bayerische ostgesellschaft sonderheft transkarpatien sommer 2014
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bayerische ostgesellschaft sonderheft transkarpatien sommer 2014
BAYERISCHE OSTGESELLSCHAFT SONDERHEFT TRANSKARPATIEN SOMMER 2014 Ein Besuch in Transkarpatien Weit weg vom Krieg, aber doch in Not: Kinder in der westlichsten Provinz der Ukraine zwischen Rumänien, Ungarn, Slowakei und Polen Von Iris Trübswetter Transkarpatien hat seine historischen und kulturellen Wurzeln in Rumänien und Ungarn. Nach einem Gastspiel bei der Tschechoslowakei wurde es 1945 der Ukraine und damit der Sowjetunion zugeschlagen. Im 9. Jahrhundert war das Gebiet Teil von Großmähren, vom 10. Jahrhundert bis 1920 gehörte es zum Königreich Ungarn. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kam es durch den Vertrag von Trianon zur Tschechoslowakei, ab November 1938 als autonomes Gebiet innerhalb der föderalisierten Tschecho-Slowakei, nachdem ein Teil mit dem Ersten Wiener Schiedsspruch zurück an Ungarn kam. Im März 1939 wurde das Gebiet von Ungarn vollständig besetzt und war bis 1944 Teil Ungarns, 1944 bis 1945/46 wieder vorübergehend Teil der Tschechoslowakei und seit Juni 1945 Teil der Sowjetunion. Seit 1991 ist es Teil der unabhängigen Ukaine. 2001 ergab eine Volkszählung im Oblast Transkarpatien folgende Ergebnisse: Gesamteinwohnerzahl ca. 1,3 Millionen, davon Ukrainer 80,5 %, Ungarn 12,1 %, Rumänen 2,6 %, Russen 2,5 %, Roma und Sinti 1,1 %, Slowaken 0,5 %, Deutsche 0,3 %. Soweit die Daten. Eigentlich wissen bei uns wenige, wo dieses vergessene Gebiet liegt, das bis vor kurzem gerne von Russen und Kiewern als preiswertes Urlaubsgebiet genutzt wurde. Seit die EU in Ungarn eine durchgängige West-Ost-Autobahn gebaut hat, fährt man von München über Wien und Budapest die 1000 Kilometer locker in einem Tag nach Uschgorod. Es besteht keine Visumspflicht. Man sollte jedoch in beiden Richtungen Wartezeiten einplanen. In der Ukraine angekommen sind dann die Straßen der Region schlecht mit tiefen Löchern im Asphalt. Der Reichtum der Gegend sind sein Wald, seine Naturschutzgebiete, seine 13 Burgen und Burgruinen, seine touristischen Attraktionen und seine freundlichen Menschen. Die Städte haben noch etwas von ihrem österreichisch-ungarischen Charme bewahrt, sind aber kaum restauriert. Uschgorod verfügt über gute Schulen und eine Universität. Auch gibt es in den wenigen Städten eine funktionierende Gastronomie. Arbeitsplätze sind rar, zumindest seit dem Ende der Sowjetzeit. Eine große Chemo-Holzfabrik in Peretschin, eine Cognacfabrik in Uschgorod, dort auch etwas Metallindustrie. Besonders in den Dörfern im hügeligen Bergland herrscht große Not und trostlose Apathie. Arbeitslosigkeit wird als Schicksal empfunden und nicht selten Sowjetzeiten nachgetrauert. Löhne, Gehälter, Renten sind - so vorhanden - extrem bescheiden. Die einfachen Häuschen auf dem Land sind in der Regel an Strom und Gas angeschlossen, doch können vielfach die Rechnungen nicht bezahlt werden. Weil das offenbar in weiten Teilen der Ukraine so ist, ist das Land auf billige Gaspreise angewiesen. Wasserleitungen und Abwasserkanäle gibt es auf den Dörfern gar nicht, was durch Tiefbrunnen mit klarem frischem Wasser und dem obligatorischen windschiefen Holzhäuschen im Garten ausgeglichen wird. Fernseher sieht man dagegen nicht selten in den Häusern. Hier gibt es ukrainisches Fernsehen im Gegensatz zur Ostukraine mit russischem Fernsehen, was derzeit die Kriegsparteien propagandamäßig nutzen. Die traditionelle Lehmziegelbauweise erlaubt günstiges Bauen. Allerdings fehlt das Geld, um einfallende Dachstühle, kaputte Dachziegel, marode Kamine, kaputte Fensterscheiben zu reparieren. Großzügig bemessene Gärten erlauben Burg von Mukatschewo Blick auf das Tal der Usch von der Nevitzki-Burg Griechisch-katholische Kathedrale von Uschgorod gut besuchter Sonntagsgottesdienst Uschgorod dagegen Selbstversorgung auf unterstem Niveau. Störche, Hunde, Katzen, Hühner, einzelne Kühe und Pferdewagen gehören zum Ortsbild. Neben Kartoffeln und etwas Gemüse wachsen in den Gärten Nuss-und Obstbäume und üppiger Wein rankt sich rund ums Haus. Die Tatkräftigen gehen weg nach Kiew, in die Slowakei, nach Russland, um Geld zu verdienen. Straßenmusikant Frauen versuchen im Westen einen Job als Altenpflegerin zu ergattern oder irgendwie Geld zu verdienen, was bekanntlich grauenhaft enden kann. Wenns gut geht, wird mit dem Ersparten dann im Dorf für die Familie ein sauberes Haus hingestellt. Wer allerdings nur nach Uschgorod geht für das Nötigste und beim Stehlen erwischt wird, geht jahrelang ins Gefängnis, und die Familie mit den zahlreichen Kindern hat erst recht nichts. Die BOG (Bayerische Ostgesellschaft e.V.) führt seit vielen Jahren ein Hilfsprojekt in der Region Peretschin (30 km nördlich von Uschgorod an der Grenze zur Slowakei) durch, das vor allem eine dreiwöchige Ferienerholung für Waisen und besonders arme Kinder in einem örtlichen Ferienlager ermöglicht (gesponsert von der Dr. Josef- und-Sybille-Krettner-Stiftung), aber auch die Poliklinik, die Sozialstation und eine Schule werden unterstützt. Kindererholungslager der Gewerkschaft abendliche Abschlussfeier nach 3 Wochen Aufenthalt Das Ferienlager Barwinok sächlich haben sie zuhause auch kaum etwas, was sie mitbringen könnten. Unser Ehrenmitglied Anna Lengenfelder hat dieses Projekt ins Leben gerufen und effizient und mit großer Hingabe nun schon seit Jahrzehnten betreut. Nach ihrem plötzlichen Tod Ende April standen wir, die Vereinsleitung der Bayerischen Ostgesellschaft, vor dem Problem, das Projekt fortzuführen, ohne dass sich vorher jemand eingearbeitet hätte. Bereits im Mai fuhren wir, ich als Vorsitzende und Dr. Fellmann, der als mein Vorgänger vor 13 Jahren Anna Lengenfelder nach Peretschin begleitet hatte, um die für die Kinder gesammelten Sachen hinzubringen und Situation und Partner vor Ort kennenzulernen. Es wurde dann Mitte Juli noch eine zweite Fahrt nötig, um mit eigenen Augen „unsere“ Kinder im Ferienlager zu sehen und den Beginn der dreiwöchigen Erholung mitzuerleben. Jürgen Kirste, Architekt aus Mainburg, langjähriges und sozial engagiertes BOG Mitglied, und mein Sohn Patrick Trübswetter begleiteten mich. Am 15. Juli waren sie dann da, bezogen für drei Wochen die hellen, sauberen 5-Bett Zimmer, versammelten sich am Spätnachmittag zur Geschenküberreichung und Einkleidung, und liefen dann mit ihren zahlreichen Betreuern auf den Sportplatz. Das etwas heruntergekommene Haus mit bröckelndem Putz und sozialistischem Charme, das im Besitz der Gewerkschaft ist und seit sozialistischen Zeiten weitgehend ohne Zuschüsse auskommen muss, lebte plötzlich mit den munteren Kindern auf, die froh waren, ihrem tristen Zuhause zu entkommen. 10 Studenten wurden neben den professionellen Erziehern für die drei Monate des Betriebs des Hauses engagiert, die mit Begeisterung und sehr großem Einfühlungsvermögen mit den Kindern umgehen. Die Kinder werden nicht genötigt, sie können sich beteiligen, wo sie gerne möchten, oder eben danebensitzen und mit der neuen Puppe spielen, doch wird ihnen, wo nötig, bei der Integration in die Gruppe geholfen. Auch die ach so wichtigen Schmuseeinheiten tun den Kindern gut. Alle werden in ihrer Persönlichkeit gestärkt und bei der Abschlussfeier, die wir von einer vorhergehenden Gruppe miterleben durften, bekommt jedes Kind ein kleines Abschiedsgeschenk und eine Urkunde für irgendeine besondere Leistung oder Fähigkeit. Und bei der Abreise fließen dann Tränen des Abschieds. Da verständlicherweise zahlreiche Geldspenden erst einmal ausgeblieben waren, die Frau Lengenfelder immer einsammeln konnte, mussten wir mit den vorhandenen Mitteln haushalten und konnten nur 34 Kinder (statt 40) ins Ferienlager Barwinok einladen. Sie waren in Zusammenarbeit mit Olga Barzak - Gesundheitsdirektorin im Kindererholungsheim Barwinok - von vier Schulen ausgesucht worden, und die Schuldirektoren brachten die Kinder her. Mit frisch geschnittenen Haaren, gewaschen und mit sauberer Kleidung trafen sie ein. Die Kinder kommen aus den allerärmsten Familien und haben nichts dabei, nur das, was sie auf dem Leib tragen, und alles andere, von der Zahnbürste bis zu Spielzeug, weitere Kleidung und Schuhe bekommen sie als Geschenk von uns. Tat- Es gibt nicht nur wirklich gutes Essen und saubere Betten, (wobei die Matratzen dringend einer Erneuerung bedürften), es gibt neben Sport auch Malen, Theater, Musik und Tanz. Es gibt Vorträge und schulische Förderung. Und ein Ausflug in die feine Welt soll den Kindern Mut machen, ein besseres Leben anzustreben. Der erste Tag: Einkleidung die gespendeten Sachen welche Hose passt? Fussballschuhe sind das höchste! die neue Puppe schläft noch etwas erstes Frühstück der Handtuchvergleich wilde Sportler Schwarzes-Gold Wäscher Schau nicht um, der Fuchs geht rum Busausflug in den ‚Schönborn Park“ Kutsche Fahren toller Spielplatz Petro und Kristina Nachdem wir die Kinder kennengelernt hatten, bekamen wir die Möglichkeit, in einige Dörfer zu fahren und das häusliche Umfeld mehrerer Kinder anzusehen. Seither fühle ich mich schlecht, denn so schlimm hatte ich es mir trotz der Erzählungen von Anna Lengenfelder nicht vorgestellt. Sie meinte ja, diese Erholung sei vielleicht für manche die einzige glückliche Zeit in ihrem Leben. Heute kann ich das nachvollziehen. Ich kann mich erinnern, dass ich sie manchmal bei besonders krassen Fällen, über die sie erzählte, fragte, ob wir da nicht was machen müssten, aber irgendwie war auch sie ratlos. Kristina mit Olga Barzak und Jürgen Kirste Dem Schulleiter, der uns führte, weil er sich für seine Schulkinder Hilfe erhoffte, konnte ich etwas Geld geben für die wichtigsten Hausreparaturen bei seinen Schützlingen, wie Fensterscheiben für den kleinen Jungen Petro, aber es wird nicht wirklich helfen. Der Winter ist für diese armen Kinder ein großes Problem. Sie brauchen warme Kleidung und vor allem Schuhe, um in die Schule zu gehen, und wenn sie keine Schuhe haben, bleiben sie zu Hause, und ihre Bildung und ihre Zukunft bleiben auf der Strecke. Kristina Petro Wir konnten das Haus und die Mutter eines verschreckten Siebenjährigen besuchen, und trafen eine junge Frau mit stark verschmutzter Kleidung, einem apathischen Blick und einem völlig verwahrlosten Raum, der dem Jungen als Schlafraum dient, ein zusammengekehrter Müllhaufen in der Ecke, zwei als Betten kaum zu identifizierende Möbel, zerbrochene Fensterscheiben, eine Decke, die einzustürzen droht, irgendwelche Lumpen auf einem zerbrochenen Stuhl. Der Lehrer sagt, Ilja sei ein kluger Junge. Er kommt im September in die zweite Klasse. Für die allerschlimmsten Fälle haben wir der Leiterin in Barwinok, Frau Olga Barzak, 500 Euro dagelassen. So kann sie im Herbst, wenn die Geschäfte Winterware haben, für die allerärmsten Kinder Schuhe und warme Jacken kaufen, damit sie wenigstens zur Schule gehen können. Wir werden die ausgaben überprüfen. Ich erinnere an die schreckliche Geschichte, die Anna Lengenfelder einmal erzählte. Ein 14jähriger Junge bat seine Mutter, ihm Schuhe zu kaufen, dass er zur Schule gehen könnte. Er hörte nicht auf, sie zu bedrängen, bis die Mutter schließlich sagte: „Dann häng dich eben auf!“ Am nächsten Tag wurde er erhängt im Schuppen gefunden. Ich stelle mir vor, wir sollten die Unterstützung für einzelne Kinder über den Erholungsurlaub hinaus verstärken. Unsere Partner: Wir trafen Familien mit 6 Kindern, die von der Ar- Olga Barzak, Irena Jurewna, Sergey Wamut überwältigt waren, und wo es in den kaputten karov, Michailo Masiuta und die Damen der Räumen auch nicht mehr zum Aufräumen reichte. Sozialstation in Peretschin sind ungeheuer engagiert und der Selbstbereicherung nicht Auch eine Mutter, die selber Maurerarbeiten in Angriff nahm – ihre Mutter war Maurerin gewesen verdächtig. Durch regelmäßige Besuche und Kontrolle lässt sich die korrekte Verwendung - und auch Großeltern mit Tochter und Kindern, wo es an allem fehlte. Aber hier werden die Kinder der Mittel durchaus überprüfen. wenigstens doch irgendwie geliebt. Wir können dort die grundlegende Situation nicht verändern, aber wir können einzelEin elfjähriges Mädchen aus der Gruppe unserer nen Kindern helfen, die ein allzu elendes, Kinder, das verschlossen und verwahrlost wirkte, perspektivloses Leben führen müssen. Dahat ebenfalls ein grauenhaftes Los. Sie lebt mit für wäre natürlich in erster Linie Geld nöMutter und Bruder. Die Mutter ist Alkoholikerin und im Rausch vergisst sie ihr Kind. Kristina bleibt tig, aber auch die Sammlung von warmer Kleidung und Winterschuhen würde für das hungrig und muss sich draußen einen Platz zum Schlafen suchen, und dies sommers wie winters. Sie nächste Jahr helfen. Kleine Größen sind vor allem notwendig, Schuhe von 26 bis 38, Kleigeht selten zur Schule, weil sie sich vor den Kindung von 90 bis 168. dern schämt. Petros Zuhause Petros Mama zerbrochene Fenster Petros Bett Müll in Petros Zimmer Petros Zimmer durchhängende Decke Dorfschule von Kamianizia Die Mittelschule von Kamianizia, eine 9 klassige Gesamtschule, 10 km südlich von Peretschin, zu Füßen der beeindruckenden Burgruine Newitskij am lieblichen Fluss Usch gelegen, hat 230 Schüler aus den umgebenden Dörfern. Auch hier die gleiche Armut, gerade mal fünf Schüler kommen aus nicht so armen Familien. Michailo Masiuta, der Direktor, ist Herr über ein großes, teilweise parkähnliches Areal mit einem alten Schulgebäude, einem Bastelschuppen, einer Plumpskloanlage, einer Mensa, einem Gebäude, in dem früher ein Kaufhaus war, und das jetzt das von der BOG (Dr. Hey und Dr. Wander) eingerichtete Zahnbehandlungskabinett, die Aula und den Prüfungsraum beherbergt, einem Kriegerdenkmal mit Storchennest und einem Sportplatz. Anna Lengenfelder folgte vor einigen Jahren dem dringenden Hilferuf des Direktors, und so war die erste größere Aktion die Einrichtung einer Hand-Waschanlage an der Rückwand der Plumpsklos, um Durchfallepidemien einzudämmen. Es folgte das Zahnkabinett, eingerichtet von Dr. Hey und Dr. Wander. Die Schule ist die einzige Chance für die Kinder für ärztliche Untersuchungen, psychologische Betreuung und eben auch zahnärztliche Behandlung. Schulhaus Der Unterricht dauert von 8-16 Uhr. Die Kinder der ersten 4 Jahrgangsstufen bekommen ein kostenloses warmes Mittagessen. Die Sommerferien dauern in der Ukraine – wie auch in Russland - 3 Monate von Juni bis September. Es werden 18 Fächer unterrichtet, Englisch gleich von der 1. Klasse an. Die Kinder lernen Lesen und Schreiben parallel mit kyrillischen und lateinischen Buchstaben. Der Umgang mit den Kindern in der Schule ist sehr persönlich und liebevoll, muss doch vielfach die Schule das Versagen des Elternhauses kompensieren. Viel Zeit wird auf dem Sportplatz verbracht und in Neigungsgruppen wie Schach, Musik und Tanz, Theater, Fußball, Umwelt und Natur. Das Innere des Schulgebäudes ist lustig angemalt und man fühlt sich an eine Waldorfschule erinnert. In jedem Raum steht ein großer Kachelofen, den der Hausmeister im Winter täglich heizen muss. Da die Räume sehr klein sind, sind nur etwa 15 Kinder in einer Klasse. Das führt zu einer guten Lernatmosphäre. Ein Chemiesaal ist der einzige Fachraum. Dafür konnte der Direktor eine moder- fröhlich bunte Flure ne Möblierung erhalten (Spende einer ausrangierten Einrichtung in Deutschland), doch fehlte leider der Wasseranschluss, der gerade mit unserer Unterstützung eingebaut wird. Auf Wunsch der Kinder, die Anna Lengenfelder, die ukrainisch sprechende freundliche deutsche Oma, sehr verehrten, und deshalb auch Deutsch lernen wollten, kam es dazu, dass die BOG an der Schule seit Jahren das Wahlfach Deutsch finanziert. Es stellte sich aber heraus, dass auf die Dauer der Reiz des Neuen verflog, eine Reise nach Deutschland nicht in Sicht war und die angeheuerten Lehrerinnen die Sprache nicht so besonders gut beherrschten. So hatte das Lehrerkollegium zum letzten Schuljahr beschlossen, das Fach als Pflichtfach anzubieten mit einem versierten Lehrer. Dr. Fellmann und ich konnten im Mai den Unterricht besuchen und uns vom Eifer der Kinder und dem intensiven Unterrichtsstil des Lehrers überzeugen. Leider versiegte zu dieser Zeit, als der Unterricht begann, den Kindern wirklich zu nützen, die dafür verwendete Spende und glücklicherweise sprang der Rotarier Club Mainburg ein und stellte die Finanzierung für die nächsten drei Jahre sicher. So wird diese Klasse als einzige mit ordentlichen Deutschkenntnissen die Schule verlassen. Der ebenfalls angefragte Rotarier Club Rosenheim 1 steuerte als didaktisches Hilfsmittel noch einen Beamer bei. Den beiden Clubs sei herzlich gedankt. Wasser war bisher nicht im Haus, genauso wenig wie eine Toilette. Die Toilette ist ein ganz spezielles Problem. Für eine Schule mit 230 Kindern ist die vorhandene Anlage im Hof unter aller Kritik, besonders im Winter und bei schlechtem Wetter ist sie für die kleinen Kinder und die Mädchen in der Entwicklung kaum zumutbar. Es ist eine Frage der Solidarität und der Menschenwürde hier auszuhelfen, wo der Staat versagt. Wenn die Kinder auf ein modernes Leben hingeführt werden sollen, ist eine den üblichen Standards entsprechende WC-Anlage unbedingt erforderlich. Inzwischen liegt ein ausgearbeiteterPlan für einen Anbau ans Haupthaus vor, der allen Anforderungen entspricht, von der Trennung von Buben und Mädchen bis hin zu Behinderten- und Lehrertoiletten. Der detaillierte Kostenplan für die Chemiesaal 5. Klasse eifrig beim Deutschunterricht Schulhof Zahnkabinett Plan von 1989 für neue Schule Toiletten für 230 Schüler gesamte WC-Anlage inclusive des nötigen Versitzgrubensystems errechnet Baukosten in Höhe von 18 000 Euro. Von bankrotter staatlicher Seite ist hier nichts zu erwarten, mit den jetzigen Kriegsereignissen noch weniger als früher. 1989, zwei Jahre vor der Unabhängigkeit der Ukraine, gab es einen Plan für einen modernen Neubau der Schule, der im Direktorat stolz an der Türe hängt, doch sind seither 25 Jahre vergangen, und der Neubau scheint in weitere Ferne gerückt denn je. So ist hier wieder internationale Solidarität mit den Kindern notwendig und wir müssen nach einer Finanzierung wenigstens der Toiletten über Sponsoren suchen. Bei Ferien nicht ganz so schlimm Sozialstation in Peretschin Wir unterstützen seit vielen Jahren auch die Suppenküche in Peretschin, wo alte, mittellose Menschen kostenlos ein warmes Mittagessen bekommen. Es handelt sich hier um eine Sozialstation für die ganze Region, die vor Ort eine Anlaufstelle für einsame, alte Leute ist, mit Angeboten verschiedener Aktivitäten, Gesundheitspflege, gemeinsamem Handarbeiten, Gesprächszirkel. Eine Nähmaschine steht zur Verfügung, ein Bügeleisen, Stoffe, ebenso wie ein Handwebstuhl für Flickenteppiche. Die Station betreut alte, einsame und kranke Menschen in den Dörfern. Die Betreuten werden regelmäßig besucht und Nachbarschaftshilfe wird für sie organisiert. Pakete mit Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Zucker, Öl werden geliefert, wenn die Mittel dafür da sind. Die BOG hat im Mai mit einer Spende von 600 Euro 100 Pakete ermöglicht. Sozialstation Seniorenbetreuung Armenküche Wir erhielten die Gelegenheit, zusammen mit einer Sozialhelferin in mehrere Dörfer zu fahren und alte, einsame Leute zu besuchen. Wir trafen eine wunderbar selbstbewusste und tatkräftige 90 jährige, genauso wie elend Kranke, Verkrüppelte, lustig Verrückte und schließlich noch einen hilflosen Obdachlosen, der in einem vom Einsturz bedrohten Haus geduldet wird, das schwarz verräu- chert ist wegen des eingestürzten Kamins und des fehlenden Rauchrohrs, ohne Gas, ohne Strom. Und der so gerne ein bisschen menschenwürdiger wohnen würde. typisches Bergdorf alleinstehende Neunzigjährige Wir konnten nicht viel helfen, gaben etwas Geld für Windeln für eine junge MS-kranke Frau, hier etwas für eine kleinere Hausreparatur, dort für eine neue Fensterscheibe. wirre alte Dame Verteilung unserer Lebensmittelpäckchen Suche nach der verlorenen Jugend Ikonenwand überm Bett Der Obdachlose im baufälligen Haus Dach und Kamin brechen ein Poliklinik genommen und aufs Haus verteilt. - Wir konnten auch diesmal wieder helfen. Die Poliklinik, in der die Bevölkerung ambulant behandelt wird, wo aber auch stationäre Betten sind, leidet, seit wir dort tätig sind, chronisch an Geldmangel. Dem äußerst tatkräftigen Direktor Wakarov gelang es zwar nach seiner Amtseinführung vor 3 Jahren, die Geburtsstation nach heutigem Standard umzubauen, doch folgte der staatlichen Zusage der Finanzierung dann keine Bezahlung und die Handwerker gingen leer aus. So geht er weiter betteln um die notwendigsten Apparate, Instrumente und Reagenzien, und jeden Besuch eines Vertreters der BOG nutzt er, um die Hilfe beim Kauf des akut Nötigsten zu erbitten. Auch mitgebrachte Instrumente werden gerne an- Wer als Tourist die Gegend bereist sieht von alledem nichts. Er mag die Dörfer mit ihren üppigen Gärten und kleinen, baufälligen Häuschen für genauso romantisch halten wie die Pferdefuhrwerke und die historischen Traktoren und Lastwagen, die aus reiner Not noch ihre Dienste leisten. Er wird seinen Espresso in der hübschen Fußgängerzone in Uschgorod trinken, die lange Lindenallee entlangwandern, die griechisch-katholische Kathedrale und alle religiösen Zurschaustellungen bewundern, er wird die herrlichen Burgen in Mu- Hotelneubau bei Kamianizia gene Sachen zu haben, und Schuhe, um sommers wie winters zur Schule gehen zu können. In dieser Region braucht es keinen Krieg, damit es den Leuten schlecht geht, und ein Kriegsende verspricht auch keine Besserung. russischer Oldtimer katschewo und Uschgorod besuchen, die zahlreichen ordentlich gekleideten Besucher dem guten Lebensstandard der Region zuschreiben, er wird großartig kitschige Hotelanlagen aus dem Boden sprießen sehen, an großen neuen Tankstellen sein schickes Auto zum Spottpreis tanken, wie selbstverständlich mit Kreditkarte zahlen. Er lebt in einem Paradies, wo der Wechselkurs gegenüber der maroden Griwna den Besucher mit Euroeinkommen zum Krösus macht. Wagenlenker Baden in Mukatschewo Was er nicht sieht, ist die völlig unzureichende finanzielle Ausstattung der öffentlichen Einrichtungen, seien es Krankenhäuser, Schulen, Straßenbau usw., die unglaublich niedrigen Gehälter, die lächerlich niedrigen Renten und Sozialleistungen, die Unmöglichkeit der Finanzierung privater Ausgaben bei einem Darlehenszins von 20 Prozent, er sieht nicht die armseligen Lebensbedingungen auf den Dörfern, die Arbeitslosigkeit, die keine Hoffnung zulässt, die vielen, in der Trostlosigkeit gezeugten Kinder, die unter der Depression der Eltern leiden, Kinder, für die es schon ein großes Glück bedeuten würde, genug Essen zu bekommen, ein sauberes, eigenes Bett und ein paar ei- Hier, am Westrand der Ukraine, in diesem vergessenen Gebiet, war das Leben auch zu Sowjetzeiten schon ärmlich, aber danach sind viele Arbeitsplätze weggebrochen und hat die staatliche Versorgung jäh geendet. Ein Vakuum ist an ihre Stelle getreten. Geblieben sind der Plan für den Schulneubau in Kamianizia, der nach 25 Jahren immer noch an der Türe des Direktorats hängt, die Relikte hübscher Tapeten an den Wänden der baufälligen Dorfhäuschen, die verblassten Ikonen und der verschlissene Kelim hinterm Bett. Vielleicht sollte sich die schulterklopfende Kiewer Regierung einmal überlegen, was von den mehr oder weniger demokratischen Vorgängerregierungen in den letzten 25 Jahren im Land versäumt wurde. Wir können nur versuchen, den am schlimmsten getroffenen Kindern weiterhin und etwas mehr zu helfen. Spenden sind steuerlich absetzbar. Spendenkonto: Bayerische Ostgesellschaft e.V., IBAN: DE 147015 0000 0908 2302 20, BIC: SSKMDEMMXXX, Stadtsparkasse München Impressum: Bayerische Ostgesellschaft e.V. Text: Iris Trübswetter Fotos: Patrick und Iris Trübswetter, Sozialstation Peretschin (1) Kontakt: T. 0803181421, [email protected]