Fan-Szene - Stadionwelt

Transcrição

Fan-Szene - Stadionwelt
Fan-Szene
Vorbereitung für das „kleine“ Intro am letzten Spieltag:
fahren in Norwegen und die Fankultur
dort mit erfunden. „1981 haben wir das erste Mal Busse gemietet und sind so mit 50
Leuten zu Aways in Norwegen gefahren.
In dieser Zeit war ich auch viel in London
und mit Arsenal unterwegs.“ Die skandinavische Fan-Kultur hat viel gemeinsam
mit der britischen, und Kjell brachte die
Melodien vieler Arsenal-Chants von der
Insel mit. Er verbrachte die langen Busfahrten damit, eigene ausgefeilte Texte auf
die Melodien zu setzen. So wuchs mit der
Zeit ein beachtliches Repertoire an Fangesängen.
Noch lange, bevor Klanen 1991 ofziell
gegründet wurde, hatte sich im Laufe der
80er eine Szene von mehreren hundert aktiven Vålerenga-Supportern entwickelt. Dies
war im Grunde immer nur Klanen. Weitere Fanclubs gab es nie, wenngleich die Organisation zahlreiche lose Gruppierungen
umfasst, wie unter anderem die Skinheads,
Punks, Casuals und Hooligans. Einen echten Stadtrivalen ndet Vålerenga in Oslo
nicht vor. „Im Verhältnis zu LYN gibt es
keine gewachsene Rivalität. Bei Brann und
Lilleström sieht das schon anders aus.“ Dies
sind dann auch fast schon die einzigen Fälle, bei denen Gewalt nennenswert ins Spiel
kommen kann. „In Norwegen geht man
geht zum Fußball, um Spaß zu haben und
zu supporten“, so Kjell. Wer nebenbei noch
anderes im Sinn hat, verabredet sich ohne
Aufsehen zu erregen mit der Gegenseite.
So ndet der norwegische Fußball selbst
dort, wo die Stadien ausverkauft sind,
fast gänzlich ohne Polizeipräsenz statt.
Auch für die Gäste-Fans. Nicht, dass die
Norweger nicht gerne feierten und einen
gewissen Bierkonsum vorweisen könnten
- aber der „Asi-Faktor“ ist nicht mit dem
in Deutschalnd zu vergleichen. Selbstverständlich gehören Emotionen und ein gesundes Maß an Pöbelei dazu, aber wie Kjell
Grønningen postuliert „repräsentiert man
als Supporter seinen Verein und benimmt
sich nicht daneben“.
Viele Mitglieder bedeuten Geld und
Einuss – aber hierum geht es gar nicht in
erster Linie. Klanen ist eine Autorität, und
man verfügt über Mittel. Dies zweifellos
auch, weil die maßgeblichen Kreise zwischen 25 und 50 Jahre alt sind und somit im
Vergleich zu jüngeren Organisationen einfach über mehr Finanzkraft verfügen. Vor
allen Dingen aber ist man geschäftstüchtig
58
Ein Dank an die gesamte Mannschaft für die Saisonleistung
und kompetent. Der ofzielle VålerengaShop, zum Beispiel, gehört zu 51% Klanen.
„Der Verein hat die Sache an uns herangetragen. Die konnten mit dem Shop eigentlich gar nichts anfangen. Jetzt machen wir
das, und der Laden ist wohl der erfolgreichste Fan-Shop in Norwegen“, erklärt
Kjell. Aber nicht nur das. Klanen ist sogar
zuständig für das Design der Vereinsartikel. „Die können es einfach nicht. Wir aber
wissen, wie es geht und was gefragt ist.“ So
nden Fans jeder Couleur im Laden etwas
– von den Supporters-Klamotten bis zum
Fähnchen mit Vereinsemblem. Anhand
der Besitzanteile ist auch abgesteckt, was
überhaupt verkauft wird. Mancher Vorschlag eines Sponsors hielt dem Urteil der
Klanen-Entscheider einfach nicht stand
und gelangte nie ins Sortiment. Man ist jedoch weder dogmatisch, noch dem Verein
gegenüber in irgendeiner Form feindselig
eingestellt. Man zieht an einem Strang, alles geschieht zum Wohl des Ganzen.
Einfluss ohne Einmischung
Klanen ist auch Betreiber des Sportspub
Bohemen. Die Kneipe mitten in Oslo ist einfach Fußball pur. Jede Ecke, jeder Quadratzentimeter an den Wänden und Decken
ist bestückt mit Fahnen, Schals, Fotos und
Erinnerungsstücken aller Art. Hier trifft
man sich vor und nach den VIF-Spielen.
Auf den Monitoren laufen Fußballübertragungen, man veranstaltet äußerst populäre
Quiz-Runden oder Darts-Turniere. Der Laden läuft, irgendwen trifft man hier immer.
Klanen macht beträchtliche Umsätze, ist
deswegen mittlerweile eine eingetragene
Firma. „Aber wir sind Fans, den anderen
Kram haben wir nicht gelernt“, gibt Kjell
zu. Den geschäftlichen Papierkram erledigt
also eine fachkundige Helferin, die wie alle
anderen auch, rein ehrenamtlich arbeitet.
Wer meint, dem Verein müsse es mulmig werden angesichts der Umtriebigkeit
des Supporters Clubs, irrt. Kjell Grønningen weiß, warum: „Die meisten von uns
sind schon 20 Jahre dabei, die beim Verein aber erst seit fünf Jahren. Man erkennt
dann auch an, was unsere Arbeit und Erfahrung wert sind. Der Verein weiß, dass
er ohne die Fans tot wäre. Spätestens, seit
er vor ein paar Jahren fast am Ende war.
Außerdem schätzt man die Tatsache, dass
wir ‚unser Haus’ sauber halten. Vor einiger
Foto: Stadionwelt
Zeit wollten sich Faschos in der Kurve breit
machen. Mit denen haben wir schnell aufgeräumt.“
Es besteht jedoch kein Interesse, sich in
die Vereinspolitik einzumischen. Selbst,
wenn Mitglieder des 10-köpgen KlanenVorstands an Vorstandssitzungen des
Vereins teilnehmen, sie vor einem Spielertransfer gelegentlich nach ihrer Meinung
gefragt werden und man um Dauerkartenpreise feilscht.
Nicht im Geringsten als ein Anbiederungsversuch kann vor diesem Hintergrund gewertet werden, dass kein Spieler
das Trikot mit der Nr. 12 trägt, sondern
dieses Klanen vorbehalten ist. Die Unterstützung durch die Fans ist anerkanntermaßen essenziell und sorgt für positives
Feedback: „Wir geben pro Jahr 300.000
bis 400.000 Kronen (ca. 40.000 Euro) für
Choreos aus. Dieses Jahr kam eine Spende vom Hauptsponsor in Höhe von 50.000
Kronen hinzu. Damit haben wir kein Problem. Denen gefällt, was wir machen, und
da an die Spende keine Verpichtungen
gekoppelt sind, nehmen wir das gerne an“,
offenbart Kjell.
Ihm liegt zweifellos viel an den Choreos, aber als „Old-school“-Supporter sieht
er die Fan-Welt mitunter aus einem anderen Blickwinkel als der Nachwuchs. Die
Jüngeren, wie Nimo Gasparini (19) und
Espen Hofseth (20), haben stets Italien im
Blick, pegen Kontakte mit europäischen
Ultra-Gruppen, tauschen Bilder und Fanzines. Nach deutscher Fan-Kultur gefragt,
amüsieren sie sich über die „Clowns“ mit
lustigen Hüten und gewissen bunten Westen. Aber man kennt etwa die UF und die
WH, und „bei den Vålerenga-Supportern
gibt es sowohl für den Verein FC St. Pauli wie auch dessen Fanszene einige Sympathien“, so Espen. Nimo ist Mitglied im
Vorstand von Klanen und übt sich dort
als Vertreter der Generation, die das Bild
mehr und mehr prägen wird, in Debatten.
„Es wird viel diskutiert. Die Jüngeren sähen gerne noch provokativere Tifos und
haben manchmal eine andere Auffassung.
Aber die Mischung von Alt und Jung ist
schon sehr gut beim Klanen“.
Nächstes Jahr werden sie als Supporter
des Champions League-Qualikanten VIF
wieder in europäischen Stadien zu erleben
sein - und den „Atmo-Hoppern“ einige
Pichttermine bescheren... ��
Ingo Partecke
Stadionwelt 12/2004

Documentos relacionados