kovalenter radius
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kovalenter radius
65 10 Die chemische Bindung (I) Die meisten Elemente neigen stärker zu Bindungen als zum atomaren Zustand (Ausnahme: Edelgase), da durch die chemische Bindung ein Zustand geringerer Energie realisiert wird. 10.1 Überblick Zusammenhalt von Atomen in Molekülen (Chemische Verbindung) Molekülen in Molekülverbänden (Molekülverbindungen, Kristalle, Einschlussverbindungen) Stärke des Zusammenhalts entspricht der Bindungsenergie (erforderlicher Energiebetrag, um die betreffende Bindung zu spalten) 50-1000 kJ/mol Hauptvalenzbindungen < 50 kJ/mol Nebenvalenzbindungen Bei den innerhalb der Moleküle wirksamen Hauptvalenzbindungen unterscheidet man drei Grenzfälle: kovalente, ionische und metallische Bindung. Diese treten selten rein auf, meist liegen Übergänge zwischen den drei Grenzfällen vor, wobei einer davon überwiegt. zwischenmolekulare Bindungen (Kräfte): Wasserstoffbrückenbindung van - der - Waals-Kräfte Londonkräfte Während die Hauptvalenzbindung unmittelbar mit der starken Überlappung und Interferenz von Atomorbitalen zusammenhängt, existieren die zwischenmolekularen Kräfte auch bei verschwindender Überlappung. „Sättigung der zur Verfügung stehenden Valenzorbitale“ entspricht maximaler Bindigkeit Ein Molekül kann mit einer beliebig großen Zahl von Partnern gleichzeitig in Wechselwirkung treten, sofern dies räumliche Ansprüche der einzelnen Moleküle nicht verbieten. Nebenvalenzbindungen beruhen im wesentlichen auf der elektrostatischen Wechselwirkung der Ladungsverteilung der Monomeren. Eine besonders wichtige Form von Nebenvalenzbindung ist die Wasserstoffbrückenbindung, für deren Ausbildung das Vorhandensein von Wasserstoff-Atomen auf der einen und Atomen mit einsamen Elektronenpaaren auf der anderen Seite wesentlich sind. X H X H 66 Hauptvalenzbindungen Kovalente Bindung: gerichtete Bindung zwischen Atomen (Atombindung) durch bindende („gemeinsame“) Elektronenpaare Cl.(g) + Cl.(g) Cl Cl(g) Ionische Bindung: Elektrostatische Kräfte zwischen Kationen und Anionen (ungerichtet, stark) Na(s) + 1 2 Cl2(g) Metall Nichtmetall NaCl(s) ({Na+Cl-}n) Ionengitter ("Riesenmolekül") Metallische Bindung: Bindungskräfte zwischen positiven Atomrümpfen (Elektronengasmodell), ungerichtet, wechselnde Stärke nM(g) und delokalisierten {M}n(s) dichtgepackte Metallstrukturen Elektronen M = Metallatom 67 10.2 Kovalente Bindung (Atombindung) Gerichtete Bindung zwischen zwei Atomen Zwei H-Atome verbinden sich zu einem Diwasserstoff-Molekül unter Energiefreisetzung (Erreichung eines Zustandes niedrigerer Energie). z y (a) x (b) Großer Abstand keine Wechselwirkung (c) Atomorbitale beginnen mit der Wechselwirkung (d) (e ) 68 Die Bildung der Atombindung im H2-Molekül: (a) Wahrscheinlichkeitselektronendichte im 1s-Atomorbital des Wasserstoffs. (b) Die kugelförmige Oberfläche, die 90 % der Elektronendichte in sich einschließt. (c) Zwei Wasserstoffatome, die hinreichend weit voneinander entfernt sind, werden sich einander nicht beeinflussen. (d) Während sich die Atome einander nähern, beginnt jede Elektronenwolke auf die Anziehung durch den Kern des anderen Atoms zu reagieren. Die Elektronenwolken werden mehr und mehr verzerrt, und die Elektronendichte nimmt im Bereich zwischen den Atomkernen zu. (e) In noch größerer Nähe wird die Abstoßung zwischen den Atomkernen spürbar. Der Gleichgewichtsbindungsabstand im H2-Molekül ist dann erreicht, wenn ein Gleichgewicht zwischen Anziehung und Abstoßung herrscht. Wenn wir die Atome auseinanderziehen, versuchen die Anziehungskräfte, die Atome in ihre Gleichgewichtslage zurückzuziehen. Drängen wir sie zusammen, stoßen die Abstoßungskräfte die Atome auseinander. Die beiden Atome verhalten sich dabei fast so, als ob sie durch eine Feder miteinander verbunden wären. Der durch diese Gleichgewichtsbedingung bestimmte Gleichgewichtsabstand ist das, was wir normalerweise meinen, wenn wir von der Bindungslänge sprechen. Die Anziehung, die das Molekül stabilisiert, ist die Anziehung zwischen den Kernen und der zwischen ihnen konzentrierten Elektronendichte. Energie von zwei H-Atomen als Funktion der Kernabstände: Bei Annäherung von zwei H-Atomen nimmt die Energie zunächst ab, die Anziehung überwiegt. Bei kleineren Abständen überwiegt die Abstoßung der Kerne, die Energie nimmt zu. Das Energieminimum beschreibt den stabilsten zwischenatomaren Abstand und den Energiegewinn, die Stabilität des Moleküls, bezogen auf zwei isolierte H-Atome. 69 Die Bildung einer (mehrerer) kovalenten(r) Bindung(en) in Molekülen kann mit Hilfe a) der Lewis-Theorie b) der Valenzbindungstheorie (VB-Theorie) oder Valenzorbitalbindungstheorie c) der Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie) umschrieben bzw. gedeutet werden. a) Lewis-Theorie Lewis-Formeln sind Valenzstrichformeln, die nur die Valenzelektronen berücksichtigen. Kovalente Bindung: Der Zusammenhalt zwischen zwei Atomen erfolgt durch ein Elektronenpaar, das beiden Atomen gemeinsam gehört. Bei einer Einfachbindung ist ein gemeinsames Elektronenpaar vorhanden, bei einer Doppel- oder Dreifachbindung sind es zwei bzw. drei gemeinsame Elektronenpaare. „Treibende Kraft“ ist die „Absicht“ der Atome, durch Bindungsbildung die stabile Elektronenkonfiguration des benachbarten Edelgases (Edelgaselektronenkonfiguration) zu erlangen. H. + .H H H ein bindendes (gemeinsames) Elektronenpaar Heliumkonfiguration Cl. + . Cl Cl Cl Argonkonfiguration .O . + .O . O O zwei bindende Elektronenpaare Neonkonfiguration . N. . + . N. . N N drei bindende Elektronenpaare Neonkonfiguration Nicht an der Bindung beteiligte Elektronenpaare werden als „einsame“ oder „nichtbindende“ Elektronenpaare bezeichnet. Oktettregel: Atome von Elementen der 2. Periode können maximal vier kovalente Bindungen ausbilden, da nur vier Orbitale auf der äußeren Schale (2s, drei 2p) für Bindungen zur Verfügung stehen. 70 Es ist deshalb unzulässig fünfbindigen Stickstoff zu formulieren: O H z.B. im Salpetersäuremolekül (HNO3) O N O Für die richtige Beschreibung der Bindungen im HNO3-Molekül sind zwei Lewis-Formeln (= mesomere Grenzformeln) erforderlich. Die mesomeren Grenzformeln (auch Resonanzformeln) müssen zur Resonanz gebracht werden (Mesomeriepfeil, Resonanzpfeil) um den tatsächlichen Bindungszustand im HNO3-Molekül wiederzugeben (Länge der HO-N-Bindung = 141 pm; die beiden anderen O-N-Bdg besitzen die gleiche Länge = 121 pm, der Abstand dieser Bindungen liegt zwischen den Abständen von N=O-Doppel und N-O-Einfachbindungen). O H O O N H O O N O In den beiden mesomeren Grenzformeln ist der Stickstoff vierbindig. Das Stickstoffatom trägt eine positive Formalladung und jeweils ein Sauerstoffatom eine negative Formalladung . Wie es der Name zum Ausdruck bringt, ist eine Formalladung eine Formalität. Sie entspricht nicht der tatsächlichen Ladung oder Partialladung eines Atoms in einem Molekül, denn sie wird durch gleichmäßige Aufteilung der Bindungselektronen berechnet. Tatsächlich sind die Bindungselektronen jedoch nicht gleichmäßig zwischen den Atomen angeordnet. Die Formalladung wird berechnet, indem man die Bindungselektronenpaare zu gleichen Teilen zwischen den gebundenen Atomen aufteilt, d. h. für jede kovalente Bindung erhält eines der beteiligten Atome ein Elektron. Die Zahl der Elektronen, die jedes Atom nach der Aufteilung besitzt, wird mit der Zahl der Valenzelektronen verglichen, die es als neutrales Atom haben würde. O H O N O Der Stickstoff erhält durch die Aufteilung der Bindungselektronenpaare 4 Elektronen. Stickstoff besitzt aber normalerweise 5 Valenzelektronen, d. h. das N-Atom in der obigen Lewis-Formel hat eine Elektronenlücke und erhält entsprechend eine positive Formalladung. Zur Beschreibung der Bindungen im Ozonmolekül sind mindestens zwei mesomere Grenzformeln erforderlich (vgl. S. 53). 71 In manchen Fällen sind drei oder noch mehr Grenzformeln anzugeben. Ein Beispiel bietet das CarbonatIon (CO32-). Es ist planar, alle Bindungen sind gleich lang, ihre Länge liegt zwischen den üblichen Werten für C-O-Einfach- und C=O-Doppelbindungen. Die Summe der Formalladungen entspricht der Ladung des Ions. 2- O O O O C C C O O O O O Die Mesomerie bringt zum Ausdruck, dass die Ladung des Carbonat-Ions nicht genau lokalisiert werden kann. Man sagt, die Ladung sei delokalisiert; sie verteilt sich zu gleichen Teilen auf die drei O-Atome. Elemente der 3. Periode und höherer Perioden können eine größere Bindigkeit als vier erreichen, da außer s- und p-Orbitalen auch d-Orbitale zur Verfügung stehen. Beispiele: [SiF6]2Hexafluorosilicat SF6 Schwefelhexafluorid jeweils 6 Bindungen, d. h. 12 Elektronen, die in sechs sp3d2-Hybridorbitalen am Si bzw. S untergebracht werden können Bei Koordinationsverbindungen der d-Metalle gilt die 18-Elektronen-Regel. Beispiel: [Co(NH3)6]3+ Hexammincobalt(III)-Komplex Im Hexaamincobalt(III)-Komplex ist jedes Ammoniakmolekül, |NH3, über das freie Elektronenpaar des Stickstoffs am Co3+ gebunden, d. h. das gemeinsame (bindende) Elektronenpaar kommt nur von einem Bindungspartner. Eine solche Bindung ist eine koordinative (dative) Bindung. 3+ NH3 H3N NH3 Co H3N NH3 NH3 Co erhält in diesem Komplex insgesamt 18-Valenzelektronen (= Kryptonelektronenkonfiguration): + = Co3+ 6 H3N| 6 Valenzelektronen 12 Elektronen 18 Valenzelektronen 72 Lewis-Säuren und Lewis-Basen F F Bortrifluorid B Das Boratom besitzt im Bortrifluorid nur 6 Valenzelektronen. Zum Erreichen des stabilen Elektronenoktetts fehlen 2 Elektronen (= ein Elektronenpaar). Entsprechend ist BF3 ein Elektronenpaarakzeptor. Elektronenpaarakzeptoren sind Lewis-Säuren. F Elektronenpaarakzeptoren (Lewis-Säuren) füllen ihre Elektronenlücken mit den freien Elektronenpaaren von Elektronenpaardonatoren (Lewis-Basen). Es bilden sich „Lewis-Säure-Base-Adukte“. Lewis-Säuren Lewis-Basen F F H + B "Säure-Base-Addukte" N H F H F F H B N F H H Bortrifluorid-Ammoniak + H H+ + O H H H O H Oxonium-Ion 2+ Cu + PF5 + 4NH3 F - 2+ [Cu(NH3)4] Tetraamminkupfer(II)-Komplex - PF6 Hexafluorophosphat Das Konzept der Lewischen Säuren und Basen ist ein sehr weit gefasstes Konzept. Neben Protonenübertragungsreaktionen kann auch die Bildung von Koordinationsverbindungen mit diesem Konzept erklärt werden. Polare kovalente Bindung Eine unpolare kovalente Bindung gibt es nur zwischen Atomen des gleichen Elements: Cl Cl Br Br HH Atome eines Elements unpolare kovalente Bindungen unpolare Moleküle 73 Wenn zwei unterschiedliche Atome durch eine kovalente Bindung verknüpft sind, ist die Elektronenladung nicht symmetrisch zwischen den beiden Atomkernen verteilt, die beiden Atome teilen sich das gemeinsame Elektronenpaar nicht gleichmäßig, ein Atom zieht die Elektronen immer etwas stärker zu sich als das andere. Br Cl H Cl Atome verschiedener Elemente polare kovalente Bindungen polare Moleküle "Dipolmoleküle" H Br Je unterschiedlicher die elektronenziehende Wirkung der kovalent gebundenen Atome ist, desto polarer ist die Bindung, d. h. um so größer ist der Betrag der partiellen Ladungen. Wenn die ungleiche Verteilung der gemeinsamen Elektronen zum Extrem gebracht wird, dann erhält das eine Atom die Bindungselektronen ganz für sich und es resultieren einzelne Ionen. Übergang zwischen reiner kovalenter Bindung und reiner Ionenbindung (schematische Darstellung): kovalente Bindung Cl Cl polare kovalente Bindung (überwiegend kovalente Bindung, ionische Bindungsanteile) H Cl Verzerrte (polarisierte) Ionen (überwiegend ionische Bindung, kovalente Bindungsanteile) Li+ I- Ionenbindung Li+ F- Moleküle die, wie HCl, ein Dipolmoment besitzen, nennt man polare Moleküle. Dipolmomente von polaren Molekülen können experimentell bestimmt werden. Dipolmoment: µ=q · d Dipolmomente werden häufig in Debye-Einheiten (D) angegeben. 1 D = 3,338 · 10–30 C · m µ (HCl)exp. = 1,03 D = 3,44 · 10–30 C · m 74 Linus Pauling hat experimentell bestimmte Dipolmomente dazu benutzt, um die partielle Ladung, d. h. den partiell ionischen Charakter von kovalenten Bindungen zu bestimmen. Wenn HCl aus den Ionen H+ und Cl– bestünde, hätte jedes Ion eine Elementarladung e. Der Atomabstand im HCl-Molekül beträgt 127 pm. Damit kann man für die hypothetische Einheit H+ Cl– ein Dipolmoment berechnen: µ(HCl)ber. = q (= e = 1,6 · 10–19 C) · d (HCl-Bindungsabstand = 127 pm) = 2,03 · 10–29 C · m Aus dem Verhältnis von µexp. und µber. kann man auf einen ionischen Anteil der H-Cl-Bindung schließen. (HCl)exp. (H+Cl-)ber. = 3,44 . 10-30 C . m 2,03 . 10-29 C . m = 0,169 => 16,9% Ionischer Bindungsanteil H H+Cl- Cl kovalente ionische Grenzformel H Cl polare kovalente Bindung Mit den relativen Werten für die Elektronegativität (vgl. S. 42) kann man die Polarität einer kovalenten Bindung abschätzen: H 2,2 Cl 3,2 = 1 polarer Charakter der (Bindungsdipolmoment) kovalenten Bindung Bei polyatomaren Molekülen ist es wichtig, zwischen polarem Molekül und polarer Bindung zu unterscheiden, z. B. Kohlenstoffdioxid: ⃖µ + µ = 0 Beide Bindungsdipole weisen in entgegengesetzte Richtung und heben sich auf. Das lineare Kohlenstoffdioxid-Molekül ist damit ein unpolares Molekül. Das gewinkelte H2O-Molekül besitzt ein Dipolmoment. 75 Elektronendichteverteilung als „elektrostatischer Potential-Plot“ Kohlendioxid, CO2 Wasser, H2O Bereiche negativer Ladung (Partialladung) rot Bereiche positiver Ladung (Partialladung) blau Zwischen polaren Molekülen wirken im flüssigen und festen Aggregatzustand Dipol-Dipol-Kräfte (zwischen H2O-Molekülen darüber hinaus Wasserstoffbrückenbindungen). Orientierung von polaren Molekülen in einem Kristall Zwischen unpolaren Molekülen wirken dagegen nur schwache Londonkräfte (Abschnitt 20 Halogene). 76 Stärke und Länge einer kovalenten Bindung Stärke der kovalenten Bindung Dissoziationsenergie ( = Bindungsenergie) H H. (g) + Cl . (g) Cl(g) Homolyse HDiss. = 431 k J/mol elektroneutrale Bruchstücke HDiss [kJ/mol] Bindungslänge [pm] Bindungsgrad F F 146 144 1 O O 484 121 2 N N 932 110 3 HDiss ~ 1 ~ Bindungsgrad Bindungslänge Kovalenter Radius r Beispiel: HCl rA = rH = 37 pm rB = rCl = 98 pm rA + rB = rH + rCl = Kernabstand (Bindungslänge) = 135 pm 77 Kovalente Radien Lewis-Formel („Valenzelektronen-Formeln“) zeigen welche Atome in einem Molekül miteinander verbunden sind. Sie unterscheiden zwischen freien und bindenden Elektronenpaaren und geben Hinweise zum Bindungsgrad. Lewis-Formeln treffen aber keine Aussage zur Struktur von Molekülen. Kenntnisse zur Struktur von Molekülen sind z. B. wichtig für deren Reaktivität. Auf der Basis der LewisFormeln wurde das „Valenz-Elektronenpaar-Abstoßungs-Modell entwickelt (abgekürzt: VSEPR {valence-shell-electron-pair-repulsion model}. Das VSEPR-Modell basiert auf vier Regeln: ) In Molekülen des Typs ABn ordnen sich die Elektronenpaare in der Valenzschale des Zentralatoms so an, dass der Abstand möglichst groß wird. Die Elektronenpaare verhalten sich so, als ob sie einander abstoßen. Dies hat zur Folge, dass sich die Elektronenpaare den kugelförmig um das Zentralatom gedachten Raum gleichmäßig aufteilen. Wenn jedes Elektronenpaar durch einen Punkt symbolisiert und auf der Oberfläche einer Kugel angeordnet wird, deren Mittelpunkt das Zentralatom A darstellt, dann entstehen Anordnungen mit maximalen Abständen der Punkte. Für die Moleküle des Typs ABn erhält man folgende geometrische Strukturen: 78 AB2 AB3 AB4 Gerade AB5 gleichseitiges Dreieck AB5 Tetraeder AB6 trigonale Bipyramide quadratische Pyramide Oktaeder AB7 pentagonale Bipyramide Beispiele: Summenformel Molekülstruktur Be Berylliumdichlorid, BeCl2 180° linear Kohlenstoffdioxid, CO2 79 Lewis-Formel Molekülstruktur Bortrifluorid, BF3: F BF F 120° trigonal planar Lewis-Formel Molekülstruktur Carbonat, CO32-: O 2- O C 2- O 80 Summenformel Nitrat, NO3- Molekülstruktur Elektronendichte - Lewis-Formel Molekülstruktur Methan, CH4: H H H C H H C 109,5° tetraedrisch 81 Lewis-Formel Molekülstruktur Phosphorpentachlorid, PCl5: Cl Cl Cl P Cl P Cl 90° 120° Cl trigonal bipyramidial Lewis-Formel Molekülstruktur Schwefelhexafluorid SF6: F F F F S F F S 90° 90° F oktaedrisch 82 Moleküle mit freiem Elektronenpaar (E) am Zentralatom (A) Die freien Elektronenpaare E in einem Molekül vom Typ ABeEm beanspruchen mehr Raum als die bindenden Elektronenpaare und verringern dadurch den Bindungswinkel. Lone pair Bonding pairs Lewis-Formel Molekülstruktur Stickstoffdioxid, NO2: O .N O gewinkelt 83 Beispiele: Lewis-Formel Molekülstruktur Sulfit, SO32-: 2- 2- O S O 106° O trigonal pyramidal Lewis-Formel Molekülstruktur Ammoniak, NH3: LP H N H H 107° 84 Lewis-Formel Molekülstruktur Schwefeltetrafluorid, SF4: F F S F F LP Lewis-Formel Molekülstruktur Xenontetrafluorid, XeF4: F F Xe F F quadratisch planar 85 Elektronegative Substituenten ziehen bindende Elektronenpaare stärker an sich heran und vermindern damit deren Raumbedarf. PX3 PI3 PBr3 PCl3 PF3 trigonal pyramidal Bindungswinkel XPX [°] 102 101 100 99 Mehrfachbindungen beanspruchen mehr Raum als Einfachbindungen und verringern die Bindungswinkel der Einfachbindungen. Phosphoroxytrifluorid, POF3: O F P F F Bindungswinkel: FPF 101° b) Valenzorbitalbindungstheorie (VB-Theorie) Valenzorbitale (VO) der Atome A und B überlappen und bilden Valenzorbitale des Moleküls (AB) - mit hoher Elektronendichte zwischen den Kernen - mit größerer Bewegungsfreiheit für jedes Elektron (kann in der Nähe beider Kerne gelangen) - mit gepaarten Elektronen Beispiele: H . 1s + x ungepaarte Elektronen HH H . 1s . . s-s) - Überlappung, (s-s) - Bindung: Das resultierende VO liegt rotationssymmetrisch zur Kernverbindungsachse. Spinpaarung (Pauli-Prinzip) 86 N2 Valenzorbitale von .. . N : 2s 2pz 2py 2px Bindungen im N2-Molekül (2px , 2px ) (2py , 2py ) (2pz , 2pz ) -bond -bond -Bindungen besitzen in der Kernverbindungsachse eine Knotenfläche. Nach der Valenzorbitaltheorie werden im N2-Molekül eine -Bindung und zwei gleichwertige (p-p) Bindungen gebildet (die Lewis-Theorie trifft nur die Aussage, dass eine Dreifachbindung entsteht). Einfachbindung = Bindung Doppelbindung Bindung + - Bindung ( Beispiele: C = Dreifachbindung = C, N Bindung + zwei - Bindungen (Beispiele: N N, C N, O, C C C S) ) Regel: Elemente der zweiten Periode (C,N,O) bilden stabilere (p-p)-Bindungen als Hauptgruppenelemente höherer Perioden („Doppelbindungsregel“). Elemente der dritten und höherer Perioden können Doppelbindungen unter Beteiligung von d-Orbitalen bilden. Kriterien für starke Bindungen: - großer Überlappungsbereich (z. B. müssen VO vergleichbare Energien besitzen) - positive Überlappung (nur Orbitalbereiche mit gleichem Vorzeichen der Wellenfunktion überlappen) 87 Überlappungen von Atomorbitalen unterschiedlicher Symmetrie: Positive Überlappung erfolgt, wenn Bereiche der Orbitale mit gleichen Vorzeichen der Wellenfunktion überlappen. Nur positive Überlappung führt zur Bindung. Überlappung null. Die Bereiche positiver und negativer Überlappu ng kompensieren sich. Negative Überlappung führt zur Abstoßung, da zwischen den Kernen Knotenflächen auftreten. Eine Erweiterung der Valenzorbitalbindungstheorie ist das Konzept der Hybridisierung von Pauling. Dieses Modell kann zur Deutung der Molekülstruktur (Molekülsgeometrie) verwendet werden. In der Lewisschen Theorie wurde das VSEPR –Modell verwendet. Hybridisierungs-Konzept - Atomorbitale AO= hybridisieren zu einer gleichen Anzahl von Hybridorbitalen (HO) Nur AO ähnlicher Energie können zu HO hybridisieren: z.B. 2s und 2p; 3s, 3p und 3d; 3d, 4s und 4p HO besitzen größere Elektronenwolken als AO, größere Überlappungsbereiche sind möglich (zusätzlicher Gewinn an Bindungsenergie ist Ursache für Hybridisierung) Der hybridisierte Zustand ist aber nicht an einem isolierten Atom ein tatsächlich und beobachtbarer Zustand wie z. B. der angeregte Zustand. Das Konzept der Hybridisierung hat nur für gebundene Atome eine Berechtigung. Es ist aber zweckmäßig, die Verbindungsbildung gedanklich in einzelne Schritte zu zerlegen und für die Atome einen hypothetischen Valenzzustand zu formulieren. 88 Beispiele: Methan, CH4 (Molekül mit Tetraedersymmetrie, vier gleichberechtigte C-H-Bindungen) Anregung VO von C: 2s 2p Hybridisierung C*: 2s 2p nur angeregte C-Atome können vierbindig sein; aber Bildung unterschiedlicher C-H-Bindungen, da unterschiedliche Valenzorbitale sp3 hybrid orbital Position of orbital Tetrahedron vier gleichberechtigte sp3-Hybridorbitale (s + drei p vier sp3 - HO) ( Csp3, H1s) 89 Ethen, C2H4 a) Lewis-Formel b) Valenzelektronenkonfiguration des angeregten C-Atoms c) sp2-Hybridorbitale bilden drei -Bindungen d) Verbleibende p-Orbitale (senkrecht zur Molekülebene) bilden eine Bindung Ethin, C2H2 a) Lewis-Formel b) Valenzelektronenkonfiguration des angeregten C-Atoms c) sp-Hybridorbitale bilden zwei -Bindungen d) Verbleibenden p-Orbitale überlappen unter Ausbildung von zwei Bindungen 90 Auch d-Orbitale können an der Hybridisierung teilnehmen: sp3d-Hybridorbitale sp3d 2-Hybridorbitale sp3d hybrid sp3d 2 hybrid Position Position Häufig auftretende Hybridisierungen: HO Zahl Orientierung Beispiele sp 2 linear N2 (sp-sp)-Bindung, freie Elektronenpaare in sp-HO, Ergänzung zur einfachen VB-Methode CO2, HCN, HgCl2 sp2 3 trigonal BF3, SO3, NO3-, CO32- sp3 4 tetraedrisch SiH4, NH4+, [Cu(CN)4]3-, NH3 (freies Elektronenpaar in einem sp3-HO), H2O (zwei freie Elektronenpaare in zwei sp3-HO) sp2d 4 quadratisch [AuCl4]-, [PtCl4]2- sp3d 5 trigonal bipyramidal PCl5, SbCl5 sp3d2 6 oktaedrisch [SiF6]2-, [Cr(NH3)6]3+ 91 c) Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie) Die Valenzorbitalbindungstheorie (VB-Theorie) richtet ihr Augenmerk auf die einzelnen Bindungen im Molekül. In einem anderen Ansatz, der Molekülorbital-Theorie (MO-Theorie), werden die Elektronen nicht so behandelt, als ob sie zu bestimmten Bindungen gehörten; vielmehr nimmt man an, sie seien über das ganze Molekül verteilt. Diese Theorie wurde konsequenter entwickelt als die VB-Theorie, und ihre Begriffe sind die Basis für die moderne Betrachtung der Bindungsverhältnisse in kleinen anorganischen Molekülen, in Übergangsmetall-Komplexen sowie in Festkörpern. Aus allen Atomorbitalen der einzelnen Atome werden Molekülorbitale berechnet, die sich über das ganze Molekül erstrecken. Molekülorbitale können in der einfachsten Näherung durch Linearkombination von Atomorbitalen (AO vergleichbarer Energie und gleicher Symmetrie bezüglich der Kernverbindungsachse) erhalten werden. Linearkombination von 1s-AO zu -MO Energieniveaudiagramm des H2-Moleküls (kurz MO-Schema) 2AO 2MO . . + 1s AO(H) . . 1s 1s Addition AO(H) * s * s antibindend) + MO(H2) - + Subtraktion E . . 1s + b s b = bindend) b s Bindungsordnung (BO) = freiwerdende Bindungsenergie 1 2 (Elektronen in bindenden MO- Elektronen in antibindenden MO) Ein Molekülorbital, das angenähert durch eine Linearkombination von Atomorbitalen beschrieben wird, nennt man abgekürzt LCAO-Molekülorbital oder LCAO-MO. Aus zwei Atomorbitalen entstehen zwei Molekülorbitale. Diese Beobachtung folgt der Regel, nach der aus N Atomorbitalen immer N Molekülorbitale hervorgehen (Orbitale können nicht einfach „verloren gehen“, wenn sie in einer Linearkombination addiert oder subtrahiert werden). Die beiden Molekülorbitale im H2-Molekül ergeben sich durch Linearkombination der beiden 1sOrbitale der H-Atome. Bei der Addition ergibt sich das bindende -MO (genauer LCAO-MO) 1sb und bei der Subtraktion das antibindende - MO 1s*. Bindendes und antibindendes Orbital sind -Orbitale (diese Molekülorbitale haben eine Rotationssymmetrie um die Kernverbindungsachse). Das bindende MO ) 1sb hat eine niedrigere Energie als die beiden 1s-AO. Ist ein bindendes Orbital besetzt, so trägt es zur Absenkung der Energie des Moleküls bei. In diesen Orbitalen ist die Wahrscheinlichkeit groß, die Elektronen zwischen den Kernen anzutreffen, wodurch sie eine starke Wechselwirkung mit beiden Kernen erzielen können. Deswegen ist die Energie des Moleküls niedriger als die der einzelnen Atome, bei denen jedes Elektron mit nur einem Kern wechselwirken kann. 92 Das 1s* ist ein antibindendes Orbital: Wenn es besetzt ist, hebt es die Energie des Moleküls relativ zu der der getrennten Atome an. Antibindende Orbitale werden häufig mit einem hochgestellten Stern gekennzeichnet, der ihre hohe Energie symbolisieren soll. Der antibindende Charakter des 1s* beruht teilweise auf dem Ausschluss des Elektrons aus dem Bereich zwischen den Kernen und auf dem damit verbundenen Aufenthalt vorzugsweise außerhalb des bindenden Bereiches. Deswegen hilft ein Elektron in einem solchen Orbital eher dabei, die Kerne voneinander zu entfernen, als sie anzunähern. Die Elektronen aller Atome werden in die Molekülorbitale so untergebracht, dass sich die niedrigstmögliche Gesamtenergie ergibt (Beachtung der drei Energieminimierungsprinzipien -Aufbauregeln- vergl. S. 31-33). In den beiden MO des H2-Moleküls sind zwei Elektronen unterzubringen. Beide können das 1sb besetzen, wobei sie ihre Spins paaren. Die Grundzustands-Konfiguration des H2-Moleküls ist demnach 1s2, und die Atome werden durch eine Bindung zusammengehalten, die aus einem Elektronenpaar in einem bindenden 1s –Orbital besteht.