Ich langweilte mich wieder einmal zu Tode

Transcrição

Ich langweilte mich wieder einmal zu Tode
Eine Liebesgeschichte aus der Galaxis
GREEN FAIRY
Carl Andreas Franz
Ich langweilte mich wieder einmal zu Tode. Alle Briefe waren
geschrieben und geisterten nun im Amt über die
Schreibtische meiner Vorgesetzten. Alle Kollegen, mit denen
ich gern quatschte, hatten Außendienst, waren zur
Fortbildung oder in Kur. Gott sei Dank war ich für all das
schon zu alt. Ich war zwar noch recht gut zu Fuß, besser
vielleicht als viele Jüngere, aber wenn ich versicherte, das
Herumlaufen und Treppensteigen sei zu anstrengend für
mich, wurde mir das auch geglaubt. Und zu irgendwelchen
Kursen oder Kuren wurde ich nicht mehr geschickt, es
trennten mich nur noch 18 Monate vom Rentenalter, da
lohnt sich so eine Investition nicht mehr. Und so saß ich in
meinem Zimmer, sah den treibenden Wolken zu, die der
Sonne nur für Minuten gestatteten, einen scharfen
Lichtstrahl auf die Erde zu richten, oder beobachtete den
Wind, der in die Bäume vor meinem Fenster fuhr, so dass sie
wie klagend ihre Laubmassen hin und her bewegten. Die
Wolken wurden dunkler, zwei Elstern flatterten aufgeregt
davon. Winkten nicht die drei alles überragenden Pappeln
dahinten mir zu? Die Spatzen lärmten in dem Baum vor
meinem Fenster, von der Straße hörte ich das regelmäßige
Aufschlagen eines Balles. Ein Junge aus der Nachbarschaft
hatte vermutlich seine Schulaufgaben beendet und wartete
nun auf seinen Freund, um mit ihm Ball zu spielen.
Längst hatte sich auf dem Computer der Bildschirmschoner
eingeschaltet; kleine Lichtpunkte sausten von der Mitte des
dunklen Bildschirms auf den Rand zu, so dass man den
Eindruck hatte, man reise mit hoher Geschwindigkeit durch
das Sternenmeer des Weltalls, ein sehr suggestives Bild.
Schon klang mir die Melodie aus Krieg der Sterne in den
Ohren, wagnerscher Pathos riss mich mit. Noch immer
waren diese Reisen gefährlich. Hatte man erst einmal die
Minuten hinter sich, die das Gerät benötigte, um die
Anziehungskraft der Erde und des Sonnensystems zu
verlassen, und war nicht aus Versehen auf dem Pluto oder
Uranos gelandet, weil die Hirnies in der Leitstelle einem die
berechnete Abflugzeit nicht freigaben, war man noch lange
nicht in Sicherheit. Zwar konnte man schon kurz nach dem
Start den immer etwas riskanten Antrieb ausschalten, auch
war es nun möglich, in die Steuerung einzugreifen, aber was
nutzte das schon, waren doch die Karten immer noch sehr,
sehr lückenhaft, auch hatten die Bordcomputer gelegentlich
Probleme mit deren vierdimensionaler Darstellung.
Beschleunigte das Gerät, konnte es vorkommen, dass selbst
der organische Quantenrechner mit dem Lesen der virtuellen
Karten nicht mehr mitkam. Überhaupt hatten diese
organischen Dinger ihre Probleme. Für Astronautenlatein
hielt ich zwar die Berichte, dass sie plötzlich anfingen zu
wachsen oder sich in ihre user verliebten, ich selbst hatte es
aber einmal erlebt, dass bei einer unerwartet starken
Beschleunigung es meinem schlauen Glibber die Nährlösung
wegdrückte und er einfach einschlief. Bildschirm dunkel! So
müssen sich die Leute früher gefühlt haben, wenn sie auf der
Autobahn in eine Nebelbank gerieten. Ein wirklich tödliches
Risiko waren aber die so genannten schwarzen Löcher, die
nicht im Kartenwerk verzeichnet waren. Jedes Jahr wurden
2
welche gemeldet, die bislang unentdeckt geblieben waren.
Es war ja hinreichend bekannt, dass sie nicht leicht finden
waren, vor allem die kleinen, die nicht so eine riesige Masse
hatten, aber da müssten halt die Behörden endlich bessere
Geräte einsetzen oder meinetwegen Trassen sperren,
solange sie nicht sicher sind.
Ich hatte mir in einem ruhigen Fleckchen der Galaxis einen
kleinen Planeten gekauft, nicht ganz billig, aber ich konnte
ihn bequem in einem Tag erreichen. In anderen Spiralnebeln
soll es ja wirklich noch Schnäppchen geben, aber da kommt
man nur mit den großen Raumschiffen hin, und dann ist man
so unbeweglich ohne eigenes Gerät. Auch vertrage ich es
schlecht, wenn die Lichtgeschwindigkeit überschritten wird.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich einmal
verreisen musste und mich morgens im Bordbad rasieren
wollte. Plötzlich erlosch mein Spiegelbild! Der Spiegel war in
Fahrrichtung angebracht und die Lichtwellen kamen nicht
mehr zu mir zurück, weil wir gerade die Lichtmauer
durchbrachen. ich dachte, jetzt ist es aus mit mir. Damals
habe ich mir meinen ersten Planetenhopper gekauft,
gebraucht natürlich, als kleiner Angestellter ist da nicht mehr
drin. Aber das Ding war schon okay, obwohl es eine recht
risikoreiche Art zu reisen war, man musste – war man erst
mal aus dem Sonnensystem draußen – ein geeignetes
Schwarze Loch ansteuern und sich von ihm anziehen lassen.
Es war ein geiles Gefühl, wie Skifahren, nur dass die Piste
nicht flach auslief sondern immer steiler wurde und in einem
Abgrund endete. Im Weltraum kam es darauf an, das
Gravitationsfeld zu verlassen, wenn man genug beschleunigt
war, um sich vom nächsten Schwarzen Loch anziehen zu
lassen. Mein Hopper war wirklich gut abgestimmt, elegant
3
konnte ich mich von Masse zu Masse schwingen. Allerdings
verzieh er bei sportlicher Fahrweise nicht viel, eine Sekunde
zu lang in einer Richtung geschwebt ohne auf die rettende
andere Anziehung umzuschwenken, konnte schon das Ende
bedeuten, dem man dann mit zunehmender Beschleunigung
entgegenraste. Ich möchte mal wissen, wie sich das so
anfühlt, wenn sich der eigene Körper so verdichtet, wann
schaltet das Gehirn ab?
Nun bin ich etwas behäbiger geworden, auch geht man mit
den Jahren, die einem bei fortgeschrittenem Alter noch
bleiben, sehr viel vorsichtiger um. Mein neues Gerät ist sehr
stark positv geladen. Die Navigation war eine ziemliche
Umstellung, Beschleunigen funktioniert jetzt durch Abstoßen
vom Schwarzen Loch, nicht mehr durch das riskante
Anziehen. Selbst Schwarzen Löchern, die nicht im
Kartenwerk vorhanden sind, kann ich jetzt recht elegant
ausweichen. Nur, was ist, wenn ich so einem negativ
geladenen Teil begegne, von denen man jetzt immer wieder
hört?
Mein kleiner Planet war eine hübsche Welt für sich. Da er so
klein war, waren Tage und Nächte nur halb so lang wie zu
Hause, das passte sehr gut zu meiner Gewohnheit einen
Mittagsschlaf zu halten. Jahreszeiten mit ihrem ebenso
lästigen wie überflüssigen Klimaänderungen gab es nicht:
Seine Achse stand senkrecht zur Umlaufbahn um seine
Sonne. Es gab sogar eine Atmosphäre mit angenehmen
Temperaturen, was den Aufenthalt ohne aufwändige
Schutzkleidung im Freien ermöglichte. Allerdings war sie
recht arm an Sauerstoff, so dass ich nach ein bis zwei
Stunden wieder in meine Hütte kriechen musste. Meine
4
"Hütte" hatte ich mit Hilfe eines Bausatzes selber
zusammengebastelt. Es war so eine Art Gewächshaus, in
dem sich eine Biosphäre aus einem Substrat entwickelt
hatte, mit Sauerstoff produzierenden Pflanzen. Bis zu
Fröschen hatte sich diese kleine Welt schon entwickelt!
Einmal habe ich sogar Erdbeeren gezüchtet, die sahen aber
komisch aus. Weil die Schwerkraft meines Planeten so gering
war, hatten sie sich zu eigenartigen verquollenen Dingern
entwickelt, die nicht gerade appetitanregend aussahen. Die
geringe Schwerkraft hatte auch für die Frösche eine ulkige
Konsequenz: Hopsten sie einer Fliege nach, sausten sie wie
Geschosse durch meine Bleibe und nicht selten musste ich
ein paar zerdrückte Exemplare morgens aus meinem Bett
schütteln.
Obwohl es eine Atmosphäre gab, wuchs auf meinem Planet
so gut wie nichts, da es nichts Wasserartiges gab, ein paar
mikroskopische Moose, das war alles. Es gab aber sehr
schöne Steine, nicht selten bizarr geformt und von höchst
unterschiedlichen Farben, die zu sammeln ich auf meinen
Wanderungen nie müde wurde. Mit ausgewählten
Exemplaren hatte ich einen Gesteinsgarten um meine Basis
angelegt, geschützt gegen die ewigen Sandverwehungen
durch eine sorgfältig gefügte Trockenmauer. Höhepunkt
meiner Gartengestaltung war eine Sammlung von bunt
funkelnden Kristallen, die ich wie ein Blumenbeet vor dem
Eingang angelegt hatte. Stundenlang konnte ich unter
meiner Plexiglaskuppel sitzen und mich an der Farbenpracht
erfreuen, die sich unter dem fast schwarzen Himmel vor mir
ausbreitete. Leider kam meine Frau nie mit, sie vertrug die
Atmosphäre nicht, und so war ich der Einzige, der diese
sonderbare Schönheit zu Gesicht bekam. Den einen oder
5
anderen Kristall habe ich aber zur Erde geschmuggelt und
meiner Frau geschenkt, obwohl ich von der space authority
dazu keine Erlaubnis hatte. Der Planet gehörte zwar wirklich
mir, er war korrekt bezahlt und ich war auch als Eigentümer
bei der authority registriert, ich hatte aber nicht das Recht
zur wirtschaftlichen Ausbeute, da hätte ich sehr viel mehr
bezahlen müssen. Das Recht zur wirtschaftlichen Ausbeute
hatten leider ganz andere.
Fühlte ich mich nach Ausschlafen, Wandern und
Steinebegucken einsam, konnte ich zum Nachbarplaneten
rüberfahren, wenn er denn gerade in der Nähe war, und mal
im Einstein´s vorbeischauen. Mein innerer Nachbarplanet
war wesentlich größer, hatte ebenfalls eine Atmosphäre und
sogar so ein wasserähnliches Zeug gab es dort. Aus
irgendwelchen Gründen hatte sich hier ein gesellschaftliches
Leben herausgebildet, vielleicht weil es so schöne
Sonnenuntergänge gab. Der Planet war zwar ursprünglich
auch unbewohnt, jedenfalls wusste niemand etwas von
anthropoiden Wesen, aber irgendwann hatte sich ein
earthling dort niedergelassen und gelegentlich anderen
spacers mit seinem Ersatzteillager, Sauerstoff, Wasser oder
Lebensmitteln aus der Patsche geholfen. Alkohol gab es
natürlich auch. Bezahlen musste man nichts, es gab sowieso
noch keine intergalaktische Währung, man war lediglich
aufgefordert, das Entnommene wieder zu ersetzen, man
konnte aber auch was anders hinstellen. Als ich zum ersten
Mal dort landete, fühlte ich mich an die Spinnerbrücke in
Berlin erinnert: Hunderte von sonderbaren Gestalten saßen
und standen hier mit ihren Geräten herum. Es trafen sich
Leute aus den verschiedensten Galaxien, von denen man oft
noch nie etwas gehört hatte und nicht ahnte, dass sie von
6
subjects bewohnt waren, mit denen man kommunizieren
konnte, einigermaßen wenigstens. Meistens bediente man
sich einer Art Pidgin-Sprache, die steife high language der
authority benutzte eigentlich niemand. Ein Problem stellte
das Medium dar, hatten doch bei weitem nicht alle subjects
eine Stimme oder Gehör. Viele hatten Augen für Licht,
nahmen aber ganz andere Frequenzen als wir wahr, manche
hatten Organe, mit denen sie elektromagnetische
Schwingungen registrierten oder aussandten. Es war ein
weites Erprobungsfeld für Bastler, die schon die
unterschiedlichsten Geräte entwickelt hatten, um eine
Kommunikation zu ermöglichen. Völlig undenkbar war es,
sich über jemand wegen seines Aussehens oder seiner
Ausdrucksweise lustig zu machen, da eben jeder in den
Augen der anderen komisch aussah oder sich ungeschickt
ausdrückte. Natürlich gab es gelegentlich Cliquenbildungen,
die earthlings aus Bayern zum Beispiel saßen gern mit ihren
Bierflaschen beisammen und kicherten über irgendwelche
grünen Männchen oder Wesen, die aussahen wie aus Star
Wars entsprungen. Aber so etwas löste sich eigentlich
schnell wieder auf, alle waren eben spacer, Individualisten,
die eher ihrer Heimat entkommen als Heimatgefühle
kultivieren wollten. Beliebtestes Gesprächsthema, mit dessen
Hilfe man mit jedem Kontakt bekommen konnte, waren
natürlich die Geräte. Es war erstaunlich, was Ideen
spaceweit ausgebrütet wurden, um der engen Heimat zu
entkommen. Viele spacer waren Ingenieure, die ständig an
den Fluggeräten herumschraubten, immer auf der Suche
nach Optimierungsmöglichkeiten, andere hingegen hatten
eine künstlerische Ader und bemalten ihre
Fortbewegungsmittel phantasievoll.
7
Ein camp am Rande von Einstein´s compound zog eine
andere Sorte Wissenschaftler an, Biologen, Mediziner und
Psychologen, denn hier hatten sich dauerhaft gestrandete
Weltenbummler niedergelassen, die nicht mehr zurück zu
ihren Heimatplaneten fanden, manche, weil sie durch die
Krümmung des intergalaktischen Raumes die Orientierung
verloren hatten und selbst mit den modernsten
Navigationsmitteln ihre Basis nicht mehr identifizieren
konnten, manche, weil sie einfach zu alt für eine jahrelange
Rückreise waren, manche, weil ihnen - vom Rande des
Weltalls stammend - ihre Heimat schneller davonflog, als
ihre Maschinen reisen konnten. Die space authority soll vor
Jahren noch eine Rückführaktion gestartet haben, ihr cruiser
war aber noch immer nicht zurück. Die comunity vom
Einstein´s nahm sich natürlich der Gestrandeten an, konnte
doch bei aller Vorsicht jeder einmal auf die Hilfe anderer
angewiesen sein. Das Problem war nur: Wie sollte man
helfen, denn nicht jeder vertrug Dosenwürstchen oder
Spaghetti oder was es so auf den verschiedenen Galaxien zu
essen gab. Unter den Wissenschaftlern war geradezu ein
Wettlauf entstanden, die richtige Nahrung zu finden, ohne
mit Experimenten jemand zu vergiften. Die zu Grunde
liegende Frage war natürlich, wie denn diese anthropoiden
Lebewesen biologisch funktionierten, was hatten sie für
Organe, wie deckten sie den Energiebedarf und wie
vermehrten sie sich, was wiederum eine Frage von
allgemeinem Interesse war, die auch mich bald beschäftigen
sollte. Die authority hatte zwar Obduktionen gestattet, wenn
einer der displaced persons gestorben war, was allgemein
auch als vernünftig angesehen wurde, aber die noch
lebenden displaceds beschwerten sich heftig. Es wäre schon
ein nicht ganz einfaches Schicksal hier herumzusitzen und
8
auf den Tod zu warten, aber das würden sie ertragen.
Unerträglich aber fänden sie die Vorstellung, dass nach
ihrem Tod sich diese Leichenschnipsler über sie hermachen
würden. Seit dem war Konsens, dass keine Obduktionen
mehr durchgeführt wurden, da kam kein Pathologe dagegen
an. Es wurde eine kleine Feier abgehalten, wenn jemand von
den Gestrandeten gestorben war, alle ließen ihre Geräte an,
und wenn der cruiser der authority erschien, um den Toten
abzuholen und in einem Schwarzen Loch zu entsorgen,
sangen - zumindest die Erdlinge - das alte Liedchen von
Nena von Bodo der Dritte, aus der Sternen Mitte ... Noch
einmal gab es einen Riesenkrach um dieses Thema. Einer
der displaceds war schwer erkrankt, man rechnete mit
seinem Ableben. Er hatte sich von den übrigen etwas
entfernt sein Nachtlager herrichten lassen und dort
niedergelegt. Es war schon dunkel, die meisten spacer waren
zu ihren Planeten zurückgereist oder schliefen, als plötzlich
vom camp der displaceds ein fürchterlicher Lärm und Gebrüll
zu hören war. Alle eilten herbei und entdeckten, dass ein
spacer mit Skalpell, Haken und Gefäßen sich über den armen
Alten hergemacht hatte, den er für tot gehalten hatte. Es soll
sich übrigens um einen earthling gehandelt haben. Er wurde
nachdrücklich von der Einstein´s community zur sofortigen
Abreise aufgefordert.
Häufig, wenn ich am camp der Gestrandeten vorbeikam, fiel
mir ein "Grünes Weibchen" auf, die aber offensichtlich nicht
zu den Gestrandeten gehörte. Sie eilte mit einem Notebook
von Lagerplatz zu Lagerplatz, wo sie mit Hilfe eines recht
professionellen translators mit den sonderbarsten Typen
versuchte Kontakt auf zunehmen. Manchmal sah ich sie auch
schwere Körbe voller Konserven und Flaschen
9
heranschleppen und schon begann ich Überlegungen
anzustellen, ob ich ihr nicht einmal beim Körbe Schleppen
behilflich sein sollte.
Gelegentlich, wenn ich die mühsame Konversation mit Hilfe
der translators leid war, gesellte ich mich zu der Gruppe aus
Bayern und hörte ihrem lustigen Dialekt zu. Wir redeten über
geschickte Reiserouten oder günstige Startzeiten, über Geld
und blödsinnige Entscheidungen der authority. Im vertrauten
Kreis der Landsleute wurde dann auch schon mal das Thema
angesprochen, was man natürlich immer im Kopf hatte: Wie
machen es die anderen, zum Beispiel die Grünen Männchen
oder - Weibchen?
Meine Green Fairy - den Spitznamen hatte sie schon weg im
Einstein´s - konnte sich ohne Schutzanzug bewegen, sie
hatte meistens nur eine Art dünnes Hemd an, was ziemlich
viel erkennen ließ. Nicht, dass Sie jetzt denken, meine Green
Fairy sei ein anthropomorpher Laubfrosch gewesen, nein,
das grüne Pigment ihrer Haut war von einem leichten
Goldglanz überfangen, der von einem ganz feinen Flaum
herrührte. Auch ihre Haare waren goldblond. Ich hatte auch
schon herausbekommen, dass sie ein Warmblüter war - das
war im space ja keineswegs eine Selbstverständlichkeit.
Ich hatte mich an der Getränkeausgabe ein bisschen an sie
gedrängt und ihre Körperwärme gespürt. Dann hatten wir
uns angeblickt, ihre Augen waren tiefblau. Unsere Blicke
sanken in einander, bis sie anfing mit einer hellen Stimme zu
lachen, wahrscheinlich war ich rot angelaufen. Ich ergriff die
Flucht. Von weitem sah ich meine Green Fairy noch einmal in
der Menge von subjects und vehicles. Wir winkten uns zu;
10
ich wühlte mich durch das Gedränge - es musste irgendwo
Ferien oder freie Tage gegeben haben - , aber als ich an die
Stelle kam, wo ich glaubte sie gesehen zu haben, war sie
verschwunden. Die Umstehenden deuteten in diese oder
jene Richtung, als ich sie nach der grünen Frau fragte, es
war nichts zu machen. Resigniert war ich zu meinem kleinen
Planeten zurück gefahren, räumte meinen Steingarten auf,
entstaubte meine Biosphärenblase und verkroch mich
schließlich im Bett, um noch ein wenig zu lesen. Schon hatte
mein kleiner Planet sich wieder um seine Achse gedreht,
meine Abflugzeit rückte unaufhaltsam näher. Ich
beobachtete den Horizont in der Hoffnung, es würde
vielleicht ein Fahrzeug auftauchen; Green Fairy hätte zum
Beispiel meine Adresse rausbekommen und käme zu Besuch
....
Die Rückreise war unspektakulär, ich hing meinen Gedanken
nach. Wieder zu Hause war ich müde und niedergeschlagen,
die starke Erdanziehung machte mir nach den
Weltraumausflügen immer sehr zu schaffen. Meine Frau
meinte, wenn ich so schlapp da rumhinge, sollte ich das
spacen doch lieber bleiben lassen und mit ihr ein bisschen
Rad fahren. Nach zwei Wochen hielt ich es nicht mehr aus
und meldete mich erneut zu einem Trip an, obwohl meine
Kontoauszüge eigentlich etwas anderes nahelegten. Auf der
Reise wurde ich kräftig durchgeschüttelt, ich hatte den
Eindruck in die Energieturbulenz eines sehr großen
Fahrzeugs geraten zu sein und machte eine Meldung an die
spaceguard der Sektion. Als ich auf meinem Miniplaneten
angekommen war, legte ich mich gleich schlafen, es war es
schon dunkel geworden.
11
Kurz waren die Nächte auf meinem Planeten, und so weckte
mich bald schon wieder die Sonne, um die mein Planet
kreiste. Schnell war ich auf den Beinen und sauste zum
Nachbarplaneten hinüber, um im Einstein´s zu frühstücken.
Die Bayern waren auch wieder da; wie immer saßen sie in im
Kreis, lachten und tranken Bier. Sie begrüßten mich mit
Hallo und erzählten gleich, dass Green Fairy schon bei den
displaceds sei. Ich bestellte mir ein Frühstück und spähte
zum camp hinüber, konnte aber nichts erkennen. Enttäuscht
trödelte ich herum, besah mir die neu eingetroffenen
Fahrzeuge und versuchte von den Eigentümern noch einige
technische Details zu erfahren. Erst am Nachmittag sah ich
Green Fairy vom camp kommen, sie strahlte mich an, wie
gern hätte ich sie umarmt, getraute mich aber nicht, höflich
gaben wir uns die Hand, die Sitte hatte sich auch bei den
Grünen Männchen ausgebreitet. Wir nahmen einen kleinen
Imbiss, danach schlug ich ihr vor, ein wenig um den See zu
spazieren. Tatsächlich gab es einen See, eine Senke, die mit
einer wasserähnlichen Flüssigkeit gefüllt war, die wir nun
umrundeten. Green Fairy erzählte von einer
ethnopsychologischen Feldforschung im camp der
Gestrandeten, womit sie ihre Abschlussprüfung bestreiten
wollte. Tatsächlich waren die sogenannten Grünen Männchen
führend in dieser Disziplin, die für das intergalaktische
Zusammenleben von höchster Bedeutung war, mussten doch
Kriterien gefunden werden, um eindeutig zu bestimmen, wer
subject war und damit bestimmte Rechte genießen sollte und
wer nicht. Wer unter den ungezählten Arten von individuals
des Weltalls nicht den Status subject erreichte, konnte
gegessen werden oder zu medizinischen Versuchen benutzt
werden, was vermutlich das schlimmere Schicksal war. Ich
erinnere mich noch gut an einen erbitterten Streit zwischen
12
einer merkwürdigen Koalition aus hochkarätigen
europäischen Wissenschaftlern und sehr einfachen
afrikanischen Waldbewohnern einerseits und Grünen
Männchen andererseits, weil letztere Schimpansen den
Status von subjects zuerkennen wollten. In Afrika gelten
Schimpansenbabys im Ausbackteig aber als Festessen, auf
das man auf keinen Fall verzichten wollte, und die
Wissenschaftler brauchten die Affen, um in ihren Hirnen mit
Elektroden herumzustochern und zu anderen Gemeinheiten,
von denen sie wohlweislich nichts erzählten. Fairy plauderte
mit ihrer munteren Sprechweise begeistert von
irgendwelchen Verhaltensformen, die sich im camp
entwickelt hätten und die sie datenmäßig erfasst hätte.
Während sie sprach, hatte sie sich bei mir eingehängt!
Vulkane schienen in mir zu explodieren, Raketen schossen
durch meinen Kopf. Redete ich Unsinn? Fairy erläuterte mir
Details aus ihrer Arbeit bei den displaceds, die traurigen
Gesellen schienen gar nicht so doof zu sein, wie sie auf mich
bisher immer gewirkt hatten.
Unsere hiesige Sonne begann unterzugehen, ein gerühmtes
Schauspiel dieses Planeten. Da sich durch die Spiegelung im
See das Ereignis verdoppelte, kamen viele subjects hier
zusammen, eine Gemeinde von heiterer Festlichkeit
versammelte sich auf den verschiedenen Erhebungen um
den See. Fairy und ich waren nicht das einzige Liebespaar,
endlich getraute ich mich den Arm um Fairys so weibliche
Hüften zu schlingen. Mit einem ungeheuren Farbenspiel
schien die Sonne im See zu versinken, alle waren gerührt,
eine feierliche Stimmung war aufgekommen. Wir küssten
uns inniglich.
13
Die displaced subjects hatten am Abend zu einer Party
eingeladen, zum Dank für die Hilfe, die sie von der Einstein
´s comunity empfangen hatte. Tatsächlich, gestand mir
Fairy, sei das ihre Idee gewesen, es sei ein Experiment, um
herauszufinden, wie dieser aus allen Ecken des Weltraumes
zusammengewürfelte Haufen ein gemeinsames Fest
veranstalten würde. Sie musste zurück, da noch einige
Vorbereitungen zu treffen waren. Hand in Hand eilten wir am
Seeufer entlang zum Lager. Am Wegesrand trafen wir auf die
Bayern, die es sich mit ein paar Flaschen Bier gemütlich
gemacht hatten. Natürlich entging ihnen der Fortschritt
nicht, den ich mit meinen Annäherungsversuchen bei Fairy
gemacht hatte. Sie klatschten Beifall, hoben die Daumen,
wie die Militärpiloten, wenn sie wieder eine Stadt flach
gemacht hatten, und lachten, sich auf die Schenkel
schlagend.
Das Fest der displaced subjects war hübsch. Sie oder Fairy
hatten sogar eine Kapelle organisiert, obwohl viele von ihnen
überhaupt keine Hörorgane hatten. Lampions waren
aufgehängt, es wurde gegrillt, wobei niemand so genau
wusste, was da gegrillt wurde, ich habe vorsichtshalber die
Finger davon gelassen. Die Bayern kochten Weißwürste, die
ich auch ziemlich eklig fand, weil ich nämlich wusste, was
drin war. Der Wirt vom Einstein´s hatte eine Pilzbowle
spendiert. In einem großen Kübel driftete eine sonderbare
Masse, die einer aus der comunity aus seiner Heimat
mitgebracht hatte. Die Brühe hatte einen
gewöhnungsbedürftigen Geschmack und eine leicht
haluzinatorische Wirkung, nicht unangenehm. Eine
Stimmung von sanfter Heiterkeit verbreitete sich, es wurde
getanzt und gesungen.
14
Leider gab es für mich keine Gelegenheit, mit Fairy zu
tanzen. Ich verzehrte mich vor Sehnsucht, während sie
dauernd mit Leuten, die sie für interessant oder wichtig hielt,
durch die Gegend sprang. Die displaceds hatten kleine
Natriumfeuer entfacht, an denen man sitzen und seine Bowle
schlürfen konnte. Leider lockten die Feuer auch Beamte der
space guard an, die darauf bestanden, dass die Feuer
gelöscht wurden, da sie den Verkehr gefährdeten. Die
Stimmung wurde aggressiv, sie sollten sich lieber um die
gefährlichen Riesenraumschiffe kümmern, aber da wären sie
ja zu feige dazu. Dann schaufelten die displaced subjects die
Feuer zu und die Typen zogen wieder ab. Am Rand des
Festplatzes hatte jemand ein kleines Freiluftkino aufgebaut,
wo ich mir Mickey-Mouse-Filme reinziehen konnte. Als die
Filme zum dritten Mal durchliefen, mischte ich mich wieder
unters Volk. Viele hatten sich schon zum Schlafen in ihre
Reisegeräte oder Zelte zurückgezogen, manche hatten sich
auch einfach zwischen ein paar Steinen zusammengerollt
und schliefen. Die Atmosphäre hatte sich geklärt und ein
Sternhimmel von unfassbarer Pracht funkelte über den
letzten Gästen. Die Kapelle war schon am Einpacken, nur ein
Ziehharmonikaspieler dudelte noch vor sich hin, als Fairy auf
mich zukam. Sie strahlte, schlang die Arme um meinen Hals
und ließ sich baumeln. Der Ziehharmonikaspieler sah uns
und setzte zu einem zärtlichen Musette-Walzer an. Ich
drehte mich über den festgetreten Boden, Fairy schwang um
mich herum. Wir verließen das Fest und gingen zum See
hinunter, wir wußten wohin wir zu gehen hatten: Zur
Tristanhöhle; es gab keinen Zweifel, heute würde sie uns
gehören, alle guten Geister des Weltalls, die die Liebenden
15
beschützen, waren mit uns. Nur zwei Kaninchen mussten wir
aus der Höhle vertreiben.
So schön die Sonnenuntergänge hier sein konnten, so hart
waren ihre Aufgänge. Über Nacht verschwanden alle Partikel
aus der Atmosphäre, kalt und klar bohrte die hiesige Sonne
ihre Strahlen in unsere Augen, als wir zerkratzt und
zerbissen aus unserer Höhle krochen. Wir erfrischten uns im
See, kleideten uns an und gingen zum Einstein´s
frühstücken. Der Kaffee belebte uns, aber Gedanken an die
sogenannte Realität ließen sich nicht mehr abwehren. Ich
schämte mich, weil ich meine Frau betrogen hatte, was in
Fairy vorging, ahnte ich nicht, sie schwieg. Ein kleiner
Erdlingsjunge kam angelaufen und deutete in Richtung
Parkplatz. - "Das ist doch dein Gerät da, da blinkt etwas!"
Oh, verflucht, ich hatte meine gebuchte Abfahrzeit
vergessen. Wenn ich jetzt losrannte, wäre ich vielleicht noch
weggekommen, aber das war völlig undenkbar. Fairy sah
mich erwartungsvoll an, ich zuckte die Schultern, nein, ich
würde jetzt nicht fahren. Den Unglücksboten entlohnte ich
mit einer Cola.
Fairy und ich hingen unseren Gedanken nach. Ich fragte sie
schließlich, ob sie Lust hätte, meinen Planeten anzuschauen,
sie wollte sich aber lieber um ihre diplaced subjects
kümmern. Wir verabredeten uns für den Abend, gaben uns
einen langen Abschiedskuss und trennten uns. Ich nahm
zunächst Kontakt zur space authority auf und erklärte ich
hätte den Termin zur Rückreise nicht wahrnehmen können,
weil die Kaffeemaschine im Einstein´s kaputt gewesen sei
und der Arzt mir verordnet habe, vor einer Reise ordentlich
Kaffee zu trinken, damit mein Kreislauf unterwegs nicht
16
schlapp machte. Meine Gesprächsparterin am anderen Ende
der Leitung schwieg einen Augenblick, ich hörte wie sie
etwas in den Computer eingab, dann sagte sie nur lakonisch
"Ihr Risiko, die Stornierung geht zu Ihren Lasten." Das
waren 100 €. Weitere 50 € musste ich noch bezahlen, damit
sie meiner Frau bescheid sagten, sie würde sich sonst sicher
Sorgen machen. Einen neuen Termin könnte ich erst in 5 bis
6 local time units haben, ich sollte mich zur Verfügung
halten, es sei sehr viel Betrieb zur Zeit. Dann schwang ich
mich in mein Gerät und brauste zu meinem Planetchen
hinüber, das auch bald als helle Scheibe am schwarzen
Weltraumhimmel auftauchte. Dort habe ich mich dann erst
einmal rasiert und frische Wäsche angezogen und den
Gesteinsgarten etwas aufgeräumt, alles war von dickem
Staub bedeckt. Ein dicker Diamant war verschwunden, ich
konnte es mir nicht erklären wieso. War jemand hier
gewesen? Ich steckte einen hübschen Opal für Green Ferry
in die Hosentasche und legte mich schließlich schlafen, da es
schon wieder Nacht wurde auf meinem kleinen Planeten.
Ich erwachte mit keinen guten Gefühlen, ich war voller
Sehnsucht nach Fairy, aber was hatte unsere Liebe für eine
Zukunft? Die Reisekosten waren zwar für den enormen
Aufwand recht gering, aber mehr wie zwei bis drei Reisen
konnte ich mir pro Jahr nicht leisten. Edelsteine schmuggeln
war zwar lukrativ, aber streng verboten, da die authority den
Handel teuer konzessionierte. Ich wäre nicht der erste
spacer gewesen, den sie für Jahre auf einem abgelegen
Planeten oder Mond eingesperrt hatten. Die
widersprüchlichsten Gedanken durchzuckten meinen Kopf,
sie reichten von der reumütigen Rückkehr zu meiner Gattin
und einem friedlichen Rentnerdasein an ihrer Seite bis hin zu
17
den tollsten Ausbruchsphantasien und einem Leben im
Weltraum.
Schließlich warf ich mein Gerät wieder an und entschwebte
Richtung Nachbarplanet, um Green Fairy wieder zu treffen.
Ich hatte auf dem Parkplatz vom Einstein´s mein Gerät
abgestellt und war zu der Terrasse hochgegangen, die
Bayern saßen auf der Brüstungsmauer und begrüßen mich
freudig, prosteten mir zu und wollten wissen, wie es denn
mit Green Fairy gewesen sei. Über meine Verlegenheit
wollten sie sich schon wieder totlachen. Dann sah ich das
Raumschiff, etwa 70 bis 80 t groß, es stand ungefähr 50 m
von der Terrasse entfernt. Zwei bullige Grüne Männchen
hatten Fairy untergehakt, ich erkannte sie genau, und
schleiften sie im Laufschritt zum dem Raumschiff. Sekunden
vergingen, ehe ich in der Lage war zu schreien; schon
zerrten sie Fairy die Gangway hinauf. Ehe sie in der Luke
verschwand, konnte sie sich noch einmal umdrehen,
zweifellos hatte sie mich gesehen, sie winkte mir zu, dann
schoben die Kerle sie in die Kabine und schlossen die
schwere Klappe. Ich drehte mich zu den Bayern um. Vor
Entsetzen konnte ich nur stammeln und auf das Raumschiff
weisen, das schon begann abzuheben. Die Bayern blickten
betreten, warum hatten sie ihr nicht geholfen? Einer rutschte
von der Brüstung herunter und kam zu mir. Er legte den Arm
um meine Schulter und sagte: "Schau, es sind ihre Brüder,
verstehst? Sie haben ein Problem auf ihrem Planet, es soll so
ein Riesending gelandet sein." Nun kamen auch die anderen,
boten mir ihr Bier an und versuchten mich zu trösten. Der
Wirt eilte herbei, er hatte ein official message, die auch mir
galt. Es herrsche großer Andrang auf den Trassen,
Reisewillige sollten sich in ihren Geräten zum Abflug bereit
18
halten. Die sonst so friedliche community war in Aufregung,
das große Schiff, der überhastete Aufbruch der allseits
beliebten Green Fairy, der wie eine Entführung aussah,
beunruhigte alle. Gerüchte waren im Umlauf. Ich
verabschiedete mich vom Wirt, die Bayern begleiteten mich
zu meinem Gerät. Erst als wir Adressen austauschten, fingen
sie wieder zu lachen an; sie entdeckten dass ich Berliner
war. Ich schloss die Luke hinter mir, meldete mich an und
wartete. Ich wusste noch nicht einmal, wo Fairy wohnte und
ob ihr Planet für mein kleines Fahrzeug erreichbar war. Zu
weite Flüge würde mir die space authority bestimmt nicht
gestatten.
Ich merkte, wie der check up der Aggregate begann; die
Flugleitung hatte ihn von der Zentrale aus gestartet. Aus
dem Lautsprecher meldete sich eine Stimme, meine Werte
seien nicht gut, ob ich Stress gehabt hätte. Ich log tapfer
und versicherte reisefähig zu sein. Es entging ihnen aber
auch nichts, obwohl ich Tempotaschentücher auf die
Handgriffe gelegt hatte, in denen die verräterischen
Sensoren eingebaut waren! Schließlich hob ich ab - das ging
wieder alles außengesteuert - und winkte den Bayern zu, die
ihre riesigen blau-weißen Schnupftücher entfalteten und
ebenfalls winkten. Bald hatte mich die Nacht des Weltraumes
verschluckt, die Sterne der Galaxis drifteten heran und
schossen an mir vorbei. Saß ich etwa schon wieder vor
meinem Computer im Büro und starrte den
Bildschirmschoner an? Das suggestive Bild wirkte beruhigend
auf mich, die Steuerung überließ ich der Automatik und dem
Kontrollzentrum. Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen
und träumte von meiner Nacht mit Fairy ...
19
Ein unangenehmes Rütteln ließ mich hochfahren. Die
Instrumente zeigten verstärkte Gravitationswellen an. Ich
rief das Kontrollzentrum, um zu fragen, ob etwas zu
veranlassen sei, als vor mir eine gigantische Wand
auftauchte, ich konnte sie deutlich im schwachen
Sternenlicht erkennen, sie war voller regelmäßig
angeordneter Lichter wie Fenster und Positionslampen. Ich
schrie auf, riß voll Panik an allen Hebeln herum, aus dem
Lautsprecher drangen Stimmen, die ich nicht verstehen
konnte. Während die Wand größer und größer wurde und
immer deutlicher zu sehen war, hörte ich leise zischend das
Narkosegas aus den Düsen strömen.
Ich kam kurz zu mir, als mich zwei kräftige Sanitäter aus
meinem Gerät zerrten und mit den typischen großen
Mondsprüngen eilig zum moonshuttle brachten.
Offensichtlich hatte man mich mit der Außensteuerung zum
Mondbahnhof geleitet, nachdem man mich eingeschläfert
hatte. Das shuttle war schon startklar, eilig wurde ich in die
Rot-Kreuz-Kabine gestopft, in der schon zwei andere spacer
lagen. Ich musste dringend aufs Klo, was mir gnädig trotz
des bereits laufenden Startvorganges gestattet wurde.
Nachdem das shuttle ausgeschleust war, konnte ich durch
die Luke schon unseren blauen Planeten am schwarzen
Weltraumhimmel sehen, dann döste ich wieder weg.
Ein rythmisches schrilles Geräusch weckte mich. Es waren
Spatzen, der vor dem Fenster lärmten. Ich lag in einem
Klinikbett, aus allen meinen Körperöffnungen ragten
Schläuche und Drähte. Offensichtlich war ich im
Krankenhaus, ich war ein Notfall! Ich jubelte inwendig,
bedeutete das doch, dass ich nichts für meine Rettung
20
bezahlen musste, vielleicht sogar den verpatzten Starttermin
nicht. Neben meinem Bett, in einem Sessel
zusammengesunken, saß eine in einen weißen Kittel gehüllte
Gestalt, es war meine Frau. Sie war eingeschlafen und
schnarchte ein wenig. Ich streckte meinen Arm nach ihr aus,
soweit das die Drähte und Schläuche zuließen, bis ich ihre
Hand erreichte. "He, Suse, aufgewacht, ich bin wieder da!"
Sie fuhr hoch, wie müde sie aussah, sicher hatte sie die
ganze Nacht hier gesessen. "Gott sei Dank, du bist wach."
Wir küssten uns, dann klingelte sie weisungsgemäß nach der
Schwester.
Erst am nächsten Tag konnte ich nach Hause, sie haben den
ganzen Tag an mir herumuntersucht, auch einem Psychiater
musste ich Rede und Antwort stehen. Es war nicht ganz
einfach, seinen geschickten Fragen auszuweichen und mein
Liebesabenteuer zu verschweigen. Um zehn Uhr Ortszeit
konnte mein Frau mich wieder in Empfang nehmen,
nachdem sie mich mit einem starken Antidepressivum so
vollgepumpt hatten, dass mir die lärmenden Spatzen vor
meinem Fenster wie Nachtigallen klangen. Ich glaubte auf
rosa Wölkchen zu schweben. Fairies Bild war verblasst, fern,
wie eine Erinnerung an meine erste Freundin in der Schule.
Selbst die Gravitation der Erde, die mich immer so
unangenehm nach Weltraumausflügen belastete, tangierte
mich nicht. Das Schönste war aber eine Krankschreibung, für
ganze vierzehn Tage! Zu Hause war der Frühstückstisch
gedeckt, es duftete nach frischen Brötchen und Kaffee. Suse
hatte eine Bildzeitung gekauft. Auf der ersten Seite prangte
ein Photo von mir, wie mich zwei Sanitäter aus meinem
kleinen Raumfahrzeug zerrten.
21
CHAOS IM WELTRAUM
brüllte die Balkenüberschrift. Ich war nicht der einzige, der
gerettet werden musste, es sollen zehn spacer allein aus
Berlin gewesen sein, einer wurde noch vermisst. Es wurde
etwas von starken Schwankungen im Raumkontinuum
gefaselt, was auch immer das bedeuten sollte, ein Psychiater
meinte hingegen eine Massenpsychose unter spacern
diagnostizieren zu können.
Ich hatte mir vorm Frühstück frische Sachen angezogen.
Während ich mir schon mal etwas Kaffee eingoss, stopfte
meine Frau meine schmutzigen Jeans noch schnell in die
Maschine. Dann hörte ich einen leisen Aufschrei nebenan aus
dem Bad. Suse trat in die Küche, auf der ausgestreckten
Hand hielt sie den Opal, den ich für Green Fairy eingesteckt
hatte.. Er sah wirklich riesig auf ihrer kleinen Hand aus und
schimmerte geheimnisvoll, das Grün trat dabei besonders
schön hervor. "Karl!", rief sie, "der ist ja traumhaft, dass du
daran noch gedacht hast!" Ich wurde rot, wusste ich doch
überhaupt nicht, woran ich hätte denken sollen. "Ja, klar ...
", stotterte ich, "ich habe erst jetzt einen richtig großen
gefunden."
Berlin, Juni 2003
Alle Rechte an diesem Text liegen beim Autor. Ohne meine Einwilligung
darf der Text nur zu privaten Zwecken genutzt werden.
22

Documentos relacionados