Der Weidling 3/2008

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Der Weidling 3/2008
No. 3 / 2008
Der Mensch
Die Kirche & die Medien
Inhalt
Editorial
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Titelthema: "Der Mensch, die Kirche und die Medien"
Die Bedeutung der Medien in unserer Zeit
Die Kirche und die Medien Öffentlichkeit als Möglichkeit und Grenze in einer Konsumgesellschaft
Die Medien im Spannungsfeld von Werten und Zielen
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6/7
8/9
Leben in einer Informationsgesellschaft
Kinder und Medien
Der Mensch, die Kirche und die Medien
Die Medien und die Angst der Kirche
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12/13
14/15
Buchrezension: Paul Veyne, "Als unsere Welt christlich wurde"
Heilige & Märtyrer: Maria Laura Mainetti
16-18
19
Kurzmeldungen
Jugend aktuell
Buchtipps
Kinderseite
20/21
22/23
24
25
T(D)ankstelle
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IMPRESSUM
Unregelmäßig erscheinende Druckschrift im Raum Windischgarsten
Chefredakteurin: Birgit Strick
Redaktionsteam: Stefanie Haas, Christina Kalchmayr, Andrea Ofner, Dr. Clemens Ofner, David Pernkopf,
Silke Popp, DI Thomas Popp, Pfarrer Dr. Gerhard Maria Wagner
Gastartikel: Titelseite: David Schwingenschuh
Layout: DI Thomas Popp
Redaktionsadresse: Birgit Strick, Seebach 54, 4580 Windischgarsten
Abonnementpreise: 7 € für ein Jahr / 12 € für zwei Jahre
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DER WEIDLING 3/2008
Editorial
Sehr geehrte Leser!
von Thomas Popp
Nun ist es also wieder soweit. Zwei Wochen
nach dem Erscheinungstermin dieser Ausgabe
des Weidlings sind wir Österreicher aufgerufen,
frühzeitig zur Wahlurne zu schreiten und einen
neuen Nationalrat zu wählen. Und zumindest
eines kann man schon jetzt mit Sicherheit
sagen: Die darauf folgende Regierungsbildung
wird alles andere als einfach werden. Landauf
landab ist diese Wahl natürlich ein
vieldiskutiertes Thema, auch wenn bei vielen
Menschen die Gesprächsbeiträge über ein
"die Politiker sollen arbeiten und nicht vorzeitig
wählen lassen" oder ein "es gibt keinen den
ich wählen könnte" nicht hinaus gehen. Im
Endeffekt wird damit dann begründet, wieso
man wohl gar nicht wählen gehen wird.
Ich persönlich halte solche Überlegungen für
nicht fertiggedacht, und zwar aus folgendem
Grund. Ganz egal wer oder was nun an diesen
vorverlegten Wahlen schuld ist oder nicht (und
darüber kann man sicher ausgiebig diskutieren,
was ich hier nicht tun will), Fakt ist und bleibt,
dass am 28. September neu gewählt wird.
Jeder Bürger hat die Möglichkeit, ein klein
wenig mit zu bestimmen, wie es in diesem
Land weitergehen soll. Wenn jemand nicht
geht, dann wird deswegen sicher kein Politiker
sonderlich betrübt sein. Nur der Nichtwähler
hat sich um seinen Anteil am
Mitbestimmungsrecht gebracht. Im übrigen bin
ich der Meinung, dass vor allem ein Christ,
dem die Gemeinschaft nie egal sein kann (und
eine solche Gemeinschaft ist eben auch der
Staat), von seinem Wahlrecht Gebrauch
machen sollte. Übrigens, bei dieser Wahl ist
auch die "Briefwahl" möglich. Sollte man also
am Wahltag verhindert sein, kann man auch
von dieser Möglichkeit gebrauch machen.
Wie sieht es nun mit dem Problem "es gibt
keinen den ich wählen könnte" aus. Für mich
sind in diesem Fall die folgenden zwei
Überlegung wichtig. Zum ersten wird es
sicherlich nie eine Partei geben, mit der man
hundertprozentig überein stimmt. Eine
Ausnahme ist dabei wohl nur eine
selbstgegründete Partei, in der man alleine
Mitglied ist. Aber das ist wohl eher selten der
Fall. Zweitens gibt es für mich einige
grundlegende Fragen vor allem im Bezug auf
das Menschenbild einer Partei, woraus sich
dann verschiedene Grundsätze ableiten, die
für mich nicht diskutierbar sind (z.B. Beginn
und Ende des Lebens). Richtig schwierig wird
es nur, wenn es gar keine Partei mehr geben
sollte, wo in diesen grundsätzlichen Fragen
eine Übereinstimmung vorliegt. Aber von so
einem Einheitsbrei sind wir ja gottseidank noch
(ein bißchen?) entfernt, vor allem wenn man
bedenkt, dass dieses mal gleich zehn Parteien
bundesweit und regional noch ein paar mehr
antreten werden. Somit sollten ausreichende
Möglichkeiten bestehen, das "geringere Übel"
zu wählen.
Eine Frage stellt sich für mich bei dieser Wahl
aber doch, auf die ich noch keine endgültige
Antwort gefunden habe. Macht es Sinn, einer
Kleinpartei, von der man ausgehen kann dass
sie den Sprung ins Parlament (mind. 4% der
Stimmen oder ein Grundmandat) nicht schaffen
wird, seine Stimme zu geben? Oder hilft man
in diesem Fall nicht den anderen Parteien,
gegen die man sich entschieden hat? Die
Frage ist dann nur, wie solche kleinen Parteien
überhaupt groß werden können?
Es wird sicher spannend werden. Einem eher
zeitlos spannenden Thema wendet sich diese
Ausgabe des Weidlings zu. Sie versucht das
Verhältnis von Menschen und Kirche auf der
einen Seite und den Medien auf der anderen
Seite von unterschiedlichen Richtungen aus
zu beleuchten. Der Bogen wird gespannt von
der heute vielzitierten Informationsgesellschaft
bis zu der Angst der Kirche, die heute allzu oft
vorhanden zu sein scheint. Viel Spaß bei der
Lektüre wünscht Ihnen
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DER WEIDLING 3/2008
Titelthema
Die Bedeutung der Medien in unserer Zeit
von Pfarrer Dr. Gerhard Maria Wagner
Mund zu Mund gehen und man Informationen
jeder Art weitergibt und erhält“, so formulierte
es Papst Johannes Paul II. in seiner Botschaft
zum Mediensonntag im Jahre 1992. – So ist
es zweifellos unbestritten, dass die modernen
Massenmedien einen bedeutenden Fortschritt
für die soziale Kommunikation darstellen.
Menschen werden auf Menschen aufmerksam
und Menschen werden mit Menschen
zusammengebracht.
Die modernen Medien, besonders die
sogenannten elektronischen Massenmedien,
wie Rundfunk, Fernsehen und Internet, spielen
im alltäglichen Leben sehr vieler Menschen
heute eine gewichtige Rolle. Presse und Funk,
Fernsehen und Internet sind als
Informationsvermittler und Unterhalter
Dominanten des modernen Lebens. Sie
begleiten den Tagesablauf, wirken in das
Familienleben hinein und sind die Vermittler
von zahllosen, schnell wechselnden
Informationen,
Erkenntnisses,
Wertvorstellungen und Verhaltensweisen. So
gewinnen die Medien erheblichen Einfluss auf
das Denken, Fühlen und Handeln der
Menschen. Sie sind inzwischen zu den
wichtigsten Trägern und Vermittlern der
öffentlichen Meinung in Kirche und Welt
geworden. Von daher kommen ihnen gerade
in einer demokratischen und weltanschaulich
pluralen Gesellschaft wichtige Aufgaben zu.
Die Medien „sind die Eintrittskarte jedes
Menschen zum modernen Marktplatz, wo
Gedanken öffentlichen Ausdruck finden, wo
Ideen ausgetauscht werden, Neuigkeiten von
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DER WEIDLING 3/2008
Zweifellos bieten die Medien eine große
Chance für die menschliche Gemeinschaft,
sie bergen aber auch Risiken in sich. Chance
und Risiken fordern gleichermaßen eine
sorgfältige Bewertung und einen
verantwortlichen Umgang mit diesen
Möglichkeiten heraus. Ich möchte mit diesem
Beitrag dazu anregen, dass das Gespräch in
unserer Pfarre zu diesem Thema in Gang
kommt: in den Familien, in den kirchlichen
Gremien und Gruppen, in den verschiedensten
Gemeinschaften junger Leute, in den Schulen
und in sonstigen Bereichen, die dafür geeignet
sind. Der Umgang mit den Medien muss auch
für die Seelsorge noch mehr in das
Bewusstsein der Menschen dringen. Warum
haben wir in Windischgarsten immer noch
keinen, der sich als Redakteur für die
„Rundschau“ zur Verfügung stellt, um über
wichtige Ereignisse in unserem Tal zu
berichten? Warum ist es so schwierig, für den
Pfarrbrief solche zu finden, die bereit sind,
Gedanken niederzuschreiben, einen Bericht
zu verfassen bzw. sogar ein Glaubens- oder
Lebensthema aufzuarbeiten?
Die Pastoralinstruktion „Communio et
progressio“, die im Jahre 1971 veröffentlicht
wurde, hat die positiven Möglichkeiten der
Titelthema
Medien klar
herausgestellt.
Sie sagt: „Die
neue Technik
für
den
Austausch
unter den
Menschen
versammelt die Zeitgenossen sozusagen um
einen runden Tisch. So kommen sie in dem
Streben nach Brüderlichkeit und gemeinsamem
Handeln miteinander ins Gespräch… Das
tägliche Gespräch der einzelnen (wird)
aufgenommen, angeregt und weithin verbreitet.
So wird das öffentliche Gespräch der ganzen
Gesellschaft durch diese Medien ermöglicht
und überall vernehmbar. Der so vermittelte
Fluss der Nachrichten und Meinungen bewirkt
in der Tat, dass alle Menschen auf dem ganzen
Erdkreis wechselseitig Anteil nehmen an den
Sorgen und Problemen, von denen die
einzelnen und die ganze Menschheit betroffen
sind“ (Nr. 19). Zwanzig Jahre danach spricht
die Pastoralinstruktion zur sozialen
Kommunikation des Päpstlichen Rates für die
sozialen Kommunikationsmittel von einer
Revolution der menschlichen Kommunikation
und bietet eine umfassende Reflexion seitens
der Kirche über Probleme und Möglichkeiten
auf dem Gebiet der Kommunikation unmittelbar
vor der Wende ins neue Jahrtausend, um
deutlich zu machen, dass alle, die im Apostolat
tätig sind, in ihre pastorale Planung Strategien
aufnehmen müssen, die auf Kommunikation
ausgerichtet sind.
Man kann sagen, dass durch die Medien ein
neues Wir- Gefühl in der ganzen Menschheit
entsteht, ein wachsendes Bewusstsein dafür,
dass wir eine große Menschheitsfamilie sind,
deren Freuden und Ängste, Hoffnungen und
Sorgen nur gemeinsam zu bewältigen sind.
Noch nie konnte ein solches Ausmaß an
tatkräftiger Solidarität für die Not leidenden
und hungernden Menschen – und das ist
Verdient der Medien – mobilisiert werden wie
heute. Die Welt ist tatsächlich zu einem
„globalen Dorf“ geworden, in dem wir sehr
nahe zusammengerückt sind.
Ebenso können wir feststellen – dass die
Medien – sinnvoll und sachgerecht eingesetzt
– eine wertvolle Hilfe für den kirchlichen
Sendungsauftrag darstellen. Die Botschaft des
Lebens und der Hoffnung, die die Kirche
verkündet, ist alt und dennoch immer neu. Die
Kirche ist kein Geheimbund, sie hat vielmehr
ihre für allen Menschen geltende Botschaft
öffentlich zu verkündigen. „Was ich euch im
Dunkel sage, davon redet am hellen Tag, und
was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet
von den Dächern“ (Mt 10,27). Noch nie hatte
dieses Jesus – Wort einen so realistischen
Hintergrund wie heute. Die katholische Präsenz
in den Medien ist ein Weg, die Sendung der
Kirche zu erfüllen, das Reich Gottes zu
verkünden und alle zum Kommen einzuladen
(vgl. Mk 1,15). Sie ist ein Ausdruck
evangelischer Liebe und pastoraler Sorge. Die
Kirche hat etwas zu sagen, und sie braucht
die Medien, um die Menschen mit ihrer
Botschaft zu erreichen.
Die Stimme der Kirche hat durch die Medien
eine ungeahnte Reichweite gewonnen. Sie
kann dadurch im Leben der Menschen und
ihrer Öffentlichkeit präsent sein und auch jene
Menschen ansprechen, die sie sonst nicht
erreichen könnte. Durch Nachrichten und
Berichte aus dem reichen und vielfältigen
Leben kirchlicher Gemeinden kann an viele
die Einladung weitergegeben werden, sich
selbst aktiv am Leben der Kirche zu beteiligen
und das eigene Leben für solche Aufgaben
aufzuschließen. Ohne die Arbeit der Medien
können viele großartige
Erfahrungen in der Kirche
und über die Kirche
hinaus nicht vermittelt
werden.
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Titelthema
Die Kirche und die Medien
von David Pernkkopf
Öffentlichkeit als Möglichkeit und Grenze in einer Konsumgesellschaft
Die Kirche ist von ihrem Wesen her
Versammlung. Sie lässt sich nicht auf den
Bereich der privaten Spiritualität beschränken.
Ihr eigentlicher Raum ist demnach die
Öffentlichkeit, der öffentliche Raum. Dieses
Prinzip ist in ihrer ganzen Eigentlichkeit
eingeschrieben, denn die erste Aufgabe der
Kirche ist die missio.
Wo f i n d e t a b e r i n e i n e r We l t d e r
ausdifferenzierten Lebensbereiche
Öffentlichkeit überhaupt statt? Im Fernsehen,
das über Vorgänge in der Welt „draußen“
berichtet? Aber ferngesehen wird im
W o h n z i m m e r, u n d M a s s e n m e d i e n
zementieren geradezu eine Privatwelt und
schaffen Öffentlichkeit ab, um sie durch ein
medial konstruiertes Bild von Wirklichkeit zu
ersetzen. Family-Sitcoms und Talk- Shows
suggerieren eine Versammlung von Menschen,
die in Wirklichkeit privat und einzeln sind. Die
Masse der privaten Wirklichkeitskonsumenten
ist zum stärksten wirtschaftlichen und
politischen Faktor geworden, ohne sich jemals
zu versammeln – vielleicht auch gerade
deswegen.
Wo aber sammeln sich Menschen? Im
Supermarkt und im Restaurant. Beide Male
geht es um Konsum, beim abendlichen
Ausgehen wenigstens nicht einzeln, aber
größere Runden und ernste und engagierte
Diskussionen sind eher die Ausnahme. Im
Ganzen dienen unsere Dörfer und Städte
eigentlich der Vermeidung von Öffentlichkeit:
Häuschen mit hohem Gartenzaun,
Wohnanlagen mit abgezählten Parkplätzen,
wo Besucher nicht vorgesehen sind,
Einkaufswege, die nicht begehbar, nur
befahrbar sind, genauso wie die Schulwege.
Öffentliche Verkehrsmittel werden durch
Privatautos ersetzt, jeder für sich allein. Die
Zentren unserer Städte mit ihren Plätzen
entleeren sich, statt sich dort zu versammeln,
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DER WEIDLING 3/2008
passiert man sie, als Einkäufer, als Tourist.
Die eigentliche Öffentlichkeit, der Ort, wo sich
Menschen sammeln, um an einer
„Öffentlichkeit“ aus Interesse und Neugier aus
Drang und Verpflichtung der Welt und
Gesellschaft gegenüber teilnehmen, sind die
Medien.
„Die
Masse
der
privaten
Wirklichkeitskonsumenten ist zum stärksten
wirtschaftlichen und politischen Faktor
geworden, ohne sich jemals zu versammeln
– vielleicht auch gerade deswegen“.
Wie bilden Menschen ihre Meinung? Durch
privaten Konsum von Massenmedien. Die freie
moderne Massengesellschaft hat erreicht, was
keine Diktatur zustande brachte: freiwillige
Unterwerfung von Menschenmassen dem
Diktat der Meinungen. Allerdings muss dazu
gesagt werden: nur äußerlich. Man glaubt es
nicht wirklich, was man medial vermittelt
bekommt. Denn eine Woche später steht das
Gegenteil in der Zeitung, und es wird auch
geglaubt, äußerlich. Es scheint sich somit ein
neues Korrektiv gebildet zu haben:
Demonstrationen für oder gegen
gesellschaftliche Vorgänge haben ausgedient,
Diskussionen sind anstrengend, die innere
Reserve aber kostet nichts. Wir machen überall
brav mit, was von Mehrheiten getragen wird,
aber wir glauben es nicht und sind auch
jederzeit bereit, es zu verwerfen, wenn die
Mehrheit wankt.
Diese Entwicklungen sind tatsächlich erregend
und einzigartig. Die Frage ist natürlich: Wie
mit dieser Situation umgehen? Wie soll auch
die Kirche damit umgehen? Ist eine neue TVPastoral gefragt?
Was aber, wenn Religion in einer postmoderne
Massenmediengesellschaft für sich selbst wirbt
und Teil der Massenmediengesellschaft wird?
Titelthema
Wie verändert sich der eigentliche Inhalt ihrer
Sendung? Wie verändert sich die Religion von
ihrer Struktur und Konsistenz her?
"Religion ist das, was
man hat. Theologie ist
das, was man darüber
denkt.
Das
Nachdenken über das,
was man hat - oder zu
haben glaubt -, ist
Philosophie. Also ist
das grundsätzliche,
systematische
Nachdenken über die
R e l i g i o n
Religionsphilosophie.
Wenn Sie mich fragen:
Theologie bräuchte es nicht zu geben." Mit
diesen Worten endet ein Aufsatz des
Philosophen Herbert Schnädelbach über
"Metaphysik und Religion heute". Wenn
Theologie nur noch systematisches
Nachdenken über Religion ist, transformiert
sie sich dann nicht selbst in
Religionsphilosophie? Diese Frage stellt sich
auch nach der Lektüre von Wilhelm Gräbs
erschienenem Buch über die Religion in der
Mediengesellschaft. Wie inzwischen
offensichtlich alle Erscheinungen zum Thema
"Religion und Medien" setzt auch Wilhelm
Gräb ein mit der rhetorischen
Substitutionsfrage: Kirche - eine Sinnagentur
von gestern? Medien - eine Sinnagentur von
heute?
Dass es sich um eine rhetorische Frage
handelt, ergibt sich explizit aus der Zielrichtung
des Buches, das ja Möglichkeiten aufzeigen
möchte, wie angesichts des Wandels des
Religiösen in der Mediengesellschaft "die
Praxis der Kirche, ihr Reden von Gott, der
Welt und den Menschen darauf antworten
kann". Das ist aber nur dann möglich, wenn
die Kirche auch aktuell noch mit Aussicht auf
Erfolg als Sinnagentur in der Medienwelt
verstanden werden kann. Wilhelm Gräbs Buch
ist eine seit langem notwendige systematische
Erörterung der Veränderungen religiöser
Fragestellungen im Rahmen einer durch
Medien bestimmten Gesellschaft. Die
Herausforderung der Medien haben Kirche
wie Gemeinden erst in Ansätzen begriffen.
Noch herrscht entweder pauschale Kritik oder
unreflektierter Enthusiasmus vor. Hier eine
mögliche Lesart des Religiösen in der
Gegenwart durch die Medien vorzulegen und
zu prüfen, muss Aufgabe der
Auseinandersetzung sein. Andererseits setzt
man in den Medien meines Erachtens zu
schnell einen Sinnbegriff voraus, an dem man
noch anknüpfen kann. Herbert Schnädelbach
hat in seinem einleitend zitierten Aufsatz die
Tranquilizer-Funktion der Medien dagegen
dahingehend bestimmt, dass sie dazu führen,
dass wir Sinnfragen erst gar nicht mehr stellen.
Was dann als Möglichkeit noch für eine
pastorale Erneuerung via Medien bleibt,
braucht nicht mehr gesagt werden.
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DER WEIDLING 3/2008
Titelthema
Die Medien im Spannungsfeld von Werten und
Zielen
von Birgit Strick
Viele Menschen sind fasziniert, andere beunruhigt von der
Entwicklung der Medien. Wir erleben einen Umbruch in der
sozialen Kommunikation, der in seinen Folgen von manchen
oft mit der Erfindung der Buchdruckerkunst verglichen wird. Die
Möglichkeiten der Kommunikation werden zu einem
Wachstumsmotor der Wirtschaft. Sie verändern die Arbeitswelt.
Sie bieten Chancen für die Verständigung der Menschen, ihre
Beteiligung am öffentlichen Gespräch in der Gesellschaft und
eine vielfach veränderte und gesteigerte Vermittlung von Wissen.
Nicht zufällig spricht man von der Informations- und Mediengesellschaft.
Die Medien genießen bei der katholischen Kirche eine große Bedeutung. Grundsatzdokument
ist das Konzilsdekret "Inter mirifica” (1963). Unlängst hat der Päpstliche Rat für soziale
Kommunikationsmittel ein Dokument über die Ethik der Massenmedien veröffentlicht. Die
Beziehung der Kirche zu den Medien hat aber Licht- und Schattenseiten. Einerseits sucht die
Kirche die Medien zu nutzen – für ihre Kommunikation mit der Gesellschaft sowie für den
innerkirchlichen Dialog. Andererseits steht die Kirche in Konkurrenz zu anderen Interessengruppen
und wird in ihren Positionen scheinbar nur oberflächlich wahrgenommen. Es stellt sich also
schon sehr eindringlich für mich die Frage: Welche Rolle spielen die Medien in der Orientierung
der Gesellschaft. Ein grundlegender Konflikt, der sich in allen Bereichen des Lebens – und
deshalb besonders auch hier stellt – ist die Frage: Darf der Mensch alles, was er kann? Nicht
alles, was technisch möglich ist, fördert nämlich das Zusammenleben der Menschen und noch
etwas überspitzter ausgedrückt: fördert die Moral bzw. die Entwicklung der Menschen. Vieles
wird einem durch die Medien suggeriert, so als wäre es das Normalste der Welt … das stimmt
aber nicht. Wertvorstellungen und der Sinn für soziale Gerechtigkeit und Verantwortung drohen
verloren zu gehen.
Ein vielfältiges Medienangebot dient der Integration des einzelnen Menschen in die Gesellschaft,
es eröffnet ihm die Chance, am öffentlichen Leben teilzunehmen und sollte auch soziale Normen
vermitteln. Ein Vorteil davon liegt sicher darin, dass der Missbrauch von Macht verhindert
werden soll. Eine Gefahr für die Menschen sehe ich aber darin, wo die Geschwindigkeit der
technischen Entwicklung so hoch ist, dass der Mensch in der Entwicklung nicht nachkommt.
Die Frage für die Zukunft sollte meines Erachtens trotzdem lauten: Gelingt es, einen Gleichklang
zwischen technischer Entwicklung und menschlicher Entwicklung zu erreichen, denn zur Zeit
ist es wohl bei allen Vorteilen, die ich selber sehr begrüße und auch nutze, wohl so, dass die
neuen Kommunikationsmedien für einen Teil der Bevölkerung einen Zugewinn an Möglichkeiten
darstellen, andere aber durch das Tempo der Entwicklung abgehängt werden. Es muss
sichergestellt werden, dass der Mensch in seiner Würde und Freiheit geachtet wird und im
Besonderen darf man auch niemals die ärmeren und unterentwickelten Länder aus den Augen
verlieren. Für sie dürfen keine weiteren Nachteile entstehen, weil sie sich die neuen Technologien
nicht leisten können und deshalb im Wettbewerb noch weiter zurückfallen.
Eine weitere Frage, die mir in diesem Kontext unter den Nägeln brennt, ist jene, die ich mir
oft stelle, wenn ich Nachrichten sehe oder Zeitungen durchblättere: Wo hört das öffentliche
Interesse auf und wo beginnt die Privatsphäre?
Es ist schon gut und recht, die Menschen zu informieren, aber dabei darf man wohl nicht die
Würde des Menschen vergessen, indem man ihm überhaupt keine Privatsphäre mehr lässt,
jedes kleinste Detail aus Vergangenheit und Gegenwart hervorholt und genau durchleuchtet,
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DER WEIDLING 3/2008
Titelthema
in die Öffentlichkeit zerrt - wie an den Pranger gestellt. Dazu kommt mir der weise Sokrates
in den Sinn, von dem eine kurze, aber sehr interessante und eben weise Geschichte überliefert
wird.
Zum weisen Sokrates kam einer gelaufen und war voll Aufregung: “Höre, Sokrates, das muss
ich dir erzählen, wie dein Freund …”"Halt ein!”, unterbrach ihn der Weise, “hast du das, was
du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?” "Drei Siebe?”, fragte
der andere voll Verwunderung. ”Ja, guter Freund, drei Siebe! Lass sehen,
ob das, was du mir zu sagen hast, durch die drei Siebe hindurchgeht.
Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst,
geprüft, ob es wahr ist?”
“Nein, ich hörte es erzählen und …”
“So, so! Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft, es ist
das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst - wenn es schon
nicht als wahr erwiesen -, so doch wenigstens gut?”
Zögernd sagte der andere: “Nein, das nicht, im Gegenteil …”
“Hm”, unterbrach ihn der Weise, “so lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden und lass
uns fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so erregt!”
“Notwendig nun gerade nicht …”
“Also”, lächelte der Weise, “wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut, noch
notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit!”
Was hat diese Geschichte nun mit den Medien zu tun? Wenn ich genau dort anknüpfe, wo ich
vor der Geschichte aufgehört habe, möchte ich den Bogen damit schließen, dass der Mensch
Anrecht auf eine Privatsphäre hat, dass der Mensch eine Würde hat, die besonders auch von
Reportern z.B. akzeptiert werden muss und dass wir uns immer die Frage stellen sollten:
welches Ziel verfolge ich damit? Ist es wahr, gut und notwenig, dieses und jenes zu veröffentlichen?
Was interessieren uns nun wirklich die Alkoholeskapaden diverser Popstars oder Sexaffären
in den verschiedensten Königshäusern? Diese Geschichten sind zwar vielleicht interessant
zu lesen beim Friseur und in der Arztpraxis, aber das ist auch schon alles. Und so nebenbei
angemerkt: meines Empfindens nach untergraben sie nur die Moral der Menschen! Geht es
im Letzten nicht nur darum, Schlagzeilen zu produzieren und somit die Auflagenzahl zu erhöhen?
Geht es nicht nur darum, die Sensationslust der Menschen zu schüren und schließlich zu
befriedigen, ohne zu hinterfragen, ob es gut, wahr, gerecht … ist? Vieles gibt es zu bedenken
und zu berücksichtigen – weshalb auch die Entwicklung der Medien mit etwas Besorgnis
verfolgt werden darf. Die Chancen der neuen Mediengesellschaft liegen auf der Hand, die
Risiken und Gefahren dürfen wir aber auch nicht ganz aus den Augen verlieren. Dies heißt
für mich aber auch, dass ich den Medien dankbar wäre, wenn sie helfen würden, dass wir uns
in unserem Alltag besser zurechtfinden und orientieren können. Dazu bedarf es aber einer
Kehrtwende in der Berichterstattung. Es gibt in der Tat soviel Gutes und Schönes,
Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft … aber das ist wohl zu uninteressant, um dafür Zeit und
Papier oder Sendeminuten aufzuwenden. Im Letzten bleibt es aber immer unsere Entscheidung,
unsere persönliche Freiheit, ob wir uns informieren oder manipulieren lassen. Ob wir Ziele im
Visier haben oder Werte und Zielvorstellungen einfach über Bord werfen. Niemand kann uns
im Letzten diese Entscheidung abnehmen …
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DER WEIDLING 3/2008
Titelthema
Leben in einer Informationsgesellschaft
von Pfarrer Dr. Gerhard Maria Wagner
Und was ist mit den vielen Informationen, die
wir heute über Radio, Fernsehen und Internet
in unser Haus bzw. unsere Wohnung erhalten?
Wir leben in einem Zeitalter der Informationen,
und unsere Gesellschaft ist wahrlich von
Informationen überflutet. Da stellen sich nun
schon Fragen, die wir nicht gedankenlos
beiseite schieben, sondern sehr ernst nehmen
müssen. Es geht um die Würde des Menschen
und darum, dass das christliche Menschenbild
ein Garant für diese Würde ist.
Tatsächlich hat die Information das Wissen
verdrängt und die Meinung die Überzeugung.
Information gilt längst als Wert an sich – und
nicht als Mittel zur Wahrheitsfindung. Der
Unterschied zwischen Information und Wissen
wird ignoriert; dass Wissen erworben werden
muss, um Wahres zu erkennen, vergessen.
Bildung verkommt zu einer Ansammlung von
Hintergrundinformationen, von Meinungen aus
Magazinen und Kanälen. Zudem zerstört die
Informationsflut die Sensibilität des Menschen:
Wen berührt ein Busunglück in Kairo, bei dem
drei Menschen sterben, und ein Bombenangriff
in Beirut, bei dem die halbe Stadt in Schutt
und Asche geht, wenn das Fernsehen täglich
zum Abendessen Schreckensmeldungen aus
aller Welt in die Wohnzimmer serviert? Und
dann wird noch im Abendsport vom Sieg der
Fußballmannschaft Red Bull Salzburg
berichtet, bevor in einer deutschen Talkshow
eine junge Frau von ihrem Organismus
Zeugnis ablegt. Treffend die Analyse, die
einmal im Stern zu lesen war: „Wenn das
Fernsehen kommt, sind wir zu allem bereit.
Die vom Fernsehen dürfen mit uns machen,
was sie wollen. Wenn’s der
Fernsehunterhaltung dient, lassen wir vor
einem Millionenpublikum die Hosen hinunter,
schwenken wir das Glasauge, reißen uns die
dritten Zähne aus dem Mund, steigen wir aus
dem Stützstrumpf, zeigen wir glücklich die
Windel her, die wir unserer unverlässlichen
Blase wegen tragen.“
Selbstkritisch halten wir fest, dass wir
manchmal zu sehr den Titeln, Texten und
Bildern der Medien glauben. Wir glauben zu
leicht und zu schnell, was wir in der Zeitung
lesen. Wenn es auch richtig und gut ist, sich
für das Leben der Welt und der Menschen zu
interessieren, so ist es doch
unerlässlich, den Blick, den wir auf die
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DER WEIDLING 3/2008
Welt richten, vom Lichte Gottes und seinem
Evangelium prägen zu lassen. Es ist im
höchsten Maße angebracht, darüber
nachzudenken, wie alle Menschen, besonders
aber die Jünger Christi, dazu angeleitet werden
können, kluge Benützer der Medien zu sein,
die fähig sind, das Wahre vom Falschen, das
Hilfreiche vom Schädlichen, das Bereichernde
vom Erniedrigenden zu unterscheiden. Wir
wundern uns über den Einfluss der Medien
und vergessen, dass die Wirkung der Medien
wesentlich davon abhängt, wie wir damit
umgehen, ob wir einen guten oder schlechten
Gebrauch von ihnen machen. Am meisten
aber wird wohl der Einfluss der Medien
relativiert durch die feste Orientierung in den
wichtigsten Lebensfragen, die wir uns durch
den kritischen Gebrauch anderer
Informationsquellen erworben haben: durch
Bildungsangebote, durch Lesen guter Schriften,
Mitarbeit in Gesprächs- und Bibelkreisen.
Sorgfältig müssen die Informationen
ausgewählt und kritisch muss das Angebot
gesichtet werden. So ist es sicherlich immer
wieder gut, wenn die Pfarren auf ein
„Kontrastprogramm“ an Bildung setzen, um
die Menschen von heute, die weitgehend in
einer Informationsgesellschaft leben, für die
Wahrheit des Glaubens und des Lebens neu
zu begeistern. Wie gut, dass es das
katholische Radio (Radio Maria, Radio Horeb)
und Fernsehen (KTV) gibt, wo vorwiegend
sehr gute Vorträge zu hören und zu sehen
sind. Ebenso denke ich an die katholische
Zeitung „Die Tagespost“, die mehrmals in der
Woche erscheint und großartig von der Kirche
aktuell
berichtet, Papstansprachen
dokumentiert, Zeiterscheinungen analysiert,
interessante Themen anspricht und auch mit
vernünftigen Leserbriefen „Aussprache“
möglich macht. Kirchlich klar ist auch das
Schweizerische Katholische Sonntagsblatt,
das wöchentlich erscheint. Dazu kommen
unregelmäßig erscheinende Magazine wie 30
Tage, Vatican, PURmagazin, Vision 2000 und
Kirche heute. Da findet der Konsument
wahrlich eine feste Kost, die gut tut und
aufbaut. Wer solches liest, wird die Probleme
der Menschen heute nicht übersehen, er wird
sich aber in der Kirche freuen können. Auf
dem Medienmarkt braucht es in Zukunft noch
mehr Kontrast und deshalb Informanten, die
wahrlich die Kirche und den Menschen lieben.
Titelthema
Kinder und Medien
von Stefanie Haas
Videospiele in allen Arten, Fernsehprogramme
speziell für Kinder und ganze Internetseiten
mit Bastelideen. Das und noch vieles mehr
bieten die modernen Medien selbst für unsere
Kleinsten schon. Inwiefern wir selbst mit dem
„Überangebot des modernen Zeitalters“
umgehen lernen müssen, um unsere
Sprösslinge vor diversen Gefahren zu
schützen, sollte uns allen ein Anliegen sein.
Mit Sicherheit ist es wichtig, an das ganze
Thema mit sehr viel Scharfsinn und Überlegung
heran zu gehen. So kann man den Kindern
nur dann einen richtigen und guten Umgang
mit Fernsehen, Internet und Co zeigen, wenn
man nicht selbst wahllos „herumsurft“ oder
„zapt“, bis man im Endeffekt wieder etwas
gefunden hat, was man doch gar nicht wollte.
Spätestens in
der Hauptschule
oder
dem
Gymnasium ist
es für Kinder
unumgänglich,
mit
dem
Computer
umgehen zu können. Auch in der Volksschule
werden immer öfter „neue Medien“ eingesetzt
und neue Wege der Bildung erschlossen.
Immer mehr spielt aber das digitale Zeitalter
auch in die Freizeit hinein. Wenngleich eine
DVD oder ein gutes Videospiel keinen Ausflug
in die freie Natur ersetzen kann, ist es doch
vermehrt eine gute Abwechslung zum Alltag,
den viele Kinder ja aufgrund des Zeitmangels
der Eltern alleine verbringen müssen. Die
Möglichkeiten, die das Internet bietet, sind so
vielfältig wie der Sand am Meer. Auch wenn
man sehr viel Negatives darüber hört, welche
Dinge durch die Anonymität des WWW möglich
sind, sollte man sich auch vor Augen führen,
dass die Vernetzung auch seine positiven
Aspekte hat. So ist es zweifelsfrei von
Bedeutung, sich selbst über richtige Seiten im
Internet zu informieren, möglicherweise ist es
sogar denkbar, mit den Sprösslingen
gemeinsam ins Internet zu gehen und etwas
zu „suchen“. Mit zahlreichen Programmen ist
es auch möglich, verschiedene Seiten zu
sperren, deren Inhalt nicht „kindgerecht“ ist
oder keine wirklich wertvollen Inhalte vermitteln
kann.
„Fernsehen bildet“ oder „vom Fernsehen
bekommt man viereckige Augen“ … sind zwei
Aussagen, die die unterschiedlichen
Standpunkte zu diesem Medium sehr klar
ausdrücken. Wie überall gibt es natürlich auch
hier nicht nur Schwarz und Weiß. Bis zu 400
Programme kann man schon empfangen sei
es via SAT oder Kabel, die Möglichkeiten sind
hier nahezu unbeschränkt. Viele als
„Kindersendung“ bezeichnete Filme und Serien
im Fernsehen erfordern es dennoch,
gemeinsam mit den Eltern gesehen zu werden.
Vor allem ist es gerade für kleinere Kinder oft
sehr wichtig, nach dem Film mit jemandem
darüber zu sprechen, damit sie es leichter
verarbeiten können. Nicht alle Szenen sind so
leicht verständlich wie es erst wirkt und sie
brauchen Nachbearbeitung.
Der Umgang mit neuen Medien ist wichtig und
notwendig. Vor dem Fortschritt kann und sollte
man die Augen nicht verschließen. Überlassen
wir es also nicht dem Zufall, wie unsere Kinder
damit umgehen, sondern informieren wir uns
auch selbst, welche Möglichkeiten es gibt. Wie
überall können und sollten wir unseren
Sprösslingen nicht alle Lasten abnehmen,
doch gerade in dieser Hinsicht ist es auch für
uns nicht schlecht, wenn wir „auf dem neuesten
Stand sind“ und wir die Gelegenheiten, die
sich uns bieten, auch nützen.
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DER WEIDLING 3/2008
Titelthema
Der Mensch, die Kirche und die Medien
von Birgit Strick
Als ich überlegte, welchen Artikel ich zu diesem
Thema schreiben soll, kam mir in den Sinn,
meine Geschichte aufzuschreiben und damit
anderen Mut zu machen, da man an meinem
Beispiel sehen kann, wie der Mensch, die
Kirche und die Medien zusammenhängen
können. Wie manchen, aber nicht allen bekannt
sein wird, nutzte ich das Medium Internet, um
einen katholischen Partner für mein Leben zu
suchen und stieß dabei auf eine Plattform, die
sich kathtreff nennt – ein katholisches
Heiratsportal im Internet: katholisch, anonym,
niveauvoll und attraktiv … mit diesen
Schlagworten lockt man heiratswillige junge
Menschen, die nicht unbedingt in der Disco
oder auf der Schihütte nach einem passenden
Partner des anderen Geschlechts die Fühler
ausstrecken, sondern denen es in erster Linie
darum geht, dass der andere Christ ist.
Als ich gleich bei der Einleitung Grußworte
von Bischof Klaus Küng, dem Familienbischof
der österreichischen Bischofskonferenz und
Andreas Laun, dem Salzburger Weihbischof
las, weckte diese Seite noch mehr meine
Neugier und ich las weiter. Der Sankt Pöltner
Diözesanbischof unterstützt diese Aktion mit
den Worten: „Lieben lernen ist das größte und
wichtigste Ziel jedes Menschen. Eine christliche
Eheschließung ist ein konkreter Weg zu diesem
Ziel. In einer christlichen Ehe ist Christus in
die Bindung einbezogen, die durch das
gegenseitige Ja-Wort zu Treue und Hingabe,
auch zu Kindern, von einem Mann und einer
Frau eingegangen wird. Mit Gottes Hilfe kann
und wird es gelingen, alle Schwierigkeiten des
Lebens zu bewältigen. Auch die persönlichen
Voraussetzungen sind wichtig wie z. B. die
persönlichen Wert- und Zielvorstellungen, eine
gewisse charakterliche Reife, allgemeine und
berufliche Bildung als Grundlage für den
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DER WEIDLING 3/2008
Lebensunterhalt und für die Wahrnehmung
elterlicher Pflichten. Daher halte ich ein Angebot
zur Erleichterung der Partnersuche für eine
nicht nur akzeptable, sondern gute Einrichtung.“
Nun denn, wenn schon mal unsere obersten
Hirten nichts Schlechtes daran finden, im
Gegenteil, diese Aktion unterstützen, dann
kann ich einen Schritt weitergehen und mal
schaun, was sich da so tut, dachte ich mir.
Es gibt viele Vorurteile gegenüber
Heiratsanzeigen jeder Art – ob nun in der
Zeitung oder im Internet. Und natürlich hatte
auch ich anfangs meine Bedenken – war mir
das Internet doch nicht so geheuer und ich
glaubte auch nicht daran, hier den richtigen
Partner fürs Leben zu finden. Trotzdem wagte
ich dann doch einen Versuch. Vielfach sah ich
mich in den kommenden Wochen und Monaten
dann genau auch mit diesen Vorurteilen
konfrontiert, wenn ich jemandem von meiner
Partnersuche im Internet erzählte. Einer dieser
Vorurteile ist der, diese Form der Suche „nicht
nötig“ zu haben. Ich habe auf diesem Weg
des Suchens viele nette, interessante und
gläubige Menschen in ganz Österreich kennen
gelernt, mich ausgetauscht und viel über
andere Pfarren erfahren, was mich immer
wieder froh und dankbar stimmte, dass ich
hier in Windischgarsten leben darf, wo die
Uhren scheinbar wirklich anders gehen. Und
schließlich und endlich habe ich ja doch auch
mein großes Glück im Internet gefunden.
Dieses „nicht nötig haben“ empfinde ich als
sehr relativ. Ich empfand mich einfach schon
als zu alt, um in Discos oder sonst wo mein
Glück zu suchen. Außerdem weiß ich, wenn
ich mich auf dieser Seite anmelde, dass all
jenen, die hier ebenfalls auf der Suche sich
befinden, der Glaube auch ein Anliegen ist,
denn es ist ja in der heutigen Zeit nicht
Titelthema
unbedingt so, dass man damit unbedingt
„hausieren“ geht, weil gläubig sein so „in“ ist.
Ein weiteres Vorurteil gegen Inserate ist die
Sorge, Gott ins „Handwerk zu pfuschen“ und
selber etwas zu machen, was man besser
Gott überlassen sollte. Es scheint wohl Gottes
Wille gewesen zu sein, dass wir uns nicht auf
„natürlichem Wege“, sondern über eine
Anzeige kennen lernen. Wir verstehen es auch
als ein Zeichen, um anderen zu zeigen, dass
sich die göttliche Vorsehung auch durchaus
eines menschlichen Mitwirkens wie hier eines
Inserates bedienen kann. Außerdem haben
wir erlebt, dass man Beziehung auch durch
Anzeigen nicht „machen“ und so Gott „ins
Handwerk pfuschen“ kann. Beziehungen, die
zu einer glücklichen Ehe führen, sind und
bleiben ein göttliches Geschenk, mit und ohne
Anzeige. Wir können aber auf dem Weg
mitwirken, weitere Möglichkeiten zu
erschließen, dass Gott sein Heil schenken
kann, das aber trotzdem „erbetet, gesucht und
erwartet“ werden will. Sicher war es letztlich
die göttliche Vorsehung, die sowohl diesen
Zeitpunkt als auch diesen Weg für uns
bestimmt hat. Dafür sind wir beide von ganzem
Herzen dankbar und so freuen wir uns auf den
4. Oktober, wo wir in Liebe und Vertrauen
zueinander und mit Gottes Segen unser
gemeinsames Leben nun beginnen.
Sich auf den Weg machen, einen guten und
passenden Ehepartner zu suchen, bedeutet
nicht, einem eigenwilligen Herzensanliegen
nachzugeben, sondern es heißt, mitzuhelfen,
den Plan Gottes mit uns gelingen zu lassen.
Es ist eine hohe Aufgabe, das zukünftige
Fundament unserer Gesellschaft überhaupt
zu bauen. Wir tun es ja nicht ohne Gott, Gott
aber tut es auch nicht ohne uns.
Was gibt es Hoffnungsvolleres als eine Familie,
die im Glauben vereint und auf Christus
gegründet ist? Ich unterstütze KathTreff, weil
ich glaube, dass es einen wertvollen und
mutigen Beitrag für eine bessere,
wertorientierte und gläubige Gesellschaft
leistet. Darum habe ich mir jetzt auch ein Herz
gefasst, und diese Zeilen verfasst, weil es
auch zeigt, wie der Mensch, die Medien und
die Kirche miteinander verwickelt sein können
– auf eine für viele doch unbekannte Art und
Weise, die aber sehr segensreich sein kann.
Ich wünsche diesem Projekt, dass es viele
Früchte trägt und dass sich dadurch ein
N e t z w e r k j u n g e r, b e g e i s t e r t e r u n d
aufgeschlossener Katholiken bildet, aus dem
ebensolche Familien hervorgehen.
Unter www.kathtreff.org findet man alle
weiteren Informationen zu dieser Plattform.
Geistlicher Begleiter des „KathTreff“ ist der
Salzburger Weihbischof Andreas Laun, in der
Erzdiözese Salzburg für Ehe- und
Familienfragen verantwortlich. Er sieht in
diesem Angebot, das es nunmehr seit 2005
gibt, ein „dringendes Anliegen“ verwirklicht.
Laun: „Endlich haben wir eine seriöse Plattform
für eine genuin christliche Partnersuche! Dieses
Instrument wird in vielen anderen Ländern und
Konfessionen bereits erfolgreich genützt, aber
bei uns hat bisher niemand gewagt, diesen
naheliegenden Weg auch für überzeugte
Katholiken anzubieten.“
Auch neben dem Kennen lernen übers Internet
bietet kathtreff noch viele weitere interessante
Möglichkeiten für ein christliches Leben. Es
gibt Tanzclubs, Gebetskreise, jedes Jahr eine
katholische Singletagung mit Vorträgen, eine
Paduawallfahrt um gute Ehepartner mit
geistlicher Begleitung und vieles mehr. Man
sollte die Hoffnung nie aufgeben … und sein
Leben im Vertrauen auf Gottes Führung doch
selber ein bisschen in die Hand nehmen!
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DER WEIDLING 3/2008
Titelthema
Die Medien und die Angst der Kirche
von Pfarrer Dr. Gerhard Maria Wagner
Der Einfluss der Medien auf die Kirche ist
wahrscheinlich größer, als deren Mitglieder
selber vermuten. Die Medien können eine
große Chance für die Gemeinschaft des
Glaubens sein, sie bergen aber auch Risiken
in sich. Die Medien sind eine echte Chance
für die Menschen und können in vielen
Lebensbereichen, nicht zuletzt auch im
kirchlichen Leben, eine wertvolle Hilfe bei der
Bewältigung zahlreicher Aufgaben sein.
Zugleich melden sich auch kritische Stimmen
zu Wort, die auf die Gefahren und Risiken der
Medienwelt hinweisen.
Immer wieder kommt es auch heute noch vor,
dass Leute, die in der Kirche arbeiten, eine
große Angst vor den Medien haben. Selbst
solche Christen, die in verantwortlicher Position
sind, schrecken vor den Medien zurück und
wollen damit nichts zu tun haben. Oft werden
die Medien grundsätzlich verteufelt, mehr noch
ist es das Problem, dass viele Menschen mit
den Medien nicht umgehen können.
Nun haben Medien grundsätzlich die Aufgabe
zu informieren, sodass sie Mentalität und
Lebensstil prägen. Vergessen dürfen wir aber
auch nicht, dass die Medien die Worte,
Erwartungen und Stimmungen
des Publikums widerspiegeln
und damit den vorherrschenden
Lebensstil in Worte fassen bzw.
ins Bild bringen. Die Medien
sind in dieser Gesellschaft zu
Hause, und man könnte
tatsächlich sagen, dass die
Gesellschaft die Medien hat,
die sie will und auch verdient. Wenn oftmals
heute Kultur zu kurz kommt, auf Unterhaltung
gesetzt wird, Anspruchsvolles in wenigen
Minuten abgehandelt wird, dann deshalb, weil
viele lieber eine Krimiserie oder den üblichen
Klatsch – Talk sehen und hören als Magazine,
die uns geistig fordern. Die Leute sitzen da,
müde von der Arbeit, die Fernbedienung wie
einen Rosenkranz in der Hand, um von einem
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DER WEIDLING 3/2008
„Nonsens“ zum andern zu gleiten. Und wer
greift zu einem Buch, um sich über den
Glauben der Kirche zu informieren, wenn
Anspruchsloses in der „Bunten“ und im „Profil“
leicht und schnell gelesen werden kann?
Woher holen sich heute die Leute
Informationen über die Kirche? Mit
Verwunderung höre ich immer auch die
Argumente jener, die unseren Pfarrbrief
„Lebendige Pfarre“ kritisieren, weil er zuviel
Text und zu wenig Bilder bringt. Bei alledem,
dass ich von Bildberichten ganz fest überzeugt
bin, setze ich vorwiegend auf Texte, die die
Menschen zum Nachdenken und zur lebhaften
Auseinandersetzung fordern. Eine „Bildzeitung“
wird unser Pfarrbrief niemals werden.
Der Angst dürfen wir aber in keinem Fall das
Wort reden, denn unbestritten ist es, dass der
Glaube den Mut zum öffentlichen Bekenntnis
braucht wie der Fisch das Wasser. Es ist sicher
eine Sache derer, die Verantwortung tragen
in der Kirche, ein solches Wort zur rechten
Zeit deutlich zu sagen. Auch die Verkündigung
und die Glaubensunterweisung aller Spielarten
verlangen stets von allen, die von der Kirche
zu diesem Dienst bestellt sind, Entschiedenheit
und das, was der heilige Paulus „Freimut“
(Parrhesia) nennt. Dies ist nicht
nur Zivilcourage, sondern auch
Treue zum Evangelium, ob es
anderen passt oder nicht. Wenn
heute die Christen immer mehr
zu wichtigen Fragen des Lebens
schweigen und immer weniger
das gesellschaftliche Leben
insgesamt prägen, dann sind
daran nicht die Medien Schuld. Wenn niemand
den Mut hat, „heiße Themen“ anzufassen,
dann dürfen wir uns nicht wundern, dass
säkulare Medien solchen Themen zu wenig
Raum und Resonanz geben. Persönlich bin
ich davon überzeugt, dass die Medien kantiges
Wissen und das Provokante des Glaubens
weitergeben wollen. Die Kirche darf nicht davor
zurückschrecken, das Unbequeme des
Titelthema
Glaubens zu formulieren und an die Medien
zu bringen.
Es wäre jedoch falsch, hier immer alles von
den Amtsträgern zu erwarten. Kirche ist nicht
„Amtskirche“. Jeder hat aufgrund von Glaube,
Taufe und Firmung eine innere Verpflichtung
zum Bekenntnis und auch zum Wort. Dieses
öffentliche Zeugnis für den Glauben von Seiten
aller Christen fehlt uns heute ganz besonders.
Ich denke an Stellungnahmen z.B. für das
Leben des ungeborenen Kindes, die Würde
von Kranken, Behinderten und Sterbenden,
aber auch an die meist schweigende Mehrheit,
wenn es um Fragen der Kultur der Sexualität,
der Freiheit der Kunst und der Demokratie
geht. Die Kirche wird verunglimpft, der
Glaubende diskriminiert und die Medien
werden beschimpft. Müsste nicht jemand
aufstehen, der ein Thema auf den Punkt bringt
und sich so gehörig Gehör verschafft? Ganz
sicher könnte auf die Qualität der Angebote in
den Medien ein wirksamer Einfluss ausgeübt
werden, wenn es viele Menschen mit
Zivilcourage gäbe. Wenn sehr viele Menschen
mit gesundem Urteil durch sachliche Kritik die
Medienanbieter wissen lassen, was sie über
die eine oder andere Sendung denken, ließe
sich schnell die Qualität der Massenmedien
verbessern. Gemeinsam müssen öffentliche
Initiativen
ergriffen
werden,
Interessengemeinschaften müssen gebildet
werden, die die Anliegen der Hörer und
Zuseher konsequent vertreten. Angstfrei und
eifriger müssen wir von den Medien Gebrauch
machen, wenn es darum geht, das Evangelium
zu verkünden. Da kann einmal ein Interview
von einem Pfarrangehörigen Klarheit im
Dickicht irriger Meinungen schaffen, um tiefer
manches auszusprechen, was die Menschen
wirklich ersehnen, oder es kann auch ein
Leserbrief sein, um sehr deutlich die Botschaft
des Glaubens in Erinnerung zu rufen.
In diesem Zusammenhang stellt sich für mich
eine wichtige Frage: Warum gibt es so wenig
Religion in der Tageszeitung? Die Antwort ist
nicht schwierig: Weil es doch viel einfacher
ist, über einen Verkehrsunfall oder den Rücktritt
eines Bürgermeisters zu berichten als über
die Erstkommunion oder die Einsatzung eines
Arbeitskreises „Europa und Weltkirche“. Lieber
machen Journalisten ein Bild von der
Erstkommunion als dass sie darüber einen
Bericht schreiben, wo doch jede Mutter eines
Erstkommunionkindes, die in der Vorbereitung
mitgearbeitet hat, jeden Fehler sofort erkennen
würde. Und warum lehnen nicht nur ältere
Seelsorger das Internet ab, wo eine Homepage
praktisch zum Schaukasten einer Pfarre wird
und die jungen Leute über das Internet
kommen, um sich neu für das Leben der Kirche
in einer Pfarrgemeinde zu interessieren. So
kommt es mir in Zukunft ganz wichtig vor, dass
Berührungsängste abgebaut werden, damit
neue Räume der Begegnung erschlossen
werden können. Sehr persönlich habe ich das
auch in meinem seelsorglichen Leben erfahren
dürfen, sodass ich nach anfänglichem Zweifel
- vor allem aufgrund technischer Unfähigkeit
– heute überzeugt bin, dass Kommunikation
im Internet in Zukunft in allen Pfarren ermöglicht
werden muss. Nicht wenige Leute schätzen
es, von der Kirche in ihrem eigenen Medium
kontaktiert zu werden. Wäre das nicht auch
ein Weg, um verstärkt wieder an die Jugend
heranzukommen, von der es heißt, dass 96
Prozent das Internet intensiv nutzen, und zwar
zu 60 Prozent für Kommunikation? Ich denke,
dass an der Angst nicht weniger
Kirchenverantwortlichen nichts dran ist, die
vermuten, dass man die reale Begegnung
durch die virtuelle ersetzen will. Das Ziel all
dieser Internetmaßnahmen kann doch nur
sein, personale Begegnungen zu ermöglichen,
sodass dann virtuelle Kontakte in reale
Begegnungen übergehen, was für die Kirche
weiterhin die Basis bleibt und bleiben muss.
Das Internet ist ein öffentlicher Raum, und dort
muss die Kirche präsent sein, und das ohne
Angst, selbstbewusst und mit viel Liebe, um
von Gott zu erzählen und dem Menschen zu
begegnen.
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DER WEIDLING 3/2008
Buchrezension
"Als unsere Welt christlich wurde" Eine Rezension
von David Pernkopf
Gerade erst wurden Leben und Herrschaft Konstantins des Großen mit einer monumentalen
Ausstellung in Trier gewürdigt: mit mehr als 1500 kostbaren Exponaten aus 160 Museen und
20 Ländern. Die Schau feierte Besucherrekorde, obwohl – oder gerade weil – Konstantin bis
heute eine umstrittene Persönlichkeit ist: ein Heiliger oder ein Machtmensch? Ein Zyniker oder
ein gläubiger Christ? An Quellen und archäologischen Zeugnissen lässt sich die Frage nicht
leicht entscheiden, umso mehr Spielräume öffnen sich der Spekulation. Unzweifelhaft ist, dass
mit der konstantinischen Wende das Christentum geschützt, vielleicht sogar gerettet wurde.
Inwiefern aber hat Konstantin, der bis zu seinem Tod 337 n.Chr. drei Jahrzehnte lang als
römischer Kaiser herrschte, als „Retter der Menschheit“ gewirkt, wie Veyne behauptet?
In diesen Tagen erschien ein eindrucksvolles und unübliches Buch des
französischen Althistoriker und Gelehrten Paul Veyne auf Deutsch: „Als
unsere Welt christlich wurde“. Er zeichnet das Bild von der
konstantinischen Wende – und entgegen dem mainstream – eines,
das den ersten christlichen Kaiser in ein ungemein positives Licht rückt.
Um jedoch die konstantinische Wende darstellen zu können, holt er
ein bisschen weiter aus und gibt Einblicke in die römisch-heidnische
Religion. Ebenso ist auch eine Übersetzung mit dem Titel „Die griechischrömische Religion“ von Veyne erschienen.
Die Götter kreisen um sich selbst
Paul Veyne stellt also Leitfragen – die Frage etwa nach den Unterschieden
zwischen der griechisch – römischen und der jüdisch-christlichen Religion. Leitende Antworten
aber gibt er nicht. Seine Antworten sind meist nicht populär, sondern überraschend, weil sich
in ihnen keine zu erwartenden Tendenzen spiegeln. Wer hat zuletzt – als erklärtermaßen
ungläubiger Wissenschaftler – das Christentum als „Meisterwerk“ charakterisiert? Oder gar die
Kirche als das „andere Meisterwerk“? Was heißt hier überhaupt „Meisterwerk“? Wie können
Religionen mit Hilfe ästhetischer Begriffe rezensiert werden? Wer hat je – nach Jacob Burckhardts
vernichtendem Urteil in „Die Zeit Constantins des Großen“ (1853) – den christlichen Kaiser als
„Retter der Menschheit“ vorgestellt? Wann wurde schon, außerhalb von Theologie oder
Erbauungsliteratur, so inspiriert über die christliche Religion der Liebe geschrieben?
Die Geschichte der konstantinischen Ära setzt ein vielschichtiges Bild der griechisch – römischen
Religion voraus. Einer Religion, die verschiedene Göttinnen und Götter verehrt, die, trotz aller
Überlegenheit den Menschen ähneln. Sie haben einen Körper, sie sprechen und handeln,
lieben und hassen, erscheinen und verschwinden wie die Menschen. Sie bilden gleichsam
„eine lebendige Spezies“, vernunftbegabt und unsterblich – während die Menschen vernunftbegabt
und sterblich, die Tiere sterblich und unvernünftig sind.
Die Götter sind, so Veyne, „mächtige Fremdlinge mit einem eigenen und auf sich selbst
konzentrierten Leben, unabhängig von den Menschen, die ihrerseits ein eigenständiges Dasein
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DER WEIDLING 3/2008
Buchrezension
führen“. Sie werden zwar von den Menschen geliebt, interessieren sich aber umgekehrt für
die Menschen nur in eingeschränktem Maße „und aus den gleichen sehr unterschiedlichen
Gründen und Anlässen, aus denen die Menschen sich für ihresgleichen interessieren. In erster
Linie sind sie an sich selbst interessiert, und ihre Hauptsorge kreist nicht um das Wohl der
Menschheit“.
Jubel ohne Emotion für die heidnischen Götter
Die griechisch-römischen Götter begehrten nur ausnahmsweise menschliche Frauen oder
Männer. Wie aber zeigten die Menschen der Antike ihre Liebe zu den Göttern? Durch eine
Vielzahl von Praktiken, die sich weder als Rituale noch als Ausdrucksformen eines Glaubens
zureichend fassen lassen. „Inbrunst und Jubel blieben ganz unpathetisch; sie verbanden sich
mit kleinen Gesten, Konventionen des Opfers oder der Chorgesänge, nicht mit Orgien und
Ekstasen. Religiosität entsprang keinem Spektakel. Selbst die antiken Mysterien fungierten
weder als Heilslehren noch als Offenbarungen, sondern als Versicherungen: als „eine Art
Freimaurertum des Jenseits und sonst nichts. Sie garantierten den Initiierten nicht das Heil,
sondern ein privilegiertes Dasein im Jenseits, das dank der Protektion durch den Gott, in
dessen Kult man eingeweiht war, substantiell glücklicher war als das der anderen“.
Was sonst durfte im Austausch gegen die Praktiken einer „Gewohnheitsreligion“ erwartet
werden? Die alltäglichen Zeremonien sollten zur Vermeidung möglichen Unglücks beitragen,
zur Besänftigung der Ungunst und des Zorns der Götter. Belehrt vom Umgang mit Herrschern
und Mächtigen wurde keine Liebe erhofft, kein Mitleid, keine spezifische Aufmerksamkeit oder
dauerhafte Unterstützung, sondern allenfalls eine Bevorzugung, eine spontan gewährte
Vergünstigung. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit – dass irgendwann die Guten belohnt und
die Bösen bestraft werden – gehörte dagegen nicht zum Kanon religiöser Utopien. In solcher
Sehnsucht repräsentierte sich vielmehr ein moralisches Bewusstsein, das die Götter mit den
Menschen teilten, ganz unabhängig von den Ausdrucksformen der Religion.
Vor diesem Hintergrund skizziert Veyne die Geschichte des Christentums in der Spätantike;
und erneut vermeidet er die schnellen, eindeutigen Antworten. Der Erfolg der christlichen
Religion wird einerseits auf die Entscheidung des Kaisers zurückgeführt, auf seine „hohe
Mission“, in gewisser Hinsicht auf den „banalen Traum“ Konstantins vor der Entscheidungsschlacht
um Italien, gegen den Konkurrenten Maxentius an der Milvischen Brücke. Andererseits wird
dieser Erfolg als Effekt einer innovativen, einer „leidenschaftlichen Liebesgeschichte“ gewürdigt,
„die sich zwischen Gottheit und Menschheit ereignet – oder vielmehr zwischen Gott und jedem
von uns“. Die Pointe der christlichen – und zuvor der jüdischen – Religion bestehe in einer
symmetrischen Auffassung der Liebe zwischen Gott und Menschen: Nicht nur die Menschen
lieben Gott, sondern auch umgekehrt. Den Unterschied zwischen heidnischer und christlicher
Religiosität erläutert Veyne an einem schlichten Beispiel: „Eine Frau aus dem Volk kann ihren
Familien – oder Ehekummer der Jungfrau Maria erzählen; falls sie sich mit denselben Sorgen
an Herer oder Aphrodite gewandt hätte, würde sich die Göttin wohl gefragt haben, was nur in
diese dumme Bäuerin gefahren ist, die ihr da von Dingen erzählt, mit denen Götter nichts zu
schaffen haben.“
Der Kaiser war ein Revolutionär
Wie aber wird die Einsicht, dass Gott die Menschen liebt, bewährt? Der Siegeszug der neuen
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DER WEIDLING 3/2008
Buchrezension
Religion, dieser „Aufstieg einer Sekte zur Weltmacht“, kann
jedenfalls nicht aus der Entdeckung einer neuen Wahrheit
abgeleitet werden. Schon in seinen Studien zur Frage
„Glaubten die Griechen an ihre Mythen?“ (1983) hatte Veyne
behauptet, die Wahrheitsfrage sei allemal „weniger zwingend
als man glaubt“. Denn „wir fragen uns nicht immer, bei jedem
Thema, ob eine Sache wahr ist; gelegentlich vermeiden wir
diese Fragestellung sogar aus Vorsicht oder Respekt“. Mit
dem Christentum triumphierte kein Prinzip, nicht einmal der
Ein-Gott-Glaube.: „Der Monotheismus als solcher ist keine
besonders aufregende Sache“, bemerkt Veyne. Zwar war
das Christentum aufgrund „seiner Originalität, seines Pathos,
seines kraftvollen Auftretens und Sinns für Organisation
„attraktiv für die römischen Eliten und die Bevölkerung des
Imperiums; doch verdankte es seine Durchsetzung, daran
lässt Veyne keinen Zweifel ausschließlich dem Kaiser und dessen Bekehrung. Die oft kritisierte
konstantinische Wende wird ernst genommen als „aufrichtiger, uneigennütziger Schritt ohne
ideologische Hintergedanken“.
Konstantin handelte aus „Frömmigkeit, für das Heil seiner Untertanen und des
Menschengeschlechts, aber nicht, weil der glaubte, dass dadurch die Bürger seines Reiches
leichter beherrschbar seien“. Gegen verbreitete Vorurteile wiederholt Veyne mehrfach, Konstantin
habe als visionärer Politiker, als „Revolutionär“ gewirkt, als „novator et turbator rerum“, Erneuerer
und Unruhestifter. Ihm sei es beispielsweise nicht um die Etablierung der Sonnenfesttage –
vom Sonntag bis zur Weihnachtsfeier – gegangen, sondern
um die Abschaffung blutiger Tieropfer. Respekt und
Aufmerksamkeit, die Haltung des Ethnologen oder
Archäologen, dominieren Veynes Darstellung der Religion.
Nichts liegt ihm ferner als die Diagnosen der Soziologie,
von Emile Durkheim bis Max Weber: daher die Rede vom
„Meiterwerk“, vom „Bestseller“ der christlichen Religion.
Diese Begriffe sind nicht beiläufig gewählt; sie setzen fort,
was Veyne bereits zur Frage, ob die Griechen an ihre
Mythen glaubten, programmatisch entwickelt hatte: eine
ästhetische Theorie der Religionen, eine
Geschichtsschreibung der konstitutiven Einbildungskraft.
Diese Position ermöglicht nicht nur eine positive
Neubewertung der Regierung Konstantins, sondern auch einen skeptischen Schlusskommentar
zur These von den christlichen Wurzeln Europas. Gewiss ist unsere Welt, sind die Traditionen
Europas, zu einem guten Teil christlich; und nicht zufällig beeindrucken sie gerade als ästhetische
Erbschaften – von der Architektur der gotischen Kathedralen bis zu Bachs Matthäus Passion.
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DER WEIDLING 3/2008
Heilige & Märtyrer
Maria Laura Mainetti
von Birgit Strick
Märtyrerin des Glaubens?
Vor sieben Jahren fiel eine italienische
Klosterfrau einem brutalen Mord mit angeblich
satanistischem Hintergrund zum Opfer. Nun
soll die Ermordete seliggesprochen werden.
Papst Benedikt XVI. gedachte am 10. April
2008 am Ende der Generalaudienz der
ermordeten Ordensfrau Maria Laura Mainetti.
Sie war im Jahr 2000 in der italienischen
Kleinstadt Chiavenna von drei jungen Mädchen
im Rahmen eines satanistischen Rituals
erstochen worden.
Nachdem der Papst seine Katechese über
den heiligen Benedikt von Nursia, Patron
Europas, beendet hatte, begrüßte er die
Mitglieder der Ordenskongregation „Töchter
des Kreuzes“ und alle Laien, die ihr Charisma
teilen und zusammengekommen waren, um
das Gedächtnis von Sr. Maria Laura zu
begehen.
Benedikt XVI. würdigte die große Treue der
Ordensfrau „bis zur vollkommenen Hingabe
ihrer selbst“ und erklärte, dass sie ihr Leben
hingegeben und für jene gebetet habe, die sie
ermordet hatten. Die Mädchen – zwei waren
17 Jahre alt, die dritte 16 – hatten Sr. Maria
Laura am 6. Juni 2000 angerufen und ihr
gesagt, eine von ihnen sei schwanger und
benötige Hilfe. Als Mainetti dann beim
entsprechenden Treffpunkt eintraf, wurde sie
überwältigt, mit 19 Messerstichen
niedergestochen und gesteinigt. Die letzten
Worte auf ihren Lippen richteten sich mit der
Bitte um Vergebung für die drei Jugendlichen
an Gott.
Ein Zeuge, der das Verbrechen beobachtet
hatte, konnte der Polizei eine Beschreibung
einer der Mörderinnen liefern. Die Ermittler
hörten daraufhin die Telefone
ab. Die weiblichen Komplizen
verrieten sich und konnten
überführt werden. Die
Anführerin der Bande wurde
zweieinhalb Jahre nach der
Tat in letzter Instanz für schuldig befunden.
Das oberste italienische Gericht verhängte
gegen die 19jährige eine Haftstrafe von 12
Jahren und 4 Monaten. Ihre beiden
Komplizinnen waren bereits in einer früheren
Instanz jeweils zu acht Jahren Gefängnis
verurteilt worden. Sie hatten keine Berufung
eingelegt.
Es habe sich um ein „Menschenopfer für den
Teufel“ gehandelt – erklärten die Mädchen
nach der Tat: „Wir hatten schon lange vor,
einen Gläubigen umzubringen. Zuerst dachten
wir an den Pfarrer.“ Der sei ihnen aber zu
kräftig erschienen. So hätten sie eine
Ordensschwester gewählt. Die Ermittler
berichteten, die Täterinnen seien „ganz
normale“ Mädchen aus gutem Hause. Sie
hätten die Schwester im Grunde „nur zum
Spaߓ umgebracht.
Die Dokumente für die Seligsprechung werden
jetzt von der Diözese an den Vatikan übersandt.
Im März dieses Jahres bestätigte die
Kongregation für die Selig- und
Heiligsprechungsprozesse, dass Sr. Maria
Laura Mainetti das Märtyrium erlitten hat.
Teresina Mainetti wurde 1939 im italienischen
Colico geboren. Sie unterrichtete in
verschiedenen Schulen ihres Ordens. Zum
Zeitpunkt ihres Todes war sie Oberin der
Gemeinschaft der Schwestern vom Kreuz im
Institut der unbefleckt empfangenen Jungfrau
Maria in Chiavenna.
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DER WEIDLING 3/2008
Kurzmeldungen
Nachrichten in aller Kürze
zusammengetragen von Birgit Strick
Erster Weltkongress für katholische Radiosender in Rom
Am Vorabend des Kongresses der katholischen Radiosender, der vom Päpstlichen Rat für die
Sozialen Kommunikationsmittel organisiert wird, legte der Präsident dieses Dikasteriums,
Erzbischof Claudio Maria Celli, seine Ziele dar.
Bei der ersten Begegnung dieser Art, die vom 19. bis 21. Juni an der Päpstlichen Universität
Urbaniana in Rom stattfindet, werden Vertreter von 63 katholischen Radiosendern und 50
Ländern aus unterschiedlichen Bereichen - Kultur, Religion, Politik - erwartet. „Wir haben
versucht, all diese Menschen zusammenzurufen, um gemeinsam darüber nachzudenken und
zu verstehen, welche Identität und Mission das katholische Radio in der heutigen Welt hat",
erklärte der Erzbischof am Sitz des Medienrates.
Die verschiedenen Programmpunkte zielen nach Worten des Erzbischofs darauf ab, den Dialog
zwischen den Teilnehmern zu fördern: „Die Teilnehmer hören nicht nur Vorträge, sondern haben
auch die Möglichkeit, durch die Impulse, die bei den Podiumsdiskussionen gegeben werden,
miteinander ins Gespräch zu kommen." Die Methodik sieht neben der Darlegung von bedeutenden
Themen und der Podiumsdiskussion eine anschließende Gruppenarbeit vor. „Es ist sehr wichtig,
dass all diese Menschen, die einen ganz verschiedenen Hintergrund mitbringen - von Asien
bis Afrika, Lateinamerika, Europa und Australien – sich begegnen, um zu diskutieren und wieder
neu zu entdecken, was ihre Identität und ihr Auftrag ist."
Das Treffen solle eine Analyse der Gegenwart mit Blick auf die Zukunft ermöglichen, so dass
sich hieraus Initiativen entwickelten, „die den Dienst eines katholischen Radiosenders in der
Welt Schritt für Schritt effizienter machen". Eine weitere große Herausforderung bestehe in
der Multimedia-Technologie, „die für alle diese Sektoren von Interesse ist, zum Beispiel das
Internet. Heute kann man vielen Radiosender, darunter auch den des Vatikans, im Internet
anhören." Diesbezüglich sei es notwendig zu wissen, was die Zukunft bringen werde.
Katholische Radiosender in aller Welt können in der eigens dafür errichteten Online-Datenbank
www.crtn.org/radio abgerufen werden. Die Einrichtung „Catholic Radio and Television Network“
(CRTN) hat rund 600 Adressen und Beschreibungen von Radiosendern aufgelistet und nach
Kontinenten sowie Regionen zusammengestellt.
Muslimischer Jungpolitiker gegen Islamunterricht
Gegen einen islamischen Unterricht an deutschen Schulen hat sich der Bundesvorsitzende
der Schüler-Union, Younes Ouaqasse (Mannheim), ausgesprochen. Er ist selbst Muslim. In
einem Interview mit der Pforzheimer Zeitung (Ausgabe 4. September) begründete er seine
A b l e h n u n g d a m i t , d a s s D e u ts c h l a n d e i n c h r i s t l i c h g e p r ä g t e s L a n d s e i .
Wenn man Islam-Unterricht anbiete, müsse man genauso etwa buddhistischen oder hinduistischen
Unterricht ermöglichen. „Ich rate deshalb jedem, diese Frage nicht nur aus der eigenen Sicht,
sondern aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten“, sagte der 19-jährige gebürtige
Marokkaner. Er leitet seit April die Schülervereinigung, die der CDU nahesteht. Hinsichtlich der
Integration von Ausländern sagte er, jeder müsse den Willen zum ersten Schritt haben und
sich auch manchmal anpassen. Deutschland sei „ein liberales, offenes Land“, in dem jeder die
Chance habe, etwas zu erreichen. Die Schüler Union ist nach eigenen Angaben mit bundesweit
über 10.000 Mitgliedern die mitgliederstärkste politische Schülerorganisation.
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DER WEIDLING 3/2008
Kurzmeldungen
Schwere Unruhen in Indien
Seit Ende August brennen im indischen Orissa wieder Kirchen: Militante Hindus zerstören
christliche Einrichtungen, machen Jagd auf Priester und Ordensleute. Der Steyler Missionar
Chacko Thottumarickal ist Bischof von Jhabua im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh –
und verfolgt die Gewaltakte an der Westküste mit Besorgnis.
Bischof Thottumarickal, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in Orissa?
Die Lage in Orissa ist immer noch sehr ernst. Versuche, den Ausschreitungen entgegenzuwirken,
waren bislang erfolglos. Viele Menschen haben ihre Häuser verloren, mussten in die Wälder
flüchten, wo sie keinen Zugang zu Nahrungsmitteln haben. Viele leben in Angst, angesichts
der Brutalität, mit der militante Hindus gegen Christen vorgehen.
Sie selbst leben im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh. Wie ist das Verhältnis
zwischen Hindus und Christen dort?
Im Januar 2004 hatten wir bei uns eine ähnliche Situation wie aktuell in Orissa. Zu dieser Zeit
wurde ein 11-jähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet. Ihre Leiche wurde in der Toilette
der katholischen Missionsschule gefunden. Die Fundamentalisten nahmen das zum Anlass,
alle katholischen Einrichtungen in der Diözese anzugreifen. Unter dem Vorwand, der Polizei
bei der Aufklärung des Verbrechens „helfen“ zu wollen, gingen sie mit Gewalt gegen Priester,
Schwestern und andere Christen vor.
Wie haben Sie sich gefühlt, als die Fundamentalisten alles zerstörten, was Sie mühsam
aufgebaut hatten?
Man fühlt sich machtlos. Aber wir konnten nicht viel tun. Wir konnten nur die Regierung bitten,
dafür Sorge zu tragen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann. Außerdem baten
wir die Behörden um Hilfe beim Wiederaufbau der zerstörten Gebäude.
Wo liegt die Ursache für das gespannte Verhältnis zwischen Christen und Hindus in
Indien?
Jedermann mit einem gesunden Menschenverstand weiß, dass von uns Christen absolut keine
„Gefahr“ ausgeht. In Indien machen wir gerade einmal zwei Prozent der Gesellschaft aus, in
Orissa oder bei uns in Madhya Pardesh sogar nur 1,5 Prozent der Einwohner. Wir sind also
eine sehr, sehr kleine Gemeinschaft, und zwar keine terroristische, sondern eine friedliebende.
Wir helfen den Menschen, indem wir humanitäre Hilfe leisten und uns für Bildungsprojekte,
Gesundheitsfürsorge, landwirtschaftliche Entwicklung engagieren. Angegriffen werden wir
einzig aus politischen Motiven. Um bei den Wahlen erfolgreich sein zu können, brauchen die
fundamentalistischen Parteien Indiens einen Gegner, gegen den sie sich verbünden können.
Und wir Christen sind „dankbare“ Feinde, weil die Fundamentalisten wissen, dass wir uns nicht
verteidigen. Und wir sind eine so übersichtliche Minderheit, dass sie uns mühelos bezwingen
können.
Die fundamentalistischen Hindus beschuldigen Sie, die arme Landbevölkerung unter
Zwang zu bekehren…
Das ist eine unhaltbare Anschuldigung. Missionare zwingen niemanden, zum Christentum
konvertieren. Weil es schlichtweg unmöglich ist, jemanden durch Einschüchterungen oder
Drohungen zum christlichen Glauben zu führen. Eine Konvertierung unter Zwang gibt es im
21. Jahrhundert nicht mehr. Der Wechsel zum Christentum ist eine Herzensangelegenheit. Wir
respektieren dabei den freien Willen der Menschen. Und entsprechend sollte in einer Demokratie
jeder die Möglichkeit haben, zu einer anderen Religion zu wechseln.
Wie lässt sich Ihrer Meinung nach der Gewalt einen Riegel vorschieben?
Wir versuchen, Frieden durch Dialog zu erreichen. Außerdem beten wir, denn wir sind davon
überzeugt, dass Gott selbst in Gewalt und Zerstörung bei uns ist. In der Geschichte der
Christenheit hat es immer Christenverfolgungen gegeben, in denen viele Menschen ums Leben
gekommen sind. Die Geschichte wiederholt sich. Gott allein weiß, was das Beste für uns ist.
Nach seinem Leiden und seinem Tod am Kreuz ist Jesus schließlich als Sieger hervorgegangen.
Das gibt uns Kraft, die Verfolgungen durchzustehen.
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DER WEIDLING 3/2008
Jugend aktuell
Aktuelles von der KJ Windischgarsten
von Christina Kalchmayr
Maibaumumschneiden unserer Jugend
bei den Strutzis
Da wir unseren Jugendchef Daniel
Strutzenberger nicht einfach so gehen lassen
wollten, dachten wir uns, wir bereiten ihm
eine große Freude und verschönern sein zu
Hause mit einem Maibaum. Es war keine
einfache Aufgabe, alle drei Strutzis
abzulenken, doch schließlich und endlich
gelang es uns. Es wurde an verschiedenen
Orten gegraben (Moosbaun, Pöhiz) und
keiner der Drei ahnte etwas. Im Gegenteil,
alle 3 glaubten, darüber Bescheid zu wissen, wer den Jugendmaibaum bekommt. Nach großen
Schwierigkeiten beim Graben sickerte es schön langsam durch, dass so mancher umsonst
gegraben hat und der Baum bei den Strutzis schon steht. Als der erste Schock verdaut war,
kam die Freude schlussendlich doch durch. Am 19. Juli fand dann das Maibaumumschneiden
statt. Das Wetter hielt zum Glück, und so stand einem schönen Fest nichts im Wege. Es wurde
gefeiert bis in den frühen Morgen, und der Baum wurde ebenso problemlos gefällt. Beim
Schätzspiel, wo als erster Preis der Maibaum winkte, stellte sich heraus, dass die Edlbacher
wirklich zusammenhalten, denn Frau Haas, die Schwiegermutter unseres scheidenden
„Jugendchefs“ kam beim schätzen am nächsten.
Ripperlessen
Das Ripperlessen, war auch heuer
wieder ein Fixpunkt in unserem
Sommerprogramm. So machten sich
ca. 15 Jugendliche am Dienstag, den
15. Juli gemeinsam auf den Weg.
Dieser führte uns auf den Wurbauer,
wo wir uns im Berggasthaus „Am
Turm“ niederließen. Dort
angekommen begann sofort das
große Essen, bei dem alle satt wurden
und selbst jene, die erst einiges später
nachkamen, noch mit warmen Ripperl, Krautsalat, Folienkartoffel u.v.m. verwöhnt wurden.
Es war wieder einmal ein gemütlicher und lustiger Abend mit einer tollen Gemeinschaft von
Jung und Alt. Wir freuen uns schön auf das nächste Mal!
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DER WEIDLING 3/2008
Jugend aktuell
Fastenwoche der Jungscharführer
Auch heuer fand die Fastenwoche der Jungscharführer
wieder eine Woche vor dem Jungscharlager statt. Die
Jungscharführer trafen sich täglich um 19.30 Uhr zum
gemeinsamen Rosenkranz und anschließend zur hl.
Messe im Pfarrhof. Wie immer nützten viele
Jungscharführer die Gelegenheit, durch das Gebet und
Gespräch genügend Motivation, Kraft und riesige
Vorfreude für unser Jungscharlager zu tanken. Gestärkt
durch diese Gemeinschaft, freuten sich alle auf das Jungscharlager in Hollenstein/Ybbs. Es
war eine erlebnisreiche, schöne und abenteuerliche Woche, die glaube ich, bei jedem von uns
schon jetzt wieder die Vorfreude aufs nächste Jungscharlager in St. Pölten im August 2009
weckte.
Weitere Punkte fanden sich wieder auf dem reichhaltigen Sommerprogramm … so gab´s
wieder das Gokart fahren, das Minigolfspielen, geplant war eine Tour nach Gröbming in den
Hochseilklettergarten, die leider dem schlechten Wetter zum Opfer fiel und schließlich und
endlich auch noch eine Wanderung auf die Dümlerhütte mit Übernachtung, eine Kinofahrt,
Fischen und viele andere spontane Aktivitäten, die den Sommer verkürzen und die Gemeinschaft
stärken sollten.
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DER WEIDLING 3/2008
Buchtipps
Jörg Müller: Sinnvoller leben mit der Paulus – Strategie. Gedanken für jede Woche des
Jahres; erschienen im J.F. Steinkopf Verlag
Der Apostel Paulus hat zwar die bedeutendsten Briefe des Neuen Testaments
verfasst, ist aber dennoch vielen Christen suspekt. Sie halten den Vordenker
der Kirche für einen lebensfremden Theoretiker. Solch einseitige Sichtweise
widerlegt der Pallottinerpater und Psychotherapeut Dr. Jörg Müller mit diesem
Buch. In 52 Abschnitten zeigt er, wie der Leser grundlegende Aussagen des
Paulus auf sich beziehen kann. Somit hilft Jörg Müllers praktischer
Lebensbegleiter, nach christlichen Grundsätzen zu leben. Viele Menschen
sehnen sich nach einem erfüllten Leben. Paulus gibt in seinen Briefen Ratschläge,
zu einem glücklichen und sinnvollen Leben.
Ein kleiner Auszug: „...die Geschichte lehrt uns immer wieder, dass aggressive und zutiefst
verletzte Menschen tatsächlich ihr Verhalten ändern, wenn sie konsequent Gutes erfahren.
Wo statt der erwarteten Gegenwehr plötzlich das Angebot eines Gesprächs folgt, wo der
Gläubiger dem Schuldner einen Teil der Schulden erlässt, und wo das Opfer dem Täter vergibt,
da fällt das Kartenhaus der gegenseitigen Aufrechnung zusammen.“
Gloria von Thurn und Taxis und Kardinal Joachim Meisner: Die Fürstin und der Kardinal;
Herder, 2008
Die Fürstin und der Kardinal - zwei Menschen, die auf ganz
unterschiedlichen Wegen zum Glauben gekommen sind und
die ihr Glaube und ihre Liebe zur Tradition der Kirche doch
verbindet. Sie trug nach dem Tod ihres Mannes die alleinige
Verantwortung für ein großes Unternehmen und für ihre Familie.
Aus dem Glamour Girl wurde eine nachdenkliche Frau, die
Halt im Glauben fand.
Er, aufgewachsen in der DDR, ist seit 18 Jahren Erzbischof
von Köln und erfährt wegen seiner vermeintlich unpopulären
Meinungen immer wieder Kritik aus den Medien. In diesem
Buch tauschen sich Gloria von Thurn und Taxis und Kardinal
Meisner, der am 25. Dezember seinen 75. Geburtstag feiert,
über ihren Glaubensweg aus.
Zwei Menschen, die auf unterschiedlichen Wegen zum Glauben
gekommen sind und ihren Glauben in unterschiedlicher Weise leben, tauschen sich aus: Was
trägt im Leben? Welche Werte sind wichtig? Wie geht es mit dem Beten? Mit Zweifeln? Wie
geht man in der Kirche miteinander um? Gibt es so etwas wie eine gesunde Demut? Was heißt
der Glaube für den Alltag? - Offen, persönlich und inspirierend. Ein außergewöhnliches
Gespräch.
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DER WEIDLING 3/2008
Kinderseite
Rätsel für Kinder
von Silke Popp
Mose
bringt
die
Gebote
zum
Lager.
Finde zu den Zahlen den
entsprechenden
Buchstaben – wenn du es
in dieser Reihenfolge liest
hast du das Lösungswort
schon gefunden!
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DER WEIDLING 3/2008
T(D)ankstelle
Gebete und Texte zum Innehalten
von Silke Popp
Du bist Mensch geworden,
damit wir Menschen nicht zerbrechen,
sondern uns an dir festhalten
Du bist Mensch geworden,
damit wir nicht ohne Hoffnung leben,
sondern in deine Zukunft
uns aufgenommen wissen,
damit wir nicht am Sinn
unseres Seins verzweifeln,
sondern in dir uns finden.
Du bist unser Nächster geworden,
damit wir einander Nächste bleiben.
Du hast dich unser erbarmt,
damit wir einander Gutes tun.
Du bist Mensch geworden:
Nichts Größeres gibt es nun für uns als Mensch zu sein,
wie du ihn erlöst hast, gerettet und geheiligt.
Nichts Wichtigeres gibt es nun für uns als für Menschen dazusein.
Ein Beispiel hast du uns gegeben,
dem wir folgen sollen.
Denn du bist Mensch geworden.
Das macht uns frei,
dem Menschen zu dienen,
auch in der Politik.
Dir dienen wir.
Dem wahren Menschen.
Du rufst uns in deine Nähe,
damit wir lernen, anderen nahezusein.
Amen.
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DER WEIDLING 3/2008

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