Der Anbau von Hochstamm-Birnen

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Der Anbau von Hochstamm-Birnen
Hochstamm-Bäume | PFLANZENBAU 27
Die Birne braucht
neuen Schub
Die Birne, die süsse Schwester des Apfels, ist klar die Nummer zwei
der Früchte in der Schweiz. Feuerbrand, Birnenverfall und die hohen
Rückbehalte bei den Mostbirnen haben den Beständen zugesetzt.
Doch die Birne hat mehr Beachtung verdient.
Innere Werte
Bei einem Vergleich der Inhaltsstoffe
von Apfel und Birne zeigen sich er-
staunlich ähnliche Werte. Unterschiede gibt es nur beim Rohfasergehalt,
der bei der Birne fast doppelt so hoch
ist. Ferner beim Vitamin C und vor
allem bei den Säurewerten. Während
Äpfel je nach Sorte eine Schwankungsbreite von 5 bis 15 Gramm Säure pro
Liter aufweisen, enthalten Birnen nur
1 bis 3 Gramm pro Liter. Das ist weit
weniger als milde Apfelsorten wie
Gala.
Lokale Birnenprodukte
Die Hochstamm Seetal AG hat beispielsweise Birnenchips, einen sortenreinen Birnensaft aus der Wasserbirne, einen teilentsäuerten Birno,
Bild: zVg
B
irnen werden bereits seit Tausenden von Jahren angebaut,
ursprünglich kommen sie aus
dem Kaukasus. Knapp die Hälfte der
in der Schweiz angebauten Birnen
stammen aus dem Hochstamm. Sie
werden zu Saft, zu Destillaten oder zu
Trockenfrüchten verarbeitet. Schmackhafte Birnensorten und Birnenprodukte können durchaus Kunden auf
den Hof locken und dabei den Absatz
steigern. Die Birnbäume sind für die
Landschaft der Zentralschweiz und
Teile der Ostschweiz prägend. Sie besitzen eine kulturhistorische Bedeutung und produzieren hochwertige
Rohstoffe für die Herstellung vieler
Spezialitäten. Weil der Birnbaum kaum
Pflanzenschutz benötigt, grosskronig
ist und sehr alt werden kann, hat er
eine wichtige Rolle in der Biodiversität. Er gilt ökologisch als besonders
wertvoll.
In den Schweizer Hochstammobstgärten stehen immer noch eine beachtliche Zahl von Sorten. Besondere
Bedeutung verdienen vor allem die
alten Most- und anderen Verarbeitungsbirnen, die derzeit nur marginal
verwendet werden und allmählich
aus unserem Gedächtnis verschwinden. Aber auch im Bereich der Tafelbirnen gibt es weit mehr wohlschmeckende Sorten als Conference und
Kaiser Alexander, die derzeit im
Handel erhältlich sind.
Der stagnierende Absatz der Mostbirnen beruht auf verschiedenen Ursachen. Einerseits sind die Verarbeitungsbeiträge des Bundes weggefallen,
andererseits ist die Nachfrage nach
den Birnendestillaten massiv gesunken. Ebenso findet der Birnensaft
weniger Verwendung in den Fruchtsäften. Auf dem Markt hat sich der
reine Apfelsaft etabliert. Der Absatz
muss daher mit neuen Produkten gezielt gefördert werden.
Die Theilersbirne ist in der Zentralschweiz beliebt und gesucht für Destillate.
Nr. 3/2015 | die grüne
Bild: Beat Felder
Birnbäume wachsen in Nordafrika, weiten Teilen Europas in Japan und gar im HimalayaGebiet. In der Zentral- und Ostschweiz prägen Hochstamm-Birnbäume die Landschaft.
Schweizerhose, die Birne mit den Streifen
Die alte Birnensorte «Schweizerhose» wurde in der Schweiz von einem
rund 100 Jahre alten, grossen
Birnbaum von Peter Zahner aus
Waldkirch SG entnommen. Dort ist
die Schweizerhose jedoch nur im
obersten Teil des Baums Goldmostbirne aufgepfropft. Der Pomologe
Karl Stoll hat diese Sorte damals in
seine Sammlung in Wädenswil
aufgenommen, zu deren Rettung vor
dem gänzlichen Verschwinden.
Bei der Nationalen Inventarisierung
wurde 2004 in Sargans ein Originalbaum der Sorte Schweizerhose
gefunden. Das sind die beiden
einzigen noch vorhandenen alten
Standorte dieser mehrfarbig
gestreiften Birne. Über die ursprüngliche Herkunft dieser eigenartigen
Sorte
ist nicht viel bekannt. Man geht
davon aus, dass die Namensgebung
in Frankreich, aufgrund der bunten
Hosen von Schweizer Soldaten im
Ausland erfolgte.
Im Buch «Schweizerische Obstsorten II» von Pfau-Schellenberg 1863
ist die Sorte abgebildet und beschrieben. Es heisst dort, Schweizerhose ist
die grüne | Nr. 3/2015
eine panaschierte Mutation der
langen grünen Herbstbirne. Diese
Sorte sei seit mehr als 200 Jahren
bekannt. Es wird auch darauf
hingewiesen, dass nur gut besonnte
Früchte mehrfarbige Streifung
zeigen. Interessant ist, dass bei der
Sorte Schweizerhose auch die
Jungtriebe eine farbige Streifung auf
dem Holz aufweisen. Diese Sorte
wächst nur schwach und ist eher
frostanfällig. Bei Schweizerhose
handelt es sich um eine mittelgute
Tafelbirne, sie kann somit nebst der
dekorativen Verwendung auch
konsumiert werden. Die Früchte
reifen Anfang Oktober und halten
im Kühllager bis im Februar.
einen Birnen-Balsamessig, ein snackartiges Birnenbrot oder eine Fruchtschorle mit Birnensaft auf den Markt
gebracht. Dies hat zu besseren Produzentenpreisen für Landwirte und
zu einer höheren Nachfrage nach
Hochstammbirnen geführt. Besonders beliebt geworden sind VieilleDestillate aus Birnen mit den angenehmen reifen Aromen. Das heute
für die Verarbeitung empfohlene
Sortenangebot ist zu schmal geworden. Wasserbirne, Knollbirne, Harrow
Sweet und Bayrische Weinbirne gehören dazu, sowie in der Zentralschweiz zusätzlich die Theilersbirne.
Ihre Destillate mit dem typisch «teigigen» Aroma sind gesucht. Andere
feuerbrandrobuste Sorten wie Kieffers Sämling, Kirchensaller Mostbirne, Wilde Eierbirne oder Welsche
Bratbirne sind bei uns weitgehend
unbekannt. Es gilt bei Projekten wie
«Gemeinsam gegen Feuerbrand»,
«Herakles» oder dem nationaler Aktionsplan alte Sorten neu zu entdecken
und gegen Feuerbrand zu testen.
Neue Sorten wie Uta, eine Kreuzung aus Madame Verte und Bosc,
müssen ihren Weg erst noch machen.
Die Sorte ist zwar ertragreich und
hat eine wenig empfindliche Haut,
als eigentliche Tafelbirne ist sie zur
Verarbeitung nicht wirklich geeignet.
Grundsätzlich sind alle Birnbäume
Feuerbrandwirtspflanzen, auch Zier-
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Bilder: ZvG
von Designermöbeln. Die Stämme
können auf drei oder mehr Meter
aufgeputzt werden, die Pflanzdistanzen etwas enger gewählt und der
Baum als Spindel erzogen werden.
Dies erlaubt eine optimale Mechanisierung und Besonnung des Unternutzens.
Birnbäume überraschen oft mit einer intensiven Herbstfärbung. Für die Produkte
der Hochstammbäume besteht seit einigen Jahren wieder vermehrt ein Markt.
und Wildarten. Birnen sind etwas
anfälliger als Äpfel. Weil sie aber
etwas früher blühen, sind oft die
Infektionsbedingungen für das Bakterium schlechter. Immer wieder
wurden die Birnbäume vor allem in
höheren Lagen befallen, wo sie später
blühen.
Neue Anbaumethoden prüfen
Während man in Österreich den Anbau der alten Birnensorten auf eher
starkwüchsigen Unterlagen in Obstanlagen fördert, könnte in der
Schweiz der Hochstamm die Lösung
bringen. Zur Herstellung innovativer
Birnenprodukte ist neuer Rohstoff
gefragt. Der Hochstamm bietet ein
von der Gesellschaft gewünschtes
Ausbaugebiet in der Landwirtschaft.
Zu überlegen ist, ob die Produktion
von Birnen nicht auch mit Wertholz
kombiniert werden kann. Birnenholz
eignet sich gut für die Herstellung
Pflügen und mulchen
Wird beim Pfahlwurzler Birne nahe
an den Baum gepflügt, wachsen die
Bäume deutlich stärker. Zudem lassen sich die Mäuse besser kontrollieren. Neu kann gemäss Direktzahlungsverordnung im Bereich der
Baumscheibe auch bei der Biodiversität Q II gemulcht werden. Als Unternutzen bei der Birne kann man sich
bei genügend Abstand zwischen den
Reihen Kunstwiese, Gemüse, Beeren,
Raps, Mais, Kartoffeln oder Getreide
durchaus vorstellen. Beim traditionellen Anbau mit Hochstamm-Rundkronen geht es zu lange, bis der Ertrag eintritt. Mit der Erziehung als
Spindel trägt der Baum nicht nur
schneller, sondern hat auch früher
den erforderlichen Kronendurchmesser von drei Metern und führt zu einem deutlichen Minderaufwand bei
der Erziehung. | Beat Felder
Der Autor ist als Lehrer und
Berater am BBZN Hohenrain tätig.
5. Schweizer Hochstammtag, Freitag, 27. Februar 2015
Im Zentrum der diesjährigen Tagung
steht die Frage: «Was unterscheidet
Hochstammobst von vergleichbaren
Produkten?» Warum kann Hoch­
stamm­obst gesünder und besser
sein? Wo liegt der spezielle Wert?
Wo liegt das Potenzial
von Hochstammsorten?
Das Schweizer Obstsorten-Inventar.
Jennifer Gassmann, Agroscope,
Wädenswil
Wo liegt die Chance in
der neuen Vielfalt?
Überraschende Produkte, starke
Produzenten, spannende Geschichten.
Dominik Flammer, Autor «Kulinarisches
Erbe der Alpen»
Sind alte Obstsorten
wirklich besser?
Der gewisse Unterschied bei Vitalität,
Nährwert, Genuss.
Dr. Lothar Wurm, Höhere Bundeslehranstalt für Wein und Obstbau,
Klosterneuburg (A)
Ist Apfel wirklich
gleich Apfel?
Polyphenole machen den Unterschied.
Eva Arrigoni, Agroscope, Wädenswil
Wieso rentiert das
Hochstammgeschäft?
Zwischenbilanz fünf Jahre
Hochstamm Seetal AG
Simon Gisler, Hochstamm Seetal AG
Warum auf die Birne setzen?
Die unerkannten Qualitäten der
Hochstammbirnen.
Beat Felder, BBZN Hohenrain
Wie wird Hochstammobst
noch marktfähiger?
Podiumsdiskussion mit den Referntinnen und Referenten, Leitung Beat
Felder
Der 5. Schweizer Hochstammtag
findet von 9 bis 15.50 Uhr am BBZN
Hohenrain, Sennweidstrasse 35,
in 6276 Hohenrain statt.
Anmeldung bis 15. Februar 2015 an
[email protected] oder
unter www.hochstamm-seetal.ch,
Tel. 041 910 58 88
Nr. 3/2015 | die grüne

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