Vor 80 Jahren begann mit Diesel-Schnelltriebwagen der

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Vor 80 Jahren begann mit Diesel-Schnelltriebwagen der
SVT 137 856, Bauart »Köln«
in Leipzig-Engelsdorf, 2006
Wolfgang Dath, Februar 2013
Vor 80 Jahren begann mit Diesel-Schnelltriebwagen
der Schienenschnellverkehr in Deutschland
Bereits Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts stellte die Deutsche
Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) Überlegungen für einen attraktiveren, auf 160 km/h
beschleunigten Fernschnellverkehr mit Dieseltriebzügen an. Nachdem die Industrie
betriebsfeste, schnell laufende Dieselmotoren entwickelt und Konzepte für stromlinienförmige Schnelltriebwagen vorgelegt hatte, wurde von der DRG im Februar
1932 ein erster zweiteiliger Schnelltriebwagen bei der Waggon- und Maschinenbau
AG Görlitz (WUMAG) bestellt. In der modernen Lackierung des Schnellverkehrs in
violett-beige und mit der Betriebsnummer 877 a/b versehen, wurde er Ende 1932
ausgeliefert und im Februar 1933 abgenommen. Installiert waren zwei MaybachDieselmotoren G 05 mit einer Leistung von je 302 kW/410 PS.
Am 15. Mai 1933, mit Abfahrt in Berlin Lehrter Bahnhof morgens um 8:02 Uhr, wurde
der tägliche Betrieb zwischen Berlin Lehrter Bahnhof und Altona Hauptbahnhof über
Hamburg Hauptbahnhof aufgenommen. Für die 286 km lange Strecke bis Hamburg
Hauptbahnhof benötigte der Schnelltriebwagen 138 Minuten, was damals mit einer
Reisegeschwindigkeit von 123 km/h die weltweit schnellste Zugverbindung darstellte.
Somit wurde vor 80 Jahren der regelmäßige Schienenschnellverkehr
eingerichtet, der als Vorläufer der heutigen Shinkansen-, TGV- und ICENetze gelten kann.
Medien und Volksmund legten dem schnellen und attraktiven Fahrzeug schon bald
die Bezeichnung “Fliegender Hamburger“ bei. Aufgrund der steigenden Nachfrage
folgten dem “Fliegenden Hamburger“ bald weitere Diesel-Schnelltriebwagen der
Bauart »Hamburg« (SVT – Abk. für Schnellverkehrs-Verbrennungsmotor-Triebwagen
– 137 149 bis 152 und 137 224 bis 232). Ab 1935 entstanden bei der WUMAG in
Görlitz dreizehn zweiteilige dieselelektrische Triebwagen dieser Bauart, mit denen
die DRG neue Linien von Berlin nach Köln und Frankfurt (M) einrichtete.
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Diesel-Schnelltriebwagen 877 a/b »Fliegender Hamburger«,
FDt 1 in Altona Hbf am 18. Mai 1933
Dreiteiliger dieselhydraulischer SVT Bauart »Leipzig«,
als FDt 46 Beuthen – Breslau – Bln-Charlottenburg
Der Aufbau des im Wesentlichen sternförmig von Berlin ausgehenden Schnellverkehrsnetzes sorgte weltweit für Aufsehen. Von der nicht-bahnamtlichen Öffentlichkeit wurden die Schnelltriebwagen inzwischen “Fliegende Züge“ und – nach dem
Vorbild des “Fliegenden Hamburgers“ – nach ihren Zielorten, z. B. “Fliegender Münchner“, “Fliegender Schlesier“ usw., benannt.
Das deutschlandweite Schnellverkehrsnetz wurde von der nationalsozialistischen
Diktatur propagandistisch ausgeschlachtet und als eigene Errungenschaft gefeiert,
obwohl die Grundzüge des Systems von der DRG und der Schienenfahrzeugindustrie
bereits vor 1933 ausgearbeitet worden waren.
Ab 1936 wurden die Züge auch von Berlin Anhalter Bahnhof über Leipzig und Nürnberg nach München und Stuttgart eingesetzt, wobei die paarweise fahrenden Zugverbände ab Nürnberg getrennt (“geflügelt“) nach München bzw. Stuttgart fuhren. Im
gleichen Jahr richtete die DRG mit den von den Linke-Hofmann-Werken (LHW) in
Breslau gelieferten dreiteiligen SVT der Bauart »Leipzig« erstmals eine Triebwagenverbindung auf der Strecke Berlin Stadtbahn – Breslau – Beuthen ein. Zu Vergleichszwecken wurden zwei Züge (SVT 137 153 und 154) mit dieselhydraulischem
und zwei (SVT 137 233 und 234) mit dieselelektrischem Antrieb in Dienst gestellt.
1938 beschaffte die Deutsche Reichsbahn (DRB) – mit dem “Gesetz zur Neuregelung der Verhältnisse der Reichsmark und der Deutschen Reichsbahn“ vom Februar
1937 verlor sie ihren Gesellschaftsstatus und wurde nun Staatsbahn – bei den LHW
in Breslau 14 dreiteilige SVT der Bauart »Köln« mit den Betriebsnummern 137 273 –
278 und 137 851 – 858. Die gut 70 m langen Triebzüge waren stark motorisiert und
sehr komfortabel ausgerüstet, ein Gesamtgewicht von 170 t wurde erreicht. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit lag dennoch wie bei allen Vorkriegs-SVT bei
160 km/h. Mit diesen SVT bediente die DRB die Strecken Berlin – Basel SBB, Berlin
– Stuttgart/München, Dortmund – Basel SBB und (in Doppeltraktion) Berlin – Köln.
Mit den nun insgesamt 32 Schnelltriebwagen wurde ein Netz so genannter FDt-Züge 1
durch ganz Deutschland bedient.
Sehr interessante Weiterentwicklungen, die als Bauarten »Kruckenberg« (SVT 137 155
– dieser dreiteilige Schnelltriebwagen erreichte bei einer Versuchsfahrt am 23.6.1939
von Berlin nach Hamburg 215 km/h) und »Berlin« (SVT 137 901 bis 903) in die Geschichte eingingen, konnten ihre Leistungsfähigkeit nicht mehr unter Beweis stellen,
da mit Kriegsbeginn 1939 der SVT-Verkehr zur Brennstoffeinsparung und zur
Trassenfreihaltung für Militärtransporte eingestellt wurde. Einige der Fahrzeuge wurden im Krieg zweckentfremdet als Büro, Befehlshaberwagen oder Notstromaggregat
genutzt.
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FDt = Fern-D-Zug mit Triebwagen
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SVT 137 853, Bauart »Köln«, nach Ankunft als FDt 34 aus Bln Anhalter
Bahnhof in Basel SBB, Juli 1939
Konstruktionsplan SVT »Kruckenberg«
Farbstiftzeichnung Dipl.-Ing. Peter Thiele, 1998
Nachkriegszeit
Nach Beendigung des Krieges war angesichts zerbombter Bahnhöfe, gesprengter
Brücken und zerstörten Rollmaterials zunächst nicht an die Reaktivierung des
Schnellverkehrsnetzes zu denken. Doch bald kamen einige Schnelltriebwagen auf
notdürftig reparierten Strecken wieder in Fahrt – jedoch nicht für den allgemeinen
Reiseverkehr: Die Alliierten Besatzungsmächte hatten einige dieser damals modernsten Schienenfahrzeuge requiriert. Die Fahrzeuge wurden zu Lazerettzügen,
fahrenden Büros und Salontriebzügen umgebaut und leisteten den Siegermächten
bei der Ausübung ihrer Kontroll- und Regierungsfunktionen wertvolle Dienste.
Schnelltriebwagen in der Sowjetischen Besatzungszone
Erst 1949 konnte die Deutsche Reichsbahn (DR) wieder einen Schnelltriebwagen in
Betrieb nehmen und damit einen hochwertigen, für die damaligen Zeiten recht
schnellen Verkehr anbieten. Erstaunlicherweise war hier die sowjetische Besatzungszone (SBZ) der Vorreiter. Die Deutsche Reichsbahn (DR) in diesem Teil
Deutschlands hatte vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr die sowjetische Besatzungszone und später die DDR zu repräsentieren.
Es liegt auf der Hand, dass man bestrebt war, für die Fahrten in den anderen Teil
Deutschlands und in das Ausland moderne Fahrzeuge einzusetzen. Die Verantwortlichen hatten sicherlich noch den Einsatz der Schnelltriebwagen bei der Vorkriegsreichsbahn miterlebt und wussten somit von der Werbewirksamkeit dieser Züge, die
ja in den dreißiger Jahren Weltspitzenleistungen erbracht hatten. Die farbenfrohe
Lackierung aus der Vorkriegszeit unterstrich das Besondere der Triebwagen und hob
sie aus dem Einheitsgrün der anderen Reisezugwagen heraus. Es verwundert nicht,
dass die DR aus diesen Gründen schon recht früh bestrebt war, einige Triebwagenverbindungen einzurichten.
Im Februar 1949 kam mit dem SVT 137 273 (Bauart »Köln«) der erste Schnelltriebwagen für zivile Zwecke zur Triebwagengruppe in Berlin, welche ihn zunächst im
Sonderverkehr einsetzte. Nach mehrwöchigem Einsatz zwischen Berlin und Probstzella mit Anschluss nach München wurde der SVT ab 10. September 1949 im Interzonenverkehr zwischen Berlin Friedrichstraße und Hamburg-Altona eingesetzt. In der
sowjetischen Besatzungszone ist damit erstmals nach dem Kriege wieder eine Fahrgeschwindigkeit von 120 km/h zugelassen worden.
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Schnelltriebwagen bei der Bundesbahn
Die “Betriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen“ (SWDE) in der französischen Besatzungszone setzte ab 2. Oktober 1949 ihren einzigen SVT, den
04 000, ex 877 a/b »Fliegender Hamburger« mit 2. und 3. Klasse, als “Rhein-MainExpress“ zwischen Basel Badischer Bf und Frankfurt (M) ein. Ab Sommerfahrplan
1950 nahm die inzwischen gegründete Deutsche Bundesbahn (DB) mit drei generalüberholten SVT Bauart »Köln« (VT 06 103, 104 und 110, ex SVT 137 276, -277 und
857) auf dem FT-Kurs 2 von Frankfurt (M) nach Hamburg und von dort nach Köln
den VT-Einsatz auf. Im Winter-Fahrplan 1950/51 fuhren Frankfurter SVT »Köln«
auch den “Rhein-Main-Express“ des inzwischen schadhaft abgestellten VT 04 000
nach Basel SBB. Mit diesen und zwei weiteren auf hydraulische Kraftübertragung
umgebauten SVT »Köln« (VT 06 501 und -502, ex 137 275 und -858) und einem reaktivierten, auf hydraulische Kraftübertragung umgebauten SVT der Bauart »Hamburg« (VT 04 501, ex 137 227) richtete die DB 1951 in Dortmund einen neuen SVTStützpunkt für drei, später vier neue FT-Kurse nach Basel, München und Regensburg ein, die ab 1953 als “Rheinblitz“ berühmt wurden. Aus den bei der DB vorgefundenen zwei neu angefertigten 800-PS-Maschinenwagen stellte man zwei dreiteilige
dieselhydraulische Schnelltriebwagen mit den Betriebsnummern VT 07 501 und -502
zusammen, die auch in der “Rheinblitz“-Gruppe zum Einsatz kamen, während die
beiden auf hydraulischen Antrieb umgebauten VT 06 501 und -502 ausgemustert
wurden.
Einige Triebwagen der Bauarten »Hamburg« und »Köln« mussten weiterhin für
die US-Army vorgehalten werden.
SVT 06 108, Bauart »Köln«, als Salontriebwagen für US-Generäle
bzw. für US-Militärgouverneur Lucius D. Clay, 1946
Ab 1952 verstärkten dann 14 Neubau-Triebzüge VT 08.5 als dreiteilige, später auch
vierteilige Einheiten, die bei Bedarf mit zwei 1000-PS-Maschinenwagen zusammengestellt werden konnten, den Triebwagenbestand der DB. Ab 1954 bestand die
“Rheinblitz“-Gruppe aus fünf FT-Kursen mit einer täglichen Laufleistung von
6.300 km. Zum Sommerfahrplan 1958 schieden die sechs Vorkriegs-SVT »Köln« aus
dem Fahrzeugbestand des Triebwagen-Stützpunkts Dortmund aus, wobei vier davon
in Köln neue Einsatzmöglichkeiten in den FT-Kursen nach Hannover fanden. Die
“Rheinblitz“-Gruppe wurde daraufhin planmäßig nur noch aus VT 08 gebildet. Im
Sommer 1959, nach Elektrifizierung der linken Rheinstrecke, ersetzte man die
Schnelltriebwagen durch lokbespannte F-Züge. Die SVT »Köln« mussten wegen
häufigen Beanstandungen der Laufruhe nach Heraufsetzung der zulässigen Strecken-Höchstgeschwindigkeit auf 135 km/h im August 1959 durch VT 08 ersetzt werStatt des Vorkriegsbegriffs FDt für ’Fernschnellzug mit Triebwagen’ wurde jetzt überwiegend FT
(nicht selten aber weiterhin FDt oder auch Ft) verwendet.
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den. Übrig blieb nur der blaue VT »Köln« 06 106, der als US-Botschafterzug seinen
Standort in Mehlem bei Bonn hatte und dem US-Botschafter auf seinen Fahrten u.a.
nach Berlin diente. 1963 wurde er der DB übergeben, die ihn ausmusterte und dem
Eisenbahn-Sportverein (ESV) zur Verfügung stellte. In zwei Teilen steht er in Konstanz und Travemünde.
Schnelltriebwagen in der DDR
Auch in der DDR konnten weitere Fahrzeuge in Betrieb genommen werden. Bis Mitte
1950 waren mit SVT 137 278 (zur Sicherung des Hamburg-Verkehrs) und 137 154
zwei weitere Fahrzeuge in den Einsatzbestand gekommen. Ende 1950 konnte dann
die erste internationale Triebwagenverbindung der DR von Berlin nach Prag aufgenommen werden. In den bei der DR vorhandenen Schadtriebwagen fanden sich damals viele verschiedene Motoren- bzw. Getriebetypen. Da es für diese an Ersatzteilen mangelte, konnte die Anzahl der einsatzfähigen Schnelltriebwagen nur langsam gesteigert werden. Außerdem waren die betriebsfähigen Triebwagen zunächst
recht störanfällig. 1951 wurde ein weiteres Fahrzeug der Bauart „Leipzig“, der
137 233, fertig gestellt. 1952 kam mit dem 137 225 ein zum Salontriebwagen umgebauter Schnelltriebwagen der Bauart „Hamburg“ für Sonderzwecke in den Betriebspark der DR.
Die DR versuchte aber auch weitere Schnelltriebwagen für den zivilen Dienst einzusetzen. Deshalb nahm sie Verhandlungen mit den Bahnen der benachbarten Staaten
auf, um von diesen Vorkriegsfahrzeuge übernehmen zu können. Da ein mit der DB
angestrebtes Tauschgeschäft bezüglich einiger Mittel- und Steuerwagen von SVT
der Bauart »Berlin« nicht zum Erfolg führte, wurden ehemals niederländische Elektrotriebwagen an den vorgefundenen Maschinenwagen 137 902 a angepasst. Mit
dem so aufgebauten Fahrzeug hatte die DR aber wenig Glück. Der 1955 aufgebaute
Zug war häufig schadhaft und musste schon im Oktober 1959 wieder abgestellt werden. Weitere Triebwagen konnte die DR in den fünfziger Jahren von anderen Bahnverwaltungen übernehmen. Aus Polen kam der 137 234 der Bauart »Leipzig«. Dieser
Zug erhielt bis 1956 eine Generalreparatur, dabei wurde der seit Kriegsende schadhaft abgestellte SVT 137 226 b als zweiter Mittelwagen zur Bildung einer vierteiligen
Einheit hergerichtet. Von den tschechoslowakischen Staatsbahnen (ČSD) erhielt die
DR den SVT 137 852, einen Triebwagen der Bauart »Köln«, den das
Raw Wittenberge bis 1957 als Reserve für den internationalen Einsatz aufbaute.
Neue Triebwagen aus Ungarn und alte aus dem Westen für die DR
Aufgrund der Probleme mit den Altbaufahrzeugen und um das Netz der Triebwagenverbindungen auszubauen, machte man sich Anfang der fünfziger Jahre Gedanken
über die Anschaffung neuer Fahrzeuge. Das Projekt, Triebwagen im eigenen Land
zu entwickeln und zu bauen, musste jedoch zunächst wieder verworfen werden, da
die Industrie in der DDR dafür vorläufig keine Kapazitäten aufwies. Die tschechoslowakischen Staatsbahnen beschafften seinerzeit von der Lokomotiv- und Waggonfabrik Ganz in Ungarn neue dreiteilige dieselmechanische Schnelltriebwagen.
Auch die DR interessierte sich nun für diese Fahrzeuge und bestellte zunächst drei
Einheiten. 1954 kamen die als VT 14.12 bezeichneten Triebzüge zum VT-Bw Karlshorst nach Berlin. Nach der Durchführung von Versuchs- und Probefahrten wurden
die Züge Ende 1954 im Weihnachtsreiseverkehr nach Erfurt eingesetzt. 1955 folgten
weitere Einsätze im Inlandsverkehr, ab Sommer 1955 auch nach Hamburg. Insgesamt schätzte man zwar nach einigen Jahren ein, dass die Fahrzeuge den Anforderungen in den für sie vorgesehenen Betriebseinsätzen entsprochen haben, aber die
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Laufeigenschaften der Züge befriedigten nicht. Die DR beschaffte keine weiteren
Züge aus Ungarn.
Mit den durch die ungarischen Triebwagen freigesetzten SVT dehnte die DR das
Netz ihrer internationalen Verbindungen weiter aus. Als nächste neue hochwertige
Zugverbindung wurde 1955 der “Saßnitz-Expreß“ zwischen Saßnitz und München
eingeführt. Allerdings wurde die Relation nur drei Sommer mit Schnelltriebwagen
befahren und schon 1957 wegen mangelnder Nachfrage wieder eingestellt.
Im Jahre 1956 verständigten sich die Bahnverwaltungen der DDR, der Tschechoslowakei und Österreichs über die Schaffung einer später sehr erfolgreichen Tagesverbindung zwischen Berlin und Wien über Dresden und Prag. 1957 konnten erstmals FDt 54 und 55 verkehren. Der Zug erhielt auf Wunsch der Österreichischen
Bundesbahn (ÖBB) den von der lateinischen Bezeichnung des Zielortes abgeleiteten
Namen „Vindobona". Bis 1960 setzte die DR nun auf der Relation täglich je einen
Schnelltriebwagen in jeder Richtung ein, dann stellte die ČSD für einige Zeit die
Triebwagen. Von Mai 1962 bis Mai 1964 verkehrten ÖBB-Triebwagen zwischen
Wien und Berlin, so dass auch mit dieser Bahngesellschaft ein Naturalausgleich
stattfand.
Die DB hatte inzwischen für das 1957 in
Betrieb gegangene, die europäischen
Metropolen verbindende TEE-Netz einen neuen Schnelltriebwagen, den
VT 11.5, beschafft. Mit der Zuführung
der Neubaufahrzeuge konnten die Vorkriegstriebwagen abgestellt und zum
Verkauf angeboten werden. 1958 nutzte
die DR dieses Angebot und füllte ihren
Fahrzeugbestand mit den SVT 137 152,
-227, -231, -232, -275, -853, -856 und
-858 der Bauarten »Hamburg« und
»Köln« auf.
VT 11.5 (später BR 601); im DB-Museum Nürnberg, 2010
Nach der Aufarbeitung dieser Fahrzeuge war es auch möglich neue Verbindungen
anzubieten. 1959 richtete die DR mit dem “Berolina“ eine neue Tagesverbindung auf
der Strecke Berlin – Warschau – Brest ein. Ab 1960 fuhren Berliner Triebwagen auch
als “Hungaria“ nach Budapest.
Im gleichen Jahr verbesserte sich die Anbindung Dänemarks mit Einführung des
“Neptun“ zur Fähre in Warnemünde. Das durch die Triebwagen der DR bediente
Netz erreichte damit die größte Ausdehnung.
Die doch schon recht betagten Altbautriebwagen wurden bei den angestrengten Einsätzen stark beansprucht. Vor allem auf den Kursen nach Wien und Budapest, auf
denen lange Steigungsstrecken zu bewältigen waren, dürfte den Wagen das Letzte
abverlangt worden sein. Besonders die Triebwagen der Bauart »Leipzig«, die einen
zusätzlichen Mittelwagen erhalten hatten, waren damit überfordert. 1960 fiel der
SVT 137 234 aus. Er wurde dann zu einem dreiteiligen Salontriebwagen umgestaltet.
Auch die anderen beiden Fahrzeuge dieses Typs setzte man nicht mehr im internationalen Dienst ein. Die Hauptlast des Verkehrs lag nun auf den Zügen der Bauart
»Köln«, die nur auf der Strecke nach Warnemünde durch die SVT »Hamburg« und
auf den Strecken nach Hamburg und Brest durch die Wagen der Bauart »Ganz« un-
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terstützt wurden. Leider erlitt im Herbst 1960 der SVT 137 275 auf der Fahrt nach
Budapest einen Brandschaden und musste ausgemustert werden.
Anfang der sechziger Jahre befand sich der Park der Altbautriebwagen in einem Zustand, in dem kein wirtschaftlicher Betrieb der SVT mehr möglich war. Durch die
hohe Störanfälligkeit verschiedener Aggregate wie Dieselmotor, Heizung und der
elektrischen Anlage sowie durch die ungenügende Bereitstellung von Ersatzteilen
ergab sich 1963 ein Ausbesserungsstand von 50 – 60%. Für die folgenden Jahre
befürchtete man sogar den völligen Ausfall der SVT »Köln«, da sich die vorhandenen
Dieselmotoren nicht mehr aufarbeiten ließen. Für die SVT »Köln« und »Hamburg«
wäre eine Grundüberholung nötig geworden. Da man den Triebwageneinsatz im internationalen Verkehr als unbedingt notwendig ansah, wurde festgelegt, dass die als
Ersatz für die Neubautriebwagen der Bauart »Görlitz«, deren Auslieferung sich
DR-SVT 137 853, Bauart »Köln«, in Berlin Ostkreuz, 6. April 1970
DR-VT 18.16.10, Bauart »Görlitz«, auf einer Ostseefähre; Sonderfahrt Berlin – Warnemünde – Gedser und zurück, 2003
aufgrund von Terminschwierigkeiten des Lieferwerkes stark verzögert hatte, nötigen
fünf SVT »Köln« im Rahmen einer Generalreparatur zu modernisieren, um mit
diesen Fahrzeugen die internationalen Verkehrsverpflichtungen erfüllen zu können.
Die anderen Altbaufahrzeuge sollten dagegen nur so lange dies mit geringem
Aufwand möglich war erhalten und dann ausgemustert werden.
Von 1963 bis 1968 lieferte der Waggonbau Görlitz insgesamt acht Triebzüge, zwei
Reservemaschinenwagen und sechs zusätzliche Mittelwagen der Bauart »Görlitz«
an die DR. Diese verdrängten dann die Altbautriebwagen zunächst aus den internationalen Diensten. Ab 31. Mai 1964 erfolgten die ersten Regeleinsätze des
VT 18.16.01 auf der neu eingerichteten Verbindung nach Kopenhagen als “Neptun“
im Wechsel mit SVT »Köln«. Im darauf folgenden Winterfahrplan wurden zwei Zugpaare zwischen Berlin und Prag eingesetzt, wobei Ex 352/353 von Berlin aus mit
SVT »Köln« und dem Vorserienzug VT 18.16.01 gefahren wurde, und von Prag aus
Ex 354/355 mit ČSD-Triebwagen der Bauart »Ganz«.
Seit Mai 1966 hatte die DR turnusmäßig auch wieder Triebwagen für den Ex 54/55
“Vindobona“ nach Wien zu stellen. Im Mai 1966 war zwar auch der dritte Zug der
Bauart »Görlitz« in Dienst gestellt worden, der Bestand reichte aber dennoch nicht
aus, um “Neptun“ und “Vindobona“ mit diesen VT zu fahren. Deshalb setzte man
vorerst vierteilige Triebwagen der Bauart »Köln« ein, gekuppelt mit zweiteiligen
Triebwagen der Bauart »Hamburg«. Da die doch schon recht betagten Fahrzeuge
trotz einer inzwischen durchgeführten Rekonstruktion den Anforderungen nicht mehr
gewachsen waren, verwendete man nach wenigen Monaten doch »Görlitzer« auf der
Relation nach Wien.
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Schwanengesang
Mit Auslieferung weiterer VT der Bauart »Görlitz« wurden auf den internationalen
Expressverbindungen immer mehr Altbautriebwagen freigesetzt und nun auf Inlandsverbindungen genutzt. Mit den Triebwagen der Bauarten »Hamburg« und »Ganz«
konnten so 1967 und 1968 einige Zugpaare auf den Strecken Berlin – Frankfurt/Oder
und Berlin – Neubrandenburg gefahren werden. Weiterhin war im Mai 1967 die spöttisch auch als “Sorbenschleuder“ bezeichnete Verbindung zwischen Berlin und Bautzen eingerichtet worden. Auf dieser Strecke wurden in den folgenden Jahren die erwähnten Altbautriebwagen und später auch bis zu ihrer Außerbetriebsetzung die
SVT »Köln« abgefahren. Ab 1. Juni 1969 setzte die DR die SVT »Köln« noch für einige Wochen als Ex 147/148 “Karlex“ nach Karlovy Vary ein. Mit Wegfall der DRLeistung nach Wien wurden diese aber dann von VT »Görlitz« abgelöst. Damit fuhr
kein Altbautriebwagen der DR mehr planmäßig im internationalen Dienst.
In der ersten Hälfte der siebziger Jahre wurden mit den 12.14.01, 12.14.02 d,
12.14.03, 137 152, -231, -232, -852 c und -858 einige teilweise schon jahrelang abgestellte Trieb- und Mittelwagen ausgemustert. Während die Triebwagen meist kurz
darauf zerlegt wurden, fand man für einige Mittelwagen der Bauarten »Ganz« und
»Köln« noch andere Verwendungen. Überliefert ist der Einsatz der Mittelwagen als
Unterkunft für Schneeräumkräfte in Berlin-Rummelsburg, als Kantinenwagen in
Berlin-Karlshorst und in Wustermark, sowie als Ferienunterkunft des Bw BerlinPankow im Bahnhof Wandlitzsee. 1975 waren mit 137 225, -273, -278, -853 und
-856 nur noch wenige SVT älterer Bauart im Einsatzbestand. Der SVT 137 234 war
im Dezember 1973 abgestellt worden, die SVT 137 278 und -853 in den folgenden
Jahren. Ende der siebziger Jahre waren somit nur noch die SVT 137 225, -273 und
-856 im Einsatzbestand.
Die beiden SVT »Köln« mussten ab 19. Januar 1978 aufgrund der angespannten
Instandhaltungssituation nochmals für einige Zeit als Ex 162/163 für die VT »Görlitz«
einspringen. Dann dienten sie noch als Reserve, bis auch sie am 30. März 1979
(856) und am 30. September 1980 (273) endgültig abgestellt wurden. Später wurden
sie noch etliche Jahre als fahrbare Büros und Ersatzteillager genutzt, bis sie im Mai
1990 ausgemustert wurden.
Stumme Zeitzeugen
Nur wenige Fahrzeuge erinnern heute noch an die große Zeit der Vorkriegs-Schnelltriebwagen. Keiner der Triebwagen ist z. Z. betriebsfähig. So kann man leider das
typische Brummen der Dieselmotoren nicht mehr hören.
Der VT 04 000 (ex VT 877), der 1957 bei der DB aus dem Betrieb genommen worden war, blieb leider nicht vollständig erhalten. Heute kann nur noch das Kopfteil des
a-Wagens im Verkehrsmuseum Nürnberg besichtigt werden.
Der VT 06 104 (ex 137 277 »Köln«) wurde 1959 von der DB ausgemustert, ist aber
später von der Linke-Hofmann-Busch GmbH (LHB) gekauft und ohne Mittelwagen im
Werksmuseum in Salzgitter aufgestellt worden.
1963 ist der bis dahin vom US-Botschafter in Bonn genutzte VT 06 106 (ex 137 851
»Köln«) an die DB übergeben worden, die den Zug dem Eisenbahn-Sportverein zur
Verfügung stellte. Teile des Zuges werden seit dem in Lübeck-Travemünde und Konstanz als Klubheim genutzt.
Den Salontriebwagen 183 252 (ex 137 225) der Bauart »Hamburg« stellte die DR 1981
ab und übereignete ihn dem Verkehrsmuseum Dresden. 1991 konnte er im Bw Leipzig
Süd aufgearbeitet werden und war dann einige Jahre als betriebsfähiges Museums-
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fahrzeug im Einsatz. In der Halle des Leipziger Hauptbahnhofs konnte ein recht geschützter Abstellort für das Fahrzeug des DB Museum Nürnberg gefunden werden.
Der Salontriebwagen 183 251 (ex 137 234) der Bauart »Leipzig« war schon seit 1973
nicht mehr von der DDR-Regierung genutzt worden, hatte aber jahrelang im S-BahnSchuppen Velten einen geschützten Abstellplatz. 1990 übernahm der EisenbahnKurier Verlag das Fahrzeug. Im Bw Leipzig Süd wurde es äußerlich aufgearbeitet.
Heute steht der SVT in Delitzsch.
Die vom Diesel-Schnelltriebwagen der Bauart „Kruckenberg“ (SVT 137 155) erhalten
gebliebenen Teile – Motor, Föttinger-Getriebe, Treibradsatzgruppe, Wagenkastenteil –
wurden im Verkehrsmuseum Dresden zu einem Strukturmodell eines Endwagenkopfes ergänzt und zusammengefasst. Leider wurde dieses interessante Exponat
mittlerweile in ein Depot ausgelagert und ist z. Z. nicht für Besucher zugänglich.
Ein DR-SVT der Bauart »Köln«, der 137 856, diente nach seiner Ausmusterung
(1979) in Berlin-Schöneweide als Baubüro. Er wurde nach der Wende als Ersatzteilspender für den 137 234 gekauft und anschließend zum Bw Leipzig Hbf Süd überführt. Im Jahr 2000 ging er an den zum selben Zeitpunkt gegründeten Förderverein
Diesel-Schnelltriebwagen (SVT) e.V. über. Im ehemaligen Raw Leipzig-Engelsdorf,
und im “Schienenfahrzeugwerk“ (SFW); später Euromaint Rail GmbH, in Delitzsch,
wurden alle Wagenteile aufgearbeitet und konserviert. Dabei wurde die Inneneinrichtung des Speisewagens soweit wie möglich dem Erscheinungsbild von 1938
angenähert und wieder mit einer voll funktionsfähigen Küche komplettiert. Ein vollständig eingerichtetes Reisezugabteil, weitere Reisezugsitzabteile, Schlafraum für
die Betreuungsmannschaft, Sanitäreinrichtung, Ausstellungs-Doppelabteile – eines
davon mit einer Erinnerungsausstellung über die Zeit des Triebwagens in Diensten
der US-Army in Deutschland – und ein großer Ausstellungs-, Vortrags-, Konferenzund Kinoraum wurden ebenfalls eingebaut.
Obwohl der Triebwagen bisher nur ein schleppfähiges Fahrzeug darstellt, konnte er
mit diesen Einrichtungen einen außergewöhnlichen Rahmen für Veranstaltungen und
Begegnungen verschiedenster Art (Schriftstellerlesung, Dinner im Stil der Roaring
Twenties, Historikervorträge usw.) bieten. Seine Präsentationen 2008 in Delitzsch
zur 100-Jahrfeier des SFW, 2010 in Halle (Saale) zum Eisenbahnjubiläum, 2011 in
Dresden zum 3. Dampfloktreffen und in Friedrichshafen als Gast des Zeppelin
Museums begeisterten Tausende Besucher.
Mittlerweile haben die Arbeiten am Triebwagen eine neue Qualität erreicht: Mit Hochdruck laufen die Vorbereitungen zum Einbau der ersten Antriebsanlage und für die
Hauptuntersuchung. Damit rückt das Ziel des Fördervereins Diesel-Schnelltriebwagen (SVT) e. V., den weltweit einzigen historischen Diesel-Schnelltriebwagen mit
originalen Maybach-Motoren wieder auf den Eisenbahnstrecken, auf denen er einst
für Furore sorgte, aus eigener Kraft auf Reisen erleben zu können, in greifbare Nähe.
Auch in der Eisenbahn-Museumswelt wäre das einzigartig.
Fotos von der Wiederaufarbeitung des SVT 137 856, Bauart »Köln« (vgl. auch Foto auf Seite 1, oben)
Erster Probeanstrich, Leipzig-Engelsdorf, 2004
Innenausbau, Delitzsch, 2006
Fertig gestellter Speiseraum, 2011

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