Zur Person

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Zur Person
Praxis
Springpferde-Ausbildung
Athlet mit
Macken
Unterhals, steile Schulter, kurzer Rücken – mit Exterieurmängeln bei Springpferden haben viele Reiter zu kämpfen.
Spezielle Ausbildungswege können helfen, trotzdem das
Beste aus dem Pferd herauszuholen. Welche das sind, hat
Springreiter Hendrik Sosath in seiner Abschlussarbeit zum
Pferdewirtschaftsmeister erklärt.
Laokoon hat einen stark ausgeprägten Unterhals. Mit dem richtigen Training (s. S. 80) schaffte
es Hendrik Sosath trotzdem,
den Wallach richtig zu fördern
und erfolgreich auszubilden.
Der Lohn: der vierte Platz beim
Hamburger Springderby.
Zur Per son
Foto: www.toffi-images.de
Hendrik Sosath (25)
ist seit fünf Jahren im
Familien-Betrieb im niedersächsischen Lemwerder (www.sosath.com)
mit ca. 300 Pferden und
einer EU-Deckstation
für die Ausbildung der Pferde und deren
Turniereinsatz zuständig. Seine Lehre
zum Pferdewirt Schwerpunkt Reiten hat
er bei Johann Hinnemann und Wolfgang
Brinkmann/Franz-Josef Dahlmann
absolviert. Im Alter von 19 Jahren wurde
ihm bereits das Goldene Reitabzeichen
verliehen. Der bisherige Höhepunkt
seiner Karriere war der vierte Platz beim
Hamburger Springderby 2009 mit dem
selbstgezogenen Laokoon v. Lordanos.
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Praxis
problem:
D
Steile Schulter
er fünfjährige gekörte
Oldenburger Hengst Lord
Quidam v. Lordanos ist
sehr rittig, vorsichtig und
vermögend am Sprung. Jedoch
ist seine Schulter zu steil. Das
führte zu Beginn seiner Ausbildung bei Hendrik Sosath mit fast
vier Jahren dazu, dass es Lord
Quidam schwer fiel, die Vorhand
frei nach vorne zu bewegen und
eine optimale Vorderbeintechnik
am Sprung zu entwickeln. Bei
Licht betrachtet waren das nicht
nur eine Baustelle, sondern drei:
„Um den Bewegungsablauf der
Vorhand und die Schulterfreiheit
zu verbessern, musste ich mich
mit dem Hals, dem Rücken und
der Hinterhand beschäftigen“, sagt
Hendrik Sosath. „Der Hengst
kann seine Vorhand nur frei
nach vorne durch die Schulter
bewegen, wenn der Hals diese
nicht behindert, er von hinten
energisch durchfußt und über den
Rücken an die Hand herantritt.“
Der Ausbilder ritt Lord Quidam
30 - 50
Zentimeter
zunächst nur fleißig vorwärts
und achtete darauf, den Hengst
so wenig wie möglich im Maul
zu stören. „Dabei war es nicht
schlimm, wenn er sich zu Anfang
heraushob. Wichtiger war es, die
Schubkraft aus der Hinterhand
zu fordern und zu fördern, damit Lord Quidam dauerhaft an
die Hand herantritt.“ Um die
Schulter des Pferdes freier zu
bekommen und die Akzeptanz
der diagonalen Hilfengebung zu
verbessern, ritt Hendrik Sosath
Schulter vor und Schulterherein,
zunächst im Schritt, später im
Trab. „Ich habe darauf geachtet,
dass Lord Quidams Hals im
Seitengang nur leicht gestellt war,
damit er nicht die Balance verliert
und über die äußere Schulter
ausbricht.“
Über einzelne Hindernisse sprang
Lord Quidam sicher und fehlerfrei,
allerdings mit einem hängendem
Vorderbein. Um das abzustellen,
überwand Hendrik Sosath mit
Lord Quidam Sprünge mit einer
deutlich vorgezogenen Grundlinie
am Fuße des Sprungs. „Diese kann
ruhig bis zu einem Meter vor dem
Sprung sein, wenn das Hindernis
45°
Die optimale Schulter hat einen Winkel
von 45 Grad (Grafik oben und gestrichelte Linie unten). Lord Quidam hat eine
steile Schulter (rote Linie unten).
Zu Beginn der Ausbildung überwand Lord Quidam die Sprünge mit hängenden Vorderbeinen (li.).
Seine Sprungtechnik verbesserte sich aber durch das Sosath‘sche Training deutlich (re.).
um den Fluss zu erhalten und
so Lord Quidam das energische
Abfußen zu ermöglichen. Die
hintere Oxerstange war immer
höher als die vordere, damit die
Vorwärtstendenz erhalten blieb.
Dann folgten Gymnastikreihen.
„Für Lord Quidam bauen wir
oftmals eine Oxerreihe auf. Sie
besteht aus vier Oxern im Abstand
von 6,30 Meter, 6,40 Meter und
etwa 1,30 m hoch ist.
Das hilft dem Pferd, früh
genug abzuspringen. So hat
es Zeit, die Schulter zu heben, dadurch den Unterarm
waagerecht anzuwinkeln und
das Röhrbein an den Unterarm anzulegen.“ Beim Anreiten
des Sprünge achtete der Reiter
darauf, dass der letzte Galoppsprung nicht zu klein wurde,
6,30 Meter
6,40 Meter
In einer Oxer-Reihe mit vorgezogener Grundlinie lernte Lord Quidam früh genug abzuspringen, um
so genügend Zeit zu haben, die Schulter zu heben und Unterarm und Röhrbein optimal zu bewegen.
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Fotos: Hahn
6,50 Meter
6,50 Meter (s. Skizze S. 78). Die
Abstände dürfen nicht zu eng
sein, da das Pferd ansonsten nicht
genügend Platz hat, sich auf seine
Vorderbeine zu konzentrieren. In
dieser Gymnastikreihe muss auf
die Grundlinie geachtet werden.
Auch hier sollte sie mindestens
30 bis 50 Zentimeter vom Oxer
entfernt sein“, erklärt Hendrik
Sosath. Zusätzliche Bodenstangen
Tr ai ni ng sp ro gr amm
➊ Dressurmäßiges Reiten (fle
ißig
vorwärts, Schulter vor, Sch
enkelweichen)
➋ Sprünge mit vorgezogener
➌ Gymnastikreihen (Oxerreih Grundlinie
e mit
vorgezogenen Grundlinien)
zwischen den Oxern bremsen stürmische Pferde ab
und animieren sie dazu,
einen runden Galoppsprung zu machen und
nicht zu dicht an den
folgenden Sprung zu kommen.
„Lord Quidams Trab ist dadurch
raumgreifender geworden, die
Sprungtechnik hat sich verbessert
– er springt mit viel Vermögen
und ausreichender Bascule.“ Lord
Quidam ist inzwischen siegreich
in M/A-Springen und konnte
eine Qualifikation zum Bundeschampionat gewinnen.
Praxis
Mit Stangenarbeit lernte Luzia,
sich rhythmisch zu bewegen und
losgelassen zu traben.
Im Gegensatz
zur optimalen
Halsung (oben),
hat Luzia einen
stark ausgeprägten Unterhals
(unten).
Mittlerweile
ist sie bis S**
platziert (ganz
rechts).
derte sie dennoch. Sie wurde
wieder hektisch und machte sich
frei vorm Sprung“, erinnert sich
der Reiter. „Deshalb entschlossen
wir uns, sie über den Sommer
auf die Weide zu stellen.“ Aber
auch als Luzia fünf Jahre alt
war bereiteten ihr die kleinsten
Aufgaben Probleme. Sie schloss
zwar gehorsam jede Trainingsstunde ab, war aber am nächsten
Tag wieder verspannt. Der Fokus
rückte deshalb vor allem auf eines:
Losgelassenheit. Hendrik Sosath
ritt immer wieder viele Übergänge, Trab-Schritt, Galopp-Trab,
Trab-Halten und Galopp-Schritt.
sowie Tempiwechsel und große
Wendungen, um die Hinterhand
zu aktivieren. Mit Stangen- und
Cavalettiarbeit förderte er Konzentration, Losgelassenheit und
Rhythmus. Er begann im Trab
mit zwei Stangen (2,50 Meter
für zwei Tritte), später erhöhte
er auf fünf Stangen mit zwei
Tritten und verkleinerte dann
die Abstände auf 1,25 Meter (ein
Tritt). Im Galopp absolvierte Luzia
zunächst zwei, später bis zu fünf
Cavalettis als In-Out-Sprünge
(3,50 Meter). „Das Korrigieren
von Anlehnungsproblemen, be-
Kurzer Rücken
Foto: Ernst/Hahn
uzia, eine siebenjährige Ludwig von Bayern-Tochter, steht
im Rechteckformat mit guter Rücken-Kruppen-Linie. Doch
vorn wird’s problematisch: Die
Oldenburger Stute hat einen stark
ausgeprägten Unterhals und dicke
Gamaschen. „Sie war schreckhaft,
zu vorsichtig am Sprung und neigte
dazu, sich zu überspringen“, so
Hendrik Sosath, der sie vierjährig
unter den Sattel bekommen hat.
Außerdem hatte die Stute deutliche
Anlehnungsprobleme. „Sie ging
unterm Sattel mit herausgedrückter Unterhalsmuskulatur, ohne viel
Maultätigkeit. In Kombination
mit ihrer Schreckhaftigkeit war
es schwierig, eine gleichmäßige
Verbindung aufzubauen.“ Sosath longierte Luzia vor jeder
Trainingseinheit ab, damit sie
überschüssige Energie loswerden
konnte und, um die innere und
äußere Losgelassenheit zu stärken.
Dreiecksausbinder gaben Luzia
dabei Rahmen und konstante
Anlehnung vor. „Das Reiten um
und über Hindernisse überfor-
problem:
Casario gehr erfolgreich in Springen der
schweren Klasse.
Die kurze Rückenpartie sticht
bei Casario ins Auge (oben).
Durch Arbeit an der Doppellonge wird die Rückenmuskulatur entspannt und gestärkt
(oben rechts).
Foto: Rüchel
L
Unterhals
sonders vorm Sprung, erfordert
viel Einfühlungsvermögen vom
Ausbilder“, erklärt der Reiter.
„Der Einsatz von Hilfszügeln
kann junge Pferde beim Springen
stören und der Lerneffekt bleibt
aus. Manchmal ist schon eine
Stange völlig ausreichend, um
das Fehlverhalten des Pferdes
schonend zu korrigieren. Deshalb
kann ein erfahrener (!) Ausbilder
beim Überreiten von Stangen für
ein Korrekturpferd Schlaufzügel
zur Hilfe nehmen, die es ihm
ermöglichen, das Pferd ausreichend einzurahmen und so den
Anlehnungsfehler zu beheben.“
Am Sprung war Luzia zwar sehr
vorsichtig, aber sie machte sich
fest im Rücken. „Daher haben
wir mit ihr erst nur an einzelnen Sprüngen und nach vier bis
sechs Monaten an Sprungfolgen
gearbeitet. Wir haben z.B. ein
Cavaletti auf unbestimmter Distanz, etwa 30 Meter nach dem
Sprung, überwunden. Die Stute
sollte lernen, die Übersicht am
Sprung zu bekommen, effektiv zu
springen und sich zwischen den
Sprüngen mit sicherer Anlehnung
reiten zu lassen“, erklärt Sosath.
„Gymnastikreihen waren in dem
D
Fall nicht sinnvoll, weil Luzia
eine dicht aufeinanderfolgende
Sprungfolge noch nicht überwinden konnte.“ Mit sechs Jahren
war Luzia innerlich und äußerlich losgelassen. Beim Springen
jedoch verspannte sich die Stute
wieder im Halsbereich. „Eine
ganz wichtige Trainingsmethode für Luzia war das Springen
mit seitlicher Begrenzung am
Sprung und nach der Landephase.
Durch diese Übung festigte sich
Luzias Sprungablauf enorm. Er
wurde rund und elastisch. Luzias Konzentration war ganz auf
den Sprung gerichtet, ohne sich
den Hilfen zu entziehen. Durch
die Begrenzung musste sie über
dem Sprung gerade bleiben und
sprang mehr aus dem Widerrist.
Sie entspannte die Unterhalsmuskulatur, weil sie die dahinter
liegenden Stangen im Blick hatte,
und ließ den Hals fallen. Takt und
Rhythmus im Parcours folgten.“
Im selben Jahr folgte eine Qualifikation fürs Bundeschampionat.
„Heute zählt Luzia zu meinen
leistungsstärksten Pferden. Sie
beweist viel Ehrgeiz und beendet
den Parcours meist fehlerfrei. Sie
ist bis S** platziert.“
er kompakte 13-jährige Holsteiner Hengst Casario II v.
Caretino kam mit zwölf Jahren in den Stall Sosath. Auffallend
bei dem Braunen ist die kurze
Rückenpartie. Dadurch fällt es ihm
schwer, im Rücken loszulassen,
elastisch zu schwingen und mit
der Hinterhand nach vorne durchzuschieben. „Es ist schwierig, ein
zwölfjähriges Pferd umzuformen.
Und es ist vielmehr die Frage,
ob man dies überhaupt machen
sollte. Denn Casario ist erfolgreich in internationalen schweren
Springen gestartet“, umreißt der
Ausbilder ein generelles Problem.
„Vielmehr sollte man versuchen,
die Rückentätigkeit anzuregen
und somit Verspannungen vorzubeugen bzw. zu beheben.“ Zu
Casarios Trainingsplan gehört
daher regelmäßige Arbeit an der
Doppellonge. Hendrik Sosath lässt
den Hengst über Stangen und
halbe Bodenricks traben und
galoppieren (Vorsicht, die Longe
kann im Bodenrick hängenbleiben!), damit er sich dehnt und
streckt. „Um die Rückentätigkeit anzuregen, bieten sich TrabGalopp-Übergänge an, weil das
Pferd dabei den Rücken aufwölbt
und die Muskulatur entspannt.
In Verbindung mit Trabstangen
(erst zwei Stangen auf 2,50 Meter
für zwei Tritte, später mehrere
Stangen auf 1,25 Meter für jeweils
einen Tritt) kann man das Pferd
abwechselnd eine Runde über
die Stangen longieren und in
der nächsten Runde galoppieren
lassen.“ Auch das Springen an der
Doppellonge empfiehlt Hendrik
Sosath. Er beginnt mit einem
Kreuzsprung mit Trabstange und
lässt Casario anschließend über
einen Steilsprung oder Oxer (nicht
T r ai ni ng sp ro gr amm
➊ Arbeit an der Doppellonge
➋ Trab- und Galoppstangen (Übergänge)
an der
Doppellonge
➌ An der Doppellonge spring
en
höher als einen Meter) springen.
Stangen vor (2,80 Meter) und
hinter (3 bis 3,30 Meter) dem
Sprung helfen dem Pferd, den
Rhythmus und die Linie zu halten.
„Casario ist seit der Arbeit an
der Doppellonge viel ausgeglichener und leistungsbereiter. Meine
Aufgabe ist es, diese Arbeit auch
unter dem Sattel fortzuführen, so
dass sich seine Rückenmuskulatur
dauerhaft lockert.“
➔ Mehr zur Ausbildung bei Exterieur-Problemen lesen sie im zweiten
Teil in der Dezember-Ausgabe
Durch Stangen als Begrenzung hinter dem Sprung ist Luzias konzentriert. Ihr Sprungablauf wird rund
und elastisch.
Tr ai ni ng sp ro gr amm
➊ Ablongieren mit Dreiecksa
➋ dressurmäßiges Reiten (Übusbindern
Tempiwechsel, große, geb
oge
ergänge,
➌ Stangen- und Cavalettiarbe ne Linien)
➍ Einzelsprünge mit seitlicher it
Begrenzung
Fotos: Hahn
problem:
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