Whistleblowing

Transcrição

Whistleblowing
Gruber/N. Raschauer (Hrsg)
Whistleblowing
• Arbeitsrecht
• Kapitalmarktrecht
• Öffentliches Recht • Strafrecht
• Wettbewerbsrecht
Handbuch
Whistleblowing
Arbeitsrecht – Öffentliches Recht –
Wettbewerbsrecht – Kapitalmarktrecht – Strafrecht
herausgegeben von
Univ.-Prof. Dr. Michael Gruber
PD Dr. Nicolas Raschauer
Paris Lodron Universität Salzburg
CHSH Rechtsanwälte OG Wien
mit Beiträgen von
Walter Berka
Reinhard Resch
Silvia Traunwieser
Thomas Haslwanter
Daniel Strauss
Wolfgang Wessely
Jörg Zehetner
Markus Heidinger
I
K R
F T
S T
A
A L L E
W I L L E
1 8 4 9
Wien 2015
MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung
Zitiervorschlag: Autor/Autorin, Beitragstitel, in Gruber/N. Raschauer (Hrsg), Whistleblowing
(2015) . . .
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung,
vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder
ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter
Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr; eine Haftung der Autorinnen und Autoren sowie des Verlages ist ausgeschlossen.
ISBN 978-3-214-06457-0
© 2015 MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH, Wien
Telefon: (01) 531 61-0
E-Mail: [email protected]
www.manz.at
Druck: Prime Rate Kft., Budapest
Vorwort/Einleitung
1. Warum veranstaltet man eine wissenschaftliche Fachveranstaltung zum
Generalthema „Whistleblowing“? Nicht erst seit den Enthüllungen Snowdens,1) der Implementierung von „Hinweisgebersystemen“ bei staatlichen Organen oder der Veröffentlichung sensibler Dokumente auf Wettplattformen weiß p.t. Rechtsanwender, dass der
Rechtsstaat mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert ist, wenngleich sie
nicht immer neu sind.
2. Freilich: Im Schrifttum finden sich nur sektorale Einzelstudien, insb zu Fragen
des Arbeits- und Strafrechts, aber auch des Wettbewerbsrechts. Kapitalmarktrechtliche
Untersuchungen existierten bis Januar 2014 nur vereinzelt (vgl insb M. Gruber in FS
B. Raschauer 2013). Eine detaillierte rechtswissenschaftliche Untersuchung zu „Whistleblowern“ fehlte. Mit dem vorliegenden Handbuch soll ein erster Versuch gestartet werden, offene Fragen zum „Whistleblowing“ interdisziplinär zu beleuchten.
Gleichzeitig präsentieren wir Ihnen damit die Ergebnisse einer Kooperationsveranstaltung der PLUS und der JKU, die am 23. 1. 2014 in den Repräsentationsräumen der
JKU Linz vor gut 100 Teilnehmern abgehalten wurde.
3. Das Werk befindet sich auf dem Stand 1. 1. 2014. In sieben Beiträgen soll das
Thema „Whistleblowing“ und damit zusammenhängende Entwicklungen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Nach einer einleitenden Erörterung des Begriffes
„Whistleblowing“ aus Sicht der Sozialwissenschaften erörtern sechs rechtswissenschaftliche Beiträge Fragen zum „BKMS®-Hinweisgebersystem“, dem Arbeitsrecht, dem Öffentlichen Recht, dem Wettbewerbsrecht, dem Kapitalmarktrecht und dem gerichtlichen
Strafrecht, jeweils an der Schnittstelle zu „Whistleblowing“.
4. Dieses Handbuch enthält uns wichtig erscheinende „Themenblöcke“, die über
die Grenzen der einzelnen Rechtsmaterien von Bedeutung sind, und die Gedanken unserer Referentinnen und Referenten dazu. Daher vereint der Band ausgewählte Ergebnisse der Fachtagung, greift aber nicht alle offenen Fragen, etwa des Datenschutz- oder Unternehmensrechts, auf. So waren etwa Aspekte der Spruchpraxis der DSB rund um
„Whistleblowing“-Systeme in Konzernen ebenso auszuklammern wie Detailfragen zu
§ 9 b UIG (Informantenschutz im Zusammenhang mit dem „Europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister“).
5. Dass unsere Kooperationsfachveranstaltung so erfolgreich durchgeführt werden
konnte, verdanken wir verschiedenen Institutionen und Personen, denen unser aufrichtiger Dank gebührt:
*
Zunächst unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre Unterstützung; dann
unseren Sponsoren, die die Fachtagung finanziell unterstützt haben, einerseits die
1
) In der US-amerikanischen Geschichte hat die Aufdeckung von rechtswidrigen Praktiken
der lokalen Verwaltung beinahe Tradition. Schon Daniel Ellsberg veröffentlichte 1971 geheime
Pentagon-Papiere, die die Täuschung der Öffentlichkeit über den Vietnamkrieg durch mehrere
US-Regierungen enthüllten.
III
Vorwort/Einleitung
*
*
Rechtsakademie an der PLUS, andererseits die Sozietät CHSH Rechtsanwälte in
Wien.
Weiters danken wir allen Referentinnen und Referenten für ihre Vorträge und die
(fast) pünktliche Erstellung bzw Lieferung der Manuskripte.
Und schließlich dem Verlag Manz, der aus mehreren Dateien ein schönes Buch erstellt hat.
6. Wir hoffen, mit dem nunmehr vorliegenden Handbuch ein wenig Licht ins
Dunkel bringen und zur Lösung der einen oder anderen Rechtsfrage beitragen zu können. Für Kritik und Anregungen sind wir dankbar.
Salzburg, im Herbst 2014
IV
Die Herausgeber
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort und Einleitung . . . . . . . . . . .
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . .
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . .
Begriffsabgrenzung (Nicolas Raschauer)
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III
VII
IX
XV
1 Whistleblowing – Segen oder Fluch? (Silvia Traunwieser) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2 Anonyme Hinweisbearbeitung mit dem BKMS®-Hinweisgebersystem
in der Praxis der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
(Thomas Haslwanter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
3 Whistleblowing und Arbeitsrecht (Reinhard Resch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
4 Whistleblowing und Öffentliches Recht (Walter Berka) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
5 Whistleblowing im Wettbewerbsrecht (Jörg Zehetner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
6 Whistleblowing im Kapitalmarktrecht (Markus Heidinger / Daniel Strauss) . . . . . .
61
7 Whistleblowing und Strafrecht (Wolfgang Wessely) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
V
Autorenverzeichnis
o. Univ.-Prof. Dr. Walter Berka, Paris Lodron Universität Salzburg, Fachbereich Öffentliches
Recht, Verfassungs- und Verwaltungsrecht
OStA Dr. Dr. Thomas Haslwanter, Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA)
RA Dr. Markus Heidinger, LL. M., WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG
Univ.-Prof. Dr. Reinhard Resch, JKU Linz, Institut für Recht der sozialen Daseinsvorsorge und
Medizinrecht
Mag. Daniel Strauss, WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG
Ass.-Prof.in Dr.in Silvia Traunwieser, Paris Lodron Universität Salzburg, Fachbereich Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften, Rechts- und Sozialphilosophie
Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Wessely, Universität Wien bzw LVwG Niederösterreich
RA Hon.-Prof. DDr. Jörg Zehetner, KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH
VII
Abkürzungsverzeichnis
§
%
= Paragraph
= Prozent
aA
aaO
AB
ABGB
ABl
Abs
ACFE
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AEUV
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B
BAK-G
= Beschluss
= Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung
= Betriebs-Berater Aktuell
= Dt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
= Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979
= 1. Bundesgesetz; 2. Bezirksgericht
= Bundesgesetzblatt
= Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004
= 1. Bundeskriminalamt; 2. Bundeskanzleramt
= Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst
= (Dt Zeitschrift für) Bank- und Kapitalmarktrecht
= Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundeskriminalamtes
= Business Keeper Monitoring System
= Beilage(n)
= Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR
BB
BaFin
BDG
BG
BGBl
BGBlG
BKA
BKA-VD
BKR
BKA-G
BKMS
Blg
BlgNR
anderer Ansicht
am angegebenen Ort
Ausschussbericht
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Amtsblatt (der Europäischen Union)
Absatz, Absätze
Association of Certified Fraud Examiners
am Ende
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
alte Fassung
1. Aktiengesellschaft; 2. Arbeitgeber
Amtshaftungsgesetz
Aktiengesetz
Alternative
anderer Meinung
Arbeitnehmer
Anhang
Anmerkung(en)
Anwaltsblatt
Archiv des Öffentlichen Rechts
Arbeit und Recht
argumentum
Artikel
Arbeitsverfassungsgesetz
Allgemeiner Teil
Akt(e) unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz
IX
Abkürzungsverzeichnis
BM
BMG
BMI
BörseG
BR
BReg
bspw
BVB
BVerfG
BVerfGE
B-VG
BWB
BWG
bzw
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CCZ
CFO
CRR
= Corporate Compliance Zeitschrift
= Zeitschrift für Finance & Controlling
= Kapitaladäquanzverordnung
Def
ders
dgl
dh
dies
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DSG
DV-StAG
dzt
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=
Definition
derselbe
dergleichen
das heißt
dieselben
Das Recht der Arbeit
Datenschutzgesetz 2000
DurchführungsVO zum Staatsanwaltschaftsgesetz (StAG)
derzeit
E
EB
EGMR
Erk
Erl
ErläutRV
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ESMA
EU
EuGH
EuGRZ
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EuZW
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EWS
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=
Entscheidung
Erläuternde Bemerkungen
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Erkenntnis
1. Erläuterungen; 2. Erledigung
Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage
et alii
Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde
Europäische Union
Europäischer Gerichtshof
Europäische Grundrechtezeitschrift
1. Euro; 2. Europarecht
Vertrag über die Europäische Union
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (ÖJZ)
Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht
f
ff
FCA
FinStrG
FMA
FMABG
FN
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folgend(e, r)
und die folgenden
Financial Conduct Authority
Finanzstrafgesetz
Finanzmarktaufsicht(sbehörde)
Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz
Fußnote
X
Bundesminister
Bundesministeriengesetz
Bundesminister(ium) für Inneres
Börsegesetz 1989
1. Betriebsrat; 2. Bundesrat
Bundesregierung
beispielsweise
Bezirksverwaltungsbehörde
(deutsches) Bundesverfassungsgericht
Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Bundes-Verfassungsgesetz
Bundeswettbewerbsbehörde
Bankwesengesetz
beziehungsweise
Abkürzungsverzeichnis
FS
FSA
= Festschrift
= Financial Services Authority (UK)
G
GIS
GKK
GlbG
GmbH
GP
GRC
GRECO
GZ
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Gesetz(e)
GebührenInfoService
Gebietskrankenkasse
Gleichbehandlungsgesetz
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gesetzgebungsperiode
Grundrechtecharta
Groupe d’Etats contre la corruption
Geschäftszahl
hA
hL
hM
Hrsg
HS
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herrschende Ansicht
herrschende Lehre
herrschende Meinung
Herausgeber
Halbsatz
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inkl
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iSd
iSv
iVm
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Initiativantrag (NR)
in der Fassung
in der geltenden Fassung
in der Regel
in diesem Sinn
im engeren Sinn
Versicherungsvermittlungsrichtlinie
inklusive
insbesondere
im Sinn
im Sinn des, der
im Sinne von
in Verbindung mit
JBl
JRP
JSt
= Juristische Blätter
= Journal für Rechtspolitik
= Journal für Strafrecht
KAG
KartG
KaWeRÄG
KMG
KOG
KSzW
=
=
=
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=
=
Kapitalanlagegesellschaft
Kartellgesetz
Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012
Kapitalmarktgesetz
Kartellobergericht
Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht
leg cit
Lfg
LG
LGBl
Lit
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=
legis citatae
Lieferung
1. Landesgericht; 2. Landesgesetz
Landesgesetzblatt
1. Literatur; 2. Litera
Mag
MAD
Mat
mAnm
MAR
=
=
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=
Magister
Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG
Materialien
mit Anmerkung von
Marktmissbrauchsverordnung
XI
Abkürzungsverzeichnis
maW
mE
ME
MiFID
mwN
=
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=
=
mit anderen Worten
meines Erachtens
Ministerialentwurf
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie
mit weiteren Nachweisen
Nb
NJOZ
NJW
NL
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Nov
NR
Nr
NZ
NZA
NZG
=
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=
Nachbemerkung(en)
Neue Juristische Online Zeitschrift
Neue Juristische Wochenschrift
Newsletter Menschenrechte, hrsg vom Österreichischen Institut für Menschenrechte
Novelle
Nationalrat
Nummer
Notariatszeitung
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
oa
ÖaT
ÖBA
og
OGAW
OGH
OHG
ÖJT
ÖJZ
OZK
ÖZW
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=
oben angeführt(er, en, es)
Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht
Österreichisches Bankarchiv
oben genannt(er, e, en)
Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren
Oberster Gerichtshof
Offene Handelsgesellschaft
Österreichischer Juristentag
Österreichische Juristenzeitung
Österreichische Zeitschrift für Kartellrecht
Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
PKG
= Pensionskassengesetz
RAO
RdW
RIS
RL
Rs
Rsp
RV
Rz
=
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=
=
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=
=
Rechtsanwaltsordnung
Recht der Wirtschaft
Rechtsinformationssystem des Bundes
Richtlinie
Rechtssache
Rechtsprechung
Regierungsvorlage
Randzahl
S
Sbg-K
SEC
Slg
sog
SSt
St
StA
StenProt
StGB
StPO
StProtNR
stRsp
=
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=
Siehe
Salzburger Kommentar zum StGB
Securities Exchange Commission
Sammlung
so genannte(r, n)
Entscheidungen des OGH in Strafsachen und Disziplinarangelegenheiten
Hauptregister der Staatsanwaltschaft
Staatsanwalt(schaft)
Stenographische Protokolle
Strafgesetzbuch
Strafprozessordnung
Stenographische Protokolle der Sitzungen des Nationalrats
ständige Rechtsprechung
XII
Abkürzungsverzeichnis
SZ
= Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen
uä
ua
UAbs
UCITS
UGB
UIG
url
USG
usw
UT
uU
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=
und ähnliche(s)
und andere(s)
Unterabsatz
Organismus für Gemeinsame Anlagen in Wertpapieren
Unternehmensgesetzbuch
Umweltinformationsgesetz
Uniform Resource Locator
Gesetz über den Unabhängigen Umweltsenat
und so weiter
Register der StA für Anzeigen und Berichte gegen unbekannte Täter
unter Umständen
V/VO
VB
VBG
VbVG
verstSen
VfAB
VfGG
VfGH
VfSlg
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vgl
Vorbem
VStG
VwGG
VwGH
VwSlg
=
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vs
=
Verordnung
Vertragsbedienstete(r, n)
Vertragsbedienstetengesetz
Verbandsverantwortlichkeitsgesetz
verstärkter Senat
Bericht des Verfassungsausschusses des NR
Verfassungsgerichtshofsgesetz
Verfassungsgerichtshof
Fortlaufende Sammlung der Beschlüsse und Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs
vergleiche
Vorbemerkung(en)
Verwaltungsstrafgesetz
Verwaltungsgerichtshofgesetz
Verwaltungsgerichtshof
Fortlaufende Sammlung der Beschlüsse und Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes
versus
WAG 2007
wbl
WettbG
WKStA
=
=
=
=
WK StGB
WK StPO
WM
WTBG
=
=
=
=
Wertpapieraufsichtsgesetz 2007
Wirtschaftsrechtliche Blätter
Wettbewerbsgesetz
Zentrale Staatanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption
Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch
Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung
Wertpapiermitteilungen
Wirtschaftstreuhänderberufsgesetz
Z
ZaDiG
zB
ZESAR
ZfgesKW
ZFR
ZfRV
ZfV
ZHR
ZIP
=
=
=
=
=
=
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=
=
=
Ziffer
Zahlungsdienstegesetz
zum Beispiel
Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht
Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
Zeitschrift für Finanzmarktrecht
Zeitschrift für Rechtsvergleichung
Zeitschrift für Verwaltung
Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
XIII
Abkürzungsverzeichnis
ZIR
zit
Zl
ZÖR
ZP
ZP(E)MRK
ZPO
ZRP
zT
ZustG
ZVR
zZ
XIV
=
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=
=
Zeitschrift für Informationsrecht
zitiert(er, en)
Zahl
Zeitschrift für öffentliches Recht
Zusatzprotokoll
Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte
Zivilprozessordnung
Zeitschrift für Rechtspolitik
zum Teil
Zustellgesetz
Zeitschrift für Verkehrsrecht
zur Zeit
Begriffsabgrenzung
Nicolas Raschauer
Versucht man, die Herkunft und die Bedeutung des mittlerweile geläufigen Begriffs
„Whistleblower“ zu ergründen, stellt man im World Wide Web rasch fest, dass eine eindeutige Antwort nicht (ohne Weiteres) möglich ist.
Deutsch-Englische Wörterbücher wie zB „LEO“1) übersetzen den Begriff „Whistleblowing“ mit „verpfeifen“, „aufdecken“ oder „verraten“.
Dies erscheint auf den ersten Blick nahe liegend, weist doch etwa Wikipedia2) die
Herkunft des Begriffes „Whistleblower“ englischen Polizisten zu, die mittels einer Trillerpfeife andere Polizisten auf einen Verbrecher aufmerksam machten, bzw Schiedsrichtern, die durch Pfeifen das Spiel nach Regelverstößen unterbrechen. Freilich hat schon
William Shakespeare in seinem Drama „The Winter´s Tale“ (Szene 43)) diesen Begriff
im Hinblick auf die Offenbarung von Geheimnissen benutzt, wenn der Sohn des alten
Schafhirten fragt: „When are you going to. . . whistle off these secrets?“
Ob die historische Zuordnung korrekt ist, wird im Schrifttum bestritten. A. Stefanowitsch4) etwa vermutet, dass sich das Wort von der englischen Redeweise to blow a
whistle ableitet, was laut dem American Heritage dictionary of idioms allgemein das
Aufdecken von Fehlverhalten bzw ursprünglich das Beenden einer Tätigkeit bedeute.
Der Begriff „Whistleblowing“ kann daher – verkürzt – als Aufdeckung von Missständen umschrieben werden5) und wird im Schrifttum ua auf eine von Hamilton verwendete Assoziation aus dem Jahre 1970 zurückgeführt.6) Im deutschsprachigen Raum
findet sich eine erste Definition des Begriffes in einer Ausgabe der Frankfurter Rundschau im Jahr 1997.7)
Ein Whistleblower ist also eine Person, die für die Allgemeinheit wichtige Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit
bringt. Dazu gehören typischerweise Missstände oder Verbrechen wie Korruption, Insiderhandel, Menschenrechtsverletzungen, Datenmissbrauch oder allgemeine Gefahren,
von denen der Whistleblower an seinem Arbeitsplatz oder in anderen Zusammenhängen
1
) http://Dict.leo.org (abgerufen am 1. 7. 14).
) http://de.wikipedia.org (abgerufen am 1. 7. 14).
3
) Vgl http://shakespeare.mit.edu/winters_tale/winters_tale.4.4.html (abgerufen am 1. 7. 14).
4
) www.scilogs.de/sprachlog/whistleblower/ (abgerufen am 1. 7. 14).
5
) Die im anglo-amerikanischen Raum gebräuchlichste Definition liefern Miceli et al, Whistleblowing in organizations (2008) 6 mwN. Whistleblowing ist nach ihrer Auffassung „the disclosure
by organisation members (former or current) of ilegal, immoral or illegitimate practices under the
control of their employers, to persons or organizations that may be able to effect action.“
6
) Hamilton, „Blowing the Whistle on The Bossess“ [erschienen in der NYT am 23. 3. 1970].
7
) Unter einem Whistleblower – wörtlich: Pfeifenbläser – versteht die Tageszeitung „einen
verantwortungsbewußten Wissenschaftler, Ingenieur oder Techniker, der die Öffentlichkeit rechtzeitig davor warnt, wenn in seinem speziellen Fachbereich eine Entwicklung verfolgt wird, die auf
die eine oder andere Weise Schaden bringen kann.“ (Frankfurter Rundschau, 3. 5. 1997, 8).
2
XV
Begriffsabgrenzung
erfährt. Im Allgemeinen betrifft dies vor allem Vorgänge in der Politik, in Behörden und
in Wirtschaftsunternehmen.8)
Whistleblower genießen in der Öffentlichkeit nicht immer hohes Ansehen,9) ungeachtet dessen, dass sie für Transparenz10) sorgen wollen und sich als Informanten ernsten Gefahren (zB am Arbeitsplatz, für ihre Gesundheit) etc aussetzen.11) Carl von Ossietzky wies vor fast einhundert Jahren darauf hin, dass derjenige als gefährlicher gelte,
der auf den Schmutz hinweise, als der, der ihn gemacht hat.12) An dieser Einschätzung
ändert sich erst langsam etwas.
Das hängt damit zusammen, dass die „geleakten“ Informationen mitunter sensibler
Natur sind13) und zur Schädigung des Rufes von Personen, Institutionen und Staaten
beitragen können.14)
Inwieweit die österreichische Rechtsordnung nähere rechtliche Rahmenbedingungen für „Whistleblower“ enthält, ist in den anschließenden Beiträgen zu erörtern.
8
) http://de.wikipedia.org (abgerufen am 1. 7. 14).
) Vgl www.sueddeutsche.de/kultur/sz-serie-aufmacher-xxiv-wider-die-halbe-wahrheit-1.248
168 (abgerufen am 1. 7. 2014).
10
) Stichwort: Watergate etc.
11) Vgl zB www.pm-magazin.de/r/gute-frage/sind-whistleblower-helden-oder-verr%C3%A4ter
(abgerufen am 1. 7. 14).
12
) Vgl www.sueddeutsche.de/kultur/sz-serie-aufmacher-xxiv-wider-die-halbe-wahrheit-1.248
168 (abgerufen am 1. 7. 2014).
13
) Vgl die „Wikileaks“-Affäre rund um militärische Dokumente, die von PFC Bradley [nunmehr Chelsea] Manning (ex US Army) an „Wikileaks“ weitergegeben worden waren.
14
) Donato, Whistle Blowing (2009) V.
9
XVI
1 Whistleblowing1) – Segen oder Fluch?
Silvia Traunwieser
Übersicht
I. Einleitung
II. Strukturierung von Whistleblowing
A. Definitionen
B. Typen von Whistleblowing
III. Motive und empirische Studien
IV. Ethische Aspekte
A. Macht
B. Verantwortung
C. Whistleblowing – autonomes Recht oder heteronome Pflicht?
Literatur: ACFE, Report to the Nations on Occupational Fraud and Abuse, Global Fraud
Study (2012) https://www.acfe.com/rttn.aspx; Alford, Whistleblowers and the Narrative of Ethics,
Journal of Social Philosophy 2001, 402 – 418; Augeneder in Biresev et al, Corruption and Social Development (2013) 252 – 274; Augeneder in Kaltenbrunner/Urnik, Unternehmensführung (2012)
325 – 335; Bachrach/Baratz, Macht und Armut (1977); Bird/Hoffman-Kim, Damned If You Do,
Damned If you Don’t: The Scientific Community’s Responses to Whistleblowing, Science and Engineering Ethics (1998), 3 – 6; Briegel, Einrichtung und Ausgestaltung unternehmensinterner
Whistleblowing-Systeme (2009); Calderón-Cuadrado et al, „Ethics Hotlines“ in Transnational Companies: a Comparative Study, Journal of Business Ethics 2009, 199 – 210; Dahl, The Concept of
Power, Behavioral Science 1957, 201 – 215; Donato Whistleblowing (2009); Dworkin/Baucus, Internal vs. External Whistleblowers: A Comparison of Whistleblowering Processes, Journal of Business
Ethics 1998, 1281 – 1298; French/Raven in Cartwright, Studies in Social Power (1959) 259 – 269;
Glaser/Komenda, Whistleblowing in Österreich – Gefahren, Probleme und Lösungsmöglichkeiten,
JRP 2012, 207 – 225; Gobert/Punch, Whistleblowers, the Public Interest, and the Public Interest
Disclosure Act 1998, The Modern Law Review Limited 2000, 25 – 54; Grunwald, Die drei Dimensionen der Macht nach Steven Lukes am Beispiel Wal Mart (2005); Hangartner in Kaenel, Whistleblowing – Multidisziplinäre Aspekte (2012) 119 – 136; Hügel, Whistleblowing-Hotlines in Österreich (2012) www.bpv-huegel.com/files/ergebnisbericht_120524.pdf; Hunton/Rose, Effects of Anonymous Whistle-Blowing and Perceived Reputation Threats on Investigations of Whistle-Blowing Allegations by Audit Committee Members, Journal of Management Studies 2011, 75 – 98; Jonas, Das
Prinzip Verantwortung (1992); Jubb, Whistleblowing: A Restrictive Definition and Interpretation,
Journal of Business Ethics 1999, 77 – 94; Kaminsky, Embryonen, Ethik und Verantwortung (1998);
Keil et al, Toward a Theory of Whistleblowing Intentions: A Benefit-to-Cost Differential Perspective, Decision Sciences 2010, 787 – 811; Koenig, Anonymes Hinweisgebersystem zur Korruptionsbekämpfung (2013) www.justiz.gv.at/web2013/html/default/2c9484853e44f8f9013ea344a02f45b3.de.
html; Larmer, Whistleblowing and Employee Loyalty, Journal of Business Ethics 1992, 125 – 128;
Lee/Fargher, Companies’ Use of Whistle-Blowing to Detect Fraud: An Examination of Corporate
Whistle-Blowing Policies, Journal of Business Ethics 2013, 283 – 295; Lukes, Power (1977); Mesmer-Magnus/Viswesvaran, Whistleblowing in Organizations: An Examination of Correlates of
1
) Weitergehende Ausführungen siehe Augeneder in Biresev et al, Corruption and Social Development (2013) 252 – 274.
1
1 Whistleblowing – Segen oder Fluch? (Traunwieser)
Whistleblowing Intentions, Actions, and Retaliations, Journal of Business Ethics 2005, 277 – 297;
Near/Miceli, Effective Whistle-Blowing, The Academy of Management Review 1995, 679 – 708;
Near/Miceli, Whistle-Blowing: Myth and Reality, Journal of Management 1996, 507 – 526; Nitsch
et al, Why Code of Conduct Violations go Unreported: A Conceptual Framework to Guide Intervention and Future Research, Journal of Business Ethics 2005, 327 – 341; Popitz, Phänomene der
Macht (2004); Rothschild/Miethe, Whistle-Blower Disclosures and Management Retaliation: The
Battle to Control Information about Organization Corruption, Work and Occupations 1999,
107 – 128; Rüedi in Kaenel, Whistleblowing – Multidisziplinäre Aspekte (2012) 99 – 118; Sandner,
Prozesse der Macht (1992); Strasser in Wöhle et al, Rechtsphilosophie (2010) 193 – 204; Tinnefeld/
Rauhofer, Whistleblower: Verantwortungsbewußte Mitarbeiter oder Denunzianten? Datenschutz
und Datensicherheit 2008, 717 – 722; Tsahuridu/Vanderkerckhove, Organisational Whistleblowing
Policies: Making Employees Responsible or Liable? Journal of Business Ethics 2008, 107 – 118; Tsahuridu/Vanderkerckhove, Risky Rescues and the Duty to Blow the Whistle, Journal of Business
Ethics 2010, 365 – 380; Ulrich, Whistleblowing mittels Hinweisgebersystemen – nutzenstiftende Alternative in der Korruptionsprävention (2011); Weber, Wirtschaft und Gesellschaft (1980); Werner
in Düwell et al, Handbuch Ethik (2011) 541 – 548; Willenbacher in Kaenel, Whistleblowing – Multidisziplinäre Aspekte (2012) 27 – 54; Wimmer in Kolmer/Wildfeuer, Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe (2011) 2309 – 2320.
I. Einleitung
Whistleblowing gilt als ein relativ neues Instrumentarium und bedarf – ähnlich wie
andere unternehmensethische Mechanismen – einer Eingliederung in das europäische
System. Die Bandbreite der Wahrnehmung dieses Tools ist eine sehr weitläufige. Von
den einen wird es – zT auch historisch bedingt – als gefährliches Denunziantentum2) abgetan, von den anderen hingegen als erfolgreiche Maßnahme zur Korruptionsbekämpfung3) angesehen.4) Festgestellt werden kann, dass die Wahrnehmung und Umsetzung
von Whistleblowing auch in Österreich in den letzten Jahren zugenommen hat.5) Das
Dilemma, ob Whistleblowing in Frage kommt, wird damit obsolet, zu klären sind vielmehr die relevanten Problembereiche und Aspekte von Whistleblowing, die im österreichischen Alltag bereits Eingang gefunden haben bzw diskutiert werden (Loyalität, Treuepflicht, Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsverpflichtungen versus Melde- und Anzeigepflichten, Recht zum Whistleblowing). Dieser Beitrag stellt einen Versuch dar, den
Begriff, die Hintergründe und Motive pro bzw contra Whistleblowing zu klären, und
greift zentrale ethische Aspekte des Whistleblowingprozesses, wie den der Macht (Informationsmacht, Dimensionen) und Verantwortung (Recht oder Pflicht zum Whistleblowing im Sinne einer prospektiven Verantwortung), auf.
2
) Glaser/Komenda, Whistleblowing in Österreich – Gefahren, Probleme und Lösungsmöglichkeiten, JRP 2012, 209.
3
) Ulrich, Whistleblowing mittels Hinweisgebersystemen – nutzenstiftende Alternative in der
Korruptionsprävention (2011) 50 ff.
4
) Tinnefeld/Rauhofer, Whistleblower: Verantwortungsbewußte Mitarbeiter oder Denunzianten? Datenschutz und Datensicherheit 2008, 717 ff.
5
) Koenig, Anonymes Hinweisgebersystem zur Korruptionsbekämpfung (2013) www.justiz.gv.
at/web2013/html/default/2c9484853e44f8f9013ea344a02f45b3.de.html; Hügel, Whistleblowing-Hotlines in Österreich (2012) www.bpv-huegel.com/files/ergebnisbericht_120524.pdf; Willenbacher in
Kaenel, Whistleblowing – Multidisziplinäre Aspekte (2012) 33 ff; Calderón-Cuadrado et al, „Ethics
Hotlines“ in Transnational Companies: a Comparative Study, Journal of Business Ethics 2009, 200.
2
II. Strukturierung von Whistleblowing
II. Strukturierung von Whistleblowing
A. Definitionen
Near/Miceli erläutern den komplexen Bereich Whistleblowing als „the disclosure by
organization members (former or current) of illegal, immoral, or illegitimate practices under
the control of their employers, to persons or organizations that may be able to effect action“.6) Charakteristisch ist demnach, dass ein aktuelles oder ehemaliges Mitglied einer
Organisation über Informationen zu Missständen illegaler, illegitimer oder unmoralischer
Natur verfügt, die dem Verantwortungsbereich der jeweiligen Institution zugeordnet sind
und vom Mitarbeiter selbst nicht beendet werden können.7) Erweiterungsbedürftig erscheint diese Erläuterung insofern, als Whistleblowing nicht nur auf Unternehmen im
Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer reduziert werden darf, als auch (Staats-)Bürger
Missstände an externe Stellen wie zB die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
weiterleiten wie auch Hinweisgebersysteme im öffentlichen Dienst von Relevanz sein können. Angemerkt sei, dass der Hauptfokus im Rahmen dieses Beitrags dennoch primär die
Unternehmensperspektive darstellt. Die Bekanntgabe von Informationen, damit verbunden das Aufdecken von Missständen, sollte die Organiation zu entsprechenden Handlungen veranlassen. Als zu restriktiv hingegen ist mE die Begriffsklärung von Jubb zu sehen:
„Whistleblowing is a deliberate non-obligatory act of disclosure, which gets onto public record and is made by a person who has or had privileged access to data or information of an
organisation, about non-trivial illegality or other wrongdoing whether actual, suspected or
anticipated which implicates and is under the control of that organisation, to an external
entity having potential to rectify the wrongdoing.“8) Einerseits ist zu hinterfragen, ob
Whistleblowing als Recht oder Pflicht ausgestaltet ist; wie im Folgenden noch näher erläutert werden wird, stehen beide Varianten zur Verfügung, abhängig von deren Ausgestaltung. Andererseits gilt nicht nur das Aufdecken von Missständen an externe Behörden,
sondern bereits die Weitergabe der relevanten Informationen an interne Stellen als
Whistleblowing. Zu den möglichen Typisierungen gleich im Folgenden.
B. Typen von Whistleblowing
Bekanntermaßen ist zwischen internem und externem Whistleblowing zu differenzieren. Ersteres ist dann gegeben, wenn das Fehlverhalten innerhalb der Organisation gemeldet wird. Nicht zwingend erforderlich ist das Überspringen einer Hierarchieebene.
Dies erscheint jedoch dann sinnvoll, wenn der unmittelbare Vorgesetzte involviert sein
kann.9) Interne Whistleblowing-Meldungen fungieren als Vorwarnsystem zur Abwendung drohender Schäden, die Realität bezeugt jedoch insofern das Gegenteil, als derartige
Meldungen häufig ignoriert werden.10) Externes Whistleblowing transportiert die Infor6
) Near/Miceli, Effective Whistle-Blowing, The Academy of Management Review 1995, 680.
) Donato Whistleblowing (2009) 11.
8
) Jubb, Whistleblowing: A Restrictive Definition and Interpretation, Journal of Business
Ethics 1999, 78.
9
) Donato Whistleblowing (2009) 13 f.
10
) Mesmer-Magnus/Viswesvaran, Whistleblowing in Organizations: An Examination of Correlates of Whistleblowing Intentions, Actions, and Retaliations, Journal of Business Ethics 2005,
278.
7
3
Gruber/N. Raschauer (Hrsg)
Whistleblowing
Arbeitsrecht – Öffentliches Recht – Wettbewerbsrecht –
Kapitalmarktrecht – Strafrecht
Der Rechtsstaat ist im Bereich „Whistleblowing“ mit einer Vielzahl von Herausforderungen
konfrontiert. Im Schrifttum finden sich bisher jedoch nur sektorale Einzelstudien dazu, eine
gesamthafte rechtswissenschaftliche Untersuchung fehlte. Dieses Handbuch verfolgt
daher das Ziel, wesentliche offene Fragen, die über die Grenzen der einzelnen Rechts­
materien von Bedeutung sind, interdisziplinär zu beleuchten:
Whistleblowing – Segen oder Fluch? (Silvia Traunwieser)
Anonyme Hinweisbearbeitung mit dem BKMS®-Hinweisgebersystem in der
Praxis der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (Thomas Haslwanter)
Whistleblowing und Arbeitsrecht (Reinhard Resch)
Whistleblowing und Öffentliches Recht (Walter Berka)
Whistleblowing im Wettbewerbsrecht (Jörg Zehetner)
Whistleblowing im Kapitalmarktrecht (Markus Heidinger/Daniel Strauss)
Whistleblowing und Strafrecht (Wolfgang Wessely)
Die Herausgeber
Univ.-Prof. Dr. Michael Gruber, Leiter des Fachbereiches Arbeits-, Wirtschafts- und
Europarecht der Universität Salzburg.
PD Dr. Nicolas Raschauer, CHSH Rechtsanwälte OG Wien.
ISBN 978-3-214-06457-0
www.manz.at
9 783214 064570

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