky160 die Diskussion
über die Erfüllung überaus treffend als nur „dogmatisch sehr ergiebig“.
Daher ist die Tendenz in der Rechtsprechung durchaus begrüßenswert, die unter Zugrundelegung der aktuellen Gesetzeslage
den Regelfall der Barzahlung beibehält, an eine Parteivereinbarung
zur Bezahlung per Überweisung aber sehr geringe Anforderungen
stellt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der gesetzliche Regelfall, schon historisch bedingt, die Barzahlung ist.
Es gibt viele begrüßenswerte Vorschläge, wie z.B. die generelle
Ausgestaltung der Geldschuld als Bringschuld. Wollte man eine
158
Heymann/Horn, HGB, Anh § 372 III Rn. 38.
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 41.
160
Schimansky, BankR- Hdb., § 49, Rn. 45.
159
- 31 solche Änderung erreichen, müsste jedoch der Gesetzgeber tätig
werden. Die Grenzen der Auslegung der bestehenden Normen sind
meines Erachtens erschöpft.