Ich langweilte mich wieder einmal zu Tode
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Ich langweilte mich wieder einmal zu Tode
Eine Liebesgeschichte aus der Galaxis GREEN FAIRY Carl Andreas Franz Ich langweilte mich wieder einmal zu Tode. Alle Briefe waren geschrieben und geisterten nun im Amt über die Schreibtische meiner Vorgesetzten. Alle Kollegen, mit denen ich gern quatschte, hatten Außendienst, waren zur Fortbildung oder in Kur. Gott sei Dank war ich für all das schon zu alt. Ich war zwar noch recht gut zu Fuß, besser vielleicht als viele Jüngere, aber wenn ich versicherte, das Herumlaufen und Treppensteigen sei zu anstrengend für mich, wurde mir das auch geglaubt. Und zu irgendwelchen Kursen oder Kuren wurde ich nicht mehr geschickt, es trennten mich nur noch 18 Monate vom Rentenalter, da lohnt sich so eine Investition nicht mehr. Und so saß ich in meinem Zimmer, sah den treibenden Wolken zu, die der Sonne nur für Minuten gestatteten, einen scharfen Lichtstrahl auf die Erde zu richten, oder beobachtete den Wind, der in die Bäume vor meinem Fenster fuhr, so dass sie wie klagend ihre Laubmassen hin und her bewegten. Die Wolken wurden dunkler, zwei Elstern flatterten aufgeregt davon. Winkten nicht die drei alles überragenden Pappeln dahinten mir zu? Die Spatzen lärmten in dem Baum vor meinem Fenster, von der Straße hörte ich das regelmäßige Aufschlagen eines Balles. Ein Junge aus der Nachbarschaft hatte vermutlich seine Schulaufgaben beendet und wartete nun auf seinen Freund, um mit ihm Ball zu spielen. Längst hatte sich auf dem Computer der Bildschirmschoner eingeschaltet; kleine Lichtpunkte sausten von der Mitte des dunklen Bildschirms auf den Rand zu, so dass man den Eindruck hatte, man reise mit hoher Geschwindigkeit durch das Sternenmeer des Weltalls, ein sehr suggestives Bild. Schon klang mir die Melodie aus Krieg der Sterne in den Ohren, wagnerscher Pathos riss mich mit. Noch immer waren diese Reisen gefährlich. Hatte man erst einmal die Minuten hinter sich, die das Gerät benötigte, um die Anziehungskraft der Erde und des Sonnensystems zu verlassen, und war nicht aus Versehen auf dem Pluto oder Uranos gelandet, weil die Hirnies in der Leitstelle einem die berechnete Abflugzeit nicht freigaben, war man noch lange nicht in Sicherheit. Zwar konnte man schon kurz nach dem Start den immer etwas riskanten Antrieb ausschalten, auch war es nun möglich, in die Steuerung einzugreifen, aber was nutzte das schon, waren doch die Karten immer noch sehr, sehr lückenhaft, auch hatten die Bordcomputer gelegentlich Probleme mit deren vierdimensionaler Darstellung. Beschleunigte das Gerät, konnte es vorkommen, dass selbst der organische Quantenrechner mit dem Lesen der virtuellen Karten nicht mehr mitkam. Überhaupt hatten diese organischen Dinger ihre Probleme. Für Astronautenlatein hielt ich zwar die Berichte, dass sie plötzlich anfingen zu wachsen oder sich in ihre user verliebten, ich selbst hatte es aber einmal erlebt, dass bei einer unerwartet starken Beschleunigung es meinem schlauen Glibber die Nährlösung wegdrückte und er einfach einschlief. Bildschirm dunkel! So müssen sich die Leute früher gefühlt haben, wenn sie auf der Autobahn in eine Nebelbank gerieten. Ein wirklich tödliches Risiko waren aber die so genannten schwarzen Löcher, die nicht im Kartenwerk verzeichnet waren. Jedes Jahr wurden 2 welche gemeldet, die bislang unentdeckt geblieben waren. Es war ja hinreichend bekannt, dass sie nicht leicht finden waren, vor allem die kleinen, die nicht so eine riesige Masse hatten, aber da müssten halt die Behörden endlich bessere Geräte einsetzen oder meinetwegen Trassen sperren, solange sie nicht sicher sind. Ich hatte mir in einem ruhigen Fleckchen der Galaxis einen kleinen Planeten gekauft, nicht ganz billig, aber ich konnte ihn bequem in einem Tag erreichen. In anderen Spiralnebeln soll es ja wirklich noch Schnäppchen geben, aber da kommt man nur mit den großen Raumschiffen hin, und dann ist man so unbeweglich ohne eigenes Gerät. Auch vertrage ich es schlecht, wenn die Lichtgeschwindigkeit überschritten wird. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich einmal verreisen musste und mich morgens im Bordbad rasieren wollte. Plötzlich erlosch mein Spiegelbild! Der Spiegel war in Fahrrichtung angebracht und die Lichtwellen kamen nicht mehr zu mir zurück, weil wir gerade die Lichtmauer durchbrachen. ich dachte, jetzt ist es aus mit mir. Damals habe ich mir meinen ersten Planetenhopper gekauft, gebraucht natürlich, als kleiner Angestellter ist da nicht mehr drin. Aber das Ding war schon okay, obwohl es eine recht risikoreiche Art zu reisen war, man musste – war man erst mal aus dem Sonnensystem draußen – ein geeignetes Schwarze Loch ansteuern und sich von ihm anziehen lassen. Es war ein geiles Gefühl, wie Skifahren, nur dass die Piste nicht flach auslief sondern immer steiler wurde und in einem Abgrund endete. Im Weltraum kam es darauf an, das Gravitationsfeld zu verlassen, wenn man genug beschleunigt war, um sich vom nächsten Schwarzen Loch anziehen zu lassen. Mein Hopper war wirklich gut abgestimmt, elegant 3 konnte ich mich von Masse zu Masse schwingen. Allerdings verzieh er bei sportlicher Fahrweise nicht viel, eine Sekunde zu lang in einer Richtung geschwebt ohne auf die rettende andere Anziehung umzuschwenken, konnte schon das Ende bedeuten, dem man dann mit zunehmender Beschleunigung entgegenraste. Ich möchte mal wissen, wie sich das so anfühlt, wenn sich der eigene Körper so verdichtet, wann schaltet das Gehirn ab? Nun bin ich etwas behäbiger geworden, auch geht man mit den Jahren, die einem bei fortgeschrittenem Alter noch bleiben, sehr viel vorsichtiger um. Mein neues Gerät ist sehr stark positv geladen. Die Navigation war eine ziemliche Umstellung, Beschleunigen funktioniert jetzt durch Abstoßen vom Schwarzen Loch, nicht mehr durch das riskante Anziehen. Selbst Schwarzen Löchern, die nicht im Kartenwerk vorhanden sind, kann ich jetzt recht elegant ausweichen. Nur, was ist, wenn ich so einem negativ geladenen Teil begegne, von denen man jetzt immer wieder hört? Mein kleiner Planet war eine hübsche Welt für sich. Da er so klein war, waren Tage und Nächte nur halb so lang wie zu Hause, das passte sehr gut zu meiner Gewohnheit einen Mittagsschlaf zu halten. Jahreszeiten mit ihrem ebenso lästigen wie überflüssigen Klimaänderungen gab es nicht: Seine Achse stand senkrecht zur Umlaufbahn um seine Sonne. Es gab sogar eine Atmosphäre mit angenehmen Temperaturen, was den Aufenthalt ohne aufwändige Schutzkleidung im Freien ermöglichte. Allerdings war sie recht arm an Sauerstoff, so dass ich nach ein bis zwei Stunden wieder in meine Hütte kriechen musste. Meine 4 "Hütte" hatte ich mit Hilfe eines Bausatzes selber zusammengebastelt. Es war so eine Art Gewächshaus, in dem sich eine Biosphäre aus einem Substrat entwickelt hatte, mit Sauerstoff produzierenden Pflanzen. Bis zu Fröschen hatte sich diese kleine Welt schon entwickelt! Einmal habe ich sogar Erdbeeren gezüchtet, die sahen aber komisch aus. Weil die Schwerkraft meines Planeten so gering war, hatten sie sich zu eigenartigen verquollenen Dingern entwickelt, die nicht gerade appetitanregend aussahen. Die geringe Schwerkraft hatte auch für die Frösche eine ulkige Konsequenz: Hopsten sie einer Fliege nach, sausten sie wie Geschosse durch meine Bleibe und nicht selten musste ich ein paar zerdrückte Exemplare morgens aus meinem Bett schütteln. Obwohl es eine Atmosphäre gab, wuchs auf meinem Planet so gut wie nichts, da es nichts Wasserartiges gab, ein paar mikroskopische Moose, das war alles. Es gab aber sehr schöne Steine, nicht selten bizarr geformt und von höchst unterschiedlichen Farben, die zu sammeln ich auf meinen Wanderungen nie müde wurde. Mit ausgewählten Exemplaren hatte ich einen Gesteinsgarten um meine Basis angelegt, geschützt gegen die ewigen Sandverwehungen durch eine sorgfältig gefügte Trockenmauer. Höhepunkt meiner Gartengestaltung war eine Sammlung von bunt funkelnden Kristallen, die ich wie ein Blumenbeet vor dem Eingang angelegt hatte. Stundenlang konnte ich unter meiner Plexiglaskuppel sitzen und mich an der Farbenpracht erfreuen, die sich unter dem fast schwarzen Himmel vor mir ausbreitete. Leider kam meine Frau nie mit, sie vertrug die Atmosphäre nicht, und so war ich der Einzige, der diese sonderbare Schönheit zu Gesicht bekam. Den einen oder 5 anderen Kristall habe ich aber zur Erde geschmuggelt und meiner Frau geschenkt, obwohl ich von der space authority dazu keine Erlaubnis hatte. Der Planet gehörte zwar wirklich mir, er war korrekt bezahlt und ich war auch als Eigentümer bei der authority registriert, ich hatte aber nicht das Recht zur wirtschaftlichen Ausbeute, da hätte ich sehr viel mehr bezahlen müssen. Das Recht zur wirtschaftlichen Ausbeute hatten leider ganz andere. Fühlte ich mich nach Ausschlafen, Wandern und Steinebegucken einsam, konnte ich zum Nachbarplaneten rüberfahren, wenn er denn gerade in der Nähe war, und mal im Einstein´s vorbeischauen. Mein innerer Nachbarplanet war wesentlich größer, hatte ebenfalls eine Atmosphäre und sogar so ein wasserähnliches Zeug gab es dort. Aus irgendwelchen Gründen hatte sich hier ein gesellschaftliches Leben herausgebildet, vielleicht weil es so schöne Sonnenuntergänge gab. Der Planet war zwar ursprünglich auch unbewohnt, jedenfalls wusste niemand etwas von anthropoiden Wesen, aber irgendwann hatte sich ein earthling dort niedergelassen und gelegentlich anderen spacers mit seinem Ersatzteillager, Sauerstoff, Wasser oder Lebensmitteln aus der Patsche geholfen. Alkohol gab es natürlich auch. Bezahlen musste man nichts, es gab sowieso noch keine intergalaktische Währung, man war lediglich aufgefordert, das Entnommene wieder zu ersetzen, man konnte aber auch was anders hinstellen. Als ich zum ersten Mal dort landete, fühlte ich mich an die Spinnerbrücke in Berlin erinnert: Hunderte von sonderbaren Gestalten saßen und standen hier mit ihren Geräten herum. Es trafen sich Leute aus den verschiedensten Galaxien, von denen man oft noch nie etwas gehört hatte und nicht ahnte, dass sie von 6 subjects bewohnt waren, mit denen man kommunizieren konnte, einigermaßen wenigstens. Meistens bediente man sich einer Art Pidgin-Sprache, die steife high language der authority benutzte eigentlich niemand. Ein Problem stellte das Medium dar, hatten doch bei weitem nicht alle subjects eine Stimme oder Gehör. Viele hatten Augen für Licht, nahmen aber ganz andere Frequenzen als wir wahr, manche hatten Organe, mit denen sie elektromagnetische Schwingungen registrierten oder aussandten. Es war ein weites Erprobungsfeld für Bastler, die schon die unterschiedlichsten Geräte entwickelt hatten, um eine Kommunikation zu ermöglichen. Völlig undenkbar war es, sich über jemand wegen seines Aussehens oder seiner Ausdrucksweise lustig zu machen, da eben jeder in den Augen der anderen komisch aussah oder sich ungeschickt ausdrückte. Natürlich gab es gelegentlich Cliquenbildungen, die earthlings aus Bayern zum Beispiel saßen gern mit ihren Bierflaschen beisammen und kicherten über irgendwelche grünen Männchen oder Wesen, die aussahen wie aus Star Wars entsprungen. Aber so etwas löste sich eigentlich schnell wieder auf, alle waren eben spacer, Individualisten, die eher ihrer Heimat entkommen als Heimatgefühle kultivieren wollten. Beliebtestes Gesprächsthema, mit dessen Hilfe man mit jedem Kontakt bekommen konnte, waren natürlich die Geräte. Es war erstaunlich, was Ideen spaceweit ausgebrütet wurden, um der engen Heimat zu entkommen. Viele spacer waren Ingenieure, die ständig an den Fluggeräten herumschraubten, immer auf der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten, andere hingegen hatten eine künstlerische Ader und bemalten ihre Fortbewegungsmittel phantasievoll. 7 Ein camp am Rande von Einstein´s compound zog eine andere Sorte Wissenschaftler an, Biologen, Mediziner und Psychologen, denn hier hatten sich dauerhaft gestrandete Weltenbummler niedergelassen, die nicht mehr zurück zu ihren Heimatplaneten fanden, manche, weil sie durch die Krümmung des intergalaktischen Raumes die Orientierung verloren hatten und selbst mit den modernsten Navigationsmitteln ihre Basis nicht mehr identifizieren konnten, manche, weil sie einfach zu alt für eine jahrelange Rückreise waren, manche, weil ihnen - vom Rande des Weltalls stammend - ihre Heimat schneller davonflog, als ihre Maschinen reisen konnten. Die space authority soll vor Jahren noch eine Rückführaktion gestartet haben, ihr cruiser war aber noch immer nicht zurück. Die comunity vom Einstein´s nahm sich natürlich der Gestrandeten an, konnte doch bei aller Vorsicht jeder einmal auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Das Problem war nur: Wie sollte man helfen, denn nicht jeder vertrug Dosenwürstchen oder Spaghetti oder was es so auf den verschiedenen Galaxien zu essen gab. Unter den Wissenschaftlern war geradezu ein Wettlauf entstanden, die richtige Nahrung zu finden, ohne mit Experimenten jemand zu vergiften. Die zu Grunde liegende Frage war natürlich, wie denn diese anthropoiden Lebewesen biologisch funktionierten, was hatten sie für Organe, wie deckten sie den Energiebedarf und wie vermehrten sie sich, was wiederum eine Frage von allgemeinem Interesse war, die auch mich bald beschäftigen sollte. Die authority hatte zwar Obduktionen gestattet, wenn einer der displaced persons gestorben war, was allgemein auch als vernünftig angesehen wurde, aber die noch lebenden displaceds beschwerten sich heftig. Es wäre schon ein nicht ganz einfaches Schicksal hier herumzusitzen und 8 auf den Tod zu warten, aber das würden sie ertragen. Unerträglich aber fänden sie die Vorstellung, dass nach ihrem Tod sich diese Leichenschnipsler über sie hermachen würden. Seit dem war Konsens, dass keine Obduktionen mehr durchgeführt wurden, da kam kein Pathologe dagegen an. Es wurde eine kleine Feier abgehalten, wenn jemand von den Gestrandeten gestorben war, alle ließen ihre Geräte an, und wenn der cruiser der authority erschien, um den Toten abzuholen und in einem Schwarzen Loch zu entsorgen, sangen - zumindest die Erdlinge - das alte Liedchen von Nena von Bodo der Dritte, aus der Sternen Mitte ... Noch einmal gab es einen Riesenkrach um dieses Thema. Einer der displaceds war schwer erkrankt, man rechnete mit seinem Ableben. Er hatte sich von den übrigen etwas entfernt sein Nachtlager herrichten lassen und dort niedergelegt. Es war schon dunkel, die meisten spacer waren zu ihren Planeten zurückgereist oder schliefen, als plötzlich vom camp der displaceds ein fürchterlicher Lärm und Gebrüll zu hören war. Alle eilten herbei und entdeckten, dass ein spacer mit Skalpell, Haken und Gefäßen sich über den armen Alten hergemacht hatte, den er für tot gehalten hatte. Es soll sich übrigens um einen earthling gehandelt haben. Er wurde nachdrücklich von der Einstein´s community zur sofortigen Abreise aufgefordert. Häufig, wenn ich am camp der Gestrandeten vorbeikam, fiel mir ein "Grünes Weibchen" auf, die aber offensichtlich nicht zu den Gestrandeten gehörte. Sie eilte mit einem Notebook von Lagerplatz zu Lagerplatz, wo sie mit Hilfe eines recht professionellen translators mit den sonderbarsten Typen versuchte Kontakt auf zunehmen. Manchmal sah ich sie auch schwere Körbe voller Konserven und Flaschen 9 heranschleppen und schon begann ich Überlegungen anzustellen, ob ich ihr nicht einmal beim Körbe Schleppen behilflich sein sollte. Gelegentlich, wenn ich die mühsame Konversation mit Hilfe der translators leid war, gesellte ich mich zu der Gruppe aus Bayern und hörte ihrem lustigen Dialekt zu. Wir redeten über geschickte Reiserouten oder günstige Startzeiten, über Geld und blödsinnige Entscheidungen der authority. Im vertrauten Kreis der Landsleute wurde dann auch schon mal das Thema angesprochen, was man natürlich immer im Kopf hatte: Wie machen es die anderen, zum Beispiel die Grünen Männchen oder - Weibchen? Meine Green Fairy - den Spitznamen hatte sie schon weg im Einstein´s - konnte sich ohne Schutzanzug bewegen, sie hatte meistens nur eine Art dünnes Hemd an, was ziemlich viel erkennen ließ. Nicht, dass Sie jetzt denken, meine Green Fairy sei ein anthropomorpher Laubfrosch gewesen, nein, das grüne Pigment ihrer Haut war von einem leichten Goldglanz überfangen, der von einem ganz feinen Flaum herrührte. Auch ihre Haare waren goldblond. Ich hatte auch schon herausbekommen, dass sie ein Warmblüter war - das war im space ja keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Ich hatte mich an der Getränkeausgabe ein bisschen an sie gedrängt und ihre Körperwärme gespürt. Dann hatten wir uns angeblickt, ihre Augen waren tiefblau. Unsere Blicke sanken in einander, bis sie anfing mit einer hellen Stimme zu lachen, wahrscheinlich war ich rot angelaufen. Ich ergriff die Flucht. Von weitem sah ich meine Green Fairy noch einmal in der Menge von subjects und vehicles. Wir winkten uns zu; 10 ich wühlte mich durch das Gedränge - es musste irgendwo Ferien oder freie Tage gegeben haben - , aber als ich an die Stelle kam, wo ich glaubte sie gesehen zu haben, war sie verschwunden. Die Umstehenden deuteten in diese oder jene Richtung, als ich sie nach der grünen Frau fragte, es war nichts zu machen. Resigniert war ich zu meinem kleinen Planeten zurück gefahren, räumte meinen Steingarten auf, entstaubte meine Biosphärenblase und verkroch mich schließlich im Bett, um noch ein wenig zu lesen. Schon hatte mein kleiner Planet sich wieder um seine Achse gedreht, meine Abflugzeit rückte unaufhaltsam näher. Ich beobachtete den Horizont in der Hoffnung, es würde vielleicht ein Fahrzeug auftauchen; Green Fairy hätte zum Beispiel meine Adresse rausbekommen und käme zu Besuch .... Die Rückreise war unspektakulär, ich hing meinen Gedanken nach. Wieder zu Hause war ich müde und niedergeschlagen, die starke Erdanziehung machte mir nach den Weltraumausflügen immer sehr zu schaffen. Meine Frau meinte, wenn ich so schlapp da rumhinge, sollte ich das spacen doch lieber bleiben lassen und mit ihr ein bisschen Rad fahren. Nach zwei Wochen hielt ich es nicht mehr aus und meldete mich erneut zu einem Trip an, obwohl meine Kontoauszüge eigentlich etwas anderes nahelegten. Auf der Reise wurde ich kräftig durchgeschüttelt, ich hatte den Eindruck in die Energieturbulenz eines sehr großen Fahrzeugs geraten zu sein und machte eine Meldung an die spaceguard der Sektion. Als ich auf meinem Miniplaneten angekommen war, legte ich mich gleich schlafen, es war es schon dunkel geworden. 11 Kurz waren die Nächte auf meinem Planeten, und so weckte mich bald schon wieder die Sonne, um die mein Planet kreiste. Schnell war ich auf den Beinen und sauste zum Nachbarplaneten hinüber, um im Einstein´s zu frühstücken. Die Bayern waren auch wieder da; wie immer saßen sie in im Kreis, lachten und tranken Bier. Sie begrüßten mich mit Hallo und erzählten gleich, dass Green Fairy schon bei den displaceds sei. Ich bestellte mir ein Frühstück und spähte zum camp hinüber, konnte aber nichts erkennen. Enttäuscht trödelte ich herum, besah mir die neu eingetroffenen Fahrzeuge und versuchte von den Eigentümern noch einige technische Details zu erfahren. Erst am Nachmittag sah ich Green Fairy vom camp kommen, sie strahlte mich an, wie gern hätte ich sie umarmt, getraute mich aber nicht, höflich gaben wir uns die Hand, die Sitte hatte sich auch bei den Grünen Männchen ausgebreitet. Wir nahmen einen kleinen Imbiss, danach schlug ich ihr vor, ein wenig um den See zu spazieren. Tatsächlich gab es einen See, eine Senke, die mit einer wasserähnlichen Flüssigkeit gefüllt war, die wir nun umrundeten. Green Fairy erzählte von einer ethnopsychologischen Feldforschung im camp der Gestrandeten, womit sie ihre Abschlussprüfung bestreiten wollte. Tatsächlich waren die sogenannten Grünen Männchen führend in dieser Disziplin, die für das intergalaktische Zusammenleben von höchster Bedeutung war, mussten doch Kriterien gefunden werden, um eindeutig zu bestimmen, wer subject war und damit bestimmte Rechte genießen sollte und wer nicht. Wer unter den ungezählten Arten von individuals des Weltalls nicht den Status subject erreichte, konnte gegessen werden oder zu medizinischen Versuchen benutzt werden, was vermutlich das schlimmere Schicksal war. Ich erinnere mich noch gut an einen erbitterten Streit zwischen 12 einer merkwürdigen Koalition aus hochkarätigen europäischen Wissenschaftlern und sehr einfachen afrikanischen Waldbewohnern einerseits und Grünen Männchen andererseits, weil letztere Schimpansen den Status von subjects zuerkennen wollten. In Afrika gelten Schimpansenbabys im Ausbackteig aber als Festessen, auf das man auf keinen Fall verzichten wollte, und die Wissenschaftler brauchten die Affen, um in ihren Hirnen mit Elektroden herumzustochern und zu anderen Gemeinheiten, von denen sie wohlweislich nichts erzählten. Fairy plauderte mit ihrer munteren Sprechweise begeistert von irgendwelchen Verhaltensformen, die sich im camp entwickelt hätten und die sie datenmäßig erfasst hätte. Während sie sprach, hatte sie sich bei mir eingehängt! Vulkane schienen in mir zu explodieren, Raketen schossen durch meinen Kopf. Redete ich Unsinn? Fairy erläuterte mir Details aus ihrer Arbeit bei den displaceds, die traurigen Gesellen schienen gar nicht so doof zu sein, wie sie auf mich bisher immer gewirkt hatten. Unsere hiesige Sonne begann unterzugehen, ein gerühmtes Schauspiel dieses Planeten. Da sich durch die Spiegelung im See das Ereignis verdoppelte, kamen viele subjects hier zusammen, eine Gemeinde von heiterer Festlichkeit versammelte sich auf den verschiedenen Erhebungen um den See. Fairy und ich waren nicht das einzige Liebespaar, endlich getraute ich mich den Arm um Fairys so weibliche Hüften zu schlingen. Mit einem ungeheuren Farbenspiel schien die Sonne im See zu versinken, alle waren gerührt, eine feierliche Stimmung war aufgekommen. Wir küssten uns inniglich. 13 Die displaced subjects hatten am Abend zu einer Party eingeladen, zum Dank für die Hilfe, die sie von der Einstein ´s comunity empfangen hatte. Tatsächlich, gestand mir Fairy, sei das ihre Idee gewesen, es sei ein Experiment, um herauszufinden, wie dieser aus allen Ecken des Weltraumes zusammengewürfelte Haufen ein gemeinsames Fest veranstalten würde. Sie musste zurück, da noch einige Vorbereitungen zu treffen waren. Hand in Hand eilten wir am Seeufer entlang zum Lager. Am Wegesrand trafen wir auf die Bayern, die es sich mit ein paar Flaschen Bier gemütlich gemacht hatten. Natürlich entging ihnen der Fortschritt nicht, den ich mit meinen Annäherungsversuchen bei Fairy gemacht hatte. Sie klatschten Beifall, hoben die Daumen, wie die Militärpiloten, wenn sie wieder eine Stadt flach gemacht hatten, und lachten, sich auf die Schenkel schlagend. Das Fest der displaced subjects war hübsch. Sie oder Fairy hatten sogar eine Kapelle organisiert, obwohl viele von ihnen überhaupt keine Hörorgane hatten. Lampions waren aufgehängt, es wurde gegrillt, wobei niemand so genau wusste, was da gegrillt wurde, ich habe vorsichtshalber die Finger davon gelassen. Die Bayern kochten Weißwürste, die ich auch ziemlich eklig fand, weil ich nämlich wusste, was drin war. Der Wirt vom Einstein´s hatte eine Pilzbowle spendiert. In einem großen Kübel driftete eine sonderbare Masse, die einer aus der comunity aus seiner Heimat mitgebracht hatte. Die Brühe hatte einen gewöhnungsbedürftigen Geschmack und eine leicht haluzinatorische Wirkung, nicht unangenehm. Eine Stimmung von sanfter Heiterkeit verbreitete sich, es wurde getanzt und gesungen. 14 Leider gab es für mich keine Gelegenheit, mit Fairy zu tanzen. Ich verzehrte mich vor Sehnsucht, während sie dauernd mit Leuten, die sie für interessant oder wichtig hielt, durch die Gegend sprang. Die displaceds hatten kleine Natriumfeuer entfacht, an denen man sitzen und seine Bowle schlürfen konnte. Leider lockten die Feuer auch Beamte der space guard an, die darauf bestanden, dass die Feuer gelöscht wurden, da sie den Verkehr gefährdeten. Die Stimmung wurde aggressiv, sie sollten sich lieber um die gefährlichen Riesenraumschiffe kümmern, aber da wären sie ja zu feige dazu. Dann schaufelten die displaced subjects die Feuer zu und die Typen zogen wieder ab. Am Rand des Festplatzes hatte jemand ein kleines Freiluftkino aufgebaut, wo ich mir Mickey-Mouse-Filme reinziehen konnte. Als die Filme zum dritten Mal durchliefen, mischte ich mich wieder unters Volk. Viele hatten sich schon zum Schlafen in ihre Reisegeräte oder Zelte zurückgezogen, manche hatten sich auch einfach zwischen ein paar Steinen zusammengerollt und schliefen. Die Atmosphäre hatte sich geklärt und ein Sternhimmel von unfassbarer Pracht funkelte über den letzten Gästen. Die Kapelle war schon am Einpacken, nur ein Ziehharmonikaspieler dudelte noch vor sich hin, als Fairy auf mich zukam. Sie strahlte, schlang die Arme um meinen Hals und ließ sich baumeln. Der Ziehharmonikaspieler sah uns und setzte zu einem zärtlichen Musette-Walzer an. Ich drehte mich über den festgetreten Boden, Fairy schwang um mich herum. Wir verließen das Fest und gingen zum See hinunter, wir wußten wohin wir zu gehen hatten: Zur Tristanhöhle; es gab keinen Zweifel, heute würde sie uns gehören, alle guten Geister des Weltalls, die die Liebenden 15 beschützen, waren mit uns. Nur zwei Kaninchen mussten wir aus der Höhle vertreiben. So schön die Sonnenuntergänge hier sein konnten, so hart waren ihre Aufgänge. Über Nacht verschwanden alle Partikel aus der Atmosphäre, kalt und klar bohrte die hiesige Sonne ihre Strahlen in unsere Augen, als wir zerkratzt und zerbissen aus unserer Höhle krochen. Wir erfrischten uns im See, kleideten uns an und gingen zum Einstein´s frühstücken. Der Kaffee belebte uns, aber Gedanken an die sogenannte Realität ließen sich nicht mehr abwehren. Ich schämte mich, weil ich meine Frau betrogen hatte, was in Fairy vorging, ahnte ich nicht, sie schwieg. Ein kleiner Erdlingsjunge kam angelaufen und deutete in Richtung Parkplatz. - "Das ist doch dein Gerät da, da blinkt etwas!" Oh, verflucht, ich hatte meine gebuchte Abfahrzeit vergessen. Wenn ich jetzt losrannte, wäre ich vielleicht noch weggekommen, aber das war völlig undenkbar. Fairy sah mich erwartungsvoll an, ich zuckte die Schultern, nein, ich würde jetzt nicht fahren. Den Unglücksboten entlohnte ich mit einer Cola. Fairy und ich hingen unseren Gedanken nach. Ich fragte sie schließlich, ob sie Lust hätte, meinen Planeten anzuschauen, sie wollte sich aber lieber um ihre diplaced subjects kümmern. Wir verabredeten uns für den Abend, gaben uns einen langen Abschiedskuss und trennten uns. Ich nahm zunächst Kontakt zur space authority auf und erklärte ich hätte den Termin zur Rückreise nicht wahrnehmen können, weil die Kaffeemaschine im Einstein´s kaputt gewesen sei und der Arzt mir verordnet habe, vor einer Reise ordentlich Kaffee zu trinken, damit mein Kreislauf unterwegs nicht 16 schlapp machte. Meine Gesprächsparterin am anderen Ende der Leitung schwieg einen Augenblick, ich hörte wie sie etwas in den Computer eingab, dann sagte sie nur lakonisch "Ihr Risiko, die Stornierung geht zu Ihren Lasten." Das waren 100 €. Weitere 50 € musste ich noch bezahlen, damit sie meiner Frau bescheid sagten, sie würde sich sonst sicher Sorgen machen. Einen neuen Termin könnte ich erst in 5 bis 6 local time units haben, ich sollte mich zur Verfügung halten, es sei sehr viel Betrieb zur Zeit. Dann schwang ich mich in mein Gerät und brauste zu meinem Planetchen hinüber, das auch bald als helle Scheibe am schwarzen Weltraumhimmel auftauchte. Dort habe ich mich dann erst einmal rasiert und frische Wäsche angezogen und den Gesteinsgarten etwas aufgeräumt, alles war von dickem Staub bedeckt. Ein dicker Diamant war verschwunden, ich konnte es mir nicht erklären wieso. War jemand hier gewesen? Ich steckte einen hübschen Opal für Green Ferry in die Hosentasche und legte mich schließlich schlafen, da es schon wieder Nacht wurde auf meinem kleinen Planeten. Ich erwachte mit keinen guten Gefühlen, ich war voller Sehnsucht nach Fairy, aber was hatte unsere Liebe für eine Zukunft? Die Reisekosten waren zwar für den enormen Aufwand recht gering, aber mehr wie zwei bis drei Reisen konnte ich mir pro Jahr nicht leisten. Edelsteine schmuggeln war zwar lukrativ, aber streng verboten, da die authority den Handel teuer konzessionierte. Ich wäre nicht der erste spacer gewesen, den sie für Jahre auf einem abgelegen Planeten oder Mond eingesperrt hatten. Die widersprüchlichsten Gedanken durchzuckten meinen Kopf, sie reichten von der reumütigen Rückkehr zu meiner Gattin und einem friedlichen Rentnerdasein an ihrer Seite bis hin zu 17 den tollsten Ausbruchsphantasien und einem Leben im Weltraum. Schließlich warf ich mein Gerät wieder an und entschwebte Richtung Nachbarplanet, um Green Fairy wieder zu treffen. Ich hatte auf dem Parkplatz vom Einstein´s mein Gerät abgestellt und war zu der Terrasse hochgegangen, die Bayern saßen auf der Brüstungsmauer und begrüßen mich freudig, prosteten mir zu und wollten wissen, wie es denn mit Green Fairy gewesen sei. Über meine Verlegenheit wollten sie sich schon wieder totlachen. Dann sah ich das Raumschiff, etwa 70 bis 80 t groß, es stand ungefähr 50 m von der Terrasse entfernt. Zwei bullige Grüne Männchen hatten Fairy untergehakt, ich erkannte sie genau, und schleiften sie im Laufschritt zum dem Raumschiff. Sekunden vergingen, ehe ich in der Lage war zu schreien; schon zerrten sie Fairy die Gangway hinauf. Ehe sie in der Luke verschwand, konnte sie sich noch einmal umdrehen, zweifellos hatte sie mich gesehen, sie winkte mir zu, dann schoben die Kerle sie in die Kabine und schlossen die schwere Klappe. Ich drehte mich zu den Bayern um. Vor Entsetzen konnte ich nur stammeln und auf das Raumschiff weisen, das schon begann abzuheben. Die Bayern blickten betreten, warum hatten sie ihr nicht geholfen? Einer rutschte von der Brüstung herunter und kam zu mir. Er legte den Arm um meine Schulter und sagte: "Schau, es sind ihre Brüder, verstehst? Sie haben ein Problem auf ihrem Planet, es soll so ein Riesending gelandet sein." Nun kamen auch die anderen, boten mir ihr Bier an und versuchten mich zu trösten. Der Wirt eilte herbei, er hatte ein official message, die auch mir galt. Es herrsche großer Andrang auf den Trassen, Reisewillige sollten sich in ihren Geräten zum Abflug bereit 18 halten. Die sonst so friedliche community war in Aufregung, das große Schiff, der überhastete Aufbruch der allseits beliebten Green Fairy, der wie eine Entführung aussah, beunruhigte alle. Gerüchte waren im Umlauf. Ich verabschiedete mich vom Wirt, die Bayern begleiteten mich zu meinem Gerät. Erst als wir Adressen austauschten, fingen sie wieder zu lachen an; sie entdeckten dass ich Berliner war. Ich schloss die Luke hinter mir, meldete mich an und wartete. Ich wusste noch nicht einmal, wo Fairy wohnte und ob ihr Planet für mein kleines Fahrzeug erreichbar war. Zu weite Flüge würde mir die space authority bestimmt nicht gestatten. Ich merkte, wie der check up der Aggregate begann; die Flugleitung hatte ihn von der Zentrale aus gestartet. Aus dem Lautsprecher meldete sich eine Stimme, meine Werte seien nicht gut, ob ich Stress gehabt hätte. Ich log tapfer und versicherte reisefähig zu sein. Es entging ihnen aber auch nichts, obwohl ich Tempotaschentücher auf die Handgriffe gelegt hatte, in denen die verräterischen Sensoren eingebaut waren! Schließlich hob ich ab - das ging wieder alles außengesteuert - und winkte den Bayern zu, die ihre riesigen blau-weißen Schnupftücher entfalteten und ebenfalls winkten. Bald hatte mich die Nacht des Weltraumes verschluckt, die Sterne der Galaxis drifteten heran und schossen an mir vorbei. Saß ich etwa schon wieder vor meinem Computer im Büro und starrte den Bildschirmschoner an? Das suggestive Bild wirkte beruhigend auf mich, die Steuerung überließ ich der Automatik und dem Kontrollzentrum. Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und träumte von meiner Nacht mit Fairy ... 19 Ein unangenehmes Rütteln ließ mich hochfahren. Die Instrumente zeigten verstärkte Gravitationswellen an. Ich rief das Kontrollzentrum, um zu fragen, ob etwas zu veranlassen sei, als vor mir eine gigantische Wand auftauchte, ich konnte sie deutlich im schwachen Sternenlicht erkennen, sie war voller regelmäßig angeordneter Lichter wie Fenster und Positionslampen. Ich schrie auf, riß voll Panik an allen Hebeln herum, aus dem Lautsprecher drangen Stimmen, die ich nicht verstehen konnte. Während die Wand größer und größer wurde und immer deutlicher zu sehen war, hörte ich leise zischend das Narkosegas aus den Düsen strömen. Ich kam kurz zu mir, als mich zwei kräftige Sanitäter aus meinem Gerät zerrten und mit den typischen großen Mondsprüngen eilig zum moonshuttle brachten. Offensichtlich hatte man mich mit der Außensteuerung zum Mondbahnhof geleitet, nachdem man mich eingeschläfert hatte. Das shuttle war schon startklar, eilig wurde ich in die Rot-Kreuz-Kabine gestopft, in der schon zwei andere spacer lagen. Ich musste dringend aufs Klo, was mir gnädig trotz des bereits laufenden Startvorganges gestattet wurde. Nachdem das shuttle ausgeschleust war, konnte ich durch die Luke schon unseren blauen Planeten am schwarzen Weltraumhimmel sehen, dann döste ich wieder weg. Ein rythmisches schrilles Geräusch weckte mich. Es waren Spatzen, der vor dem Fenster lärmten. Ich lag in einem Klinikbett, aus allen meinen Körperöffnungen ragten Schläuche und Drähte. Offensichtlich war ich im Krankenhaus, ich war ein Notfall! Ich jubelte inwendig, bedeutete das doch, dass ich nichts für meine Rettung 20 bezahlen musste, vielleicht sogar den verpatzten Starttermin nicht. Neben meinem Bett, in einem Sessel zusammengesunken, saß eine in einen weißen Kittel gehüllte Gestalt, es war meine Frau. Sie war eingeschlafen und schnarchte ein wenig. Ich streckte meinen Arm nach ihr aus, soweit das die Drähte und Schläuche zuließen, bis ich ihre Hand erreichte. "He, Suse, aufgewacht, ich bin wieder da!" Sie fuhr hoch, wie müde sie aussah, sicher hatte sie die ganze Nacht hier gesessen. "Gott sei Dank, du bist wach." Wir küssten uns, dann klingelte sie weisungsgemäß nach der Schwester. Erst am nächsten Tag konnte ich nach Hause, sie haben den ganzen Tag an mir herumuntersucht, auch einem Psychiater musste ich Rede und Antwort stehen. Es war nicht ganz einfach, seinen geschickten Fragen auszuweichen und mein Liebesabenteuer zu verschweigen. Um zehn Uhr Ortszeit konnte mein Frau mich wieder in Empfang nehmen, nachdem sie mich mit einem starken Antidepressivum so vollgepumpt hatten, dass mir die lärmenden Spatzen vor meinem Fenster wie Nachtigallen klangen. Ich glaubte auf rosa Wölkchen zu schweben. Fairies Bild war verblasst, fern, wie eine Erinnerung an meine erste Freundin in der Schule. Selbst die Gravitation der Erde, die mich immer so unangenehm nach Weltraumausflügen belastete, tangierte mich nicht. Das Schönste war aber eine Krankschreibung, für ganze vierzehn Tage! Zu Hause war der Frühstückstisch gedeckt, es duftete nach frischen Brötchen und Kaffee. Suse hatte eine Bildzeitung gekauft. Auf der ersten Seite prangte ein Photo von mir, wie mich zwei Sanitäter aus meinem kleinen Raumfahrzeug zerrten. 21 CHAOS IM WELTRAUM brüllte die Balkenüberschrift. Ich war nicht der einzige, der gerettet werden musste, es sollen zehn spacer allein aus Berlin gewesen sein, einer wurde noch vermisst. Es wurde etwas von starken Schwankungen im Raumkontinuum gefaselt, was auch immer das bedeuten sollte, ein Psychiater meinte hingegen eine Massenpsychose unter spacern diagnostizieren zu können. Ich hatte mir vorm Frühstück frische Sachen angezogen. Während ich mir schon mal etwas Kaffee eingoss, stopfte meine Frau meine schmutzigen Jeans noch schnell in die Maschine. Dann hörte ich einen leisen Aufschrei nebenan aus dem Bad. Suse trat in die Küche, auf der ausgestreckten Hand hielt sie den Opal, den ich für Green Fairy eingesteckt hatte.. Er sah wirklich riesig auf ihrer kleinen Hand aus und schimmerte geheimnisvoll, das Grün trat dabei besonders schön hervor. "Karl!", rief sie, "der ist ja traumhaft, dass du daran noch gedacht hast!" Ich wurde rot, wusste ich doch überhaupt nicht, woran ich hätte denken sollen. "Ja, klar ... ", stotterte ich, "ich habe erst jetzt einen richtig großen gefunden." Berlin, Juni 2003 Alle Rechte an diesem Text liegen beim Autor. Ohne meine Einwilligung darf der Text nur zu privaten Zwecken genutzt werden. 22