ein magazin zum geburtstag

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ein magazin zum geburtstag
Ge|nos|sen|schaft (Abk. Gen.); vgl. eG
eG = eingetragene Genossenschaft
Genossenschaftsgesetz (GenG)
§ 1 Wesen der Genossenschaft
(1) Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb
oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen
Geschäftsbetrieb zu fördern (Genossenschaften),
erwerben die Rechte einer „eingetragenen Genossenschaft“ nach Maßgabe dieses Gesetzes.
„Solange Menschen die Erde bevölkern, haben sie sich,
wenn es galt, wirtschaftliche oder andere Bedürfnisse
zu befriedigen und dies die Kräfte des Einzelnen überstieg, in Gruppen oder Gesellschaften zusammengeschlossen. (…) Sich zu gegenseitiger Hilfe in einer
Gemeinschaft zu verbinden, das ist der einfache Sinn
des Genossenschaftsgedankens.“
Spar- und Bauverein eG Dortmund, 1893-2013
ein magazin
zum geburtstag
Geschichten. Erlebnisse. Standpunkte.
Quelle: Helmut Faust, Geschichte der Genossenschaftsbewegung,
Frankfurt 1965
(1932) Regeln zur Wohnungsnutzung:
4. „Dem Vorstand und Aufsichtsrat steht das Recht
zu, die Wohnung durch Beauftragte ohne vorherige
Anmeldung zur üblichen Tageszeit besichtigen zu
lassen.“
5. „Die Überlassung der Wohnung erfolgt ausschließlich zur Benutzung durch das Mitglied und die zu
seinem Haushalte gehörigen Personen. Die Aufnahme anderer Personen in die Wohnung, besonders das
Vermieten von Wohnungsteilen und das Halten von
Kostgängern sowie Hunden, Klein- und Federvieh
ist nicht gestattet. Die Wohnung soll dem Mitgliede
und seiner Familie ein dauerndes Heim bieten und zu
ihrem geistigen und körperlichen Wohl dienen.
Sie darf daher seitens der Genossenschaft nur in
dringenden Fällen gekündigt werden.“
Quelle: Spar- und Bauverein eG, 1932
01 Wilhelm Unverhau – die Gründung
Getragen von der Idee der sozialen Verantwortung gründen
Dortmunder Bürger am 4. März 1893 in der Gaststätte „Zum
Schwarzen Raben“ die Wohnungsgenossenschaft Spar- und
Bauverein eG Dortmund. Die treibende Kraft ist der Vorzeichner
Wilhelm Unverhau; er möchte mit der Siedlungsgenossenschaft
die große Wohnungsnot in solidarischer Selbsthilfe lindern.
02 Starke Bautätigkeit
in den ersten Jahren
Kurz nach der Gründung der Genossenschaft entstehen die
ersten Gebäude in der „Lange Straße“, „Paulinenstraße“ sowie
in der „Heinrichstraße“.
03 Die 3000. Wohnung
Ein Ehrentag für die Genossenschaft: Am 10. Mai 1929 wird im
Beisein wichtiger Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens die
3000. Genossenschaftswohnung, Neuer Graben 163, übergeben.
04 Zerstörung im Zweiten Weltkrieg
Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im September 1939 wird
der Wohnungsbau völlig aus der Bahn geworfen. An die Stelle
des Aufbaus tritt bald Zerstörung. Von den 4.338 Wohnungen
und 62 gewerblichen Einheiten der Spar- und Bauverein eG
Dortmund bleiben lediglich vier Häuser mit 34 Wohnungen
unbeschädigt.
(02)
(09)
(01)
(05)
(11)
05 Wiederaufbau
Am Tag des 60-jährigen Bestehens, am 4. März 1953, berichtet
der Vorstand stolz, dass alle Trümmer beseitigt und sämtliche
Ruinen wiederaufgebaut sind.
06 75-Jähriges Jubiläum
Im Jahre 1968 wird der Spar- und Bauverein 75 Jahre alt. Der
Bestand der Genossenschaft hat sich auf über 8.000 Wohnungen
erhöht. Pünktlich zum 75-jährigen Jubiläum werden die ersten
Wohnungen speziell für Senioren in Dortmund-Hacheney
bezogen.
07 Friedrich Wilhelm Reckermann
(05)
1975 in den Vorstand berufen, prägte Friedrich Wilhelm
Reckermann über lange Zeit hinweg die Geschäftstätigkeit
des Spar- und Bauvereins. 2012 trat er in den Ruhestand ein.
08 Den Nachwuchs fördern
Die Spar- und Bauverein eG hat die Aus- und Weiterbildung
junger Berufseinsteiger zu Fachkräften der Immobilienwirtschaft schon immer als Schlüsselaufgabe betrachtet. Es ist
daher nur konsequent, dass mehr als die Hälfte der aktiv tätigen
kaufmännischen Mitarbeiter im eigenen Unternehmen ausgebildet wurden.
(07)
(04)
(03)
09 Nachbarschaft (er)leben
Der Nachbarschaftstreff im Althoffblock wurde im Jahr 2000
eingerichtet. Die Stärkung des nachbarschaftlichen Lebens
aller Generationen steht hier im Mittelpunkt.
10 Bewohnerfest
Gegen die vielbeschworene Anonymität großstädtischen
Wohnens setzt der Spar- und Bauverein die Förderung nachbarschaftlichen Miteinanders. Die vielen regelmäßigen Bewohnerfeste sind meist der Beginn wunderbarer Freundschaften.
11 Preiswürdig
Verleihung des NRW-Landespreises-Architektur am 12.11.2012
im Ständehaus, Düsseldorf: NRW-Minister Michael Groschek
(5.v.r.) im Kreise der Projektverantwortlichen.
Ausgezeichnet wurde das Mehrgenerationen-Wohnprojekt
am Generationenweg 1.
(08)
12 Zukunft braucht Geschichten
(10)
Pläne, Ideen, Bilder von dem, was morgen sein könnte. Zukunft
hat eine Geschichte – in Gestalt sämtlicher Anstrengungen,
die gestern wie heute unternommen wurden und werden, um
ihr das gewünschte Gesicht zu geben.
(12)
(06)
Ursprung
„Man muss wissen, wo
man herkommt, um zu
wissen, wohin man geht.“
Inhalt
Dr. Martin Sprungala,
Interview 2013
Seite
06
Ein Haus, Ein Platz
10
12 leben mit dem elefanten
stein auf stein
14
Keiner geht verloren
16
gastliche stätte
18
die seite für kinder
20
erst sparen, dann bauen
22
die grosse verwandtschaft des dr. martin sprungala
24
Die genossenschaft ist für die zukunft gut aufgestellt
28
33 drei fragezeichen für den spar- und bauverein
36 Momente im Zeitwandel
38 zu guter letzt / das redaktionsteam
eine Idee macht Geschichte
120 Jahre Geschichte, 120 Jahre Zukunft
Zu Besuch am Borsigplatz in der Dortmunder Nordstadt
Aufsichtsratsvorsitzer Peter Lauber im Gespräch
Wohnmodelle für die Zukunft
Freunde finden und sich gegenseitig helfen
Aus einer Idee wird eine Geschichte.
Und aus der Geschichte Zukunft.
Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder des Spar- und Bauvereins,
am 4. März 1893 wurde unsere Wohnungsgenossenschaft in der Gaststätte „Zum Schwarzen Raben“ gegründet.
Das war vor 120 Jahren. Heute sind wir nicht nur auf die Generation der wagemutigen Gründer stolz, sondern auch auf
die vielen Akteure, die sich über Generationen mit Herzblut engagiert haben, damit ihre Genossenschaft stets auf der
Höhe der Zeit war.
Aus der Idee, gemeinsam und solidarisch etwas zu schaffen, was der Einzelne nicht konnte, wurde ein Unternehmen.
Aus einer kleinen, engagierten Gemeinschaft wurde eine große Gruppe. Schon nach wenigen Jahren zählte der Sparund Bauverein Dortmund zu den bedeutendsten Wohnungsgenossenschaften in Deutschland. Die Ziele der Gründer
gelten noch heute – und sie haben zum Erfolg unserer Genossenschaft beigetragen. Es gibt also viele Gründe sich
zu freuen und unseren 120. Geburtstag zu feiern! Das wollen wir mit Ihnen, den Mitgliedern und Freunden unserer
Genossenschaft, gemeinsam tun.
Der Volmarsteiner Platz im Althoffblock
Nicht harte Daten und Fakten zu 120 erfolgreichen Geschäftsjahren wollen wir in den Mittelpunkt stellen, sondern
Sie, liebe Mitglieder. Wir sind unserer Geschichte mit Ihren Geschichten auf die Spur gegangen. In diesem Magazin
möchten wir die Atmosphäre und Unternehmenskultur aus unterschiedlichen Blickwinkeln erlebbar machen.
Traumschloss oder Ritterburg?
Auf der Suche nach Geschichten haben wir viele Menschen aller Generationen befragt: Mitglieder und Gremienmitglieder sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir haben ihre Erlebnisse und Erinnerungen sowie alte Fotos und
Dokumente gesammelt und stellen sie Ihnen hier auszugsweise vor.
120 Jahre Spareinrichtung
Eine Familie und eine Wohnung – 110 Jahre Heinrichstraße
Der Gesamtvorstand im Interview
Geheimnis und Geschichtensuche mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Begonnen haben wir unsere Geschichtsforschung mit einem Geschichtenwettbewerb für Kinder und einer digitalen
Schatzsuche für Jugendliche, einem sogenannten Geocaching. Das brachte Spaß und auch wunderbare Geschichten
ans Tageslicht. In Erzählcafés und vielen Interviews haben wir anschließend Zeitzeugen befragt, wie es früher war, in
der „guten alten Zeit“ der Genossenschaft. Die Zeiten waren gewiss nicht immer gut, aber die Geschichten, die wir
sammeln konnten, sind es!
Ein Blick in die Vergangenheit muss aber immer auch ein Blick in die Zukunft sein. Denn 120 Jahre nach der Gründung
treibt sie uns immer noch an, diese Genossenschaftsidee. Sie ist zum Baustein unserer Zukunft geworden. Der Sparund Bauverein hat sich mittlerweile zum wichtigen Wirtschaftsfaktor und stadtteilprägenden Investor im Großraum
Dortmund entwickelt, ohne dabei das gemeinschaftliche Für- und Miteinander in der Genossenschaft aus den Augen zu
verlieren. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – ein Dreiklang, mit dem der Spar- und Bauverein sich in der Stadt
hören lassen kann.
Ein herzlicher Dank an alle, die mitgemacht haben. Nun wünschen wir Ihnen viel Vergnügen
bei der Lektüre!
Im Namen des Gesamtvorstandes
Ein Blick im Augenblick
Impressum
Franz-Bernd Große-Wilde
Vorstandsvorsitzender
120 JAHRE 06.07
Eine Idee macht
Geschichte
Erst mit Überwindung der Inflation steuert der Sparund Bauverein wieder besseren Zeiten entgegen. So zählt
die Genossenschaft im September 1924 schon 9.309 Mitglieder, die sehr zahlreich an der Mitgliederversammlung
teilnehmen.
Zerstörung statt Aufbau
Kurze Zeit später beginnt mit der Ernennung Hitlers zum
Reichskanzler ein unendliches Leid. An die Stelle des
Aufbaus tritt mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im
September 1939 bald Zerstörung: Brandbomben und
Phosphorkanister, Sprengbomben und Luftminen machen
120 Jahre Geschichte, 120 Jahre Zukunft –
Die Spar- und Bauverein eG Dortmund bleibt ihren Zielen treu
Baustelle Boldtstraße, 1928
Baustelle Steubenstraße 2-16, 1952
Getrieben von der Idee der sozialen Verantwortung gründen einige wenige, aber weitschauende Männer den Sparund Bauverein an jenem Tag im Jahre 1893. Die Gründungsväter, unter ihnen Wilhelm Unverhau als treibende
Kraft, möchten mit der Siedlungsgenossenschaft die Wohnungsnot Dortmunds in solidarischer Selbsthilfe lindern.
Metzgerei Gustav Purrmann,
Roseggerstraße 60, Baujahr 1914
Der Weg in eine bessere Zukunft
Das Gründungsrestaurant
„Zum Schwarzen Raben“, Wißstraße 47
A
ls am 4. März 1893 Dortmunder Bürger in der Gaststätte „Zum Schwarzen Raben“ zusammenkamen, konnte keiner ahnen, dass 120 Jahre später
aus der mutigen Idee, die Wohnungsnot in ihrer Stadt zu lindern, die größte
Wohnungsbaugenossenschaft mit eigener Spareinrichtung in NRW werden
sollte.
Damals, an jenem Tag im Jahre 1893, wurde der Grundstein für die Spar- und
Bauverein eG Dortmund gelegt. Heute zählen 11.669 Wohnungen und 18.050
Mitglieder zu einer der leistungsstärksten Wohnungsbaugenossenschaften,
deren Philosophie, den Menschen ein wertvolles und nachhaltiges Zuhause
zu bieten, eng mit den Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte und dem
Leben im Ruhrgebiet verwoben ist. Eine Wirtschaftskrise, zwei Weltkriege, der
Mauerfall oder auch jüngst die Finanzkrise: Die Spar- und Bauverein eG Dortmund hat in ihren 120 Jahren viel erlebt, doch ihr Ziel, das gemeinschaftliche
Für- und Miteinander, nie aus den Augen verloren. Im Laufe des vergangenen
Jahrhunderts hat sich die Genossenschaft so zum wichtigen Wirtschaftsfaktor
und stadtteilprägenden Investor im Großraum Dortmund entwickelt.
Eine Idee wird lebendig
Ende des 19. Jahrhunderts führen Bevölkerungswachstum und Binnenwanderung in den industriellen Ballungszentren zur Wohnungsnot. Hunderttausende
Arbeiter aus ländlichen Gegenden strömen ins industrielle Zentrum des Deutschen Reiches – doch es fehlt an ausreichend Wohnraum. Insbesondere in den
rasch wachsenden Städten werden Wohnungen schnell zu teuer, sie sind durch
Untervermietung überbelegt und hygienisch unzureichend.
Die Folge: Viele Arbeiter leben in Elendsquartieren ohne Anbindung an die
städtische Infrastruktur.
Kurz nach der Gründung entsteht auch sogleich das erste
Gebäude, Lange Straße 111-113. Seine 2- bis 3-ZimmerWohnungen – für etwa 150 bis 200 Mark im Jahr – sind
begehrt. Alleine in den ersten beiden Jahren werden insgesamt 48 Wohnungen fertiggestellt und bezogen. Bereits
zum Jahresschluss 1902 haben 3.116 Mitglieder – überwiegend Bergarbeiter, Eisenbahn- und Postbedienstete
– durch Zeichnung eines Geschäftsanteils von 300 Mark
ihren Beitritt erklärt. 30 Pfennig in der Woche müssen sie
entrichten, bis zur Vollzahlung von 300 Mark. Für viele
Familien bedeutet die wöchentliche Abgabe von 30 Pfennig sicherlich einen Verzicht. Zeitgleich ist es für viele
Familien auch ein Ausweg aus dem Elend – und der Weg
in eine bessere Zukunft.
590 Wohnungen, acht Verkaufsläden, zwei Gaststätten,
eine Bäckerei sowie eine Metzgerei werden bis 1902 errichtet. In den folgenden Jahren setzt sich das Wachstum
fort. Ganze Siedlungen entstehen, die ihren neuen Bewohnern gute und gesunde Wohnungen bieten.
vor allem die Dortmunder Innenstadt zu einer Ruinenlandschaft, vernichten
aber auch in den Vororten eine Vielzahl von Wohn- und Geschäftshäusern.
Von den 4.338 Wohnungen und 62 gewerblichen Einheiten der Spar- und
Bauverein eG Dortmund bleiben lediglich vier Häuser mit 34 Wohnungen
unbeschädigt. Trotz Hungersnot und mit großer Mühe können dank
zahlreicher erfinderischer Männer und Frauen viele Wohnungen zumindest
provisorisch genutzt werden.
Mit dem Beginn der Währungsreform am 20. Juni 1948 brechen die hitzigen
Jahre des Wiederaufbaus an. Am Tag des 60-jährigen Bestehens, am 4. März
1953, berichtet der Vorstand schließlich stolz, dass alle Trümmer beseitigt
und sämtliche Ruinen wiederaufgebaut sind. In den folgenden Jahren wird
das Bauvolumen erweitert.
Erstes Verwaltungsgebäude, 1902-1945,
Heinrichstraße 27 /Adlerstraße 56
Einschnitte im Ersten Weltkrieg
Trotz des beginnenden Ersten Weltkrieges können Mietwohngebäude in der Althoffstraße errichtet werden. Auch
wenn an den bis 1918 erbauten 255 Häusern mit über
2.000 Mietwohnungen keine nennenswerten Schäden
entstehen, bringt der Erste Weltkrieg Einschnitte mit
sich. Nach Kriegsende stocken die Bauarbeiten, es fehlen
schlichtweg Handwerker und Material. Hinzu kommt in
der Nachkriegszeit eine schwere wirtschaftliche Prüfung:
die Inflation. Kosten 1.000 Mauersteine im Jahr 1914
noch 19 Mark, so steigt der Preis für das so wichtige Baumaterial im Jahr 1920 auf mehr als 350 Mark.
Gaststätte „Zum Adler“, Adlerstraße 62, Baujahr 1894/95
120 JAHRE 08.09
Das stetige Wirtschaftswachstum und der zunehmende Wohlstand prägen
die rasante Aufwärtsentwicklung der Genossenschaft entschieden weiter.
Zwischen 1961 und 1965 werden alleine 918 Wohnungen in Sölde, Schüren
und Brackel fertiggestellt.
Die Reformen nehmen Gestalt an
Von einer Wohnungsnot wie zu Zeiten der beginnenden Industrialisierung
kann Ende der 70er-Jahre keine Rede mehr sein. In der Folgezeit bis heute ist
und bleibt die Genossenschaft ein Ort für reformerisches Denken. So
werden zum Beispiel bereits ab 1962 die ersten umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen in Angriff genommen. Es entstehen eigene Badezimmer,
die Toiletten werden von Podesten in Wohnungen verlegt und die Häuser
werden nach und nach voll elektrifiziert. Die Genossenschaft eilt in den
folgenden Jahren von Rekord zu Rekord. In den 70er-Jahren verfügt die Wohnungsbaugenossenschaft bereits über mehr als 9.400 Wohnungen.
Ob sozialer Wohnungsbau, der Zuzug der Gastarbeiter, der Mauerfall im Jahr
1989, der eine Welle nicht nur finanzieller Aufbauhilfe auslöst, oder auch die
ersten Auswirkungen des demografischen Wandels: Im Laufe der Zeit erfindet
sich die genossenschaftliche Wohn- und Lebensform immer wieder neu und
passt sich an die jeweiligen Lebensentwürfe und Wohnentwicklungen an.
Wir werden immer älter
Zweifelsohne stellt der demografische Wandel eine große Herausforderung in
der heutigen Zeit dar. Immer weniger Kinder werden geboren, mehr Menschen
haben ihre Wurzeln in einem anderen Kulturkreis – und: Wir leben länger.
Doch der demografische Wandel ist gestaltbar. Genossenschaften können dabei helfen, indem sie beispielweise barrierefreie Wohnungen zur Verfügung
stellen und bauliche Veränderungen im Wohnungsbestand vornehmen.
Zusätzlich stellt sich die Spar- und Bauverein eG seit dem neuen Jahrtausend
immer stärker darauf ein, mit zielgruppenspezifischen Angeboten den Be-
dürfnissen ihrer Mitglieder gerecht zu werden. So richten
sich zahlreiche realisierte und noch geplante Neubaumaßnahmen an sehr unterschiedliche Altersgruppen mit dem
Ziel, in den Wohnquartieren möglichst vielen Lebenssituationen gerecht werden zu können. Die Palette des
Engagements reicht beispielsweise von der kindgerechten
Modernisierung eines Kindergartens in DortmundBodelschwingh über die Errichtung eines generationenübergreifenden Wohnprojektes in Zusammenarbeit mit
dem W.I.R. e.V. in Dortmund-Brünninghausen bis hin
zu unterschiedlichen Neubaumaßnahmen im Segment
„Service Wohnen im Alter“. Bei den zuletzt angesprochenen Bauvorhaben im Seniorensegment legt die Genossenschaft besonderen Wert auf die moderate Mietpreisgestaltung sowie die faire Kalkulation von Grund- und
Wahlleistungspauschalen.
Individuelles Wohnen in der Gemeinschaft
Anstatt isolierter Wohnungsbewirtschaftung steht dabei
eine integrierte Stadtteilgestaltung auf der Agenda. Solidarisch gelebte Nachbarschaft in Zeiten gesellschaftlicher
Umbrüche ist umso wichtiger, da Nachbarschaft sprichwörtlich einen Raum für Heimat bietet. Dort, wo vor
allem viele ältere Menschen oft alleine leben, wird Nachbarschaft gelebt und gefördert – mit bunten Straßenfesten,
geselligen Bewohnerfesten oder auch gemeinsamen Ausflügen. Nur wer sich wirtschaftlich, sozial und kulturell
konsequent für die Entwicklung von Stadt und Quartier
engagiert, kann den Menschen ein Zuhause bieten, in dem
sie sich rundum wohlfühlen.
25-jähriges Dienstjubiläum, Klempner-Altgeselle Albert
Macka, Heinrichstraße 54, 3. September 1949
Verleihung des Qualitätssiegels „Betreutes Wohnen
NRW“ für den Neubau Bauerstraße 3, 5 in
Dortmund-Brackel, überreicht vom Vorsitzenden
des Kuratoriums Betreutes Wohnen, Alexander
Rychter, Verbandsdirektor des VdW Rheinland
Westfalen e.V. Düsseldorf, 2012
Bohrungen für geothermische Anlagen
in der Bauerstraße 3, 5, 2008
© RuhrNachrichten, Schaper
Mut und Fantasie
Das Bewährte erhalten und mutig das Neue wagen: Das sind die zentralen
Herausforderungen, denen wir uns seit mittlerweile 120 Jahren stellen.
Auch in der Zukunft wird es unsere Aufgabe sein, hohe Wohn- und
Lebensqualität für zukünftige Generationen zu sichern und zugleich
Antworten auf die ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen zu finden. Das geschieht durch zeitgemäße Wohnformen, die auf
die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind, in Zukunft aber flexibel
nutzbar bleiben.
Über die Jahrzehnte hinweg ist es uns mit dieser Strategie gelungen, die
soziale Stärke der traditionellen Genossenschaft mit der Dynamik eines
modernen Dienstleisters rund ums Wohnen und Sparen zu verbinden.
Über 1600 Wohnungen bietet der Spar- und Bauverein im Dortmunder
Norden, darunter viele rund um den Borsigplatz. Schmuckstück und
Erkennungszeichen ist das Concordiahaus, erbaut Anfang 1900.
Im Erdgeschoss des „Türmchenhauses“ befand sich bis in die 50er-Jahre
das beliebte Tanz- und Festlokal „Concordia“.
Ein Haus, ein Platz
Zu Besuch am Borsigplatz in der Dortmunder Nordstadt
Als der BVB 1909 am Borsigplatz gegründet
wurde, stand dort bereits eines der ersten Häuser des Spar- und Bauvereins: das Concordiahaus. Damals wie heute trifft man an diesem für
Dortmund so wichtigen Ort noch „Originale“,
Menschen, die über fünfzig Jahre ihrem Viertel
treu geblieben sind. Heute wohnen auch viele
Studenten im Viertel und prägen mit regelmäßigen Kunstaktionen seinen Charakter. Doch wie
eh und je steht der Ort für Superlative. Wo steht
der größte Adventskranz der Welt? Natürlich auf
dem Borsigplatz.
P
ariser Flair im Dortmunder Norden: Der „Stern
des Nordens“ mit seinen sechs auf ihn zuführenden
Straßen und seinen Platanen wurde nach französischem
Vorbild angelegt. Seinen Namen verdankt er der 1871
gegründeten Maschinenfabrik des August Julius Albert
Borsig. Hier zu wohnen, war schon was. „Man wohnt
nicht in Dortmund, man wohnt am Borsigplatz“, heißt es
hier noch heute selbstbewusst. Und das nicht nur, weil
der Platz durch die Meisterfeiern des BVB europaweit
Berühmtheit erlangt hat. Die Älteren erinnern sich noch
stolz an die Dortmunder Hoesch-Stahlschmiede, in der sie
malocht haben und die bis zu ihrer Schließung 1995 gut
17.000 Menschen Arbeit gegeben hat.
In der „guten alten Zeit“, so um 1920, war die Gegend als
„Nachtjackenviertel“ bekannt. Damals hingen die Mütter
und Ehefrauen im Nachtjäckchen im Fenster und hielten
Ausschau nach ihren Männern. Die waren in den umliegenden Kneipen versackt und tranken noch ein Bier. Und
weil’s so schön schmeckte, noch eins …
Solche Geschichten und noch viele mehr kennt Annette Kritzler. Die Stadtführerin betreibt mit einer Kollegin die „BorsigplatzVerFührungen“. Wenn sie
mit ihren Teilnehmern durch die Straßen zieht, wirft sie gerne einen Blick in
Ateliers oder Restaurants und macht auf Kleinode wie besondere Gärten und
Hinterhöfe aufmerksam. Auch den schönen Innenhof des Concordiahauses besucht sie oft. „Das Haus mit dem Türmchen ist eine Landmarke, weit über die
Grenzen Dortmunds hinaus bekannt.“
Im Krieg diente das Türmchen übrigens als Flakbeobachterposten. Heute
kennen ihn BVB-Fans, weil Hausmeister Günter Domscheit die Glocke im
Turm läutet, wenn Borussia wieder einmal Meister geworden ist. Seit 1959
wohnt Domscheit am Borsigplatz, seit 2006 arbeitet er für die Genossenschaft.
Zusammen mit Andreas Prigge, stellvertretender Leiter der Technik bei der
Genossenschaft, sitzen wir bei Domscheits auf der Küchenbank. Günter, wie
ihn jeder nennt, erinnert sich gut an die Zeit, als noch an jeder Ecke eine
Kneipe stand: „Wenn ich früher tapezieren wollte, ging ich in die Kneipe. Ich
brauchte nur zu sagen, dass ich drei Mann zum Helfen suche und hinterher
einen ausgebe. Dann hatte ich gleich fünf Helfer.“ Ein Bier kostete damals
35 Pfennig – das sind 18 Cent.
Den Abbau des Hoesch-Werkes, das nach China verkauft worden war, hat
Günter Domscheit vom Türmchen aus verfolgt. Das habe wehgetan, besonders
die Sprengungen. Doch das ist Vergangenheit. Die Gegenwart ist fröhlicher,
besonders, wenn man wie Domscheit fest in seinem Quartier verwurzelt ist.
„Abends tut mir der Arm vom Winken und Grüßen weh“, feixt er.
Auch Anja Lenze ist bekennender Borsigplatzfan. Über 20 Jahre hat die
44-Jährige in der Wambeler Straße in einer Genossenschaftswohnung gewohnt. Sie ging gerne in den Hoeschpark und an einer Wand ihrer Wohnung
prangte ein Straßenschild „Borsigplatz“. Aktionen wie der große Adventskranz
und das jährliche „Nordstadtdinner“ haben ihr gefallen. Gerne erinnert sie
sich an das „Running Dinner“, das vom Quartiersmanagement organisiert
wird. In drei verschiedenen Wohnungen wird dann gekocht und gegessen.
120 JAHRE 10.11
Lehm unter der Tapete
An der Garage treffen wir das Ehepaar Hoffmann. Der 70-jährige Rudi
Hoffmann ist traurig über die Entwicklung des Viertels. „Als ich an den
Borsigplatz gezogen bin, waren hier
alle Nationen vertreten. Wenn wir zusammen im Hof gegrillt haben, gab es
Paella, Pizza, Fisch und Würstchen.“
Doch die Nachbarschaft sei nicht
mehr so herzlich wie früher. Auch
ärgert es ihn, dass viele sich nicht an
Regeln halten. Aber deshalb lange
böse sein? Nein, das könne und wolle
er nicht.
In der Uhlandstraße lebt Heinz
Brummel. Hoffentlich schmeckt der
Kaffee, fragt er besorgt. Der Kaffee
schmeckt prima – und wenn Herr
Brummel ins Erzählen kommt, meint
man, seinen längst verstorbenen
Onkel, den Schlachter Grizelius,
die Straße lang fahren zu sehen: „Er
hatte, um 1947 war das, ein Auto mit
Holzvergaser, mit einem Schornstein
darauf. Das wurde mit Holz geheizt
und er fuhr damit zum Schlachthof.“
Der Wandel der Zeit berührt alle Bewohner des Viertels. Jeder erlebt ihn
auf seine Art, nimmt ihn anders wahr.
Und als der Spar- und Bauverein 2012
zum großen Nachbarschaftsfest im
Uhlandblock lud, trafen sich viele
wieder und ließen die gute alte Zeit
noch einmal aufleben. Von diesem
Fest spricht man heute noch.
Und jeder Neubeginn hat ja auch
seine guten Seiten. Früher gab es
hier viele Prügeleien, erinnert sich
Hausmeister Domscheit. „Wenn Du
was willst, komm raus“, hieß es in den
Kneipen. Vielleicht doch ganz gut,
dass es jetzt mehr Künstlerateliers
als Kneipen in der Nordstadt gibt.
Immer wieder geht die Sonne auf. Im
Dortmunder Norden.
„Als wir 1947 aus dem Sauerland, wohin wir evakuiert worden
waren, zurückkamen, war ich sieben Jahre alt. Meine Oma wohnte
gegenüber in der Uhlandstraße 133. Dann kam auch mein Vater
aus dem Krieg heim. Wir hatten nur zwei Zimmer, denn wir mussten uns die Wohnung mit einem Untermieter teilen. Nach dem
Krieg war alles zerbombt und viele Häuser waren weg. Ich habe
damals geholfen, in den Wannen Kalk zu löschen, der zum Bauen gebraucht wurde. In der Uhlandstraße wurden extra Eisenbahnschienen verlegt, um die hohen
Schutthaufen mit Teckelwagen abzufahren. Dann ging in Eigenregie das Bauen los.
Jeder besorgte sich irgendetwas. Die kaputten Wände in unserer Wohnung hat mein
Vater mit Lehm ausgebessert. Deshalb kann ich die Tapete heute nicht abreißen, da
hängen dann große Lehmstücke daran.“
Heinz Brummel, Mitgliedervertreter, 73 Jahre, Interview 2013
Der größte
Adventskranz
der Welt: der
Borsigplatz.
„Bier – Stahl – Fußball“ – der
Dreiklang des Viertels auf der Wand
des Schankraumes in der bekannten
Gaststätte des Concordiahauses.
Hier wurde getanzt und getafelt.
120 JAHRE 12.13
Von Generation zu Generation
Leben mit
dem Elefanten
erste frau im aufsichtsrat
„Meine Großeltern und Eltern waren bereits Mitglied
im Spar- und Bauverein. Als ich älter wurde, gefiel
auch mir die Grundidee der Genossenschaft. Ich
finde, Genossenschaft funktioniert nur durch Mittun.
Ich habe mich als Mitgliedervertreter aufstellen
lassen und bin in die Versammlung gewählt worden.
Nach einigen Jahren wurde ich für die Mitarbeit im
Aufsichtsrat vorgeschlagen. Da bin ich jetzt seit gut
acht Jahren und es macht mir sehr viel Spaß. Ich
bereue den Schritt nicht, obwohl es auch Zeit kostet.
Es geschieht viel Neues und ist immer spannend.“
Aufsichtsratsvorsitzer Peter Lauber im Gespräch über das Wir-Gefühl,
Vertreterversammlungen und Henriette Davidis Kochbücher
„1970 ist die erste Frau in den Aufsichtsrat gekommen: eine Vertreterin aus dem
Althoffblock, Margot Westermann. Das
geschah mit ‚Murren und Knurren‘, denn
die damaligen Herren fanden das nicht so
toll. Inzwischen haben wir fünf Damen
im Aufsichtsrat.“
Heinrich Küter, Erzählcafé 2012
Martin Winterkamp, Erzählcafé 2012
Der Rechtsanwalt Peter Lauber ist seit 1997 Mitglied im Aufsichtsrat und seit 2000 dessen Vorsitzender. Übernommen
hat er das Amt von Karl-Heinz Bieling. Der Vorsitz im Aufsichtsrat erfordere einen großen Zeitaufwand, meint Lauber,
bereite ihm aber viel Freude.
Herr Lauber, Sie sind in Dortmund-Hörde in einer Genossenschaftswohnung
aufgewachsen. Spielt das für Sie heute noch eine Rolle?
Auf jeden Fall. Genossenschaft ist mir von Kindheit an vertraut und erzeugt
für mich bis heute ein Wir-Gefühl. Ich bin Jahrgang 1942 und habe die Nachkriegszeit sehr bewusst miterlebt. Als ich Kind war, konnte man sich glücklich
schätzen, wenn man eine verlässliche Wohnstätte hatte, einen sicheren Hafen.
Das war bei unserer Genossenschaft der Fall.
Welche Laufbahn haben Sie eingeschlagen und wie sind Sie zum Dortmunder
Spar-und Bauverein gekommen?
Nach der Volksschule kam ich zur Stadtverwaltung und habe eine Kommunalverwaltungslehre absolviert. Dann machte ich am Abendgymnasium mein
Abitur und kam im Jurastudium bei Professor Biedenkopf wieder mit dem
Thema Genossenschaft in Berührung. Als Rechtsanwalt habe ich durch meine
Arbeit den SBV kennengelernt. 1997 wurde ich auf der Vertreterversammlung
direkt in den Aufsichtsrat gewählt. Man suchte einen Juristen und Karl-Heinz
Bieling hatte mich vorgeschlagen. Seit 2000 bin ich Vorsitzender. Das bedeutet
sehr viel Arbeit, aber macht viel Freude.
Was bedeutet Ihnen der genossenschaftliche Gedanke?
Halten Sie ihn für zeitgemäß?
Unbedingt. Wenn es die Genossenschaften nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Denn Wohnen ist ein elementares Bedürfnis des Menschen; seit der Steinzeit verleiht die richtige „Höhle“ Schutz und Geborgenheit. Genossenschaften
sind eine Gemeinschaft Gleichgesinnter. Und aus der Vielzahl kleiner Beiträge
erwächst ein großes Objekt. Dieser Grundgedanke hat nach wie vor Gültigkeit.
Doch das bringt auch Verpflichtungen mit sich. Man kann sich als Mitglied
nicht zurücklehnen und sagen „Hannemann, geh du voran.“ Jeder muss sich
einbringen! Wir haben eine Zielsetzung und gehen gemeinsam weiter.
Aufsichtsratsvorsitzer Peter Lauber und die
Journalistin Bärbel Wegner
Und wer von Ihren Vorgängern beeindruckt Sie?
Etliche! Mir bedeuten die Zusammenkünfte mit Herbert
Mackowiak viel. Auch wenn er heute im SBV nicht mehr
aktiv ist, bleibt er mir ein väterlicher Freund und Unterstützer. Er ist inzwischen 88 Jahre alt, ein „Urgestein“ der
Genossenschaft und auch der Stadt Dortmund. „Macko“
ist zum Beispiel der Erfinder der nun schon traditionellen
Kinderferienparty.
Die Aufsichtsratsmitglieder arbeiten neben dem Gesamtgremium in verschiedenen Ausschüssen. Ich bin Mitglied im Personalausschuss, im Mietengestaltungsausschuss und auch im Beschwerdeausschuss. Ich nehme mir viel Zeit
für die Vorbereitung einzelner Sitzungsthemen und für die Abstimmung mit
dem Vorstand.
Was beeindruckt Sie bei dieser Arbeit?
Wie arbeiten Aufsichtsrat und Vorstand zusammen?
Ich stelle bei Vertreterversammlungen fest, dass es ein großes Gerechtigkeitsgefühl gibt. Die Vertreter haben bei Abstimmungen ein Gespür dafür,
ob es um reine Querelen und Einzelinteressen geht oder Angelegenheiten
für die Gemeinschaft. Auch darin zeigt sich für mich Zusammenhalt.
Wir arbeiten gut zusammen. Im Aufsichtsrat wird intensiv diskutiert und der Aufsichtsrat hinterfragt, was der
Vorstand tut. So ist es im Genossenschaftsgesetz festgelegt. Der Aufsichtsrat trifft sich zu etwa sechs Sitzungen
im Jahr gemeinsam mit dem Vorstand, dieser erstattet
dann ausführlich Bericht.
Und was gibt es über den privaten Herrn Lauber zu sagen?
Das Interview führte Bärbel Wegner,
freie Journalistin und Autorin.
„Als ich meine Frau kennenlernte, musste man
miteinander verheiratet sein, wenn man als junges
Paar gemeinsam wohnen wollte. Es gab damals noch
den sogenannten Kuppeleiparagraphen, nach dem
sich ein Vermieter strafbar machte, wenn er an ein
unverheiratetes Paar vermietete.“
Wie bringen sich Vertreter sonst ein, wie ist der „Draht“
zum Vorstand?
Die Vertreter treffen sich auch außerhalb der offiziellen
Zusammenkünfte. Dann werden Angelegenheiten wie
Spielplatzgestaltung oder Reparaturen besprochen. Die
Ergebnisse der Diskussionen werden an den Vorstand
gegeben – mit der Bitte um Bearbeitung. Die Mitgliedervertreter wissen, dass die Genossenschaft „sich kümmert.“
Sie ist nichts Distanziertes, kein Objekt, das man nur aus
der Ferne wahrnimmt.
Wie sieht die Tätigkeit des Aufsichtsrates aus?
Kuppeleiparagraph
In meiner Freizeit bin ich Jäger und viel im Sauerland
unterwegs. Außerdem bin ich Hobbykoch und liebe es,
nach dem Kochbuch von Henriette Davidis zu kochen.
Meine Freunde sagen, man könne nicht verhungern,
wenn man mit mir unterwegs sei!
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Lauber!
Peter Lauber, Erzählcafé 2012
I
ch entsinne mich an eine lustige Begebenheit mit Herbert Mackowiak, damals Alterspräsident im Aufsichtsrat. Er beglückwünschte mich
zu meiner Wahl als Aufsichtsratsvorsitzer, übergab mir einen kleinen
hölzernen Elefanten und sagte: „Alles, was dieser kleine Elefant symbolisiert,
wünsche ich Dir – Standhaftigkeit, Durchsetzungsvermögen, ein dickes
Fell und große Ohren, um zu hören, was in der Genossenschaft so vor sich
geht.“ All das konnte ich tatsächlich für diese Tätigkeit gut gebrauchen.
Peter Lauber, Erzählcafé 2012
120 JAHRE 14.15
Wir wohnen anders
Stein
auf Stein
Diese zielgerichtete Ergänzung des lokalen
Wohnungsspektrums realisiert die Spar- und
Bauverein eG Dortmund bereits seit Jahren
an verschiedenen Standorten und bietet
somit umfangreiche sowie innovative Neubauprojekte für unterschiedliche Lebenssituationen an.
„Ein Dorf in der Stadt – WIR wohnen anders“
Dortmund-Brünninghausen, Generationenweg 1
Mit diesem Bauvorhaben realisierte die Genossenschaft
ein modellhaftes, architektonisch anspruchsvolles und
mehrfach ausgezeichnetes Projekt mit 25 individuellen
Wohnungen und einem Gemeinschaftsbereich. Das dreigeschossige Mehrfamilienhaus mit den Sparbau-Miet-
Wohnmodelle für die Zukunft
Älter, bunter und weniger: Diese drei Stichpunkte bringen den demografischen Wandel auf den Punkt.
Immer weniger Kinder werden geboren, mehr Menschen haben ihre Wurzeln in einem anderen Kulturkreis – und: Wir leben länger. Laut Berechnung des Statistischen Bundesamtes wird bis 2050 jeder Dritte in
Deutschland älter als 60 und mindestens jeder Zehnte über 80 Jahre alt sein. Wohnungsgenossenschaften
wie die Dortmunder Spar- und Bauverein eG handeln im Interesse ihrer Mitglieder. Sie sind häufig Vorreiter
für neue Wohnformen wie Wohnprojekte oder Mehrgenerationenhäuser.
D
er demografische Wandel ist nicht ungewöhnlich für
eine moderne Gesellschaft und findet ähnlich auch
in anderen Ländern statt. Er wirkt sich auf viele Politikfelder aus: vom Kindergartenbau über die Rentenpolitik bis
hin zum Bauen und Wohnen. Heute ist die Infrastruktur
in vielen Städten Deutschlands allerdings oft noch auf
eine junge Bevölkerung ausgerichtet. Ältere Menschen
kommen damit häufig nicht mehr zurecht. Für viele
bedeutet das ein Dasein auf dem Abstellgleis, weit weg
vom Leben der anderen.
Zufriedenheit und Wohlergehen haben viel damit
zu tun, ob die Menschen sich in ihrem Wohnumfeld
Gemeinschaft wird hier großgeschrieben:
In dem Gemeinschaftsraum in der Paulinenstraße
treffen sich die Bewohner regelmäßig.
wohlfühlen und sich mit ihrem Wohnviertel identifizieren. Denn Wohnen
umfasst auch immer die Umgebung: die Nachbarschaft, Kontakte und Unterstützung, die gesamte Infrastruktur. In einer Gesellschaft, in der die Menschen
immer älter werden und weniger Kinder zur Welt kommen, bleibt es umso
wichtiger, dass Jüngere und Ältere Kontakt haben, füreinander einstehen,
zusammenhalten. Das Wohnviertel spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Wer so lange wie möglich in der gewohnten Umgebung bleiben will, ist jedoch
oft auf eine bedarfsgerechte Wohnung, möglichst frei von Barrieren, angewiesen. Das ist für die Genossenschaft Grund genug, bauliche Veränderungen im
Wohnungsbestand vorzunehmen (Handläufe, Notrufe, niedrige Schalterhöhen,
barrierefreie Badezimmer etc.) oder auch bedarfsorientierte Serviceleistungen
anzubieten, um weiterhin ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben im
vertrauten Wohnquartier zu ermöglichen. Unsere Aufgabe ist aber auch, in
klar definierten und überschaubaren Quartieren neue, flexible und vor allem
zielgerichtete Wohnungsangebote zu schaffen, aus denen sich die Menschen
für jede Lebensphase das Richtige aussuchen können. Statt einseitiger
Monostrukturen (eine Neubau-Reihenhaussiedlung auf „der grünen Wiese“)
präferiert unsere Genossenschaft deshalb Wohnstandorte mit vielschichtigen
Wohnformen. Nur dann ist der Verbleib im vertrauten Wohnumfeld auch bei
Wechsel der Lebenssituation sichergestellt, nur so wird das Viertel zur Lebenswelt aller Generationen. Großeltern, Eltern und Kinder leben nicht notwendigerweise alle unter einem Dach, aber in unmittelbarer Nachbarschaft.
Die verschiedenen Preise und Auszeichnungen der vergangenen Monate,
darunter der Landespreis für Architektur, Wohnungs- und Städtebau Nordrhein-Westfalen 2012, belegen eindrucksvoll die Richtigkeit dieser Strategie
sowie die Qualität unserer Arbeit. Doch nicht die Auszeichnungen sind es,
die uns anspornen, sondern jeder einzelne Mensch, mit seiner aktuellen
Lebenssituation und seinen besonderen Bedürfnissen.
wohnungen bildet dabei den Kern des Quartiers, umgeben
von 13 Doppel- und Einfamilienhäusern (Eigentum privater Bauherren). Das Mehrfamilienhaus bietet mit dem
zentralen Wohnhof als Identifikationsort und Treffpunkt
ebenso wie mit dem zentralen Eingangsbereich und den
Galerieerschließungen vielfältige Aufenthalts- und Begegnungsmöglichkeiten.
Die Grundidee war es,
ein „Dorf in der Stadt“
zu realisieren, einen Ort
mit verlässlicher Nachbarschaft für Jung und
Alt. In Kooperation mit
W.I.R.e.V. üben die
Bewohner weitreichende
Mitbestimmungs- und
Mitwirkungsrechte
aus und gestalten ihr
Zusammenleben im Spannungsfeld von Individualität und
Gemeinsamkeit. Die gesamte Anlage ist selbstverständlich
barrierefrei erschlossen.
„Modernes Wohnen in allen
Lebensphasen zu bezahlbaren
Preisen zu ermöglichen, ist
und bleibt unser oberstes Ziel
für die Entwicklung unseres
Wohnungsbestandes.“
Ulrich Benholz, Prokurist
Wohnen mit Service für ein möglichst selbstbestimmtes Leben im Alter
Dortmund-Brackel, Bauerstraße 3, 5
50 barrierefreie Wohnungen nebst Gemeinschaftsraum und Servicebüro sowie
eine Tiefgarage mit 35 Pkw-Stellplätzen: Auch im Alter können die Mieter hier
weitgehend selbstbestimmt wohnen und leben. Eine Bezugsperson vor Ort
organisiert gemeinschaftliche
Aktivitäten und steht den Bewohnern für individuelle Beratungs- und Vermittlungsleistungen zur Verfügung.
Neben der zielgruppenorientierten Planung ist das innovative Energiekonzept hervorzuheben, das deutlich geringere
Mietnebenkosten für die Bewohner zur Folge hat. Die Wärme- und Wasserversorgung erfolgt über eine Geothermieanlage, unterstützt durch eine auf
dem Dach befindliche Solaranlage.
Zusammenleben von Jung und Alt inmitten des Althoffblocks
Dortmund-Innenstadt
Dass barrierefreies Wohnen im Alter mit moderner Architektur, kostengünstigen und intelligenten Detail- und Gesamtkonstruktionen einhergehen kann,
beweist dieser integrierte innerstädtische Neubau. Einerseits wurde hier das
Angebot vor allem für ältere Menschen erweitert, andererseits wird hier ein
generationenübergreifendes Miteinander großgeschrieben. Mit insgesamt 125
Mietwohnungen, einem großen Gemeinschaftsbereich, einer Tiefgarage sowie
einer Kindertagesstätte wird das Zusammenleben von Jung und Alt gefördert.
In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich 2.000 Wohnungen der Genossenschaft.
Integriertes, innerstädtisches Wohnen im Alter mit Betreuungskonzept
Dortmund-Innenstadt, Paulinenstraße /Adlerstraße
In Kooperation mit der Caritas Dortmund bietet die Genossenschaft den
überwiegend langjährigen Mitgliedern auch in diesem Neubau ein möglichst
selbstbestimmtes Wohnen im Alter in vertrauter Umgebung. Es wurden 46
barrierefreie Wohnungen, ein großer Gemeinschaftsbereich samt Servicebüro
und ein Gästezimmer geschaffen.
Eröffnung der Kita FABIDO in der Kuithanstraße 40, April 2012. Die Kita
ist ein wichtiger Bestandteil des neu errichteten Mehrgenerationenwohnkomplexes der Spar- und Bauverein eG im Althoffblock.
120 JAHRE 16.17
unterhalten. „Die Gruppengröße schwankt von Woche zu Woche", sagt Gerlind Domnick. Heute ist der Raum rappelvoll. Gemeinsam spielen die Mütter
dort mit den kleinen Kindern, singen, erzählen oder lesen Geschichten vor.
Die Aufgabe der Krabbelgruppe besteht anders als bei Kindertagesstätten nicht
darin, die Kinder während der Abwesenheit der Eltern zu betreuen. Stattdessen ist die Gruppe ein Angebot für beide. „Es ist ein Treff zum Plaudern
und zum Erfahrungsaustausch, nur, dass man sich eben nicht in einer Privatwohnung trifft“, erklärt Gerlind Domnick. Für die Kinder bietet die Gruppe
Gelegenheit zum Kontakt mit Gleichaltrigen, für viele Mütter ist der Erfahrungsaustausch eine sehr wichtige Erfahrung.
„Will auch Ball", sagt Isabel und deutet auf die gut gefüllte Kiste mit den Spielsachen, doch als Sophie eine kleine Kugel durch ein Holzlabyrinth sausen lässt,
ist der Ball aus der Spielkiste vergessen: Die Kugel ist eindeutig spannender.
„Ich komme sehr gerne hierhin“, sagt Caro, die Mutter von Sophie.
Mit einigen Müttern habe sich sogar eine Freundschaft entwickelt, erzählt sie
weiter, mittlerweile treffe man sich auch mal abends oder am Wochenende.
Ehrenamtliches Engagement
„1997 wurde die Idee zum Nachbarschaftstreff im
Althoffblock geboren und zur gleichen Zeit wurde
ich pensioniert. Ich habe mich deshalb von Anfang
an für den Treff interessiert und bis jetzt daran mitgearbeitet. Es ist sehr schön, eine Aufgabe zu haben.
Das hat mir die Genossenschaft ermöglicht.“
Liselotte Hasebein, Erzählcafé 2012
A
uch sonntags ist der Nachbarschaftstreff nicht nur
geöffnet, sondern auch äußerst gut besucht. Zu den
Spielnachmittagen kommen teilweise 20 Leute zusammen
– vor allem für viele Alleinstehende sei das ein wichtiger
Termin, der etwas Leben in den sonst ruhigen Sonntag
bringe. „Unser Treff ist auch eine Antwort auf
den Strukturwandel in der Familie“, weiß
die Leiterin. Familien brechen auseinander,
die Kinder ziehen weiter weg, die Gesellschaft wird anonymer. „Bei uns geht keiner
verloren“, sagt Gerlind Domnick. So falle auf, wenn
Schon die Kleinsten lernen im Nachbarschaftstreff: Gemeinsam geht vieles einfacher. Gemeinsam macht vieles Spaß!
KEINER GEHT VERLOREN
Freunde finden und sich gegenseitig helfen: Damit kann man nie früh genug anfangen. Deshalb
wollen auch Isabel und Sophie mit ihren Müttern zur nächsten Krabbelgruppe wiederkommen.
D
en bunten Ball fest in die Hand gepresst, rennt das
kleine braunhaarige Mädchen zur Tür und begrüßt
die Neuankömmlinge: „Da“, sagt es, gibt dem blondgelockten Jungen das Willkommensgeschenk und rennt
wieder zurück zu seiner Mutter. Dabei muss das kleine
Mädchen geschickt sein: Viele bunte Bauklötze liegen kreuz
und quer auf dem großen Spielteppich, hier steht eine Holzeisenbahn, dort ein Plastikbagger. Es ist Montag, 10.30 Uhr
und der Nachbarschaftstreff im Althoffblock füllt sich mit
Leben, denn es ist Zeit für die Krabbelgruppe.
„Viele Menschen bringen einen Nachbarschaftstreff
automatisch mit Senioren in Verbindung“, weiß die
pädagogische Leiterin Gerlind Domnick. Natürlich gibt
es viele ältere Menschen, die diese Angebote in Anspruch
nehmen. Doch: Genauso viele junge Leute besuchen den
Nachbarschaftstreff und bringen sich aktiv mit ihren
Ideen und Wünschen ein.
I
m Jahr 1997 war die Basis für ein Nachbarschaftsprojekt gelegt worden:
Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Spar- und
Bauverein, der Caritas und Bewohner hatten erkannt, dass die Familienstrukturen und der nachbarschaftliche Zusammenhalt sich im Laufe der letzten 20
Jahre stark geändert haben. Das Miteinander der Generationen wandelte sich,
kulturelle und soziale Unterschiede wurden größer. Das warf Fragen nach
einer Neugestaltung in der Gesellschaft und somit auch im Wohnquartier
Althoffblock auf. Der erste Nachbarschaftstreff im Althoffblock wurde daraufhin am 16. Juni 2000 in der Althoffstraße 12 eingeweiht. Keine fünf Jahre
später stellte sich heraus: Die bisherigen Lokalitäten sind dem Ansturm nicht
gewachsen. So zog der Nachbarschaftstreff im Jahr 2006 in die vom Spar- und
Bauverein umgebaute ehemalige Post um. Eine komplett ausgestattete Küche,
ein großer Veranstaltungsraum, ein Raum ohne Möbel für Sport, Spiel- und
Basteltätigkeiten sowie ein PC-Raum und der Innenhof bieten ausreichend
Platz für die etwa 500 Teilnehmer, die sich monatlich in über 30 Gruppenaktivitäten treffen.
In einem dieser großzügigen Räume spielen gerade Sophie, Noah und Isabel
mit bunten Bauklötzen und halten ihre Mütter auf Trab, während diese sich
Die Spar- und Bauverein eG Dortmund fördert ihre Mitglieder durch
Nachbarschaftstreffs und viele Veranstaltungen.
G
emeinsam mit einer ehrenamtlich tätigen Konzeptgruppe und anderen
freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat Gerlind Domnick die
spannende Aufgabe, an einem Programm von und für die Nachbarn im Althoffblock „und auch drumherum“ zu tüfteln. „Ohne das ehrenamtliche
Engagement würde der Nachbarschaftstreff nicht funktionieren“, ist die Leiterin überzeugt. Sie koordiniert die Anfragen der Bewohner,
sie hält die Fäden zusammen, doch die Anwohner sind es, die Impulse geben
und ihre Ideen in das Programm einfließen lassen: Eine junge Frau möchte
gerne Skat erlernen, eine andere eine neue Mutter-Kind-Gruppe gründen und
eine Dame regt einen Verschenke-Tag an. Ein 18-jähriger Schüler möchte
gerne Französisch-Unterricht geben und eine junge Frau ihre Bewerbung am
Computer schreiben. Künstlerinnen und Künstler bieten Fotos, Ölgemälde
und Tonfiguren zum Ausstellen an, andere verschenken Bücher oder regen ein
gemeinsames Plätzchenbacken an. „Selbst bei Wind und Wetter, ob
es regnet, stürmt oder schneit: Für ganz viele Leute ist ihre
Gruppe ein fester Termin“, stellt Gerlind Domnick jedes Mal aufs Neue
wieder fest.
Nachbarschaft leben
jemand fehle und man erkundige sich. Krankenbesuche,
ein Einkauf für den Nachbarn oder Blumengießen im
Urlaub werden durch das aufgebaute Beziehungsgeflecht
zur Selbstverständlichkeit. Diese nachbarschaftlichen
Brücken sind sowohl im Alltag als auch in besonderen
Lebenssituationen von unschätzbarem Wert und ermöglichen oft vertrauensvolle, tragfähige soziale Beziehungen.
So wird der Nachbarschaftstreff auch nicht zufällig von
einigen als „zweite Familie“ oder als „Familienersatz“
erlebt, wissen doch die meisten Besucher, dass sie hier
Gleichgesinnten begegnen und nicht allein sind. „Viele
Leute kommen auch ganz gezielt zu mir, um
ihre kleinen Sorgen, große Nöte oder auch
pure Freude zu teilen“, erzählt die Leiterin
des Nachbarschaftstreffs. „Hier ist ein Ort,
an dem sie sich wohl fühlen; sie wissen:
Hier ist jemand, dem sie vertrauen können.“
Die selbst organisierten Gruppenangebote sind offen, das
ist ein entscheidendes Kriterium, und ermöglichen so regelmäßigen Kontakt der Bewohner untereinander. Sowohl
Angebote mit einem Teilnehmer funktionieren als auch
Aktivitäten mit 30 Leuten. Außerdem finden auf Initiative
und unter Mitgestaltung der Ehrenamtlichen diverse Einzelveranstaltungen wie Vorträge, Ausflüge, Besichtigungen
und Feste statt. Auch so werden nachbarschaftliche Begegnungen ermöglicht bzw. intensiviert.
Sicherheit, soziale Kontakte, Sinn stiftende Tätigkeiten oder einfach gemeinsam feiern:
Viele Menschen suchen genau das in unmittelbarer Wohnortnähe und sind bereit, sich für andere
zu engagieren. Mit gegenseitiger emotionaler Unterstützung, einem hohen Maß an Aufmerksamkeit
und Verantwortung füreinander sowie praktischer Lebenshilfe ermöglicht Nachbarschaftshilfe
hier oft die Bewältigung von kleinen Alltagsproblemen, ist als aktive Maßnahme gegen Anonymität
und Vereinsamung im gemeinsamen Quartier zu verstehen und sorgt für viel Spaß und Lebensfreude.
Die Krabbelgruppe ist nur ein Beispiel von etwa 30 Angeboten, das monatlich mehr als 500 Teilnehmer gerne in Anspruch nehmen. Eine Gaststätte ist das Herzstück
120 JAHRE 18.19
Heiratsantrag im „Volmarsteiner Platz“
„Ich weiß noch genau, an welchem Tisch wir gesessen haben! An
diesem Tag hatten mein zukünftiger Ehemann und ich einen langen
Spaziergang durch den Althoffblock gemacht. Mein Mann lud mich
nach dem Spaziergang zu einer Tasse Kaffee im Volmarsteiner Platz
ein. Wir gingen oft dorthin. Wenn jemand Geburtstag hatte und
die Wohnung nicht groß genug war, wurde im Volmarsteiner Platz
gefeiert. Mein Mann fragte mich, ob ich ihn heiraten möchte. Ich
habe ‚Ja‘ gesagt und wir haben uns fest in den Arm genommen.
Das war 1959. Und für eine DM bekam man noch drei Glas Bier.“
und der Treffpunkt für eine gute
Nachbarschaft
Elisabeth Wilkniss, Erzählcafé 2012
Gastliche Stätte
Der Volmarsteiner Platz im Althoffblock
Sie ist eine Institution und zeitgleich Lebensmittelpunkt vieler Menschen, die deutsche Gaststätte. Auch die Lokalität
„Zum Volmarsteiner Platz“ von der Gastronomin Liane Neff zählt dazu. Gemütlichkeit und Freundlichkeit werden hier
großgeschrieben. Hohe Decken, bunte Fenster, einzigartige Lampen oder auch die zahlreichen Bilderrahmen an den
Wänden und die modernen Accessoires, die hier und dort arrangiert sind: Der „Volmarsteiner Platz“ im Althoffblock
bietet ein harmonisches und stilvolles Ambiente aus der früheren Zeit, das alle Altersgruppen anspricht.
Wenn Liane Neff nicht gerade selbst in der Küche steht
oder den „Bürokram“ erledigt („Denn das gehört auch
dazu“) begrüßt sie ihre Gäste meist persönlich. „Ich bin
fast immer hier“, sagt sie und führt ihre Besucher durch
die Räumlichkeiten. Sie deutet auf den Mitteltrakt der
Gaststätte, die sie seit Jahrzehnten vom Spar- und Bauverein anmietet: in der Mitte der Gang zum Tresen, links und
rechts davon ein paar Tische, die Polsterung der Bänke
und Stühle passend zur dunkelrot gestrichenen Decke.
Diese Plätze seien bei ihren Gästen sehr beliebt, weiß sie:
Hier hat man den Tresen am besten im Blick und kann
sehen, wer hereinkommt und wer die Gaststätte wieder
verlässt. Ein Sehen und Gesehen werden.
Viele junge und ältere Menschen, die in der Umgebung wohnen, sind in der
Gaststätte von Liane Neff anzutreffen. „Es ist eindeutig ein Kommunikationstreff im Althoffblock, unabhängig vom Alter“, sagt Liane Neff über ihr Lokal.
Zahlreiche Spar-und-Bauverein-Mitglieder, die schon ihr Leben lang in dem
Althoffblock wohnen, sind regelmäßig zu Gast. Und natürlich kommt in
geselliger Runde gelegentlich die Sprache auf die Genossenschaft, das bliebe
gar nicht aus. „Der Spar- und Bauverein ist einfach unübertroffen“, ist sich
Liane Neff sicher. „Ich bin seit Jahren Mitglied. Und wenn ich Hilfe benötige,
ist sofort jemand für mich da. Wo gibt es das heute noch?“, fragt sie. Und
selbstverständlich pflegt die Gastronomin zu allen Organen der Genossenschaft einen engen Kontakt. Natürlich ist sie auf dem neuesten Stand: Die
nächste Modernisierung der Fassaden im Althoffblock steht an – schick und
elegant wird es, da ist sie sich sicher.
Doch nicht nur Gäste aus der unmittelbaren Umgebung kehren in das gemütliche Lokal ein. „Wir haben Gäste aus ganz Dortmund“ sagt sie. Sogar aus
Essen oder Köln reisen die Leute an, um zum Beispiel an ihrem Ärzte- oder
Sport-Stammtisch teilzunehmen. „Eine Gaststätte ist das Herzstück und der
Treffpunkt für eine gute Nachbarschaft“, ist Liane Neff überzeugt. Deshalb
ist es ihr auch so wichtig, dass sich ihre Gäste, so verschieden sie auch sein
mögen, wohlfühlen.
Wohl gefühlt hat sich damals, vor etwa 20 Jahren, anscheinend auch der Dortmunder Boxclub 20/50. Wie genau die Boxer eigentlich auf ihre Gaststätte
gekommen sind, das weiß sie nicht mehr. „Ich glaube, die haben damals einen
schönen Saal gesucht“. Es muss den Boxern wohl so gut bei Liane Neff gefallen
haben, dass sie seitdem regelmäßig zum Stammtisch einkehren. Und nicht nur
das: Alle paar Monate versammeln sich hier viele bekannte Gesichter im Rahmen des Promi-Stammtisches.
Die Gaststätte 1929 im „Neuer Graben“
„Der Henry Maske war hier“, sagt sie und zeigt stolz auf
einen der zahlreichen Bilderrahmen, die überall in der
Gaststätte die Wände schmücken. „Oder Dietmar Bär.“
Viele Jahrzehnte hat die Gaststätte erlebt – und gefeiert
wird auch heute noch im „Volmarsteiner Platz“. Abends
ist die eine Feier – und am nächsten Morgen geht es direkt weiter. Betriebsfeiern, Familienfeiern, die eine oder
andere Beerdigung, viele Stammtische und Geburtstage
wechseln sich ab. In den frühen siebziger Jahren, als die
Schwiegereltern noch die Gaststätte bewirteten, war vor
allem sonntags immer viel los. Die Leute aus dem Viertel
aßen regelmäßig nach dem Kirchgang bei der Familie
Neff zu Mittag. Heutzutage ist der Sonntag dagegen ein
Ruhetag. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. So bietet
Liane Neff ihren Gästen einmal im Monat sonntags ein
großes Schlemmerbüffet an – für 9,90 Euro gibt es bei ihr
Frühstück, Vorspeisen, eine Suppe sowie eine Fischplatte,
verschiedene Fleischsorten, Beilagen und auch Desserts.
„Wenn wir Feste, Versammlungen oder ähnliches ausrichten, dann öffnen wir selbstverständlich auch sonntags unsere Türen“, erzählt die Gastronomin, die langsam in ihren
Beruf hineingewachsen ist.
1980 hat ihr Mann Peter Neff das Lokal von seinen Eltern übernommen, die das Geschäft mit den Fahrschulen
aufgebaut hatten. In dieser Zeit gab es sehr viel zu tun,
denn tagsüber waren vor allem Fahrschüler und Fahrlehrer anzutreffen. Stand eine Prüfung an, tummelten sich
alle Fahrschüler mit ihren Lehrern und den Prüfern in
den Räumlichkeiten – „von 8 Uhr in der Früh bis spät in
den Nachmittag“. Während dann die einen oder anderen
Fahrschüler nervös auf ihrem Stuhl herumrutschten und
auf ihre Prüfung warteten, frühstückten die Fahrlehrer
ausgiebig in der geselligen Runde. Teilweise war so viel
zu tun, dass Liane Neff, zu diesem Zeitpunkt noch Hausfrau, stundenweise aushalf. Einmal, so erzählt sie, habe
ein Fahrlehrer ihren Schwiegervater gefragt: „Heinz, was
kannst Du mir heute empfehlen?“. Dieser habe trocken erwidert: „Ein anderes Lokal!“ So schlagfertig sei sie anfangs
übrigens nicht gewesen.
Ob in den 80er-Jahren oder auch heutzutage: Viele Gäste kommen gerne in
den „Volmarsteiner Platz“ – so auch der Boxer Henry Maske (links im Bild,
neben Liane Neff) oder auch der Schauspieler Diemtar Bär (nicht im Bild).
Fotos: Dieter Schütze
Bis dahin hat sie meist im Hintergrund agiert. „Nachdem wir in den 80erJahren die Gaststätte von den Schwiegereltern übernommen haben, stand
mein Mann immer im Mittelpunkt. Er war der Dreh- und Angelpunkt.“
Als ihr Mann 1990 starb, musste sie sehr schnell sehr viel lernen – nicht nur,
wie sich eine schlagfertige Antwort anhören kann. Jahrzehnte später warten
übrigens immer noch Fahrschüler tagtäglich bei Liane Neff darauf, sich ins
Abenteuer Auto zu stürzen.
„Eigentlich könnte ich ein Buch schreiben, so viel habe ich hier erlebt“,
sagt sie und dreht den Kugelschreiber, den sie in den Händen hält, einmal um
die eigene Achse.
Ein Buch schreibt sie zwar nicht, aber jeden Tag fein leserlich eine Sonderkarte, immer das, was ihr gerade in den Sinn kommt. Außer der Reihe kochen
ist ihr ganz wichtig, denn wenn ein Gast Appetit auf etwas Süßes verspürt,
serviert sie Milchreis oder eine Dampfnudel – selbst, wenn es nicht auf der
Karte steht. Mit eigenen Töpfen stehen ihre Gäste sogar am Tresen und warten
darauf, dass Liane Neff die mitgebrachten Gefäße mit Tafelspitz, Rehgulasch,
Gänsekeule oder Rinderrouladen füllt. Sehr praktisch für den, der Zuhause
selber Besuch erwartet oder einfach keine Lust hat, am Wochenende zu
kochen. „Wer das bei mir vorbestellt, bekommt das auch. Das lässt sich doch
alles regeln! Und jeder wird satt“, sagt die Gastronomin und geht zu den neuen
Gästen, Block und Kugelschreiber fest in der Hand. Denn es gibt auch heute
noch viel zu tun.
120 JAHRE 20.21
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Zu dieser Zeit hatten ein
Lage, allen Menschen zu helfen.
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sie eine Wohnungsbaugegenseitig! Gemeinsam gründeten
Spar- und Bauverein. Ganz
Genossenschaft mit dem Namen
die Stärkeren den Schwäwichtig war den Erfindern, dass
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Ein Mann fragt seinen Nachbarn:
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„Ja, ich habe dafür selber keine Zeit
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entscheiden. Der Spar- und Bau
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Hier wohnt
Hier gibt es
etwas zu gewinnen !
Nachbarn können manchmal ganz schön
nerven. Manchmal sind sie aber
auch richtig nett und helfen gerne.
Welchen Nachbarn magst Du besonders gerne?
Oder warum ist es toll, Nachbarn zu haben?
Male ein Bild über Deine Nachbarschaft.
Für die schönste Zeichnung gibt es einen Preis!
Schicke Dein Bild bis zum 15.07.2013 an:
Spar- und Bauverein eG Dortmund
Gewinnspiel Nachbar
Kampstr. 51, 44137 Dortmund.
Dein personliches Turschild
Traumschloss oder Ritterburg? Male Dein Türschild so aus, wie Du es magst.
Schneide es an den Außenkanten aus. Damit es länger hält, kannst Du es auf eine feste Pappe kleben.
Vergiss nicht, Deinen Namen aufzuschreiben – und schon bist Du Besitzer eines Schlosses oder einer Burg!
120 JAHRE 22.23
Schöne glatte Geldscheine
Nach dem vierten Schnaps
„Ich habe beim Spar- und Bauverein von 1964 bis 2003 gearbeitet.
Beliebter Ort für mich und viele Kollegen war ,Das goldene U’, die
Genossenschaftswirtschaft dicht an der Geschäftsstelle in der Viktoriastraße. Da haben wir mit einem Bier gerne unsere Probleme
bearbeitet. Manchmal fand dort auch die Vorstandssitzung statt
und der Chef gab ‚einen aus‘. Einmal wurde einer von uns nach dem
vierten Schnaps sehr redselig. Er warf dem Chef vor, er hätte keine
Menschenkenntnis und führte das weiter aus. Am Montagmorgen
gab es ein großes Donnerwetter.“
Otmar Wüstermann, Erzählcafé 2012
40.000 DM unter der Matratze
„Einmal kam eine ältere Dame zu uns. Sie war in Trauer, denn ihr Mann war
verstorben. Er war offenbar recht geizig und hatte ihr immer nur wenig Geld
gegeben. Nun kam sie mit einer Tüte voller Scheine zu mir und wollte nachsehen
lassen, wie viel Geld darin sei. Es waren 40.000 DM. Die Frau war weinend
und trauernd erschienen, um die notwendige Anteilsumschreibung zu machen.
Nachdem sie begriffen hatte, wie viel Geld ihr Mann gespart hatte, schimpfte sie
wie ein Rohrspatz. Denn der Mann hatte das Geld immer unter der Matratze
versteckt, sie hatte es nur durch Zufall beim Bettenmachen gefunden.“
„Ich habe rund 40 Jahre beim Spar- und
Bauverein gearbeitet. Als der Kassierer, Herr
Schwarte, in Rente ging, kam ich an die Kasse
der Sparabteilung. Herr Schwarte war ein
Unikum: Er prüfte immer die Fünfmarkstücke auf ihre Echtheit. Allerdings habe ich nie
ein falsches Fünfmarkstück gesehen. Er wollte
immer gern ganz neues Geld haben und
fragte, ob ich ihm nicht welches von der Landesbank besorgen könnte. Die Italiener stopften das immer einfach so in die Tasche, dann
würde es so knubbelig, meinte er. Wenn er
nicht viel zu tun hatte, konnte er den ganzen
Tag Geld glatt streichen. Manchmal, wenn
die Lehrlinge Geld von der Bank holen mussten, baten sie um extra verknitterte Scheine.
Heinrich Möller, Erzählcafé 2012
Barbara Siebert, Erzählcafé 2012
Den Pfennig finden
„Wir mussten sämtliche Geschäfts- und Sparkonten aufaddieren. Einmal hatten wir einen Pfennig
Differenz. Heute kann man das ausbuchen und
die Sache ist erledigt. Das gab es bei uns noch
nicht. Wir wussten, aus einem Pfennig können
1000 Mark entstehen. Also haben wir tagelang
gesucht. Auch Silvester bis in den Abend hinein.
Um sechs oder halb sieben hatten wir den Pfennig
gefunden. Zur Belohnung sind wir in die Gaststätte „Das Goldene U“ gegangen. Dort haben
wir dem Gerstensaft zugesprochen, bis die Wirtin
schließen musste.“
Peter Rademacher, Erzählcafé 2012
Wie eine Familie
„Die Mitglieder kamen mit all ihren
Sorgen zu uns. Wir hatten ein geradezu familiäres Verhältnis und kannten
die Lebensumstände vieler Bewohner
und Sparer. Selbstverpflichtend haben
alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
so geduldig wie möglich den Ausführungen unserer Bewohner und Sparer
zugehört, die dann oft erleichtert den
Heimweg antraten.“
Peter Rademacher, Erzählcafé 2012
Erst sparen,
dann bauen
120 Jahre Spareinrichtung
„Das Geschäftsjahr 1947 verzeichnet einen Anstieg der Genossenschaftsmitglieder auf
9.925, die über 10.000 Geschäftsanteile zeichnen. (…) Die erste DM-Bilanz des Sparund Bauvereins eröffnete mit knapp 12 Millionen DM am 21. Juni 1948.“
Quelle: 100 Jahre Spar- und Bauverein, Chronik 1993
Die Spar- und Bauverein eG
Dortmund betreibt von Gründung
an eine Spareinrichtung. Nach
dem Vorbild des 1885 in Hannover
gegründeten Spar- und Bauvereins
richtete man eine solche auch in
Dortmund ein. „Erst sparen, dann
bauen“ lautete die Werbung um
1900. Rund 50 der insgesamt etwa
2000 Wohnungsgenossenschaften
bundesweit betreiben heute eine
solche Einrichtung.
Die Spareinrichtungen von
Wohnungsgenossenschaften spielen
eine besondere Rolle: Die sparenden
Mitglieder fungieren mit ihren
Spargeldern als Kreditgeber für
die Genossenschaft. Diese kann
dann ein Stück weit unabhängiger
von Banken agieren. Eine
Spareinrichtung betreibt jedoch
keine Bankgeschäfte, vergibt keine
Kredite und führt keine Girokonten.
Bei einer Spareinrichtung
können nur Mitglieder und ihre
Angehörigen sparen. Sie genießen
bei ihren Mitgliedern großes
Vertrauen und auch die Stiftung
Warentest vergab 2010 gute
Noten für Spareinrichtungen von
Genossenschaften.
120 JAHRE 24.25
Die groSSe
Verwandtschaft
des Martin Sprungala
Dr. Martin Sprungala ist Osteuropa-Historiker und leidenschaftlicher Familienforscher.
Über 500 Porträtfotos hat er gesammelt, unzählige Namensvetter kontaktiert.
Am 1.4.1903 zogen seine Urgroßeltern in die Heinrichstraße – 87,50 Mark kostete die
Wohnung im Vierteljahr. Dort lebt und forscht Sprungala heute.
Eine Familie und eine Wohnung – 110 Jahre Heinrichstraße
„Ich bin dort in der Küche geboren. Meine Mutter schräg gegenüber.“
Martin Sprungala lächelt verschmitzt, denn er weiß, dass diese Auskunft
irritiert. „Im heutigen Badezimmer hat mein Uropa seine Schneiderstube
gehabt.“ Und im jetzigen Wohnzimmer stand der Büroschreibtisch des Großvaters Anton Beele. Der führte nach dem Krieg ein Baugeschäft, da sein alter
Arbeitsplatz zerbombt war, und arbeitete für den Spar- und Bauverein am
Wiederaufbau.
So langsam klären sich die Rätsel. Dr. Martin Sprungala, Jahrgang 1962, lebt
nach dem Tod seiner Eltern allein in der Familienwohnung in der Heinrichstraße. Und weiß über jeden Winkel dieser Wohnung Bescheid. Verdeutlichen
kann der Historiker, was er so detailliert erzählt, mit rund 500 Fotos von 800
Personen. Diese haben natürlich nicht alle in der mit alten Möbeln ausgestatteten Wohnung gewohnt. Es sind viele Abbildungen von Verwandten, die man
teils schon „Vorfahren“ nennen muss.
„Unseren Stammbaum konnte ich bis etwa 1550 zurück verfolgen“, erzählt
Sprungala, dessen Name in fast vierzig verschiedenen Schreibweisen existiert.
„Ich habe nach und nach alle Namensvetter angerufen. Das Ganze hat mich
dann in die deutsch-polnische Beziehungsgeschichte geführt.“ Dazu forscht
und veröffentlicht er inzwischen regelmäßig. 1999 und 2004 wurde er für
seine Forschungen mit dem Förderpreis für Nachwuchswissenschaftler der
Dr. Kurt Lück Stiftung und dem Kulturpreis der Landsmannschaft WeichselWarthe (LWW), dessen Bundessprecher und Kulturreferent er inzwischen
ist, ausgezeichnet.
Als Joseph-Kleine Bley, Schneidermeister aus Bossendorf bei Haltern im
Jahr 1892 die Näherin Antoinette Drucks aus Neheim heiratete und elf Jahre
später die Wohnung in der Heinrichstraße bekam, ahnte er nicht, dass sein
Urenkel eines Tages einen großen Stammbaum entwickeln und beforschen
würde. Er „vererbte“ die Wohnung. Wie bei vielen langjährig wohnenden
Familien im Spar- und Bauverein wollte man Mitgliedschaft und Wohnung
übertragen.
Sein Urgroßvater väterlicherseits – Franz Xaver Sprungala und seine Frau
Maria Elisabeth Jordan – wohnten direkt in der Nachbarschaft, in der Hermannstraße, der heutigen Sudermannstraße. Franz Xaver war schon in den
1890er-Jahren Mitglied im Spar- und Bauverein. Ihm wurde eine Wohnung
im entstehenden Althoffblock angeboten. Der Urgroßvater wollte jedoch nicht
hinter der Bahn wohnen, das galt damals, so Sprungala, als „schreckliches
Viertel mit Schlägereien, denn Uropa hatte anfangs dort am ‚berüchtigten‘
Leierweg gewohnt.“ Da sei er wieder ausgetreten.
Sein Urenkel gibt dem Wohnen bei der Genossenschaft eine neue Facette, die
des Engagements. Seit 1985 ist Sprungala Mitglied, seit 2006 Mitgliedervertreter, seit 2011 Mitglied des Aufsichtsrates.
Was er von Genossenschaften halte? „Für mich zu Zeiten der ‚Heuschrecken‘
das einzig Wahre. Das Schöne ist, dass man ein Mitbestimmungsrecht hat.
Ich möchte, dass die Genossenschaft so menschlich bleibt, wie ich sie kenne.“
Auf diesem Foto sieht man die Erstmieter der Wohnung in der Heinrichstraße um 1909. Das Ehepaar Antonette und Joseph Kleine Bley mit
den Kindern Maria (li.), Willi, Josef und Katharina.
Willi und Gisela Sprungala, Aufnahme im Wohnzimmer, 1980
Familienforscher und Aufsichtsratsmitglied Dr. Martin Sprungala:
"Der Name Sprungala bedeutet Anspannen, Deichseln, Kuppeln. Das
war jemand, der zwei Pferde angespannt hat. Er leistete Frondienst für
einen klösterlichen Gutsherren. Es war ein ziemlich reicher Bauer, weil er
sich zwei Pferde leisten konnte.“
Alexandra Maria Rabe, Erzählcafé 2012
Margret Winterkamp, Erzählcafé 2012
Dr. Martin Sprungala hat 782 Familienangehörige identifiziert
und dazu über 500 Porträtfotos zusammengetragen.
Die Nachkommenschaft der Familie sei damit noch nicht
komplett dokumentiert, meint der Familienforscher.
Januar 1947, Roseggerstraße, Kreuzung Althoffstraße
Personen von links: Ulla und Hildegard Schütze, Magdalena Niehaus, Karin und Agnes Franz, Dieter Schütze, Josef Niehaus
Dieter Schütze, Erzählcafé 2012
„Ich bin sehr früh durch meine Eltern Mitglied des SBV geworden. Ich wohne seit 50
Jahren in ein und derselben Wohnung in der
Kuithanstraße und bin seit vielen Jahren
Vertreterin. Ich bin Mitglied der Genossenschaft, weil es hier bezahlbare Mieten gibt.
Mein Vater war im Vorstand und mein Sohn
Martin ist im Aufsichtsrat des SBV. Auch
mein Enkel ist Mitglied. Das ist ein Erbe, das
man antritt. Ein Onkel von mir, Joseph Hille,
war sogar Mitbegründer des SBV.“
In der Wohnung der GroSSeltern
„Ich bin hier groß geworden, meine Eltern und
Großeltern wohnten auch im Althoffblock. Ich
wohne in der Wohnung meiner Großeltern, die
1933 in den Neubau einzogen. Die Wohnung
konnte ich nur durch Wohnungstausch übernehmen, anders war es derzeit nicht möglich. Ich
wurde 1981 als Ersatzvertreter vorgeschlagen
und seit 1983 bin ich Mitgliedervertreter.
Ich habe viel fotografiert und mit einem Mitbewohner alte Fotos bearbeitet und neue gegenübergestellt. Ich fand es immer schon interessant, wie
die Gebäude früher aussahen.“
Vater und Sohn, Onkel und
Enkel – man tritt ein Erbe an
Hochzeit am 30.8.1953 von Gisela Beele und Willi
Sprungala, Aufnahme vor dem Haus Heinrichstraße, mit Blick
gen Langestraße.
„Ich bin familiär ‚vorbelastet‘ und in den SBV
hineingeboren. Ich bin Mitglied geworden, als mir
zum Studienbeginn eine kleine Studentenbude angeboten wurde. Später wurde es eine große Wohnung für die Familie, darin wohnen wir jetzt. Die
Vorteile der Genossenschaft sind klar. Die Mieten
sind günstig und es wird sich immer gekümmert,
wenn Reparaturen fällig sind oder wir Fragen
haben. Unsere Kinder sind auch durch Oma und
Opa gleich Mitglieder des SBV geworden und
haben eigene Anteile.“
“Urgroßeltern, Großeltern, Eltern, Onkel, Tanten, Mitarbeiter,
alle haben hier mal gewohnt.“
Familiär vorbelastet
120 JAHRE 26.27
120 JAHRE 28.29
Die genossenschaft
ist für die zukunft
gut aufgestellt
Der Gesamtvorstand im Interview über Branchen- und Standortentwicklung, das
Genossenschaftswesen im Allgemeinen und über die strategische Ausrichtung der
Spar- und Bauverein eG im Speziellen
W
o sehen Sie heute und zukünftig den
Spar- und Bauverein im Vergleich zu anderen
Wohnungsanbietern?
Michael Ruwe:
Aktuell und zukünftig sehe ich den Spar- und Bauverein deutlich positioniert im regionalen Markt in
Dortmund als ein Unternehmen, das für Qualität und
genossenschaftliches Wohnen steht. Wir haben nicht
nur das reine Objekt „Wohnen“ im Angebot, sondern
bieten klassischerweise das an, was Genossenschaft
ausmacht: Die Mitverantwortung und das Miteigentum
an Besitz. Ich sehe uns – durch die Zeiten hinweg – als
einen der führenden „Treiber“ in der Entwicklung der
einzelnen Quartiere, in der Wohnumfeldverbesserung und in dem Finden von neuen, bedarfsgerechten
Wohnformen.
W
ie wird sich aus Ihrer Sicht der Standort Dortmund in den nächsten Jahren entwickeln und
welche Auswirkungen hat das auf die Geschäftstätigkeit der Genossenschaft?
Martin Trockels:
Wenn man den Standort Dortmund mit anderen Städten innerhalb von NRW vergleicht – sei es nun Essen,
Düsseldorf oder auch überregional betrachtet Hamburg, fällt auf, dass dort ein ganz anderes Mietniveau
herrscht. Wir haben bei uns die glückliche Situation,
dass wir unseren Anteilseignern dauerhaft Wohnraum
zur Verfügung stellen konnten und können, zu einem
wirklich angemessenen Preis; auch in Hinblick auf das
Einkommen, das in der Region erwirtschaftet wird.
Das ist sicherlich ein ganz entscheidender Vorteil. Wir
werden gefordert sein, diesen Standard in der Zukunft
aufrecht zu erhalten.
W
Der Gesamtvorstand der Spar- und Bauverein eG Dortmund: Franz-Bernd Große-Wilde (Mitte) leitet das Unternehmen als
Vorstandsvorsitzender hauptamtlich. Michael Ruwe (links, stellvertretender Vorsitzender) und Martin Trockels (rechts) sind als
nebenamtliche Vorstandsmitglieder in der Geschäftsführung der Genossenschaft tätig.
W
o steht die Wohnungswirtschaft heute und
welche Herausforderungen sehen Sie für die
Wohnungswirtschaft insgesamt?
Franz-Bernd Große-Wilde:
Allgemein auf die Branche bezogen gab es Anfang
der 90er-Jahre mit der Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit einen großen Bruch. Seither haben
sich die Wohnungsanbieter deutlich differenziert. Wir
konnten uns als Genossenschaft entsprechend stärker
positionieren und unser Profil schärfen. Heute können
wir sagen, die Wohnungswirtschaft agiert vielfältiger,
vielschichtiger. Darüber hinaus bestehen die Herausforderungen darin, auf der einen Seite Wirtschaftlichkeit zu erzielen, obwohl die Auflagen an uns in einem
immer stärkeren Maß steigen. Das heißt, wir müssen
unsere Objekte wirtschaftlich halten, weil wir etwa durch die Energiesparverordnung, die bislang gültige Verpflichtung zur Sanierung der Abwasserleitungen oder die Trinkwasserverordnung an höhere Auflagen gebunden
sind, die wir nicht in höhere Erträge umsetzen können. Neben der wirtschaftlichen Komponente geht es auf der anderen Seite immer auch darum,
die soziale Komponente der Genossenschaftsarbeit im Blick zu halten. Die
Förderung stabiler Nachbarschaften und soziale Hilfeleistungen sowie zum
Beispiel den barrierereduzierenden Umbau in Wohnungen langjähriger
Nutzer halte ich für sehr wichtig in diesem Zusammenhang. Durch Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur und damit auch einhergehend in der
Bewohnerstruktur ist die Zielausrichtung viel individueller geworden. Der
Standardgrundriss der 50-, 60er-Jahre reicht heute nicht mehr aus, die Zielgruppen wünschen sich individuellere Lösungen. Darauf stellen wir uns als
ein bewusst klassisches Bestandshalterunternehmen sowohl mit den Wohnformen als auch mit unserer Ansprache ein.
as wird aus Ihrer Sicht mit den Wohnsiedlungen großer internationaler Privatinvestoren
passieren, die immer mehr herunterkommen und
bereits teilweise leergezogen sind?
Martin Trockels:
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man sich auf
sein eigenes Unternehmen und die Mitglieder fokussieren sollte, denen wir in erster Linie verpflichtet sind.
Ich gebe Ihnen aber Recht, dass einige Siedlungen,
wenn man sich zum Beispiel Dortmund-Mengede ansieht, zu einem Stadtteilproblem werden können. Da
muss man sich mit der Kommune gemeinsam an einen
Tisch setzen, um eine Lösung zu finden. Die an der
Rendite orientiere Betrachtung dieser Investoren wird
das jedoch nicht einfach machen.
Michael Ruwe:
Nach Fallen der Wohnungsgemeinnützigkeit ist es die
Verantwortung von Politik gewesen, dafür zu sorgen,
dass die Quartiere nicht verelenden, wenn Bestände
privatisiert und von großen Investoren aufgekauft werden, diese sich dann aber in der Folge nicht mehr an
bestimmte Standards gebunden fühlen. Einige PrivateEquity-Gesellschaften versuchen mit ganzen Siedlun-
gen Renditen zu erzielen, die man bei seriöser wohnungswirtschaftlicher
Handlungsweise normalerweise nicht erwirtschaften kann. Infolgedessen
wird zum Beispiel das Mietniveau bis zur Schmerzgrenze ausgereizt, dringende Instandsetzungsarbeiten werden oft nicht mehr durchgeführt und
das, was hinterher als Trümmerhaufen daliegt, ist im Grunde genommen
nicht mehr vermietbar. Weil die Bausubstanz nachhaltig geschädigt ist,
muss auf Kosten der Allgemeinheit schließlich abgerissen werden. Diese
Kosten zu tragen, wird die Allgemeinheit so nicht mehr lange akzeptieren.
Mittlerweile hat auch die Politik erkannt, dass es auf diesem Niveau nicht
weitergehen kann. Aktuell und vor allem ganz deutlich wird in der Politik
darüber geredet, dass, wenn Städte, Gemeinden und Länder einspringen
und bestimmte Sanierungsmaßnahmen vornehmen, sich die Investoren
entsprechend an den Kosten beteiligen sollen – was sie bisher noch nicht
mussten. Insofern liegt NRW-Bauminister Michael Groschek mit seinem
aktuellen Vorstoß, diese Eigentümer zur Sanierung der Gebäude zu
zwingen – andernfalls müssen sie die Kosten für den Zwangsabriss der
„Schrott-Immobilien“ tragen – genau richtig.
W
elche grundlegenden Strategien wird die Genossenschaft in
den nächsten Jahren verfolgen?
Franz-Bernd Große-Wilde:
Wir sind ganz klar Bestandshalterunternehmen, ein Bestandshalter im
Vergleich zu einem Immobilienhandelsunternehmen, d.h. wir werden auch
in den kommenden Jahren immer das hohe Investment in den Wohnungsbestand einbringen und zeitgleich mit einer nachhaltigen Rendite zufrieden
sein. Als Genossenschaft ist unser oberster Grundsatz die Mitgliederförderung, insofern müssen wir uns für die grundlegende Strategie folgende
Frage stellen: Welche Methoden finden wir, um unsere Mitglieder zu
fördern – entsprechend ihren Bedürfnissen? Wir müssen sie auf den Weg
in die Zukunft mitnehmen – und jetzt planen, damit wir auch für nachfolgende Generationen etwas zur Verfügung stellen können. Hinzu kommt,
dass die kommunalen Kassen vergleichsweise leer sind. Infolgedessen sind
gerade standortbezogene Unternehmen wie wir gefragt, teils kommunale
Aufgaben zu übernehmen. Dabei geht es immer auch um die Betrachtung
im Quartierszusammenhang. Wir sehen das Gebäude nicht isoliert für sich,
sondern immer im Zusammenhang mit dem Quartier, in dem es steht.
Insofern geht es ebenfalls darum, die Quartiere aufzuwerten und nachhaltig die Wohn- und Lebensqualität zu erhöhen. Die Standortverbundenheit
führt darüber hinaus dazu, dass wir einerseits ein sehr großer Wirtschaftspartner sind für Auftragnehmer, sprich das lokale Handwerk, andererseits
sind wir ein großer Arbeitgeber, der Beschäftigung am Standort sichert.
Schlussendlich muss es darum gehen, diesen Grundsätzen der Genossenschaft entsprechend das Unternehmen für nachfolgende Generationen im
Wert noch weiter zu steigern.
120 JAHRE 30.31
Michael Ruwe:
Die Menschen vertrauen denen, die sie kennen. Für viele gilt der Grundsatz
stärker denn je: „Lege Dein Geld nur so an, dass Du die Anlageform selber
verstehen kannst“. Wenn ein Unternehmen seit 120 Jahren besteht, dann
geht das nicht, indem man kurzfristigen Renditeerwartungen und Trends
hinterher rennt. Die Spareinrichtung hat sich historisch gesehen für das
Unternehmen und die Sparer immer gelohnt und wir sehen auch keine
Notwendigkeit, hieran etwas zu ändern.
N
Genossenschaft. Aktuell überarbeiten wir unsere Internetplattform, damit wir verstärkt auf die Informationsbedürfnisse der jungen Menschen eingehen können.
Und wer einen genaueren Blick ins Unternehmen wirft,
wird auch feststellen, dass das Durchschnittsalter unserer Belegschaft deutlich unter 40 Jahren liegt.
achhaltigkeit ist nicht nur ein Trend der heutigen Zeit, sondern
auch einer, der in den nächsten Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Wie nachhaltig ist der Spar- und Bauverein –
und wie nachhaltig kann die Genossenschaft noch agieren?
Michael Ruwe:
Nachhaltigkeit zeigt sich zunächst einmal dadurch, dass das Unternehmen
seit 1893 besteht und wir deswegen in diesem Jahr auch das 120-jährige
Bestehen feiern dürfen. Würde der Spar- und Bauverein ein kurzfristiges
Denk- und Geschäftsmodell verfolgen, wären wir heute nicht mehr existent.
Unsere Unternehmensform ist an sich schon ein Synonym für Nachhaltigkeit, weil wir eine Eigentümergemeinschaft sind, die darauf setzt, die
Substanz des Unternehmens zu erhalten und zu verbessern. So fließen von
jedem erwirtschafteten Euro ungefähr 70 Cent wieder zurück in unseren
Bestand. Des Weiteren sind die verschiedenen Preise, die unsere Genossenschaft in den vergangenen zwei Jahren für realisierte Bauprojekte erhalten
hat, ein Indikator dafür, was nachhaltig ist. Wir gestalten den Wohnraum
nicht nur angemessen, sondern so, dass sich die Menschen dort wohl fühlen. Nachhaltigkeit schließt Umweltaspekte, Entsorgungsaspekte und auch
Energieeffizienz mit ein. Diese werden zwar vom Gesetzgeber teilweise gefordert, aber durch unsere Maßnahmen in ganz anderer Form gelebt. Letztendlich engagieren wir uns nicht nur im Dortmunder Wohnungsmarkt,
Herr Große-Wilde ist auch in vielen bundesweiten und auch landesbezogenen Fachgremien aktiv, die eine Relevanz für die Wohnungswirtschaft
haben. Ferner bedeutet Nachhaltigkeit, dass Herr Große-Wilde auch als
Dozent an der brancheneigenen Fachhochschule in Bochum seiner Verantwortung für den Nachwuchs der Wohnungswirtschaft gerecht wird.
Z
weites großes Stichwort ist der demografische Wandel:
Wir werden weniger und älter. Die Genossenschaft reagiert seit
Langem schon mit vielen zielgruppenspezifischen Angeboten darauf
– vor allem für das Alter. Nichtsdestotrotz gibt es eine Jugend. Wer
für junge Leute nicht attraktiv ist, wird zukünftig auch die ältere Zielgruppe verlieren. Welche Strategie verfolgt die Genossenschaft hier?
Michael Ruwe:
Viele junge Menschen sind Teil unserer Genossenschaft. Vor allem für
Studenten bieten wir sehr kostengünstigen Wohnraum an. Wenn es um
Familien geht, haben wir z. B. Einfamilienhäuser im Angebot, wenn auch
in begrenzter Anzahl. Auch Familien mit drei oder vier Kindern können
wir so einen angemessenen Wohnraum bieten. Das Paradebeispiel für unser
Unternehmen ist jedoch der Althoffblock. Der Anteil der jungen Bewohner
ist hier sehr hoch und unsere jungen Mitglieder wohnen relativ lange in der
I
m Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise hat
das Vertrauen vieler Kunden ins Bankensystem
gelitten. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang den Stellenwert der genossenschaftseigenen
Spareinrichtung für die Wohnungsgenossenschaft?
Lohnt sich aus Ihrer Sicht auch in Zukunft der
Betrieb einer eigenen Spareinrichtung in Zeiten
anhaltend niedriger Zinssätze?
Martin Trockels:
Die Spareinrichtung hat vom Ursprung her die Aufgabe, das Unternehmen ein Stück weit unabhängiger zu
machen von den Banken im Bereich der Finanzierung.
Wenn unsere Mitglieder in ihre Wohnung, in ihr
Unternehmen, in ihre Genossenschaft investieren,
dann wissen sie erst einmal, worin sie investieren und
wir können dieses Geld von den Sparern – für die Sparer günstiger und für uns auch günstiger – verwenden,
um es eben für unsere satzungsgemäßen Zwecke zu
nutzen. Eine Finanzkrise kennen wir nicht und haben
wir nicht.
Franz-Bernd Große-Wilde:
Einerseits ist die Spareinrichtung für uns ein Finanzierungsinstrument,
denn dadurch sind wir von Banken unabhängiger. Andererseits ist diese
Einrichtung für uns ein Mitgliederbindungsinstrument. Viele Kunden
kommen persönlich vorbei, um sich ihre Zinsen gutschreiben zu lassen.
Das zeigt ihre starke Bindung zum Unternehmen. Vielen Kunden liegt der
persönliche Kontakt am Herzen, sie möchten mit uns sprechen, sie möchten
persönlich beraten werden. Insofern dient die Spareinrichtung auch immer
dazu, nachhaltig die Mitglieder an die Genossenschaft zu binden.
W
elche besonderen Projekte planen Sie für die Zukunft? Welche
Projekte liegen Ihnen dabei besonders am Herzen?
Franz-Bernd Große-Wilde:
Der Reiz liegt natürlich in der Vielfalt. Es gibt viele verschiedene Projekte,
die parallel laufen. Bei Projekten denkt man natürlich zuerst ganz konkret
an Bauprojekte. Sicherlich werden wir auf dem hohen Niveau weiterhin investieren. Deshalb wird es ganz tolle Bestandsmodernisierungen geben. Ein
Beispiel ist der Althoffblock oder die Modernisierungen in der alten Gartensiedlung in Dortmund-Wambel. Es gibt auch tolle Neubauprojekte wie
ebenfalls im Althoffblock, wo zurzeit 125 Wohnungen vorrangig für ältere
Menschen entstehen. Im Mittelfristzeitraum planen wir ein Projekt in Dortmund-Schüren – dort soll eine Energie-Plus-Siedlung entstehen, die größte
bisher in Dortmund. Dies ist also wieder ein neues Modell, das wir in die
Tat umsetzen. Projekte betreffen auch so etwas wie unser Magazin anlässlich des 120-jährigen Bestehens. Wir möchten nachhaltig eine Kommunikationspolitik mit unseren Mitgliedern aufbauen. So sind die ersten Erzählcafés, in denen wir aus 120 Jahren Geschichten von Zeitzeugen gesammelt
und aufbereitet haben, keine punktuellen, einmaligen Aktionen. Sie werden
weitergehen. Genauso spannend ist, dass wir im Rahmen von Kooperationsprojekten in Schulen gehen werden und dort die jungen Menschen schon
früh mit Genossenschaften in Verbindung bringen möchten. Auch darauf
freue ich mich. Ich denke, dass das ein spannender Ansatz für den gesamten Vorstand sein wird sowie für unsere Mitarbeiter. Viele unserer jungen
Mitarbeiter übrigens qualifizieren sich in unserem Unternehmen weiter und
schreiben Projektarbeiten für uns, sei es über professionelle Arbeitsmethoden oder das Portfolio-Management. Auch diese vermeintlich trockenen
Themen machen Spaß und bringen das Unternehmen nach vorne.
W
ie wird sich der Spar- und Bauverein in der Verwaltung weiterentwickeln? Wird es mehr Mitarbeiter geben? Wird die Verwaltung noch weiter ausgebaut werden?
Franz-Bernd Große-Wilde:
Wir haben jetzt gerade erst die Hauptverwaltung erweitert. Wir haben an
diesem Standort, weil es für uns ein 1a-Standort ist, 20 neue Arbeitsplätze
geschaffen. Wir planen im Dortmunder Norden noch eine gewisse Ausweitung der Außenstelle in der Unverhaustraße. Das dokumentiert unser
Ziel, möglichst präsent, möglichst vor Ort in den Wohngebieten zu sein.
Die Zahl der Mitarbeiter wird nicht nennenswert steigen. Wir haben, was
unsere Verwaltungskosten betrifft, ohnehin eine unterdurchschnittliche
Quote. Die Arbeitsbelastung ist schon hoch, die Professionalität aber auch.
Was sich zunehmend ändert, ist die Art der Tätigkeitsfelder. Es geht heut-
zutage weniger um hierarchische Strukturen in den
Unternehmen, sondern vielmehr um Projektarbeit und
darum, abteilungsübergreifend Geschäftsprozesse zusammenzulegen, um so an den einzelnen Themen aus
verschiedenen Blickwinkeln arbeiten zu können. Das
erhöht den Reiz jeder einzelnen Tätigkeit. Schwerpunkt
ist ferner seit ganz vielen Jahren die intensiv betriebene
Aus- und Weiterbildung im Unternehmen. Es gibt 288
Genossenschaften in NRW, die zusammen 152 Auszubildende beschäftigen. Davon haben alleine wir 10
Auszubildende. Wir werden immer einen Schwerpunkt
legen auf Nachwuchsförderung und Personalentwicklung aus den eigenen Reihen. Das hat zum Beispiel
dazu geführt, dass heute mehr als die Hälfte unserer
kaufmännischen Mitarbeiter in unserem Unternehmen
ausgebildet worden sind.
W
ie wird sich die Zusammenarbeit von Vorstand, Aufsichtsrat, Vertretern und Mitgliedern weiterentwickeln?
Michael Ruwe:
Die Zusammenarbeit mit den einzelnen Gremien wird
sich weiter professionalisieren. Dies ist alleine schon
dadurch bedingt, dass die BAFin und der Gesetzgeber
immer stärkere Auflagen an das Qualifikationsprofil
sowie an die Aufsichtsführung und Kontrolle durch die
Gremien machen. Wir möchten die Informationspolitik für unsere Gremien und Mitglieder weiterhin auf
einem sehr hohen Niveau halten. Nach wie vor werden
wir im Sinne von Satzung und Geschäftsordnung
Mitglieder und Gremien in Entscheidungsprozesse mit
einbeziehen. Dazu werden wir verstärkt moderne
Kommunikations- und Informationsmittel einsetzen.
E
inerseits wird immer mehr Professionalisierung
in der Gremienarbeit vorausgesetzt, andererseits sollen den Genossenschaftsmitgliedern
möglichst weitgehende Mitwirkungsrechte in den
Entscheidungsprozessen eingeräumt werden. Wie
schätzen Sie in diesem Zusammenhang folgendes
Spannungsverhältnis für die Zukunft ein?
Martin Trockels:
Es ist natürlich richtig und wichtig, dass der Sachkundenachweis innerhalb des Aufsichtsrates gegeben ist.
Wir brauchen Leute, die kaufmännisch geprägt sind
und ihren Überwachungsaufgaben gerecht werden.
120 JAHRE 32.33
Die komplette Gewinner-Geschichte finden Sie auf www.sparbau-dortmund.de
Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass der Aufsichtsrat den gesamten
Anforderungen einer Wohnungsbaugenossenschaft Rechnung trägt, in dem
Sinne, dass er weiß, was in der Genossenschaft passiert und sich möglichst
aus Mitgliedern rekrutiert, die die Strukturen und Prinzipien der Genossenschaft kennen. Die Rechtsform der Genossenschaft ist dabei hilfreich, weil
die Mitglieder letztlich den Aufsichtsrat wählen. Auf der anderen Seite sind
bei über 18.000 Mitgliedern ausreichend Möglichkeiten gegeben, kompetente Vertreter zu finden.
H
at sich im Laufe der Zeit das Bild, das die Menschen von Genossenschaften haben, verändert? Und was glauben Sie, wie wird sich
die Wahrnehmung von Genossenschaften in der Zukunft gestalten?
Michael Ruwe:
Zahlreiche Menschen hatten mit Genossenschaften über lange Zeit hinweg
eher Konsumgenossenschaften wie Coop oder Volksbanken im Fokus.
Genossenschaft gibt es aber in vielfältigster Form. Wir haben 2012 das Jahr
der internationalen Genossenschaften gefeiert, mit sehr populären
Menschen der Zeitgeschichte, die Werbung für Genossenschaften machten,
sei es z. B. Ulrich Wickert oder Angela Merkel. Zu diesem Zeitpunkt ist das
erste Mal vielen bewusst geworden, was Genossenschaft eigentlich bedeutet.
Jemand hat im vergangenen Jahr gesagt: „Gäbe es Genossenschaften noch
nicht, müsste man sie jetzt erfinden: Einige wenige Schwache schließen sich
zusammen zu einer starken, effizienten Gemeinschaft, um das Wohl aller
zu fördern.“ Dieser Gedanke ist ein Erfolgsmodell. Es ist krisenfest, aktuell
und zukunftsorientiert, weil es keine Spekulation gibt.
Martin Trockels:
Ich habe den genossenschaftlichen Gedanken mit der Muttermilch aufgesogen und bin infolgedessen auch privat in den verschiedensten Genossenschaften beteiligt, weil ich einfach von dem Modell überzeugt bin.
W
ie wirken wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen
auf Genossenschaften? Sind Genossenschaften in der Lage, sich
selbst zu verändern oder weiter zu entwickeln?
Franz-Bernd Große-Wilde:
Genossenschaften verändern und entwickeln sich weiter. Sie agieren nicht
in einem luftleeren Raum. Folglich sind wir von gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Veränderungen betroffen. Wenn jetzt beispielsweise die
Arbeitslosigkeit massiv ansteigen würde, könnte es als Folgeerscheinung
passieren, dass aufgrund fehlender Einkommen auch die Mietforderungen
steigen würden. Gesellschaftliche Veränderungen spüren wir frühzeitig,
stellen uns darauf ein und entwickeln uns unter Berücksichtigung der jeweils neuen Rahmenbedingungen zukunftsgerichtet weiter. Dabei nehmen
wir das Bewährte aus der Vergangenheit mit und kombinieren es mit innovativen Lösungsansätzen. Wir geben uns keinen kurzfristigen Modeerscheinungen oder Gewinnmaximierungsmaßnahmen hin, sondern haben den
nachhaltigen Erfolg und die langfristige Wohnwertsteigerung im Fokus.
Die genossenschaftlichen Prinzipien leben wir im Detail und setzen sie in
mitgliederorientierte Projekte und Maßnahmen um:
Das Spektrum reicht von der Mitgliederbetreuung
in Form von Vertreterbesichtigungsfahrten durch den
eigenen Hausbestand bis hin zur Realisierung einer
sogenannten „Genossenschaft im Kleinen“ im Mehrgenerationenwohngebäude Generationenweg 1 in
Dortmund-Brünninghausen. Es gilt der Grundsatz:
Je näher wir unseren Mitgliedern verbunden sind und
uns mit ihren Bedürfnissen und Wünschen auseinandersetzen, je zielgerichteter und zeitgemäßer können
wir uns wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen anpassen.
K
önnen Sie abschließend jeder von Ihnen kurz
zusammenfassen, warum Genossenschaft – und
insbesondere der Spar- und Bauverein – Zukunft
hat und was Sie sich für die Zukunft wünschen?
Franz-Bernd Große-Wilde:
Genossenschaft hat Zukunft, weil unser Geschäftsmodell dem Nutzerinteresse am nächsten kommt. Jeder
Mieter, jeder Bewohner wünscht sich Sicherheit, keine
Anonymität, sondern Eingebundenheit, Identifikation.
Ich wünsche mir, dass das Modell durchaus noch Verbreitung findet.
Martin Trockels:
Ich wünsche mir, dass wir weiterhin Impulse von unseren Mitgliedern bekommen und diese dann auch umsetzen können. Wenn wir junge, mittelalte und ältere
Mitglieder haben und auf ihre Bedürfnisse eingehen,
müssen wir uns keine Sorgen um die Zukunft machen.
Michael Ruwe:
Das historisch Bewährte, sehr am Mitglied orientierte,
erfolgreiche Geschäftsmodell der Genossenschaften,
das Basisdemokratie schlechthin ist und dem Gemeinschaftsnutzen am meisten dient, soll auch in den nächsten Jahren noch weiter ausgebaut werden und seine
Marktpräsenz steigern. Wir wollen auch in Zukunft das
Wohl unserer Mitglieder fördern und die Wohnsituation unserer Bewohner kontinuierlich verbessern.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte
Frau Nicole Brückner,
Pressereferentin
Spar- und Bauverein eG Dortmund.
Drei Fragezeichen für
den Spar- und Bauverein
Geheimnis- und Geschichtensuche mit Kindern,
Jugendlichen und Erwachsenen
2012 wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen.
Gleichzeitig nahte das 120-jährige Bestehen unseres Spar- und Bauvereins. Man beschloss, gemeinsam
mit Mitgliedern und Mitarbeitern die Geschichte der Genossenschaft zu erkunden.
Dazu entwickelte die Journalistin und Autorin Bärbel Wegner ein zunächst dreistufiges Konzept,
das gemeinsam mit den projektverantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Spar- und
Bauvereins in die Tat umgesetzt wurde: In einem ersten Schritt begann die Suche nach Geschichten zur
Geschichte mit einem Schreibwettbewerb, wurde mit einer digitalen Schatzsuche, einem „Geocaching“,
im Kreuzviertel fortgesetzt und mit drei Erzählcafés jeweils für Gremienmitglieder, langjährige und
ehemalige Mitarbeiter sowie Bewohner abgeschlossen.
Das Geheimnis! Erzähle die Geschichte.
Schreibwettbewerb im Frühjahr 2012
„Der Schatz vom Althoffblock.“ Alexander Haneberg war der Erste. Seine Geschichte traf Mitte
Februar ein. „Tom war 16 Jahre alt und er war sehr neugierig. Kaum verabredete er sich mit
einem seiner Freunde, passierte ein spannendes Abenteuer…“
Fast einhundert Geschichten trudelten bis zum Einsendeschluss am 31. März ein. Die Jury hatte
viel zu tun. Mitglied der Jury waren neben dem Vorstand des Spar- und Bauvereins, Franz-Bernd
Große-Wilde, unter anderem die Bürgermeisterin der Stadt Dortmund, Birgit Jörder, die Journalistin Bärbel Wegner sowie Anja Karl und Sina Grünewald, Mitarbeiterinnen der Stadtbücherei Dortmund. Die meisten Geschichten hatten Kinder im Alter von neun und zehn Jahren geschrieben,
vier Schulen, verteilt in ganz Dortmund, hatten sich insgesamt beteiligt. Nun galt es auszuwählen
aus Geschichten wie: „Schreck auf dem Friedhof “, „Das Geheimnis vom Adlerturm“, „Ein Geheimnis im mittelalterlichen Dortmund“ oder auch „Die Burg Syburg und der verliebte Ritter“.
Als Preise hatte der Spar- und Bauverein für die ersten drei einen E-Book-Reader sowie Bücher
und für sieben Preisträger einen Schreibworkshop als Preis ausgesetzt.
Der Schreibworkshop fand in Kooperation mit Jugendstil, dem Kinder- und Jugendliteraturzentrum NRW, in Dorstfeld statt. Vier Stunden lang lud der Dortmunder Autor Sascha Pranschke die
Kinder zum kreativen Schreiben ein.
Am 22. Mai waren die Preise in der Stadtbücherei Dortmund überreicht worden, verbunden mit
der Lesung von Geschichten. Über 70 Zuhörer lauschten den selbst vorgetragenen Geschichten der
jungen Autoren. Diese wiesen im Anschluss spielerisch daraufhin, dass die Geheimnissuche ja
weitergehe – mit einem Geocaching im Kreuzviertel.
Das Geheimnis! Finde die Geschichte.
Geocaching für Jugendliche im August 2012
Der Spar- und Bauverein wollte sich mit seinen Aktionen an möglichst viele
Altersgruppen, darunter auch Jugendliche, wenden. Ein Geocaching, Schatzsuche mit modernen Mitteln wie Tablet-PC und GPS, schien da die richtige
Wahl. Oliver Krooß von GEO°BOUND und Tine Bargstedt von der Projektschneiderei bereiteten den Cache vor. Das Besondere: Die Geschichten der
Kinder aus dem Schreibwettbewerb, wie das geflügelte Nashorn oder der
Adlerturm, wurden als Rätsel eingebaut.
Nach einer kurzen Einweisung in Spielregeln und Technik ging es am 19.
August zweieinhalb Stunden lang kreuz und quer durch das Kreuzviertel.
Die Anweisung lautete: „Ausgerüstet mit einem Tablet-PC und einer Tasche
voller Tools spielt Ihr ein Adventure in Eurem Kiez! Ihr sammelt Punkte, löst
Rätsel-Stationen, meidet Sperrbereiche und sucht nach versteckten Codes
und Schätzen – nicht am Rechner, sondern im Kreuzviertel.“ Ausgerechnet
dieser Augusttag wurde der heißeste Tag des Jahres! Das senkte ein wenig die
Teilnehmerzahl, aber nicht das Spielfieber der Teams. Im Nachbarschaftstreff
applaudierten nachmittags auch ältere Bewohner den jungen Helden zur Preisverleihung, gegrillt und gegessen wurde anschließend gemeinsam.
51° 30‘ 52‘‘N, 7° 27‘ 24‘‘0
120 JAHRE 34.35
„Erzählcafés“
für ältere Mitglieder und Mitarbeiter
im Herbst 2012
Erzählcafés sind eine bewusste Form des Erinnerns!
Diese sind durch die Arbeit der Geschichtswerkstätten
bekannt geworden. Der Spar- und Bauverein lud langjährige Gremienvertreter, Mitarbeiter und Bewohner
dazu ein, Geschichten und Erinnerungen auszutauschen. Es ging unter anderem darum, wie früher Wohnungen gesucht und gefunden, wie zusammengelebt
wurde und an wen und was man sich noch als aufregend erinnerte. Die drei Erzählcafés waren gut besucht
und fanden in der Gaststätte „Zum Volmarsteiner
Platz“ statt, einem Ort, der schon selbst zum Erzählen
einlud, mitten im Althoffblock gelegen und seit vielen
Jahren Treffpunkt für Mitglieder und Ort für Veranstaltungen der Genossenschaft. Die Erzählcafés wurden
von der Journalistin Bärbel Wegner geleitet. Sie zeichnete die Gespräche auf und einen Teil davon kann man,
als kleine Geschichten verpackt, in dieser Publikation
nachlesen. Geplant ist eine Fortsetzung der Erzählcafés.
Als fortlaufende Geschichtsforschung der Genossenschaft und als Basis für Projekte mit Schülern und Lehrern. Aber in erster Linie stellen die Geheimnissuche
mit den drei ??? das dar, so Vorstand Franz-Bernd
Große-Wilde, was die Genossenschaft auszeichne und
ihr am Herzen liege: die Mitglieder zu fördern und
Gemeinschaft zu stärken.
Momente im Zeitwandel – Ein Blick im Augenblick
1) Althoffstraße 1-35, 2-36 um 1924 · 2) Ehemalige Hauptverwaltung, Kleppingstraße 20/Viktoriastraße 7, um 1959/1960 · 3) Aus dem Geschäftsbericht
1934 · 4) Roseggerstraße 61, um 1960 und 2005/2006 · 5) Spielplatz Kuithanstraße, um 1957/58 · 6) Aus dem Vorstand 2006: (v.l.) Friedrich Wilhelm
Reckermann, Heinrich Küter, Herbert Kirschner, Franz-Bernd Große-Wilde, Heinrich Wellen · 7) Mitarbeiter, aufgenommen im Rahmen der Feier zum
110-jährigen Geburtstag der Genossenschaft, VIP-Lounge, Signal Iduna Park, 2003 · 8) Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter beim Sommerfest der
Genossenschaft in 2010 · 9) Mitarbeiter-Fußballmannschaft für einen Tag, Anfang der 70er · 10) Chemnitzer Straße 65, Modernisierung in 2012 ·
11) Albrechtstraße 7, Silvester bei Ehepaar Bayer, um 1954/1955 ·
12) Heinrichstraße 54, Monika Bayer, 1951 · 13) Heinrichstraße 28-36, um 1904 ·
14) Innenansichten ins Waschhaus Kuithanstraße, um 1956 · 15) Concordia Haus,
Wambeler Straße 4/Oesterholzstraße 51 · 16) Bewohnerin aus dem Althoffblock,
Ende der 20er-Jahre · 17) Spielplatz Studtstraße, 20. August 1934
120 JAHRE 38.39
ZU GUTER LETZT
Unsere Genossenschaft hat gemeinsam Geschichte geschrieben. Auch Sie, liebe Mitglieder, haben Geschichten
geschrieben, gefunden und erzählt – witzige, nachdenkliche und spannende. Einige der Erzählungen und Standpunkte haben wir im vorliegenden Magazin zusammengestellt. Damit möchten wir die Dokumentation jedoch
längst nicht abschließen. Wir planen, die Sammlung der
erlebten Geschichte(n) auch in Zukunft fortzusetzen und
schauen dabei schon erwartungsvoll auf das Jahr 2018.
Dann wird die Genossenschaft ihr 125-jähriges Bestehen
feiern, ein weiterer großer Anlass für eine Veröffentlichung der Mitgliedererlebnisse.
Genossenschaft lebt vom Mitmachen. Wenn Ihnen also
noch Fotomaterial oder Dokumente vorliegen, die Bezug zum Wohnen beim Spar- und Bauverein haben, oder
Ihnen beim Lesen des Magazins Erinnerungen aus dem
Genossenschaftsalltag gekommen sind, tauschen Sie diese mit uns aus. Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen
und werden von Zeit zu Zeit Erzählcafés und weitere
Foren zum Gedankenaustausch bieten.
Herzlichst! Ihr
das redaktionsteam
Franz-Bernd GroSSe-Wilde
Vorstandsvorsitzender,
Spar- und Bauverein eG
Bärbel Wegner
Journalistin und Autorin
Angelika Rademacher
Vorstandsassistentin,
Spar- und Bauverein eG
Ljubow Schneider
Öffentlichkeitsarbeit,
Spar- und Bauverein eG
Eva Strauch und
Sabrina Merdzanovic
Kommunikationsdesigner,
edelweiss Kommunikationsdesign GbR
HERAUSGEBER
Spar- und Bauverein eG Dortmund
Kampstr. 51, 44137 Dortmund
Tel. 0231-18 20 3-0, Fax: 0231-18 20 3-166
www.sparbau-dortmund.de
Projektleitung
Franz-Bernd Große-Wilde
Franz-Bernd Große-Wilde
Eine Genossenschaft funktioniert nur,
wenn alle an einem Strang ziehen und dasselbe
Ziel verfolgen. Eben einer für alle und alle für einen.
So ein Gemeinschaftswerk ist auch
dieses Magazin zum 120-jährigen Geburtstag.
Unzählige kreative Stunden, zahlreiche leere
Weingummipackungen und mehrere
Redaktionssitzungen später ist es vollbracht:
Das Magazin ist gedruckt.
Dem Redaktionsteam gehören an:
Nicole Brückner
Pressereferentin,
Spar- und Bauverein eG
DRUCK
Pomp GmbH, Bottrop
FOTONACHWEIS
S. 01: Tapete © Jan Engel - Fotolia
S. 03: Nr. 11 © Thilo Saltmann /
Architektenkammer NRW
S. 13: Elefantengruppe © Keller - Fotolia
Andreas Prigge
Stellvertretender Leiter Technik,
Spar- und Bauverein eG
Redaktion
Nicole Brückner (Eine Idee macht Geschichte; Stein auf Stein;
Keiner geht verloren; Gastliche Stätte; Seite für Kinder, Interview mit
dem Gesamtvorstand)
Bärbel Wegner (Ein Haus, ein Platz; Erst sparen, dann bauen;
Die große Verwandtschaft des Martin Sprungala; Drei Fragezeichen
für den Spar- und Bauverein; Interview mit Peter Lauber, Geschichten
aus den Erzählcafés), www.textpertin-hamburg.de
Bildredaktion
Ljubow Schneider
Korrektorat
Franz-Bernd Große-Wilde, Nicole Brückner, Andreas Prigge,
Angelika Rademacher, Ljubow Schneider, Bärbel Wegner
gestaltungskonzept und Satz
edelweiss Kommunikationsdesign GbR, www.design-edelweiss.de
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Dortmund.

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