PDF - Norton Rose Fulbright

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Financial institutions
Energy
Infrastructure, mining and commodities
Transport
Technology and innovation
Life sciences and healthcare
Arbeitsrecht Highlights
Employment Newsletter
Dezember 2014
Aktuelles:
Whistleblowing
Rechtsprechung:
Abschluss und Inhalt von
Arbeitsverhältnissen
Beendigung von
Arbeitsverhältnissen
Betriebsverfassungsrecht
Arbeitsrecht Highlights
Whistleblowing
Gesetzliche Regelungen zum Whistleblowing gibt
es in Deutschland bislang so gut wie keine. Um
Auseinandersetzungen zu vermeiden, sollten Arbeitgeber
und Arbeitnehmer dennoch einige Grundsätze beachten.
In den letzten Wochen und Monaten war das Thema
Whistleblowing oft Gegenstand der Berichterstattung
in den Medien. Vor allem der Fall Edward Snowden,
die Millionenbelohnung des ehemaligen UBSMitarbeiters Birkenfeld oder die im September von der
SEC verkündete 30-Millionen-Dollar-Belohnung für
einen anonymen Hinweisgeber gingen durch die Presse.
Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigte sich
kürzlich mit einem Fall, in dem sich ein Arbeitnehmer
öffentlich über Missstände im Betrieb geäußerte hatte,
lehnte aber die außerordentliche Kündigung nach einer
ausführlichen Abwägung der Umstände des Einzelfalls
ab (Urteil vom 31.07.2014 – 2 AZR 505/13).
Begriff
Unter Whistleblowing (übersetzt
„Hinweis geben“ oder auch
„verpfeifen“) werden kritische
Äußerungen, Beschwerden oder
Anzeigen von Mitarbeitern über
Missstände, Fehlverhalten oder
Gesetzesverstöße im Unternehmen
des Arbeitgebers verstanden. Beim
sog. internen Whistleblowing wendet
sich der Mitarbeiter z.B. an seinen
Arbeitgeber direkt, an den Betriebsrat,
eine Compliance-Abteilung oder
eine andere Stelle im Unternehmen.
Von externem Whistleblowing wird
dagegen gesprochen, wenn sich
der Mitarbeiter an außenstehende
Dritte wie z.B. Behörden, Interessenverbände oder die Presse wendet.
Während Whistleblowing und
entsprechende Hotlines, bei denen
02 Norton Rose Fulbright – Dezember 2014
Arbeitnehmer Verstöße melden
können, in vielen Ländern nicht nur
gesetzlich verankert sondern auch
gesellschaftlich akzeptiert sind, sind
solche Whistleblowing Hotlines in
Deutschland erst seit einigen Jahren
auf dem Vormarsch.
Bestehende Regelungen
Sowohl zum internen als auch zum
externen Whistleblowing gibt es nur
vereinzelte gesetzliche Regelungen.
Ganz allgemein legt § 138 des
Strafgesetzbuches fest, dass sich
strafbar macht, wer bestimmte geplante
Straftaten, wie z.B. Geldfälschung,
Mord oder Landesverrat nicht anzeigt.
Aufgrund der aus dieser Vorschrift
erwachsenden staatsbürgerlichen
Anzeigepflicht sind Arbeitnehmer
in diesen Fällen selbstverständlich
berechtigt, sich ohne den Versuch
einer internen Klärung sofort an
die Staatsanwaltschaft oder die
Polizei (nicht aber die Presse!) zu
wenden. In der arbeitsrechtlichen
Praxis sind diese Fälle aber ohnehin
äußerst selten. Vielmehr treten die
Fragen der Notwendigkeit und/oder
Zulässigkeit von Whistleblowing
häufig bei Korruptions- oder anderen
Wirtschaftsdelikten, ComplianceVerstößen oder auch Verstößen gegen
Ethikrichtlinien auf.
Während es für Beamte eine
ausdrückliche gesetzliche Regelung
gibt, nach der Korruptionsfälle direkt
bei der Staatsanwaltschaft angezeigt
werden dürfen, fehlen solche Gesetze
für Arbeitnehmer weitgehend.
Gesetzlich festgelegt sind lediglich
einige wenige Anzeige- und Beschwerderechte im Arbeitsverhältnis,
beispielsweise bei Mängeln des
Arbeitsschutzes nach § 17 ArbSchG,
bei Benachteiligungen oder Beeinträchtigungen auch im betriebsratslosen
Betrieb nach §§ 84 ff. BetrVG und im
Fall von Diskriminierungen nach
§§ 13 und 27 AGG.
Des Weiteren gibt es für Kredit- und
Finanzdienstleistungsinstitute nach
§ 25a des Kreditwesengesetzes (KWG)
eine gesetzliche Verpflichtung, ein
Hinweisgebersystem zu schaffen.
Dessen Ausgestaltung ist jedoch
ebenfalls nicht gesetzlich geregelt.
Whistleblowing
Whistleblowing als
Kündigungsgrund?
Da gesetzliche Regelungen weitgehend fehlen, ist die Rechtslage
durch die Rechtsprechung geprägt.
Sind Arbeitsgerichte mit Whistleblowing
befasst, steht oft im Vordergrund, ob
eine Kündigung durch den Arbeitgeber
wegen eines Hinweises des Arbeitnehmers gegenüber Außenstehenden,
wie Behörden oder der Presse, wirksam
war oder ob der Arbeitnehmer den
Missstand anzeigen durfte und eine
darauf gestützte Kündigung unwirksam
ist. Entscheidend ist dabei eine
Interessenabwägung zwischen
der Verschwiegenheitspflicht des
Arbeitnehmers und dessen
Loyalitätspflicht gegenüber dem
Arbeitgeber auf der einen Seite und
der Meinungsfreiheit sowie dem
Interesse an der Beseitigung von
Missständen auf der anderen Seite.
In dem der Entscheidung des BAG
vom 31.07.2014, 2 AZR 505/13
zugrundeliegenden Fall hatte ein
Bewerber für die Betriebsratswahl
in einem Video erklärt, „es
gebe im Betrieb „Probleme“. An
einzelnen Maschinen fehlten
Sicherheitsvorkehrungen. Man könne
„fast behaupten“, keine Maschine sei
„zu 100% ausgerüstet“. Das Problem
sei, dass „keine Fachkräfte vorhanden“
seien und „das Beherrschen der
Maschinen nicht zu 100% erfüllt
werde.“ Das Video wurde im Internet
und über YouTube veröffentlicht.
Das BAG hielt die aufgrund dieser
Äußerungen erfolgte außerordentliche
Kündigung für unwirksam. Wie
bei jeder außerordentlichen
Kündigung nahm das BAG eine
umfassende Interessenabwägung
im Einzelfall vor und kam zu dem
Ergebnis, dass die Äußerungen des
Arbeitnehmers das arbeitsvertragliche
Vertrauensverhältnis noch nicht
zerstört haben, da der Arbeitnehmer
erklärt habe, warum ein Betriebsrat
erforderlich sei.
Dies bedeutet aber nicht, dass sich
Arbeitnehmer grds. an die Öffentlichkeit
verwenden dürften. Vielmehr sind
die nachfolgenden, von der Rechtsprechung für die Interessenabwägung
entwickelten Kriterien zu beachten,
wenn es um die Frage der Zulässigkeit
der Anzeige von Missständen geht:
• In der Regel muss zunächst eine
interne Klärung erfolgen / versucht
werden; anders ist dies nur in
Ausnahmefällen, z.B. wenn eine
interne Klärung nicht erfolgreich
war oder wie im Falle einer Straftat
unzumutbar ist.
• Bei der weiteren Interessenabwägung
berücksichtigen Arbeitsgerichte
dann insbesondere, ob
—— es ein öffentliches Interesse an
der Offenlegung gibt,
—— keine unverhältnismäßige oder
vorschnelle Reaktion erfolgte,
—— eine Schädigung des Arbeitgebers
droht,
—— wer der Adressat das Offenlegung
ist und
—— wissentlich unwahre oder
leichtfertig falsche Angaben
gemacht wurden.
Das Whistleblowing kommt daher
vor allem als Kündigungsgrund in
Betracht, wenn
• der Mitarbeiter wissentlich unwahre
oder leichtfertig falsche Angaben
macht,
• er nur in der Absicht handelte, den
Arbeitgeber zu schädigen,
• durch das innerbetriebliche
„Anschwärzen“ der Betriebsfrieden
gestört wird, oder
• der Mitarbeiter einen zumutbaren,
erfolgsversprechenden innerbetrieblichen Aufklärungsversuch
unterließ.
Empfehlungen für
Arbeitgeber
Während Kündigungen wegen
Whistleblowing oft erfolgen, wenn ein
Unternehmen mit der Art und Weise
der Mitteilung von Missständen, der
Information der Öffentlichkeit nicht
einverstanden ist und/oder wissentlich
falsche Meldungen erfolgen, liegen
rechtmäßige Hinweise zu etwaigen
Missständen im Interesse des
Arbeitgebers.
Um sicherzustellen, dass wichtige
Hinweise nicht unterbleiben und
Arbeitnehmer den Rahmen, insbesondere
die zuständige Stelle für Hinweise
kennen, so dass Hinweisen im Interesse
Aller nachgegangen werden kann,
sollten Arbeitgeber durch eine
Whistleblowing Richtlinie, ggf. in Form
einer Betriebsvereinbarung, ein Umfeld
schaffen, in dem bei Hinweisen die
Interessen aller Arbeitnehmer und des
Arbeitgebers gewahrt werden. Eine
solche Betriebsvereinbarung oder
Richtlinie sollte unter Berücksichtigung
der datenschutzrechtlichen Anforderungen insbesondere Folgendes regeln:
• Zuständige Stellen für Meldungen
• Voraussetzungen einer Meldung /
Anzeige von Missständen
• Vorgehen bei Meldungen
• Schutz des Whistleblowers bei
rechtmäßiger Meldung
• Schutz des Betroffenen, auf den sich
ein Hinweis bezieht
• Konsequenzen bei Missbrauch
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Arbeitsrecht Highlights
In diesem Zusammenhang ist zu
berücksichtigen, dass insbesondere
bei der Regelung von Meldepflichten
oder bei der Erfassung und Auswertung
von Daten über IT-basierte Systeme ein
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
besteht.
Fazit
Für Arbeitgeber bietet die Einführung
von Betriebsvereinbarungen oder
Richtlinien zum Whistleblowing die
Chance, baldmöglichst von etwaigen
Missständen im Unternehmen zu
erfahren, Hinweise aufzuklären
und zeitnah Missstände beseitigen
zu können. Ferner wird das Risiko
von öffentlichen Mitteilungen über
vermeintliche Missstände durch
Mitarbeiter vermieden, und sowohl
Hinweisgeber als auch eventuell
betroffene Mitarbeiter werden
geschützt. Eine Whistleblowing
Richtlinie bzw. Betriebsvereinbarung ist
daher im Interesse der Belegschaft und
der Arbeitgebers.
04 Norton Rose Fulbright – Dezember 2014
Aktuelle Rechtsprechung
Aktuelle Rechtsprechung
Abschluss und Inhalt von
Arbeitsverhältnissen
Arbeitsvertrag mit ausländischem Arbeitnehmer
in deutscher Sprache
Ein in deutscher Sprache abgefasster
Arbeitsvertrag kommt auch dann
wirksam zustande, wenn der
Arbeitnehmer der deutschen Sprache
nicht oder nicht ausreichend mächtig
ist.
Der Kläger war von 2009 bis 2011
bei einer Spedition als Kraftfahrer
im internationalen Transport
beschäftigt. Er ist portugiesischer
Staatsangehöriger mit Wohnsitz in
Portugal und spricht kein Deutsch.
Nach in portugiesischer Sprache
geführten Einstellungsverhandlungen
hatte der Kläger 2009 einen von
der Arbeitgeberin in deutscher
Sprache abgefassten Arbeitsvertrag
unterzeichnet, der u.a. eine doppelte
Ausschlussfrist enthielt. Nach
erfolglosem Schreiben im April 2011
klagte der Kläger im Mai 2011 auf
Zahlung von Entgelt für Dezember
2010 sowie Reisekostenpauschalen für
Fahrten von März bis September 2010.
Das BAG nahm an, dass der
Arbeitsvertrag wirksam abgeschlossen
worden sei, obwohl der Kläger der
deutschen Sprache nicht mächtig
gewesen sei. Eine Willenserklärung
werde bereits mit ihrem Zugang beim
Empfänger wirksam (§ 130 Abs.1 BGB).
Andernfalls würde jedes Schreiben,
das der Empfänger nicht lesen könne
oder – z.B. aufgrund von Fremdwörtern
oder Fachausdrücken – nicht verstehe,
ihm erst dann zugehen, wenn ihm
der Inhalt des Schreibens vorgelesen
oder nachvollziehbar erläutert worden
sei. Dem Vertragsschluss stünden
fehlende oder mangelhafte Kenntnisse
der Vertragssprache nicht entgegen,
da niemand verpflichtet sei, einen
Arbeitsvertrag in einer ihm fremden
Sprache zu unterschreiben. Der
Bewerber könne z.B. um Bedenkzeit
oder eine Übersetzung des Vertrags
bitten, bevor er über die Annahme des
Vertragsangebots entscheide. Verzichte
er jedoch darauf, sich Kenntnis
vom Inhalt des Vertragsangebots zu
verschaffen, und schließe stattdessen
ohne Zwang einen Arbeitsvertrag in
einer Sprache, die er nicht verstehe,
dürfe der Arbeitgeber davon ausgehen,
dass der Arbeitnehmer eine Erklärung
mit dem aus der Vertragsurkunde
ersichtlichen Inhalt abgeben wollte. Der
sprachunkundige Arbeitnehmer stehe
insoweit demjenigen gleich, der eine
Urkunde ungelesen unterschreibe. Aus
der AGB-Kontrolle folge nichts anderes.
Eine Ausschlussfristenregelung sei
nicht deshalb überraschend i.S.v. §
305c Abs.1 BGB, weil der Arbeitnehmer
der deutschen Sprache nicht mächtig
sei.
(BAG 19.03.2014 – 5 AZR 252/12 (B))
Tipps für die Praxis:
• Der Arbeitgeber ist nicht
verpflichtet, mit einem
ausländischen Arbeitnehmer
einen Arbeitsvertrag in dessen
Muttersprache abzuschließen.
Das gilt selbst dann, wenn die
Vertragsverhandlungen in der
Muttersprache geführt wurden.
Das Sprachrisiko trägt insoweit
der Arbeitnehmer.
• Auch wenn Vertragsverhandlungen
in einer bestimmten Sprache
geführt wurden, entsteht
daraus keine Verpflichtung,
in Zukunft nur in dieser
Sprache zu kommunizieren.
Regelmäßig besteht auch im
laufenden Arbeitsverhältnis
keine Übersetzungspflicht des
Arbeitgebers (z.B. aufgrund seiner
Fürsorgepflicht).
Urlaubsabgeltungsanspruch
ist vererbbar
Der Urlaubsabgeltungsanspruch
erlischt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des
Arbeitnehmers endet.
Die Witwe eines Arbeitnehmers klagte
gegen dessen früheren Arbeitgeber auf
Abgeltung von 140 Urlaubstagen. Der
Arbeitnehmer war im letzten Monat
vor seinem Tod und im Jahr davor ca.
8 Monate arbeitsunfähig. Das LAG
Hamm setzte das Verfahren in zweiter
Instanz aus und legte es dem EuGH zur
Vorabentscheidung vor.
Norton Rose Fulbright – Dezember 2014 05
Arbeitsrecht Highlights
Der EuGH entschied, dass der
Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub
auch dann nicht ohne einen
Abgeltungsanspruch für nicht
genommenen Urlaub untergehe,
wenn das Arbeitsverhältnis durch
den Tod des Arbeitnehmers ende. Der
Begriff des bezahlten Jahresurlaubs
in Art. 7 der RL 2003/88/EG bedeute,
dass für die Dauer des Jahresurlaubs
das Entgelt für den Arbeitnehmer
beizubehalten sei. Um sicherzustellen,
dass dieses grundlegende Recht des
Arbeitnehmers gewahrt wird, sei ein
finanzieller Ausgleich erforderlich,
wenn das Arbeitsverhältnis beendet
sei und der Arbeitnehmer nicht den
gesamten Urlaub genommen habe,
auf den er bis zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses Anspruch habe.
Würde die Pflicht zur Abgeltung von
Urlaubsansprüchen durch den Tod des
Arbeitnehmers enden, so hätte dies zur
Folge, dass ein unwägbares, weder vom
Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber
beherrschbares Vorkommnis rückwirkend zum vollständigen Verlust
des europarechtlichen Anspruchs auf
bezahlten Jahresurlaub führen würde.
Der Anspruch könne zudem nicht
davon abhängig gemacht werden,
dass im Vorfeld ein entsprechender
Antrag gestellt worden sei, da der
europarechtliche Anspruch eine solche
Voraussetzung nicht kenne.
(EuGH 12.06.2014 – C-118/13)
Tipps für die Praxis:
• Im Anschluss an die Schultz-HoffEntscheidung (EuGH 20.01.2009
– C-350/06 und C-520/06) ist mit
dieser Entscheidung des EuGH nun
auch die ständige Rechtsprechung
des BAG obsolet, wonach Urlaubsund Urlaubsabgeltungsansprüche
mit dem Tod des Arbeitnehmers
untergehen.
• Auch insoweit müssen
Arbeitgeber daher entsprechende
Rückstellungen bilden.
06 Norton Rose Fulbright – Dezember 2014
Beschäftigungsanspruch –
Nachtdienstuntauglichkeit
Kann eine Krankenschwester aus
gesundheitlichen Gründen keine
Nachtschichten mehr leisten, ist sie
deshalb nicht arbeitsunfähig krank.
Sie hat Anspruch auf Beschäftigung
ohne Nachtschichten. Wird die
Arbeitsleistung dem Arbeitgeber mit
dieser Einschränkung angeboten
und von ihm abgelehnt, bleibt er zur
Gehaltszahlung verpflichtet.
Die Klägerin arbeitete bis zu ihrer
Erkrankung im Jahr 2010 als
Krankenschwester im Schichtdienst.
Sie musste Medikamente einnehmen,
die zum Einschlafen führten. Sie war
deshalb seit dem Ende ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Jahr
2011 nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten. Soweit sie zum
Nachtdienst eingeteilt wurde, tauschte
sie mit anderen Mitarbeitern. Eine
betriebsärztliche Untersuchung 2012
bestätigte, dass die Klägerin keine
Nachtdienste mehr leisten könne.
Hierauf schickte der Pflegedirektor die
Klägerin nach Hause mit der Bemerkung,
sie sei arbeitsunfähig krank. Die
Klägerin bot ihre Arbeitsleistung an,
da sie ihren Dienstverpflichtungen
hinsichtlich der Früh-, Spät-, Zwischen-,
Wochenend- und Feiertagsdienste
nachkommen könne. Sie klagte auf
Beschäftigung ohne Nachtschichten
und Zahlung von Arbeitsvergütung
für die Zeit der Nichtbeschäftigung.
Die Klage hatte Erfolg. Die Klägerin
sei nicht krankheitsbedingt
arbeitsunfähig, weil sie gesundheitlich bedingt keine Nachtdienste mehr
leisten könne. Arbeitsunfähigkeit
liege vor, wenn der Arbeitnehmer
seine vertraglich geschuldete Tätigkeit
nicht mehr ausüben könne oder
nicht mehr ausüben sollte, weil
die Heilung der Krankheit nach
ärztlicher Prognose verhindert oder
verzögert werde. Die Klägerin könne
ihre arbeitsvertraglich geschuldete
Tätigkeit als Krankenschwester aber
weiterhin ausüben; ihre eingeschränkte
Verwendbarkeit hinsichtlich der
Lage der Arbeitszeit stehe dem
nicht entgegen. Zwar seien die
Nachtschichten grundsätzlich von der
Arbeitspflicht der Klägerin mit umfasst;
jedoch gebe es keine vertragliche
Festlegung der Arbeit auf die Nachtzeit.
Vielmehr sei es dem Arbeitgeber
überlassen, die Arbeitszeit im Rahmen
des Schichtmodells nach billigem
Ermessen festzulegen. Die Interessen
der langjährig beschäftigten Klägerin
überwiegen hier. Demgegenüber
bleibe der Beklagten das volle
Weisungsrecht mit Ausnahme
der Möglichkeit zur Einteilung von
Nachtdiensten. Eine Herausnahme
der Klägerin aus den Nachtdiensten
sei möglich, erforderlich, zumutbar
und angemessen. Die Beklagte
habe nicht vorgetragen, es sei aus
bestimmten Gründen schwer, frei
werdende Nachtdienste gleichmäßig
zu verteilen oder andere Arbeitnehmer
hierfür zu gewinnen.
(BAG 09.04.2014 – 10 AZR 637/13)
Leistungsbeurteilung im Zeugnis
Beurteilt der Arbeitgeber die
Leistung des Arbeitnehmers im
Zeugnis mit der Formulierung,
dieser habe die ihm übertragenen
Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“
erfüllt, entspricht das der Schulnote
„befriedigend“. Beansprucht
der Arbeitnehmer eine bessere
Schlussbeurteilung, muss er
entsprechende Leistungen vortragen
und gegebenenfalls beweisen.
Dies gilt grundsätzlich auch dann,
wenn in der einschlägigen Branche
überwiegend gute („stets zur vollen
Zufriedenheit“) oder sehr gute
(„stets zur vollsten Zufriedenheit“)
Endnoten vergeben werden.
Die Klägerin war ein Jahr lang in der
Zahnarztpraxis der Beklagten im
Empfangsbereich und als Bürofachkraft
beschäftigt. Nach der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses stritten die
Parteien darüber, ob die Leistungen der
Klägerin mit „zur vollen Zufriedenheit“
Aktuelle Rechtsprechung
oder mit „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu bewerten seien.
Im Gegensatz zu den Vorinstanzen
gab das BAG der Beklagten Recht.
Die Note „befriedigend“ als mittlere
Note der Zufriedenheitsskala sei der
Ansatzpunkt für die Verteilung der
Darlegungs- und Beweislast. Begehre
der Arbeitnehmer eine bessere
Benotung, müsse er darlegen, dass
er den Anforderungen gut oder sehr
gut gerecht geworden sei. Daran
änderten auch die zur Ermittlung
einer durchschnittlichen Bewertung
herangezogenen Studien, nach denen
fast 90 % der untersuchten Zeugnisse
die Schlussnoten „gut“ oder „sehr
gut“ aufweisen sollen, nichts, zumal
unklar sei, ob es sich dabei u.a. auch
um Gefälligkeitszeugnisse handelte,
die nicht dem Wahrheitsgebot
entsprächen. Die Sache wurde daher
an das LAG zur weiteren Prüfung
zurückverwiesen.
(BAG 18.11.2014 – 9 AZR 584/13)
Beendigung von
Arbeitsverhältnissen
Unfreundliches Verhalten
rechtfertigt Abmahnung
Verhält sich ein Arbeitnehmer
gegenüber Kunden unfreundlich
und damit arbeitsvertragswidrig,
kann in der Regel eine Entfernung
der deshalb ausgesprochenen
Abmahnung nicht verlangt werden.
Der Kläger war als Ausbildungsberater
beschäftigt. Auf die Frage eines
Lehrgangsteilnehmers nach
Einzelheiten einer mündlichen
Ergänzungsprüfung antwortete er, es
dürfe „eigentlich selbstverständlich
sein, dass man sich dort anmeldet
wo man sich auch zur schriftlichen
Prüfung angemeldet hat. Dass
Anmeldungen nicht auf Zuruf erfolgen
können, sollte ebenfalls klar sein.“ Als
der Kunde die Antwort als unfreundlich
beanstandete, antwortete der Kläger
ihm u.a.: „Nach heute mittlerweile ca.
20 Anrufen von angehenden Meistern
bleibt die Freundlichkeit einfach aus.“
Die Arbeitgeberin mahnte ihn ab.
Der Kläger klagte auf Entfernung der
Abmahnung aus der Personalakte.
Das LAG wies die Klage ab. Es bestehe
kein Anspruch auf Entfernung der
Abmahnung aus der Personalakte.
Insbesondere sei die Abmahnung
nicht unverhältnismäßig, da die
abgemahnte Pflichtverletzung des
Klägers keine Nichtigkeit darstelle.
Aufgabe des Arbeitnehmers sei die
Kommunikation mit den Kunden.
Wenn der Arbeitnehmer nicht nur
einmal unfreundlich antworte,
sondern dies im Lauf der E-MailKommunikation wiederhole, sei
die Abmahnung berechtigt.
(LAG Schleswig-Holstein 20.05.2014 –
2 Sa 17/14)
Tipp für die Praxis:
• Nicht jedes unfreundliche
Verhalten rechtfertigt eine
Abmahnung. Entscheidend ist
die Pflichtverletzung, d.h. die
Störung des Arbeitsverhältnisses.
Gerade unfreundliches Verhalten
gegenüber Kunden kann aber zu
einer solchen Störung führen. Im
Rahmen der Verhältnismäßigkeit
sind dann die jeweiligen Umstände
des Einzelfalls zu prüfen.
Arbeitnehmer können die Entfernung
einer Abmahnung aus ihrer
Personalakte u.a. verlangen, wenn
die Abmahnung den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verletzt.
Krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung wegen
häufiger Kurzerkrankungen
unwirksam
Häufige Kurzerkrankungen
können ein kündigungsrechtlicher
Dauertatbestand sein. Voraussetzung
ist, dass die verschiedenen
Erkrankungen den Schluss auf eine
dauerhafte Krankheitsanfälligkeit
des Arbeitnehmers zulassen und
damit eine negative Prognose
begründen.
Die Klägerin war ordentlich unkündbar.
Sie fehlte in den Jahren von 2000 bis
2011 jeweils zwischen 19 und 163
Arbeitstagen, im Durchschnitt an
75,25 Arbeitstagen wegen unterschiedlicher Erkrankungen. In
den Jahren 2006 bis 2011 leistete
die Beklagte Entgeltfortzahlung
in Höhe von 34.432,82 Euro. Am
06.10.2011 führte die Beklagte
mit der Klägerin ein betriebliches
Eingliederungsmanagement
durch. Zuletzt war die Klägerin in
der Zeit vom 16.11.-19.12.2011
arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem
eine einvernehmliche Trennung
scheiterte, beantragte die Beklagte
beim Personalrat die Zustimmung
zur beabsichtigten außerordentlichen
Kündigung mit sozialer Auslauffrist.
Der Personalrat verweigerte die
Zustimmung. Die Einigungsstelle
ersetzte die Zustimmung am
27.03.2012. Am 28.03.2012 kündigte
die Beklagte das Arbeitsverhältnis
außerordentlich mit sozialer
Auslauffrist. Die Klägerin machte
gerichtlich die Unwirksamkeit der
Kündigung geltend.
Die Klage hatte Erfolg. Zwar habe die
Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2
BGB gewahrt. Für die Wahrung der
zweiwöchigen Ausschlussfrist komme
es bei häufigen Kurzerkrankungen
nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer
Norton Rose Fulbright – Dezember 2014 07
Arbeitsrecht Highlights
bis mindestens zwei Wochen vor
Zugang der Kündigung – zufällig
– arbeitsunfähig gewesen sei.
Entscheidend sei vielmehr, ob der
Kündigungsgrund, d.h. die auf der
fortbestehenden Krankheitsanfälligkeit
beruhende negative Prognose sowie
die sich daraus ergebende erhebliche
Beeinträchtigung betrieblicher
Interessen, noch bis mindestens
zwei Wochen vor Zugang der
Kündigung fortbestanden haben. Trotz
Einhaltung der Ausschlussfrist sei
die außerordentliche Kündigung aber
unwirksam, da es an einem wichtigen
Grund fehle. Die Wirksamkeit einer auf
häufige Kurzerkrankungen gestützten
ordentlichen Kündigung setze eine
negative Gesundheitsprognose
voraus. Häufige Kurzerkrankungen
in der Vergangenheit könnten
für eine entsprechende künftige
Entwicklung sprechen (erste Stufe).
Die prognostizierten Fehlzeiten
müssten wiederum zu einer
erheblichen Beeinträchtigung der
betrieblichen Interessen durch
Betriebsablaufstörungen oder
wirtschaftliche Belastungen, wie
einen Zeitraum von mehr als sechs
Wochen pro Jahr übersteigende
Entgeltfortzahlungskosten, führen
(zweite Stufe). Im Rahmen der dann
gebotenen Interessenabwägung sei zu
prüfen, ob diese Beeinträchtigungen
vom Arbeitgeber billigerweise
nicht mehr hingenommen werden
müssten (dritte Stufe). Bei einer
außerordentlichen Kündigung sei
dieser Prüfungsmaßstab auf allen drei
Stufen erheblich strenger. Es bedürfe
eines gravierenden Missverhältnisses
zwischen Leistung und Gegenleistung.
Das sei gegeben, wenn zu erwarten
stehe, dass der Arbeitgeber bei
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
– ggf. über Jahre hinweg – erhebliche
Entgeltzahlungen zu erbringen hätte,
ohne dass dem eine nennenswerte
Arbeitsleistung gegenüberstände. Die
Aufrechterhaltung eines solchermaßen
„sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses
könne dem Arbeitgeber auch im Falle
eines ordentlich nicht kündbaren
08 Norton Rose Fulbright – Dezember 2014
Arbeitnehmers unzumutbar sein.
Der Verlauf der krankheitsbedingten
Fehlzeiten rechtfertige hier nicht die
Prognose, die Klägerin werde künftig
im gleichen Maße fehlen wie in den
vergangenen zehn Jahren. In dem
– als Grundlage für eine Prognose
geeigneten – Zeitraum von drei Jahren
vor Zugang der Kündigung seien die
Ausfallzeiten deutlich zurückgegangen.
Anhaltspunkte dafür, dass die
Ausfallzeiten künftig wieder ansteigen
könnten, habe die Beklagte nicht
dargelegt. Tatsächlich sei die Klägerin
nach dem 19.12.2011 bis zum Zugang
der Kündigung am 28.03.2012 nicht
mehr arbeitsunfähig krank gewesen.
Der Jahreslohnsumme auf Seiten der
Beklagten stehe nach wie vor eine
nennenswerte Arbeitsleistung auf
Seiten der Klägerin gegenüber. Das
Arbeitsverhältnis wäre auch dann
nicht „sinnentleert“, wenn künftig
Fehlzeiten in dem von der Beklagten
prognostizierten Umfang von jährlich
18,81 Wochen einträten. Auch in
diesem Fall wäre die Klägerin noch zu
fast zwei Dritteln ihrer Jahresarbeitszeit
arbeitsfähig. Der Vortrag der Beklagten
lasse zudem nicht erkennen, dass
die prognostizierten Fehlzeiten
zu nicht mehr hinnehmbaren
Betriebsablaufstörungen führten.
Die Klägerin könne den weitaus
größeren Teil des Jahres sinnvoll
eingesetzt werden. Der Umstand,
dass die möglichen Ausfallzeiten
zu Vertretungsbedarf und zu
Verzögerungen im Betriebsablauf
führten, sei nicht außergewöhnlich.
(BAG 23.01.2014 – 2 AZR 582/13)
Tipp für die Praxis:
• Wie bei allen krankheitsbedingten
Kündigungen ist auch bei
häufigen Kurzerkrankungen
entscheidend, dass eine negative
Gesundheitsprognose und eine
daraus resultierende erhebliche
Beeinträchtigung betrieblicher
Interessen vorliegen. Nicht
ausreichend ist dabei jedenfalls
bei einer außerordentlichen
Kündigung, dass der Arbeitnehmer
in einem Zeitraum von zwei
Jahren zu ca. einem Drittel seiner
Arbeitszeit arbeitsunfähig gewesen
ist.
Personenbedingte Kündigung
wegen Alkoholerkrankung
Eine Alkoholerkrankung berechtigt
den Arbeitgeber zur Kündigung,
wenn die Verrichtung der vertraglich
geschuldeten Tätigkeit mit einer
beachtlichen Selbst- und Fremdgefährdung des Arbeitnehmers oder
Dritter verbunden ist und der
Arbeitnehmer nicht die erforderliche Gewähr dafür bietet, bei
seiner Arbeitsleistung einschlägige
Unfallverhütungsvorschriften
zu beachten.
Die Beklagte ist ein Entsorgungsunternehmen. Den Hofarbeitern, wie
dem Kläger, obliegt es, Schrott zu
sortieren, zu reinigen und zu entsorgen.
Dabei kommen Fahrzeuge zum Einsatz
mit einem Gewicht von bis zu 35
Tonnen und einer Ausgreifweite von
bis zu 20 Metern. 2009 führte die
Beklagte ein striktes Alkoholverbot ein,
über das sie ihre Mitarbeiter schriftlich
unterrichtete. Im Januar 2010 wurde
der Kläger stark alkoholisiert am
Arbeitsplatz angetroffen. Die Beklagte
mahnte ihn ab. Der Kläger begann
im Mai 2010 eine Entziehungskur,
die er aber abbrach. In den folgenden
Monaten führte die Beklagte beim
Kläger mit dessen Einverständnis
regelmäßig Tests auf Alkohol im Atem
durch. Eine Kontrolle im August ergab
einen Wert von 1,81 Promille. Die
Beklagte mahnte ihn erneut ab. Bei
weiteren Tests im September wurde
beim Kläger eine Alkoholkonzentration
von 0,6, 0,16 bzw. 0,52 Promille
festgestellt. Im Herbst 2010 weitete
die Beklagte ihr Betriebsgelände zu
einem etwa 800 Meter entfernten
Containerplatz aus. Seither mussten
Hofarbeiter auch öffentlichen
Straßenraum befahren. Im Januar 2011
verweigerte der Kläger die Teilnahme
Aktuelle Rechtsprechung
an einem Alkoholtest. Im März 2011
teilte sein Arzt mit, nach Abbruch der
stationären Therapie im Jahr 2010
seien keine weiteren Maßnahmen zur
Alkoholentwöhnung durchgeführt
worden. Daraufhin forderte die
Beklagte den Kläger auf, verbindliche
Unterlagen über eine Entziehungskur
in nächster Zukunft vorzulegen. Der
Kläger brachte keine Unterlagen bei.
Im April kündigte die Beklagte das
Arbeitsverhältnis ordentlich.
Das BAG hielt die Kündigung
für wirksam. Eine ordentliche
Kündigung des Arbeitsverhältnisses
sei im Fall der Alkoholsucht
möglich, wenn im Zeitpunkt der
Kündigung die Prognose bestehe,
dass der Arbeitnehmer aufgrund
der Alkoholsucht dauerhaft nicht
zuverlässig in der Lage sein werde,
die vertraglich geschuldete Tätigkeit
ordnungsgemäß zu erbringen. Für
die Prognose komme es entscheidend
darauf an, ob der Arbeitnehmer
bereit sei, eine Entziehungskur bzw.
Therapie durchzuführen. Lehne er
das ab, könne erfahrungsgemäß
davon ausgegangen werden, dass er
von seiner Alkoholabhängigkeit in
absehbarer Zeit nicht geheilt werde.
Im Streitfall sei im Zeitpunkt der
Kündigung die Annahme gerechtfertigt
gewesen, der Kläger biete aufgrund
von Alkoholsucht nicht mehr die
Gewähr, seine Tätigkeit als Hofarbeiter
dauerhaft ordnungsgemäß erbringen
zu können. Er sei im Rahmen seiner
Tätigkeit verantwortlich für das Führen
verschiedener großer Fahrzeuge. Die mit
dem Alkoholkonsum einhergehenden
Minderungen der Wahrnehmungsund Reaktionsfähigkeit führten zu
erheblichen Gefahren für Menschen
und Material auf dem Hofgelände. Die
Beklagte musste aufgrund der Vorfälle
in der Vergangenheit auch künftig mit
Alkoholauffälligkeiten des Klägers
während der Arbeitszeit rechnen. Sie
durfte von einer Therapieunwilligkeit
ausgehen. Die Alkoholerkrankung
führte zu einer erheblichen
Beeinträchtigung betrieblicher
Interessen. Der Kläger erbringe seine
Arbeitsleistung in einem Umfeld, das
von An- und Abtransporten sowie
Umladungen von Metallabfällen mittels
schwerer Gerätschaften wie Bagger,
Gabelstapler, Lader, betriebseigener
und betriebsfremder LKW geprägt sei.
Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit
sei deshalb sowohl mit einer nicht
unerheblichen Gefahr für sich selbst als
auch für Dritte verbunden. Aufgrund
dieser Gefahren sei es der Beklagten
nicht zuzumuten gewesen, den Kläger
auf seinem bisherigen Arbeitsplatz
einzusetzen. Im Kündigungszeitpunkt
habe auch keine zumutbare
Möglichkeit einer anderweitigen
Beschäftigung des Klägers bestanden.
(BAG 20.03.2014 – 2 AZR 565/12)
Veröffentlichung von
Patientenbildern auf Facebook
Beruht eine Vertragspflichtverletzung auf einem steuerbaren
Verhalten, ist grundsätzlich davon
auszugehen, dass das künftige
Verhalten schon durch eine
Abmahnung positiv beeinflusst
werden kann.
Die beklagte Krankenhausbetreiberin
hatte der Klägerin außerordentlich,
hilfsweise ordentlich und ohne
vorherige Abmahnung gekündigt,
weil diese Fotografien eines
Patienten auf ihr Facebook-Profil
gestellt hatte. Die Klägerin betreute
auf der Kinderintensivstation u.a.
den am 03.02.2013 geborenen
und am 09.05.2013 verstorbenen
Säugling G. Sie veröffentlichte und
kommentierte auf ihrer FacebookSeite Fotografien von sich und G.
sowie von G. allein. Die Beklagte
bat sie daher wegen des dringenden
Verdachts schwerwiegender
Vertragspflichtverletzungen zu einer
Anhörung. Die Klägerin entfernte die
Fotografien daraufhin umgehend von
ihrer Facebook-Seite.
Das LAG hielt die Kündigung
wegen fehlender Abmahnung für
unwirksam. Zwar habe die Klägerin
mit der Veröffentlichung der Bilder
des Patienten auf ihrer Facebook-Seite
ihre Schweigepflicht als medizinische
Mitarbeiterin verletzt. Sie sei sowohl
arbeitsvertraglich als auch gesetzlich
verpflichtet gewesen, die Behandlung
des Patienten sowie deren nähere
Umstände geheim zu halten. Dabei
sei zu berücksichtigen, dass letztlich
der Personenkreis, der Zugang zu den
unerlaubt veröffentlichten Bildern
erhalten könne, nicht begrenzbar
sei. Es sei der Beklagten aber
zuzumuten, der Klägerin lediglich
eine Abmahnung zu erteilen und
das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Zunächst habe die Veröffentlichung
der Bilder zu keiner schwerwiegenden
Persönlichkeitsrechtsverletzung
geführt. Der Patient sei auf den Bildern
nicht zu individualisieren. Der Säugling
werde auf den Bildern außerdem nicht
verächtlich gemacht oder in sonstiger
Weise herabgewürdigt. Die Klägerin
habe keine unlauteren Ziele verfolgt.
Sie habe ganz offensichtlich eine
emotionale Bindung zu dem Patienten
aufgebaut. Die Persönlichkeitsrechte
des Patienten würden durch den
Facebook-Auftritt der Klägerin aktuell
nicht mehr verletzt, nachdem die
Aufnahmen dort gelöscht worden
seien. Die Beklagte habe aufgrund
der Veröffentlichung der Bilder weder
mit einer Rufschädigung noch mit
Schadensersatzansprüchen rechnen
müssen, da nicht erkennbar gewesen
sei, dass der Patient bei der Beklagten
behandelt worden sei. Die Beklagte
habe auch nicht damit rechnen
müssen, dass die Klägerin nach Erhalt
einer Abmahnung erneut Bilder von
Patienten bei Facebook veröffentlichen
werde. Die Klägerin habe die Bilder
noch vor der Anhörung entfernt und
damit unmittelbar nach den ersten
Vorhaltungen das ihr Mögliche getan,
um den rechtswidrigen Zustand zu
beseitigen. Eine Abmahnung sei auch
nicht wegen der besonderen Schwere
der Pflichtverletzung entbehrlich.
(LAG Berlin-Brandenburg 11.04.2014
– 17 Sa 2200/13)
Norton Rose Fulbright – Dezember 2014 09
Arbeitsrecht Highlights
Tipps für die Praxis:
• Grundsätzlich gilt auch bei
Beiträgen von Arbeitnehmern
in Social Media: Keine
verhaltensbedingte Kündigung
ohne vorherige Abmahnung einer
entsprechenden Pflichtverletzung
• Nur wenn bereits von vornherein
erkennbar ist, dass eine
Verhaltensänderung auch nach
einer Abmahnung nicht zu
erwarten ist oder es sich um eine
so schwere Pflichtverletzung
handelt, dass selbst deren
Hinnahme für den Arbeitgeber
unzumutbar und damit auch für
den Arbeitnehmer erkennbar
offensichtlich ausgeschlossen
ist, entfällt ausnahmsweise
das Abmahnungserfordernis
vor Ausspruch einer
verhaltensbedingten Kündigung.
Kündigung durch Personalleiter
Die Bestellung zum Personalleiter
allein genügt nicht, um das
Zurückweisungsrecht des
Arbeitnehmers hinsichtlich
einer Kündigung auszuschließen.
Der Arbeitgeber muss den
Arbeitnehmer über die Berufung
des Personalleiters informieren.
Dies gilt auch, wenn jemand aus
einem anderen, konzernzugehörigen
Unternehmen zum Personalleiter
bestellt wird. Der Konzernarbeitgeber des Personalleiters
oder dieser selbst können den
Arbeitnehmer nicht in einer das
Zurückweisungsrecht ausschließenden Weise über die
Kündigungsbefugnis informieren.
Der Kläger war als Mitarbeiter im
Vertrieb bei der Beklagten tätig.
Die Beklagte gehörte zu einem
Konzernverbund. Die Personalleiterin
für die Beklagte war nicht bei der
10 Norton Rose Fulbright – Dezember 2014
Beklagten angestellt, sondern übte
die Personalbefugnisse für eine
ganze Gruppe von Unternehmen
aus. Sie unterzeichnete sowohl
den Arbeitsvertrag des Klägers als
auch das Kündigungsschreiben.
Dem Kündigungsschreiben lag die
Kopie einer Kündigungsvollmacht
des Geschäftsführers der
Beklagten bei. Der Kläger wies die
Kündigung mit dem Hinweis auf
das Fehlen einer ordnungsgemäßen
Vollmachtsurkunde zurück und erhob
Kündigungsschutzklage.
Die Klage hatte Erfolg. Nach § 174
Satz 1 BGB sei die Kündigung
unwirksam, wenn der Bevollmächtigte
keine Vollmachtsurkunde vorlege
und der andere die Kündigung
aus diesem Grunde unverzüglich
zurückweise. Hier sei die Kündigung
durch die bevollmächtigte
Personalleiterin ausgesprochen
worden, ohne dass das Original der
Vollmachtsurkunde beigelegt worden
sei. Eine Kopie genüge nicht. Das
Zurückweisungsrecht des Klägers sei
auch nicht ausgeschlossen gewesen,
weil der Vollmachtgeber ihn von
der Bevollmächtigung in Kenntnis
gesetzt habe. Der Arbeitnehmer sei
zur Zurückweisung der Kündigung
berechtigt, wenn er keine Gewissheit
habe, dass der Erklärende wirklich
bevollmächtigt sei und sich der
Arbeitgeber dessen Erklärung
tatsächlich zurechnen lassen müsse.
Er solle nicht nachforschen müssen,
welche Stellung der Erklärende habe
und ob damit das Recht zur Kündigung
verbunden sei. Das Inkenntnissetzen
liege deshalb nur vor, wenn der
Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter
– z. B. durch die Bestellung zum
Prokuristen, Generalbevollmächtigten
oder Leiter der Personalabteilung
– in eine Stelle berufen habe,
die üblicherweise mit dem
Kündigungsrecht verbunden sei. Dabei
reiche allerdings die bloße Übertragung
einer solchen Funktion nicht aus, wenn
diese Funktionsübertragung aufgrund
der Stellung des Bevollmächtigten
im Betrieb nicht ersichtlich sei und
auch keine sonstige Bekanntmachung
erfolge. Vielmehr sei erforderlich,
dass der Arbeitnehmer davon in
Kenntnis gesetzt werde, dass der
Erklärende diese Stellung tatsächlich
innehabe. Erforderlich sei dabei ein
Handeln des Vollmachtgebers – also
des Arbeitgebers – selbst. Daran fehle
es hier. Allein aus der Tatsache, dass
die Personalleiterin mit dem Kläger
Einstellungsgespräche geführt oder
den Arbeitsvertrag unterzeichnet
habe, folge nicht, dass sie auch zur
Kündigung von Arbeitsverhältnissen
befugt sei oder eine Funktion als
Personalleitern mit entsprechenden
Befugnissen bei der Beklagten ausgeübt
habe. Überdies unterzeichnete sie ihre
E-Mails mit ihrem Vornamen ohne
weitere Zusätze über ihre Funktion.
Soweit im Kündigungsschreiben
der Zusatz „HR Director“ unter den
Namen gesetzt sei, vermöge dies ein
Inkenntnissetzen über ihre Funktion
vor Ausspruch der Kündigung durch
die Beklagte nicht zu ersetzen. Im
Übrigen sei von der Beklagten nicht
dargelegt worden, wann und wo sie
den Kläger konkret darüber informiert
haben will, dass die Personalleiterin
auch für ihr Unternehmen zuständig
sei. Selbst wenn die Personalleiterin
sich auf einem Treffen ausdrücklich
als Personalleiterin mit Zuständigkeit
für die gesamte Region vorgestellt
habe, fehle es an einer Darlegung
der Beklagten, dass entsprechende
Erklärungen ihr zuzurechnen seien.
Es fehle damit an einer notwendigen
Handlung des Vollmachtgebers.
(LAG Schleswig-Holstein 25.02.2014 –
1 Sa 252/13)
Aktuelle Rechtsprechung
Tipps für die Praxis:
• Arbeitgeber müssen darauf
achten, dass sie alle
Arbeitnehmer nachweislich
bspw. per (gegengezeichnetem)
Rundschreiben, E-Mail,
Intranet oder Aushang über
die Bevollmächtigung des
Personalleiters oder anderer
Personen zum Ausspruch von
Kündigungen informieren
• Kann nicht nachvollzogen
werden, ob der zu kündigende
Arbeitnehmer tatsächlich
entsprechend informiert wurde,
sollte der Kündigung (vorsorglich)
eine Vollmachtsurkunde im
Original beigefügt werden.
Im Hinblick auf möglichen
Zeitdruck bei außerordentlichen
Kündigungen kann es
sinnvoll sein, unterzeichnete
Vollmachtsurkunden in
ausreichender Anzahl bereit
zu halten.
Betriebsverfassungsrecht
Verweigerung der Vertragsverlängerung als Benachteiligung
eines befristet beschäftigten
Betriebsratsmitglieds
Verweigert ein Arbeitgeber
einem befristet beschäftigten
Betriebsratsmitglied die
Verlängerung des Vertrages wegen
dessen Betriebsratstätigkeit, kann
das Betriebsratsmitglied den
Abschluss eines Folgevertrags
aufgrund der Benachteiligung
verlangen.
Die Klägerin macht die Weiterbeschäftigung nach Ablauf ihres
befristeten Arbeitsvertrages geltend.
Sie war zunächst aufgrund eines
sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags bei der Beklagten beschäftigt
und wurde währenddessen in den
Betriebsrat gewählt. Nachdem ihr
Arbeitsvertrag um ein Jahr verlängert
worden war, lehnte die Beklagte im
folgenden Jahr die Verlängerung des
Arbeitsverhältnisses der Klägerin –
wie auch von vier anderen Arbeitnehmern – ab.
Die Klage hatte keinen Erfolg, da die
Klägerin mangels Benachteiligung
keinen Anspruch auf Verlängerung
des Arbeitsverhältnisses durch
die Beklagte hatte. Zwar kann
grundsätzlich ein Anspruch auf
Abschluss eines Folgevertrags
eines befristet beschäftigten
Betriebsratsmitglieds bestehen,
wenn die Vertragsverlängerung
vom Arbeitgeber gerade wegen der
Betriebsratstätigkeit verweigert wird.
Die Nichtübernahme eines befristet
beschäftigten Betriebsratsmitglieds
in ein weiteres Arbeitsverhältnis stellt
dann eine unzulässige Benachteiligung
dar, wenn eine Schlechterstellung im
Vergleich zu anderen Arbeitnehmern
vorliegt, die nicht auf sachlichen
Gründen, sondern auf der Tätigkeit als
Betriebsratsmitglied beruht.
keinen Folgevertrag zu schließen,
auf dessen Betriebsratstätigkeit
beruht. Allein die diesbezügliche
Behauptung der Klägerin genügte
vorliegend nicht, da die Beklagte
nachwies, dass auch die befristeten
Arbeitsverhältnisse von vier anderen
Mitarbeitern nicht verlängert wurden.
Zudem trug sie nachvollziehbare,
in keinem Zusammenhang mit der
Betriebsratstätigkeit stehende Gründe
dafür vor, das Arbeitsverhältnis mit der
Klägerin nicht fortzusetzen.
(BAG 25.06.2014 – 7 AZR 847/12)
Tipps für die Praxis:
• Der für Betriebsratsmitglieder
geltende Sonderkündigungsschutz
steht einer wirksamen Befristung
des Arbeitsverhältnisses mit
einem Betriebsratsmitglied nicht
entgegen.
• In solchen Fällen sollte allerdings
besonders gründlich dokumentiert
werden, wieso der Vertrag ggf.
nicht verlängert wird und wie
in dem fraglichen Zeitraum bei
anderen Mitarbeitern verfahren
wurde.
Dies hätte die Klägerin jedoch
darlegen und beweisen müssen,
da es keinen Erfahrungssatz gibt,
wonach die Entscheidung eines
Arbeitgebers, mit einem befristet
beschäftigten Betriebsratsmitglied
Norton Rose Fulbright – Dezember 2014 11
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