Athen zur Zeit des Kleisthenes – Verfassung und Gesellschaft

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Athen zur Zeit des Kleisthenes – Verfassung und Gesellschaft
Athen zur Zeit des Kleisthenes – Verfassung und Gesellschaft
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Nach dem Sturz der Tyrannis lagen der Sohn des Teisandros, Isagoras, der ein Freund der
Tyrannen war, und Kleisthenes aus dem Geschlecht der Alkmeoniden miteinander im Kampf.
Als Kleisthenes den politischen Bünden (hetaireiai) unterlag, brachte er das Volk auf seine
Seite, indem er die Herrschaft im Staat auf die Menge übertrug. [...] Das Volk errang also die
Kontrolle über das Staatswesen, und Kleisthenes stand als Führer des Volkes an seiner Spitze.
Denn die Alkmeoniden hatten wohl den größten Anteil an der Vertreibung der Tyrannen und
betrieben die meiste Zeit über ihre Bekämpfung. Aber auch schon vor den Alkmeoniden hatte
Kedon die Tyrannen angegriffen, weshalb man in den Trinkliedern auch auf ihn sang: Schenk
auch dem Kedon ein, Diener, und vergiß ihn nicht, wenn es so ist, daß man den tapferen
Männern Wein einschenken muß.
Aus diesen Gründen also vertraute das Volk dem Kleisthenes. Als Anführer der Menge teilte
dieser dann, im vierten Jahr nach der Entmachtung der Tyrannen, unter dem Archonten
Isagoras (508/507), in einer ersten Maßnahme alle Bürger in zehn statt der bisherigen vier
Phylen ein, denn er wollte sie untereinander vermischen, damit mehr von ihnen an der
Ausübung der politischen Macht Anteil nehmen könnten. Daher wurde auch das Wort
geprägt: »nicht nach den (alten) Phylen urteilen«, eine Antwort an diejenigen, die
herausfinden wollen, welchem Geschlecht (génos) jemand angehört. Als nächstes richtete er
den Rat der Fünfhundert statt der Vierhundert ein, fünfzig aus jeder Phyle; bis dahin waren es
hundert pro Phyle. Er teilte das Volk aus dem Grund nicht in zwölf Phylen ein, damit die neue
Einteilung nicht mit den bereits bestehenden Trittyen zusammenfalle; denn es bestanden
schon zwölf Trittyen, die aus den vier Phylen gebildet waren, so daß es auf dieser Grundlage
nicht gelungen wäre, die Menge zu vermischen. Ferner teilte er das Land nach Demen in
dreißig Teile auf, von denen zehn dem Stadtgebiet, zehn der Küste und zehn dem Binnenland
zugehörten; diese nannte er Trittyen und loste jeder Phyle drei davon zu, damit jede Phyle an
allen Gegenden Anteil habe. Auch verband band er die in jedem Demos Wohnhaften
miteinander zu Demenmitgliedern, damit sie nicht mehr durch Verwendung der Vatersnamen
die Neubürger bloßstellten, sondern sich nach ihren Demen nannten; deshalb benennen sich
die Athener nach den Demen. [...]
Infolge dieser Maßnahmen wurde die Verfassung viel demokratischer als die Solons. Es war
nämlich so, daß die Tyrannis die Gesetze Solons, weil sie nicht angewandt wurden, außer
Kraft setzte, und daß Kleisthenes andere, neue Gesetze erließ, mit denen er auf die Gunst der
Menge zielte; darunter war auch das Gesetz über das Scherbengericht (ostrakismós).
Aufgabe:
1. Stelle die Phylenreform des Kleisthenes dar und erkläre die möglichen Folgen dieser
Reform für die politische Landschaft Athens.
Q: Aristoteles: Der Staat der Athener – 20 f., übers. und herausg. v. Martin Dreher, revid. und ergänz. Aufl.,
Stuttgart, 2009, S. 53 f.
Die Phylenreform des Kleisthenes
Q: Piepenbrink, Karen: Das Altertum, Stuttgart, 2006, S. 59.