BystronicWorld 2/2015
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BystronicWorld 2/2015
Das Magazin über Schneiden und Biegen 2/15 Border Engineering, UK: Biegen im Namen des Gesetzes MSL, Schweiz: Extreme Dünnblechschneider Fokus 3D-Schneiden: Die dritte Dimension im Wasserstrahlschneiden Innovation: Was kann die kleine Abkantpresse Xpert 40? Swisco, Kanada: Die Geschichte zweier Schweizer Auswanderer 6 14 22 32 EDITORIAL Auf einen Blick 4 Kurznachrichten Ereignisse aus der Welt von Bystronic 6 Border Engineering, UK Ein Job-Shop produziert Metallteile für britische Polizeiwagen 14 MSL, Schweiz Der Schlosshersteller bewegt sich am Limit des Möglichen 22 Fokus 3D-Schneiden Mit der ByJet Flex verbindet Bystronic 2D- und 3D-Wasserstrahlschneiden 26 Innovation Die Xpert 40 ist das Schweizer Taschenmesser unter den Abkantpressen 32 Swisco, Kanada Ein ehemaliger Bystronic Mitarbeiter leitet in der kanadischen Provinz eine kleine Werkstatt Liebe Leserin, lieber Leser Es gibt tatsächlich Bystronic Kunden, die 0,3 Millimeter dünne Blechtafeln schneiden. 0,3 Millimeter – das ist kaum dicker als ein herkömmliches Blatt Papier. Derart dünnes Blech stellt den Anwender gleich vor mehrere Probleme: Das Schneidgas, das mit 10 Bar auf das Blech drückt, biegt die Platte durch. Und bei feinen Konturen erwärmt der Laserstrahl das Blech so stark, dass z wischen eng beieinanderliegenden Schnitten das Material wegschmilzt. Fast könnte man zur Einsicht gelangen, es sei unmöglich, ein 0,3-Millimeter-Blech mit einem Laser zu schneiden. Mit dieser Einsicht gibt sich der Schweizer Schlosshersteller MSL allerdings nicht zufrieden. Denn für die Türschlösser, die MSL herstellt, benötigt das Unternehmen extrem dünne und filigrane Teile. Die Lösung, die MSL gefunden hat, klingt relativ einfach: Ein Karton stützt das Blech und sorgt dafür, dass es nicht durchgebogen wird. Ausgeklügelte Schneidpläne verhindern, dass die Wärme des Lasers an den dünnen Stellen der Teile das Material wegschmilzt. Mit ein paar Tricks hat MSL die Grenzen des Möglichen verschoben. Lesen Sie die Reportage ab Seite 14. IMPRESSUM BystronicWorld – Das Magazin über Schneiden und Biegen Herausgeberin: Bystronic, Corporate Communications Industriestrasse 21, CH-3362 Niederönz Gesamtverantwortung: Jean-Pierre Neuhaus Chefredaktion: Matthias Abplanalp Beratung, Design, Redaktion und Produktion: Primafila AG, Zürich und München Auflage: 14 000 (Deutsch und Englisch) Druck: Köpfli & Partner AG, Neuenhof, Schweiz Papier: PlanoJet FSC, M-real Biberist, 120 g/m2 Auch das neuste Produkt im Portfolio von Bystronic überwindet Grenzen – und zwar wortwörtlich. Die Abkantpresse Xpert 40 ist mobil: Mit einem Gabelstapler stellen Sie die Maschine innerhalb Ihrer Werkhalle einfach dorthin, wo Sie sie gerade brauchen – heute neben die BySprint Fiber, morgen ganz woandershin. Und wie schnell und präzise Sie mit der Xpert 40 ganz nebenbei auch noch Teile biegen, lesen Sie im Innovationsbericht ab Seite 26. Oder in der Coverstory, denn dort stellen wir Ihnen den ersten Bystronic Kunden in Grossbritannien vor, der eine Xpert 40 g ekauft hat: Stirling Beer, Betriebsleiter beim Job-Shop Border Engineering, unterwegs im Auftrag der britischen Polizei. Für Abdruckrechte bitte mit Matthias Abplanalp Kontakt aufnehmen: [email protected] Für alle weiteren Belange: [email protected] Abdruck ohne Absprache nicht gestattet. Cover: Stirling Beer, Betriebsleiter Border Engineering, fotografiert von Andrea Artz Rücktitel: Rich Matheson fotografierte das Rätselbild in Taiwan. BystronicWorld 2/2015 Johan Elster Leiter Business Unit Markets 3 KURZNACHRICHTEN Bystronic präsentiert ihre Lehrberufe «Berufslehre mit Zukunft»: Unter diesem Motto hat die Bystronic Laser AG an einer Gewerbeausstellung im April im schweizerischen Herzogenbuchsee ihre Lehr berufe vorgestellt. Eine besondere Attraktion war dabei die Automationsstrasse, welche die Lernenden von Bystronic und ihrem Ausbildungspartner Althaus entwickelt und am Messestand aufgebaut hatten. «An unserem Messestand gab es Technik in Bewegung. Das hat viele neugierige Besucher angelockt», sagt Roland Wyler, Leiter Berufsbildung bei Bystronic Laser AG. Über Lehrberufe liest man oft nur: Ein Automatiker entwickelt elektrische Steuerungen. Oder: Ein Produktionsmechaniker stellt Bauteile für Maschinen her. Was das aber in der Praxis wirklich bedeutet, zeigte Bystronic mit der Automationsstrasse vor Ort. An dem Projekt waren sämtliche Lehrberufe von Bystronic und Althaus beteiligt: angefangen bei angehenden Kaufleuten über Informatiker und Anlagenbauer bis hin zu Polymechanikern und Automatikern. Die Lernenden von Bystronic und Althaus präsentieren ihre Automationsstrasse. Bystronic erweitert die Gewährleistung Kunde bezahlt 0 % 0 % 50 % 75 % 100 % 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr 100 % 75 % 50 % 25 % Gewährleistung Gutschrift Bystronic erweitert die bisherige Gewährleistung auf die BySprint Fiber mit einem neuen Gutschriftenpaket – dem Trust Pack Fiber. Im ersten Jahr ab Kauf einer BySprint Fiber übernimmt Bystronic wie bisher die volle Gewährleistung. Ab dem zweiten Jahr erhalten Kunden mit dem Trust Pack Fiber neu eine Gutschrift von 100 Prozent auf alle hochwertigen Teile der Laserquelle. Darin inbegriffen sind die Leistungsmodule, der Combiner, die Steuerung, die Arbeitsfaser und der Schneidkopf (ohne Verschleissteile wie Düse, Düsenkörper und Schutzglas). Ab dem dritten Jahr beträgt die Gutschrift auf hochwertige Teile der Laserquelle 50 Prozent. Im vierten Jahr übernimmt Bystronic schliesslich noch 25 Prozent der Kosten. Das Trust Pack Fiber ist für die BySprint Fiber in allen Leistungsstufen erhältlich. Neuer Marktchef für Asien und Australien Auf den 1. Januar hat Norbert Seo die Leitung der Marktdivision Asien und Australien übernommen. Er folgt auf Daniel Nauer. Norbert Seo verfügt über langjährige Erfahrung in Verkaufs- und Führungspositionen in der Werkzeugmaschinenindustrie. Aufgewachsen ist er in Österreich und Deutschland, heute lebt er mit seiner Familie in der koreanischen Hauptstadt Seoul. 4 BystronicWorld 2/2015 KURZNACHRICHTEN Observer: Jetzt auch für Abkantpressen Bystronic erweitert den Observer: Für Laser- und Wasserstrahlschneidanlagen hat sich das Fernüber wachungssystem bereits bewährt, nun können Bystronic Kunden den Observer auch auf Abkantpressen einsetzen. Der mobile Zugang zu Fertigungsprozessen wird für blechverarbeitende Unternehmen immer wichtiger. «Wir spüren bei unseren Kunden einen wachsenden Bedarf an integrierten Überwachungsfunktionen», erklärt Karsten Trautvetter, Produktmanager Biegen bei Bystronic. Der Observer ist eine kameragestützte Fernüber wachung, die Anwender über den Betriebszustand ihrer Anlagen und den Fortgang der Auftragsbear beitung informiert. Der Zugriff erfolgt über webfähige Endgeräte wie Notebook, Tablet und Smartphone. Der Zugriff auf den Observer erfolgt über webfähige Endgeräte wie Notebook, Tablet und Smartphone. Neue Büros für Bystronic Kanada Im November 2014 hat die kanadische Servicezentrale von Bystronic grössere Büroräume bezogen. Der neue Standort ist gegenüber den alten Räumen mehr als doppelt so gross. Dieser Schritt war dringend nötig, denn der Markt in Kanada wächst. Die neuen Büros befinden sich nach wie vor in Mississauga im Einzugsgebiet von Toronto. «In Mississauga sind wir im dicht besiedelten Osten Kanadas. 80 Pro zent unserer Kunden befinden sich hier», erklärt Verkaufsleiter Vincent Meillet. ystronic Kanada bleibt mit den neuen B Büroräumen eine reine Servicezentrale. Den Verkauf von Maschinen sowie Maschinenvorführungen für kanadische Kunden wi ckelt wie bisher Bystronic USA von ihrem Standort in Elgin im Grossraum Chicago ab. Open House in Schweden: 3D-Schneiden im Fokus Bystronic Skandinavien hat am 23. April zum Open House in ihr Democenter in Rosersberg eingeladen. Dort zeigte Bystronic bestehenden Kunden und Interessenten aus Skandinavien und den baltischen Staaten erstmals die kleine Abkantpresse Xpert 40, den Online-Dienst ByOptimizer sowie die Wasserstrahlschneidmaschine ByJet Flex mit 3D-Schneidkopf. «Mit der ByJet Flex bieten wir unseren Kunden eine hochwertige Lösung zum 3D-Schneiden», betont die Geschäftsführerin Camilla Montén. «Und die Lösung ist flexibel, denn unsere Kunden können heute eine ByJet Flex zum 2D-Schneiden kaufen und später einen oder zwei 3D-Schneidköpfe dazukaufen.» Mehr zum Thema 3D-Schneiden ab Seite 22. Am Open House vom 23. April präsentierte Bystronic Skandinavien ihren Besuchern den Online-Dienst ByOptimizer, der dank neuartiger Technologie zum Gruppieren der Teile das Blech optimal ausnutzt. BystronicWorld 2/2015 5 6 BystronicWorld 2/2015 BORDER ENGINEERING UK Stirling Beer biegt im Namen des Gesetzes Border Engineering im südenglischen Luton produziert Blechteile für Polizeiwagen. Dank einer Xpert 40 und einer Xpert 100 biegen die Maschinenbediener die Teile schnell und präzise. Dank BySoft 7 muss der Programmierer keine Kartonmodelle mehr verwenden. Text: Dan Whitaker Fotos: Andrea Artz E s ist eine ruhige Nacht im Stadtzentrum von Luton, als plötzlich eine Sirene aufheult. Blaulicht spiegelt sich in den Pfützen am Strassenrand. Ein weiss-gelb-blau gespritzter Polizeiwagen beschleunigt und manövriert das von ihm verfolgte Fahrzeug aus. Kurz darauf ist der Straftäter gefasst. Vieles muss zusammenpassen, damit eine solche Aktion erfolgreich ist: Einzelne Zeugen des Ge schehens reden von der Professionalität des Fahrers. Andere wiederum von seinem Wagen, natürlich ein Vauxhall, denn hier in Luton nördlich von London steht die riesige Fabrik, die alle britischen Vauxhall-Wagen produziert. Fast unbemerkt hingegen bleiben zwei weitere Firmen: Erstens die Spezialisten vom Millbrook Proving Ground in der Nähe, die den Vauxhall für Polizeiz wecke umgebaut haben. Und zweitens die Firma Border Engineering Ltd, die Millbrook die dazu notwendigen Metallteile liefert. Betriebsleiter Stirling Beer, ein Mann aus der Gegend, Mitte 30 und voller Energie, sitzt in seinem neuen Büro auf dem Industriegelände von Border Engineering in Moreton Park. Er bemüht BystronicWorld 2/2015 «Unsere beiden Abkantpressen haben das Geschäft revolutioniert. Wir können uns darauf verlassen, dass jedes Teil richtig herauskommt.» Stirling Beer, Betriebsleiter, Border Engineering sich zwar, ruhig ein paar Fragen zu beantworten. Aber es ist offensichtlich, dass er möglichst bald zurück in die Werkhalle will, wohin er eine halbe Stunde später auch entschwindet. Stolz führt er dort die soeben gelieferte Abkantpresse Xpert 40 von Bystronic vor. «Schauen Sie sich das an», sagt Stirling Beer begeistert und greift nach einem Stapel von mindestens 50 identischen 15 Zenti meter langen Edelstahlteilen. In einer guten Minute biegt er das 1 Millimeter dicke Werkstück von der zweidimensionalen in eine dreidimensionale Form. «Ein Dämpfungsblech», Links: Stirling Beer, Betriebsleiter bei Border Engineering, produziert mit Abkantpressen und Laserschneidern von Bystronic Metallteile für Polizeiwagen. 7 BORDER ENGINEERING UK Ein typischer Job-Shop: In der Werkhalle von Border Engineering entstehen Dämpfungsbleche für Polizeiwagen, Halterungen für Überwachungskameras und Metallteile fürs Badezimmer für die ausgefallensten Kunden. BORDER ENGINEERING UK Border Engineering verwendet zwei Abkantpressen von Bystronic: Maschinenbediener Steve Poulter biegt Teile auf der Xpert 100 (oben) und lernt mit Betriebsleiter Stirling Beer die Touchscreen-Steuerung der eben gelieferten Xpert 40 kennen (unten). BORDER ENGINEERING UK Der Chef zeigt, wie es geht: Betriebsleiter Stirling Beer demonstriert an einem Biegeteil die Präzision und die Geschwindigkeit der Xpert 40. 10 BystronicWorld 2/2015 BORDER ENGINEERING UK ruft er, um den Lärm in der Werkhalle zu übertönen. Er erklärt, das Teil halte den Motor kühl, wenn der Polizist seinen Wagen abrupt bremsen müsse. Border schickt die Teile zu Millbrook, wo sie in die Vauxhall-Polizeiwagen eingebaut und auf dem 285 Hektar grossen Gelände getestet werden. Ein anderer Kunde von Border – die Firma AutoUmbau – tut das Gleiche für Polizeiwagen von Hyundai, BMW und Volvo. Fast immer, wenn ein Polizeiwagen in der Region einen Fahrer zum Anhalten zwinge, sei Border Engineering indirekt beteiligt. Stirling Beer schmunzelt. Einmal 40 – einmal 100 Mit komplexen Biegeteilen hat sich Border einen Namen gemacht. Gebogen werden Kupfer, Messing, Stahl und Aluminium, und zwar bis 0,8 Millimeter dünn. Stirling Beers Worte dazu sind genau das, was ein begeisterter Bystronic Maschinenbauer Mit Hilfe von BySoft 7 und intensivem YouTube-Selbststudium hat sich Marek Bonna vom Schweisser zum Programmierer weitergebildet. Britische Polizeifahrzeuge Grossbritannien zählt 52 Polizeitruppen. Zwar versucht die Regierung geschlossene Autobahnsysteme eine Herausforderung dar. Sie zwingen immer wieder, diese zusammenzulegen, um Geld zu sparen und die die Polizeikräfte zur Zusammenarbeit. Auch wenn sie mit der italieni- Effizienz zu erhöhen. Doch wird dies regelmässig vereitelt. Insgesamt schen Staatspolizei mit ihren Ferraris und Lamborghinis nicht mithalten kauft die Polizei jedes Jahr etwa 5000 Wagen: vom 1,3-Liter-Vauxhall- können, geben britische Polizisten doch hin und wieder einen schnittigen Corsa bis zu gepanzerten Fahrzeugen der Marke Jankel – neben diversen Sportwagen in Auftrag. So erhielt die Polizei von Avon und Somerset in Booten, Hubschraubern, Motor- und Fahrrädern. diesem Jahr den ihrer Meinung nach schnellsten Polizeiwagen der Welt: Das Einzige, was die Regierung zur Effizienzsteigerung durchsetzen den Ariel Atom mit 355 PS – er beschleunigt in weniger als 2,5 Sekunden konnte, war eine Beschränkung der Zahl der Autohersteller, welche die von 0 auf 100 km/h. Polizei beliefern. Standardstreifenwagen kommen nun von Vauxhall, Viele Polizeibeamte entwickeln eine Beziehung zu ihrem Dienstwagen. Ford, Hyundai und Peugeot. Auf Autobahnen ist der BMW 530 das am Police Car UK heisst der Liebhaberverein, dem vor allem berufstätige und häufigsten eingesetzte Polizeifahrzeug, ergänzt durch Audi und Volvo. pensionierte Polizisten angehören. Ausserdem macht ein spezialisiertes Alle Polizeifahrzeuge werden aus handelsüblichen Versionen umgebaut – Unternehmen gute Geschäfte mit dem Verkauf wieder instandgesetzter meist nicht durch die Fabrik selber, sondern durch Spezialunternehmen. ehemaliger Polizeiwagen. Beispielsweise haben die Fahrzeuge in Grossbritannien ein «Run-Lock- System»: Der Motor läuft weiter, auch bei herausgezogenem Zündschlüssel. Das liefert genügend Strom für Zubehör am Ort des Geschehens. Wer einen Polizeiwagen stehlen möchte, sollte jedoch wissen: Sobald man die Handbremse löst, ohne den Zündschlüssel einzustecken, schaltet sich der Motor aus. Zu den Änderungsmöglichkeiten zählen zudem: Anpassungen für ein kraftvolleres Bremsen, Blaulicht und zusätzliche rote Rücklichter, Sirene, Halterungen für Funkgeräte und automatische Autokennzeichen erkennung, Ausstattung für das Festhalten eines Beifahrers, Möglich keit der Entfernung der Hecktür und Fenstersteuerung sowie zusätzPolizeiwagens ein Erste-Hilfe-Set, eine Laserpistole, ein Alkoholtester, Nagelstreifen, Rammbock, Taser und ein Besen (um den Tatort nach Sicherstellung von Beweismaterial sauber zurückzulassen). Die leistungsstärksten Fahrzeuge – jene der Verkehrspolizei – waren früher im Rückstand gegenüber jenen der nordeuropäischen Nachbarn, die ihre Autobahnsysteme früher ausgebaut hatten. Als Grossbritannien 1959 aufholte, besuchte ein Team von leitenden Polizeibeamten Deutschland und die Niederlande. Für ein Polizeisystem, das so frag mentiert ist wie das britische, stellen schnelle, praktisch in sich BystronicWorld 2/2015 Foto: Mauritius Images/Alamy liche Reserveräder. Weiter gehören zur Standardausstattung eines Alle britischen Polizeiwagen werden in dafür spezialisierten Unternehmen aus handelsüblichen Modellen für den Einsatz bei der Polizei umgebaut. 11 BORDER ENGINEERING UK Stirling Beer bespricht mit seinem Mitarbeiter Dawson Richards ein Metallteil: Der Betriebsleiter steht am liebsten in der Werkhalle am Ort des Geschehens. «Die Arbeit liegt nicht am Strassenrand herum. Wir müssen uns um die Aufträge bemühen. Präzision gilt heute als selbstverständlich – die Geschwindigkeit entscheidet.» Stirling Beer gern hören möchte: «Unsere beiden Abkantpressen haben das Geschäft revolutioniert. Sie sind schnell und genau. Wir können uns darauf verlassen, dass jedes Teil richtig herauskommt.» Und er fügt an: «Sie brauchen etwa ein Drittel so viel Strom wie die Maschinen der Konkurrenz. Dadurch konnten wir uns einen teuren Ausbau unserer Strom versorgung sparen.» 12 Neben der Xpert 40 – der ersten in Grossbritannien – betreibt Border eine Xpert 100 und ist dadurch flexibel. «Für grössere Arbeiten bevorzuge ich die Xpert 100 mit ihren zusätzlichen Hinteranschlägen und der breiteren Ablage», erläutert Stirling, «dafür ist die Xpert 40 mit ihren Hinteranschlägen und ihrem Verfahrweg schneller – und sie arbeitet genauer.» Zwei Abkantpressen zu haben sei ein grosser Vorteil: «Die Arbeit liegt ja nicht am Strassen rand herum. Wir müssen uns um die Aufträge bemühen. Präzision gilt heute als selbstverständlich – die Geschwindigkeit entscheidet.» Der Output ist beeindruckend. In einer Ecke wächst ein Stapel von Teilen für Käfige für den Transport von Hunden hinten im Polizeiwagen. Stirling Beer zeigt die Anschlüsse für die Klimaanlage – ein Polizeihund darf keinen Hitzekollaps erleiden. An einer anderen Wand lehnen Halterungen für Über wachungskameras – ein grosser Markt in Gross britannien und ein weiteres wichtiges Kunden BystronicWorld 2/2015 BORDER ENGINEERING UK segment von Border. Alles wird mit einer 2-Kilowatt BySprint Fiber geschnitten, die das Unternehmen gleichzeitig mit der Xpert 100 angeschafft hat. Vom Karton zu digital Komplexe Biegeoperationen machen Stirling keine Sorgen, im Gegenteil: Er freut sich über die Her ausforderung. Früher hat Steve Poulter, der er fahrenste Maschinenbediener bei Border, jeweils mit Kartonmodellen gearbeitet. Damit hat er verschiedene Biegefolgen getestet, bevor er das Me tall eingesetzt hat. Neuerdings erhält sein euklidischer Sinn für Geometrie allerdings Konkurrenz durch die Software BySoft 7. Sie läuft mit Solid Works, der marktführenden CAD-Software. Darüber freut sich Marek Bonna. «Fast alle unsere Kunden verwenden SolidWorks», sagt Marek. Schickt ihm ein Kunde morgens um 9 Uhr Konstruktionsangaben per E-Mail, hat er um 9.30 Uhr mit BySoft 7 einen Schneid- und Biegeplan dafür erstellt. Und bis 12 Uhr hat Maschinen bediener Steve Poulter die Teile bereit zur Aus lieferung. Die intuitive Steuerung der Software spare Zeit und verringere die Fehlerquote, betont Marek. Mit Hilfe von BySoft 7 und «Hunderten Stunden Selbststudium mit YouTube» ist der junge Pole Marek Bonna vom Schweisser zum Pro grammierer aufgestiegen. Wie ihm seine Arbeit gefalle? «Ich bin seit 13 Jahren bei Border und will hier nicht weg.» Eine Familienangelegenheit Die Firma Border wurde 1987 vom Vater des heutigen Geschäftsführers Andy Gerrard gegründet. Andy Gerrards Schwester leitet heute die Finanz abteilung, Stirlings Frau macht die Buchhaltung. Stirling Beer hat hier 1991 als Lehrling begonnen. Bei Border mit seinen 19 Mitarbeitenden scheint sich das Geschäftliche mit dem Privaten zu verbinden. Die Mitarbeitenden fühlen sich aber nicht nur während der Arbeit als Teil einer Familie, sondern auch ausserhalb – beispielsweise wenn sie gemeinsam zum 3 Kilometer entfernten Sport platz fahren, um den Fussballklub von Luton anzufeuern. Und wer die «Hatters», wie das Team nach den früher in der Region tätigen Hutmachern benannt ist, unterstützt, beweist Ausdauer, ist doch die Mannschaft viermal hintereinander abgestiegen, bevor sie sich kürzlich zaghaft zu erholen begann. Stirling Beer sieht den Spirit von Border auch bei anderen Unternehmen vor Ort. Er nennt Kunden in der Nähe, die auf ihrem Gebiet Überdurch schnittliches leisten: Millbrook, das Polizeiwagen umbaut; Bell Classics, das bei Border ab und zu ein Ersatzteil für einen altehrwürdigen Aston Martin bestellt; Silent Sentinel, das hochstehende Video überwachungsanlagen konstruiert. Als ich Vaux hall nenne, das seine Muttergesellschaft General Motors die letzten Jahre viel Geld gekostet hat, zuckt Stirling ein wenig zusammen. BystronicWorld 2/2015 Für den Kunden «Mad Alan» hat Border Stahlteile geschnitten – für das Badezimmer in der umfunktionierten Kirche, in der er wohnt. Alan gibt eine Empfehlung für Border ab: «Superfreundlich, superhilfsbereit.» Dann schaut Steve Poulter in Stirlings Büro vorbei und sagt, ein Kunde namens «Mad Alan» sei gerade aufgetaucht. Er werde ihn mir vorstellen. Zuerst halte ich Mad Alan für einen Übernamen, den Border einem exzentrischen Kunden gegeben hat. Alan ist in der Tat sehr unkonventionell mit seinen grossen Tattoos, gestochen im eigenen Salon. Seinen Namen hat er aber ganz offiziell geändert: Stolz zeigt er seinen Führerschein, der auf Mad Alan ausgestellt ist. Alan ist ein überaus zufriedener Kunde. Border hat für ihn Stahlteile geschnitten – für das Badezimmer in der umfunktionierten Kirche, in der er wohnt. Und dies so schnell, präzise und bereitwillig, dass Alan eine Empfehlung abgibt: «Superfreundlich, superhilfsbereit.» Der Polizeiwagenausstatter Millbrook steht am einen Ende der Kundenskala von Border Engineering – Mad Alan am anderen. Stirling Beer steht hinter beiden mit derselben herzlichen Ernsthaftigkeit. ■ Dan Whitaker ist freischaffender Wirtschaftsjournalist. Er schreibt branchenübergreifend für die Financial Times und The Economist. 13 Die kleinteilige Welt von MSL: 1,2 Millimeter dünn, knapp 1 Zenti meter im Durchmesser, mehr als 1000-mal findet das Teil Platz auf einer einzigen Blechtafel. MSL SCHWEIZ Die Filigrantechniker Die Firma MSL schneidet Blechtafeln so dünn wie Folien. Die Teile, die sie daraus ausschneidet, sind filigran wie Schmuckstücke. Der Schweizer Schlosshersteller bewegt sich am Limit des Möglichen. Text: Matthias Abplanalp Fotos: Michael Meier D ie Blechtafel, die auf dem Rost der Laserschneidmaschine liegt, mutet fast niedlich an. Zwar immerhin 2 Meter lang, aber nur etwa 30 Zentimeter breit – eher ein Blechstreifen als eine Tafel. Filigran ist das Teil, das die BySprint Pro mehr als 1000-mal aus diesem Blechstreifen ausschneidet: Es sieht aus wie ein Fingerring, feine Zacken zieren die Innenkontur. Gebaut ist das Teil aus 1,2 Milli meter dünnem Edelstahl. Wobei, was heisst dünn? Bei der Firma MSL gelten 1,2 Millimeter schon fast als Dickblech. Ivan Altermatt zeigt auf das Blechlager, das an mehreren Wänden der Produktionshalle bis 15 MSL SCHWEIZ «Da, wo es bei uns von der Grösse her aufhört, fängt es bei den meisten anderen Werkstätten erst an.» Ivan Altermatt, Leiter Stanzerei/Laserschneiderei MSL «Wir müssen aufpassen, dass uns die Wärme des Lasers an den dünnen und spitzen Stellen das Material nicht wegschmilzt», erklärt Ivan Altermatt, der bei MSL die Laserschneiderei leitet. unter die Decke reicht: «In jeder Schublade liegt eine andere Sorte Blech. Es ist unglaublich, wie viele Sorten wir haben.» Ivan Altermatt leitet bei MSL die Produktionshalle, in der 13 Mitarbeitende aus dem Rohmaterial Halbfabrikate stanzen und lasern. Viele der Blechsorten im Lager sind Spezial bleche, die der Blechlieferant extra für MSL herstellt – in kleinen Streifen, von denen einer gerade auf dem Rost der BySprint Pro geschnitten wird. Aus Spezialblech wie zum Beispiel dünnem Feder stahl, der dreimal fester ist als normaler Stahl, baut die Firma MSL Türschlösser, die enorme Kräfte aushalten. Schliesslich will ja niemand, dass seine Haustüre birst, wenn sich ein Einbrecher mit dem Stemmeisen daran zu schaffen macht. Am Limit des Möglichen MSL steht für Mechanische Schlosserei Lützel. In der Gemeinde Kleinlützel im Norden der Schweiz, an einem Waldrand kurz vor der französischen Grenze, bauen 100 Mitarbeitende Schlösser, die zu den besten auf dem Markt zählen: Einsteck schlösser für Holztüren, Verriegelungssysteme für 16 Schulhäuser, Schlösser für Notausgänge in Ein kaufszentren. In vielen dieser Schlösser steckt mittlerweile Elektronik: Badges oder Fingerleser ersetzen den klassischen Schlüssel. Die elektronischen Bauteile kauft MSL ein, aber alle Blechteile produziert das Unternehmen selbst. «Von der Kon struktion bis zur Montage, wir wollen das Produkt in den eigenen Händen haben. So haben wir auch die Qualität im Griff», erklärt Geschäftsführer Xaver Allemann. Die Konsequenz dieser Philo sophie: MSL stellt etwa 20 000 verschiedene Blech teile her. Das Innenleben von Türschlössern gleicht einem Uhrwerk: Schraubt man das Gehäuse ab, erscheint ein kleinteiliges Gewirr aus Nieten, Bolzen und gelaserten Teilen in allen erdenklichen Formen. Unentwegt nesteln die Monteure die bis zu 200 Teile zusammen, aus denen sich ein Schloss zusammensetzt – kaum ein Teil ist grösser als ein Fingernagel. «Da, wo es bei uns von der Grösse her aufhört, fängt es bei den meisten anderen Werk stätten erst an», betont Ivan Altermatt. Bei dicken Blechtafeln von 20 oder 25 Millimetern würde er BystronicWorld 2/2015 MSL SCHWEIZ Sowohl die rein mechanischen (oben) wie auch jene mit elektronischen Komponenten: Alle Schlösser werden bei MSL in Handarbeit montiert, weil die Vielfalt an Schlossvarianten eine Automatisierung verunmöglicht. BystronicWorld 2/2015 17 MSL SCHWEIZ Geschäftsführer Xaver Allemann verfolgt mit dem Schweizer Schlosshersteller MSL eine konsequente Innovationsstrategie: «Vor 20 Jahren haben wir gesagt: Mut zur Lücke, wir bauen nur Schlösser, da stecken wir aber unsere ganze Innovation rein.» «Der Laser war der technologische Schlüssel» Herr Allemann, früher galt: Ein Schloss ist umso sicherer, je grösser Wann kommt bei Schlössern die Elektronik ins Spiel? und schwerer es ist. Heute werden bei MSL viele kleine, feine Teile Wenn es um neue Formen von Zutrittsberechtigungen geht. Hier bewe- hergestellt. Was ist passiert? gen wir uns weg vom klassischen Schlüssel. Zutrittsberechtigt ist nicht Das will nicht heissen, dass die Schlösser heute weniger sicher sind. Im mehr einfach der Schlüsselträger, sondern wer sich mit Badge, Zahlencode, Gegenteil, wir setzen heute hochfeste Materialien ein, die die Sicherheit Fingerabdruck oder auch mit Iriserkennung identifiziert. Heute funktio- trotz kleiner Abmessungen erhöhen. Wir bauen Schlösser, die den Flucht niert der Zutritt auch bereits übers Handy. Das Schloss korrespondiert mit weg sicherstellen und zum Brandschutz beitragen. Wir bauen Schlösser, einer Cloud, die sagt, wer wann rein darf und wer nicht. die zum Öffnen und Schliessen elektrisch angesteuert werden. Das hat vor 20 Jahren noch niemanden interessiert. Damals waren das unsere Kann ich auf meinem Handy auch sehen, ob bei mir zu Hause gerade Nischen, heute sind es Megatrends. alle Türen verschlossen sind? Ja klar, sie können das Schloss sogar steuern. Smartphones und Smart Wie stellt ein Türschloss den Fluchtweg sicher und trägt zum watches sind die neue Welt der Zutrittskontrolle. Aber schliesslich braucht Brandschutz bei? es immer etwas, das eine Türe verriegelt und entriegelt. Und das ist ein Mit einem Schloss, das zwar verriegelt ist, aber trotzdem von innen mechanisches Schloss, das elektrisch angetrieben und elektronisch ange- geöffnet werden kann – nur indem man den Türdrücker betätigt. steuert wird. Von aussen bietet das Schloss Einbruchschutz, von innen kann man es aber zum Beispiel im Brandfall jederzeit ohne Schlüssel öffnen. 18 BystronicWorld 2/2015 MSL SCHWEIZ Elektronische Zutrittssysteme kennen wir heute vor allem von öffentlichen Gebäuden. Kommt das auch im privaten Bereich? Das wird noch viel zu wenig genutzt. Schauen Sie, wie heute eine Autotüre funktioniert. Wenn ich mich dem Auto nähere, öffnet sie sich, wenn ich mich entferne, verriegelt sie sich wieder. Den Autoschlüssel oder zumindest etwas Schlüsselähnliches trage ich dazu einfach in der Hosentasche. Wieso soll das bei einer Haustüre nicht so sein? Solche modularen Lösungen werden kommen. Was heisst modular? Einzelne Module ergeben eine Gesamtlösung. Heute verkaufen wir unsere Schlösser dem Fachhandel. Dort werden sie zum Beispiel von einem Schreiner gekauft, der sich die Komponenten für eine Türe zusammenstellt. In Zukunft sagt der Architekt: «Ich will eine Gebäudehülle schützen, wer bietet mir die Komplettlösung?» Gesamt «Smartphones und Smartwatches sind die neue Welt der Zutritts kontrolle. Aber schliesslich braucht es immer etwas, das eine Türe verriegelt und entriegelt. Und das ist ein mechanisches Schloss.» systeme sind die Zukunft unserer Branche. Was heisst das für die Firma MSL? Dass wir uns einen grossen Partner suchen, in dessen Gesamtsystem wir mit unseren Schlössern einen kleinen Baustein bilden. Wir fertigen die mechanischen Schlösser, die dann mit zugekauften elektrischen Antrieben und mit Steuerelektronik kombiniert werden können. Sie werden sich also weiterhin auf den mechanischen Teil der Türschlösser konzentrieren? Als wir vor 20 Jahren unsere Innovationsstrategie festgelegt haben, haben wir gesagt: Mut zur Lücke, wir bauen nur Schlösser, da stecken wir aber unsere ganze Innovation rein. Wir sind also nicht in die Breite gegangen, sondern in die Tiefe. Ein grosser Schritt war dann, dass wir den ersten Laserschneider gekauft haben. Können Sie das erklären? Früher haben wir Prototypen am Reissbrett gezeichnet, anschlies send die Teile in der Werkzeugmacherei von Hand gefertigt. Bereits für Nullserien mussten wir Stanzwerkzeuge bauen. Bis das neue Produkt am Markt war, verging locker ein ganzes Jahr. Die Technologie des Laserschneidens hat unseren Innovationsprozess enorm beschleunigt. Sie war der technologische Schlüssel, mit dem wir unsere Innovationsstrategie effizient umsetzen konnten. So konnten wir auch mit kleinen Stückzahlen Nischenmärkte bedienen. Heute können Sie bei uns 6000 Schlossvarianten kaufen. Ein Irrsinn, mit dem wir aber gut leben. 08/15-Schlösser für Zimmertüren machen wir nicht. Wir sind in anforderungsreichen Bereichen zu Hause. Dort spielt der Preis keine so grosse Rolle, dort spielen die Innovation und das Produkt die Hauptrollen. Wenn wir im Markt bestehen wollen, MSL verkauft 6000 Schlossvarianten: «Ein Irrsinn, mit dem wir aber gut leben», betont Geschäftsführer Xaver Allemann. müssen wir uns durch Qualität, Dienstleistung und Innovation ab heben. Innovation ist schlussendlich unsere Existenzberechtigung. BystronicWorld 2/2015 19 MSL SCHWEIZ Alle MSL-Schlösser werden von Konstrukteuren im Haus entwickelt. Zwei Vormittage in der Woche ist die BySprint Pro für die Konstrukteure zum Schneiden von Prototypen reserviert. schon daran scheitern, dass sein Hallenkran zu schwach ist, um die Tafel auf den Laserschneider zu heben. Er sagt: «Wir bleiben beim Dünnblech. Das ist gut so.» Auf ihrer BySprint Pro schneidet MSL Teile bis zu 0,3 Millimeter dünn. «Das ist so dünn, das ist eigentlich nur noch eine Folie», sagt Ivan Alter matt. «Wenn der Stickstoff beim Schneiden mit 10 Bar auf dieses dünne Blech drückt, biegt es durch. Dann bekomme ich eine Fehlermeldung: Z minus. Der Schneidkopf gerät zwischen den Auflage punkten unter die Oberkante des Rostes. Also legen wir einen Karton unters Blech und schneiden ihn gleich mit. Toll ist das nicht, denn der Karton verbrennt ein bisschen und das stinkt dann in der ganzen Halle.» Die Untergrenze ohne Karton liege bei 0,5 Milli metern, sagt Altermatt. Neben der Dünne des Blechs fordern ihn zudem die feinen Konturen heraus, die er schneidet. An manchen Stellen liegen Löcher und Aussenkonturen so beieinander, dass die Teile wie an einem seidenen Faden hängen. Der Leiter der Laserschneiderei erklärt: «Wir müssen aufpassen, dass uns die Wärme des Lasers an den dünnen und spitzen Stellen das Material nicht wegschmilzt. Das Schneidgas kühlt zwar das Blech, aber bei so vielen Schneidkonturen wird das Blech trotzdem ziemlich warm. Damit es sich nicht zu sehr erwärmt, muss ich zuerst ein Teil vorne auf der Tafel schneiden, dann eines ganz hinten, dann eines in der Mitte und so weiter.» 20 Klingt ziemlich kompliziert. Wie kriegt man das alles in den Griff? «Das ist die Kunst des Laser schneidmannes.» Ivan Altermatt flüstert es fast, als wolle er ein Geheimnis nicht allzu weit in die Welt hinaustragen. Und fügt an: «Die Parameter, die wir von Bystronic erhalten, können wir leider nicht gebrauchen.» Er meint es nicht böse: «Ich begreife, dass Bystronic nicht für jeden Anwender einen Satz Parameter liefern kann.» Es ist eine wahre Kunst, bei dünnen und filigranen Teilen den Fokuspunkt oder die Stärke des Laserstrahls einzustellen. Altermatt sagt: «Wir bewegen uns am Limit des Möglichen.» Unglaublich viele Teile 17 Jahre ist es her, seit MSL erstmals eine Laser schneidmaschine von Bystronic gekauft hat. Ivan Altermatt erinnert sich: «Das war eine By – ich weiss nicht mehr, wie die Maschine geheissen hat. Aus Kostengründen haben wir damals eine Occasionsmaschine gekauft. Die war ganz orange und hatte am Schneidkopf noch einen Ring, der den Abstand zur Blechtafel sicherstellte.» Später hat eine Bysprint in Rot und Grau das orange Urgestein abgelöst, vor vier Jahren schliesslich hat die BySprint Pro die Bysprint ersetzt. Die Technologie des Laserschneidens sei entscheidend am heutigen Erfolg von MSL beteiligt, betont Geschäftsführer Xaver Allemann: «Das Laserschneiden von Prototypen hat die Umsetzung unserer Innovationsstrategie extrem beschleunigt. Zudem konnten wir mit kleinen Stückzahlen extrem schnell auf den Markt gehen. Das Laser schneiden hat uns schnell und flexibel gemacht» (siehe auch Interview S. 18). 70 Prozent der Laserteile, die MSL auf der BySprint Pro schneidet, sind aus Edelstahl, 30 Prozent aus Stahl. Aluminium fällt weg: «Das ist viel zu weich für unsere Schlösser», erklärt Ivan Altermatt. Aluminium schmilzt zu früh – Schlösser mit Aluminiumteilen würden kein Brandschutzzerti fikat erhalten. Feuerbeständigkeit ist aber nicht BystronicWorld 2/2015 MSL SCHWEIZ Stimmen die Freigabekräfte noch? Funktionieren die Federn ordentlich? Gérard Meister testet ein Schloss, das gerade den Dauertest hinter sich gebracht hat, in dessen Verlauf es 200 000-mal automatisch geöffnet und geschlossen wurde. der einzige Härtetest, den die Türschlösser bei MSL überstehen müssen. Jeder Schlosstyp muss einmal im Jahr auf den Prüfstand: Dort öffnet und schliesst ein Motor das Schloss 200 000-mal, bevor es 96 Stunden lang mit Salzwasser besprüht wird. Übersteht das Schloss diese Tortur, ohne zu rosten und voll funktionsfähig, darf es im Verkauf bleiben. Das Geschäft mit Billigschlössern überlässt MSL gerne der Konkurrenz. «Ein normales Schloss für eine Toilettentüre können Sie beim Discounter kaufen», sagt Altermatt. «Wenn Sie aber Sicherheit und Qualität wollen, sind Sie bei uns richtig.» Er zieht einen Produktkatalog aus der Schublade. Ein dickes Buch kommt zum Vorschein, voll von Zeichnungen von Schlössern und übersät mit Millimeterangaben. Jeder Schlosstyp existiert in verschiedenen Längen und Breiten, für grosse und kleine Türgriffe, für linke und rechte Türen. 6000 Schlossvarianten kann der Kunde bei MSL standardmässig bestellen. «Es ist unglaublich, welche Vielfalt wir hier haben», sagt Altermatt. BystronicWorld 2/2015 «Von der Konstruktion bis zur Montage, wir wollen das Produkt in den eigenen Händen haben. So haben wir auch die Qualität im Griff.» Xaver Allemann, Geschäftsführer MSL «Unglaublich» – er sagt es immer wieder. Obwohl es 27 Jahre her ist, seit Ivan Altermatt bei MSL die Ausbildung zum Werkzeugmacher begonnen hat, scheint er tatsächlich bis heute darüber zu staunen, welche Vielfalt an Teilen hier hergestellt wird. ■ 21 FOKUS 3D-SCHNEIDEN Die dritte Dimension Die 3D-Technologie gehört zum technischen Standard im Wasserstrahlschneiden. In der Praxis ist jedoch entscheidend, dass Anwender 2D- und 3D-Technologie wirtschaftlich verbinden können. Das sagt nicht nur ein Bystronic Experte, sondern das bestätigen auch Kunden, die mit der ByJet Flex Geld verdienen. Text: Matthias Abplanalp und Oliver Hergt Fotos: Bystronic 22 BystronicWorld 2/2015 FOKUS 3D-SCHNEIDEN BystronicWorld 2/2015 23 FOKUS 3D-SCHNEIDEN bilität ist zentral. Mit der ByJet Flex haben wir eine Plattform, die uns zwei Technologien eröffnet: 2D- und 3D-Anwendungen. Durch den Austausch des Schneidkopfes können wir uns einem grösseren Auftragsspektrum anpassen. Und das mit nur einer Maschine.» Liegen 3D-Aufträge für vier bis fünf Tage vor, wechselt Straubhaar von 2D auf 3D. Nichts für Einsteiger Schräge Kanten: Der 3D-Kopf von Bystronic schneidet Kanten mit einer Neigung von bis zu 45 Grad. Und Innenkonturen mit wechselnder Schräglage. E inen Mythos sollten wir gleich zu Beginn entkräften: Die 3D-Technologie ist nicht der Heilige Gral des Wasserstrahlschneidens. 3D-Schneiden ist eine Nische. Das sagt Gerhard Sautter, Wasserstrahlexperte bei Bystronic. Sautter erklärt: «Unsere Kunden in der Auftragsfertigung schneiden etwa 2 bis 5 Prozent ihres Tagesge schäfts mit 3D. Aber sie wollen für alle Fälle gerüstet sein. Wenn eine Anfrage für ein Teil mit einer Winkelkorrektur oder mit Winkelschnitt kommt, wollen sie den Auftrag annehmen können. Gleich zeitig haben wir aber auch Kunden mit eigenen Produkten, die heute bereits einen hohen Auslas tungsgrad im 3D-Schneiden haben und ein zuverlässiges System benötigen.» Die Antwort des Bystronic Experten auf die Frage 2D oder 3D lautet deshalb: «Beides – 2D fürs Tagesgeschäft, 3D für die 2 bis 5 Prozent Spezial anwendungen.» Aber was sagen die Kunden? Sehen die das auch so? Matthias Straubhaar ist stellvertretender Geschäftsführer bei der Waterjet AG, einem der grössten Anwender des Wasser strahlschneidens in der Schweiz. Die Waterjet AG hat für ihre ByJet Flex 2030 kürzlich zwei 3DSchneidköpfe gekauft. Straubhaar sagt: «Flexi 24 3D-Schneiden gehört also für Wasserstrahlschnei der dazu, um wettbewerbsfähig zu sein. Vorsicht sei aber geboten, denn 3D-Schneiden sei kompliziert, mahnt Bystronic Experte Gerhard Sautter und hat einen Tipp parat: «Ich rate allen Kunden, mit 2D-Schneiden ins Wasserstrahlschneiden einzusteigen, um Erfahrungen zu sammeln. Wer das 2D-Schneiden beherrscht, kann ans 3D-Schneiden denken. Und wenn es so weit ist, bieten wir ihm auf der ByJet Flex eine 3D-Lösung, die für eine breite Palette von Anwendungen gut geeignet ist. Eine schräge Kante ist bei uns sehr einfach zu programmieren. Unser Applikationswissen ist tief, wir haben die Parameter im Griff. Und mit dem Bevel Manager besitzen wir eine CAM-Software, die der Bediener nach einem Tag Schulung versteht. Er ist dann natürlich noch kein Experte, aber er kann sofort einfache 3D-Geometrien schneiden.» 3D-Schneiden ist nichts für Einsteiger. Aber die ByJet Flex hält jedem Einsteiger, der sich zum Fortgeschrittenen entwickelt hat, die Türe zum 3D-Schneiden offen. In der Komplexität der Tech nologie liegen schliesslich auch ihre Vorteile. Matthias Straubhaar von der Waterjet AG betont: «Die Schneidvorbereitungen sind beim 3D - Schneiden aufwendiger. Aber genau darin liegt der Vorteil der Technologie. 3D-Schneiden bringt mehr Wertschöpfung als reine 2D-Anwendungen. Mit dem Know-how, das wir uns hier erarbeiten, heben wir uns im Wettbewerb ab.» Schneiden statt Fräsen Die 3D-Technologie erhöht also die Wertschöp fung im Wasserstrahlschneiden. Das wollen wir noch ein bisschen genauer wissen und fragen deshalb bei einem weiteren Kunden nach: bei der Firma Genthner – definitiv kein Einsteiger. Die deutschen Wasserstrahlprofis beliefern Kunden aus der Luft- und Raumfahrtindustrie mit feinme BystronicWorld 2/2015 Den Austausch der Schneidköpfe nehmen Anwender ohne grösseren Aufwand selbst vor. Die ByJet Flex kann mit bis zu zwei 3D-Schneidköpfen bestückt werden, die parallel arbeiten. chanischen Baugruppen. Auch Genthner hat ihre ByJet Flex 1530 mit 3D-Schneidköpfen ausgerüstet. Ronny Retzlaff, Betriebsleiter im Bereich Wasserstrahlschneiden, erzählt: «Schneidteile mit schrägen Kanten haben wir bisher mit 2D-Techno logie geschnitten und anschliessend in unserer Fräserei nachbearbeitet. Das kostet Zeit und Geld, denn wir programmieren und rüsten doppelt. Wir haben kürzlich 10 000 Stück eines kleinen Teils aus Aluminium geschnitten mit Innenkonturen mit wechselnden Schrägen. Dieses Teil hätten wir so nur auf der ByJet Flex mit dem 3D-Schneidkopf bearbeiten können. Fräsen als Alternative kam von vornherein nicht in Frage. Dann wäre das Teil für die Serienproduktion zu teuer geworden. Weil das Nachfräsen wegfällt, werden dank der 3D-Technologie aufwendige Teile erschwinglich.» 3D-Schneiden mag also eine Nische sein, eine Nische aber, in der sich ordentlich Geld verdienen lässt. ■ BystronicWorld 2/2015 3D-Schneiden mit der ByJet Flex Mit der ByJet Flex bietet Bystronic eine Plattform, die 2D- und 3D-Technologie auf einer Maschine vereinigt. Die 2D-Basisplattform kann je nach Auftragslage mit bis zu zwei 3D-Schneidköpfen aufgerüstet werden. Damit eröffnen sich neue Geschäftsfelder für das 3D-Schneiden, gleichzeitig bleibt aber die Möglichkeit der Wettbewerbsfähigkeit im 2D-Schneidgeschäft bestehen. Den Austausch der Schneidköpfe nehmen Anwender ohne grösseren Aufwand selbst vor. Immer dann, wenn der Einsatz der 3D-Technologie gefordert ist, kann die ByJet Flex umgerüstet werden. Mehr Infos über die technischen Finessen des 3D-Schneidkopfes von Bystronic auf 3dcutting.bystronic.com 25 INNOVATION XPERT 40 26 BystronicWorld 2/2015 INNOVATION XPERT 40 Die kleine 40 Die neue Xpert 40 von Bystronic ist das Schweizer Taschenmesser der Abkantpressen. Mit der kleinen Speedmaschine biegen Anwender schnell und effizient. Aber das ist noch nicht alles. Text: Oliver Hergt Fotos: Bystronic BystronicWorld 2/2015 27 INNOVATION XPERT 40 «Was den Anwendern fehlt, ist eine mobile Kleinmaschine, ein flinkes Schweizer Taschenmesser.» Gerrit Gerritsen Gerrit Gerritsen ist Produktspezialist für das Biegen. Er sagt: «Viele Anwender biegen kleine Teile auf viel zu grossen Abkantpressen. Das ist nicht effizient.» Was den Anwendern fehle, sei eine mobile Kleinmaschine wie die neue Xpert 40. 28 D ie Xpert 40 sieht filmmässig aus. Eigentlich gehört diese Biegemaschine in den nächsten James-Bond-Streifen. Dort könnte die Xpert 40 von jetzt an als raffiniertes Allroundwerkzeug die Grundausrüstung des britischen Geheimagenten abrunden. Die Agentenfilme beweisen ja immer wieder ein Faible für innovative Technologien. «Kompakt, vielseitig und schnell. Die Xpert 40 ist das Schweizer Taschenmesser der Abkantpressen.» Das sagt nicht etwa James Bond, sondern Gerrit Gerritsen. Der Mann weiss, wovon er spricht. Gerritsen ist bei Bystronic Produktspezialist für das Biegen. Er war von Beginn an involviert, als es darum ging, eine Abkantpresse zu entwickeln, die sich im Markt deutlich abhebt. Und wenn so ein filmreifes Gerät wie die Xpert 40 dabei herauskommt, dann löst das schon mal Euphorie aus, die bis zu James-Bond-Fantasien führt. Selbst bei Gerrit Gerritsen, der schon viel gesehen hat. Ganz nüchtern betrachtet, hat Bystronic mit der Xpert 40 eine Abkantpresse im Kleinformat entwickelt, die sich mobil aufstellen und in nahezu jedes industrielle Umfeld integrieren lässt. Egal ob umfangreiche Serienfertigung mit wiederkehren den Teilen oder flexible Lohnfertigung mit schwankenden Losgrössen und stark variierenden Biege teilen. Auf einer Biegelänge von 1 Meter entfaltet die Xpert 40 eine Presskraft von 40 Tonnen. Die Stellfläche der kleinen Abkantpresse beträgt dabei gerade einmal 2,5 Quadratmeter. Eine erste Vorschau auf die Xpert 40 gewährte Bystronic an der Euroblech 2014. Schon dort, noch als Prototyp, hat die Maschine am Messestand für Aufsehen gesorgt. Jetzt ist die Xpert 40 auf dem Markt. Und es wird höchste Zeit, die neue Abkant presse genau unter die Lupe zu nehmen. Was spricht für diese Maschine? Und vor allem: Was bringt die Xpert 40 in der Praxis? Alle Antworten darauf lesen Sie in der Übersicht auf der folgenden Doppelseite. Der Alltag im Biegen sieht häufig so aus: «Viele Anwender biegen kleine Teile auf viel zu grossen Abkantpressen. Benötigt wird dabei eigentlich nur ein Drittel der Presskraft und der Biegelänge. Das ist nicht effizient. Was den Anwendern fehlt, ist eine mobile Kleinmaschine, ein flinkes Schweizer Taschenmesser», sagt Gerrit Gerritsen. BystronicWorld 2/2015 INNOVATION XPERT 40 Mit der Xpert 40 biegen Anwender kleine Teile dreimal so schnell wie auf gross ausgelegten Abkantpressen. Die Vorteile einer kompakten Biegemaschine beschreibt Gerritsen so: «Eine kleine Abkantpresse ist in der Anschaffung günstiger. Sie benötigt weniger Stellfläche und produziert in der gleichen Zeit dreimal mehr Teile als eine grosse Maschine.» Darüber hinaus könne die Xpert 40 überall aufgestellt und mobil bewegt werden. Zum Beispiel von einer fixen Biegestation direkt neben eine Laserschneidan lage, um dort den Produktionsfluss des Laser schneidens und Biegens besser zu verknüpfen. Übrigens: Weder Bystronic noch James Bond bestätigen bisher einen Auftritt der Xpert 40 im nächsten Agentenfilm. Und auch Gerrit Gerritsen hat noch kein Rollenangebot erhalten. BystronicWorld 2/2015 Facts & Figures Presskraft: 40 t Biegelänge: 1030 mm Einbauhöhe: 570 mm Standardhub: 200 mm Max. Eilganggeschwindigkeit: 250 mm/s Max. Arbeitsganggeschwindigkeit: 25 mm/s 29 INNOVATION XPERT 40 Anschliessen und losbiegen Sämtliche Prozessschritte auf einem Touchscreen. Das ist die Idee von ByVision Bending. Der Bediener steuert alle Abläufe mit wenigen Fingerstrichen auf einem Bildschirm, der im oberen Bereich der Maschine angebracht ist. Programm starten, Maschine einrüsten und losbiegen. ByVision Bending nimmt dem Bediener viel Arbeit ab. Zum Beispiel bei der Vorbereitung des Biegeprogramms. Die Software beinhaltet eine umfangreiche Datenbank, in der Parameter für alle gängigen Blechsorten und Biegewerkzeuge hinterlegt sind. Egal ob komplexe oder einfache Teile, ByVision Bending ermittelt den idealen Biegeprozess. Die Software schlägt das passende Werkzeug, die Reihenfolge der zu biegenden Winkel und die nötige Biegekraft vor. Der Bediener steuert alle Abläufe mit wenigen Fingerstrichen auf einem Touchscreen, der im oberen Bereich der Maschine angebracht ist. Design und Ergonomie Die ergonomischen Konturen der Xpert 40 unterstützen die Interaktion des Bedieners mit der Maschine. Schubladen bieten genügend Stauraum für Equipment. So sind alle wichtigen Werkzeuge immer griffbereit. Ein automatisches Klemmsystem vereinfacht das Einrüsten der Maschine: Werkzeug einklinken und fertig. Ein höhenverstellbarer Klapptisch an der Front der Maschine kann als Ablagefläche genutzt werden. So funktioniert Biegen bequem und effizient. An der Xpert 40 wird kein Platz verschenkt. Alles ist kompakt und funktional. Dadurch kann die Abkantpresse in nahezu jede Schubladen bieten genügend Stauraum für Equipment. So sind alle wichtigen Werkzeuge immer griffbreit. Umgebung integriert werden. Das bringt Flexibilität für den Einsatz in industriellen Umfeldern, die sich jeden Tag verändern können. 30 BystronicWorld 2/2015 INNOVATION XPERT 40 Entwicklung und Kundenwissen Kunden wissen, worauf es ankommt. Deswegen hat Bystronic Anwender und deren Praxiswissen eng in den Entstehungsprozess der Xpert 40 eingebunden. Ein zentraler Kundenwunsch war die Verbindung von kompakter Ergonomie und Dynamik. Das hilft Anwendern dabei, die Xpert 40 in ihre Fertigung zu integrieren und wechselnde Biegeprozesse schnell einzurichten. Biegen soll aber nicht nur effizient, sondern auch bequem sein. So entstand die Idee zur halb stehenden Sitzposition an der Xpert 40. Ein Sitzhocker kann dazu individuell an die gewünschte Arbeitsposition angepasst werden. Geschwindigkeit und Präzision Dreimal mehr Teile biegen als auf einer grossen Abkant presse. Was die Xpert 40 so schnell und präzise macht, sind ihr kompaktes Chassis und ByMotion. Das Chassis verleiht der Xpert 40 genügend Steifigkeit, auch bei hoher Dynamik mit Biegegeschwindigkeiten von bis zu 25 Millimetern pro Sekunde. ByMotion sorgt für die präzise Beschleunigung der Oberwange und der Hinteranschläge. Die neu entwickelte Antriebssteuerung regelt das Zusammenspiel von Geschwindigkeit, Präzision und Kraft. So werden Biegeergebnisse mit höchsten Wiederholgenauig- keiten möglich. Dreimal mehr Teile biegen als auf einer grossen Abkantpresse. Die Antriebssteuerung ByMotion regelt das Zusammenspiel von Geschwindigkeit, Präzision und Kraft. Antrieb und Verbrauch Das Dynamic Drive System der Xpert 40 ermöglicht dynamische Biegeabläufe ohne Energieverlust. Damit erhöht sich nicht nur der Teileausstoss auf der Maschine, sondern auch die Energieeffizienz im gesamten Biegeprozess. Mit intelligenten Funktionen wie dem Energy Saver und einer Start-Stop-Automatik arbeitet die Xpert 40 sparsamer als gross ausgelegte Abkantpressen und Das Dynamic Drive System der Xpert 40 ermöglicht dynamische Biegeabläufe ohne Energieverlust. biegt dabei immer noch sehr viel schneller. ■ Mehr Informationen auf xpert40.bystronic.com BystronicWorld 2/2015 31 Zwei Schweizer Auswanderer in Kanada: Peter Schärer (links) hat die Maschinenwerkstatt Swisco Ltd vor über 40 Jahren gegründet, 20 Jahre später ist ihm Hans Heiniger in die kanadische Provinz gefolgt. Auf nach Kanada Hans Heiniger war Servicetechniker bei Bystronic in der Schweiz. Vor 20 Jahren ist er samt einer Wasserstrahlschneidmaschine in die kanadische Kleinstadt St. Paul ausgewandert, wo er heute eine kleine Werkstatt leitet. Text: Roman Elsener Fotos: Chris Wedmann Peter Schärer und Hans Heiniger beim «UFO-Landeplatz», dem Wahrzeichen von St. Paul. Die beiden schätzen den Humor der Kanadier. D as Wahrzeichen der Township St. Paul in der Provinz Alberta in Kanada ist ein UFOLandeplatz an der Ortseinfahrt. Er wurde 1967 erbaut, seit 1990 steht daneben ein UFOMuseum und Infozentrum für Touristen aus allen Welten. Zwar sind in St. Paul bis jetzt noch keine fliegenden Untertassen angekommen, dafür die Schweizer Hans Heiniger und Peter Schärer und ihre Swisco Ltd. Nicht mit einem UFO, aber «wie mit dem Fall schirm» ist Peter Schärer vor über 40 Jahren hier gelandet. «Ich kannte niemanden und musste Kontakte knüpfen», erzählt Schärer, der heute den Ruhestand geniesst und die Geschäftsleitung an Hans Heiniger abgetreten hat. Hans Heiniger ist ehemaliger Bystronic Arbeiter und stammt wie Peter Schärer aus Rohrbach in der Schweiz. Cowboy und Heuer Als Schärer 1975 von seiner ersten Kanadareise in die Schweiz zurückkehrte, war schon der erste 34 Schweizer, der ihm im Zug begegnete, derart mies gelaunt, dass der Heimkehrer gleich einen Ent schluss fasste: In diesem hochregulierten und zerfurchten Land wollte er nicht bleiben – es zog ihn zurück in die Weiten, die der junge Hand werksbursche in Nordamerika kennengelernt hatte, als Cowboy und Heuer auf einem weitläufigen Bauernhof im Bezirk von St. Paul, wo auf gut 3300 Quadratkilometern Fläche gerade mal 6000 Men schen leben. Bald war Peter zurück in Kanada, fand eine An stellung als Mechaniker in einer Firma für Baustoffe in Edmonton, der Millionenstadt im hohen Norden Albertas. Die Vorschriften von Gewerkschaften und die Bürokratie des Grossbetriebes verleideten dem unternehmenslustigen Schweizer aber den Job – er wollte seine eigene Firma gründen und sah sich dafür nach einem geeigneten Ort um. Auf der Main Street erzählt Peter Schärer beim Lunch in einem chinesischen Restaurant von seiner ersten Reise nach St. Paul. Die Stadt liege «ein BystronicWorld 2/2015 wenig ausserhalb» von Edmonton, habe man ihm gesagt. Er bestieg den Bus – und stieg erst vier Stunden später wieder aus. «Ein wenig», so lernte Peter Schärer, «ist in Kanada viel mehr als in Europa.» Hier in der Gegend der tausend Seen, unweit der Stelle, wo sich gegen Norden hin die Ölsandfelder auftun, liess er sich nieder. Der Mechaniker kaufte eine Drehbank, eine Fräse, eine Bohrmaschine und gründete die Swisco Machining Ltd – eine kleine Firma, die sich darauf versteht, Maschinen teile zu fertigen, zu reparieren und bei Bedarf neue zu erfinden. St. Paul liege «ein wenig ausserhalb» von Edmonton, habe man ihm gesagt. Er bestieg den Bus – und stieg erst vier Stunden später wieder aus. «Ein wenig», so lernte Peter Schärer, «ist in Kanada viel mehr als in Europa.» Nicht auf dem Baum gewachsen Die Kundschaft wuchs und schon bald kamen auch Besucher aus der Schweiz – allen voran Hans Heiniger. «Peter war ein ausgezeichneter Gast geber – bald wollte ich in seinem Betrieb mitarbeiten», sagt Hans, der 1996 bei Swisco eingestiegen ist. BystronicWorld 2/2015 35 SWISCO KANADA Mit einer alten Byjet im Gepäck ist Hans Heiniger nach Kanada ausgewandert – 2014 musste er den «Dinosaurier» zerlegen und investierte in eine brandneue ByJet Smart. «Pfuscharbeiten machen wir nicht, entweder kann etwas so repariert werden, dass es auf lange Zeit hält, oder eben nicht.» Hans Heiniger, Geschäftsführer von Swisco Ltd Zuerst waren es vorwiegend die Geräte der Farmer in der Gegend, die Swisco reparierte. Dann kam das lokale Baugewerbe und bald liess auch die Gemeinde ihre Maschinen bei den fleissigen Schweizern in die Flicke bringen. Richtig ins Geschäft kam Swisco, als es Schärer gelang, mit zwei Ölfirmen zusammenzuarbeiten, die die Reserven in den Ölsandfeldern der Region anzapften. Mit dem zunehmenden Ölboom siedelten 36 sich weitere Unternehmen an, die ihre Werkzeuge ebenfalls bei Swisco in die Reparatur brachten. Die Schweizer halfen den Arbeitern bald auch mit Innovationen, etwa einem mobilen Metallschnei der oder Sonderanfertigungen von Zylindern, welche die Arbeit an den Bohrlöchern erleichterten. «Mechanische Teile wachsen nicht auf einem Baum. Jemand hat das angefertigt, und wir können herausfinden, wie es geht oder was noch besser gemacht werden könnte», sagt P eter Schärer. «Wir reparieren alles und hatten auch schon Nähmaschinen oder Flugzeugteile», erzählt Hans Heiniger. Dabei wird auf Qualität gesetzt: «Pfusch arbeiten machen wir nicht, entweder kann etwas so repariert werden, dass es auf lange Zeit hält, oder eben nicht», sagt er. Das hat vielleicht auch schon ein paar Kunden gekostet, aber den Ruf von Swisco Ltd gestärkt. Zudem ist das Geschäft zu Arbeitszeiten immer zuverlässig geöffnet: «Man muss hier sein, wenn ein Kunde anklopft, ihn hereinbitten, vielleicht kann man die Reparatur gleich erledigen», sagt Heiniger. Auch das hat sich herumgesprochen in BystronicWorld 2/2015 SWISCO KANADA An der Arbeit bei Swisco Ltd: Die Firma zählt auf ihre kleine, aber zuverlässige Belegschaft. der Gegend, wo viele andere wegen der kriselnden Ölindustrie auf Kurzarbeit geschaltet haben und die Kunden vor verschlossenen Türen stehen. Mit der Byjet nach Kanada Firmengründer Peter Schärer geniesst heute das Leben als Pensionär in seinem Haus am See. Vor drei Jahren hat Hans Heiniger die Swisco Ltd von seinem Mentor und Freund übernommen. 17 Jahre lang bildeten die beiden ein Team, das Wert darauf legte, das Berufshandwerk zu pflegen und auf höchstem professionellem Level zu bleiben. Mühe hatten die beiden einzig immer wieder damit, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Selbst Heiniger hatte jahrelang mit Visaproblemen zu kämpfen, bis er 2001 die permanente Niederlas sungsbewilligung bekam. Gut ausgebildete Arbeits kräfte seien in der dünn besiedelten Gegend rar, auch lasse die Disziplin oft zu wünschen übrig, sagt er. Hans Heinigers definitiver Umzug nach St. Paul und sein Einstieg bei Swisco halfen der Firma ins neue Jahrtausend. Denn als ehemaliger Mitarbeiter BystronicWorld 2/2015 von Bystronic brachte Heiniger nicht nur die nötige Ausbildung und das erforderliche Können mit, sondern gleich auch eine Byjet Wasserstrahl schneidmaschine. «Ich installierte diese Maschine ein paar Jahre zuvor einem Kunden in der Schweiz und erfuhr dann, dass sie wieder zum Verkauf stand. Ich war mir sicher, dass wir sie in Kanada gut einsetzen könnten», sagt Heiniger. Im Sommer 2014 hat er die alte Maschine ausgemustert und eine brandneue ByJet Smart gekauft. Dass sie den «Dinosaurier» zerlegen mussten, tut den beiden, die sich der Pflege guter Maschinen mit Leib und Seele widmen, ein bisschen weh. «Mechanisch funktionierte noch alles gut – aber es gab kein Software-Update mehr», sagt Hans Heiniger. Zur Installation der ByJet Smart sandte Bystronic gleich drei Techniker: einen aus der Schweiz sowie je einen des amerikanischen und des kanadischen Bystronic Servicecenters. Von der Maschine sind Heiniger und Schärer begeistert: «Die schneidet alles – mit all den Möglichkeiten, die sie uns bietet, könnten wir mit etwas Werbung noch Kunden 37 SWISCO KANADA Hans Heiniger und seine Frau Darlene betreuen ihre beiden Pferde Willow und Geronimo. dazugewinnen.» Der Betrieb des smarten Wasser strahlschneiders bereitet dem Bystronic erfahrenen Heiniger keine Mühe. Und sollten P robleme auftreten, unterstützt ihn die kanadische Bystronic Vertretung, die in der Nähe von Toronto im Osten des Landes stationiert ist. Hans wählt dann aber gerne die Nummer des Bystronic Hauptquartiers in der Schweiz: «Das gibt mir Gelegenheit, mit meinen Kollegen zu telefonieren, zu fachsimpeln und von neuen Entwicklungen zu erfahren.» «Hans is awesome!» Swisco hat heute sechs Angestellte, fünf in der Werkstatt und Sekretärin Yvette Krevenky, eine gebürtige St. Paulerin. Neben dem Wasser strahlschneider betreibt die Werkstatt eine CNCFräsmaschine und weitere Anlagen, mit denen laut Heiniger und Schärer fast jedem Anliegen der Kunden der Region entsprochen werden kann. Hans Heiniger hält sich dabei an eine kleine Beleg 38 schaft, auf die er sich verlassen kann: Die Schweisser und Mechaniker Marc Proulx und Charles Desmeules, Brandon Haraba und Robert Clough sowie einen Lehrling. Alle schwärmen vom Boss: «Hans is awesome!», sagt Brandon, der sich im kanadischen Frühling, wo auch Ende April oft noch Schnee liegt, auf seine Ferien in Mexiko freut. Dann wird der Schweisser zum Fischer, einen riesigen Dorsch hat er im letzten Jahr gefangen. Zum Jäger und Fischer ist in Kanada auch Hans Heiniger geworden, vor allem dank seiner Ehefrau Darlene, einer Uramerikanerin des Stammes der Cree. Sieben sogenannte «First Nation»-Reservate umgeben St. Paul. Die Geschichten der Begeg nungen von Bleichgesichtern mit der lokalen Be völkerung füllen nicht nur Geschichtsbücher, sondern nähren auch die Erzählungen, die von Geistern und übernatürlichen Erfahrungen in dieser nordischen Gegend berichten. BystronicWorld 2/2015 SWISCO KANADA Mit Peter und Hans besuchen wir den St. Pauler UFO-Landeplatz. Immer wieder müsse die Stadt den Platz vom Staub befreien, den die Ufos bei der Landung hinterliessen, witzelt Peter. Freundliche Kanadier Die Kanadier sind als humorvolle, freundliche und hilfsbereite Menschen bekannt. Fast noch komischer als der Landeplatz für die fliegenden Unter tassen in St. Paul muten denn auch die Wahrzei chen verschiedener Nachbarorte an: In Mundare prangen fast 20 Meter hohe Nachbildungen spezieller ukrainischer Würste in den Himmel, im nahen Andrew fliegt eine gigantische Ente durch den Stadtpark. Hans Heiniger mag den Geist der Gegend. «In Alberta sind die Gesetze etwas weniger restriktiv als in der Schweiz. Das gibt einem ein Gefühl von mehr Freiheit», sagt Hans. Hinter seinem Haus unweit der Firma warten die Pferde Willow und Geronimo im verschneiten Gehege auf ihr Futter. Auch die Katzen Bonnie und Clyde freuen sich darüber, dass der Chef nach Hause kommt. Auf der überdachten Veranda überwintert die HarleyDavidson und wartet darauf, im Sommer Darlene und Hans auf die nächste Reise durch das weite Land zu tragen – genug davon haben sie noch lange nicht gesehen. ■ Roman Elsener ist Nordamerika-Korrespondent für die Schweizerische Nachrichtenagentur (SDA) und die «NZZ am Sonntag». Er lebt und arbeitet seit 1996 in New York. 17 Jahre lang hatten die beiden bei Swisco Ltd ein Team gebildet: Vor drei Jahren ist Firmengründer Peter Schärer (links) in den Ruhestand getreten und hat die Leitung der Werkstatt Hans Heiniger übertragen. «In Alberta sind die Gesetze etwas weniger restriktiv als in der Schweiz. Das gibt einem ein Gefühl von mehr Freiheit.» Hans Heiniger BystronicWorld 2/2015 39 Wo steckt hier Bystronic drin? Die Auflösung finden Sie unter www.raetsel.bystronic.com.