09-10-14-Maier - Austria

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09-10-14-Maier - Austria
SPORT
24
Mittwoch, 14. Oktober 2009
Hermann Maier beendet seine Karriere – „Wichtig, dass ich die Entscheidung treffe, wenn ich gesund bin“
Stationen einer Karriere: Die Bilder von Hermann Maiers Sturz bei den Olympischen Spielen 1998 gingen um die Welt, ebenso wie jene aus dem Krankenhaus nach dem Motorrad-Unfall 2001. Auf der Ski-Piste war der Österreicher aber vor allem als Kristallsammler bekannt. Fotos: apa/ösv, apa (2)
Fest entschlossen, tief berührt
Von Patrick Untersteggaber
und Tamara Slavik
■ Emotionaler
Abschied einer Ikone.
■ Überraschend, aber
nicht unerwartet.
Wien. Die Nachricht war
noch gar keine Nachricht,
als sie am Dienstagvormittag in die Mail-Accounts der
Redaktionsräume flatterte.
Hermann Maier und Raiffeisen laden zu einer Pressekonferenz, das tun Sportler
Zitate von
Hermann Maier
„Ich bin aber der Hermann.
Seid’s sicher, dass’ts net
den Christian
Mayer meint’s?“
Hermann Maier 1996
in Sölden zu
zwei Journalisten
✶✶✶✶✶
„Ich habe gedacht: Ich muss
da durch, ich muss die
Flagge zerstören.“
Hermann Maier bei der WM 1999
✶✶✶✶✶
„Wenn mir der germanische
Kollege nicht in den Weg
gekommen wäre,
hätte ich schon lange
aufgehört und Stenmark
würde zu mir aufschauen.“
Hermann Maier 2009
über seinen Motorradunfall
im August 2001
✶✶✶✶✶
„Dieser Sieg ist sogar
noch ein bisschen mehr
wert als mein Olympiasieg
in Nagano.“
Maier nach dem
vierten Gewinn des
Gesamtweltcups 2004
✶✶✶✶✶
„Beim Feiern habe ich
schon genauso nachgelassen wie beim Skifahren.“
Maier nach RiesentorlaufBronze bei Olympia 2006
✶✶✶✶✶
„Es schwingt eine große
Wehmut mit, ich beende eine Karriere, die ich mir als
Bub nicht hätte schöner
vorstellen können.“
Hermann Maier am 13.10.2009
manchmal, Sponsoren gerne. Dass sie ausgerechnet
um 14 Uhr am selben Tag
anberaumt wurde, musste
aber etwas heißen, also
wurden eilig Kugelschreiber niedergelegt, Taxis bestellt und Theorien über
den Rücktritt des Skistars
gesponnen.
Sie sollten sich bewahrheiten. Der Salzburger, über
dessen Pläne seit Wochen,
ja Monaten gerätselt worden war, beendet seine Karriere als aktiver Skifahrer.
„Mit dem heutigen Tag“,
wie Maier später in der Hofburg sagen sollte.
Es dauerte ein wenig, bis
er jenen Satz, mit dem eine
der bedeutsamsten österreichischen Sportkarrieren offiziell zu Ende ging, herausbrachte. Denn plötzlich,
nachdem zunächst Raiffeisen-Marketingchef Leodegar Pruschak einleitende
Worte über die „erfolgreichste
Werbepartnerschaft“ verloren und Skiverbands-Präsident
Peter
Schröcksnadel über letzte
Gespräche mit seinem
Schützling berichtet hatte,
verschlug es dem sonst gar
nicht auf den Mund gefallenen Maier die Sprache.
Nach einem kurzen Schulterklopfen und ermutigenden Worten Schröcksnadel
ging’s dann wieder, „es ist
komisch, ein bisserl emotional“, sollte der 36-Jährige
später sagen.
len“, erklärte er und gab als
Grund an, dass er sich nach
seiner Arthroskopie im
Frühjahr gut erholt habe
und körperlich wieder topfit
genug für Rennen fühle.
Was paradox klingt, ist
für Maier nur logisch:
„Mein Ziel war es, körperlich wieder gut in Schuss zu
sein. Das habe ich erreicht.
In Hinblick auf mein künftiges Leben ist es mir wichtig, gesund zu sein und Skifahren zu können, wann ich
will“, sagte er und verwies
darauf, dass wohl nicht je-
Körperlich in Topform
Die Entscheidung zum
Rücktritt sei nach „reiflicher Überlegung, aber letztlich doch spontan“ gefal-
Der amerikanische Traum aus Flachau
■ Vom Maurer
zum polarisierenden
Ski-Weltstar.
Wien. (sla/pau) Es war Jänner 1997, die Stammtische
von Kitzbühel bis Neusiedl
kannten nur ein Gesprächsthema: Ein „richtiger Bursch“
sei der, der da soeben sein
erstes Weltcup-Rennen gewonnen hat. Der, dessen Name so leicht zu merken ist,
Hermann Maier, einer der
sich nicht hat unterkriegen
lassen, als er als schmächtiger Bub verspottet worden ist,
der gelernt hat anzupacken
und dabei immer sein Ziel,
ein erfolgreicher Skifahrer zu
werden, mit der richtigen Mischung aus eiserner Disziplin
und Lebenslust verfolgt hat.
Es war vor allem die Geschichte vom Maurer zum
Sportstar, die die Menschen
fasziniert und den Fans eine
Projektionsfläche
eigener
Sehnsüchte geboten hat. Doch
es dauerte nicht lange, da
mehrten sich nicht nur die Erfolge des Ausnahmesportlers,
der in seiner Karriere dreimal
Weltmeister, zweimal Olympiasieger und viermal Gesamtweltcupsieger
wurde,
sondern auch die Kritiker und
Neider.
Während sein Können und
der Biss, den er vor allem in
seinen Sturm-und-Drang-Jahren bei jedem Rennen zeigte,
unumstritten waren, polari-
sierte er vor allem durch sein
Auftreten. Die einen empfanden das bisschen Spitzbübigkeit und Goschertheit als
sympathisch, die anderen sahen die Grenze zur Präpotenz
bald überschritten.
Seine Rivalität zum besonneneren Stephan Eberharter
und Aussagen wie „Ich dachte: wenn ich jetzt Gold hole,
bin ich unsterblich“, die er
nach seinem schweren Sturz
in Nagano und den darauffolgenden Siegen in Super G
und Riesentorlauf tätigte, ließen ihn auf der Popularitätsskala an den Stammtischen
hinunterrasseln. In den USA
war er freilich durch den
Sturz gefeierter Popstar, er
wurde in Talkshows eingeladen, bekanntester Skifahrer
und zum „Herminator“.
Unfall als Zäsur
Über Unsterblichkeit denkt
Maier heute anders, der Motorrad-Unfall im August 2001
war da eine schmerzhafte Zäsur. Gerade noch in der Form
seines Lebens, musste der
Salzburger plötzlich um dieses kämpfen. Eine Amputation des rechten Beins stand
im Raum, eine Fortsetzung
der Karriere zunächst gar
nicht zur Diskussion.
Maier schaffte es trotzdem,
trainierte sich sein Kampfgewicht wieder an und kehrte
in der Saison 2002/03 in den
Skizirkus zurück. Als er den
Super G in Kitzbühel ge-
Hermann Maier – Seine Erfolge
Saison
96 97
97 98
98
99
99
00
00
01
01
02
02
03
03
04
04
05
geboren 1972 in
Altenmarkt/Pongau
05
06
06
07
07
08
08
09
Medaillen
Olympia WM
WM
WM
SG
SG
A
A
RS
SG
SG
SG
Sieg Gesamtweltcup
13
10
10
Hans Pum (ÖSV-Alpinchef)
✶✶✶✶✶
24. 8. ’01
MotorradUnfall
7
5
1
3
1
3
1
Weltcupsiege nach Disziplin
Rekord-Weltcupsieger Herren
Riesentorlauf
Stenmark
SWE
Super-G
14
24
15
Abfahrt
1 Kombi
Foto: © APA, Quelle: APA
86
Maier
AUT
54
Tomba
ITA
50
Girardelli
LUX
46
Zurbriggen SUI
40
A: Abfahrt, SG: Super-G,
RS: Riesenslalom
wann, flossen Tränen, erstmals zeigte sich der „Herminator“ auch der Öffentlichkeit
von seiner sensiblen Seite.
Dass er die Saison
2003/04 trotz der ständigen
Schmerzen („Ich tue mir heute noch schwer, auf dem rechten Bein zu stehen“) dank
seiner Beharrlichkeit als Ge-
„Eine einzigartige Karriere
geht zu Ende. Wir vom ÖSV
sind stolz, dass Hermann
Maier Teil unseres Teams
war.“
„Wir haben gewusst, er
wird so abtreten wie er gekommen ist: Plötzlich und
spontan. Es war uns eine
Ehre und Freude, mit ihm
zu arbeiten.“
RS
Weltcupsiege
Zitate
zum Rücktritt
Peter Schröcksnadel
(ÖSV-Präsident)
✶✶✶✶✶
WM Olympia
RS
der Sportler das Glück habe, sich nach der Karriere
noch schmerzfrei körperlich betätigen zu können.
Dass er dies zahlreichen
Rückschlägen zum Trotz geschafft habe, sei sein wohl
größter Erfolg, meinte er,
und plötzlich schienen
Wehmut und letzte Zweifel
verflogen. Als er vom Podium heruntertrat, wirkte
Maier gefasst und entschlossen wie einst in den
Starthäusern. „Für mich“,
sagte er noch, „war es der
richtige Zeitpunkt.“ ■
samtweltcupsieger abschloss,
sieht er heute noch als größten Erfolg.
„Es ist wichtig, dass man
einen Traum hat und es einem nicht zu leicht gemacht
wird“, sagt er, „nur dann
kann man etwas erreichen.“
Er selbst dient als bestes Beispiel. ■
„Er war in sehr vielen Situationen, wo man gesagt
hat, man kann sich nicht
zurückkämpfen. Und er hat
es trotzdem geschafft.“
Toni Giger (Cheftrainer
ÖSV-Herren)
✶✶✶✶✶
„Sein Rücktritt kommt
überraschend. Er war ein
Ausnahmeathlet, der
jahrelang den Skisport geprägt hat. “
Franz Klammer (AbfahrtsOlympiasieger 1976)
✶✶✶✶✶
„Er gehört sicher zu den
fünf Besten aller Zeiten. Er
hat den Zuschauern und
Fans immer irgendetwas
gegeben, wir werden ihn
alle vermissen.“
Karl Schranz (Ski-Legende)
✶✶✶✶✶
„Seine Geschichte ist
einzigartig.“
Renate Götschl
(Ex-ÖSV-Läuferin)