und Nachbereitung in der Schulklasse Cyrano

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und Nachbereitung in der Schulklasse Cyrano
Theater Kanton Zürich
Arbeitsmaterial für die
Vor- und Nachbereitung in der Schulklasse
Cyrano – Poet und Haudegen
nach Edmond Rostand
Premiere: 24. März 2009
Regie: Hardy Hoosman
Theater Kanton Zürich
Scheideggstrasse 37
Postfach
8401 Winterthur
Telefon 052 212 14 42
Telefax 052 212 88 19
E-Mail [email protected]
Homepage www.theaterkantonzuerich.ch
Inhalt
Teil 1
Informationen und Anregungen
Vorwort
Personen
Vorbereiten
Nachbereiten
Vertiefen
-
Cyrano de Bergerac und seine Zeit
-
Reime reimen
-
Was ist schön?
Quellen
Teil 2
Kopiervorlagen
K1
K2
K3
K4
K5
K6
K7
K8
K9
K10
K11
K12
K13
Zum Stück
Aus dem Stück
Ein Theatercomic
Cyrano de Bergerac
Cyrano original und modern
Was gab es schon im 17. Jahrhundert?
Spottverse
Dreizeiler
Poetry Slam
Wahre Liebe?
Schön und erfolgreich?
Schönheit kaufen
Die Sehnsucht nach der schönen Hülle
Vorwort
Cyrano
Meinen Degen packe ich im Nu, denn
beim letzten Vers, da stoss ich zu.
Liebe Lehrerin, lieber Lehrer
«Cyrano», basierend auf Edmond Rostands Cyrano de Bergerac, ist eine Bearbeitung eines klassischen
Stoffes, die es erlaubt, ein Stück von 1897 in einer leicht zugänglichen Sprache zu erleben. Die Sätze sind
gegenüber dem Original einfacher, dennoch ist die gereimte Form erhalten geblieben. Deshalb werden Sie
in diesem Material auch ein Kapitel zum Reimen finden.
Die Geschichte von Cyrano handelt in erster Linie von Liebe und (Ent)-Täuschung, aber auch davon, was
einen Menschen liebenswert macht. Cyrano gesteht seiner Cousine Roxane seine Liebe nie, weil er sich
selber hässlich findet – die Nase ist zu gross. Sie verliebt sich in Christian, aber vor allem in dessen
schöne Sprache und seine Briefe, ohne zu ahnen, dass Cyrano der Autor und Stichwortgeber ist. Der eine
Mann ist schön, findet jedoch keine Worte, der andere hat einen äusserlichen Makel, ist aber ein
Sprachkünstler und versteht es, Gefühle in wunderbare Worte zu bringen.
Ein Teil des Materials widmet sich der Frage «Was ist schön?». Dabei geht es selbstredend nicht nur um
äusserliche Schönheit.
Zudem enthält das Material Hintergrundinformationen zu Stück, Autor und Besetzung und enthält ein paar
Gedanken zur Vor- und Nachbereitung eines Theaterbesuches, die eher grundsätzlich sind.
Eine Besonderheit der bearbeiteten Theaterfassung ist, dass alle Rollen von nur zwei Schauspielern und
einer Schauspielerin gespielt werden, welche die Rollen laufend wechseln. Im Original von Edmond
Rostand gab es etwa 50 Rollen. Die Rollenwechsel erlauben, zu sehen, wie Theater funktioniert. Mit
wenigen Zeichen kann die Fantasie des Zuschauers geweckt werden.
Rein formal finden sich im ersten Teil Informationen und Anregungen, im zweiten Teil Kopiervorlagen (
K1, K2…)
Unseres Erachtens ist bei diesem Stück die Nachbereitung wichtiger als die Vorbereitung. Rechnen Sie
dafür Zeit ein.
Theater Kanton Zürich
Barbara Schüpbach
Theaterpädagogin
Marie-Louise Michel
Dramaturgin
Personen
Besetzung
Antonio da Silva
Cornelia Pollak
Silvio Caha
Regie
Bühne und Kostüme
Musik
Bühnenbau
Gewandmeisterinnen
Maske
Licht und Fotos
Dramaturgie
Regieassistenz
Theaterpädagogik
Cyrano
Roxane, Duenna, Soldat
Christian, De Guiche, Le Bret, Ragueneau, De Lignière,
Mönch, Soldat
Hardy Hoosman
Elke Scheuermann
Willi Häne
Stefan Schwarzbach
Graziella Galli und Franziska Lehmann
Doris Lohmann
Li Sanli
Marie-Louise Michel
Dalilah König
Barbara Schüpbach
Edmond Rostands «Cyrano de Bergerac»
Die Vorlage des Jugendstücks «Cyrano» stammt aus der Feder von Edmond Rostand, der mit der
romantischen Komödie Cyrano de Bergerac Ende des 19. Jahrhunderts einen grossen Publikumserfolg
schrieb und mit Cyrano eine legendäre Theaterfigur schuf.
Edmond Rostand wurde 1868 in Marseille geboren. Sein erstes Bühnenwerk «Die Romantischen» (Les
romanesques), eine zarte Liebesgeschichte, wurde 1894 in Paris aufgeführt.
Internationale Anerkennung fand Rostand mit seiner romantischen Verskomödie «Cyrano de Bergerac»,
dessen Held dem gleichnamigen geistreichen Degenfechter aus dem beginnenden 17. Jahrhundert
nachempfunden ist. Cyranos schriftliches Vermächtnis war fast vergessen, als Rostand ihn zum
Protagonisten seiner tragischen Komödie und damit auch zu einem französischen Nationalhelden machte.
Die Premiere des Stückes am 28. Dezember 1897 in Paris wurde zu einem triumphalen Erfolg.
1918 starb Edmond Rostand in Paris.
Jo Roets und Greet Vissers «Cyrano»
Jo Roets hat für das belgische Kinder- und Jugendtheater «Blauw Vier» in Antwerpen aus dem Stoff eine
frische, romantische Version für Jugendliche und Erwachsene gemacht und dafür die riesige Besetzung
auf drei Schauspieler reduziert, die – im flinken Wechsel der Rollen – die Liebesgeschichte spielen. Der
Regisseur und Autor Jo Roets, geboren 1961, bildete mit Greet Vissers den künstlerischen Kern von
«Blauw Vier», deren Credo hiess: «erwachsenes Theater für Kinder und Jugendliche». Die Uraufführung
von Cyrano fand 1996 in Antwerpen statt und war ein grosser Erfolg. Das Stück erfuhr bald auch
internationale Aufmerksamkeit und wurde bereits häufig nachgespielt.
Vorbereiten
Grundsätzliches zum Vorbereiten
Theater ist kein Medium, das die Jugendlichen in ihrer Freizeit «konsumieren». Sie sind es nicht gewohnt.
Obwohl sich Theater an und für sich aus sich selber heraus erklärt (oder erklären sollte), lässt sich das
Hinschauen und Hinhören doch trainieren. Bei «Cyrano» empfehlen wir eine Vorbereitung, die auf das
Medium Theater an sich vorbereitet und eventuell das Thema Rollenwechsel aufgreift sowie kurz über den
Inhalt informiert. Verraten Sie nicht zuviel!
Genau hinschauen
Theater arbeitet mit Zeichen. Jede Geste, jeder Gang bekommt auf der Bühne eine Bedeutung.
Die Schülerinnen und Schüler notieren Figuren auf kleine Zettel. Pro Zettel ein Begriff. Zum Beispiel Pilot/in, Polizist/-in und so weiter. Die Begriffe mischen und alle einen Zettel ziehen lassen. Aufstellung im
Kreis. A beginnt und geht als Figur durch den Kreis zu einer nächsten Person. Diese macht weiter. Das
Spiel dauert solange, bis alle einmal dran waren. Danach raten, wer was verkörpert hat. Woran genau
konnte man die Figur erkennen?
Genau hinhören
Den Stückbeschrieb vorlesen. Zwei SchülerInnen sitzen einander gegenüber. Die erste Person liest die
erste Hälfte des Textes vor. Dann dreht sie das Blatt um. Die andere Person gibt die Sätze und deren Inhalt
so genau wie möglich wieder. Wechseln. Dasselbe mit dem zweiten Abschnitt. Was bedeutet das
Gehörte? Worum geht es genau?
K1
Rollen wechseln
Alle Menschen haben verschiedene Rollen im Leben. Welche Rollen habe ich? (Schülerin, Tochter,
Schwester…).
Rollenwechsel im Theater erlauben, dass es weniger Schauspieler als Figuren braucht. Damit das
Publikum alles versteht, brauchen die Theaterleute verschiedene Mittel. Das einfachste und
Naheliegendste ist das Wechseln des Kostüms oder von Teilen des Kostüms. Das allein ist aber nicht
ausreichend. Es braucht eine andere Körperhaltung, eine andere Art des Sprechens.
Dazu folgende Übung. Spielt zu zweit eine einfache Szene. Während der Szene geht eine Person raus und
kommt als jemand anderes wieder hinein. Beispiel für eine einfache Szene: A stürzt. B kommt dazu,
schaut, was passiert ist und holt Hilfe. Dann kommt B als neue Person herein (Polizist, Sanitäter, Dieb).
Die Klasse rät, welche Person B als zweites gespielt hat.
Es können alle von der gleichen Grundsituation ausgehen.
Nachbereiten
Grundsätzliches zum Nachbereiten
Cyrano bietet enorm viel Material, um in der Klasse weiter zu arbeiten. Wir empfehlen eine Nachbereitung
auf zwei Ebenen. Zum einen über die persönliche Wahrnehmung; Was habe ich erlebt, was hat mich
berührt, was hat mir gar nicht gefallen?
Zum anderen über die Vertiefung eines Themas aus dem Stück. Unsere Vorschläge finden Sie in diesem
Material.
Gespräch nach dem Theaterbesuch
Jede Schülerin, jeder Schüler notiert sich zuerst einen positiven und einen negativen Eindruck des Stücks.
Eine Runde machen, in der alle zuerst unkommentiert das Positive, dann das Negative sagen.
Mögliche weitere Fragen:
Welche Figuren kamen im Stück vor? Wenn du den Namen nicht weisst, beschreibe sie oder spiel sie kurz
vor.
Wie findest du es, dass Cyrano Roxane seine Liebe nicht gestanden hat? Begründe.
Szenen nachspielen
Zu zweit einen Moment des Stücks auswählen, an den ihr euch besonders gut erinnert, der euch Eindruck
gemacht hat. Abmachen, wo ihr anfangen und wie ihr aufhören wollt. Den Text der Spur nach
wiederholen. Dann die Szene der Klasse vorspielen. Warum habt ihr genau diesen Ausschnitt gewählt?
Eine Szene aus dem Stück
Die Szene lesen. Worum geht es genau? Immer drei Personen zusammen. Es spielt keine Rolle, wer
Männer- oder Frauenrollen übernimmt. Die Szene anlernen. Versuchen, die Stimmung der jeweiligen Figur
auszudrücken. Wie geht die Szene weiter? Schreibt das Gespräch.
K2
Ein Theatercomic
Das Arbeitsblatt zeigt einen kurzen Ausschnitt des Stücks, und zwar, als Cyrano Christian Worte
einflüstert unter dem Balkon. Gebt den Figuren eure Worte, erfindet einen lustigen Text. Die wolkigen
Sprechblasen sind Gedankenblasen.
Erinnert euch an eine Szene des Stücks. Was ist da genau passiert? Erzählt das in einfachen Worten.
Dann erarbeitet dazu drei bis vier Standbilder (Standbilder sind eigentlich dreidimensionale Fotos mit
Menschen).
K3
Vertiefen
Cyrano – von Rostand bis heute
Cyrano de Bergerac
Den Edelmann gab es wirklich. Auf dem Blatt finden sich eine Zusammenfassung seines Lebens sowie
einen Textauszug aus dem Roman „Die Reise zum Mond“.
K4
Cyrano original und modern
Zwei Varianten von Szenen aus dem Stück. Das Original von Edmond Rostand und die Spielfassung des
Theater Kanton Zürich, basierend auf der Bearbeitung von Jo Roets und Greet Vissers. Was kommt in
beiden Texten vor? Wie unterscheiden Sie sich in der Form? Welchen liest du lieber und warum? Beide
Texte laut und rollenverteilt lesen.
K5
Was gab es schon im 17. Jahrhundert?
Die Geschichte um Cyrano spielt im 17.Jh. Auf dem Arbeitsblatt sind verschiedene Errungenschaften der
Menschheit aufgeführt. Die SchülerInnen kreuzen an, was es ihrer Meinung nach damals schon gab und
schätzen, wann etwas erfunden/eingeführt wurde. Ev. verteilen, wer was im Internet genauer recherchiert.
Auflösung: Postleitzahlen, 1964 / Autos, 1886 / Waschmaschinen, 1947 / Brillengläser, 1250 / Bücher um 1450 /
Fotoapparat, 1839 (Camera Obscura schon früher, seit der Antike) / Telefon, 1876 / Nylonstrümpfe, 1939 /
Blitzableiter, 1752 / die Schweiz, 1848 / elektrisches Licht, 1808 / Degen, 16. Jh. / Fahrrad, 1839 / Dosenöffner,
1855 / Bleistift, 1565 / Staubsauger, 1901 / Reissverschluss, 1914 / Antibiotika (Penicillin), 1928.
K6
Reime reimen
Spottverse
In Cyrano finden sich an einer Stelle sprachliche Bilder für die Nase. Sie sind von Cyrano selber erfunden
und beschreiben diese spöttisch. Auf dem Arbeitsblatt finden sich ein paar Beispiele. Die SchülerInnen
Schönheitsfehler sammeln und dazu Eigenheiten aufschreiben lassen. Zum Beispiel: grosse, abstehende,
angewachsene… Ohren. Dann in Zweiergruppen ein Körperteil auswählen und dazu Spottverse verfassen.
Spielregel ist, dass es Zweizeiler sein müssen, die sich reimen.
K7
Dreizeiler
Die Beispiele von Ernst Jandl sollen die SchülerInnen dazu anspornen, eigene „Mini-Gedichte“ zu
verfassen. Die Dreizeiler unterscheiden sich in der Form. Mal reimen sich alle drei Zeilen, mal keine.
Entscheidend ist der Fluss der Sprache und ein klares Bild, das beschrieben wird.
K8
Poetry Slam
Worum geht es? «Poetry Slam – das Paris Dakar unter den Literaturveranstaltungen. Schnell und
geschmeidig, hart und laut, poetisch und präzise – auf den deutschsprachigen Slambühnen haben sich
neue, urbane Literaturformen entwickelt.» Die Poetry Slammer arbeiten vor allem mit dem Rhythmus in
der Sprache. Manchmal reimt sich der Text, manchmal nicht. Wichtig ist, dass die Texte gesprochen
funktionieren. Meist werden sie sehr schnell und dynamisch vorgetragen, die Art und Weise der
Präsentation ist genauso wichtig wie der Inhalt der Texte. Beispiele von Auftritten finden sich auf Youtube,
etwa von Lara Stoll oder Gabriel Vetter.
Auf dem Arbeitsblatt ist ein Textbeispiel des Schweizer Autors Ralf Schlatter. Den Text in Zweiergruppen
lesen. Eine Strophe auswählen und üben. Eine Präsentation erarbeiten. Festlegen, wo der Text schnell, wo
langsam gelesen wird, wo laut und wo leise. Kür ist, wenn auch verschiedene Emotionen eingebracht
werden können.
K9
Was ist schön ?
Wahre Liebe
In der Szene aus dem Stück geht es darum, ob Roxane Christian auch lieben würde, wenn er hässlich
wäre. Die Szene rollenverteilt lesen.
Diskussion:
Glaubst du Roxanne?
Warum ja, warum nein? Begründe.
Was ist denn schön und was hässlich?
Wer legt die Normen fest?
Kennt ihr kulturell unterschiedliche Definitionen von Schönheit?
K10
Schön und erfolgreich?
Haben schöne Menschen mehr Erfolg? Viele erfolgreiche Menschen sind nicht „schön“. Dafür haben sie
andere Talente und sind genauso liebenswert wie die Schönen. Ergänze die Bildersammlung mit
Prominenten, die nicht nach üblichen Normen schön sind. Was haben sie für andere schöne Seiten?
K11
Schönheit kaufen
Ein Interview mit und ein Text über Enrique Steiger, einen Schönheits- und Kriegschirurgen aus Zürich,
kann als Grundlage für ein Gespräch darüber genommen werden, wie wichtig Schönheit überhaupt ist.
Sollen wir uns Verschönerungen kaufen können? Wo sind die Grenzen des Machbaren?
K12 / K13
Quellen
Cyrano de Bergerac: Die Reise zum Mond. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1991.
Edmond Rostand: Cyrano de Bergerac. Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 1977.
Jo Roets, Greet Vissers: Cyrano. Theaterstückverlag, München 1999.
Ernst Jandl: Peter und die Kuh. Gedichte. Luchterhand Literaturverlag GmbH, München 1996.
Hartmut Popsiech und Tina Uebel (Hrsg.): Poetry Slam 2002/2003. Rotbuch Verlag, Hamburg 2002.
reformiert. Kirchenbote Kanton Zürich. Nr. 3.2., 13. März 2009.
story.ch
dasmagazin.ch
Zum Stück
K1
Cyrano von Bergerac ist ein stolzer Edelmann, der mit dem Degen ebenso mutig und
virtuos ficht, wie mit seinen Versen. Sein einziger Makel ist seine Nase, die auffällig
gross und spitz aus seinem Gesicht ragt und ihn zum Gespött aller macht. Für ihn
selbst ist sein Äusseres weitaus mehr als nur ein Makel, wagt er es doch deswegen
nicht, der schönen Roxane seine Liebe zu gestehen. Nie würde sie ihn, Cyrano mit
der hässlichen Nase, lieben können. Als sie ihm zudem gesteht, sich in den
attraktiven aber einfältigen Soldaten Christian verliebt zu haben, sieht Cyrano die
Chance, seine Liebe zu Roxane wenigstens in Ansätzen auszuleben: Er leiht seinem
Rivalen seine Worte, Verse und in der berühmten Balkonszene auch seine Stimme.
Der zuerst harmlose Scherz beginnt schon bald eine Eigendynamik zu entwickeln,
die die Figuren im Verlaufe des Stückes überrollt…
Aus dem Stück
K2
10. Szene
Christian zerrt Cyrano zu Roxane.
CHRISTIAN
Roxane! Cyrano hat dir etwas Wichtiges zu erzählen.
(geht ab)
ROXANE
Warum läuft er weg?
Was hat er gesagt?
Vielleicht glaubt er mir nicht.
CYRANO
Haben Sie die Wahrheit gesagt?
ROXANE
Natürlich. Ich liebe ihn, selbst wenn er…
CYRANO
Sagen Sie, was Sie zu sagen haben. Mich verletzen Sie nicht damit.
Selbst wenn er hässlich wär?
ROXANE
Ja.
Ein Theatercomic
K3
Cyrano de Bergerac
K4
Cyrano de Bergerac hiess eigentlich Hector-Savinien de Cyrano. Seinen
Künstlernamen gab er sich nach einem Stück Land seines Vaters. Er wurde im März
1619 in Paris als Sohn einer reichen Bürgerfamilie geboren. Er war ein Zeitgenosse
von Molière, mit dem er gemeinsam Philosophie studierte. 1638 trat er bei den
sogenannten Gascogner Kadetten ein, eine militärische Einrichtung zur Ausbildung
von Berufsoffizieren. 1639 wurde Cyrano in einem Feldzug gegen Deutschland
schwer verwundet. Im Jahr darauf erlitt er nochmals eine schwere Verletzung und
verliess darauf die Kompanie. Er kehrte nach Paris zurück. Danach lebte er eine
zeitlang als unabhängiger Dichter, bis er dann 1653 in den Dienst eines Herzogs trat.
Cyrano de Bergerac starb im Juli 1655 in Paris, entweder an den Folgen einer Kopfverletzung oder an
einer Geschlechtskrankheit.
Cyrano de Bergeracs schriftstellerische Werke sind kaum mehr bekannt. Heute kennt man vor allem seine
Prosatexte «Die Reise zum Mond» und «Die Reise zur Sonne», zwei fantastische Romane von Reisen zu
den Mond- und Sonnenbewohnern.
Die Reise zum Mond (Ausschnitt)
Und damit Sie wissen, warum hierzulande alle Leute grosse Nasen
haben, so hören Sie, dass, sobald eine Frau niedergekommen ist,
die Patin das Kind zum Prior des Seminars bringt. Und genau nach
einem Jahr versammeln sich die Sachverständigen, wenn dann
seine Nase kürzer befunden wird als ein bestimmtes Mass, das der
Syndikus hat, so wird es für stumpfnasig erklärt und in die Hände
der Priester gegeben, die es entmannen. Sie fragen möglicherweise
nach dem Grund dieser Grausamkeit; wie es geschehen kann, dass
wir, bei denen Jungfräulichkeit ein Verbrechen ist, Leute mit Gewalt
enthaltsam machen? So erfahren Sie, dass wir es tun, nachdem wir
seit dreissighundert Jahren beobachtet haben, dass eine grosse Nase als
Aushängeschild ein Merkmal ist, das sagt: hier wohnt ein geistvoller, kluger,
höflicher, freundlicher, hochherziger Mensch mit feinem Sinn; und dass die
kleine das Wahrzeichen der gegenteiligen Laster ist. Daher macht man aus
den Stumpfnasen Eunuchen, weil der Staat lieber keine Kinder von ihnen
will als Kinder, die ihnen ähnlich sind..
Cyrano original und modern
Das Original von Edmond Rostand
Cyrano
Warum betrachten Sie denn
meine Nase?
Missvergnügter (eingeschüchtert)
Ich…
Cyrano
(auf ihn losgehend)
Was erstaunt Sie dran?
Missvergnügter (zurückweichend)
Nichts!
Cyrano
Ist sie weich wie’n Rüssel,
schlenkert wie ein Perpendikel? (*)
Missvergnügter (wie oben)
Nein!
Cyrano
Oder sieht ’nem Reiherschnabel
gleich?
Missvergnügter Ich habe…
Cyrano
Sind auf ihrer Spitze Pickel?
Missvergnügter Wenn doch…
Cyrano
Läuft eine Fliege darauf herum?
Ist’s ein Mirakel? (**)
Missvergnügter Ich…
Cyrano
Ein Unikum?(***)
Missvergnügter Ich sah sie gar nicht an, versichr’ ich
Ihnen!
Cyrano
Nicht? Sagen Sie, weshalb Sie das
nicht taten!
Missvergnügter Ich…
Cyrano
Ekelt Sie’s davor?
Missvergnügter Herr!
Cyrano
Weil zu kränklich die Farbe?
Missvergnügter Herr!
Cyrano
Die Formen zu bedenklich?
Missvergnügter Durchaus nicht!
Cyrano
Doch ich les in Ihren Mienen, dass
Ihnen scheint, sie sei zu gross geraten!
Missvergnügter (stotternd)
Ich finde sie ganz klein, ganz winzig
klein.
Cyrano
Was?! Eine Missgeburt soll ich gar
sein? Klein meine Nase?!
Missvergnügter Gott!
(*) Perpendikel = Pendel einer Uhr (**) Mirakel = Wunder (***) Unikum = das EInzigartige
K5
Die Spielfassung
Cyrano
(zum Publikum)
Sagen Sie mal, warum fixieren Sie
meine Nase?
Stimmt etwas nicht?
Sitzt sie nicht fest?
Wackelt sie?
Sind auf ihrer Spitze Pickel?
Läuft eine Fliege darauf herum?
Ist sie krumm?
Nicht? Und warum nicht?
Ekelt Sie’s davor?
Die Farbe kränklich?
Die Form bedenklich?
Doch, ich seh’ es in Ihrem
Gesicht, dass Ihnen scheint, sie
sei zu gross geraten.
Eine Missgeburt? Klein, meine
Nase?
Was gab es schon im 17. Jahrhundert?
K6
Postleitzahlen
ja
nein
Gibt es seit _______________
Autos
ja
nein
Gibt es seit _______________
Waschmaschinen
ja
nein
Gibt es seit _______________
Brillengläser
ja
nein
Gibt es seit _______________
Bücher
ja
nein
Gibt es seit _______________
Fotoapparat
ja
nein
Gibt es seit _______________
Die Schweiz
ja
nein
Gibt es seit _______________
Elektrisches Licht
ja
nein
Gibt es seit _______________
Degen
ja
nein
Gibt es seit _______________
Fahrrad
ja
nein
Gibt es seit _______________
Dosenöffner
ja
nein
Gibt es seit _______________
Bleistift
ja
nein
Gibt es seit _______________
Staubsauger
ja
nein
Gibt es seit _______________
Reissverschluss
ja
nein
Gibt es seit _______________
Penicillin
ja
nein
Gibt es seit _______________
Spottverse
K7
CYRANOS Reime über seine Nase:
Hätte ich einen solchen Zinken, würd’ an Amputation ich denken.
Ein Berg! Wetterfest, felsenfest, die Silhouette vom Mount Everest.
Pass’ er bloss auf und halte Gleichgewicht, sonst fällt er noch
kopfüber aufs Gesicht.
Weil sie das Gleichmass im Gesicht getötet, ist sie voll
Schuldbewusstsein und errötet.
Eigene Texte zu Schönheitsfehlern:
Spiegelblank poliertes Parkett, so glänzt die Glatze wirklich nett.
Dreizeiler
K8
dreizeiler
ernst jandl
der sprecher schweigt
kopfschüttelnd bleibt
sein publikum nicht lange
die rache
der sprache
vor dem fernseher
ist das gedicht
unentschuldigt
vergeht die nacht
Poetry Slam
komm katharina
von Ralf Schlatter
komm katharina, diese nacht, da stehlen wir uns davon
wir verlassen grosshöchstetten auf leisen sohlen
sagen allen, wir gingen bloss rasch zigaretten holen
und schon sind wir zum haus hinaus, raus und weg
auf dem einzigen ausweg, der uns einfällt
und uns ein für allemal zusammenhält,
ganz egal, was das schicksal noch bereithält
die lichter werden kleiner und die schatten dichter,
und zum glück schaut keiner von uns zwein zurück
komm katharina, nur noch dieses kleine stück
komm katharina, diese nacht, da suchen wir zu zweit das weite
fahrn seite an seite grad um grad in richtung südliche breite
lassen die berge hinter uns stehn,
lassen die namen der fahrstrassen auf der zunge zergehn,
wir lassen die sonne untergehn, wir machen das licht an,
halt dich dicht an mich ran, denn diese nacht lang
da halten wir nicht an, wir fahren südwestwärts
und unser herz setzt erst dann wieder ein, wenn wir das meer sehn
und zum glück schaut keiner von uns zwein zurück
komm katharina, nur noch dieses kleine stück
komm katharina, heut nacht, da machen wir, dass wir fortkommen,
verschaffen uns falsche papiere, heuern an als blinde passagiere,
lassen uns dann ganz cool auf der kommandobrücke blicken
schicken dem rest der welt ein sms vom deck der ms atlantik
widmen und dann ganz der seemannsromantik
den drink in der hand an der reling stehn
welle um welle im gegenlicht zergehen sehn
in der koje dann ganz in uns gehen, im takt der bordkapelle
und zum glück schaut keiner von uns zwein zurück
komm katharina, nur noch dieses kleine stück
komm katharina, heut nacht, da verduften wir,
da verschwinden wir von hier, werden die nase in den wind stecken
den benzinstand checken und dann endgültig auschecken –
es ist schon spät, komm katharina, nur noch dieses kleine stück
wenn wir heute nacht beginnen, dann reicht es noch bis kurz vor konolfingen.
K9
Wahre Liebe?
K10
8. Szene
CHRISTIAN
(nimmt Roxane zur Seite)
Roxane, warum bist du hier? Wegen ein paar Liebesbriefen?
ROXANE
Es waren viele. Und sie waren wunderbar. Mein Gott.
Ich liebe dich, seit du deine Seele, damals unter meinem Balkon, offen
legtest.
Und in deinen Briefen sprach fortwährend deine Stimme.
Ich las und las die Briefe immer wieder. Deine Liebe brannte in mir.
Vergib mir, dass ich zuerst nur dein Äusseres geliebt.
CHRISTIAN
Und jetzt?
ROXANE
Jetzt liebe ich dein tiefes Wesen.
Ich lieb‘ allein noch deinen Geist.
Dein Äusseres ist unwichtig geworden.
Ich werd’ dich auch noch lieben, wenn du dein Äusseres verlierst.
CHRISTIAN
Auch wenn ich … hässlich wär’?
ROXANE
Ja. Das schwöre ich.
Schön und erfolgreich?
K11
Schönheit kaufen
K12
Das Doppelleben des Doktor Steiger
Alles ist weiss in der Zürcher Welt des Arztes Dr. Enrique Steiger. Weiss
und schön wie die Lilien in seinem Sprechzimmer. Wer seine Praxis am
Utoquai betritt, trifft selten jemanden an. Das ist so gewollt. Die
Patientinnen stehen zwar monatelang Schlange für einen Termin, um sich
bei ihm verschönern zu lassen, aber Dr. Steigers Assistentin vollbringt das
tägliche Kunststück, dass sich die Frauen nie in der Praxis begegnen.
Enrique Steiger, 50, sitzt mit offenem weissen Kittel in seinem
Sprechzimmer und sieht aus, als gäbe George Clooney einen KinoChirurgen. Der Mann hat Charme, und seine Erscheinung war schon
filmreif, bevor er sich die ersten Fältchen aus dem eigenen Gesicht zu
spritzen begann. Dass er dies tut, bringt ihn nicht in geringste Verlegenheit,
warum auch? Sein Beruf ist das Verschönern von Menschen, und gut 20
Prozent seiner Kundschaft sind mittlerweile Männer. Steiger, ein begabter Zeichner, hat allerdings nicht
nur ein scharfes Auge und eine geschickte Hand, sondern offenbar auch die Gabe, Patientinnen von
Eingriffen abzubringen, die er für übertrieben hält. Den perfekt Gelifteten, sagt er, sehe man das Lifting
eben gerade nicht an. Sein Ruf ist bis nach Hollywood gedrungen, wo er zwei bis drei Wochen im Jahr
Leute operiert, die man in Zürich nur auf der Leinwand sieht. Wen, verrate er nicht einmal seiner Frau.
In den Schlachthäusern
Längst ist auch bei seinen Patientinnen durchgesickert, warum Enrique Steiger jedes Jahr für einen oder,
schlimmer noch, gar für mehrere Monate ausfällt. In dieser Zeit liftet er in seiner Praxis «Utoplast» weder
Busen noch strafft er Bäuche. Es gibt Frauen, die wählen ihn gerade deshalb aus, weil sie ihren
Schönheits- und Kriegschirurgen für einen kleinen Helden halten – was Steiger weit von sich weist.
Umgekehrt ist er froh, dass sich nur wenige genieren, ihre Tränensäcke von einem Arzt wegoperieren zu
lassen, der eben aus einem Gemetzel in Liberia oder Bosnien zurückgekehrt ist. Doch wer es wissen will,
für den wirft Enrique Steiger gern den Mac im Sprechzimmer an, wo er seine Einsätze in den
Schlachthäusern der Welt fotografisch archiviert hat. Steiger ist einer von 45 Chirurgen, die dem
Internationalen Roten Kreuz gelegentlich und für zeitlich befristete Einsätze zur Verfügung stehen. (Ein
weiteres Dutzend arbeitet fix für das IKRK.) Sein bislang letzter Einsatz war im Herbst 2007 in Kandahar,
Südafghanistan. Zwei Monate lang half der gelernte Unfallchirurg, ein
Provinzspital wieder auf die Beine zu bringen, das nach der Herrschaft der
Taliban zu einem Geisterhaus verkommen war. Heute hat es wieder 500
Betten, 150 davon auf der chirurgischen Abteilung, und die sind bereits
wieder übervoll. Manchmal liegen operierte Kinder zu zweit auf einem
Schragen oder Neugeborene in einem Tuch am Boden. Halb
weggeschossene Köpfe starren einem aus Steigers Computer entgegen,
abgerissene Beine, verkohlte Gesichter, Jungen mit einem tief in der Stirn
steckenden Messer, grausige Fleischwunden von Minen oder Spinnengift
– Spitalalltag in Kandahar.
Text: Martin Beglinger, Fotos: Yann Gross
© 2009 DAS MAGAZIN
Die Sehnsucht nach der schönen Hülle
K13
Illustration: Brigita Garcia Lopez
Interview: Daniela Schwegler, Delf Bucher
Interviewauszug aus einem Gespräch mit Enrique Steiger, Schönheitschirurg
«Der Mensch hat Freude am Tanz, an Kunst und an schönen Körpern. Die Schönheit gehört zum Leben
genauso wie die Luft zum Atmen.»
Und da helfen die Schönheitschirurgen nach?
Das Bedürfnis nach Schönheitsoperationen ist heute grösser geworden. Das hat verschiedene Gründe.
Wir altern langsamer dank der medizinischen und zivilisatorischen Errungenschaften. Im Mittelalter wäre
ich mit fünfzig bereits ein alter Mann und am Lebensende gewesen. Aber heute werden wir achtzig. Nur
die äussere Hülle hält nicht mit, so dass wir nachhelfen müssen.
Und jetzt kommen Sie und versprechen einem sechzigjährigen Menschen, dass er aussehen kann wie
ein Dreissigjähriger?
Ich verwandle nicht eine Sechzigjährige zu einer Dreissigjährigen. Das würde lächerlich wirken. Ich
korrigiere nur sanft. Nur weil man es könnte, muss man nicht alles machen. Meine Sechzigjährigen hier in
der Schweiz wollen lediglich aussehen wie mit fünfzig. Meine amerikanischen Patientinnen und Patienten
dagegen wollen oft mehr. Da bin dann ich der, der bremst. Denn ich muss ganz hinter meinem Werk
stehen. Ich bin ja der Maler, der das Bild malt. Und das muss ich verantworten können.
Kommen Kundinnen zu Ihnen, die sagen: Machen Sie aus mir eine Angelina Jolie?
Wenn jemand aussehen will wie Angelina Jolie und nicht Angelina Jolie ist, dann hat diese Person ein
Problem, und zwar ein heftiges. Solche Menschen muss ich enttäuschen. Solche Operationen lehne ich
ab und schicke die Kundinnen, die das wollen, zum Psychiater.
Sie verpassen auch keinem Mafioso, der um sein Leben fürchtet, eine neue Identität?
Nein, diese Figur existiert nur in der Fantasie der Leute. 99 Prozent der Patientinnen und Patienten
kommen mit klaren Vorstellungen zu mir. Sie wollen ihre zu grosse Nase verkleinert haben, die Augenlider
korrigiert oder Fettpolster am Bauch loswerden.
Steigt der gesellschaftliche Druck, sich chirurgisch verschönern zu lassen?
Ich fürchte, der Druck wird zunehmen. Übrigens auch bei den Männern. Allerdings existierte der Druck,
dem Schönheitsideal einer Gesellschaft zu genügen, schon immer. Keiner will ein hässliches Entlein sein.
Was aber steckt hinter dem gesellschaftlichen Drang, sich zu verjüngen?
Ich vermute, dass sich dahinter die tief sitzende Angst vor dem Tod verbirgt. Und wir Schönheitschirurgen
sind die, die das ein bisschen verwedeln.