Verbands-Management (VM)

Transcrição

Verbands-Management (VM)
Verbands-Management (VM)
Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
VM 2/10
Helmig, Bernd; Gmuer, Markus; Baerlocher, Christoph
Der Dritte Sektor
Ergebnisse des CNP
der
Schweiz:
Überblick
und
Verbands-Mangement, 36. Jahrgang, Ausgabe 2 (2010), S. 6-19.
Herausgeber:
Redaktion:
Layout:
Fotomaterial:
ISBN:
ISSN:
Kontakt:
Verbandsmanagement Institut (VMI) www.vmi.ch,
Universität Freiburg/CH
Jens Jacobi
Jens Jacobi / Paulusdruckerei, Freiburg/CH
Sandra Mumprecht, Murten
3-909437-26-5
1424-9189
[email protected]
Die Zeitschrift VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April, August und
November.
Abdruck und Vervielfältigung von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in
Abschnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers.
Dritter Sektor Schweiz
Der Dritte Sektor der Schweiz:
Überblick und Ergebnisse des CNP
Bernd Helmig, Markus Gmür und Christoph Bärlocher
Die Schweizer Gesellschaft wird durch Elemente
wie Unabhängigkeit, Eigenverantwortung und
Selbsthilfe geprägt. Diese Wertvorstellungen
sind tief in der schweizerischen Bevölkerung
verankert und führten dazu, dass sich neben
dem Staat und erwerbswirtschaftlichen
Unternehmen, über die Jahrhunderte hinweg
ein grosser und bedeutender Dritter Sektor
entwickeln konnte.1 Dieser Beitrag erlaubt es
erstmalig, die Bedeutung aller schweizerischen
Nonprofit-Organisationen (NPO) in Zahlen zu
fassen und deren Strukturen aufzuzeigen.
Zur Entwicklung der quantitativen
NPO-Forschung
Unter den Terminus «Dritter Sektor» werden alle
NPO subsumiert, die zwischen Staat und profitorientierten Unternehmungen (PO) angesiedelt sind,
dazu grundsätzlich von Privaten getragen werden
und selbst keine primär erwerbswirtschaftlichen
Zwecke verfolgen. Der Dritte Sektor versteht sich
somit als eine Alternative zu den beiden bekannten
Systemen Staat und Wirtschaft. Die NPO versuchen
dabei deren – oft bemängelten – Schwächen, die
Bürokratie-Lastigkeit beziehungsweise die Gewinnmaximierung, zu umgehen sowie deren Stärken,
wie Vorhersehbarkeit und öffentliche Kontrolle auf
der einen und Flexibilität und Effektivität auf der
anderen Seite zu kombinieren. Diese Beschreibung
impliziert gleichzeitig die beiden am häufigsten genannten Erklärungen für die Herausbildung des
Dritten Sektors: Staatsversagen und Marktversagen.2
Über die wirtschaftlichen Gesamtleistungen,
die Struktur und die Anzahl der NPO ist in der
Schweiz hingegen nicht allzu viel oder nur rudimentäres Wissen vorhanden.3 Einer der Gründe
dafür ist, dass die Gesamtheit der NPO in der Praxis selten als ein in sich geschlossener Sektor ange-
6
sehen wird, da die NPO eine grosse Heterogenität
aufweisen. Dies ergibt sich nicht nur aufgrund der
Grössengegensätze der einzelnen Organisationen,
wie beispielsweise zwischen grossen Wirtschaftsverbänden und kleinen Umweltschutzgruppen,
sondern auch aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeiten, welche vom Sport über die Interessenvertretung bis hin zur humanitären Auslandshilfe
reichen.4
Diese Vielfältigkeit dürfte ein Grund dafür sein,
warum das Bundesamt für Statistik (BfS) die privaten, nicht-erwerbswirtschaftlichen Organisationen
bisher nicht in ihrer Gesamtheit erfasst hat. In der
amtlichen Statistik sind damit letztlich nur wenige
Daten über die NPO ausgewiesen. Ferner wird sowohl in der Praxis, wie auch in der Wissenschaft
eine Vielzahl von verschiedenen konkurrierenden
Begriffen für die Definitionsabgrenzung von NPO
(Vereins- und Verbandssektor, Intermediäre Organisationen, gemeinnützige Organisationen, Nichtregierungs-Organisationen usw.) verwendet. So
spielt in der Wissenschaft die Fachdisziplin die entscheidende Rolle für die Wahl der unterschiedlichen Termini. In der breiten Öffentlichkeit jedoch
werden vor allem die sozialen Organisationen als
NPO angesehen, weil sie mit den Begriffen wie Uneigennützigkeit, Gemeinnützigkeit und Freiwilligkeit am ehesten in Verbindung gebracht werden
können. Oft wird der Dritte Sektor zudem nur mit
einzelnen gesellschaftlichen Tätigkeitsfeldern, wie
etwa dem Sport oder der Kultur, in Verbindung gebracht und nicht als eine Einheit angesehen.5
Dieses fehlende Verständnis für den Sektor führte bereits 1994 zu Schnyders Aussage,6 dass der
Stand des präzisen Wissens über die Grösse, Struktur, Entstehung und Entwicklung des Dritten Sektors in der Schweiz bis anhin desolat ist. Den gemeinnützigen Organisationen und Verbänden
fehlte damit auch eine fundierte statistische Grund-
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
Schwerpunkt
Dritter
Sektor
Sportvereine
Universitäten
Kirchen
Öffentlicher
Sektor
öffentl.
Unternehmen
Markt
Abbildung 1: Das Drei-Sektoren Modell (Vgl. Schuhen, 2002)
Abbildung 1: Das Drei-Sektoren-Modell.1
1
lage für politische Debatten und es fällt ihnen
schwer, ihren gesellschaftlichen Beitrag eindeutig
aufzeigen zu können.7
Das CNP stellt damit die Diskussion über Chancen, Leistungen und Potenziale des Sektors in der
Schweiz erstmals auf ein gesichertes empirisches
Fundament, und bildet damit die Grundlage für
weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen.
Das CNP befindet sich momentan in seiner dritten
Durchführungsphase. In der ersten Phase waren
zwölf Länder beteiligt, welche in der zweiten Erhebungsphase durch weitere 20 Länder ergänzt wurden. Mit Hilfe des Analyserasters dieses Projekts
wurden und werden mittlerweile Daten von über
47 Ländern aus sämtlichen Regionen der Erde systematisch erfasst und ausgewertet.
Das CNP verfolgt mit seinem interdisziplinären
Forschungsansatz konkret folgende fünf Zielsetzungen:9
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Schuhen (2002).
Das Johns Hopkins Comparative
Nonprofit Sector Project
Da diese Problematiken der unklaren Definitionsabgrenzungen und des fehlenden statistischen Materials praktisch in allen Ländern weltweit bestehen,
wurde zu Beginn der 1990er Jahre das Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project (CNP)
lanciert.8 Das internationale Forschungsprojekt gilt
mittlerweile als das «Referenzprojekt» in der empirischen Erhebung des Nonprofit-Sektors. Ausgangspunkt für das CNP war die Absicht, die rasant gestiegene Bedeutung von NPO, beziehungsweise der
Zivilgesellschaft als Ganzes, und ihre Leistungen
sichtbar zu machen. Im Rahmen dieser internationalen Studie wurde und wird weiterhin eine Datenbasis zum Dritten Sektor geschaffen, welche systematische, intertemporäre und internationale
Vergleiche ermöglichen soll.
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
Es werden die Grösse, Struktur, Finanzierung,
Bedeutung und Rolle der Dritten Sektoren in
den teilnehmenden Ländern beschrieben. Von
besonderer Bedeutung ist, dass diese in unterschiedlichen geographischen Räumen liegen und
7
verschiedene kulturelle und historische Traditionen sowie Entwicklungsstände besitzen.
Mit diesen Ausführungen kann damit ein grundlegendes Verständnis geschaffen werden, warum
sich der Sektor in den einzelnen Ländern und den
unterschiedlichen Kulturregionen je anders entwickelte, mit besonderem Blick auf Grösse, Zusammensetzung oder Rolle der NPO.
Es wird beschrieben, welchen Einfluss die NPO
besitzen und wie die Beziehungen zwischen dem
Dritten Sektor und den übrigen Marktteilnehmern, wie Staat, PO und internationalen Organisationen, ausgestaltet sind.
Das öffentliche Bewusstsein dieser Organisationen soll gefördert werden, indem ein empirisches
Fundament geschaffen wird und sämtliche Resultate einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Schliesslich soll das Projekt in den einzelnen Ländern lokal verankert werden, um die Studie in Zukunft wiederholen zu können. In diesem Rahmen
wird versucht, das Projekt in den staatlichen Statistikämtern zu implementieren, wozu mit der
Statistikabteilung der Vereinten Nationen (UNO)
eine eigene Methodik erarbeitet wurde.10
Die strukturell-operationale Definition
der NPO
Um dieses Ziel der länderübergreifenden Erhebung
zu erreichen, erarbeiteten die Projektgründer mit
den Verantwortlichen der teilnehmenden Länder
eine Definition, welche es vor allem erlauben soll,
die Organisationen der Dritten Sektoren von den
übrigen Marktteilnehmern abzugrenzen. Die Definition besteht aus einem Merkmalskatalog mit fünf
Kriterien, welche eine NPO vollumfänglich erfüllen
muss, damit sie zum Dritten Sektor zählt:11
Organisationsgrad: Prinzipiell werden nur Organisationen mit einem Minimum an formaler
Struktur als Teil des Dritten Sektors anerkannt.
Eine juristische Persönlichkeit oder eine ähnliche Rechtsform (Verein) ist zwar nicht zwingend
erforderlich, aber oft das einzige Kriterium, um
die NPO eindeutig vom informellen Haushaltsektor (Familie, Nachbarschaftshilfe etc.) abzugrenzen.
8
Privater Charakter: Dies bedeutet, dass die in die
Studie eingeschlossenen Organisationen institu­
tionell vom Staat getrennt sind. NPO dürfen folglich weder einen Teil des Regierungsapparates
darstellen, noch dürfen sie unter dessen personeller Einflussnahme stehen.
Gewinnausschüttungsverbot: Die Nonprofit-Institutionen werden anhand dieses Merkmals von
den erwerbswirtschaftlichen und rein profitorientierten Unternehmungen abgegrenzt. Dieses Verbot – auch bekannt unter dem Begriff «non-distribution constraint» – unterstreicht, dass bei NPO
die Sachziele im Vordergrund stehen. Dies im Gegensatz zu den PO, bei welchen die Gewinnerzielung im Vordergrund steht und Gewinne letztlich
den Anteilseignern zukommen. NPO hingegen
dürfen zwar ausdrücklich Gewinne erwirtschaften, dürfen diese jedoch nicht an ihre Mitglieder,
Eigner oder Teilhabenden ausschütten. Der etwaig erzielte Überschuss muss daher in der Organisation verbleiben und wieder für den eigentlichen
Zweck der NPO investiert werden.
Selbstverwaltung: NPO müssen sowohl juristisch als auch organisatorisch autonom verwaltet
werden.
Freiwilligkeit: Die abzugrenzenden Institutionen
müssen zwingend ein gewisses Ausmass an ehrenamtlichem Engagement aufweisen. Dieses kann
sich entweder durch eine freiwillige Arbeitsleistung (Ehrenamt oder Freiwilligenarbeit) in der
Organisation äussern, durch eine allfällige freie
Mitgliedschaft oder die Finanzierung der NPO
durch «freiwilliges Einkommen», also Spendeneinnahmen von Haushalten oder fremden Institutionen.12
Die Definitionsmerkmale treffen in etwa auch auf
die in der Schweiz gängige Abgrenzung der NPO zu:
Hier werden unter NPO grundsätzlich alle Organisationen verstanden, die als produktive soziale Systeme mit privater Trägerschaft tätig sind, die zwischen
Staat und marktgesteuerten erwerbswirtschaftlichen
Unternehmungen angesiedelt sind und die keine
primär erwerbswirtschaftlichen Zwecke verfolgen.
Vielmehr stehen bei diesen Institutionen spezifische
Zwecke im Vordergrund, wie die Bedarfsdeckung,
Förderung oder Interessenvertretung/-beeinflussung
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
Schwerpunkt
(Sachzieldominanz) für die eigenen Mitglieder
(Selbsthilfe) oder Dritte.13 Aufgrund der ähnlichen
Auslegung der Begrifflichkeiten existieren keine
markanten Unterschiede zur CNP-Definition.
Internationale Klassifikation
für Nonprofit Organisationen (ICNPO)
Ebenso wichtig wie die Darstellung gemeinsamer
Definitionsmerkmale der NPO, welche sie vom
Staat, den privaten Haushalten und den erwerbswirtschaftlichen Unternehmen abgrenzen, ist es,
die zahlreichen und heterogenen NPO-Typen systematisch in Gruppen einzuteilen und zu differenzieren. Erst damit wird es möglich, eine Übersicht
über die verschiedenen Institutionen des Dritten
Sektors zu erhalten und deren unterschiedliche Bedeutung zu erkennen. Salamon und Anheier14 erarbeiteten für das CNP eine eigene Klassifikation,
welche die NPO nach ihrer Wirtschaftstätigkeit unterscheidet. Bei dieser eigenständigen Taxonomie,
der so genannten «International Classification of
Nonprofit Organizations» (ICNPO), werden die
Gruppe 1: Kultur und Freizeit
1.100 Kultur und Künste
1.200 Sport
1.300 Andere Freizeitgestaltung
Gruppe 2: Bildung und Forschung
2.100 Grund- und Sekundarstufe
2.200 Höhere Bildung/Hochschulen
2.300 Übrige Bildung
2.400 Forschung
Gruppe 3: Gesundheitswesen
3.100 Spitäler und Rehabilitationskliniken
3.200 Pflegeheime
3.300 Psychiatrie, Sanatorien und andere
Kriseneinrichtungen
3.400 Sonstige Gesundheitsdienste
Gruppe 4: Soziale Dienste
4.100 Soziale Dienste
4.200 Not- und Rettungsdienste
4.300 Einkommenshilfen und Unterstützung
Gruppe 5: Umwelt- und Naturschutz
5.100 Umweltschutz
5.200 Tierschutz
NPO in zwölf vorgegebene Hauptgruppen mit jeweiligen Untergruppen eingeteilt. Innerhalb der
entsprechenden Untergruppen lassen sich weiter
einzelne Aktivitäten unterscheiden, welche von
Land zu Land unterschiedlich sein können. Diese
Vorgehensweise ermöglicht es den Forschern, auf
die jeweils speziellen Gegebenheiten eines Landes
Rücksicht zu nehmen. Erfüllt eine Institution alle
Kriterien gemäss der strukturell-operationalen Definition, wird diese in die jeweils entsprechende
Gruppe der ICNPO eingeteilt. Dieses Vorgehen erlaubt es, einerseits die Institutionen im Dritten Sektor gegen aussen abzugrenzen und andererseits gegen innen eine klare Übersicht zu liefern, welche
wirtschaftliche Dimension ein einzelner Bereich
aufweist.15
Für die Einteilung in die ICNPO spielt einzig die
wirtschaftliche Haupttätigkeit der jeweiligen NPO
eine Rolle. Weitere Einteilungskriterien, wie die
Rechtsform und der Arbeitsinhalt, nach denen diese Organisationen in der Schweiz normalerweise
eingeteilt werden, spielen hierbei keine Rolle.16
Gruppe 6: Wohnungswesen und
Entwicklungsförderung
6.100 Wirtschaftliche und lokale Entwicklung
6.200 Wohnungswesen
6.300 Beschäftigung und Fortbildung
Gruppe 7: Bürger- und Verbraucherinteressen,
Politik
7.100 Bürger- und Verbraucherinteressen
7.200 Rechtsdienste
7.300 Politische Organisationen
Gruppe 8: Stiftungs- und Spendewesen,
ehrenamtliche Arbeit
8.100 Stiftungs- und Spendenwesen
Gruppe 9: Internationale Aktivitäten
9.100 Internationale Aktivitäten
Gruppe 10: Religion
10.100 Religiöse Vereinigungen
Gruppe 11: Wirtschafts- und Berufsverbände,
Gewerkschaften
11.100 Wirtschafts- und Berufsverbände,
Gewerkschaften
Tabelle 1: International Classification of Nonprofit Organizations (Vgl. Etzioni,2 1973; Levitt, 1973)
Tabelle 1: International Classification of Nonprofit Organizations.
2
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Salamon und Anheier (1992b).
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
9
Methodik zur Erfassung
des Dritten Sektors
Wer sich ein Bild über die Grösse und die wirtschaftliche Bedeutung des Dritten Sektors verschaffen
will, ist zunächst mit dem Problem konfrontiert,
dass die amtliche Statistik diese Kategorie in ihrer
Gesamtheit nicht berücksichtigt. Da der weitaus
grösste Teil der NPO in der Schweiz (insbesondere
in den Bereichen Kultur, Freizeit und Sport) keine
erwerbswirtschaftlichen Ziele verfolgt und demzufolge nur in geringem Ausmass sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse aufweist,
bleibt der Sektor in der amtlichen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) überwiegend unsichtbar. Für die Abschätzung seiner tatsächlichen
wirtschaftlichen Bedeutung mussten daher weitere
Daten aus anderen Feldern herangezogen und miteinander abgeglichen werden.
Datenherkunft
Ziel der statistischen Erhebung für den Länderbericht innerhalb des CNP war es, so weit wie möglich auf bereits vorhandenes Material zurückzugreifen und dieses nach der CNP-Systematik
aufzuarbeiten. Im Mittelpunkt standen dabei eine
Schätzung der Erwerbstätigkeit im Dritten Sektor, der
Umfang ehrenamtlicher und freiwilliger Arbeit sowie
die Struktur der Einnahmen und Ausgaben der Organisationen. Dies sollte gesamthaft sowie differenziert
nach den wichtigsten ICNPO-Gruppen erfolgen.
Für die Berechnungen wird auf eine ganze Reihe
von Quellen zurückgegriffen, welche Informationen zu den Aspekten des NPO Sektors enthalten.
Hauptsächlich wurden hier Daten von amtlichen
Statistiken analysiert und mit weiteren Daten von
Institutionen (ZEWO, BSV etc.) erweitert. Erschwert
wurde die Analyse dadurch, dass das CNP nicht mit
den üblichen Statistiken des BfS übereinstimmt.
Datenquellen
Amtliche Statistik
Bundesamt für Statistik (BfS)
Bundesamt für Sozialversicherungen
(BSV)
Eidgenössisches Amt für
Handelsregister
Eidgenössisches Finanzdepartement
(EFD)
- Betriebszählung
- Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)
- Krankenhausstatistik
- Statistik der sozialmedizinischen Institutionen
- Betriebs- und Unternehmensregister (BUR)
- Schweizerische Lohnstrukturerhebungen (LSE)
- Sonderauswertungen und Spezialstatistiken
- Spitex-Statistik
- Handelsregister
- Bundesfinanzen
Andere Quellen
Zentralstelle für
Wohlfahrtsorganisationen (ZEWO)
(Lamprecht et al., 2005)
onemarketing3
gfs-Forschungsinstitut Zürich
Schweizerische Gemeinnützige
Gesellschaft (SGG) und BfS
Diverse NPO und Fachpersonen
- ZEWO-Statistik (Sonderauswertung)
- Sportverbändeerhebung
- Studie Spendenmarkt 2004 und 2008
- Spendenmonitor 2004-2006
- Freiwilligenmonitor: Auswertungen
- Geschäftsberichte, Jahresabschlüsse, Interviews und Protokolle
Eigene Erhebung
Verbandsmanagement Institut (VMI)
- Vereinsbefragung
Tabelle
2: Datenquellen
der schweizerischen
Länderstudie
Tabelle
2: Datenquellen
der schweizerischen
Länderstudie. 4
3
4
10
Vgl. Wagner und Beccarelli (2008); Wagner und Kessler (2004).
Quelle: Eigene Darstellung.
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
Schwerpunkt
Eine aufwendige Neuzuteilung der Daten aus der
amtlichen Statistik war deshalb unausweichlich.
Zum Umfang von Ehrenamtlichen- und Freiwilligenarbeit existiert keine amtliche Statistik,
weshalb sich dieser nur näherungsweise berechnen
lässt. Geht man vom Freiwilligenmonitor aus,17 bei
dem eine repräsentative Stichprobe der Schweizer
Bevölkerung über ihre freiwilligen oder ehrenamtlichen Aktivitäten befragt wird, ergibt sich ein Umfang, der rund 107 000 Vollzeitstellen entspricht.
Aufgrund der Vereinsbefragung des VMI innerhalb
des CNP-Projekts und der Extrapolation der Befragungsergebnisse auf Stiftungen und Genossenschaften errechnet sich ein Umfang, der rund 80 000
Vollzeitstellen entspricht. Die Differenz lässt sich
dadurch erklären, dass Selbstauskünfte über sozial
erwünschtes Verhalten zu einer deutlichen Überschätzung führen. Das zeigen beispielsweise internationale Kontrollstudien über das Spendenverhalten.18 Dass der wahrscheinliche Umfang um rund
einen Viertel unter der Selbstauskunft liegt, erscheint durchaus plausibel.
Die Methodik zur Berechnung der Daten wurde
dabei bereits in mehreren Ländern des CNP angewandt. Das Vorgehen wurde/wird innerhalb des internationalen Forschernetzwerks laufend verfeinert
und verbessert, da stets neue Erkenntnisse in das
Projekt fliessen und so von der Arbeit der verschiedenen internationalen Forschergruppen profitiert
werden kann. In der Tabelle 2 wird als Übersicht
erkennbar, welche Datenquellen letztlich für die
Schweizer Länderstudie des CNP insgesamt verwendet werden konnten.
Um Aussagen über die Wirtschaftlichkeit und
die quantitative Dimension der NPO tätigen zu
können, werden beim CNP vier Schlüsselgrössen
Ausgaben
Gehälter und Sachleistungen
Gegenwert der Freiwilligenarbeit
Total
Beschäftigte
Berufstätige
Freiwillige
Total
definiert, mit welchen die Grösse und Struktur des
Sektors abgebildet werden soll:19
Die Ausgaben bezeichnen sämtliche Betriebsausgaben, das heisst die Ausgaben der allgemeinen
Betriebsführung einer Organisation.20 Mithilfe der
Ausgaben wird die wirtschaftliche Bedeutung der
NPO näherungsweise gemessen.
Die Beschäftigung wird beim CNP in Vollzeitstellen (Full Time Equivalent, FTE) ausgewiesen. Dies
trägt der Tatsache Rechnung, dass gerade im Dritten Sektor die Teilzeitarbeitsquote besonders hoch
ist. Die Verwendung der absoluten Beschäftigtenzahlen würde zu einer Überschätzung der Beschäftigung in diesem Sektor führen.
Das ehrenamtliche oder freiwillige Engagement wird in den vorherigen zwei Grössenkriterien integriert und jeweils dazugerechnet. Dass der
Dritte Sektor volkswirtschaftlich unterschätzt
wird, liegt wesentlich daran, dass die freiwillig
und damit nicht erwerbswirtschaftlich erbrachten
Arbeitsleistungen bisher nicht miteinbezogen
wurden. Einige Teilsektoren, etwa der Sport- oder
Kulturbereich, sowie weite Teile des karitativen
Sektors könnten ohne diese Leistungen jedoch
gar nicht existieren.
Die Einnahmen stellen die handelbaren Mittel
einer Organisation während eines Finanzjahres
dar. Hier wird aufgezeigt, wie sich die Organisationen in ihrer Vielfalt finanzieren und wie gross
die Anteile der einzelnen Finanzierungsarten jeweils sind.
Die Resultate der hier dargelegten Untersuchungen
sollen nun im nächsten Abschnitt kurz skizziert
werden.21
in Mrd. Franken
21.6
6.0
27.6
in % des Schweizer BIP
4.7
1.3
6.0
in FTE
180 500
79 800
260 300
in % der Erwerbstätigen
4.5
1.9
6.4
Tabelle
Der
Schweizerische
NPO Sektor
Indikatoren
für das Jahrfür
2005
Tabelle3:3:
Der
Schweizerische
NPO –Sektor
– Indikatoren
das Jahr 2005. 5
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
11
Statistischer Überblick über
den Dritten Sektor in der Schweiz
schätzten Zahlen zur Freiwilligen- und Ehrenamtsarbeit zur Erwerbsarbeit im Dritten Sektor
addiert, ergibt sich ein Gesamtumfang von
260 500 Vollzeitstellen. Damit steigt der Anteil
des Sektors an der in der Schweiz erwerbstätigen
Gesellschaft auf 6.4 Prozent. Tatsächlich kommen
im schweizerischen Dritten Sektor auf neun Vollzeitbeschäftigte jeweils vier freiwillig oder ehrenamtlich Tätige.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Dritten Sektors
in der Schweiz lässt sich in Zahlen wie folgt in einem kurzen Überblick ausweisen:
Aktivitätsfelder und Erwerbstätigkeit
von NPO
Der schweizerische Dritte Sektor wird durch die
Fremdleistungs-NPO dominiert, die vorwiegend
Dienstleistungsfunktionen erfüllen. Bei ihnen steht
folglich das Erbringen von Leistungen zugunsten
Dritter im Vordergrund. Zu dieser NPO-Gruppe gehören insbesondere die Bildungsinstitutionen, die
Organisationen des sozialen Bereichs, des Gesundheitswesens sowie Vereinigungen, die den Fokus
auf das Wohnungswesen und die Beschäftigung gerichtet haben. Auf Grundlage der Erwerbstätigen
aus der Betriebsstättenzählung des BfS zeigt sich,
dass rund vier Fünftel sämtlicher Arbeitsleistungen
S o z ia le D ie n s t e
F r e m d le is t u n g s N P O 82 %
Der Dritte Sektor ist ein wesentlicher Bestandteil
der schweizerischen Wirtschaft und trägt rund
4.7 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des
Landes bei. Rund 90 000 NPO haben im Jahre
2005 rund 21.6 Milliarden Schweizer Franken
umgesetzt. Werden die Arbeitsleistungen der formell Freiwilligen zu Marktpreisen mit einberechnet, erhöht sich dieser Wert auf 27.6 Milliarden
Franken oder 6 Prozent des BIP.22
Die Nonprofit-Organisationen sind wichtige Arbeitgeber, die in der Schweiz, umgerechnet in
Vollzeitstellen, rund 180 500 Personen beschäftigen. Dies entspricht rund 4.5 Prozent der in der
Schweiz erwerbstätigen Bevölkerung.
Dazu kommt ein beachtlicher Beitrag an Ehrenamtlichen- und Freiwilligenarbeit: umgerechnet auf vollzeitäquivalente Beschäftigte umfasst
dies rund 80 000 Vollzeitstellen. Werden die ge-
64.4
59
G e s u n d h e it s w e s e n
19
B i l d u n g u n d F o rs c h u n g
W ohnungs wes en
u n d Beschäftigung
E ig e n le is t u n g s N P O 14 %
7.1
11.5
K u l t u r, S p o rt u n d F re i z e i t
W i r t s c h a ft s - u n d
B e r u fs ve r b ä n d e
7
R e lig io n
5
B ü rg e r- u n d
Verbraucherinteressen
1.6
In t e r n a t i o n a l e s
1.5
S t i ft u n g s - u n d
Spendenwesen
1.3
S o n s t ig e
Ü b r ig e
4%
2.2
U m w e l t - u n d N a t u rs c h u t z
2
0
10
20
30
40
50
60
70
Erwerbstätige in 1000 FTE
Abbildung 2: Beschäftigte im Dritten Sektor nach ICNPO-Sektoren
12
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
Schwerpunkt
des Dritten Sektors im Gebiet der FremdleistungsNPO zu finden sind, wie in Abbildung 2 zu sehen
ist. Die Eigenleistungs-NPO, welche hauptsächlich
die Interessen der eigenen Mitglieder verfolgen und
diese nach aussen vertreten, sind mit 14 Prozent aller NPO-Beschäftigten deutlich weniger bedeutend.
Zu diesem Bereich gehören unter anderem die Kultur-Organisationen, Sport- und Freizeitvereine, die
Berufs- und Arbeitgeberverbände sowie die klassischen Interessengruppen.
Dominierend sind im schweizerischen Dritten
Sektor die zwei Bereiche des Sozial- und Gesundheitswesen, in denen 35.5 Prozent beziehungsweise
32.5 Prozent aller Arbeitsleistungen des Dritten Sektors erbracht werden. Rund zehn Prozent der NPOBeschäftigten sind weiter im Bildungs- und Forschungsbereich angestellt, und erst an vierter Stelle
folgen mit dem Kultur-, Sport- und Freizeitbereich
die ersten Eigenleistungs-NPO (6 Prozent der Erwerbstätigen). Daher sind die Organisationen aus
diesem Bereich als Arbeitgeber wesentlich unbedeutender als die Drittleistungs-NPO, was aber nicht
mit ihrer Machtposition im wirtschaftlichen und
politischen Leben übereinstimmt. Dies gilt im Be-
sonderen für die Wirtschafts- und Berufsverbände
sowie die Gewerkschaften, welche – dank dem Lobbyismus bei politischen Geschäften – in der öffentlichen Wahrnehmung eine starke Rolle übernehmen, aber als Arbeitgeber nur einen sehr kleinen
Teil des Dritten Sektors ausmachen.
Ehrenamt und Freiwilligenarbeit
2 2.4
S o zi a l e D i e n s t e
6 4 .4
5 9 .0
2 .3
B ild u n g u n d F o r s c h u n g
1 9 .0
0 .6
W o h n u n g s we s e n
u n d Beschäftigung
7 .1
2 .1
W ir t s c h a f t s - u n d
Berufsverbände
0.8
7 .0
32.5
6 .4
K u lt u r
5 .1
13.2
R e lig io n
5 .0
1.9
Bü rg e r- u n d
Verbraucherinteressen
1 .6
2 .1
2 .2
0 .3
In t e r n a t i o n a l e s
U m w e l t - und
Naturschutz
1. 1
Ü b r ig e
4%
S p o r t u n d F r e i ze i t
E ig e n le is t u n g s N P O 14 %
G e s u n d h e it s w e s e n
1 .5
Stiftungs- und
Spendenwesen
1 .3
2 .0
0.6
S o n st i g e
40
30
20
10
F r e m d le is t u n g s N P O 82 %
Werden zu den Erwerbstätigen die geleisteten Stunden der Freiwilligenarbeit und Ehrenamtstätigkeit
mit eingerechnet, verschiebt sich das Gewicht hin
zu den Eigenleistungs-NPO. Gerade dieser NPO-Typ
ist auf die freiwilligen Leistungen angewiesen. Allgemein lassen die immensen Arbeitsleistungen der
ehrenamtlich Tätigen und Freiwilligen den Wert
des Sektors nochmals bedeutend ansteigen. Werden
die freiwilligen Arbeitsstunden in vollzeitäquivalente Beschäftigte umgerechnet, so ergibt sich ein
Wert von rund 80 000 Vollzeitstellen, die bezahlt
werden müssten, sollten sie nicht mehr unentgeltlich geleistet werden. Rund 26 Prozent der schweizerischen Bevölkerung über 15 Jahre leistet in mindestens einer Organisation Freiwilligenarbeit, was rund
1.6 Millionen Menschen entspricht.23 Tatsächlich
0
10
20
E h r e n a m t li c h e u n d F r e i w i lli g e i n 1 0 0 0 F T E
30
40
50
60
70
E rw e rbs tä tige in 1 0 0 0 F TE
Abbildung 3: Arbeitsleistungen im Dritten Sektor nach ICNPO-Sektoren
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
13
kommen im schweizerischen Dritten Sektor damit
auf neun Vollzeitbeschäftigte jeweils vier Freiwillige, die ihre Arbeitsleistungen den NPO zu Verfügung stellen.
Wie in Abbildung 3 zu sehen ist, wären bei den
Eigenleistungs-NPO vorwiegend die Bereiche Kultur, Sport und Freizeit ohne freiwillige und ehrenamtliche Arbeitsleistungen nicht länger aufrechtzuerhalten. Gleiches gilt – wenn auch im kleineren
Rahmen – für die Umwelt- und Naturschutzgruppen, die religiösen Vereinigungen sowie für die Institutionen, die für die Verbraucherinteressen einstehen. Bei den klassischen Drittleistungs-NPO
spielt dieses zivilgesellschaftliche Engagement im
Besonderen bei den Sozialen Diensten eine massgeb­
liche Rolle, während Gesundheitsorganisationen
sowie der Bereich der Bildung und Forschung inzwischen besonders stark durch professionelle Erwerbstätigkeit geprägt sind.
Einnahmen- und Ausgabenstruktur
In der Ressourcenmobilisierung unterscheiden sich
die NPO eindeutig von profitorientierten Unternehmen: Neben den Einnahmen aus leistungsbezogenen Angeboten sind sie grösstenteils auf eine private
und
öffentliche
Zuschussfinanzierung
24
angewiesen. Um einen Überblick über die Einnahmenstruktur zu ermöglichen, werden die unterschiedlichen Finanzierungsquellen in drei Hauptgruppen eingeteilt:
Leistungsentgelte, die selbst erwirtschaftete Mittel in Form von Mitgliederbeiträgen, Verkaufser-
Staatliche Beiträge
35%
Leistungsentgelte
57%
Spenden
8%
Abbildung 4: Einnahmequellen des Dritten Sektors
bbildung
4: Einnahmequellen des Dritten Sektor.8
14
Eigene Darstellung, Daten CNP und Steffen-Stadelmann et al. 2007.
löse aus Leistungen oder Anlageerträge umfassen.
Letztere spielen insbesondere bei den kapitalstarken Stiftungen eine wichtige Rolle.
Spendeneinnahmen, welche die Zuwendungen
von privaten Haushalten, Stiftungen oder Unternehmen beinhalten.
Staatliche Beiträge, welche alle Finanzmittel von
öffentlichen Körperschaften beinhalten, wie
Gelder aus Leistungsverträgen oder Defizitdeckungsgarantien.25
In Abbildung 4 wird ersichtlich, dass die Leistungsentgelte in der Schweiz mit einem Anteil von 57
Prozent die Haupteinnahmenquelle der NPO darstellen. Spenden aus privaten Quellen haben mit
einem Anteil von acht Prozent eine weit geringere
Bedeutung, als dies gemeinhin angenommen wird.
Der Finanzierungs-Mix im Dritten Sektor unterscheidet sich dabei von Branche zu Branche sehr
stark: 86 Prozent der staatlichen Mittel für den Dritten Sektor fliessen in die Gesundheitsinstitutionen,
soziale Dienstleistungen sowie den Bereich Bildung
und Forschung. Der Staat erweist sich also insbesondere für das Überleben der professionellen
Fremdleistungs-NPO als unentbehrlich.
Die rund zwei Milliarden Franken an privaten
Spendengeldern fliessen hingegen zu fast 53 Prozent in die sozialen und religiösen Organisationen,
während auch der Kultur- und Sportbereich sowie
das Gesundheitswesen nochmals ungefähr 26 Prozent des gesamten Spendenaufkommens erhalten.
Bei der Spendenverteilung ist demnach kein Unterschied zwischen den Fremdleistungs- und Eigenleistungs-NPO festzustellen. Die Leistungsentgelte
schliesslich lassen sich zu knapp 64.5 Prozent den
sozialen Dienstleistungen, dem Gesundheitswesen
und den Organisationen der Bildung und Forschung
zuordnen. Dies ist logisch nachvollziehbar, bieten
doch gerade diese drei grossen Fremdleistungs-NPO
Leistungen an, die hohe Kosten verursachen. Im
Kontext des Aufkommens von neuen, eher am
Markt orientierten Steuerungslogiken in der öffentlichen Verwaltung werden diese Leistungen zudem
zunehmend im Rahmen von Leistungsverträgen
zwischen NPO und Staat erbracht.26
Im Rahmen der Vereinsbefragung des VMI wurden zusätzlich zu den Einnahmen auch Daten über
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
Schwerpunkt
die Ausgabenstruktur erhoben. Die Ausgaben umfassen solche für Personal, Sachmittel oder Material
sowie sonstige Auslagen. Wie bei den meisten
Dienstleistungsunternehmen sind auch für die gemeinnützigen Vereine die Personalkosten der
grösste Ausgabenposten. Sie verursachen rund zwei
Drittel aller Gesamtausgaben. Mit 15 Prozent stellen die Material- und Dienstleistungsaufwendungen
den zweitgrössten Ausgabenposten der Vereine dar,
gefolgt von 12 Prozent für Betriebsausgaben (Miete,
Energie oder Werbung).
Internationaler Vergleich
Die Verteilung und Ausprägung des Dritten Sektors
in der Schweiz entspricht in weiten Teilen auch den
Erkenntnissen aus den übrigen westeuropäischen
Ländern im CNP. Der Wohlfahrtsbereich mit seinen
Dienstleistungsfunktionen dominiert gegenüber
den mitgliedschaftlichen Organisationen.27 Eine
nahezu identische Verteilung findet sich insbesondere in Deutschland, wo die zwei Bereiche des Sozial- und Gesundheitswesen über 60 Prozent aller
NPO-Beschäftigten engagieren.28 Auch in den zehn
anderen ICNPO-Gruppen sehen die Verteilungen
ähnlich wie beim nördlichen Nachbarn aus und
sind durchaus vergleichbar. Dies dürfte auf die ähnlichen Traditionen und die Geschichte der Sektoren
zurückgehen, welche stark religiös geprägt sind und
auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhen.29
Bei der Zusammensetzung des Wohlfahrtsbereichs unterscheiden sich die Schweiz und Deutschland aber deutlich von den übrigen westlichen Ländern, wo die Gruppe der Bildung und Forschung an
der Spitze liegt. Für die Schweiz (und entsprechend
auch für Deutschland) ist dies insofern erklärbar,
dass die Zuständigkeiten für die Bildung grundsätzlich bei den öffentlichen Körperschaften (Bund,
Kantone, Gemeinden) liegen, was explizit so auch
Anzeige
Bye bye Sitzen. Willkommen ON.®
Als weltweit erster Stuhl gibt ON® von Wilkhahn dem Körper die Freiheit, sich so zu bewegen wie er will und kann.
Intuitiv sitzen Sie aktiver und gesünder. Erleben Sie die nächste Generation des Sitzens auf wilkhahn.com/on
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
15
in der Bundesverfassung (Art. 19) verankert ist (Bundeskanzlei, 2009). Deshalb ist für diesen Bereich in
der Schweiz der staatliche Sektor dominant. In den
USA und vielen anderen Ländern (z. B. Belgien,
Grossbritannien, Dänemark oder Irland) liegen diese Kompetenzen vorwiegend bei privaten NPO, was
dort den Bildungsbereich innerhalb des Dritten
Sektors dominant werden lässt.
Fazit
Die Ausführungen in diesem Beitrag dienen dazu,
die Ergebnisse des vom VMI durchgeführten Johns
Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project zu
skizzieren, welches den Dritten Sektor der Schweiz
erstmals quantitativ ausweist. Anhand der Daten
kann eindrücklich aufgezeigt werden, dass die wirtschaftliche Bedeutung des Dritten Sektors als Arbeitgeber sehr hoch ist und zum Beispiel diejenige
der Landwirtschaft inzwischen deutlich übersteigt.
Die Beschäftigtenzahl (inkl. der Freiwilligen) ist
heute so gross wie die des gesamten Kreditgewerbes.
Einen bedeutenden wirtschaftlichen Faktor stellen
demnach auch die Freiwilligen und Ehrenamtlichen
16
in der Schweiz dar. Würden ihre Arbeitsleistungen
nicht mehr erbracht, wären ganze Wirtschaftsbereiche nicht mehr fähig, ihre Leistungen anzubieten.
Dies gilt insbesondere für die Eigenleistungs-NPO
sowie die im sozialen Bereich tätigen NPO der
Schweiz. Die Entstehungsbedingungen für zivilgesellschaftliche Organisationen erscheinen in der
Schweiz besonders förderlich, und der Anteil der
durch Mitgliedschaft in einem Verein organisierten
Bevölkerung oder der Umfang der Stiftungsaktivität
ist entsprechend hoch.
Der NPO-Sektor finanziert sich dabei zu einem
grossen Teil selbst und wird nicht – wie oft vermutet –
alleine durch Spenden oder durch staatliche Leistungen unterstützt. Die selbsterwirtschafteten
Mittel machen insgesamt 57 Prozent an den totalen
Einnahmen aus. Im Vergleich dazu fast unbedeutend sind die Spenden, welche nur einen Anteil von
acht Prozent der Einnahmen darstellen. Insgesamt
ist aber auch klar ersichtlich, dass der Staat ein
wichtiger Partner der NPO darstellt und auf der finanziellen Seite für mehr als ein Drittel der Einnahmen aufkommt.
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
Schwerpunkt
Fussnoten
Vgl. Helmig et al., 2009; Lichtsteiner et al., 2008.
2
Vgl. Seibel, 1990.
3
Vgl. von Schnurbein, 2006.
4
Vgl. Helmig et al., 2009.
5
Vgl. Wagner, 2007.
6
Vgl. Schnyder, 1994.
7
Vgl. Helmig et al., 2008; von Schnurbein, 2006.
8
Vgl. Salamon und Anheier, 1992a.
9
Vgl. Salamon et al., 1999; Salamon et al., 2004a;
Salamon et al., 2003.
10
Vgl. United Nations, 2003.
11
Vgl. Salamon et al., 1992a.
12
Durch dieses Kriterium werden beispielsweise die
Kammern und Innungen in Deutschland – welche
den Schweizer Arbeitgeber- und Berufsverbänden
ähneln – von den Untersuchungen ausgeschlossen, da sie die Zwangsmitgliedschaften vorsehen.
13
Vgl. Schwarz et al., 2009.
14
Vgl. Salamon et al., 1992b.
15
Vgl. Salamon et al., 2001.
16
Bei der Unterscheidung nach den Arbeitsinhalten
wird nach Eigenleistungs- und Fremdleistungs-NPO
differenziert. Vgl. Purtschert, 2005b; Schwarz et al.,
2009. Die drei typischen NPO-Rechtsformen sind
der Verein, die Genossenschaft und die Stiftung.
17
Vgl. Stadelmann-Steffen et al., 2007.
18
Vgl. Connelly et al., 1994; Lee et al., 1999.
19
Vgl. Salamon et al., 1999; Salamon et al., 2001.
20
Die Ausgaben umfassen Löhne und Gehälter,
Lohnnebenkosten und andere Personalausgaben
sowie die Anschaffung von Sachmitteln und
Dienstleistungen wie auch die Zahlungen für Gebühren und Abgaben. Ausgenommen sind hingegen Aufwendungen für Vermögenswerte wie
Grundbesitz, Bauinvestition und die Anschaffung
grösserer Güter und Fahrzeuge, die abgeschrieben
werden können.
21
Dabei handelt es sich um Ausschnitte aus der umfassenden Publikation zur CNP-Länderstudie
Schweiz, welche demnächst als Herausgeberbuch
erscheinen wird.
22
Ausgeklammert bleibt dabei der Gegenwert der
informellen Freiwilligenarbeit, wie beispielsweise
Hütedienste in der Familie oder Nachbarschaft.
23
Vgl. Stadelmann-Steffen et al., 2007.
24
Vgl. Helmig et al., 2006; Purtschert, 2005a, S. 16.
1
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
Dabei gilt es zu beachten, dass bei den staatlichen
Geldern auch die Leistungsentgelte der staatlich
finanzierten Sozialinstitutionen, Alters- und Invalidenkassen (AHV) als quasi-staatliche Organisationen inbegriffen sind. Die Mittelallokation wird
dort öffentlich-rechtlich und nicht über den Markt
geregelt und unterliegt keinem klassischen Preismechanismus. Die Gelder von privaten Krankenkassen werden hingegen den eigenerwirtschafteten
Mitteln zugewiesen, obwohl sie einen ähnlichen
Charakter aufweisen wie die Entgelte der Altersund Invalidenversicherung. Da es jedoch unterschiedliche Versicherungsstufen (privat, halbprivat
und allgemein sowie Zusatzversicherungen) gibt,
besteht hier eine – wenn auch nur geringe – Wahlfreiheit, und der Staat nimmt keinen direkten Einfluss auf die Vergabe der Gelder.
26
Vgl. Nollert und Budowski, 2009.
27
Vgl. Salamon et al., 2004b; Sanders et al., 2008.
28
Vgl. Zimmer et al., 2007 sowie den Beitrag von
Priller in dieser Ausgabe.
29
Vgl. Archambault, 2001.
25
Literatur
Archambault, E., Y a-t-il un modèle Européen du
secteur sans but lucratif?, in: RECMA Revue internationale de l’économie sociale (80/282), 2001, S. 64-83.
Bundeskanzlei, Bundesverfassung (BV), 2009, abgerufen am 17.03.2009 auf: http://www.admin.ch/ch/
d/sr/101/index.html
Connelly, N./Brown, T., Effect of Social Desirability
Bias and Memory Recall on Reported Contributions to a
Wildlife Income Tax Checkoff Program, in: Leisure Sciences (16/2), 1994, S. 81-91.
Etzioni, A., The Third Sector and Domestic Missions,
in: Public Administration Review (33/4), 1973, S. 314323.
Helmig, B./Bärlocher, C., The Swiss Nonprofit Sector:
An insight into an invisible field, 2008, Studie präsentiert an der ARNOVA 2008.
Helmig, B./Bärlocher, C./von Schnurbein, G., Defining the Nonprofit Sector: Switzerland, in: Working Paper des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector
Projekts, Baltimore, 2009.
17
Helmig, B./Purtschert, R./Beccarelli, C. (Hrsg.), Nonprofit-Management. Beispiele für Best Pracitces im Dritten Sektor (2. Auflage), Wiesbaden, 2006.
Lee, L./Piliavin, J. A./Call, V. R. A., Giving Time, Money, and Blood: Similarities and Differences, in: Social
Psychology Quaterly (62/3), 1999, S. 276-290.
Levitt, T., The Third Sector – New Tactics for a responsible Society, New York, 1973.
Lichtsteiner, H./Degen, C./Bärlocher, C., Stiftungslandschaft Schweiz: Tatsachen und Recht, in: Stiftung
und Sponsoring, Rote Seiten (11), 2008.
Purtschert, R., Bestandesaufnahme und Perspektiven
der Genossenschaften in der Schweiz, in: Purtschert, R.
(Hrsg.), Das Genossenschaftswesen in der Schweiz,
Bern/Stuttgart/Wien, 2005, S. 3-38.
Purtschert, R., Marketing für Verbände und weitere
Nonprofit-Organisationen (2. ergänzte und aktualisierte Auflage), Bern/Stuttgart/Wien, 2005.
Salamon, L./Anheier, H., In Search of the Non-profit
Sector (I) The Question of Definitions, in: Voluntas
(3/2), 1992, S. 125-151.
Salamon, L./Anheier, H., In Search of the Non-profit
Sector (II) The Problem of Classification, in: Voluntas
(3/3), 1992, S. 267-309.
Salamon, L./Anheier, H., Civil Society in Comparative
Perspective, in: Salamon, L./Anheier, H./Toepler, S./
18
Sokolowski, W. (Hrsg.), Global Civil Society: Dimen­
sions of the Nonprofit Sector, Baltimore, 1999, S. 3-40.
Salamon, L./Anheier, H., Der Dritte Sektor: Aktuelle
internationale Trends (2), Gütersloh, 2001.
Salamon, L./Sokolowski, W. (Hrsg.), Global Civil Society. Dimensions of the Nonprofit Sector (2. Auflage),
Bloomfield, 2004.
Salamon, L./Sokolowski, W. (Hrsg.), Global Civil Society: Dimensions of the Nonprofit Sector (2. Auflage),
Bloomfield, 2004b.
Salamon, L./Sokolowski, W./List, R., Global Civil Society. An Overview, Baltimore, 2003.
Sanders, J./O’Brien, M./Tennant, M./Sokolowski,
W./Salamon, L., The New Zealand Non-profit Sector in
Comparative Perspective, Baltimore, 2008.
Schnyder, S., Statistische Erfassung von Organisationen
ohne Erwerbscharakter, in: Schweizerische Zeitschrift für
Volkswirtschaft und Statistik (130/3), 1994, S. 391-401.
Schuhen, A., Nonprofit Governance in der Freien Wohlfahrtspflege, Berlin, 2002.
Schwarz, P./Purtschert, R./Giroud, C./Schauer, R.,
Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen (6. Auflage). Bern/Stuttgart/Wien, 2009.
Seibel, W., Gibt es einen dritten Sektor? Ein Forschungsüberblick, in: Journal für Sozialforschung (30/2), 1990,
S. 181-188.
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
Schwerpunkt
Stadelmann-Steffen, I./Freitag, M./Bühlmann, M.,
Freiwilligen-Monitor (Schweiz 2007), Zürich, 2007.
United Nations, Handbook on Non-Profit Institutions
in the System of National Accounts, New York, 2003.
Wagner, A., Der Nonprofit Sektor in der Schweiz, in:
Badelt, C./Meyer, M./Simsa, R. (Hrsg.), Handbuch der
Nonprofit Organisationen. Strukturen und Management
(4., überarbeitete Auflage), Stuttgart, 2007, S. 40-54.
von Schnurbein, G., Bestandesaufnahme zum Dritten
Sektor der Schweiz, in: Verbands-Management (32/1),
2006, S. 32-37.
Zimmer, A./Priller, E., Gemeinnützige Organisationen
im gesellschaftlichen Wandel: Ergebnisse der Dritte-Sektor-Forschung, Wiesbaden, 2007.
Die Autoren
Bernd Helmig/[email protected]
Professor Dr. Bernd Helmig ist seit August 2008 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine
Betriebswirtschaftslehre, Public & Nonprofit Management an der Universität Mannheim. Darüber hinaus fungiert er als Prodekan für Internationale Beziehungen an der
dortigen Fakultät für Betriebswirtschaftslehre und als Akademischer Direktor für den
Bereich Executive Education an der Mannheim Business School gGmbH.
Von 2001 bis 2008 war Professor Helmig als Ordinarius an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg/CH tätig, wo er den Lehrstuhl
für Nonprofit Management & Marketing innehatte. Von 2005 bis 2008 war er zudem
Direktor des Verbandsmanagement Instituts (VMI). Unter seiner Leitung wurde das
CNP-Projekt am VMI ab 2003 vorangetrieben.
Markus Gmür/[email protected]
Markus Gmür, Prof. Dr.; Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der
Hochschule St. Gallen (lic. oec. HSG) und Soziologie an der Universität Bamberg.
Anschliessend Promotion zum Dr. rer. soc. an der Universität Konstanz mit Dissertation über das Management organisationaler Krisenbewältigung. Nach der Promotion
Tätigkeit als geschäftsführender Prokurist der Medeclin Tageskliniken GmbH. Anschliessend Rückkehr an die Universität Konstanz für das Verfassen der Sammelhabilitation. Nach einer Professurvertretung für BWL der öffentlichen Verwaltung/
Managementlehre in Konstanz Wechsel an die European Business School (ebs) in
Oestrich-Winkel (D), mit Aufbau des Lehrstuhls für Human Resource Management;
von 2006 bis 2008 Prorektor für Lehre. Seit Oktober 2008 Direktor Forschung des VMI
und Inhaber des Lehrstuhls für NPO-Management der Universität Freiburg/CH.
Christoph Bärlocher/[email protected]
Christoph Bärlocher, lic. rer. pol.; Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
an der Universität Freiburg/CH. Vom Januar bis Juni 2006 Unterassistent am Verbandsmanagement Institut (VMI) der Universität Freiburg/CH und anschliessend bis
Juli 2010 Assistent am VMI mit der Haupttätigkeit der Koordination des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Projects (CNP) und des Projektes «SOMIT».
Verbands-Management, 36. Jg., 2/2010
19

Documentos relacionados