az_powerfrauen_20040924
Transcrição
az_powerfrauen_20040924
SAMSTAG, 25. SEPTEMBER 2004 SAMSTAG 25. SEPTEMBER 2004 MITTELLAND ZEITUNG Zweiter Wurf Dizzee Rascals 2. Album: ein Ereignis in England. Seite 2 WEEKEND Schweres Erbe In «Inheritance» wird der Sohn plötzlich Boss. Seite 3 OBEN Alice in Action: Milla Jovovich in «Resident Evil: Apocalypse». LINKS Weiss sich zu wehren: Heldin Jill aus dem Videospiel «Resident Evil: Code Veronica». RECHTS Japanisches Langschwert als Arbeitsinstrument: Uma Thurman in «Kill Bill, Vol. 2». Frauen stehen ihren Mann Starke Frauen sind im Actionkino nicht gern gesehen. Doch es zeichnet sich eine Wende ab. Als Rezept: Der Weg zum Erfolg führt über Videospiele. MARC BODMER E s wird sich zeigen, ob der Actionfilm «Resident Evil: Apocalypse» «legs» hat, wie die Amerikaner sagen. Die Beine, von denen hier die Rede ist, sind allerdings nicht die schönen, langen der beiden Hauptdarstellerinnen. Es ist vielmehr eine Metapher für die Ausdauer, die ein Film in den amerikanischen Kinos hat. Denn auch im Kommerzkino gilt: Je länger sich ein Film im Programm halten kann, desto besser, denn ein gutes Startergebnis allein reicht meist noch nicht aus. Wie dem auch sei: Die Videogame-Verfilmung «Resident Evil: Apocalypse» – es ist bereits die zweite der beliebten «Resident Evil»-Serie – setzte sich Anfang September mit fast 24 Millionen Dollar überraschenderweise an die Spitze der US-Kinocharts. Und der Siegeszug geht weiter. Schon nach zwei Wochen zählt «RE2» – wie das trendige Kürzel lautet – zu den erfolgreichsten Filmen mit einer Actionheldin vor der Kamera. Das ist weiter nicht verwunderlich, lassen sich doch die harten Frauen, die im Kino Kasse gemacht haben, an einer Hand abzählen: Ellen Ripley, bekannt als In-den-Hintern-Treterin von Aliens; «Terminator»-Terminiererin Sarah Connor und Lara Croft, «Tomb Raider» und Luxuspflanze. Neu in die Reihe der raren Kino-Actiondamen schaffte es Beatrix Kiddo aus dem DoppelKick-Epos «Kill Bill» («Volume 2» ist eben auf DVD erschienen). Damit hat es sich. «Charlie’s Angels» sind eine Beleidigung. Demi Moores «G.I. Jane», die den US-Marines zeigt, dass sie eigentlich «the best of the best of the best» ist, war ein Rohrkrepierer. Und erst kürzlich wurde Oscar-Gewinnerin Halle Berry als fauchende «Catwoman» der Lächerlichkeit preisgegeben. Selbst das fleischgewordene Silikon von Pamela Anderson vermochte in der Comic-Verfilmung «Barb Wire» keinen Menschen in die Kinos zu locken. Inzwischen hat jedes Actiongame seine schiessende Frau Woran das liegt? «Actionkino ist Genrekino, und das folgt ganz strikten Vorgaben», erklärt Elisabeth Bronfen, Professorin am Englischen Seminar in Zürich, die sich auch schon wissenschaftlich mit diesem Filmthema befasst hat. «Dazu gehören traditionelle Geschlechterbilder wie der eigenbrötlerische, kämpferische Held. Das ist eine klassisch männliche Figur. Das Pendant dazu findet sich beim Film Noir in der Femme fatale, die nicht handgreiflich wird, sondern mit erotischer Verführung und Heimtücke agiert.» Ganz anders als das Kino sind die TV-Filme. Dort wüten HaudraufMädchen – oft über mehrere Jahre hinaus – wie die Vampirkillerin Buffy, die Kriegerprinzessin Xena und die wandelbare «Alias»-Superspionin Sydney Bristow. Doch der Versuch, beispielsweise die Popularität der blonden Vampirvollstreckerin auf die grosse Leinwand zu übertragen, scheiterte kläglich. Ebenfalls im Pantoffelkino zu Hause sind die wuchtigen Damen aus den Videospielen. Ausgestattet mit unübersehbaren weiblichen Attributen, prügeln, hauen und schiessen sie sich in die Herzen der mehrheitlich männlichen Gamer. Figuren wie Lara Croft – ursprünglich übrigens als Mann konzipiert! – haben sich zu wahren Cybersex-Bomben durchgekämpft und wurden zu Symbolen für das weibliche Durchsetzungsvermögen. Auch das Beispiel «Resident Evil» zeigt eindrücklich, dass kein Actionvideospiel ohne knarreschwingende Girls auskommt. Wie ihre Kolleginnen aus den TV-Serien, können sich die meisten Videospiel-Ladys über seriellen Erfolg freuen, der in der Regel Jahre dauert. Doch nicht nur das ist den beiden gemein. Sie sind auch durch ein ganz bestimmtes Element miteinander verbunden. Es heisst Kontrolle, was wiederum einem männlichen Grundbedürfnis zu entsprechen scheint. Frei nach dem Motto «Wenn die Zicke nicht so tut, wie ich will, dann zappe ich sie ins Jenseits» hocken die Sofapilze vor dem Fernseher und ver- folgen die weiblichen Aktivitäten. Treibt die Frau es zu bunt, wird einfach um- oder abgeschaltet. Noch ausgeprägter ist die Kontrolle der Frauen in den Games. Dort herrscht Kadavergehorsam auf Knopfdruck. Einer Marionette gleich, tanzen die weiblichen Figuren nach dem Fingerzeig des Spielers. Für ihn gehen sie sogar in den Tod. Dieser Kontrolle entziehen sich logischerweise die Ladys im Kino. Wenn sie überdimensional gross auf der Leinwand erscheinen, furchtlos ballern und die Männer gleich reihenweise über den Haufen schiessen, wird es wohl manchem Macho etwas mulmig zumute. Die Game-Industrie hat immer mehr Einfluss auf die Filmemacher Was auffällt: In der «Action-Heroine»Hitparade von www.boxofficemojo.com sind unter den Top 20 Filmen vier Videospiel-Adaptationen zu finden: «Lara Croft: Tomb Raider», «Lara Croft Tomb Raider: Cradle of Life», «Resident Evil» und «Resident Evil: Apocalypse». Zählt man noch «Alien vs. Predator» hinzu, dem ein Videospiel mit der gleichen Paarung vorangegangen ist, hat man gar fünf filmische Umsetzungen von ehemaligen Games. Und so fragt man sich unweigerlich: Führt der Weg der Frauenemanzipation im Actionfilm übers Videospiel? «Bei Videospielen löst sich die Geschlechterdifferenz auf», meint Elisabeth Bronfen im Gespräch mit der Mittelland Zeitung. «Nicht so sehr die Identität, sondern die Fähigkeiten spielen eine Rolle. Für einen Gamer ist es primär nicht entscheidend, ob er/sie mit einer männlichen oder weiblichen Figur spielt. Entscheidend ist, die Problemstellung möglichst effizient zu lösen.» Zieht man nun noch in Betracht, dass ein Gamer in den USA durchschnittlich 75 Stunden pro Jahr zockt – das ist doppelt so viel wie 1996 –, erscheint es nur logisch, dass sich das im Videogame immer wieder praktizierte «Spiel mit der Frau» auch auf die Akzeptanz weiblicher Heldenfiguren in anderen Unterhaltungsmedien auswirkt. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch den wachsenden Einfluss der Game-Industrie auf die Filmemacher. Die Szene in einem Restaurant in «Kill Bill, Vol. 1» illustriert diesen Trend. Was Uma Thurman dort im Restaurant vorführt, scheint direkt einem Hack-and-Slash-Spiel entsprungen zu sein: Um zum Boss-Monster – in diesem Fall Lucy Liu – vorzudringen, muss Beatrix Kiddo Heerscharen von Helfern massakrieren. Heldin Alice tut es Kiddo in «Resident Evil: Apocalypse» gleich. Sie bedient sich zwar nicht eines japanischen Langschwertes, sondern eines Pump-Action-Gewehrs. Wem diese Frauen letztlich dann doch zu heftig auftreten, der kann nach Hause gehen und dort ein Videospiel zum Film in die Konsole schieben. Und schon hat man(n) alles wieder im Griff. «Kill Bill,Vol. 2» jetzt auf DVD erhältlich «Resident Evil: Apocalypse», ab 7. Oktober im Kino «Alien vs. Predator», ab 4. November im Kino