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THEMA FEUER Wohltätige Macht und Himmelskraft ologische Aspekt, d.h. eine gewisse Zeitlosigkeit oder Ewigkeit des Feuers, besonders deutlich wird. Plakativ drängen sich in diesem Zusammenhang zwei Eigenschaften auf: die Wärme und die Emission von Licht. Beides wurde seit Urzeiten vom Menschen genutzt, und die Menschheitsentwicklung ist überhaupt nur dadurch möglich gewesen. Um dies in seiner gesamten Tragweite verstehen zu können, ist es zuerst notwendig, das Feuer als naturwissenschaftliches Phänomen zu beschreiben (Beitrag Kucera, S. 24). Historisch-philosophische Aspekte werden ebenso berücksichtigt wie höchst naturwissenschaftliche. Nicht minder interessant erschien die Beschreibung der ältesten archäologischen Hinweise zu Feuer und Feuererzeugung (Beitrag Weiner, S. 28). Dass hierbei die Darstellung der wichtigsten Methoden des Feuermachens mit europäischem Schwerpunkt im Mittelpunkt steht, hat einen einfachen Grund: In breiten »Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht, und was er bildet, was er schafft, das dankt er dieser Himmelskraft.« Kann man mit einem Satz das Phänomen »Feuer« umfassender beschreiben, als dies Friedrich von Schiller in »Das Lied von der Glocke« getan hat? Wohl kaum. Das Feuer durchdringt alle Bereiche des Lebens, es beeinflusst seit jeher menschliches Streben und Forschen. Leuchter für Kerze und Ölbetrieb aus Schwerzau, Sachsen-Anhalt (um 1600). In einem Rennofen wird Eisenerz bei ca. 1100 °C bis 1300 °C zu elementarem Eisen reduziert. Die flüssige Schlacke rinnt nach dem Anstich aus dem Ofen. Als Brennmaterial dient Holzkohle. vierung werden insbesondere die Schlüsselindustrien der Keramik, der Metallherstellung und der Glasverarbeitung beleuchtet. Dies sind die Hauptthemen des Schwerpunkts »Feuer«, und die Leserschaft mag weitere vermissen. Zu denken wäre hier z.B. an historische Schadfeuer und eine von ihnen ausgehende morbide Faszination. In engem Zusammenhang damit steht die Geschichte der Feuerbekämpfung, d.h. der Feuerwehr. Darauf musste genauso verzichtet werden wie auf die Bedeutung des Feuers im Brauchtum, der Religion und der Mythologie, aber auch im Kriegswesen oder zur Erbauung als Feuerwerk. Wie dem auch sei, noch liegt der Tag in weiter Ferne, an dem der Mensch – wenn nicht völlig, so doch weitestgehend – das Diktat des Feuers beenden können wird. JÜRGEN WEINER Literatur Schon immer üben Feuer eine magische Anziehungskraft auf Menschen aus. Zwei Schwefelkiesknollen, wie sie in der Steinund Bronzezeit zum Funkenschlagen benutzt worden sind. E s wäre problemlos möglich, ein ganzes Heft zum Thema »Feuer« zu füllen. Bei der Behandlung als Schwerpunkt ist es daher geboten, die Bandbreite zu reduzieren. Dabei hilft ein näherer Blick auf Schillers schon monolithische Aussage. Der Dichter versteht das Feuer als »Macht« und beschreibt diese als »wohltätig«. Offensichtlich ist sie das jedoch nur dann, wenn der Mensch aktiv wird, wenn er das Feuer in seine Schranken weist, es kontrolliert. Unausgesprochen, aber logisch ergibt sich daraus ein anderes Gesicht des Feuers mit zerstörenden Eigenschaften. Sind diese direkten und indirekten 22 AiD 4 / 2006 Aussagen in der ersten Hälfte des Satzes bereits fundamental, so kulminieren sie in dessen zweiter. Denn, so der Dichter, bei ausreichender Kontrolle des Feuers hängt alles Menschenwerk von diesem ab. Ja, das Feuer wird als »Himmelskraft« bezeichnet! Philosophie und Naturwissenschaft Es wird klar, dass auf jeden Fall die wohltätige Seite, das angenehme Gesicht des Feuers für den Menschen im Schwerpunkt darzustellen ist. Dies umso mehr, als hier der archä- B. Busch/J. Goldammer/A. Denk (Red.), Feuer. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.). Schriftenreihe Forum 10, Köln 2001. E. Fehre, Brandstifter. Führer des Niederrhein. Museums f. Volkskunde u. Kulturgeschichte Kevelaer 42 (2003). H. Freudenthal, Das Feuer im Deutschen Glauben und Brauch, Berlin/Leipzig 1931. J. Weiner, Pyrite vs. Marcasite. Or: Is Everything that glitters Pyrite? With a structured Bibliography on Firemaking through the Ages. Les Chercheurs de la Wallonie 37, 1997, 51–79. Kreisen der Bevölkerung ist offenbar noch immer eine Vorstellung von der intentionellen Feuerherstellung vor allem in der Steinzeit verbreitet, die im Bildungsbürgertum des 19. Jh. wurzelt. Vor diesem Hintergrund kann es nicht ernsthaft verwundern, dass man z.B. in einer umfassenden Publikation zum Feuer, Ergebnis eines internationalen Symposiums in der Bundeskunsthalle in Bonn im Sommer 2000, eine Beschreibung der Feuererzeugung und der Feuerzeuge durch die Jahrtausende vergeblich sucht. Licht ins Dunkel Weite Regionen unseres Planeten konnten nur besiedelt werden, weil der Mensch im Besitz des Feuers war. Dabei spielte neben der Wärme die Leuchtkraft eine entscheidende Rolle. Dies hat sich bis heute nicht geändert und so erschien es sinnvoll, die Beleuchtung durch die Jahr- tausende zu erhellen (Beitrag Wunderlich, S. 32). Der Bogen erstreckt sich vom Licht eines Lagerfeuers über jenes aus Ton- und Glaslampen bis zum Schein einer Glühbirne. Aber wer ist sich heute schon klar darüber, dass der unsere Lampen speisende elektrische Strom aus fossilen Brennstoffen das Ergebnis eines kontrolliert brennenden Feuers »am anderen Ende der Leitung« ist? Zerstörerisches Potenzial Obgleich die Wärme eine der angenehmen Eigenschaften des Feuers ist, darf nicht vergessen werden, dass sie in Form großer Hitze auch destruktiv wirkt. Aber es ist gerade dieses zerstörerische Potenzial des Feuers, die Transformation von Materie, das sich der Mensch bei der Umwandlung natürlicher Rohstoffe seit Jahrtausenden zu Eigen macht (Beitrag Gechter, S. 36). Neben der Nahrungszubereitung und -konserAiD 4 / 2006 23