Link zum PDF - Deutscher Nachhaltigkeitspreis

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Goldene Zeiten
Ehrenpreis
Nelly Furtado engagiert
sich in Afrika für die
Bildung von Mädchen
Nachhaltiges Bauen
setzt auf olympische
Medaillenfarben
Seite V
FREITAG, 28. NOVEMBER 2014
Seite XI
SONDERAUSGABE DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS 2014
Auf diesen Engel fliegt
die ganze Welt
Der Blaue Engel ist das älteste Umweltzeichen der Welt: 1978 wurde er auf den
Weg geschickt, um Verbraucher, Unternehmen und die öffentliche Hand mit
verlässlichen Produktinformationen in
die Lage zu versetzen, gezielt umweltfreundliche Waren nachzufragen. Das
wiederum soll ökologische Produktinnovationen fördern und helfen, Umweltbelastungen zu
reduzieren. Mit Erfolg: Die Idee des Blauen Engels hat
weltweit Schule gemacht. Im Rahmen des Deutschen
Nachhaltigkeitspreises verleiht das Bundesumweltministerium den „Blauer Engel-Preis“ 2014. Seite VIII
Ganz schön grün
hinter den Kinderohren
Umweltbewusstsein können schon die Kleinsten lernen:
Der Fernsehsender Kika organisiert bereits zum vierten
Mal einen Kinder-Nachhaltigkeitstag und präsentiert das
Thema erlebnisorientiert und ohne erhobenen Zeigefinger. Von Lebensmitteln über Müllvermeidung bis zur
Mobilität werden viele Aspekt angesprochen. Seite XI
Das ist der Preis für
grünes Engagement
Bereits zum siebenten Mal werden im Rahmen einer
glamourösen Gala hervorragende Akteure, Ideen und Projekte
beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet
Das Wunder
von Dortmund
Konsequent vollzieht die einstige Stahl- und Bergbaumetropole Dortmund einen Strukturwandel. Für einen
nachhaltigen Umbau hat sich die Kommune neun Schwerpunktthemen gesetzt, zwei der Vorzeigeprojekte sind der
„Masterplan Energie“ und der Phoenix-See. Ohne große
Reibungsverluste geht es vonstatten, weil sich die Stadtoberen frühzeitig mit allen an einem Projekt Beteiligten
zusammensetzen. Seite III
Mehr Geld für
die Forschung
80 Bewerbungen gingen für den vom Bundesforschungsministerium ausgelobten Preis „Nachhaltige Entwicklungen“ ein, die Zahl übertraf die des Vorjahres deutlich.
Für Ministerin Johanna Wanka zeigt dies, dass „Deutschland bahnbrechende neue Ideen für mehr Nachhaltigkeit
in der Welt entwickelt“. Auch im Etat des Ministeriums
macht sich das bemerkbar: 2014 beträgt er 14 Milliarden
Euro – im Vergleich zu 2005 ist das ein Anstieg um knapp
60 Prozent. Seite IV
Er hat sich zu einer weit über die
Landesgrenzen hinaus beachteten
Veranstaltung entwickelt und als fester Termin im Kalender all derer
etabliert, die Innovation im Verbund
mit ökologischer und sozialer Verantwortung voranbringen wollen:
der Deutsche Nachhaltigkeitspreis.
Zum siebenten Mal findet er bereits
statt; „Die Welt“ ist Medienpartner,
wenn sich heute Abend im Düsseldorfer Hotel Maritim rund 1200 Gäste aus der Wirtschaft, Kommunen,
aus Politik, Forschung und Zivilgesellschaft versammeln, um herausragende Akteure, Projekte und Ideen
bei einer Veranstaltung zu küren, die
mit zahlreichen Ehrengästen und einem attraktiven Show-Programm
aufwartet.
Die Schirmherrschaft des Deutschen Nachhaltigkeitspreises – einer
Initiative der Stiftung Deutscher
Nachhaltigkeitspreis e. V., der Bundesregierung, kommunaler Spitzenverbände, Wirtschaftsvereinigungen,
zivilgesellschaftlichen Organisationen und Forschungseinrichtungen –
hat das Europäische Parlament übernommen. Gastgeber und Moderator
des Abends ist der Wissenschaftsjournalist und Initiator Stefan Schulze-Hausmann.
Ausgezeichnet werden Unternehmen, die vorbildlich wirtschaftlichen
Erfolg mit sozialer Verantwortung
und Schonung der Umwelt verbinden, sowie Kommunen, die die
Stadtentwicklung vorbildlich nachhaltig gestalten. Die Bundesregierung vergibt den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Forschung (BMBF)
und den „Blauer Engel-Preis“
(BMUB, Umweltbundesamt). In Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen wird
der Sonderpreis „Nachhaltiges Bauen“ vergeben. Sonderpreise erhalten
zudem herausragende Strategien
und Maßnahmen im Feld „Ressourceneffizienz“ und auf Nachhaltigkeit
orientierte Unternehmensmarken.
Über die Nominierten und Sieger
EINE KUGEL
FÜR DIE ERDE
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis vergibt an seine
Preisträger Kugeln – und zwar
ganz besondere: Sie bestehen
aus Aluminium, jede einzelne
wird in Handarbeit von einem
kleinen Betrieb im Sauerland
angefertigt.
Die Kugel symbolisiert den
Planeten Erde, den es zu bewahren gilt, so Initiator Stefan
Schulze-Hausmann. „Dieser
geometrische Körper ist ferner derjenige, dessen Bewegung am wenigsten Energie
verbraucht.“
Die eingearbeiteten Schichten
symbolisieren die fünf Kreise
im Logo des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Für die
Entwicklung und das Erscheinungsbild der Trophäe zeichnet der Designer Claus Koch
verantwortlich. Rund 60 Preiskugeln wurden seit 2008 an
die Unternehmen und Kommunen überreicht, die sich in
den verschiedenen Wettbewerben unter annähernd
4000 Teilnehmer durchgesetzt hatten. cle
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entscheiden zwei Jurys mit jeweils
sechzehn Experten.
Die Ehrenpreise für herausragendes persönliches Engagement gehen
an den Altbundespräsidenten Horst
Köhler, die Sängerin Nelly Furtado
und das Ehepaar Colin und Livia
Firth. Zu den Ehrengästen des
Abends zählt Alexander „Astro Alex“
Gerst, der nach einem halben Jahr
Aufenthalt auf der Raumstation ISS
gerade wieder auf die Erde zurückgekehrte Wissenschaftler. Erwartet
werden auch der schwedische KrimiAutor Henning Mankell, der die Laudatio für Horst Köhler hält und die
Eiskunstläuferin und zweifache
Olympiasiegerin Katarina Witt. Sie
übergibt den „Blauer Engel-Preis“,
dessen neue Botschafterin sie ist. Im
Show-Teil treten Nelly Furtado, José
Feliciano und Andreas Bourani auf.
Der Sänger Augsburger schaffte seinen Durchbruch mit der FußballWM-Hymne „Auf uns“.
Wer anderen auf die Finger schaut
und Preise für nachhaltige Verhaltensweisen und Produkte vergibt,
muss sich auch selbst auf den Prüfstand stellen lassen und Vorbildfunktion einnehmen. Das tut der
Deutsche Nachhaltigkeitspreis, der
sich als „Deutschlands grünste Gala“
beschreibt, in dem er sich als klimaneutrales Projekt präsentiert. Alle
mit dem Abend und dem vorangestellten Kongress verbundenen CO2Emissionen, so das Versprechen,
werden kompensiert – von der Veranstaltungsproduktion bis hin zur
Anreise der Gäste. Ein geführtes
Logbuch soll Nachverfolgbarkeit und
Transparenz gewährleisten.
Wer bei der heutigen Preisverleihung
mit glamourösem Rahmen dabeisein
möchte, kann das tun, die „persönliche
Eintrittskarte" für die um 18.30 Uhr
beginnende und gegen 23 Uhr endende
Gala ist ein Livestream. Der Zugang
findet sich hier:
www.nachhaltigkeitspreis.de
Der Nachhaltigkeitspreis online unter:
www.welt.de/nachhaltigkeitspreis
DIE WELT BERLIN-2014-11-28-swonl-86 c37eea0329ed4bfc29492a862861cc10
Alle Nominierten
im Überblick
Firmen, Verbände und Kommunen sind nominiert,
zudem werden drei Ehrenpreise überreicht. Verlierer
gibt es keine, denn wahrhaft ausgezeichnet sind alle
präsentierten Ideen und Projekte. Die jeweils Erstplatzierten der verschiedenen Kategorien werden in
der Ausgabe von „Die Welt“ am 1. Dezember auf einer
Sonderseite vorgestellt. Seiten VI und VII
Grüne Mode
steht uns besser
© DANIELA KIRCHLECHNER
JOCHEN CLEMENS
Nachhaltigkeit in der Modebranche ist noch immer ein
schwieriges Thema. Verschiedene Initiativen aber zeigen,
dass es einerseits möglich ist, sich bewusst nachhaltig zu
kleiden, andererseits Unternehmen dazu zu bewegen,
verstärkt auf Umweltstandards und soziale Komponenten
zu achten. Ein Beispiel ist „Eco Age“, eine Initiative, die
sich auf „grüne Mode“ spezialisiert und nachahmenswerte
Kooperationen mit Luxusmarken wie Gucci in die Wege
geleitet hat. Seite IX
SEITE II
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DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
„Wir bilden das Ringen
um die bessere Idee ab“
Einführung Der Initiator des Deutschen Nachhaltigkeitspreises,
Stefan Schulze-Hausmann, erläutert die Idee, Ziele und Neuerungen
gen dahinter sichtbar zu machen. Ehrenpreise gehen an prominente Ikonen
des humanitären und ökologischen Engagements. Künstler wie Nelly Furtado
oder Colin Firth helfen uns, das Scheinwerferlicht auch auf die vielen anderen
Preisträger zu lenken. Sie sind hilfreiche Multiplikatoren, werden gesehen
und beachtet. Wenn sich etwa Peter
Maffay über Jahrzehnte für traumatisierte Kinder einsetzt, löst er als Gutes
aus, wirkt als Vorbild und erklärt, was
Nachhaltigkeit sein kann. Jeder mag
sich ein eigenes Bild machen, ob dies einen Preis wert ist. Wir glauben ja. Unser Publikum schätzt die Musikparts
unserer Preisverleihung auf jeden Fall
besonders, wenn engagierte Künstler
auf der Bühne stehen.
DIE WELT: Herr Schulze-Hausmann,
Sie haben 2008 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis initiiert. Mit welchem Hintergrund und aus welcher
Motivation heraus haben Sie das getan?
STEFAN SCHULZE-HAUSMANN:
Die Idee kam 2007 im Zuge meiner Arbeit für das Wissenschaftsmagazin „nano“ und die Moderation des Deutschen
Umweltpreises bei 3sat. Die Verleihung
dieses „grünen“ Preises habe ich viele
Jahre präsentiert. Nachhaltigkeit ist
aber mehr. Soziales und Ökonomie in
Einklang mit Umweltschutz zu bringen,
wurde immer mehr diskutiert. Ich habe
dann Partner für die Idee eines Preises
für Engagement zur Nachhaltigkeit gesucht – und bin schnell beim Rat für
Nachhaltige Entwicklung fündig geworden. Dem Generalsekretär Günther
Bachmann gefiel die Idee. Seither unterstützt er uns mit Rat, Tat und seinen
Netzwerken. Anschließend kamen weitere Partner aus Forschung, Politik und
Wirtschaft an Bord, die das Projekt fördern. Im ersten Jahr sind wir außerdem
mit politischem Rückenwind gestartet –
der damalige Bundespräsident Horst
Köhler wurde Schirmherr. Und wir haben Ehrenpreise an Annie Lennox und
Prince Charles vergeben, das hat medial
geholfen.
Sie haben eine hochkarätig besetzte
Jury. Müssen Sie noch bei Wunschkandidaten anfragen oder bekommen Sie inzwischen Anfragen?
(lacht) Nein, Bewerbungen wären verdächtig. Die Jurys bildet konsequent die
Multistakeholder-Idee ab: Präsenz vieler
unterschiedlicher Strömungen und Gruppen, Suche nach Ausgewogenheit, Äquidistanz und Bündelung von Kompetenz.
Wie läuft die Entscheidungsfindung
in der Jury ab – faktisch-nüchtern
oder hochemotional?
DIE ILLUSTRATIONEN
Die Illustrationen dieser Ausgabe
stammen von Daniela Kirchlechner.
Die Illustrationsdesignerin und Teacher
für Illustration ist gebürtige Münchnerin, sie studierte in Wien und Berlin,
wo sie seit vielen Jahren lebt. Mit ihrem
zeichnerischen Werk und ihren „Tactile
Illustrations“ – dreidimensionalem,
fotografisch inszeniertem Artwork –
wurde sie bekannt. Kirchlechner
schreibt und illustriert eigene Bücher,
konzipiert und gestaltet Illustrationen
für Kampagnen und Editorials in
Magazinen und Online-Medien
internationaler Auftraggeber.
Sie hat zahlreiche Preise erhalten..
www.margarethe-illustration.com
www.daniela-kirchlechner.com
IMPRESSUM
Eine Veröffentlichung der Redaktion
Sonderthemen für die Zeitung „Die Welt“
Redaktionsleitung:
Astrid Gmeinski-Walter (V.i.S.d.P.);
Redaktion: Jochen Clemens, Michael Posch
Produktion und Gestaltung:
Elke Kaufmann, Walter Lendl
Gesamtanzeigenleiter: Stephan Madel
Nationale Vermarktung:
Christoph Schmidt, Alexander Kühl –
[email protected]
Verlag und Druck: Axel Springer, SE, Berlin
Redaktionsschluss: 26. November
DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
Wie hat sich der Deutsche Nachhaltigkeitspreis seitdem entwickelt?
Wir verzeichnen immer mehr Zuspruch
und steigende Bewerberzahlen. Mit
fünf Wettbewerben, über 800 Bewerbern und 2000 Gästen zur Abschlussveranstaltung ist der Deutsche Nachhaltigkeitspreis mittlerweile die größte
Auszeichnung ihrer Art in Europa. Für
das nächste Jahr planen wir einen neuen Preis für „grüne Gründer“, um dieses derzeit enorm dynamische Feld einzubeziehen.
Stefan Schulze-Hausmann verzeichnet steigenden Zuspruch und Bewerberzahlen. Der
Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist heute die größte Auszeichnung ihrer Art in Europa
Wir bitten die Jurymitglieder um einen
subjektiven Blick, der ihre Fachkenntnis, ihren Überblick, aber auch ihre Haltung widerspiegelt. Das lassen sich die
Juroren nicht zwei Mal sagen. Sie argumentieren mit Leidenschaft. Es wird
zuweilen heftig diskutiert – zum Beispiel über die Frage, ob die „reinrassig
nachhaltigen“ Unternehmen mit entsprechend kleinerem Wirkungsfeld
preiswürdiger sind als Konzerne, die
Welche Neuerungen bringt die siebente Auflage des Preises gegenüber
den Vorjahren?
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis versteht sich als lernendes Projekt; insbesondere die Wettbewerbsmethodik
wird fortlaufend in verschiedenen Gremien geprüft und fortentwickelt. Sie
zielt auf maximale Transparenz ab, hält
den Bearbeitungsaufwand für den einzelnen Bewerber überschaubar und soll
der Komplexität des Nachhaltigkeitsmanagements in großen und kleinen
Einheiten gerecht werden. In diesem
Jahr gab es beim Wettbewerb für Unternehmen Neuerungen: Erstmals erhob ein zweistufiger Fragebogen die
Nachhaltigkeitsexzellenz des Unternehmens mit Blick auf wirksame Beiträge zur Lösung ökologischer und sozialer Problemstellungen, den wirtschaftlichen Erfolg entsprechender
Maßnahmen und Ziele für die Zukunft.
Nach der ersten Runde erhielten die
Teilnehmer ein individuelles Feedback.
Die Auszeichnung für Unternehmen
wird außerdem ab 2014 in drei Größenklassen vergeben.
Sie begrüßen in diesem Jahr den Astronauten Alexander Gerst als Ehrengast. Wie kam es dazu?
Per Twitter hat Alexander Gerst alias
„Astro Alex“ eine weltweite Fangemeinde an ebenso atemberaubenden wie
teilweise erschreckenden Fotos aus dem
All teilhaben lassen. Er beschrieb mit
Sachverstand, was man aus den Bildern
über Zerstörung und Gefährdung der
Erde ableiten kann. Wenn das kein Weg
ist, Menschen mit Ideen der Nachhaltigkeit zu erreichen und aufzurütteln,
zwar noch nicht zu 100 Prozent nachhaltig ticken, aber über große Hebel
Wirksamkeit entfalten
Sie zeichnen auch Künstler aus wie
Nelly Furtado Colin Firth oder in der
Vergangenheit Peter Maffay. Ist das
nicht ein Widerspruch zu den seriösen Inhalten der Preisverleihung?
Uns geht es darum, Nachhaltigkeit
durch Köpfe, Geschichten und Leistun-
was dann? Ich finde seine Initiative
klasse. Vor einigen Tagen habe ich bei
der Esa das Finale der „Rosetta“-Mission für ZDF/3sat moderiert und das
Team um Alexander Gerst kennengelernt. So konnte ich ihn quasi persönlich einladen und für unsere Veranstaltung werben. Das hat geklappt.
Ist Green-Washing noch ein Thema
oder haben die Akteure am Markt erkannt, dass man damit heute nicht
mehr weit kommt?
Schwieriges Thema. Informierter und kritischer werdende Konsumenten und Geschäftspartner durchschauen immer
schneller Blendwerk, keine Frage. Floskeln nutzen sich ab, man will es genauer
Was nehmen die Sieger – neben dem wissen. Aber: Wer sich in Richtung Nachhaltigkeit streckt, damit legitimerweise
Preis – als konkreten Nutzen mit?
Unsere Auszeichnung zeigt Wertschät- auch Differenzierung im Wettbewerb und
zung und spornt die Akteure an. Und Geschäftserfolg anstrebt, muss laut sanatürlich eröffnet der Preis große Mög- gen, was er tut. Plustert man dann ein
lichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit. Der wenig zu stark, wird man schon gleich
Erfolg ist aber auch Verpflichtung: Sie- des Greenwashings bezichtigt. Es bewährt sich eine klare Komger stehen unter Beobachmunikation, die signalisiert:
tung, ob sie sich auf den
„Wir sind auf dem Weg und
Meriten ausruhen oder
ZUR
weiter an neuen Zielen armeinen es ernst. Das könPERSON
beiten.
nen wir schon und belegen
es, daran arbeiten wir
Stefan Schulzenoch.“ Hier schlägt die
Ist Nachhaltigkeit in
Hausmann (54) ist
Stunde
differenzierter
Deutschland schon geein renommierter
Kommunikation,
aber auch
lernt? In welchen Bereideutscher TV-Jourchen läuft es schon zudie Nutzung professioneller
nalist und Moderator.
friedenstellend und wo
Plattformen wie dem Deut2008 führte er zahlgibt es noch Nachholbeschen Nachhaltigkeitstag.
reiche Partner zum
darf?
Deutschen NachNachhaltigkeit
ist
in
Wäre es für Sie nicht ein
haltigkeitspreis zuDeutschland noch lange
Erfolg, wenn es eines Tasammen. Seit 1999
kein Mainstream. Wir
ges keiner Nachhaltigpräsentiert er das
konnten aber über die Jahkeitspreise mehr bedarf,
tägliche 3sat-Wissenre ziemlich genau beobweil Nachhaltigkeit in
schaftsmagazin
achten, wie sich das TheDeutschland selbstver„nano”. Seit 1985
ma von kleinerem, zumeist
ständlich ist?
moderiert Schulzesozialen Engagement und
Wenn Sie dann auch die
Hausmann Koneinem passablen UmweltFilmpreise abschaffen, weil
ferenzen, Talkrunden
management über das
alle Filme alle gleich gut
und Veranstaltungen
nachhaltiger
werdende
sind, oder Sportturniere,
für Ministerien, For„Housekeeping“, also die
weil die Sportler nur Fitness
schungseinrichtunGebäude, den Fuhrpark
und keinen Wettbewerb
gen, Verbände und
und die Verwaltung, in das
mehr wollen. Nachhaltigkeit
Unternehmen.
Kerngeschäft der Unterheißt Wandel zu einem ökonehmen hinein bewegt hat.
logisch und sozial vertretbaJetzt zählen Produkte und Dienstleis- ren Lebensstil. Fortschritt ist niemals austungen, die ökologischen und sozialen gereizt, Innovation schläft nicht ein. Wir
Fortschritt bringen. Hier hat der Groß- bilden das Ringen um die bessere Idee ab,
teil der deutschen Unternehmen Nach- das es immer geben wird.
holbedarf. Wir sehen, dass das Thema
immer dann in Unternehmen „fliegt“, Was beeindruckt Sie selbst an der
wenn es zur Chefsache gemacht wird – Preisverleihung am meisten?
auch das ist noch nicht überall ange- Die Stimmung. Spannung, Freude, Aufkommen. In den Städten erkennen wir bruch aber auch Enttäuschung. EmotioNachholbedarf darin, oft bunten Ketten nale Momente und ein gewisser Gleichvon ökologischen oder sozialen klang im Raum, bei all den unterschied„Leuchttürmen“ eine übergeordnete lichen Wegen zur Nachhaltigkeit, die
Strategie zu geben, die sich in inhaltli- die Gäste gehen. Das sind für das ganze
cher Konsistenz, organisatorischer Ver- Team des Deutschen Nachhaltigkeitsankerung in der Verwaltung und einer preises besonders schöne Erlebnisse.
weitreichenden Partizipation der Bürger manifestiert.
Die Fragen stellte Jochen Clemens
Was ein guter Rat bewirken kann
Der von der Bundesregierung eingesetzte Rat für Nachhaltige Entwicklung soll den gesellschaftlichen Dialog verstärken
JOCHEN CLEMENS
N
achhaltigkeit hat in Deutschland
Abertausende Gesichter. Aktuell
17 davon sind in einem der Öffentlichkeit wenig bekannten Gremium
vereint, das aber eine wichtige Stütze für
die Beförderung nachhaltiger Entwicklung hierzulande ist: Im April 2001 berief
die Bundesregierung erstmals den aus
damals 15 Personen des öffentlichen Lebens bestehenden Rat für Nachhaltige
Entwicklung (RNE). Als dessen Aufgaben wurden die Entwicklung von Beiträgen für die Umsetzung der nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie und die Benennung von konkreten Handlungsfeldern
und Projekten definiert. Zudem soll der
Rat das weite Feld der Nachhaltigkeit
weiter in die Mitte der öffentlichen
Wahrnehmung transportieren und den
gesellschaftlichen Dialog anregen.
Zum 1. Juli 2013 wurde der RNE für
weitere drei Jahre bestellt. Sein derzeitiger Generalsekretär ist Günther Bachmann, den Vorsitz hat seit 2012 Marlehn
Thieme inne, Mitglied des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland.
Stellvertreter ist der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU),
Olaf Tschimpke. Bis Ende 2016 ist der
RNE für seine Arbeit von der Bundesregierung mit rund 2,4 Millionen Euro pro
Jahr ausgestattet worden, so dass er für
den Zeitraum 2014 bis 2016 über ein Budget von gut 7,2 Millionen Euro verfügt.
Eine der wichtigsten bisher geleisteten Arbeiten des Rates war die Erarbeitung des „Deutschen Nachhaltigkeitskodex“ im Oktober 2011. Das im August
2014 aktualisierte Papier wurde der Bundesregierung mit einer Empfehlung zur
Umsetzung überreicht, es soll als
Grundlage zur Bewertung von Unternehmen jeder Größenordnung am Kapital- und Finanzmarkt und deren Leistungen im Bereich Corporate Social Responsibility (CSR) dienen. Der Kodex
beschreibt in 20 Kriterien Aspekte der
Ökologie, des Sozialen und der Unternehmensführung, er macht Nachhaltigkeitsleistungen der Unternehmen sichtbar, mit einer höheren Verbindlichkeit
transparent und vor allem vergleichbar.
Im Rahmen seines Auftrages, Öffentlichkeit zu erzeugen, ist der RNE auch
beim aktuellen Deutschen Nachhaltigkeitspreis vertreten. In dessen Jury, der
die Nominiertenliste zusammengestellt
und letztlich auch die Sieger benannt
hat, sitzt neben Günther Bachmann und
Olaf Tschimpke auch Kathrin Menges,
die hauptamtlich Personalvorstand und
Vorsitzende des „Sustainability Council“
von Henkel ist. Soll Nachhaltigkeit von
der Gesellschaft nicht nur gelernt, sondern verinnerlicht werden, hält sie einen
Duktuswandel für nötig: „Die Diskussion
„Nachhaltigkeit
wird zu selten mit
Chancen
verbunden“
Kathrin Menges, Jurymitglied und
Personalvorstand bei Henkel
um Nachhaltigkeit wird zu häufig aus
der Perspektive ‚Verantwortung‘ und
‚Pflichten" geführt’ und zu selten mit der
Ausrichtung auf Chancen verbunden: Effizientere Prozesse, erneuerbare Energien oder die Bedürfnisse einer wachsenden Weltbevölkerung bedeuten auch
Chancen für Unternehmen und Staaten,
die ihre Strategie auf diese Herausforde+
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DIE WELT BERLIN-2014-11-28-swonl-86 c37eea0329ed4bfc29492a862861cc10
rungen ausrichten.“ Nachhaltigkeit sei
heutzutage ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Indem wir bereits im Innovationsprozess intensiv auf Nachhaltigkeit
setzen, können wir für unsere Kunden
leistungsstarke, effiziente Produkte entwickeln.“ Den Deutschen Nachhaltigkeitspreis sieht Kathrin Menges deshalb
als wichtige Veranstaltung an, bei der
das gesamte Spektrum der heimischen
Innovationsfähigkeit sichtbar wird. Wir
brauchen innovative Produkte und Prozesse, die bei gleicher oder besserer
Leistung weniger Ressourcen verbrauchen. Um das zu erreichen, brauchen wir
in den Unternehmen qualifizierte und
motivierte Mitarbeiter, die diese Innovationen vorantreiben. Die Beiträge, die
hier beim deutschen Nachhaltigkeitspreis gewürdigt werden, zeigen, dass wir
auf einem guten Weg sind.“
Ein Anliegen des Rates ist es, Nachhaltigkeit als Bildungsfach in bundesdeutschen Lehrplänen zu verankern, was
aufgrund der föderalen Struktur des
Schulwesens ein langer Weg sein wird.
Solange jedes der 16 Bundesländer eine
eigene Schulpolitik verfolgen darf, liegt
die Verankerung von Nachhaltigkeit als
Bildungsinhalt ganz allein bei den Lan-
desregierungen. Nach wie vor Der Appell
ist deutlich. Das „BündnisZukunftsbildung“ hat jüngst einen offenen Brief an
die Bundeskanzlerin, Bundesminister,
Ausschüsse des Bundestages und an die
Kultusminister der Länder geschickt: Sie
alle sollten sich „stärker als bisher“ und
„national und international“ dafür einsetzen, dass nachhaltige Entwicklung
„integraler Bestandteil“ aller Bildungspläne wird.
Seinem gesellschaftlichen Auftrag
kommt der Rat unter anderem auch
durch öffentliche Veranstaltungen nach.
Der nächste Termin steht nun fest: Vom
30. Mai bis 5. Juni 2015 finden die „Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit“ statt,
an denen sich jeder beteiligen kann –
Schulen, Kirchen, Unternehmen, Vereine, Initiativen, Nichtregierungsorganisationen, Behörden, Kindergärten und Einzelpersonen, die sich in ihrem täglichen
Umfeld für mehr Umwelt- und Klimaschutz einsetzen, den sozialen Zusammenhalt stärken oder faire Handels- und
Produktionsbedingungen aufzeigen wollen. Ab März 2015 können Interessierte
ihre Aktion auf der Webseite des RNE
eintragen. Weitere Informationen unter
www.nachhaltigkeitsrat.de
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D I E W E LT
SEITE III
DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
PICTURE ALLIANCE/ BLICKWINKEL/S/S. ZIESE
Er ist ein Dortmunder Vorzeigeprojekt: Der Phoenixsee entstand auf
einem früheren Stahlwerksgelände.
Auf einem Teil des auch auch bei
Freizeitsportlern beliebten Areals
entstanden Wohnungen
Das Wunder von Dortmund
Kommunen Die einstige Kohle- und Stahlstadt hat konsequent einen Strukturwandel vollzogen
CHRISTINA PETRICK-LÖHR
„Wir wollen die
Hauptstadt für
Elektromobilität
werden“
Thomas Rux, Energieberater
ches Potenzial seine Stadt hat. Für den
studierten Raumplaner ist er ein „städtebauliches Alleinstellungsmerkmal mit
enormer überregionaler Anziehungsund Strahlkraft“. Zusammen mit dem
ebenfalls neu entwickelten benachbarten
Technologiestandort Phoenix-West sei
dies einer der größten innovativen Lebensstandorte Deutschlands – und stehe
„als Synonym für einen erfolgreichen
Strukturwandel in Dortmund“.
Der hat freilich noch weitere Facetten.
„Wir haben neun Schwerpunktthemen
definiert, um die nachhaltige Entwicklung systematisch voranzutreiben“, erläutert Ullrich Sierau. Die Sicherung von
Arbeit und Beschäftigung gehört dazu,
ebenso wie wirtschaftliche Entwicklung,
Bildung und Schule, die Förderung kultureller Vielfalt, Natur- und Umweltschutz
und die Stärkung der Zivilgesellschaft.
Ein zentraler Baustein ist der Umgang
mit Energie. Dafür wurde der Masterplan Energiewende aufgestellt, der im
Frühjahr 2013 von allen Fraktionen des
Dortmunder Stadtrates beschlossen
wurde. „Es haben alle mit am Tisch gesessen, um diesen Plan zu entwickeln“,
sagt Michaela Bonan, die in der Dortmunder Stadtverwaltung für Bürgerbe-
VDE VERBAND DER ELEKTROTECHNIK ELEKTRONIK/FRAUKE SCHUMANN FOTOGRAFIE
Dortmund wächst. Das klingt unspektakulär – ist es aber ganz und gar nicht.
Während den Städten ringsum die Einwohner scharenweise davonlaufen oder
wegsterben, legt Dortmund entgegen jeder Prognose seit 2010 wieder zu. Mehr
Geburten, mehr Zuzüge, mehr Arbeitsplätze, so lautet die positive Bilanz.
583.658 Menschen lebten 2013 in der
Stadt am nordöstlichen Rand des Ruhrgebiets. Wachstum statt Schrumpfkurs –
aber auf nachhaltige Art. Für diesen
Weg, den Dortmund konsequent verfolgt, ist die Stadt nun für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Deutschlands nachhaltigste Großstädte“ nominiert worden. Die Konkurrenten sind Karlsruhe und Nürnberg.
Die einstige Kohle- und Stahlmetropole hat sich, fast ein wenig unbemerkt,
runderneuert. Den Strukturwandel, den
die mehr als 1000 Jahre alte Stadt dabei
vollzogen hat, kann man geradezu lehrbuchhaft an der Umgestaltung eines früheren Hüttenstandortes zum neuen Vorzeigestadtteil beschreiben. Phoenix-Ost
heißt das Areal im Stadtteil Hörde, an
dem Eisen und Stahl, Hochöfen und
Schornsteine 150 Jahre lang das Geschehen bestimmten. Ein Gebiet, das nur die
Arbeiter betreten durften, für alle anderen war es verbotenes Gelände. Erst mit
der Jahrtausendwende kam das endgültige Aus für die Schwerindustrie.
Dann geschah das – sorgsam geplante
– Wunder von Dortmund: Die Stadt
kaufte ThyssenKrupp das Gelände ab,
die Anlagen wurden abgebaut, der vergiftete Boden abgetragen, eine tiefe Grube
ausgehoben. Grundwasser und die teils
renaturierte Emscher ließen den Wasserspiegel steigen. Naturschutzprojekte begleiteten das Projekt. Heute fahren Segelboote und Kanus auf dem Phoenixsee, der größer ist als die Hamburger
Binnenalster. Spaziergänger, Jogger und
Inliner teilen sich den Drei-KilometerRundweg. Grundstücke mit Blick auf das
Wasser sind begehrte Standorte für
Wohn- und Geschäftshäuser – viele sind
bereits gebaut, andere noch in Planung.
Der Phoenixsee ist das Vorzeigeprojekt von Ullrich Sierau, dem langjährigen
Oberbürgermeister. Hierhin bringt er
Besucher, wenn er zeigen möchte, wel-
Schulprojekte sollen Kindern eine Vorstellung vermitteln, dass der Strom nicht
einfach aus der Steckdose kommt, sondern vorher produziert werden muss
teiligung zuständig ist. „Rund 150 Akteure – Industrie- und Handelskammer,
Handwerk, Stadtwerke und Energiewirtschaft, aber auch Seniorenrats- und Migrationsratsmitglieder – waren dabei.“
Die Stadt versteht sich als Plattform, als
Ansprechpartner und Kontakter, nicht
aber als Geldgeber für einzelne Projekte.
„Wir bringen beispielsweise unterschiedliche Unternehmen und Wissenschaftler
unserer Hochschulen zusammen, um
über Best-Practice-Beispiele zur sinnvollen Energienutzung zu sprechen.“
Einer der Mitgestalter des Masterplanes ist der Elektromobilitätslotse Thomas Rux, offiziell Energieberater des
kommunalen Energieversorgers DEW21.
Rux ist Spezialist für alles, was ohne
Sprit auf den Straßen rollt, er berät Unternehmen und Verwaltungen, aber
auch Privatleute, die sich für die Anschaffung von Gas-, Elektro- oder Hybridfahrzeugen interessieren. Seine Kolleginnen erklären Schulkindern, wie
Energie erzeugt wird, denn „viele Kinder haben die Vorstellung, dass der
Strom einfach aus der Steckdose kommt
– aber wie er produziert wird und was er
kostet, davon fehlt jede Vorstellung.“
Wer in Dortmund wissen möchte, woher der Strom für die zehn Elektroautos
stammt, die zum Pool der städtischen
Fahrzeuge gehören, muss eigentlich nur
den Kopf heben. Sobald eines der Autos
an die Steckdose gehängt wird, dreht
sich auf dem Dach des Rathauses am
Friedensplatz ein mächtiger Windquirl
und liefert die Energie für die nächste
Fahrt. „Wir wollen die deutsche Hauptstadt für Elektromobilität werden“, beschreibt Thomas Rux das ehrgeizige Ziel.
Rund 200 E-Autos sind bereits in Dortmund angemeldet, an 180 über das
Stadtgebiet verstreuten Ladestellen können sie Strom zapfen. Anbieter ist hier
der Energieerzeuger RWE – ein weiterer
Mitstreiter bei der Erstellung und Umsetzung des Masterplans.
Wie ernst es Dortmund mit der Energiewende ist, zeigt sich an einem weiteren Projekt: „Wir haben 100 hochwertige
Baugrundstücke aus städtischem Besitz
unter der Bedingung verkauft, dass sie
mit Energieplushäusern bebaut werden“,
erklärt Michaela Bonan. Das war die Gelegenheit für Svenja und Manuel Voßkühler, ihr Zuhause in ihrem Lieblingsstadtteil Lütgendortmund zu bauen, ein
Haus, in dem sie „unabhängig von Ölund Gaspreisen“ leben können, wie der
junge Hauseigentümer schwärmt.
Die Fotovoltaikanlage auf dem Dach
liefert selbst an einem grauen, trüben
Novembertag mehr Energie, als die Bewohner verbrauchen. Wer den IT-Systemberater in der Schaltzentrale seines
Hauses beobachtet, wenn er zufrieden
die aktuellen Werte für die eigene
Stromerzeugung abliest, der versteht
auch sofort, woher die Idee für „MyEnergix“ kommt: „MyEnergix“ ist eine
Smartphone-App, mit der Kinder und
Jugendliche spielerisch Wissen über
Energiethemen erwerben können“, beschreibt Jochen Meis, Projektleiter für
Forschungsprojekte bei dem IT-Entwickler GeoMobile. Die Kosten für die Entwicklung des Spiels trägt RWE, nutzen
sollen es vor allem Schulklassen.
Vernetzung unterschiedlicher Akteure
ist eines der Merkmale der Dortmunder
Nachhaltigkeitsphilosophie. „Wir müssen alle Kräfte der Stadt bündeln und
wir müssen die Bürger auf unserem Weg
mitnehmen“, nennt Sierau zwei der
wichtigsten Prinzipien seiner Politik.
„Wenn wir neue Projekte angehen, binden wir von Anfang an alle ein, die davon
betroffen sind. Wer frühzeitig zu Wort
kommt und sieht, dass seine Einwände
und Anregungen diskutiert werden, kann
mit dem Ergebnis leben, auch wenn es
nicht ganz den eigenen Vorstellungen
entspricht. Seitdem wir das so machen,
gibt es auch bei Großprojekten nur selten juristische Auseinandersetzungen.“
Partizipation soll auch in einem anderen
Bereich funktionieren, denn wie andere
Ruhrgebietsstädte auch sieht sich Dortmund seit einiger Zeit mit einem erheblichen Zuzug von Armutsflüchtlingen
konfrontiert, vor allem aus Südosteuropa. Ein Patentrezept für den Umgang
mit ihnen hat keine der Städte. In Dortmund versucht man es jetzt so: „Seit Semesterbeginn gibt es an der Fachhochschule den Studiengang Sozialarbeit mit
Schwerpunkt Armutsmigration“, sagt die
Sozialdezernentin Birgit Zoerner. „Unsere Studierenden haben überwiegend
selbst eine Migrationsbiografie, sie sprechen die Sprachen der Flüchtlinge und
kennen ihren kulturellen Hintergrund.“
Die Hälfte der Woche verbringen die
rund 30 Erstsemester an der Hochschule, den Rest der Zeit arbeiten sie bei der
Stadt oder bei anderen Trägern wie der
Caritas oder der Diakonie. Schon während des Studiums unterstützen die angehenden Sozialarbeiter so ihre Kollegen.“ Auf diese Weise, hofft Birgit Zoerner, komme man vielleicht erstmals an
viele der Zugezogenen heran. „Wir müssen den Menschen klarmachen, welche
Angebote es für sie gibt – etwa Alphabetisierungs- oder Sprachkurse. Es gibt
auch viele, die nicht einmal wissen, dass
für Kinder Schulpflicht gilt.“
Ob Phoenixsee, Studiengang Armutsmigration, Elektromobilität oder Passivhaus – die Liste der nachhaltigen Aktivitäten ließe sich in Dortmund leicht verlängern. „Wir planen nicht nur, wir machen auch“, fasst Oberbürgermeister
Sierau die größte Stärke seiner Stadt zusammen. Das wiederum ist vielleicht
noch ein Überbleibsel aus alten Zeiten.
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„Als Nachhaltigkeitsbotschafter von Henkel erklären wir Schülern weltweit, was Nachhaltigkeit
konkret bedeutet: zum Beispiel, wie die Kinder Wasser und Energie beim Waschen sparen können.
Wir sind überzeugt: Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten!“
Jaroslava Haid-Járková und Kinder der Kolovraty-Grundschule, Prag, Tschechien
Mit weniger mehr erreichen – dafür stehen die rund 47.000 Menschen
bei Henkel. Ihr Engagement macht Henkel führend im Bereich
Nachhaltigkeit. Mehr unter www.henkel.de/nachhaltigkeit
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DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
Super-App statt
Mega-Stau
BJÖRN ENGEL
Der Blick aus dem 14. Stock auf den
Ernst-Reuter-Platz ist beängstigend. Weniger wegen der Höhe, sondern wegen
des aufbrandenden Feierabendverkehrs,
der den Berliner Kreisel auf dem Weg
nach Westen verstopft. Wer hier in dem
80 Meter hohen Telefunkenhochhaus arbeitet, muss nur einen Blick in die Tiefe
werfen, um zu sehen, was Deutschland
dringend braucht. Oder eben nicht
braucht: noch mehr Autos.
Auch den wissenschaftlichen Mitarbeitern des „Distributed Artificial Intelligence Laboratory“ der Technischen Universität Berlin, kurz DAI-Labor genannt,
steht jeden Tag vor Augen, welches Problem ihre Algorithmen lösen könnten –
wenn sie denn dürften, wie sie wollten.
Zwar wird im Weltmeisterland Deutschland weltmeisterlich geforscht, wenn es
um Nachhaltigkeit geht, doch eines ist
bislang nicht gelungen: Eine App zu
schaffen, die alle verfügbaren Mobilitätsangebote zusammenfasst und damit den
privaten Fahrzeugbesitz wenigstens in
Teilen obsolet macht.
Bei diesem Problem gebe es „vier Ebenen“, sagt Johannes Fähndrich, Informatiker am 1992 von Professor Sahin Albayrak gegründeten DAI-Labor. „Die organisatorische, politische, rechtliche und
technische Ebene. Die technische macht
uns am wenigsten zu schaffen.“ Doch
selbst wenn es technische Standards gebe, werde oft versucht, diese zu umgehen und eigene Lösungen zu kreieren.
Rund 150 Carsharing-Anbieter gibt es
am Markt, von denen die meisten ihr eigenes Süppchen kochen. Die Entwicklung dieser Form der Mobilität scheint
rasant. Laut Angaben der Fachzeitschrift
„Connect“ habe es 2012 erst 22.000 registrierte Nutzer bei Carsharern gegeben. Heute sind es schon weit mehr als
eine Million. Für 2020 werden gar 15 Millionen prognostiziert. Doch solche Angaben sind mit Vorsicht zu genießen – weil
die Zahlen von den Anbietern selbst
kommen und Mehrfachregistrierungen
einzelner Nutzer bei verschiedenen Unternehmen eher die Regel sein dürften.
Eine Art Super-App, die alle Anbieter
zusammenfasst, könnte aus diesem Dilemma heraushelfen. Bei so einem
PICTURE ALLIANCE / ROBERT SCHLES/ROBERT SCHLESINGER
Forschung Das Teilen von Autos könnte den
Verkehr nachhaltig verändern. Ein Projekt
der TU Berlin verknüpft Mobilitäts-Anbieter
Weniger wäre mehr: Der dichte Stadtverkehr vor allem in den Stoßzeiten belastet nicht nur in Berlin Menschen und Natur
„Die technische Ebene macht uns am wenigsten zu schaffen“
Johannes Fähndrich, Forscher im Dai-Labor an der TU Berlin
„intermodalen Routenplaner“, wie diese
Applikation für Smartphones bezeichne
t wird, müsste man sich nur einmal anmelden und könnte fortan sämtliche
Mobilitätsangebote – inklusive ÖPNV,
Fahrradverleihdienste, Taxis und Mitfahrgelegenheiten – nutzen. „Es wäre
wünschenswert, dass man nur einen Vertrag abschließt und nicht zehn verschiedene“, sagt Marcus Voß von den „Next
Generation Services“ des DAI-Labors.
Auch dort forscht man an der Entwicklung solch eines Routenplaners namens
„Intermodale Mobilitätsassistenz für
Großstädte“ (IMA). Dieses Projekt ist
zwar politisch hoch aufgehängt, wird
auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und in
Partnerschaft mit dem German-Turkish
Advanced Research Centre durchgeführt
– dennoch muss es bislang mit den Daten von nur sechs Anbietern auskommen. „Ziel ist ein einheitlicher Marktplatz für Mobilitätsangebote mit
Schnittstellen, über die die Anbieter ihre
Angebote austauschen können“, sagt
Nils Masuch. Derzeit muss der Forscher
des DAI-Labors zum Teil auch mit statischen Daten arbeiten, die nicht dyna-
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Ein Plädoyer für mehr Gerechtigkeit
Bundesministerin Johanna Wanka über Forschung für die Zukunft
MICHAEL POSCH
Seidenweiches Perlwasser schmückt jede Frau. Es verleiht
ihr spürbar zarte Haut und geschmeidig glänzendes Haar.
B
eeindruckt war Johanna Wanka
(CDU). Insgesamt 80 Bewerbungen waren für den zum dritten
Mal von ihrem Ministerium ausgelobten
Forschungspreis „Nachhaltige Entwicklungen“ eingegangen. Damit lag die Zahl
deutlich über den 68 vom Vorjahr. Teilgenommen haben nach Angaben der
Bundesforschungsministerin alle namhaften deutschen Forschungszentren sowie eine Vielzahl kleinerer wissenschaftlicher Institutionen.
Für die Ministerin zeigen die Projekte,
dass „Deutschland bahnbrechende neue
Ideen für mehr Nachhaltigkeit in der
Welt entwickelt“. Eine Jury unter dem
Vorsitz von Günther Bachmann, Generalsekretär des Rates für Nahhaltige Entwicklung, hatte die Qual der Wahl – und
nominierte ein Projekt, das Energie aus
Abwasser gewinnt, eine thermische Batterie, die bislang verloren gegangene Abwärme speichern kann, sowie eine klimafreundliche Gewächshauslösung für
die Auszeichnung.
Alle drei Preiskandidaten stehen auch
für eine enge Kooperation zwischen
Wissenschaft und Wirtschaft. So offerieren Forscher des Kompetenzzentrums
Wasser Berlin mit den Berliner Wasserbetrieben und dem Dienstleister Veolia
Klärwerken die Chance, zu Kraftwerken
zu werden. Während übliche Kläranlagen die meiste Energie verbrauchen, um
Mikroorganismen während einer Reinigungsstufe mit Sauerstoff zu versorgen,
überspringt das neue Verfahren diese
Stufe und holt stattdessen mit einem
neuen Filterverfahren energiereiche organische Stoffe schon im Zulauf der
Kläranlage aus dem Abwasser. Daraus
entsteht später Biogas, aus dem Strom
erzeugt wird. Das Potenzial der Lösung
zeigt eine Zahl: Deutschlandweit werden
jährlich etwa 4400 Gigawattstunden
Strom, also etwa die Hälfte der Jahresproduktion eines großen Kraftwerks, zur
Abwasserreinigung benötigt. In vielen
Kommunen gehören Kläranlagen zu den
größten Stromverbrauchern.
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BWT-DW5
misch abrufbar sind, um das System mit
vielen Anbietern zu testen. „Je mehr hinzukommen, desto größer ist der Suchraum und desto komplexer sind die algorithmischen Herausforderungen.“
Immerhin haben die Berliner dank der
Daten von „Car2Go“ einen der größten
Anbieter integriert. 3500 Fahrzeuge ist
die bundesweite Flotte der DaimlerTochter groß und teilt sich damit, was
die Anzahl der Autos angeht, die Spitze
mit „Stadtmobil“ (3500), einem Zusammenschluss regionaler Mietwagen-Anbieter. Es folgen „Flinkster“ (3100) der
Deutschen Bahn und „DriveNow“
(2400) von BMW. Doch selbst wenn alle
150 Carsharer über ähnliche Flottenzahlen verfügen würden: Gemessen an den
mehr als 40 Millionen Autos auf deut-
schen Straßen sind die Unternehmen
bislang fast unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Wenn das Teilen und
temporäre Besitzen von Autos aber eine
wirkliche und nachhaltige Marktmacht
werden soll, wird man auf Dauer nicht
um eine App herumkommen, die die
Mehrzahl der Anbieter integriert. Warum zieren sich also die Unternehmen?
Die Antwort ist simpel: Die Mitbewerber sollen so wenig Informationen wie
möglich über das eigene Geschäftsmodell erhalten. Schnittstellen, über die
sich Unternehmen bei einem intermodalen Routenplaner andocken können, bieten nicht nur die Möglichkeit, dass Daten ein-, sondern eben auch ausgelesen
werden können. „Deshalb wird an
Sicherheitsfeatures gearbeitet, mit deren
Hilfe Anbieter genau deklarieren können, welche Informationen weitergegeben werden dürfen und welche nicht“,
erläutert Johannes Fähndrich die aktuellen Bestrebungen, den Routenplaner so
zu gestalten, dass jeder Anbieter sich beteiligen kann, ohne zu viel von seinem
Geschäftsmodell preisgeben zu müssen.
Derzeit verdienen die intermodalen
Routenplaner, die am Markt sind, eigentlich kaum ihre Bezeichnung. „Intermodal“ bedeutet im Gegensatz zu „multimodal“ die Möglichkeit, einen Weg von
A nach B mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zu bestreiten. Multimodal
heißt nur, dass jemand grundsätzlich
zwischen verschiedenen Fortbewegungsmitteln wählt und sich nicht zum Beispiel nur „monomodal“ ins Auto setzt.
Beispiele für intermodale Routenplaner sind Apps wie „Qixxit“, „Moovel“
oder „Allryder“. Doch die Programme
haben meist nur einen einzigen Carsharer integriert. „Qixxit“, eine App der
Deutschen Bahn und Sieger im Test von
„Connect“, setzt ganz auf das eigene Unternehmen „Flinkster“. Immerhin hat
man Fernbus-Konkurrenten wie „FlixBus“, „BerlinLinienbus“ oder „City2City“ neben Zugverbindungen, öffentlichem Nahverkehr, Bikesharing und Taxiunternehmen integriert. „Allryder“ wartet neben ÖPNV, Taxis und „Nextbike“
mit zwei Carsharern, „Car2go“ und
„DriveNow“, auf. „Moovel“, eine App
von Daimler, setzt neben „MyTaxi“,
„Mitfahrgelegenheit.de“, ÖPNV und
Fahrradverleihern – wenig überraschend
– auf das hauseigene „Car2go“.
Alles hübsch, aber wenig zielführend.
Es lässt sich also nur hoffen, dass die
Entwicklung der Sicherheitsfeatures im
DAI-Labor viele Anbieter überzeugt, ihre
Daten dem intermodalen Routenplaner
der TU Berlin zur Verfügung zu stellen.
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Nicht weniger Innovatives bieten die
anderen beiden Nominierten. Humboldt-Universität, Leibniz Universität
Hannover und Technische Universität
München erarbeiteten mit Partnern Ideen, wie in Gewächshäusern der Verbrauch fossiler Energie zum Heizen und
damit fossile CO2-Emissionen möglichst
auf null reduziert werden können. Und
Forscher der Leuphana Universität Lüneburg entwickelten eine thermische
Batterie, die speziell bei Mikro-Blockheizkraftwerken (BHKW) und damit besonders in Privathaushalten zum Einsatz
kommen soll, um über längere Zeiträume Wärme nahezu verlustfrei speichern
zu können. Ziel ist der Aufbau eines Verbunds von Mikro-Blockheizkraftwerken,
die Strom vor allem bei hohem Bedarf
und daraus resultierend hohen Preisen
dem Strommarkt zur Verfügung stellen.
Dass die Nominierten nicht lange auf
eine Umsetzung ihrer Ideen warten
müssen, belegen die Vergangenheit. Das
Leibniz-Institut für Gewässerökologie
und Binnenfischerei gewann 2012 den
„Die Frage ist, ob
wir unser Leben
nicht an manchen
Punkten neu
ausrichten müssen“
Johanna Wanka,
Bundesforschungsministerin
PA / DPA/ARNO BURGI
Preis für „Tomatenfisch“. 2015 starten
Testanlagen in Deutschland, Spanien
und Belgien, um gleichzeitig Fisch und
Tomaten in geschlossenen Gewächshäusern ressourcensparend und fast emissionsfrei zu produzieren. Das Projekt
nutzt die Tatsache, dass Fische und
Pflanzen ähnliche Umweltbedürfnisse
haben, darunter warme Temperaturen.
Für die Ministerin belegen diese und
viele andere innovative Ansätze, dass
Deutschland in der Forschung optimistisch in die Zukunft schauen kann. Dennoch stelle sich die Frage, „ob wir unser
Wirtschaften, unser Leben, nicht an
manchen Punkten neu ausrichten müssen – gerade angesichts rasanter globaler
Veränderungen“. Es gehe nicht mehr darum, „ob wir wirtschaftliches Wachstum
brauchen, sondern wie es aussehen
muss“. Längst sei klar: Wachstum müsse
auch ökologische, kulturelle und soziale
Aspekte umfassen und im Einklang mit
Umwelt und Gesellschaft stehen. Wanka: „Dafür brauchen wir eine gerechte
Wirtschaftsordnung, die es allen Menschen ermöglicht, an Entwicklung und
Wohlstand teilzuhaben, eine Wirtschaftsordnung, die nicht auf Kosten der
künftigen Generationen geht. Wir brauchen ein Wachstum, das nachhaltig ist.“
Ihrer Meinung nach kann der Staat
Wachstum weder erzwingen noch verhindern. Aber er könne es anschieben
und unterstützen, indem er etwa Forschung und Entwicklung fördert. Denn
für die globalen Herausforderungen der
kommenden Jahre seien neue Antworten
nötig. Es gehe darum, „die Energieversorgung zu sichern, den Klimawandel
abzubremsen und seine Folgen zu beherrschen sowie darum, unser Leben in
einer alternden Gesellschaft zu gestalten. Bei diesen Themen kommen wir mit
der heute vorhandenen Technik nicht
weiter.“ Forschung und Wissenschaft
seien gefragt, um neue Denkansätze zu
finden und notwendige Innovationen
auf den Weg zu bringen. Allein 2014 beträgt der Etat des Ministeriums mehr als
14 Milliarden Euro – im Vergleich zu
2005 ein Anstieg um knapp 60 Prozent.
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DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
Planen mit Gold,
Silber und Bronze
PICTURE ALLIANCE / DPA
Bauen Bei Projekten achten
Investoren und Planer
auf Ressourceneffizienz.
Sie lassen auch immer
öfter ihre Gebäude
zertifizieren
Neubau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt/Main: Planung und Technik ermöglichen, dass die Vorgaben der Energieeinsparverordnung von 2007 um etwa 30 Prozent unterboten werden können
ge wie inhaltsbeladene Begriff zum geflügelten Wort geworden. So waren
nach Angaben des „Green Building
Councils“ schon 2012 in den USA 41 Prozent aller Bürobauten nachhaltig oder
einfach „grün“, im kommenden Jahr
sollen sogar fast die Hälfte aller
Neubauten unter diese Einordnung
fallen. Der Trend macht sich auch in
Europa bemerkbar. Der EZB-Turm etwa nutzt die Abwärme des Rechenzentrums zum Heizen. Eine Erdwärme-Anlage und die stark isolierten Glasfassaden sollen es darüber hinaus möglich
machen, dass der Energieverbrauch um
30 Prozent unter den Anforderungen im
Planungsjahr 2007 liegt. Außerdem wird
das Regenwasser aufgefangen und als
Brauchwasser genutzt, unter anderem
für die Toilettenspülungen.
Allerdings ist der Nachhaltigkeitsbegriff in der Baubranche nicht weniger
schillernd als im allgemeinen Sprachgebrauch und verliert sich manchmal in
Floskeln und Schwammigkeit. Organisationen wie der „Green Buildings Council“ oder die „Deutsche Gesellschaft für
Nachhaltiges Bauen“ (DGNB) stellen
daher Kriterienkataloge auf, um Struktur in den Begriffswirrwarr zu bringen.
Anhand von bis zu 42 Kriterien bewertet etwa die „Deutsche Gesellschaft
für Nachhaltiges Bauen“ Bestands- und
Neubauten. Dabei kommen nicht nur
ökologische Eigenschaften wie etwa
Energieeffizienz oder schonender Ressourcenverbrauch zum Tragen, sondern
auch soziale Aspekte wie Barrierefreiheit oder Komfort – und natürlich auch
ökonomische wie etwa die während des
gesamten Lebenszyklus auflaufenden
Kosten oder die sogenannte Marktfähigkeit, worunter beispielsweise das Leerstandsrisiko fällt. Sie alle fließen ein in
eine „Gesamtnote“, für die es dann Zertifikate in den drei olympischen Metallen Gold, Silber und Bronze gibt. Bestandsbauten können zudem auch ein
einfaches „Zertifiziert“ erhalten, wenn
sie Bronze nicht erreicht haben.
HOLGER KROKER
185 Meter hoch schwingt sich das jüngste Wahrzeichen Frankfurts im nicht gerade hippen Ostend in den Himmel.
Zwei Kilometer von der fast amerikanisch anmutenden Skyline „Mainhattans“ entfernt, setzt das neue Hauptquartier der Europäischen Zentralbank
einen Kontrapunkt zur Phalanx der Bankentürme in Deutschlands Finanzzentrum. Die Zwillings-Bürotürme weichen
deutlich von der rechtwinkligen Norm
ab, als ob sie im hier vorherrschenden
Westwind schwankten. Zu einem geschlossenen Block verbunden werden sie durch ein die gesamte Fassade emporreichendes Glasatrium,
durch das auch Verbindungsetagen
von einem Turm zum anderen führen. Der gewaltige Bau reduziert die
denkmalgeschützte ehemalige Frankfurter Großmarkthalle zu seinen Füßen zu
einem reinen Sockelbauwerk. Dabei war
das Gebäude in seinem Eröffnungsjahr
1928 die größte frei überspannte Eisenbetonhalle der Welt – 220 Meter lang
und bis zu 23,5 Meter hoch.
Der selbstbewusste Umgang mit dem
Baudenkmal hat der EU-Institution in
der Stadt nicht nur Freunde gemacht.
Dabei war unstrittig, dass für den Riesenraum nur schwer eine angemessene
Verwendung gefunden werden konnte,
nachdem der Frankfurter Großmarkt
2004 an den nördlichen Stadtrand gezogen war. Jetzt beherbergt die Halle immerhin die „öffentlichen“ Einrichtungen der Zentralbank, wie Besucher- und
Pressezentrum, Gastronomie und Konferenzräume. Die Wiederverwendung
als EZB-Entree ist durchaus ein Beitrag
zur Nachhaltigkeit, beschert sie doch
dem fast 90 Jahre alten Bauwerk nun einen neuen Daseinszweck mit einer völlig neuen Klientel.
Nachhaltigkeit hat inzwischen annähernd alle Bereiche der Gesellschaft
durchdrungen, und auch unter Architekten und Bauherren ist der ebenso sperri-
In Deutschland
werden
Bestands- und
Neubauten
anhand von bis
zu 42 Kriterien
bewertet
Zertifiziert nach dem DGNB-System
ist der EZB-Turm nicht, eine ganze Reihe anderer Wolkenkratzer am Main dagegen schon. Darunter befindet auch die
Zentrale der Deutschen Bank, die zwar
aus den 1980er-Jahren stammt, aber im
Zeitraum von 2007 bis 2010 komplett
saniert wurde – und dafür schließlich
das Gold-Siegel der DGNB sowie den
Platin-Standard des US-Pendants LEED
einheimsen konnte. Weltweit haben 330
Projekte bereits ein DGNB-Zertifikat erhalten, 390 weitere sind für die Begutachtung angemeldet. Darüber hinaus haben 260 geplante Projekte einen Nachhaltigkeitsbescheid der DGNB erhalten,
das sogenannte Vorzertifikat. Darunter
befinden sich nicht nur Gewerbebauten
wie die Frankfurter Wolkenkratzer, die
mit den Nachhaltigkeitskriterien gemes-
sen werden. Auch für herkömmliche
Wohngebäude wird Nachhaltigkeit zunehmend eine Angelegenheit, die sich
nicht nur auf die Fotovoltaikanlage auf
dem Dach beschränkt.
Die Frage, wie viele Ressourcen für
das Eigenheim verbraucht wurden,
treibt viele private Bauherren mit ökologischem Bewusstsein durchaus um. Andere Nachhaltigkeitsaspekte sind bei der
mutmaßlich größten Investition des Lebens dagegen auch für eher ökonomisch
Denkende naheliegend: die Dauerhaftigkeit der Immobilie, die Flexibilität bei
künftigen Nutzungsänderungen und
nicht zuletzt die über den kompletten
Lebenszyklus hinweg betrachtete Wirtschaftlichkeit, die etwa einen gewissen
Wiederverkaufswert garantiert.
Solche Dinge sind für Erwerber einer
Eigentumswohnung schwer zu ermitteln. Bei den Zertifizierungen fließen sie
in die Bewertung ein, weshalb die DGNB
den Marketingeffekt ihrer Gutachten
nicht unerwähnt lässt. Noch allerdings
gibt es sie nur für einzelne Gebäude, jeder Bauherr muss also in nicht unerheblichem Maße Arbeitszeit und Geld investieren. Doch das könnte sich demnächst ändern: Die Deutsche Fertighaus
Holding strebt eine Serienzertifizierung
ihrer Produkte an. Schon jetzt gibt es
zwei Modelle aus der teuersten Produktlinie, die von der DGNB mit Silber und
Gold ausgezeichnet wurden. Bauherren,
die sich für diese beiden Häuser entscheiden, können also davon ausgehen,
dass ihr Eigenheim den Nachhaltigkeitskriterien genügt, auch wenn es selbst
kein eigens ausgewiesenes Zertifikat besitzt. Künftig, so die Zielsetzung, sollen
jedoch alle Fertighausserien „versilbert“
und „vergoldet“ werden.
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Zukunft ERDGAS e.V.
Gut kombiniert :
Erdgas im Keller und
Solar auf dem Dach.
Eines der nachhaltigsten Gebäude der
Welt steht im Münchner Stadtteil Schwabing. Das „NuOffice“ erhielt vom Green
Building Council das LEED-Zertifikat in
Platin. 94 von 110 möglichen Punkten
vergab die US-Behörde für das Bürogebäude, die bisher höchste Wertung in
der Kategorie Investorenprojekt. Nach
Angaben der Experten kann das „NuOffice“ selbst die Energiestandards, die in 40
bis 90 Jahren gelten dürften, übertreffen.
Zu den Pluspunkten gehören eine hochwirksame Hitze-Isolierung, der Einsatz
erneuerbarer Energien sowie passive
Heiz- und Kühlungsanlagen. Ziel der Betreiber ist es, den Energieverbrauch bis
Ende des Jahres auf 30 Kilowattstunden
pro Quadratmeter zu senken. Experten
zufolge liegt der durchschnittliche Verbrauch bei neu errichteten Bürogebäuden
zwischen 100 und 150 Kilowattstunden.
Dem steht der von Siemens im Osten
Londons errichtete „The Crystal“ in
PICTURE ALLIANCE / ARCAID/DAVID CHURCHILL
VON MÜNCHEN BIS CHICAGO – NEUN GRÜNE VORZEIGEGEBÄUDE
Ist eins der nachhaltigsten Gebäude:
Innenansicht von „The Crystal“
nichts nach. Der fast außerirdisch anmutende scharfkantige Zukunftsbau misst
knapp 20 Meter in der Höhe und 90
Meter in der Länge. Neu entwickelte
revolutionäre Technologien sucht man in
dem Gebäude allerdings vergebens. Stattdessen kombiniert „The Crystal“ Vorhandenes wie Fotovoltaikanlagen und
Erdwärmepumpen mit einem intelligenten
Gebäudemanagement-System.
Das World Architecture Festival hatte 2013
in Singapur eine eigene Liste mit kreativnachhaltigen Gebäuden vorgelegt. In die
Top-Sieben kamen „The Blue Planet“
(Kastrup, Dänemark), das Heydar Aliyev
Centre (Aserbaidschan), das Rush University Medical Center in Chicago (USA), das
Jia-Na-Ma-Ni-Zentrum in Qinghai (China),
das Chesapeake-Gebäude 12 (Oklahoma
City, USA), das Kaap Skil Maritime and
Beachcombers Museum auf der Insel
Texel (Niederlande) sowie das Indochine
Cafe in Kontum (Vietnam). cle
Gut für die Umwelt und fürs Portemonnaie: ERDGAS + Solar.
Alle Vorteile unter einem Dach: Brennwerttechnik und Solarthermie schonen
die Umwelt und Ihr Portemonnaie. Wie das geht? Ganz einfach: Wenn die
Sonne scheint, wird die Sonnenenergie zur Wassererwärmung und zum Heizen
genutzt. Und sonst sorgt ERDGAS für die nötige Energie. Viel einfacher und
effizienter kann man umweltschonende Technologien nicht kombinieren.
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DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
DIE DREI
EHRENPREISE
Die Preisträger sind:
Horst Köhler, das Ehepaar
Firth sowie Nelly Furtado
Gewinner
sind wir alle
E
inen der drei Ehrenpreise erhält
Altbundespräsident Horst Köhler.
Gewürdigt wird damit das jahrzehntelange Engagement des Altbundespräsidenten für eine globale nachhaltige
Entwicklung zur Stärkung benachteiligter
Regionen. „Die Idee nachhaltiger Entwicklung zur Bekämpfung von Armut und
sozialer Ungleichheit vor allem in benachteiligten Regionen der Erde war ein
Leitmotiv seiner Präsidentschaft und eine
Herzenssache, der er auch heute viel
Kraft und Zeit widmet“,
so die Begründung für
die Auszeichnung.
Deutlich früher als
viele Akteure der Tagespolitik mahnte er
für Deutschland den
Wandel an, „der heute
als Transformation zu
einer Green Economy
in aller Munde ist.“ In zahlreichen Reden
habe er neue Wachstums- und Wohlstandsmodelle vorgeschlagen, die Ressourcenschonung und soziale Fairness in
den Mittelpunkt stellen. Schriftsteller
Henning Mankell hält die Laudatio.
PA/ DPA/MG
33 Firmen, Verbände und Kommunen sind
für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis
nominiert, zudem werden in diesem Jahr drei
Ehrenpreise überreicht. Verlierer kennt diese
grüne Gala nicht, denn ausgezeichnet sind alle
hier präsentierten Ideen und Projekte. Die jeweils
Erstplatzierten der verschiedenen Kategorien
werden in der Ausgabe von „Die Welt“ am
1. Dezember auf einer Sonderseite vorgestellt
Colin Firth, seit drei Jahrzehnten als
vielfach preisgekrönter Film-, TV- und
Theaterschauspieler erfolgreich, befasst
sich seit Langem mit den Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung.
Eine zentrale Rolle für
ihn spielt der Kampf
für die Rechte indigener Völker, deren Land
und Lebensgrundlagen
durch Umweltzerstörung und Vertreibung bedroht sind,
sowie im Engagement für fairen Handel.
Ehefrau Livia Firth wurde 2013 von der
Uno als „Leader of Change“ ausgezeichnet. Sie ist u. a. Oxfam-Botschafterin,
Mitbegründerin der Frauenrechtsorganisation „The Circle“ und zusammen mit
ihrem Mann rief sie die Nachhaltigkeitsberatung „Eco-Age“ ins Leben. Ihre Ehrung soll auch unterstreichen, „wie wichtig fairer Lohn und ökologische Rücksicht
in der Modebranche sind“.
PA/ EMPICS/ANTHONY DEVLIN
FORSCHUNG
CARISMO
Forscher des Kompetenzzentrums Wasser Berlin entwickelten mit Berliner Wasserbetrieben und Veolia eine Methode, um Energie aus dem Abwasser besser zu nutzen.
Energiereiche organische Stoffe werden im Zulauf der Kläranlage zur Schlammfaulung überführt, um so Biogas und daraus Strom zu gewinnen. Das Konzept wird
in der Kläranlage Westewitz (Abwasserverband Döbeln-Jahnatal) umgesetzt.
Die Thermische Batterie
Für Heizen und Kühlen verbrauchen deutsche Haushalte etwa 90 Prozent der Energie. Forscher der Leuphana Universität Lüneburg entwickelten mit der Thermischen
Batterie einen kompakten Hochleistungswärmespeicher für Haushalte, der verlustarm Energie beliebig lange speichert und ein Niedrigenergiehaus je nach Wetterlage
Tage oder sogar Wochen mit Heizwärme und Heißwasser versorgen kann.
PA/ BILDAGENTUR-O
PA/ NEWSCOM/JORGE RIOS
Nelly Furtado erhält die Auszeichnung
für ihr Engagement vor allem für junge
Frauen in Ostafrika.
Die kanadische Musikerin ist seit 2011 Botschafterin von Free
The Children. Aktuell
unterstützt sie eine
neu eröffnete Mädchen-Internatsschule
in der Maasai-MaraRegion in Kenia.
Zudem fördert sie ökologische
Projekte in British Columbia sowie
verschiedene Institutionen für Kinder
in Kanada und den USA.
Innovative Lösungen für grüne Gewächshäuser und
zur Gewinnung sowie Speicherung von Energie
Hightech-Folienhäuser sollen künftig für
erhebliche Energieeinsparungen sorgen
Verbundvorhaben ZINEG
Das Klimatisieren von Gewächshäusern erfordert viel Energie.
ZINEG, als Verbundvorhaben von
HU Berlin, LU Hannover, TU
München, HS Osnabrück, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Niedersachsens Landwirtschaftskammer, bietet Lösungen für eine hohe Energieeffizienz
bei niedrigem CO2-Ausstoß. Die
Hülle der Hightech-Folienhäuser
schützt die Pflanzen zudem vor
Schädlingen, sodass auch ohne
chemische Pflanzenschutzmittel
beste Fruchtqualitäten entstehen.
DIE NACHHALTIGSTEN STÄDTE & KOMMUNEN
Ob Metropole oder Gemeinde, alle Nominierten sind Vorreiter beim Klimaschutz und setzen auf Bürgerbeteiligung
GROSSSTÄDTE
STÄDTE MITTLERER GRÖSSE
KLEINSTÄDTE & GEMEINDEN
Dortmund
Die Stadt Dortmund (584.000 Einwohner) unterstützt ihren Strukturwandel mit
breitem Nachhaltigkeitsmanagement. Das Einbeziehen von Bürgern, Firmen und
Einrichtungen sorgt für hohe Akzeptanz. So konnten u. a. als Bestandteil des
„Masterplan Energiewende“ CO2-Ausstoß und Energiekosten öffentlicher Gebäude deutlich gesenkt werden. Im Rahmen des Projekts Phoenix wurden ehemalige Großareale der Montanindustrie in einen Standort für Zukunftstechnologien
und ein Naherholungsgebiet umgewandelt. Dortmund profiliert sich auch als
Wissens- und Kulturstandort sowie durch eine hervorragende Integrationsarbeit.
Delitzsch
Die sächsische Stadt Delitzsch (25.100 Einwohner) konnte zwischen 1990 und 2007
den CO2-Ausstoß um 60 Prozent senken. Im Stadtgebiet wird mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt, als verbraucht wird. Delitzsch ist einer von fünf Preisträgern des Bundeswettbewerbs „Energieeffiziente Stadt“. Die gute Anbindung an
überregionale Radwege ist Grundlage für nachhaltigen Tourismus.
Gemeinde Furth
In Furth (3743 Einwohner) bei Landshut ist Nachhaltigkeit Kern des Gemeindehaushalts. 2011 bekam Furth das Gütesiegel „Nachhaltige Bürgerkommune Bayern“. 1999
wurde die Komplettversorgung über erneuerbare Energien beschlossen. 80 Prozent
der Strom/Wärme-Versorgung stammen bereits aus regenerativen Energien. Holz ist
dabei der wichtigste Rohstoff, durch das Projekt „Energiewald“ wird ein schonender
Anbau gesichert. Furth verfolgt eine ausgeprägte Innenentwicklung wie z. B. mit
dem Projekt Neue Dorfmitte, Vorgaben sorgen für restriktive Baulandausweisung.
Nürnberg
Dem fränkischen Nürnberg (513.000 Einwohner) ist es gelungen, Highlights nachhaltig zusammenzuführen. Die Stadt beeindruckt als Bio-Metropole und fördert
seit zehn Jahren systematisch Angebot und Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln in
der Region. Nürnberg ist ein Vorreiter im Klimaschutz und hat als eine von wenigen Großstädten einen Klimafahrplan bis 2050. Gewürdigt werden auch soziale
Aktivitäten sowie eine hervorragende Bildungs- und Integrationsarbeit.
PICTURE-ALLIANCE/ DPA/DANIEL VÖLPEL
Karlsruhe
Die baden-württembergische Stadt Karlsruhe (293.000 Einwohner) zeigt, wie
Herausforderungen einer prosperierenden Stadt mit einer sozialgerechten und
ökologisch orientierten Stadtentwicklung sowie einer weiteren Stärkung von
Wirtschaft und Forschung verbunden werden können. Ein übergreifendes „Integriertes Stadtentwicklungskonzept 2020“ bündelt die Maßnahmen und garantiert breite Bürgerbeteiligung. Zu den etwa 80 Vorhaben gehört u. a. die Initiative
„Karlsruhe macht Klima“, das „Mobile Kinderbüro“ sowie ein bundesweit wegweisendes ÖPNV-Großprojekt nebst einem Fahrrad-Förderprogramm.
Hansestadt Lüneburg
Lüneburg (73.000 Einwohner) verbindet Historie mit Zukunft. Der Landkreis hat
das Ziel, die Region komplett mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Der Radverkehr macht bereits 25 Prozent des Verkehrsaufkommens aus. Lüneburg stellt seit
Jahren mehr Personal für die Arbeit mit Flüchtlingen und Asylbewerbern bereit, als
die Vorgaben verlangen, und erreicht ein weitestgehend konfliktfreies Miteinander.
Die „Zugwiesen“ bei Ludwigsburg: Hier entstand eine Auenlandschaft mit Wasserflächen
Ludwigsburg
Ludwigsburg (90.000 Einwohner)
arbeitet seit 2004 an einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Um die
Aktualität des Konzepts zu sichern,
finden alle drei Jahre Zukunftskonferenzen statt. In das Konzept
integriert Ludwigsburg erfolgreich
Einzelprojekte. So wurden am
Flussufer des Neckars 17 Hektar in
eine ursprüngliche Auenlandschaft
zurückgebaut. Die Stadt ist national
ein Schaufenster für E-Mobilität.
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DIE WELT BERLIN-2014-11-28-swonl-86 c37eea0329ed4bfc29492a862861cc10
Nordseeinsel Juist
Die Insel Juist (1657 Einwohner) versucht Herausforderungen wie dem Meeresspiegelanstieg durch den Klimawandel oder zunehmenden Sturmfluten mit innovativen Strategien zu begegnen. 2010 entwickelte man (touristische) Leitlinien für die
Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales, die u. a. Grundsätze zu Fairness, AntiKorruption, Nachhaltigkeit, Beschäftigung und Gleichbehandlung enthalten. In
Kooperation mit Norderney und Baltrum wurde ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept erarbeitet. Bis 2030 will die Gemeinde Klimaneutralität erreichen.
Samtgemeinde Barnstorf
Das niedersächsische Barnstorf (12.050 Einwohner) wurde für sein nachhaltiges
Flächenmanagement von der Europäischen Kommission als „Best-Practice“ gelobt.
Mit sieben Partnerkommunen entwickelte die Gemeinde zwischen 2009 und 2012
unter Federführung des NABU Strategien, die den Nutzen einer flächensparsamen
Siedlungsentwicklung im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern sollen. Bis 2025
will Barnstorf die benötigte Energie aus erneuerbaren Energiequellen bereitstellen
und Energie effizienter nutzen. So wurden zwei Bürgersolaranlagen auf öffentlichen
Gebäuden von der neu gegründeten Genossenschaft Öko-Energie Huntetal errichtet.
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SEITE VII
DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
SONDERPREIS
RESSOURCEN
BLAUER ENGEL-PREIS
Für das Umweltzeichen sind ein Möbel-, ein
Drucker- und ein Heizungshersteller nominiert
Die Preisträger sind :
Aquafil, die Grohe AG
und die Symrise AG
hülsta-werke Hüls GmbH & Co. KG
Der Möbelhersteller leistet seit Langem Pionierarbeit und konnte als
erster der Branche ein Möbelsortiment mit dem Blauen Engel kennzeichnen.
Aquafil S.p.A.
Aquafil produziert jährlich mehrere Millionen Tonnen synthetischer Fasern. Die daraus hergestellten Textilien, Teppiche oder
Fischernetze landen am Ende des Produktzyklus oft im Müll oder werden im Meer
entsorgt. Aquafil will die Stoffkreisläufe
schließen, Faserabfälle sammeln, recyceln
und für neue Produkte einsetzen. Dafür
wurde seit 2011 ein weltweites Netzwerk an
Faserabfallsammelstellen aufgebaut. Recyceln kann man industrielle Abfälle sowie
Nachnutzungsabfälle wie Fischernetze und
Teppichreste, die aus Ländern rund um den
Globus stammen. Aquafil kooperiert dafür
mit Partnern: Im Projekt Net-Works z. B.
werden mit dem Teppichhersteller Interface und der Zoologischen Gesellschaft
London Fischernetze in Gemeinden, darunter den Philippinen, von Fischern eingesammelt. Das verhindert die übliche Entsorgung im Meer und bietet den Fischern
ein zusätzliches Einkommen.
KWB – Kraft und Wärme aus Biomasse GmbH
Die KWB stellt Biomasseheizungen her. 60 Prozent ihrer Produkte sind
bereits mit dem Umweltzeichen zertifiziert. Um Innovationen voranzutreiben,
fließen zehn Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung.
Kyocera Document Solutions Deutschland GmbH
Der weltweit führende Anbieter von Dokumentenmanagement-Lösungen kennzeichnet schon 50 Systeme mit dem Umweltzeichen für Drucker und Kopierer.
Diese müssen über 100 Kriterien erfüllen, um den Blauen Engel tragen zu können.
NACHHALTIGSTE MARKEN
Zur Wahl stehen die Berliner Stadtreinigung, die
Biofirma Lebensbaum und die Organisation Gepa
Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR)
Die BSR (Anstalt öffentlichen Rechts) als ein führender Entsorger in Europa unterstützt soziale Projekte wie die Bio-Brotbox für Schulanfänger. Im Kerngeschäft wird
mehr als die Hälfte des Abfalls klimaneutral von Biogas-betriebenen Autos abgeholt.
Lebensbaum Ulrich Walter GmbH
Lebensbaum entstand aus einem
kleinen Bioladen. Kaffee, Tee und
Gewürze werden direkt im Ursprungsland aus ökologischer Landwirtschaft eingekauft. 2013 erfüllte
man als erste Firma der Biobranche
G3-Standards der Global Reporting
Initiative (Berichtslevel A+).
BSR/BSR
Gepa – The Fair Trade Company
Europas größte Fair-Handels-Organisation führte eigene strenge Standards
ein, um sich von Mitbewerbern zu
differenzieren, darunter „fair +“ .
Sorgt auch für ein gutes Image: Ein
Kampagnenmotiv der Berliner BSR
NACHHALTIGES BAUEN
© DANIELA KIRCHLECHNER
Projekte aus Berlin, Hamburg und dem Taubertal
wollen den Sonderpreis in dem Bereich gewinnen
Am Urban, Berlin-Kreuzberg
Das frühere Krankenhausareal mit 19 Gebäuden wurde zu individuellen Wohnungen
umgebaut. Wärmegewinnung erfolgt durch Kraft-Wärme-Kopplung. Über ein alternatives Finanzierungskonzept wurden private Bauherren beteiligt Das generationenübergreifende Projekt bietet Familien große Wohnungen in der Innenstadt.
Elbarkaden HafenCity Hamburg
Bei den Elbarkaden im Osten der HafenCity ermöglichte Skelettbautechnik verschiedene Nutzungschancen. Beim Innenausbau wurden baubiologische Materialien
eingesetzt. Die energetische Versorgung wird über Solarenergie und Geothermie
sichergestellt, unterstützend wirken eine Windenergieanlage und Fotovoltaik.
HOF8 – Der Plusenergiehof im Taubertal
Der Plusenergiehof zeigt beispielhaft die innovative und ökologische Gesamtsanierung einer landwirtschaftlichen Hofanlage. Nach langem Leerstand und kurz vor
dem Abriss erfuhr der ehemalige Bauernhof nachhaltige Aufwertung. Auf 1200 Quadratmetern entstanden eine Hebammenpraxis, ein Büro und Seniorenwohnungen.
Grohe AG
Für die Grohe AG als Hersteller sanitärtechnischer Produkte und Systeme ist Ressourceneffizienz, insbesondere beim Wasser- und Energiesparen, eine zentrale
Chance und Herausforderung. Denn in
vielen Regionen der Welt ist sauberes
Trinkwasser ein knappes Gut. Hier sind
wasser- und energiesparende Sanitärprodukte ein wichtiger Hebel, zumal die Produkte der Firma weltweit verfügbar sind.
Technologien für Armaturen, Handbrausen,
Thermostate und Sanitärsysteme ermöglichen einem Vierpersonenhaushalt, pro Jahr
bis zu 70.000 Liter Wasser und 1300 Kilowattstunden einzusparen. Exakte Temperaturregler vermeiden beispielsweise ein
langes Vorlaufen des Wassers und reduzieren dadurch den Energieverbrauch. Auch in
der Produktion ist Umwelt- und Ressourcenschutz eine wichtige Herausforderung.
Die Grohe-Produktionsstätten erreichen
Recyclingraten von bis zu 99 Prozent.
Symrise AG
Die Symrise AG aus Holzminden produziert Duft- und Geschmackstoffe, kosmetische Grund- und Wirkstoffe sowie Inhaltsstoffe für Kosmetik, Lebensmittel und
Pharmazeutika. Bis zum Jahr 2050 werden
mehr als neun Milliarden Menschen mit
Grundbedürfnissen nach Gesundheit und
Ernährung, Pflege und Wohlbefinden auf
der Erde leben. Um diese Bedürfnisse nachhaltig und umweltschonend befriedigen zu
können, ist höchste Ressourceneffizienz
erforderlich. Das Unternehmen nutzt deshalb vor allem natürliche Rohstoffe, die
lokal weiterverarbeitet werden. Ein Beispiel
dafür ist die sogenannte Symrise-Zwiebel,
die auf kurzen Wegen und ohne Kühlung
sowie Lagerung beschafft und zur Verarbeitung bereitgestellt werden kann. Zudem weist die Zwiebel eine neutrale Wasserbilanz auf. Eine eigene Technologie der
Firma sorgt zudem für eine maximale Ressourcenausbeute, sodass 100 Prozent des
Rohstoffs verwertet werden können.
DIE NACHHALTIGSTEN UNTERNEHMEN
Fairness zu Partnern und Mitarbeitern sowie hohe Umweltstandards zeichnen diese Konzerne, Mittelständler und Familienfirmen aus
GROSSUNTERNEHMEN
MITTLERE UNTERNEHMEN
KLEINE UNTERNEHMEN
Miele Cie. KG
Durch die weltweite Nutzung seiner Produkte hat das Familienunternehmen Miele
einen großen Nachhaltigkeitshebel. Miele verfolgt seit Jahrzehnten eine Strategie
der Nachhaltigkeit, darunter bei Produkten, der Lieferkette, Prozessen, in der
Produktion sowie bei den Mitarbeitern. Die Mitarbeiter, auch im Ausland, schätzen
die überdurchschnittlich hohen sozialen Standards. So zahlt man in China Einstiegslöhne, die deutlich über dem lokalen Mindestlohn liegen. Dank effizienter
Kraft-Wärme-Kopplung senkte man den Energieverbrauch in der Produktion seit
2000 absolut um 15 und die CO2-Emissionen (pro Tonne Produkt) um 61 Prozent.
Rauch Möbelwerke GmbH
Die Rauch Möbelwerke aus Freudenberg am Main legen Wert auf partnerschaftliche und faire Lieferantenbeziehungen und nutzen Holz ausschließlich aus regionalen, nachhaltig bewirtschafteten Wäldern. Die Produktion ist CO2-neutral.
Altholz und -abfälle werden komplett in den Produktionsprozess zurückgeführt.
Gepa – The Fair Trade Company
Gepa, Europas größte Fair-Handels-Organisation, handelt seit 39 Jahren und hat
etwa 150 Partner in Lateinamerika, Afrika, Asien und Europa. Dabei konzentriert
man sich auf kleine Genossenschaften, die von Vorfinanzierungen, hohen Preisen
und Biozuschlägen profitieren. Um faire Preis für die Produkte zu erreichen, bietet
man Basis-, Kern- und Premiumsortimente an. 75 Prozent der Produkte stammen
aus geprüft ökologischem Anbau. Die Organisation legt Wert auf eine physische
Rückverfolgbarkeit der Rohware. Auch die CO2-Reduktion steht im Fokus. Nicht zu
vermeidende Emissionen werden durch Aufforstungsprojekte ausgeglichen.
Scandic Hotels Deutschland GmbH
Scandic als führende Hotelgruppe in Nordeuropa hat ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept. Bis 2025 will man CO2-Emissionen aus fossilen Ressourcen vermeiden und den Energie- und Wasserverbrauch stark senken. Nachhaltig ist die gesamte Wertschöpfung – vom Baumaterial für Gebäude bis zum Verhaltenskodex
für Lieferanten. Im „Scandic Berlin Potsdamer Platz“ sollen für bestimmte Gerichte bis Ende 2014 alle Lebensmittel aus der Region kommen. „Scandic Hamburg
Emporio“ lässt Speisereste verstromen und Fettreste zu Biodiesel verarbeiten.
DJH LANDESVERBAND UNTERWESER-EMS E.V.
Remondis SE & Co. KG
Das Familienunternehmen Remondis agiert weltweit, sammelt Wertstoffe und
produziert daraus neue Rohstoffe und Recyclingprodukte sowie Energie. Zusätzlich bereitet Remondis Abwasser auf und versorgt Bürger mit Frischwasser. Das
Unternehmen konzentriert sich auf das Weiterentwickeln und Umsetzen effizienter Recyclingverfahren. Nachhaltigkeit zieht sich durch alle Wertschöpfungsstufen.
Remondis exportiert die Kreislaufwirtschaft auch ins Ausland und betreibt Anlagen beispielsweise in Dserschinsk/Russland.
Wolff & Müller Holding GmbH & Co. KG
Bauspezialist Wolff & Müller bieten seinen Kunden die Chance, nachhaltige Gebäude zu erstellen und deren Qualität zertifizieren zu lassen. Intern arbeitet die
Firma in allen Bereichen CO2-neutral. Im Kampf gegen Sozialbetrug arbeitet man
eng mit den Kontrollbehörden zusammen. Aufträge an Nachunternehmer werden
detailliert auf Einhaltung rechtlicher und sozialer Standards geprüft.
Neuartiges Projekt: In Neuharlingersiel entstand die erste Club-Jugendherberge der Welt
Deutsches Jugendherbergswerk (DJH), Landesverb.
Unterweser-Ems e.V.
Der Landesverband nutzt die
Chance, sich mit dem Nachhaltigkeitskonzept vom Markt
abzuheben. So wird zu 100 Prozent Ökostrom genutzt, kommen zu 90 Prozent LED-Lampen zum Einsatz. Beim Einkauf
setzt man auf regionale Produkte. Das Nachhaltigkeitskonzept hat Pilotcharakter für
die 14 DJH-Landesverbände.
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Naturstrom AG
Naturstrom, Anbieter von Ökostrom und Biogas, plant und betreibt Fotovoltaik-,
Windenergie- und Biomasseanlagen – oft mit Bürgern. Für Firmen und Wohnungswirtschaft entwickelt man in Kooperation Konzepte für eine komplette Versorgung
aus erneuerbaren Energien. Der Strom stammt aus Wasser-, Wind- und Solarkraftwerken, zugekauftes Biogas aus Rest- und Abfallstoffen. Seit Gründung errichtete
oder ermöglichte man 230 Kraftwerke. Die Firma hat insgesamt etwa 250.000 Kunden und konnte helfen, 2,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid zu vermeiden.
W. Neudorff GmbH KG
Pflanzenschutzmittelhersteller W. Neudorff nutzt vorwiegend natürliche Wirkstoffe
und nachwachsende Rohstoffe. Von den 1300 Artikeln der Firma sind viele für den
ökologischen Landbau geeignet. Die Firma bevorzugt regionale, schnell wachsende
Rohstoffe. Noch genutzte synthetische will man zeitnah durch natürliche Wirkstoffe
ersetzen. Neudorff produziert selbst erneuerbare Energie und nutzt für Produktion
und Verwaltung komplett zertifizierten Ökostrom. Dir CO2-Emissionen konnten um
35 Prozent reduziert werden. Bis 2020 will man CO2-Neutralität erreichen.
SEITE VIII
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DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
Die ganze Welt
fliegt auf diesen
Himmelsboten
Wertstoffe aus
zweiter Hand
Der Blaue Engel setzt
seit 1978 Standards
CHRISTINA ANASTASSIOU
Recycling Grüner
Punkt – Duales
System
Deutschland und
Industrie bündeln
ihr Know-how
Nach 1949 wuchsen in Westdeutschland,
dem Land des Wirtschaftswunders, die
Müllberge parallel zur ökonomischen Dynamik. Der Platz auf den Deponien wurde
knapp, nicht zuletzt, weil auch Verpackungsmaterialien tonnenweise abgekippt
wurden. Zwar hatte es Mülltrennung sporadisch gegeben, doch das Gros dieser
Siedlungsabfälle landete auf Müllkippen
oder wurde verbrannt. Diese Wegwerfmentalität hatte natürlich entsprechend
negative Konsequenzen für die Umwelt.
Dass sich aus dem vermeintlichen Abfall
Rohstoffe wiederverwerten lassen, wurde
lange verdrängt.
1986 wurden in einem novellierten Gesetz die Abfallvermeidung, die getrennte
Entsorgung sowie die Rückgabe- und
Rücknahmepflichten festgeschrieben. Das
neue Müllkonzept ruht auf drei Säulen:
Abfallvermeidung vor Wiederverwertung,
Wiederverwertung vor Müllverbrennung,
Müllverbrennung vor Deponierung. Aus
einer „Beseitigungswirtschaft“ sollte sich
eine Kreislaufwirtschaft entwickeln, in die
Industrie und Gewerbe, aber auch die
Bürger mit ihrem Hausmüll eingebunden
werden. Als Reaktion auf die Verpackungsflut führte die Bundesregierung
1991 die Verpackungsverordnung ein, die
Handel und Industrie verpflichtete, für ihre Transport-, Um- und Verkaufsgebinde
umweltverträgliche Materialien zu verwenden, diese zu entsorgen beziehungsweise wiederzuverwerten. Übernommen
wurde die Aufgabe der Sammlung und
Verwertung gegen eine von den Herstellern zu entrichtende Lizenzgebühr von
der privaten Firma Duales System
Deutschland (DSD), die dafür auch das
Logo Grüner Punkt erfand und einführte.
Das duale System wurde ausschließlich
für gebrauchte Verpackungen wie Kartons, Folien, Joghurtbecher oder Getränkekartons und die für die Verteilung notwendigen Transport- und Umverpackungen eingerichtet. Mit dem Grünen Punkt
begann ein Paradigmenwechsel, der Wan-
GETTY IMAGES
MATTHIAS BILLAND
E
Der Kunststoff PET ist als Verpackungsmaterial vor allem im Getränkebereich auf dem Vormarsch. Farblose PET-Flaschen machen
es möglich, einen geschlossenen Produktkreislauf einzurichten. Experten nennen dies Recycling „von Flasche zu Flasche“
del des Abfallrecyclings zu einer eigenständigen Wirtschaftsbranche, die der Industrie wichtige Sekundärrohstoffe liefert.
Darüber hinaus verringert das duale System durch das Sammeln und Verwerten
von Verpackungen den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen.
Die „Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH“ hat sich dem
Thema Ressourcenschonung verschrieben, was nicht allein in ihrer Unterstüt-
zung für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis zum Ausdruck kommt, den sie seit
der ersten Veranstaltung 2008 fördert.
Vielmehr ist ihr Know-how auf diesem
Gebiet auch bei vielen Herstellern gefragt, bei denen das Thema Recycling
mittlerweile stark im Fokus steht. Ein
Beispiel dafür ist der Lebensmittelriese
Nestlé, der bis 2020 seine Artikel nur
noch in Materialien einpacken möchte,
die sich werkstofflich komplett verwerten lassen, sodass daraus neue Produkte
entstehen. Um das zu erreichen, kooperieren Nestlé und DSD. Letztere ermöglicht Nestlé-Mitarbeitern Praxisworkshops in Anlagen, in denen das Verpackungsgemisch aus der gelben Tonne
sortiert wird. Hier können die NestléEntwickler anhand von Probemengen beobachten, wie sich „ihre“ Verpackungsmaterialien bei der Sortierung verhalten.
Die Gestaltung der Verpackungen entscheide darüber, ob sie sich effizient wiederverwerten ließen, kommentiert Michael Heyde, Leiter Technik bei DSD.
Beide Partner haben einen Kriterienkatalog erarbeitet, der günstige und ungünstige Materialeigenschaften in Hinblick
auf das Recycling auflistet und Lösungen
für nachhaltiges Design aufzeigt.
Sogenannte Rezyklate für neue Verpackungen einzusetzen – dieses Ziel ver-
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folgt das Mainzer Unternehmen Werner
& Mertz. Seit einigen Jahren bestehen
die Kunststoffverpackungen für Reinigungsmittel zu 80 Prozent aus Rezyklat
auf der Basis von Pfandflaschen. Durch
den Einsatz von Lasertechnologie an
DSD-Sortieranlagen ist es nun auch
möglich, Wertstoffe aus der „gelben“
Sammlung zu nutzen. Bei der Verpackungsproduktion sind nun bis zu 20
Prozent der Rezyklate Sekundärrohstoffe aus haushaltsnaher Sammlung. Werner & Mertz haben mit DSD und weiteren Partnern die „Recyclat-Initiative“
mit dem Ziel gegründet, einen effizienten und qualitätserhaltenden Wertstoffkreislauf zu erschließen.
Der Grüne Punkt sieht die Herstellung
von hochwertigem Kunststoff aus Abfällen als Markt der Zukunft. Daher sei es
folgerichtig, noch mehr „Müll“ durch Recycling im Stoffkreislauf zu halten. Dieses
Ziel verfolgt auch die Bundesregierung,
die die Wertstofferfassung vereinheitlichen möchte, wobei dann neben Verpackungen auch andere Abfälle aus Kunststoff und Metall eingesammelt werden
sollen. Pilotprojekte in Kooperation von
Kommunen und dualem System arbeiten
bereits erfolgreich. Das neue Wertstoffgesetz könnte der Kreislaufwirtschaft also
weitere Impulse verleihen.
„Unsere Technologien
sind heute Exportschlager“
DSD-Chef Stefan Schreiter über Abfallverwertung
PA/EVENTPRESS RADKE
DIE WELT: Deutschland ist seit jeher Restmüll verloren gehen. Die InnovatioVorreiter im Recycling. Bei Kunst- nen und technischen Fortschritte im Restoffen fehlten aber lange die Durch- cycling sind aus privatwirtschaftlicher Inibrüche. hat sich etwas verändert?
tiative entstanden. Und aus dem GedanSTEFAN SCHREITER: Das Tempo der ken und der Notwendigkeit heraus, sich
Entwicklung, die Qualität des Fort- im Wettbewerb jeden Tag aufs Neue beschritts und die Attraktivität des Marktes. weisen zu müssen. Nur in privatwirtParkbank war gestern – die Rezyklate von schaftlicher Verantwortung mit Unternehheute sind erstklassige Rohmen, die landesweit und unstoffe zur Herstellung neuer
abhängig von EntsorgungsProdukte. Der Markt wächst
konzernen tätig sind, ist
schnell, und den EinsatzFortschritt auch zukünftig in
möglichkeiten von hochwerdieser Form möglich. In eine
tigen Kunststoffgranulaten
Zeit von Monopolen sollten
sind kaum Grenzen gesetzt.
wir nicht zurückfallen.
Wir sehen hier einen Markt
Was spricht denn aus Ihmit großer Zukunft und groZUR
rer Sicht für Markt und
ßen Chancen gerade für die
PERSON
Wettbewerb?
deutsche Volkswirtschaft.
Monopole erhöhen die GeDenn kein Land der Erde ist
Stefan Schreiter
fahr, dass wichtige Wertso progressiv, was das Theist CEO der Duales
stoffströme die falschen Wema Recycling angeht, und so
System Holding
ge gehen. Wir werden in
innovativ. Technologien, die
GmbH & Co. KG
Deutschland auf Jahre hiin den 1990er-Jahren für das
naus noch massive Überkaduale System in Deutschland entwickelt wurden, sind heute ein pazitäten in Müllverbrennungsanlagen haben. Wertvolle Rohstoffe wie Kunststoffe
weltweiter Exportschlager.
aus Verpackungen, aus Haushalts- und
Wie sehen Sie die Balance zwischen Gewerbeabfällen sollten nicht dazu verpolitischer Steuerung und Wettbe- schwendet werden, diese Überkapazitäten
werb?
zu füllen. Denn dafür sind die Kunststoffe
Keine Frage: Ein Wertstoffgesetz, das die zu schade. Wenn der Markt für Rezyklate
bewährte Gelbe Tonne für weitere Abfälle die Zukunft bekommen soll, die wir heute
aus Kunststoff und Metall öffnet, würde für ihn sehen, dann braucht er eine breite
unserem Land die Chance bieten, erneut und stabile Rohstoffbasis. Und er braucht
im internationalen Vergleich voranzuge- Wettbewerb statt Monopole.
hen. Und noch mehr Abfälle zu wertvollen
Rohstoffen zu recyceln, die heute noch im Die Fragen stellte Jochen Clemens
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DIE WELT BERLIN-2014-11-28-swonl-86 c37eea0329ed4bfc29492a862861cc10
r ist das älteste Umweltzeichen
der Welt: der Blaue Engel, eingeführt 1978 auf Initiative des Innenministeriums. Das Zeichen soll Verbraucher, Unternehmen und die öffentliche Hand mit verlässlichen Produktinformationen in die Lage versetzen, gezielt umweltfreundliche Waren
nachzufragen. Das wiederum soll ökologische Produktinnovationen fördern
und helfen, Umweltbelastungen zu reduzieren.
Der Blaue Engel war Vorbild für die
internationale Norm ISO 14024, an der
sich heute viele neue Umweltzeichensysteme weltweit orientieren. Beide gehören zu den Typ-I-Umweltzeichen.
Das bedeutet: Die jeweiligen Produkte
und Dienstleistungen halten eine Reihe
von Umweltkriterien ein, die sie positiv abheben von anderen Angeboten
mit vergleichbarer Leistung. Diese Kriterien müssen von Dritten entwickelt
worden sein, und eine externe Stelle
muss die Waren und Leistungen zertifiziert haben.
Zeicheninhaber ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit (BMUB). Das
Umweltzeichen wird von der RAL
gGmbH geprüft und auf Grundlage der
Kriterien des Umweltbundesamtes sowie der unabhängigen Jury Umweltzeichen vergeben. Die Kriterien werden
auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet und periodisch im Hinblick auf
neue Erkenntnisse weiterentwickelt.
Die erste Jury trat am 5. Juni 1978,
dem Tag der Umwelt, zusammen. Nach
dem dort gefassten Beschluss galt das
Umweltzeichen zunächst für fünf Produktgruppen. Das waren leise Rasenmäher, Mehrwegflaschen für Getränke,
runderneuerte Reifen, aus Altpapier
hergestelltes Hygienepapier und für
Körperpflegeprodukte mit Sprühverfahren, die weder Flurchlorkohlenwasserstoffe verwenden noch umweltgefährliche Zusatzstoffe. Der erste Blaue
Engel ging am 26. September 1978 an
die Ulmer Firma Härdtle für ihre
„Runderneuerten Reifen“.
Heute tragen mehr als 12.000 Produkte und Dienstleistungen von etwa
1500 Unternehmen das Umweltzeichen. Rund 20 Prozent der Firmen
kommen aus dem Ausland. Die BlauerEngel-Waren gehören sieben Produktwelten an: Haushalt und Wohnen,
Elektrogeräte, Bauen, Büro, Energie
und Heizen, Garten sowie Gewerbe.
Ein aktuelles Beispiel ist der Verkehrsverbund Hannover, der am 17. Oktober
2014 den Blauen Engel für seine Mobilitätskarte „Hannover mobil“ erhielt.
Diese umfasst neben einer Monatskarte für Bus und Bahn mindestens zwei
weitere Bausteine, etwa den Zugriff auf
Carsharing-Angebote,
Leihfahrräder
oder eine BahnCard für den Regionalund Fernverkehr.
Im Laufe der Zeit hat sich das Logo
verändert, heute besteht es aus drei
Elementen: Das erste ist ein blauer
Ring mit Lorbeerkranz, in dessen Zentrum eine blaue Figur mit ausgebreiteten Armen steht – das Umweltzeichen
der Vereinten Nationen. Zweites Element ist die Umschrift mit dem Hinweis auf eine bis zwei herausragende
Umwelteigenschaften des Produktes.
Bei Mobiltelefonen heißt es zum Beispiel „weil strahlungsarm“. Das dritte
Element ist die zentrale Botschaft des
Produktes, etwa „schützt das Klima“.
Derzeit werden die Produktgruppen
eingeordnet in die Ziele Klimaschutz,
Ressourcenschutz, Schutz der Gesundheit und Schutz des Wassers. Es gilt:
Ein mit dem Blauen Engel gekennzeichnetes Produkt darf nur einem dieser vier Schutzziele zugeordnet werden. Die Studie „Umweltbewusstsein
in Deutschland 2012“ des Bundesumweltministeriums hat ergeben, dass 79
Prozent der Befragten den Blauen Engel kennen, aber nur 34 Prozent beim
Einkaufen darauf achten. Das BMUB
erklärt die Diskrepanz mit der verwirrenden Vielzahl von Nachhaltigkeitslabeln, deren Zahl sich laut dem internationalen Ecolabel-Index auf derzeit
knapp 500 beläuft.
Das Umweltbundesamt tut viel, um
den Bekanntheitsgrad des Zeichens zu
steigern: Auftritte bei Messen und eine
Botschafter-Kampagne mit Prominenten wie Hannelore Elsner zählen ebenso dazu wie Auftritte bei Facebook und
Twitter – und natürlich beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis als eigene
Kategorie.
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SEITE IX
DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
2
3
Luxus mit gutem
Gewissen tragen
4
Mode Livia und Colin Firth wurden als „Vorbilder für
soziales und ökologisches Engagement“ ausgezeichnet.
Als Powerpaar in besonderer Mission sensibilisieren sie
für einen bewussten Umgang mit unserer Umwelt
CAROLA V. POMPETZKI
Da ist er wieder, dieser Sog, der von den
prominenten Power-Paaren ausgeht. Sie
unterstützen sich gegenseitig und treten
für ihre Überzeugungen ein. Sie nutzen ihren Glamour und den doppelt guten Namen, um die Welt zu verbessern. Angelina
Jolie und Brad Pitt sind Vertreter dieser
Spezies ebenso wie Amal und George
Clooney, aber auch Michelle und Barack
Obama.
Und auch Livia Firth ist weit mehr als
nur die Frau des britischen Schauspielers
Colin Firth. Sie ist Umwelt-Aktivistin und
setzt sich besonders in der Modebranche
für faire Produktionsbedingungen und
ökologische Vertretbarkeit ein. Wie populär das inzwischen ist, davon zeugte jüngst
der Ausspruch von Colin Firth: „Ich bin
der Typ mit der grünen Frau.“ Stimmt
schon. Ist natürlich aber auch gepflegtes
britisches Understatement. Der preisgekrönte Film- und Theaterschauspieler ist
wie seine Frau als Botschafter für die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam unterwegs und setzt sich für die Kampagne
„Make Trade Fair“ ein. Als politischer Aktivist kämpft er für die Rechte bedrohter
indigener Volksgruppen und unterstützt
den britischen Flüchtlingsrat.
So wundert es nicht, dass Livia und Colin Firth „als Vorbilder für soziales und
ökologisches Engagement“ einen der drei
Ehrenpreise beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2014 erhalten. Der Oscargewinner („The King’s Speech“) betont oft und
gern, dass die nachhaltigen Initiativen
meist auf die Ideen seiner Frau zurückzuführen sind. „Wir unterstützen uns gegenseitig – beruflich und auch in unserem Alltag“, sagt Livia Firth. Und manchmal tragen sie sogar dieselbe Kleidung. „Ja, das
stimmt“, bestätigt Livia, „zur Premiere
von ,The King’s Speech‘ trug ich ein Outfit, das Junky Fashion aus Colins mottenzerfressenen Anzug geschneidert hat.“ Das
sei ein wunderbares Beispiel für Re- bzw.
Upcycling gewesen.
Auf dem roten Teppich begann eine der
angesagtesten Initiativen der 45-jährigen
Italienerin: die „Green Carpet Challange“
(GCC). Dabei bekennen sich Stars, auf
dem roten Teppich ethisch einwandfreie
Mode zu tragen. Anlässlich der GoldenGlobe-Nominierung ihres Mannes Ende
2009 forderte die britische Journalistin
Lucy Siegle Livia Firth auf, auf dem roten Teppich ausschließlich umweltfreundliche Kleidung zu tragen. „Dieses Abenteuer begann eher spielerisch“, erinnert sich Livia Firth,
„anfangs arbeiteten wir mit kleinen
unabhängigen Designern. Inzwischen will jeder mitmachen – große
Firmen und Prominente sowieso.“
Die Zusammenarbeit mit großen Modeunternehmen biete die Chance, sie
zu beraten und bis ans Ende der Produktionskette mitzubestimmen. Stars
wie Meryl Streep, Michael Fassbender, Cameron Diaz tragen werbewirksam eco-zertifizierte Outfits auf dem roten Teppich,
die u. a. von Designern wie Victoria Beckham, Gucci oder Dolce e Gabbana kreiert
werden. „Den Durchbruch mit GCC erreichten wir, als Stella McCartney als erste
große Designerin beim Projekt mitmachte
und eine komplette Green-Carpet-Kollektion entwarf“, sagt Livia Firth. Mitte September zeigte Stella McCartney während
der Londoner Fashion Week ihre GCCKollektion, bei der die kompletten Outfits
„grün“ produziert waren – bis hin zu den
Absätzen der High Heels aus nachhaltig
produziertem Holz. „Diese Kollektion ist
ein riesiger Schritt in die Richtung, die ich
immer gehen wollte – Grenzen und Stereotypen zu überschreiten, um zu zeigen,
dass es nicht nur möglich ist, nachhaltige
„Ich kaufe nur
Kleidung, wenn
ich sie in 20 Jahren
noch tragen kann“
Livia Firth, Mode-Aktivistin
Mode zu produzieren, sondern auch
machbar, glamouröse Abendroben zu kreieren, ohne die Umwelt zu schädigen“,
schwärmt die britische Modemacherin.
Es ist nicht ganz einfach, den Beruf,
vielleicht auch die Berufung, von Livia
Firth zu beschreiben: Im Grunde inspiriert
und motiviert sie ihre Mitmenschen, die
Welt ein bisschen besser zu machen.
Schon 2007 gründete die frühere Produzentin von Dokumentarfilmen mit ihrem
Bruder Nicola das Unternehmen „Eco
Age“, das mit Mode zunächst nichts zu
tun hatte.
„Mein Bruder hatte die Idee, auf der
Londoner High Street ein Geschäft zu eröffnen, in dem wir Menschen beraten, die
ihr Heim nachhaltiger gestalten wollen“,
sagt Livia Firth rückblickend. So entstand
eine Bibliothek für nachhaltige Baumate-
Livia und Colin Firth
bei der Filmpremiere
„Ich. Darf. Nicht. Schlafen“
rialien. Neben Privatkunden wollten auch
immer mehr Geschäftskunden Unterstützung, auch das Londoner Wembley-Stadion ließ sich von „Eco Age“ beraten.
Mit den Jahren verlagerte sich die Beratung mehr auf den Modesektor. Ein
Schlüsselerlebnis für die Eco-Age-KreativDirektorin war 2009 eine Reise nach Bangladesch. Als Oxfam-Botschafterin besichtigte Livia Firth dort Textilfabriken. „Ich
war komplett geschockt zu sehen, wie
dort Sachen produziert und Menschen behandelt werden. Da wurde mir klar, wie
sehr Mode auch mit Menschenrechten zu
tun hat.“ Um diese Botschaft auch öffentlichkeitswirksam zu verbreiten, wurde der
rote Teppich zur Bühne für Livia Firth.
„Der rote Teppich ist die größte Kommunikationsplattform der Welt“, beschreibt
sie es, „Stars, die bei unserer Green Carpet Challenge mitmachen, erzählen auch
die Geschichte ihrer Abendrobe und von
den Menschen, die sie produziert haben.“
Dass Nachhaltigkeit auch ein Thema für
Luxusunternehmen ist, zeigte die Zusammenarbeit von Eco Age mit dem Modehaus Gucci. Im März 2013 stellte Gucci seine erste „Zero Deforestation“-zertifizierten Taschen mit dem Logo „GCC“ vor, die
aus nachhaltig gewonnenem brasilianischem Leder hergestellt wurden. Normalerweise werde ausländisches Leder nach
der Gerbung mit dem Siegel „Made in Italy“ versehen, erzählt Livia Firth. Bei den
„Zero Deforestation“-Taschen sei das anders, Organisationen wie die Rainforest
Alliance, die National Wildlife Federation
sowie die Sustainable Agriculture of Network (Netzwerk für nachhaltige Landwirtschaft) entwickelten Verfahren, Leder ohne Abholzung des Regenwaldes so schonend und nachhaltig wie möglich zu gewinnen. Bei der Kundschaft kam das gute
Gewissen an. „Die Kollektion war wahnsinnig schnell verkauft“, sagt Livia Firth,
„was mir auch zeigt, dass die Verbraucher
wissen, wofür wir stehen.“
Aktuell läuft die Partnerschaft mit dem
Luxus-Uhrenhaus Chopard, bei der eine
Green-Carpet-Kollektion entstanden ist,
die aus „fairmined“ Gold hergestellt wurde, also aus fair abgebautem Gold. Die
Überwachung der Standards garantiert dabei die Alliance for Responsible Mining
(ARM). Das Pilotprojekt überzeugte auch
die Kering-Group (weltweiter Modekonzern, zu dem u. a. Gucci, Saint Laurent Paris, Stella McCartney, Alexander McQueen
und Balenciaga gehören), fairmined Gold
zu kaufen.
„Wir stehen noch am Anfang“, kommentiert es Livia Firth, „aber ich bin optimistisch, dass immer mehr Menschen verstehen, dass nachhaltige Mode mit unserer Umwelt, sozialen Belangen und Menschenrechten Hand in Hand gehen.“ Und
dafür gehen Livia und Colin Firth auch
gern an die Öffentlichkeit – als Powerpaar
in besonderer Mission.
DAVID M. BENETT/GETTYIMAGES (2) VENTURELLI/GETTYIMAGES; PA/EMPICS, GNONI-PRESS
1
Livia Firth mit:
1 Anna Wintour (l.)
und Stella McCartney
(M.) anlässlich Stella
McCartneys Green
Carpet Collection
2 einer Handtasche
aus der „Zero Deforestation“-Kollektion
3 Journalistin
Lucy Siegle. Rechts:
4 Oscargewinnerin
Meryl Streep in
einem recycelbaren
Lanvin-Kleid
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DIE WELT BERLIN-2014-11-28-swonl-86 c37eea0329ed4bfc29492a862861cc10
SEITE X
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DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
Von Fauna,
Flora und
Freizeitspaß
ROLAND MISCHKE
Was gibt es Schöneres, als sich frei in
der Natur zu bewegen? Wanderer in
deutschen Wäldern schreiten munter
aus. Plötzlich schießt ein Halbwüchsiger
auf einem Mountainbike aus dem Gebüsch, kollidiert fast mit einer konsternierten Wanderin. Ohne Rücksicht
prescht der Jugendliche über Pflanzen,
rast durch einen Bach, reißt den Lenker
herum – und hinterlässt im Ökosystem
eine Spur der Zerstörung.
Trendsportarten sowie hocheffiziente
Sportausrüstungen werden immer stärker zur Belastung von Natur und Umwelt. Zumal viele Freizeitathleten nicht
einmal ein Mindestmaß an Rücksicht beachten. Viele Sportverbände verfassten
deshalb Natursport-Regeln. So ist für
den Landessportverband Schleswig-Holstein ein Leitsatz, dass man sich für „gesunden Sport in einer intakten Umwelt“
einsetzt. Der organisierte Sport sorgt
laut Verband über seine Verbände und
Vereine dafür, dass durch Ausbildung
und Information zu einem sorgsamen
Umgang mit der Umwelt, Natur und
Landschaft angehalten wird. Deshalb
distanzieren sich in Schleswig-Holstein
viele Verbände, wenn vor allem durch
Freizeitsportler und gewerbliche Veranstaltungen Flächen über die Gebühr beansprucht und Grundsätze und Regeln
gegenüber der Umwelt nicht eingehalten
werden. In Schleswig-Holstein beispielsweise besteht deswegen schon die Gefahr, dass Bundesbehörden Befahrverbote für Wasserflächen verhängen, weil
Naturschutzgebiete der Ostsee extrem
beansprucht werden. Laut Verband resultiert das neben der quantitativen Zunahme auch durch neue „Ausprägungsformen im Sport, die ein generelles Gefährdungspotential zur Folge haben“.
Das Kuratorium Sport und Natur e.V.,
als Zusammenschluss der deutschen Natursportverbände, hat deshalb nicht nur
für seine mehr als 3,5 Millionen Mitglieder Handlungsempfehlungen erarbeitet.
Diese enthalten sieben Kernpunkte. So
solle man sich über die Natur informieren und wie man sie schützen kann,
sport- und umweltgerecht ausrüsten, für
den Transport möglichst öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrgemeinschaften
nutzen. Während der Aktivitäten selbst
solle man nur markierte Wege, Routen,
Park- und Lagerplätze sowie ausgewiesenen Flächen nutzen. Zudem gelte es
Müll zu vermeiden sowie Sperrzeiten
und Schutzbereiche zu beachten. Zu berücksichtigen seien darüber hinaus gekennzeichnete Schutzbereiche für Tiere
und Pflanzen. Zudem verlangt das Papier
Respekt gegenüber anderen Menschen.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erarbeitet aktuell in einem Arbeitskreis Positionen, die als Orientierung und Leitlinie in
öffentlichen Diskussionen und fachpolitischen Debatten dienen sollen.
Für Experten ist es wichtig, dass Verbände Leitlinien erarbeiten und deren
Einhaltung über die eigenen Strukturen
hinaus unterstützen. Doch das Gros der
in der Natur Aktiven sind nichtorganisierte Freizeitsportler. Nachhaltigkeit im
GETTY IMAGES/WESTEND61/WESTEND61
Sport Hobbyathleten machen der Natur zu
schaffen. Auch in den Stadien und bei
der Produktion von Funktionsbekleidung
gibt es noch erhebliche Reserven
Aktivitäten in der Natur liegen im Trend: Damit Fauna und Flora beispielsweise bei Touren mit dem Mountainbike
nicht leiden, sollten Freizeitsportler wenigstens Minimalwissen über Naturschutz haben
Sport muss deshalb nach Expertenmeinung außer in Vereinen und Verbänden
stärker noch stärker ein Thema in Schulen und im Tourismusbereich werden.
Denn die Zahl der Angebote, die unter
anderen vom Kite-Surfen, Snow-Kiten,
Mountainbiking über Bouldern (Klettern
ohne Seil an Felsen), Schneeschuhwandern bis zu Baumkletterparks reichen,
nimmt beständig zu. Warnschilder und
Informationszettel allein werden nicht
ausreichen. Erfolgsversprechender sind
integrative Konzepte, die auf sanfte
Sportarten setzen, die mit dem Natur-
schutz harmonieren. Hier zählt vor allem Zusammenarbeit. Ökologen sollten
versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und schon in Kindergärten als auch Schulen und Verbänden
für Nachhaltigkeit werben. Auch ein Separieren könnte nützen, wenn öffentliche Flächen und Naturschutzareale
räumlich noch klarer getrennt werden.
Werden diese Ziele konsequent vermittelt und die Einhaltung überprüft,
dürften Hobbysportler einerseits ihre
Berechtigung besser verstehen, andererseits könnten Sanktionen bei Fehlverhal-
ten abschreckend wirken. Geschulte
Ranger und Guides könnten in Informationsarbeit und Konfliktmanagement
sehr hilfreich sein.
Allerdings muss auch im Vereins- und
Profisport noch eine stärkere Fokussierung auf Nachhaltigkeit stattfinden. Wie
umweltfreundliche Veranstaltungen organisiert werden können, zeigte im Sommer beispielsweise die LeichtathletikEuropameisterschaft in Zürich. Besucher
als auch Sportler nutzten für viele Fahrten öffentliche Verkehrsmittel. Das entlastete Straßen und reduzierte Treib-
stoffemissionen. Athleten wurden zudem umweltfreundliche Hybridfahrzeuge zur Verfügung gestellt. Die freiwilligen Helfer erhielten wiederverwendbare
Flaschen, die an eigens installierten
Wasserstationen aufgefüllt wurden. Werbematerialien durften im Stadion nur
eingeschränkt abgegeben werden, um
das Abfallvolumen klein zu halten. Die
Veranstalter erhielten für ihr Konzept
und die Umsetzung das European Athletics’ Green Inspiration Label, das das besondere Engagement in Bezug auf Nachhaltigkeit bei dem Sportevent würdigte.
Mit Öko- und Energiechecks sollten
bestehende Sportstätten geprüft werden.
Denn in Hallen liegt der Schwerpunkt
beim Energieverbrauch vor allem im Bereich Belüftung und Beleuchtung. Zentral gesteuert kann diese Technik automatisch an den Bedarf angepasst werden. Das heißt: Lichtsensoren regeln die
Beleuchtungsstärke je nach Tageslicht
und eine Zeitprogrammierung steuert
die Helligkeitsstufen entsprechend den
Anforderungen für den Trainings-, den
Wettkampfbetrieb oder auch Reinigungsarbeiten. Dadurch lassen sich bis
zu 40 Prozent an Energie einsparen. Außerordentlich energiesparend sind DreiBanden-Leuchtstofflampen mit elektronischem Vorschaltgerät (EVG) und
Warmstarter. Regelmäßig gereinigte Reflektoren senken zudem den Energieverbrauch noch zusätzlich.
Bei der Warmwasserversorgung können Sportvereine beispielsweise mit
selbstschließenden Armaturen und Sparbrauseköpfen erhebliche Wassermengen
sparen. Auch der Verzicht auf Mischbatterien wirkt sich positiv aus. Dadurch
dass Regulier- und Einstellvorgänge entfallen und automatisch konstant warmes
Wasser aus der Dusche kommt, verringert sich die Nutzungszeit deutlich. Zudem sollten thermische Solaranlagen
eingesetzt werden. Studien ergaben,
dass allein die Veränderung des Nutzerverhaltens den Energieverbrauch um bis
zu 15 Prozent absenken kann. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und
der Deutsche Olympische Sportbund
(DOSB) fördern deshalb kleinere Maßnahmen mit bis zu 5000 Euro.
Auch Sportbekleidung ist ein Problemfeld. Keiner der großen Hersteller
unterzeichnete bislang das Detox-Abkommen von Greenpeace, mit dem die
Umweltschützer erreichen wollen, dass
keine gefährlichen Chemikalien mehr in
der Produktion benutzt werden, da diese
in den Herstellerländern wie China für
Umweltverschmutzungen sorgen. Immerhin gibt es Bewegung in dem Bereich: Die US-Outdoor-Marke Patagonia
bittet Kunden, mitzuhelfen, um den Ressourcenverbrauch selbst bei nachhaltig
produzierter Ware zu reduzieren. Eine
Fleece-Jacke, bis zu 60 Prozent aus recycelten Plastikflaschen hergestellt, sollte
etwa bei Rissen repariert statt weggeschmissen werden. Denn die Kosten für
die Umwelt seien höher als der Preis des
Produkts, so der Jackenhersteller. Auch
deutsche Sportbekleidungsfirmen sind
im Umweltschutz führend: Kossmann,
thoni mara, Zimtstern, Ladyworks oder
Pyua sind einige. Steffi Graf hat für adidas eine Nachhaltigkeitsinitiative ins Leben gerufen. Ihre Linie besteht aus BioBaumwolle und Recycling-Materialien.
„Die ausgewählten Artikel erfüllen
höchste Anforderungen an Design und
Funktionalität“, sagt die Tennis-Ikone.
Es grünt so grün, wenn Rios Träume blühen
Die Fußball-WM war trotz anderslautender Versprechen wenig nachhaltig. Nun will es Rio mit den Olympischen Spielen 2016 besser machen
V
iele Worte hatten die Fifa und
das Gastgeberland vor der Fußball-WM im Sommer gemacht:
Diese Weltmeisterschaft würde eine
nachhaltige werden, wenn nicht gar die
nachhaltigste aller Zeiten. Das traf im
Nachhinein und in einem anderen Sinn
eigentlich nur auf die deutsche Mannschaft zu. Wer der Fifa jedes Wort
glaubt, glaubt auch ganz fest an die
Zahnfee. Und auch den Beteuerungen eines Landes, das dem Raubbau am Amazonas-Regenwald, der wichtigsten grünen Lunge der Erde, keinen Einhalt gebietet, mochte man durchaus zurückhaltend gegenüberstehen. Allen anderen
war im Vorfeld klar: Über gut gemeinte
Ansätze dürfte das Nachhaltigkeitsversprechen nicht hinausgehen. So kam es
auch, beispielsweise wurden die während der WM lobenswert stark aufgestockten ÖPNV-Angebote danach sehr
schnell wieder zurückgefahrenen.
Ein Beispiel für einen Mix aus unkoordinierter Planung, fehlender Weitsicht
und Geldverschwendung sind aber die
vier Stadien in Cuiabá, Curitiba, Natal
und Manaus, für die die WM nach jeweils wenigen Vorrundenspielen been-
det war. Aus diesem Quartett sticht Manaus hervor. Rund 200 Millionen Euro
kostete die Steuerzahler der Stadionneubau mitten in den Tropen, der seitdem
einen Dornröschenschlaf schläft. Und ob
hier je wieder ein Ball rollen wird, ist
zweifelhaft, spielt doch Nacional, der
beste Klub der Amazonas-Stadt, nur in
der vierten Liga.
Nun hat Rio de Janeiro die Chance,
aus den Fehlern des gesamten Landes zu
lernen, denn die Stadt unterm Zuckerhut
richtet die mittelbar bevorstehenden
Olympischen Sommerspiele 2016 aus.
Alles soll besser werden, dafür hat man
etwa den für seine nachhaltigen Bauten
bekannten spanischen Architekten Luis
de Garrido verpflichtet. Sein Entwurf für
das Medienzentrum, der Berimbau EcoTower, ist ein komplett wiederverwertbares Gebäude. Die Architektur erinnert
zwar an einen übergroßen Fußball, ist
aber tatsächlich als Hommage an das Berimbau gedacht, ein traditionelles brasilianisches Instrument. Garridos Bauwerk auf einer Rio vorgelagerten Insel
soll sogar zum Wahrzeichen von Olympia 2016 werden.
Dank eines ausgeklügelten Innenraumklimas soll das Gebäude nur minimal Energie verbrauchen. Muss der EcoTower beheizt werden, geschieht dies
durch eine Geothermie-Anlage, mir der
gleichzeitig ein integriertes Gewächshaus versorgt wird. Dieses soll der Versorgung der Turmbesucher mit Lebensmitteln dienen. Zur warmen Jahreszeit
dagegen sorgen eine Wärmeschutzverglasung sowie ein Belüftungssystem für
natürlich gekühlte Räume. Sollte sich
nach den Spielen keine Verwendung für
den Eco-Tower finden, ist er notfalls
vollständig recycelbar.
Mit einem einzelnen Gebäude will
sich Rio aber nicht bescheiden. Tatsächlich hat sich die Metropole einen kompletten Maßnahmenkatalog verordnet.
Der „Sustainability Mangement Plan“
führt alle Bereiche und Schlagworte auf,
LUIS DE GARRIDO
JOCHEN CLEMENS
So soll der futuristische Eco-Tower des Architekten Luis de Garrido aussehen. Das
Medienzentrum soll auf einer der Copacabana vorgelagerten Insel entstehen
+
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DIE WELT BERLIN-2014-11-28-swonl-86 c37eea0329ed4bfc29492a862861cc10
darunter Schutz des Wasser, nachhaltige
Abwasserlösungen, Nutzung erneuerbarer Energien, eine CO2-neutrale Durchführung der Spiele, Schutz der Ökosysteme und der Biodiversität im Allgemeinen, Abfallmanagement und Ausbau der
Infrastruktur und ÖPNV-Angebote. Zum
letztgenannten Punkt zählen etwa der
Aus- bzw. Neubau von U-Bahn- und
Tramlinien sowie das ambitionierte Vorhaben, das städtische Radwegenetz um
450 Kilometer zu erweitern. Nicht weniger ambitioniert: 75 wilde Abfalldeponien sollen umweltgerecht saniert und
künftig ökologisch verantwortungsvoll
betrieben werden.
Für deutsche Unternehmen eröffnen
sich nach der Fußballweltmeisterschaft
erneut vielfältige Geschäftsmöglichkeiten, darauf weist auch das Bundeswirtschaftsministerium hin. Es würden Milliardensummen als Investitionen zur Verfügung gestellt, heißt es. Für die WM waren es umgerechnet mindestens 27 Milliarden Euro, für Olympia seien mindestens weitere 3,6 Milliarden Euro vorgesehen. „Vor allem sind deutsches Können
und Erfahrung gefordert – im Stadienund Sportstättenbau, bei der Sicherheit
und bei der Modernisierung der städtischen Infrastruktur und des öffentlichen
Nahverkehrs.“ Nicht zu vergessen ist das
Know-how in der Umwelt- und Nachhaltigkeitstechnologie.
Über sein „Brazil Board“ bietet der
Bundesverband der Deutschen Industrie
(BDI) Informationen zu Kooperationen
und Beteiligungsmöglichkeiten. Zudem
existiert in São Paulo, der Stadt mit der
höchsten Konzentration deutscher Unternehmen außerhalb der Bundesrepublik, das „Kompetenzzentrum 2014/
2016“. Dessen Veröffentlichung „Brasilien 2014 2016“ fasst die wichtigsten Infos in einem Handbuch zusammen.
Unterdessen kämpft Rio mit einem
ernsten Problem: Die Bauarbeiten sollen
teils bis zu zwei Jahre im Verzug sein,
was IOC-Vizepräsident John Coates
kürzlich bei einer Stippvisite indirekt bestätigte. Überraschend deutlich nannte
er die Vorbereitungen „die schlechtesten, die ich je erlebt habe“. Dass angeblich bereits London, Gastgeber der Spiele 2012, gefragt worden sei, ob man notfalls einspringen könnte, wies ein IOCSprecher allerdings zurück. Es gebe keinen Plan B zu Rio, lautete der Kommentar. Was wiederum deutschen Unternehmen in die Karten spielen könnte. Sie
könnten gerufen werden, um Rio eine
nachhaltige Blamage zu ersparen.
F R E I TAG , 2 8 . N OV E M B E R 2 014
D I E W E LT
SEITE XI
DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSPREIS
Es gibt Eier von „glücklichen Hühnern“
und solche von „eingesperrten, ganz
traurigen Hühnern“. Erkennen kann die
fünfjährige Lara das am Stempel auf dem
Ei. Und kategorisch lehnt das pfiffige
Mädchen Eier mit dem falschen Stempel
ab. Immer mehr Kinder kennen sich inzwischen mit „glücklichen“ und „unglücklichen“ Hühnern aus. Denn in Kindertagesstätten wird verstärkt Wert auf
die Themen Ernährung und Nachhaltigkeit gelegt.
Das Hamburger Projekt „Kita21“, eine
Bildungsinitiative der Save our Future
Umweltstiftung, gibt es bereits seit zehn
Jahren. „Wir wollen das Thema Nachhaltigkeit erlebnisorientiert vermitteln, ohne erhobenen Zeigefinger“, erklärt Projektorganisator Ralf Thielebein. Indem
das Bewusstsein für bestimmte Zusammenhänge spielerisch gefördert wird,
soll eine Verhaltensänderung erreicht
werden. Denn nichts wirkt so nachhaltig
wie Bildung. Je früher sie beginnt, desto
größere Wirkung kann sie entfalten.
Da sich die Drei- bis Sechsjährigen etwa sechs bis acht Stunden pro Tag in der
Kita aufhalten, ist das, was dort vermittelt
wird ziemlich gewichtig. „In dem Alter
können viele Grundlagen gelegt, der Horizont erweitert, Zusammenhänge erklärt
und die Vielfalt erfahrbar gemacht werden“, ist sich Thielebein sicher. Über eine
lapidare Frage beim Mittagessen, „Welches ist eigentlich euer Lieblingsessen“,
kann sich ein umfangreiches Projekt zum
Thema Ernährung entwickeln. „Die Kinder stellen irgendwann die Frage, woraus
das Essen eigentlich besteht, dann kann
man zum Markt gehen, darüber sprechen,
wo die Sachen wachsen und herkommen,
auf einer Weltkarte die Anbaugebiete
markieren und flugs ist man auch beim
Thema Transport“, erklärt der Experte.
Das Thema zieht sich über Monate und
wirft immer wieder neue Fragen auf, beispielsweise auch‚ warum essen wir Äpfel
aus Neuseeland, wenn doch bei uns um
die Ecke welche wachsen?’.“ Dass viele
Kinder Zusammenhänge noch nicht richtig verstehen, zeigt diese Episode: Eine
Kindergartengruppe ist gemeinsam mit
Ralf Thielebein auf einem Bauernhof. Ein
Fünfjähriger kommt mit einem Ei an und
fragt, was dort drin sei. Thielebein: „Ich
Ganz schön
grün hinter
den Ohren
Jugend Umweltbewusstsein
können schon die Kleinsten
lernen. Deswegen organisiert
der Fernsehsender Kika bereits
zum vierten Mal den
Kinder-Nachhaltigkeitstag
KITA 21/ENGEL & GIELEN
SIMONE JACOBIUS
schäftsstelle sieht verschiedene Herangehensweisen, Kindern und Jugendlichen das Thema Nachhaltigkeit zu vermitteln. „Den Jüngeren müssen wir erst
einmal einen Zugang zur Natur vermitteln, organisieren beispielsweise ein klimafreundliches Frühstück mit regionalen, saisonalen und wenig tierischen
Produkten. Oder wir sammeln Plastik,
hinterfragen wo es herkommt und stellen die Frage, was damit im Meer passiert“, erläutert sie einige Projekte. Für
die Älteren sind die Angebote schon anspruchsvoller. Da bietet die BUNDjugend konsumkritische Stadtspaziergänge
an, Klimaexperimente (beispielsweise
für eine bestimmte Zeit keine neuen
Produkte zu kaufen) oder Exkursionen
zu Ökodörfern oder Gemeinschaftsgütern. „Jugendliche interessieren sich
sehr dafür und ein Großteil von ihnen ist
auch offen für Neues. Da sie auch ein
großes Gerechtigkeitsempfinden haben,
sind das gute Voraussetzungen für Änderungen,“ meint Blekker. Wenn man den
Jugendlichen klar mache, dass Näherinnen in China gerade mal 20 Cent an
war völlig irritiert und fragte ‚Kennst du
keine Eier?’ Doch, antwortete er, aber bei
uns kommen die aus dem Kühlschrank.“
Um Naturwissen zu vermitteln, können
im Kindergarten Beete oder ein kleiner
Garten angelegt werden, um Obst und
Gemüse zu säen, wachsen zu sehen, zu
ernten und zu verarbeiten. Aber auch das
Bewusstsein, dass zu viele Dinge einfach
weggeschmissen werden, ohne dass sie
kaputt sind, kann in dem Alter bereits geweckt werden. Häufig entsteht dann die
Idee einer Reparaturwerkstatt. Oder auch
Malpapier wird beidseitig verwendet.
Wegwerfgesellschaft ist auch ein Thema an der Rudolf-Steiner Schule in Berlin. Eine Handvoll Schüler hat auf dem
Schulgelände eine Fahrradwerkstatt ins
Leben gerufen. Dafür sind sie jetzt gerade mit dem Berliner Umweltpreis des
Bundes für Umwelt und Naturschutz
(BUND) ausgezeichnet worden. Für die
Jüngeren dort ist Nachhaltigkeit noch
kein Thema, aber sie lernen, dass man
Dinge reparieren kann – der erste Schritt
zur Nachhaltigkeit. Jenny Blekker, Sprecherin bei der BUNDjugend-Bundesge-
Turnschuhe verdienen, für die die Jugendlichen hier 120 Euro zahlen müssen,
sei man rasch beim Thema Ausbeutung.
Generell sei wichtig, so Blekker, dass
man Kindern und Jugendlichen das Thema über den Spaßfaktor nahe bringe.
Mit dem Thema Gerechtigkeitsempfinden haben auch die Macher vom Kinderfernsehsender Kika ihre Erfahrungen
gemacht. Da Kinder sehr engagiert sind
und häufig einen anderen Blickwinkel
auf bestimmte Dinge haben als Erwachsene, veranstaltet der Sender bereits
zum vierten Mal den Kinder-Nachhaltigkeitstag. Er findet ebenfalls am 28. No-
Zusammenhänge können
Kinder erst verstehen, wenn sie
beispielsweise wissen, wo Lebensmittel herkommen und was man
mit ihnen machen kann. Die
Hamburger Bildungsinitiative
„Kita21“ gibt Antworten
vember in Düsseldorf statt. 30 Kinder
zwischen neun und 13 Jahren reden an
diesem Tag über eine faire und nachhaltige Herstellung von Kleidung. Unter
dem Titel „30 Zukunftsmacher im Einsatz für faire Kleidung“ wollen sie gemeinsam mit dem Sänger Andreas Bourani (der auch Pate der Veranstaltung
ist) Forderungen an die Kleidungsindustrie entwickeln und beim Deutschen
Nachhaltigkeitstag eine Deklaration an
einen Bundespolitiker übergeben.
Egal, ob es Kochshows sind, die Reise
eines Wassertropfens, das Leben der Regenwürmer oder ein Müllzauberatelier:
Immer mehr Angebote beschäftigen sich
mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz
für Kinder. Die Öko-Insel im FEZ Berlin
ist ein weiteres Beispiel für nachhaltige
Umwelterziehung. „Und es kommen immer mehr Kinder und Jugendliche“,
meint Eva Kulla von der Öko-Insel.
www.kika.de
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Mit Herz und Spiritualität
Nelly Furtado erhält einen Ehrenpreis für ihr Engagement in Kenia
W
irklich spannend sind nur facettenreiche Künstler. Nur
solche, deren wichtigste Konstante der Wandel ist und die aus einem
größeren Pool der Inspiration schöpfen
dürfen als der Branchendurchschnitt.
Nelly Furtado gehört dazu, schon allein
ihre Zwei-Kulturen-Biografie baut ihr ein
Podest, das viele Blicke über den Tellerrand ermöglicht. Neben der künstlerischen Arbeit hat die kanadische Sängerin
mit portugiesischen Wurzeln seit einigen Jahren noch eine weitere Lebensaufgabe gefunden: Sie setzt sich für die Bildung von Mädchen und jungen Frauen
in Ostafrika ein. Auf ihrer Homepage
wirbt Nelly Furtado auch unter ihren
Fans für Unterstützung. Das Engagement der 35-Jährigen wird mit einem der
drei diesjährigen Ehrenpreise des Deutschen Nachhaltigkeitspreises belohnt.
„Das bedeutet mir sehr viel, auch weil
dieser Preis in Deutschland vergeben
wird, einem Land, das bei der Nachhaltigkeit ganz weit vorne ist“, sagt sie.
Dabei hatte alles mit einem Fehler angefangen. Doch weil Fehler bekanntlich
dazu da sind, um gemacht zu werden
und aus ihnen zu lernen, hat der Auftritt
Furtados 2007 bei einem von der Gaddafi-Familie organisierten Konzert in Italien durchaus etwas Gutes: Die Gage von
einer Million US-Dollar spendete sie für
einen wohltätigen Zweck, sie ging an die
in Toronto (Kanada) ansässige und in
rund 40 Ländern aktive Organisation
Free The Children, die nach eigenen Angaben weltweit bereits mehr als 400
Schulen gebaut und rund 35.000 Kindern eine Ausbildung ermöglicht hat.
Das politische „Geschmäckle“ war
Furtado entgangen. „Es hatte den Anstrich von einer harmlosen Party, die
Brisanz und Auswirkung hatte ich nicht
erkannt“, sagt sie offen und fügt hinzu,
dass sie „das ganze Thema“ demnächst
öffentlich ausdiskutieren möchte.
Nach der Spende hatte sie eine Einladung von Free The Children in die Region Maasai-Mara in Kenia zur Eröffnung
einer Internatsschule für Mädchen erhalten, die unter anderem mit diesem
Geld finanziert worden war. „Vor fünf
Jahren war das, und ich habe mich buchstäblich in alles dort verliebt – in das
Land, die Menschen, die Schüler, die Art,
wie Familien dort leben, arbeiten und
zusammenhalten, und in die Kultur.
Jetzt fahre ich einmal im Jahr nach Ke-
PICTURE ALLIANCE / JAZZARCHIV/ISABEL SCHIFFLER
JOCHEN CLEMENS
Ehrenpreisträgerin Nelly Furtado: Ein
neues Album kommt nicht vor 2016
nia, um mir die Fortschritte in der Schule anzusehen. Aber auch weil ich dort
viele echte Freunde gefunden habe. Zu
sehen, mit welcher Freude die Gemeinschaften der Maasai und Kipsigis arbeiten, feiern und singen, ist etwas Besonderes. Es ist eine Art von Freude, die wir
in der westlichen Welt so nicht kennen.“
Seit 2011 ist Nelly Furtado als aktive
FTC-Botschafterin unterwegs, ihre Erlebnisse in Kenia wurden in Kanada bereits in einer TV-Dokumentation ausge-
strahlt. „Ihre“ neue Mädchenschule wird
über Klassenräume, Schlafräume, Küche
und Speisesaal, Gemeinschaftsgärten, eine Bibliothek sowie Labore und Computerräume verfügen. Jährlich können 200
Mädchen das Internat kostenlos besuchen. Doch auch in Kanada, hier vor allem in ihrer Heimatregion British Columbia, und in den USA ist Nelly Furtado aktiv. Seit Jahren engagiert sie sich
für verschiedene Kinder-Institutionen
sowie ökologische Projekte.
Musikalisch hat sich Nelly Furtado nie
festlegen lassen. Auf ihrem Debüt
„Whoa, Nelly!“ (2000) verschmolz sie
Pop, Hip-Hop und Elemente traditioneller Musik wie brasilianischen Bossa nova
und portugiesischen Fado zu einem eigenen Stil, dem manch ein Musikkritiker in
Ermangelung an Vergleichsmöglichkeiten
das „Weltmusik“-Mäntelchen umhängte.
Nach dem zweiten Album „Folklore“
(2004), der das Rezept des Erstlings fortsetzte, aber ein wenig mehr in Richtung
Rock tendierte, wechselte sie 2006 abrupt den Stil. Hip-Hop und R&B prägte
die Tanzflächen-Attacke „Loose“ (2006),
die Furtado selbst mit „Punk-Hop“ umschrieb. 2008 folgte das durchgängig spanischsprachige „Mi Plan“, ihr bis dato
persönlichstes Werk. Alle Titel, so Nelly
Furtado, basierten auf realen Emotionen
und selbst erlebten Begebenheiten.
„The Spirit Indestructable“ (2012) ist
ihr aktuelles Werk, das musikalisch einen Mix der Vorgänger bietet. Inhaltlich,
der Titel verrät es, geht es um Spiritualität – von Jugenderlebnissen bis zur Kenia-Reise – und den Glauben an eigene
Stärke. Seitdem habe sie „viel für andere
Künstler geschrieben. Aber jetzt habe ich
wieder angefangen, für mich Songs zu
verfassen und aufzunehmen.“ Mit einem
neuen Album sei dennoch nicht vor 2016
zu rechnen. Bei der Gala in Düsseldorf
wird Nelly Furtado nicht nur ausgezeichnet, sie wird auch vier Songs singen, darunter zwei ihrer größten Hits: „I’m like
a bird“ und „Powerless“.
Nicht, wenn man mit Erdgas heizt
und heute schon CO2 reduziert.
Erdgas aus Norwegen ist die emissionsarme und kosteneffektive Antwort auf Deutschlands
Energiefragen. Erdgas ist nicht nur für die nächsten Generationen gesichert, sondern setzt
auch 50 % weniger CO2-Emissionen beim Heizen frei. Damit ist es nicht nur der umweltfreundlichste fossile Brennstoff, sondern trägt auch zur Effizienzsteigerung des Wärmemarkts bei.
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28. NOVEMBER 2014
ANZEIGEN-SONDERVERÖFFENTLICHUNG
Ausführliche Informationen
finden Sie online unter:
www.rauchmelder.com
PYREXX
Rauchmelder können Leben retten!
Wenn man welche hat
Wie ein tragisches
Unglück zum Impuls
für eine nachhaltige
Veränderung wurde
I
Eindeutiger Befund
Die Tageszeitungen in Berlin
berichteten über die Umstände des Wohnungsbrandes, über das junge und erfüllte Leben des Silvester N.,
seine Freude an Musik und der
Schauspielerei. Die Berichterstattung führt zu einer eindeutigen Schlussfolgerung,
die der damalige Chef der
Berliner Feuerwehr auf den
Punkt bringt: „Ein Rauchmelder hätte das Unglück sehr
wahrscheinlich verhindern
können.“
Zu dieser Zeit – im Jahr
2003 – waren nur knapp zwei
Prozent der deutschen Haushalte mit Rauchmeldern ausgestattet. Es gab und gibt
jährlich im Durchschnitt
250.000 Wohnungsbrände
bei denen jeweils 600 Menschen an einer Rauchgasvergiftung verstarben.
Im Vergleich war damals
der EU-Nachbar Schweden
erheblich fortschrittlicher,
denn dort waren im Jahr 2003
bereits 98 Prozent der Haushalte mit Rauchwarnmeldern
versorgt.
Martin D., einer der Initiatoren der heutigen Pyrexx
GmbH, hatte die Berichterstattung zu dem Schicksal
des Silvester N. verfolgt. Er
war tief betroffen und wollte
etwas ändern, verbessern und
dauerhaft dazu beitragen,
dass es solche Todesfälle
nicht mehr gibt.
Deshalb entschloss er sich
gemeinsam mit seinen besten
Freunden möglichst viele
Menschen von der Wichtigkeit
der Rauchwarnmelder zu
überzeugen, um damit die
Ausstattungs-Quote in den
Haushalten zu erhöhen und so
die jährliche Zahl der Rauchtoten und Schwerverletzten
dauerhaft zu reduzieren.
Neue Dienstleistung
Der Anfang einer ganz neuen
Dienstleistung war gemacht:
Pyrexx meldete sich fortan
bundesweit bei zahlreichen
Wohnungsunternehmen, bot
ihnen die Installation von
Rauchmeldern in allen Wohnungen an und warb zugleich
auch für eine Wartungsleistung, die dafür sorgt, dass die
Geräte jährlich geprüft, gereinigt und gepflegt werden, um
sie dadurch in zuverlässiger
Betriebsbereitschaft zu erhalten. Das war harte Pionierarbeit, denn eine gesetzliche
ALLE BILDER: PYREXX
n der Nacht des 12.
April 2003 ereignete
sich in Berlin ein trauriges Unglück, bei
dem der damals fast
15jährige Silvester N.
sein junges Leben
verlor. Ein technischer Defekt
des Geschirrspülers setzt die
Küche in Brand. Der Junge ist
alleine zu Hause, er liegt in
seinem Bett und schläft, als
sich die Rauchgase in der
Wohnung ausbreiten.
Silvester N. kann den
Brandrauch nicht riechen, weil
der Geruchssinn des Menschen im Schlaf weitestgehend inaktiv ist. Auch einen
Rauchmelder, der ihn vor der
Gefahr noch rechtzeitig warnen und wecken würde, gibt es
nicht. Nur wenige Atemzüge
später: Die Brandgase sind
tödlich und nehmen dem
Jungen das Leben.
Wer schläft kann nichts riechen. Umso wichtiger ist es, Rauchmelder zu installieren, damit die giftigen Rauchgase nicht tödlich sind
Die Rauchwarnmelder aus
Berlin sind so beliebt, weil
das Unternehmen bei
Entwicklung und Produktion
der Geräte auf besondere
Ressourcen schonende
Herstellungsverfahren setzt.
„
Verpflichtung gab es damals
nicht und so mussten Martin
D., seine Freunde und Kollegen in vielen Gesprächen
größere und kleinere Vermieter davon überzeugen,
dass es eine gute Sache ist, in
jeder Wohnung die unscheinbaren Lebensretter zu installieren.
Heute, knapp zwölf Jahre
nach dem einleitend beschriebenen Brandunglück gibt es in
13 Bundesländern entsprechende Gesetze, die den Einbau von Rauchwarnmeldern in
Wohnungen vorschreiben.
Sehr erfreulich ist, dass
heute jährlich, im Vergleich zu
2003, etwa 200 bis 300 Menschen weniger ihr Leben
durch einen Wohnungsbrand
verlieren.
Noch ein weiter Weg
Weniger erfreulich ist, dass
sich die Bundesländer Berlin,
Brandenburg und Sachsen
bislang immer noch nicht
dazu durchringen konnten, ein
Rauchmelder-Gesetz zu verabschieden. Immerhin sind
inzwischen aber etwa 46
Prozent der deutschen Haushalte mit Rauchwarnmeldern
ausgestattet … Bei Pyrexx
wünscht man sich jedoch 100
Prozent. Noch ein weiter Weg?
Das von Martin D. und seinen Freunden gegründete
Unternehmen versorgt heute
als überregionaler Fach-
dienstleister und zugleich
auch als Hersteller besonders
zuverlässiger QualitätsRauchwarnmelder (PX-1 Serie) bundesweit mehrere Millionen Menschen mit Sicherheit – Made in Berlin.
Schutz und Zufriedenheit
Bei den größten, aber auch
den kleineren Vermietern wird
die Firma aus Berlin heute als
ein außerordentlich zuverlässiger, kompetenter und
serviceorientierter Fachdienstleister geschätzt, bei
dem zu sozialverträglichen
Preisen alle Leistungen rund
um den Rauchmelder ohne
Wenn und Aber reibungslos
erbracht werden. Keine Anforderung bleibt unerfüllt.
Dabei steht die Zufriedenheit,
genau so wie der Schutz des
Mieters, stets als Maß der
Dinge im Mittelpunkt.
Pyrexx erbringt folgende
Leistungen für Kunden der
Wohnungswirtschaft:
● Bereitstellung von Qualitäts-Rauchwarnmeldern
(Kauf/Miete) sowie deren
Montage (ohne Bohren), Wartung und Instandhaltung
● 24/7 Bereitschaftsdienst
● Servicecenter in mehreren
Landessprachen
● Betriebskostenabrechnung
Große Beliebtheit
Sowohl in Deutschland als
auch in nahen und fernen
Ländern erfreuen sich die in
Berlin produzierten und allgemein im Handel verfügbaren Rauchwarnmelder der
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DIE WELT BERLIN-2014-11-28-swonl-86 c37eea0329ed4bfc29492a862861cc10
PX-1-Serie größter Beliebtheit,
weil die Geräte ein schlichtes,
schönes und zeitloses Design
mit sehr beliebten Eigenschaften verbinden. Die Batterien
der Melder halten zwölf Jahre
– das wird garantiert – und die
Bohrmaschine braucht man
für die Montage der Geräte
auch nicht, weil ein ganz einfacher selbstklebender Magnet die Installation quasi kinderleicht macht.
Auch eine Funk-Vernetzung
der Geräte ist möglich, so
dass alle Rauchmelder, vom
Keller bis zum Dachboden, im
Brandfall gleichzeitig den
Alarm abgeben. Wenn man
nicht Zuhause ist bietet Pyrexx auch die Möglichkeit, die
Alarmmeldung auf dem Mobil- oder Smart-Phone zu
empfangen.
Extreme Langlebigkeit
Die Rauchwarnmelder aus
Berlin sind aber auch deshalb
so beliebt, weil das Unternehmen bei der Entwicklung und
Produktion der Geräte auf
besonders Ressourcen schonende Herstellungsverfahren,
extreme Langlebigkeit und
maximale Recyclingfähigkeit
setzt.
Letztendlich kann man
heute sagen, dass das traurige
Schicksal des Silvester N. sehr
viel bewegt hat und in den
Jahren seit April 2003 weitreichende Kreise zog, die – zumindest indirekt – dazu beigetragen haben, dass sehr
viele Menschen nicht bei einem Wohnungsbrand getötet
oder schwer verletzt wurden.

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