Barmherzigkeit - Bistum Speyer
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Barmherzigkeit - Bistum Speyer
Bis B I S C H Ö F L I C H E S O R D I N A R I A T SCHULEN, HOCHSCHULEN UND BILDUNG Religionspädagogische Fortbildung RELIGIONSPÄDAGOGISCHE FORTBILDUNG Kirchenjahr 2016 – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Die sieben Werke der Barmherzigkeit, Pieter Brueghel d. J. © Sammlung Museum der Brotkultur, Ulm Barmherzigkeit Anregungen für Schule und Unterricht zum Heiligen Jahr Bischöfliches Ordinariat Speyer HA II Schulen, Hochschulen und Bildung Große Pfaffengasse 13 • 67346 Speyer 06232/102-121 [email protected] Inhaltsverzeichnis Informationen - Heiliges Jahr, Heiliges Jahr der Barmherzigkeit, Heilige Pforte .......................................1 Mind-map - Barmherzigkeit ......................................................................................................................2 Kopiervorlage - "Die sieben Werke der Barmherzigkeit", Pieter Brueghel d. J. ...........................................3 Hinführung - Die Werke der Barmherzigkeit..............................................................................................4 Grundschule .............................................................................................................................................5 U-Einheit - Ein Herz haben (für) ……………………………………………………………...………6 U-Einheit - Gott hat ein Herz für Hagar (Erzählen mit dem Wüstensack) ….……………………7 U-Einheit - Menschen zeigen ihr Herz ..................................................................................15 Sekundarstufe I Unterrichtsreihe – „Asozial oder barmherzig?“ (Kl. 5 / 6) ..............................................................17 Materialien - Werke der Barmherzigkeit ....................................................................................20 Materialien - Kinder, die die Welt verändern .............................................................................27 Materialien - Bibelarbeiten ........................................................................................................31 Unterrichtsreihe - Barmherzigkeit (Kl. 8 / 9) …………….…………………………………………… 33 Materialien - Werke der Barmherzigkeit im Bild Pieter Brueghels d. J. .....................................36 Materialien - Barmherzigkeit in der Rede des Papstes .............................................................38 Materialien – „Ein Willkommensfest“ – Geschichte ..................................................................41 Materialien - Beichtspiegel ........................................................................................................45 Sekundarstufe II Leittext - „Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht“ (Jak 2,13).......................................49 Unterrichtsbausteine – Compassion! - Wie barmherzig sind wir? .................................................52 Material – Menschenbilder, eine Biografie erfinden und erzählen .............................................55 Material – Peter Singers „Praktische Ethik“ ...............................................................................56 Materialien – „Warmherzig, barmherzig“ – Wie viel Barmherzigkeit ist erlaubt? ........................56 Materialien – Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ....................................................................58 Materialien – künstlerische Darstellungen zum Gleichnis vom barmherzigen Vater ..................61 Materialien – Compassion in unserer Zeit..................................................................................62 Globales Lernen Unterrichtsentwurf – „Was ihr dem Geringsten tut“, Bild von Sokey Edorh, Togo (Kl. 5-7) ..........63 Aktionsvorschläge – Vom Lernen zum Handeln .........................................................................67 Ganztagsschularbeit Projekt – Fremde Lebenswelten (AG-Vorschlag) .........................................................................68 Heiliges Jahr in Orts- und Weltkirche Termine .......................................................................................................................................71 Aufkleber-Aktion ..........................................................................................................................72 Gebet zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit Heiliges Jahr In der katholischen Kirche griff Papst Bonifatius VIII. im Jahr 1300 die jüdische Tradition des Jubeljahres auf und führte ein Jubiläumsjahr ein. Im Gegensatz zum alttestamentlichen Erinnern an Freiheit und Schuldenerlass, werden im christlichen Festjahr auch Vergebung und Buße, also die Befreiung der menschlichen Schuld, thematisiert. Das Heilige Jahr sollte alle hundert Jahre gefeiert werden. Um aber jeder Generation die Feier dieses Jahres zu ermöglichen, wurde 1475 festgelegt, dass das Heilige Jahr alle 25 Jahre stattfinden soll. Darüber hinaus gibt es außerordentliche Jubiläen im Zusammenhang mit besonderen Anlässen. Sie finden außerhalb des festen Rhythmus statt. Bis heute wurde insgesamt 26 Mal ein ordentliches Heiliges Jahr gefeiert. Das letzte war das große Jubiläum im Jahr 2000. Es ist vielen durch die große Vergebungsbitte von Papst Johannes Paul II. als Zeichen des Friedens und der Versöhnung in Erinnerung. Das Heilige Jahr im Kirchenjahr 2016 ist damit ein außerordentliches Heiliges Jahr. Papst Franziskus hat es ins Leben gerufen. Die offizielle Ankündigung eines Heiligen Jahres geschieht durch die Proklamation einer eigenen Urkunde, einer sogenannten Bulle. Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Papst Franziskus hat am Vorabend zum Barmherzigkeitssonntag, am 11. April 2015, im Petersdom in Rom die Bulle „Misercordiae Vultus“ („das Antlitz der Barmherzigkeit“) verlesen lassen und damit das Heilige Jahr der Barmherzigkeit angekündigt. „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“ (Lk 6,36). Mit dieser Bibelstelle, die direkt dem Gebot zur Feindesliebe folgt, erinnert der Papst an die unvergleichbare Liebe Gottes zu den Menschen, im Bild elterlicher Liebe, der Barmherzigkeit von Vater und Mutter gegenüber ihren Kindern, spiegelt sie sich wider. Er führt aus: Das Geheimnis der Barmherzigkeit „ist Quelle der Freude, der Gelassenheit und des Friedens. Es ist Bedingung unseres Heils“ (Bulle M. Vultus, 2). Papst Franziskus erklärt sein Anliegen: „Es gibt Augenblicke, in denen wir aufgerufen sind, in ganz besonderer Weise den Blick auf die Barmherzigkeit zu richten und dabei selbst zum wirkungsvollen Zeichen des Handelns des Vaters zu werden. Genau darum habe ich ein außerordentliches Jubiläum der Barmherzigkeit ausgerufen. Es soll eine Zeit der Gnade für die Kirche sein und helfen, das Zeugnis der Gläubigen stärker und wirkungsvoller zu machen.“ (Bulle M. Vultus, 3). Das Bild vom barmherzigen Vater, das im Heiligen Jahr aufgegriffen wird, wird durch die Jahreslosung der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen 2016 ergänzt: „So spricht der Herr: Wie eine Mutter ihr Kind tröstet, so tröste ich euch. … Wenn ihr das seht, wird euer Herz sich freuen“ (vgl. Jes 66,13). Heilige Pforte Die Heilige Pforte ist das Symbol der Heiligen Jahre. Zu Beginn eines solchen wird im Petersdom in Rom eine Pforte geöffnet, die am Ende des Heiligen Jahres wieder geschlossen wird. Was hat es mit diesem Brauch auf sich? Er erinnert an das Jesuswort: „Ich bin die Tür. Wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden“ (Joh 10,9). So verbindet sich mit dem Durchschreiten der Tür seit jeher die Sündenvergebung und symbolisiert den Übergang vom Tod zum Leben, aus der Schuld in die Gnade. Die Heilige Pforte wird mit drei Hammerschlägen des Papstes symbolisch geöffnet. Neben der Heiligen Pforte am Petersdom gibt es noch weitere Heilige Pforten, zum Beispiel in Santiago de Compostella in Spanien. Im außerordentlichen Heiligen Jahr 2016 werden auch Heilige Türen in den Bistümern der Welt geöffnet. Im Bistum Speyer etwa am Dom, in der Gnadenkapelle Maria Rosenberg und in den Wallfahrtskirchen in Blieskastel und in Oggersheim. 1 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit von Petra Hildebrand Hofmann . 2 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit 3 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Die sieben Werke der Barmherzigkeit, Pieter Brueghel d. J. (~ 1630) © Sammlung Museum der Brotkultur, Ulm Hinführung - Die Werke der Barmherzigkeit Das Bild ist von Pieter Brueghel dem Jüngeren, es wurde zwischen 1616 und 1638 gemalt. Es befindet sich heute im Museum für Brotkultur in Ulm. Pieter Brueghel der Jüngere (1564-1638) ist der Sohn von Pieter Brueghel dem Älteren. Dieser ist als der „Bauernbrueghel“ bekannt und hat viele Bilder gemalt, wie die „Bauernhochzeit“ oder den „Kindermord von Betlehem“. Da der Vater starb, als sein Sohn erst fünf Jahre alt war, hat dieser ihn nicht ausgebildet. Gelebt hat Pieter Brueghel der Jüngere in Antwerpen und dort auch eine Malerwerkstatt geführt. Seine Hauptbeschäftigung war dabei, Werke seines Vaters, die viel gefragt waren, zu kopieren. Eigene Bildgestaltungen sind selten und in der Manier seines Vaters. Im Bild „Die sieben Werke der Barmherzigkeit“ ist der Einfluss seines Vaters unverkennbar - die Szene in einem ländlich geprägten Dorf, die vielen Einzelheiten, die auf genaue Beobachtung schließen lassen. Thema des Gemäldes sind die sieben Werke der Barmherzigkeit. Dabei sind die sogenannten leiblichen Werke gemeint. Denn die christliche Tradition kennt je sieben leibliche und geistige Werke der Barmherzigkeit, die ursprünglich als Hilfe gegen menschliche Nöte verstanden wurden. Schon in vorchristlicher Zeit sind Werke barmherzigen Handelns bekannt. Das Alte Testament benennt Gott den Barmherzigen: „Recht verschafft er den Unterdrückten, den Hungernden gibt er Brot; der Herr befreit die Gefangenen. … (Ps 146,7). Die christliche Hauptquelle finden wir im Matthäusevangelium. Jesus erzählt vom Himmelreich und von den gerechten Werken und deren Lohn: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt, 25,40, vgl. Mt 25, 34-46). Der Kirchenvater Augustinus (354-430) hat darüber hinaus auch auf die geistigen Werke der Barmherzigkeit hingewiesen. Seither werden die leiblichen und geistigen Werke unterschieden. Würden wir die Vergegenwärtigung für unser heutiges Handeln neu interpretieren, müssten wir fragen: Welchen Nöten der Menschen in unserem Umfeld und Alltag gilt es aus christlicher Sicht zu begegnen? Charismen sind gefragt. Wir suchen Werke der Barmherzigkeit ganz im Gebot der Nächstenliebe. Das Bild Brueghels zeigt uns, wie dies vor rund 400 Jahren ausgesehen hat. die leiblichen Werke der Barmherzigkeit 1. 2. 3. 4. 5. 6. Hungrige speisen Durstige tränken Nackte bekleiden Fremde aufnehmen Kranke besuchen Gefangene befreien und 7. Tote bestatten die geistigen Werke der Barmherzigkeit 1. 2. 3. 4. 5. Unwissende lehren, Zweifelnden raten, Irrende zurechtweisen, Trauernde trösten, Unrecht ertragen, 6. Beleidigungen verzeihen, 7. für Lebende und Tote beten. meine …………………. Werke der Barmherzigkeit 1. …………………….……………. 2. …………………….……………. 3. ……….…………….…………… 4. …………………………………. 5. ………………………………….. 6. ………………………………….. 7. ………………………………….. 4 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit „Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist“ Unterrichtseinheiten für die Grundschule von Stefan Schwarzmüller Aus Anlass des „Heiligen Jahres der Barmherzigkeit“ soll mit den Schüler.innen über die Sache der Barmherzigkeit nachgedacht werden. Dazu habe ich drei Stundeneinheiten geplant. Diese sind: 1. Was bedeutet es, „ein Herz zu haben“? Im Mittelpunkt steht das Symbol des Herzens und die Erfahrung, dass man ein Herz für andere haben kann (soll). Deshalb wird im ersten Schritt das Symbol „Herz“ erschlossen. 2. Gott zeigt sein Herz: Die Rettung Hagars in der Wüste In der Geschichte von Hagar, die von Abraham in die Wüste geschickt wird und sterben will, wird deutlich, dass Gott ein Herz für alle Bedrängten hat. 3. Menschen zeigen ihr Herz: Die Werke der Barmherzigkeit In der klassischen Vorstellung der „Sieben Werke der Barmherzigkeit“ kann den Schüler.innen deutlich werden, dass es der Auftrag Gottes und Jesu ist, selbst ein Herz zu zeigen für andere. Mögliche Kompetenzen: Die Schüler.innen benennen die metaphorische Bedeutung von „Herz“; Die Schüler.innen formulieren, für wen es wichtig ist, dass andere ein Herz für sie haben; Die Schüler.innen erzählen die Geschichte von Hagar nach; Die Schüler.innen versetzen sich in Hagar; Die Schüler.innen finden ein „Bild“ für Gottes Rettungstat an Hagar; Die Schüler.innen beschreiben Gott als den, der für andere da ist; Die Schüler.innen finden Details in einem Bild (und achten auf sie); Die Schüler.innen übertragen Bilddetails in heutiges Leben. 5 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Was bedeutet es „ein Herz zu haben“? Info „Herz“ Es steckt mitten im Wort „BarmHERZigkeit“, das Herz. Im „Großen Brockhaus in einem Band“ liest man: „Herz, 1) Antriebsorgan des Blutkreislaufes; bei Menschen etwa faustgroßer Hohlmuskel im Brustkorb, zu zwei Dritteln links von der Mittelinie […] Die Herzschläge erfolgen beim Erwachsenen 60- bis 80-mal in der Minute; bei Kindern häufiger. Jede Zusammenziehung des H. oder seiner Abschnitte wird als Systole, jede Erschlaffung als Diastole bezeichnet. 2) Kartenspiel […].“ Was hier in allgemeinverständlicher wissenschaftlicher Sprache zum Ausdruck gebracht wird, ist nicht weniger als die Feststellung, dass das Herz für den Menschen lebensnotwendig ist. Hört das Zusammenziehen und Erschlaffen des Herzens auf, hört also das Herz auf zu schlagen, dann ist das Leben des Menschen beendet. Staunenswert ist sicher, was das Herz leistet: Bei jedem Schlag werden etwa 60 bis 80 Milliliter Blut befördert. „Das sind 4 bis 7 Liter Blut in der Minute. An jedem Tag werden ungefähr 17000 Liter Blut durch den Körper transportiert. Die Kraft, die dazu nötig ist, ist dieselbe, die man braucht, um ein Gewicht von 20 Kilogramm auf einen Berg von 1000 Meter Höhe zu bringen. Das Herz arbeitet ein Leben lang, ohne Pause und Feierabend, ohne Wochenende und Urlaub“ (Rainer Oberthür, Das Buch der Symbole, München 2011, 118). Es ist nicht verwunderlich, dass die Menschen im Laufe der Jahrtausende einem solch lebenswichtigen Organ noch weitere, symbolische Bedeutung zusprachen. Lange galt das Herz als Sitz des Verstandes, des Willens und der Gefühle (man hat z.B. „Herzschmerz“). Auch als wissenschaftlich klar war, dass das Gehirn der Ort all dieser Dinge ist, blieb dem Herzen eine wesentliche Bedeutung. Vom Herzen sprach man nun, wenn man etwas „Tiefes“ vom Menschen aussagen wollte, das Eigentliche des Menschen, seine Einzigartigkeit, sein Selbst meinte. Viele Sprichwörter handeln davon: da ist einer herzlos, der andere gibt aus vollem Herzen. Zwei sind wie ein Herz und eine Seele, anderen bricht das Herz, weil es nicht mehr so ist. Es ist ein besonderer Blick auf die Welt gemeint, der mit dem Herzen in Verbindung gebracht wird. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, so drückt es der „kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry unnachahmlich aus. Wo vom Tiefsten und Innersten gesprochen wird, ist Gott nicht weit. Das Herz wird zum Symbol für die Gottsuche des Menschen. Und so bekennt Augustinus: „Unruhig ist unser Herz, o Gott, bis es ruht in dir.“ Unterrichtliche Hinweise Erste Einheit: „Ein Herz haben (für)“ Im ersten Schritt geht es darum, das Wissen der Schüler.innen zu aktivieren. Dazu kann ein Brainstorming gemacht werden. Eine Gruppe von Schüler.innen sitzt um ein Blatt Papier und schreibt alles auf, was ihnen zu „Herz“ einfällt. Anschließend werden die gefundenen Begriffe geordnet (hilfreich ist womöglich das Bild eines echten Herzens und ein gemaltes Herz). 6 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Alternative: Im Mittekreis wird ein gewickeltes Tuch in Herzform gelegt oder ein in ein Tuch eingewickeltes Stoffherz ausgepackt. Die Schüler.innen assoziieren nun dazu. Das eigene Herz spüren: Hand auf das Herz legen und den eigenen Herzschlag hören; Puls fühlen; Atem anhalten und Puls fühlen. Erstes Ergebnis: Das Herz ist lebenswichtig. Zweiter Schritt: Karten werden ausgelegt: „Jemand ist herzlos“; „ein gutes Herz haben“; „ein Herz aus Stein“; „Er ist barmherzig“. Die Schüler.innen wählen eine der Karten und überlegen in Partnerarbeit, welche Bedeutung der jeweilige Satz hat. Zweites Ergebnis: Mit dem Herzen bringen wir in Verbindung, dass ein Mensch gut lebt. Im dritten Schritt wird das Mitte-Herz golden ausgelegt oder ein Herz mit Goldfolie überzogen gezeigt. Die Reaktion der Schüler.innen abwarten. Lehrer-Impuls: Wir haben von einem guten Herzen gesprochen. Die Schüler.innen wiederholen nochmals, was zum guten Herzen gesagt wurde (vielleicht haben sie ja auch noch die Nikolauslegende im Gedächtnis vom Kaufmann mit dem steinernen Herzen). Ein gutes Herz haben, bedeutet, nicht nur für sich zu leben. Die Schüler.innen gestalten zum Abschluss ein Herz mit der Aufschrift: „Ein Herz für …“ Zweite Einheit: Gott hat ein Herz für Hagar Vorbemerkung: Gottes Herz für die Benachteiligten kann an vielen Geschichten aufgezeigt werden. Hagar wähle ich deshalb, weil es eine eher unbekannte Geschichte ist und ihr Unglück „menschengemacht“ ist. Außerdem gibt Gott ihr eine Verheißung, dass ihre Nachfahren ein großes Volk werden. Dies geschieht in der Bibel sonst nur den Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob. Ihre Gotteserfahrung in der Wüste sehe ich in Parallele zur Befreiung Israels aus Ägypten. Denn beides Mal sieht Gott die Bedrängnis. Dort seines Volkes, hier der Hagar. Info: Wer ist Hagar? Hagar ist die ägyptische Sklavin Saras. Ihr Name bedeutet auf Arabisch „Stein“, auf Hebräisch „Fremde“. In der Bibel wird von ihr in Gen 16,1-15 und 21,9-21 erzählt. Abraham und Sara haben keine Kinder. Sara gibt dem Abraham daraufhin Hagar als Nebenfrau. Hagar wird schwanger und bekommt ein Kind, das nach damaliger Sitte als Erbe Abrahams und Saras galt. Allerdings fühlt sie sich danach ihrer Herrin Sara überlegen. Sara behandelt Hagar schlecht, so dass Hagar in die Wüste flieht. Dort trifft sie auf einen Boten Gottes, der ihr verheißt, dass ihr Sohn Ismael zahlreiche Nachkommen haben wird. In der zweiten Erzählung ist Ismael schon älter und Isaak auch schon auf der Welt. Sara kann das gemeinsame Aufwachsen der Kinder nicht ertragen und fordert Abraham auf, Hagar und ihr Kind zu verstoßen. Abraham macht, was Sara sagt. Mit einem Beutel Essen und einem Schlauch Wasser wird Hagar in die Wüste geschickt. Dort will sie sterben. Sie legt ihr Kind unter einen Strauch und legt sich selbst etwas entfernt davon zum Sterben nieder. Aber auch jetzt kommt ein Engel Gottes und rettet Hagar und Ismael, indem er ihnen eine lebensrettende Quelle zeigt. 7 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Es sind Texte mit einer der stärksten Gotteserfahrungen der Bibel: Gott sieht das Leid Hagars und rettet sie. Als Nachkommen Ismaels werden die arabischen Völker betrachtet. Paulus stellt Hagar und Sara idealtypisch gegeneinander. Die Nachkommen Ismaels leben in Knechtschaft, die Nachkommen Saras in Freiheit. Diese Stelle bei Paulus (Gal 4,22-31) wurde gerne als Polemik zwischen Juden und Christen herangezogen (vgl. Herders Bibellexikon, Freiburg 2008, Artikel „Hagar“). Die Erzählung: Mit dem Wüstensack Vorbemerkung: Die Erzählweise mit dem Wüstensack stammt aus der Erzähltradition des „GodlyPlay“. Dort gibt es ausgearbeitete Erzählungen. Die folgende Erzählung zu Hagar nimmt die Tradition auf, ist aber keine originale GodlyPlay-Erzählung. Kenner der GodlyPlay Tradition werden schnell merken, welche Elemente übernommen sind (Eingangssequenz, Figuren des Volkes-Gottes, Ergründungsfragen). Außerdem habe ich beide Erzählstränge zu einem einzigen zusammengefügt. Der Wüstensack wird aufgemacht, ausgebreitet. „Dies ist die Wüste. Es ist nicht die ganze Wüste, sondern nur ein kleines Stück davon. Wir brauchen etwas von der Wüste hier in unserem Raum, da den Menschen des Volkes Gottes in der Wüste so bedeutende Dinge widerfahren sind.“ Mit der Hand beim Sprechen durch den Sand fahren, „Dünen bauen“, Sand durch die Finger rieseln lassen usw. Die Wüste ist ein gefährlicher Ort. Sie verändert ständig ihr Aussehen. Darum ist es schwierig zu wissen, wo man gerade ist. Es gibt kaum Wasser in der Wüste. Darum wird man schnell durstig und wenn man kein Wasser findet, kann man sogar verdursten. Es wächst auch nichts, darum finde man dort fast nichts zu essen. Am Tag ist es ganz heiß. Die Sonne verbrennt einem die Haut. In der Nacht ist es sehr kalt. Wenn der Wind weht, piekst einem der Sand. Deshalb tragen die Menschen mehrere Kleidungsstücke übereinander, um sich vor der Sonne und dem Flugsand zu schützen. Die Wüste ist ein gefährlicher Ort. Die Menschen gehen nicht in die Wüste – es sei denn, sie müssen dorthin“ (Matthias Steinhäuser, GodlyPlay. Praxisband Glaubensgeschichten, Leipzig 2006, 69) Nacheinander werden Figuren im linken unteren Eck aufgestellt. Abraham, Sara und Hagar. Am Rande der Wüste lebt Abraham mit seiner Frau Sara. Die beiden sind schon älter und haben keine Kinder. Darüber sind sie sehr traurig. Wer soll ihren Besitz erben? Wer ihren Namen weiter tragen in der Welt? Sara hat eine Magd. Sie heißt Hagar. Damals war es möglich, dass die Magd für den Herrn und seine Frau ein Kind bekommt. So wurde Ismael geboren (eine neue Figur dazustellen). © Foto: Schwarzmüller 8 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Aber Sara war unglücklich. Dann bekam sie doch noch ein Kind. Isaak wurde geboren (eine neue Figur hinzustellen). Aber jetzt sind sie zu viele. Sara wollte Hagar und ihren Sohn Ismael nun nicht mehr bei sich haben. Abraham sagt: Hagar, hier hast du einen Beutel mit Essen und einen Schlauch Wasser. Geh!“ Die Figur der Hagar und des Ismael werden nun langsam – Schritt für Schritt – in die Wüste geführt, etwa in die Mitte des Wüstensacks. Da nimmt Hagar ihren Sohn und geht in die Wüste. Lange sind sie unterwegs. Das Essen ist leer, aus dem Wasserschlauch kommt kein Wasser mehr. Hagar beschließt zu sterben. Sie legt Ismael unter einen Strauch (die Ismael-Figur in eine kleine Kuhle etwas entfernt von Hagar legen). Sie will nicht sehen, wie er stirbt. Hagar wartet auf den Tod. Da kommt ihr Gott ganz nahe (eine Handfläche von rechts über die Hagar-Figur führen) und sie kommt Gott so nahe (die andere Handfläche von links über die Hagar-Figur führen), dass sie in ihrem Herzen hört, was Gott spricht. „Hagar, was weinst du? Ich habe dein Elend gesehen. Nimm deinen Jungen und halte ihn fest an deiner Hand. Ich will ihn zu einem großen Volk machen.“ Da stand Hagar auf und nahm ihren Jungen an die Hand. (Die Figuren zueinander führen) Als sie stehen, erblickt sie einen Brunnen (mit kleinen Steinen und evtl. einem blauen Stück Papier) einen Brunnen errichten. Sie gehen an den Brunnen (die Figuren zum Brunnen bringen). Dort füllen sie ihren Schlauch mit Wasser und gehen weiter. (Die Figuren langsam Schritt für Schritt nach rechts oben führen). Schließlich wandern sie nicht mehr weiter, sondern bleiben an einem Ort. Dort heiratet Ismael und wird zu einem großen Volk (neue Figuren dazustellen). © alle Fotos: Schwarzmüller 9 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Ergründungsfragen: Stellen Sie nacheinander folgende Fragen: „Nun frage ich mich, welchen Teil dieser Geschichte ihr am liebsten mögt. Was meint ihr, welcher Teil dieser Geschichte ist wohl am wichtigsten? Ich würde gern wissen, wo ihr euch in dieser Geschichte wiederfindet. Welcher Teil dieser Geschichte erzählt etwas von euch? Ob wir wohl einen Teil dieser Geschichte weglassen könnten und hätten doch immer noch alles, was wir an dieser Geschichte brauchen?“ (Matthias Steinkühler, GodlyPlay. Praxisband Glaubensgeschichten, Leipzig 2006, 80). Nacharbeit: Lassen Sie die Schüler.innen eine Wüste malen mit einem Brunnen in der Mitte. Dann gestalten die Schüler.innen Sprechblasen. Auf ihnen schreiben sie, was verschiedene Menschen und Dinge sagen: Beispiel: Die Wüste sagt: In mir kann man nicht leben. Oder: Niemand geht freiwillig in mich hinein…. Der Brunnen sagt: ……………… Gott sagt: ……………… Hagar sagt: ……………… Abraham sagt: ……………… … Die Sprechblasen werden auf das Wüstenbild geklebt. Alternative Gestaltung mit den folgenden Arbeitsblättern Die Erzählung wird mit Hilfe der folgenden Arbeitsblätter erschlossen. Biblische Erzählfiguren helfen zwar, sind aber nicht nötig. Über die Aufträge der Arbeitsblätter können die Schüler.innen das Entscheidende der Geschichte herausarbeiten. Sie fühlen sich in die verschiedenen Personen ein und geben der Gottesbegegnung Hagars Ausdruck. Die Lehrerin erzählt die Geschichte und kann bei den entsprechenden Momenten der Arbeitsblätter einen Halt einlegen und das Arbeitsblatt bearbeiten lassen. Oder es wird die ganze Geschichte erzählt und die Arbeitsblätter nach Nachbereitung eingesetzt. Dies kann arbeitsteilig geschehen oder jede Schüler.in bearbeitet alle Arbeitsblätter. 10 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit HAGAR MUSS IN DIE WÜSTE GEHEN © Foto: Schwarzmüller So beginnt die Geschichte der Gottesbegegnung Hagars. Hagar muss in die Wüste gehen. Fülle die beiden Sprechblasen aus! Was sagt Abraham? Was denkt Hagar? 11 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit HAGAR IN DER WÜSTE © Foto: Schwarzmüller Alleingelassen sitzt Hagar in der Wüste. Schreibe in die Denkblase ihre Gedanken! 12 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit GOTT ENTDECKT HAGAR © Foto: Schwarzmüller Gott kommt zu Hagar in die Wüste. Er spricht mit ihr. Male in das Bild hinein, wie Hagar Gott hört. 13 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit HAGAR DANKT GOTT © Foto: Schwarzmüller Hagar hat den Brunnen in der Wüste entdeckt. Sie dankt Gott dafür. Sie und ihr Kind können leben. Schreibe ein Dankgebet Hagars in die Sprechblase! 14 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Dritte Einheit: Menschen zeigen ihr Herz - Die Werke der Barmherzigkeit Pieter Brueghel d.J., Die sieben Werke der Barmherzigkeit Abbildung als Kopiervorlage S. 3) Unterrichtliche Hinweise: Wimmelbild Die Schüler.innen suchen die Ausschnitte auf dem Bild. Was wird auf dem Ausschnitt dargestellt? Zwei oder mehr Schüler.innen stellen eine der ausgeschnittenen Szenen nach. Die anderen Schüler.innen erraten, um welche Szene es sich handelt. Im nächsten Schritt nehmen die Schüler.innen kleine aus Papier ausgeschnittene Herzen und legen sie auf dem Bild an die Stellen, an denen sie erkennen, dass hier Menschen „ein Herz haben für…“ dann wird zusammengetragen, für welche Menschengruppen hier Herz gezeigt wird: Kranke, Gefangene, Nackte, Tote, Hungernde, Durstende, Fremde. Den Schüler.innen wird erklärt, dass dieses Bild „Die sieben Werke der Barmherzigkeit“ heißt. Die Schüler.innen geben ihre Erklärung ab. Dann wird Mt 25, 34-41 vorgelesen. Ergebnis: Wer eines dieser Werke der Barmherzigkeit tut, hat es Jesus getan. Hungrige speisen Gefangene besuchen Fremde beherbergen Nackte kleiden Durstige tränken Tote bestatten Kranke pflegen 15 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Zum Abschluss gestalten die Schüler.innen eine Tür. Sie soll geöffnet werden können, d.h. sie wird auf ein weiteres Blatt aufgeklebt. Auf der Tür steht „Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt…“. Ein Herz kann darunter gemalt werden. Wenn man die Tür öffnet, steht „…das habt ihr Jesus getan“. Die Schüler.innen können nun das Werk der Barmherzigkeit, welches ihnen aus dem Bild am meisten zusagt, einkleben. Alternativ können sie auch malen, wie dieses Werk der Barmherzigkeit heute aussehen würde. Mit diesem Bild der Tür kann den Schüler.innen abschließend auch der Brauch der „Heiligen Pforte“ erläutert werden (s. S. 1). Literatur - Herders Neues Bibellexikon. Freiburg 2008. Steinkühler Matthias (Hrsg.), GodlyPlay. Praxisbuch Glaubensgeschichten, Leipzig 2006. Kett Franz (Hrsg.), Jahrbuch 2012, Gröbenzell 2012. Oberthür Rainer, Das Buch der Symbole. München 2011. Arbeitsblätter: Stefan Schwarzmüller Autor Stefan Schwarzmüller ist Pastoralreferent der Diözese Speyer, bis 2003 leitete er die Religionspädagogische Arbeitsstelle Pirmasens. Er ist Fortbildungsleiter für die Grundschule. Seine Hauptangebote sind die Schuljahresbegleitung und Tage zur Religionspädagogischen Praxis (RPP). Stefan Schwarzmüller lebt in Pirmasens, er unterrichtet an der Grundschule Ruhbank. Pastoralreferent Stefan Schwarzmüller Fortbildungsleiter Primarstufe Telefon 0 63 31/14 57 57 [email protected] 16 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit „Asozial oder barmherzig?“ Unterrichtsreihe für Klasse 5 und 6 von Rosa-Maria Lopez-Diaz Didaktisch-methodische Hinweise Der biblische Begriff „Barmherzigkeit“, der sowohl die jüdische als auch die christliche Ethik entscheidend geprägt hat, wird von unseren Schülern und Schülerinnen kaum verwendet. Die Suche nach Synonymen ist nicht einfach. Im Folgenden wird hier vor allem das semantische Feld „sozial“ / „a-sozial“ als Synonym für „barmherzig“ / „unbarmherzig“ benutzt, da es in der Lebenswelt unserer Schüler und Schülerinnen häufiger Verwendung findet. Wenn sie über ihr Benehmen reflektieren, benutzen manche die Begriffe „sozial“ oder „asozial“, um sich gegenseitig zu loben bzw. ein schlechtes Verhalten zu denunzieren. Dieser Aspekt soll am folgenden Beispiel verdeutlicht werden. September 2015 auf dem Hof einer Schule: Eine Lehrerin muss Schüler aus den oberen Stufen zurechtweisen, weil sie sich prügeln. Sie sagt: „Warum tut ihr das? Eigentlich solltet ihr ein Vorbild für die Neuen sein!“ Einer aus der 9. Klasse antwortet: „Es ist umgekehrt. Die Fünftklässler sind ein Beispiel für uns! Sie sind sozialer als wir!“ Interessant ist dabei, dass Jesus vor 2000 Jahren auch Kinder als Vorbild für die Erwachsenen, insbesondere für seine Jünger und Jüngerinnen, nutzt. Anzufügen sind vor diesem Hintergrund Mk 9,37: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf“ sowie Mt 25,40: „Ich versichere euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“ Der Vater Jesu, unser Vater im Himmel, ist barmherzig (vgl. Lk 6,36). Daher kennen wir so viele Beispiele aus der Bibel, die uns zur Barmherzigkeit aufrufen. Um barmherzig handeln zu können, kann man die gleichen Schritte gehen, die in den biblischen Geschichten zu erkennen sind: 1. Zuhören Jesu Reden werden im Neuen Testament meistens im Kontext einer Gruppe, die ihm zuhört, meistens die Jüngerinnen und Jünger, oft auch „das Volk“, dargestellt. Um die biblischen Geschichten zu verstehen, bedarf es eines konzentrierten Zuhörens der Schüler und Schülerinnen, um die genaue Bedeutung erschließen zu können. Um die Nöte der Menschen, die unsere Hilfe brauchen, zu entdecken, muss man ihnen ebenfalls genau zuhören. 2. Hinschauen Jesus hat gesehen, dass seine Jünger auf einer gemeinsamen Wanderung lebhaft diskutierten und er hat sie danach gefragt (vgl. Mk 9,33-37). Er hat gesehen, dass der kleine Zachäus auf dem Baum war und hat gespürt, dass er etwas von ihm wollte (vgl. Lk 19,1-10). Er hat gesehen, wie die Witwe fast alles, was sie besaß, dem Tempel gespendet hatte, und hat seine Zuhörer darauf aufmerksam gemacht (vgl. Lk 20,45 – 21,4). 17 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Manchmal drücken Menschen, die Hilfe brauchen, nicht explizit aus, welche Probleme sie haben. Da muss man genau hinschauen. 3. Sich bewegen Jesus hat ein Kind in die Mitte geholt (vgl. Mk 9,33-37); er ist in Zachäus Haus gegangen (vgl. Lk 19,1-10), und er hat versucht, die Herzen seiner Zuhörer zu bewegen, um die großzügige Tat einer Witwe anzuerkennen (vgl. Lk 20,45 – 21,4). Wenn man zugehört und hingeschaut hat, bekommt man eine Ahnung davon, wie man am besten ein konkretes Problem lösen kann. 4. Handeln Jesus hat sich nicht geschämt, am gleichen Esstisch mit Zachäus und seiner Familie zu sitzen (vgl. Lk 19,1-10). Er hat die Witwe gelobt, für sie gebetet und hat seine Zuhörer aufgefordert, in ähnlicher Weise zu handeln (vgl. Lk 20,45 – 21,4). Der vierte Schritt beruht normalerweise auf „Ärmel hochkrempeln“, damit man seine Kraft besser für Arme und Bedürftige einsetzen kann. © Foto: Lopez-Diaz - Die Schüler und Schülerinnen lernen anhand der Bibelzitate, durch die Erfahrungen von Kindern, die sich für eine bessere Welt engagieren (vgl. M 2. AB 2) und mit einer Bildbetrachtung (Brueghels „Werke der Barmherzigkeit“) den Unterschied zwischen einem barmherzigen und einem unbarmherzigen Verhalten. 18 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit - Die Schüler und Schülerinnen vergleichen die ethische Dimension eines sozialen Verhaltens mit der religiösen Dimension der Barmherzigkeit. Diese ist eine an die Christen gerichtete Aufforderung Jesu: „Seid barmherzig, wie der Vater im Himmel“ (Lk 6,36). Dabei ist die Identifikation Jesu mit dem Kind bzw. mit dem „Geringsten“ zu erfassen. - Die Schüler und Schülerinnen lernen die vier Schritte, derer es bedarf, um barmherzig sein zu können: Zuhören, Hinschauen, Hingehen und Handeln. - Die Schüler und Schülerinnen gestalten eine Tafel, auf der sie die „traditionellen“ sieben Werke der Barmherzigkeit mit einer malerischen Darstellung des 17. Jahrhunderts mit der Gegenwart vergleichen. - Die Schüler und Schülerinnen gestalten eine Tabelle, bei denen sie über ihre persönlichen Erfahrungen reflektieren und systematisch über ihr „barmherziges“ Verhalten nachdenken. - Die Schüler und Schülerinnen gestalten einen Plan über ein kleines machbares Projekt für ihre unmittelbare Zukunft, in dem „barmherzig“ gehandelt wird“. Autorin Dr. theol. Rosa-Maria Lopez-Diaz studierte in Spanien Philologie (Spanisch, Deutsch und Hebräisch) an der Universität Barcelona und ist ausgebildete Gymnasiallehrerin; in Bilbao studierte sie Katholische Theologie an der Jesuiten-Universität Deusto. Nach ihrer Promotion an der Universität Bonn im Fach Neues Testament wechselte sie in das Bistum Speyer; sie arbeitet als Religionslehrerin an der Realschule Plus Lambrecht. Für das Bistum Speyer ist sie für die Fortbildungen der Sekundarstufe I im Einsatz. Dr. Rosa-Maria Lopez-Diaz Fortbildungsleiterin Sekundarstufe I Telefon: 0 63 25 / 3 04 70 90, [email protected] 19 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 1 - Die Werke der Barmherzigkeit Einstieg in das Thema „Barmherzigkeit“ mit einer Bildbetrachtung Das Bild: „Die Werke der Barmherzigkeit“ (Brueghels Schule - 17. Jh.) „Die Werke der Barmherzigkeit“ eignet sich sehr gut für eine Bildbetrachtung am Smartboard, da man u.a. die Szenen des Hintergrundes mit der Zoomfunktion vergrößern kann. Eine zweite Variante ist die Verteilung von Folien des Bildes (mindestens DIN A-4). Eine Folie für je zwei bzw. drei Schüler und Schülerinnen. Bild: „Die Werke der Barmherzigkeit“ (Brueghels Schule - 17. Jh.). Foto: Lopez-Diaz Man kann von Anfang an den Namen des Gemäldes verraten und darauf hinweisen, dass es sieben Werke der Barmherzigkeit gibt. Die Schüler und Schülerinnen werden darum gebeten, die Werke zu beschreiben und Synonyme für das Wort „Barmherzigkeit“ zu formulieren. Anschließend wird die Vorgeschichte der „Werke der Barmherzigkeit“ thematisiert, das heißt die Beziehung vom Gemälde zum biblischen Text (Mt 25,34-40) erschlossen. 20 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 1 - AB 1 Die Werke der Barmherzigkeit im Matthäusevangelium Jesus erklärt im Matthäusevangelium, worauf er sich am meisten freuen wird, wenn wir ihm begegnen: Aus dem Matthäusevangelium (Mt 25,34 – 40) 34 „Kommt her! Euch hat mein Vater gesegnet. Nehmt Gottes (Leibliche Werke neue Welt in Besitz, die er euch von allem Anfang an zugedacht Barmherzigkeit): hat. 35 der Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; Jesus: ich war fremd und ihr habt mich bei euch aufgenommen; 36 ich war nackt, und ihr habt mir etwas anzuziehen gegeben; ich war krank, und ihr habt mich versorgt; ich war im Gefängnis, und ihr habt mich besucht.“ Erzähler oder Erzählerin: 37 Dann werden, die den Willen Gottes getan haben, fragen: (Geistliche Werke Barmherzigkeit): der „Herr, wann sahen wir dich jemals hungrig und gaben dir zu essen? Oder durstig und gaben dir zu trinken? 38 Wann kamst du als Fremder zu uns und wir nahmen dich auf, Die Gerechten: oder nackt und wir gaben dir etwas anzuziehen? 39 Wann warst du krank oder im Gefängnis und wir besuchten dich?“ Erzähler oder Erzählerin: Dann wird er antworten: 40 Jesus: „Ich versichere euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“ Bibeltext: „Gute Nachricht für Teens. Die ganze Bibel“, Stuttgart 2000. Arbeitsauftrag Rollenverteilung und Vorbereitung des Vorlesens. Die Rollen sind: Jesus / ein Erzähler oder eine Erzählerin / alle anderen in der Klasse sind „die Gerechten“. Daher ist es wichtig, dass jeder / jede seine oder ihre Rolle zuerst für sich übt. 21 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 1 - AB 2. Die leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit Nachdem wir die Geschichte aus dem Matthäusevangelium (Mt 25,34 – 40) vorgetragen und über ihre Bedeutung diskutiert haben, wissen wir, dass es nicht so schwer ist, „etwas für Jesus zu tun“. Die Beispiele von dieser Erzählung hat die Kirche „Werke der Barmherzigkeit“ genannt (siehe linke Spalte der Tabelle). Da jeder Christ und jede Christin gerne dabei mitmachen möchte, gibt es auch die „geistigen Werke der Barmherzigkeit“ für den Fall, dass man nicht so oft, die „leiblichen Werke der Barmherzigkeit“ ausüben kann (s. rechte Spalte der Tabelle). Die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Hungrige speisen Durstigen zu trinken geben Fremde aufnehmen Nackte kleiden Kranke pflegen Gefangene besuchen Tote begraben Die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Unwissende lehren Zweifelnden raten Irrende zurechtweisen Trauernde trösten Unrecht ertragen Beleidigungen verzeihen Für Lebende und Tote beten Aufträge: 1. Finde Gemeinsamkeiten zwischen den leiblichen (1.-7) und den geistigen Werken der Barmherzigkeit (1.-7) heraus: (1) Die Hungrigen bekommen Nahrung für den „Bauch“ / für den Leib. (1) Die Unwissenden, die gelehrt werden, bekommen Nahrung für den „Kopf“/ für den Geist. (2) Die Durstigen… (2) Die Zweifelnden… 2. Fülle die Tabelle von M1.AB1 mit den leiblichen Werken der Barmherzigkeit aus (neben Mt 25, 34-36). 3. Fülle die Tabelle von M1.AB1 mit den geistigen Werken der Barmherzigkeit aus (neben Mt 25, 37-39). Wo steht das siebte Werk der Barmherzigkeit? Habt ihr das siebte Werk „Tote bestatten“ gefunden? Es ist versteckt. Diese gute Tat finden wir nicht im Matthäusevangelium, sondern im Alten Testament, im Buch Tobit (Tob 1,17–20). Es ist ein Vorschlag vom Kirchenvater Laktanz (* um 250; † um 320), sie in die Liste der Werke der Barmherzigkeit einzutragen. In der Geschichte vom gerechten Juden Tobit erzählt er selber: „Ich gab den Hungernden mein Brot und den Nackten meine Kleider; wenn ich sah, dass einer aus meinem Volk gestorben war und dass man seinen Leichnam hinter die Stadtmauer von Ninive geworfen hatte, begrub ich ihn“ (Tobit 1,17). 22 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 1 - AB 3. Werke der Barmherzigkeit: damals und heute Auftrag (Partnerarbeit): Ergänzt die Tabelle mit zwei Bildern für jedes Werk der Barmherzigkeit. Ein Bild für die Zeit von Brueghel, ein Bild für unsere Zeit. Werke der Barmherzigkeit: damals und heute (1. Teil) Werke der Barmherzigkeit im 17. Jahrhundert die Zeit von Brueghel heute Hungrige speisen (biblischer Text) Jesus sagt: Durstigen zu trinken geben (biblischer Text) Jesus sagt: Fremde aufnehmen (biblischer Text) Jesus sagt: 23 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Werke der Barmherzigkeit: damals und heute (2. Teil) Werke der Barmherzigkeit im 17. Jahrhundert die Zeit von Brueghel heute Nackte kleiden (biblischer Text) Jesus sagt: Kranke pflegen (biblischer Text) Jesus sagt: Gefangene besuchen (biblischer Text) Jesus sagt: Tote begraben (biblischer Text) Tobit sagt: 24 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 1 - AB 4. Meine Werke der Barmherzigkeit Auftrag (Einzelarbeit): Ergänze Deine eigene Tabelle zu den sieben Werken der Barmherzigkeit! Meine Werke der Barmherzigkeit: 7 Beispiele (1. Teil) Leibliche Werke der Barmherzigkeit Geistige Werke der Barmherzigkeit Hungrige speisen Unwissende lehren leibliches (LW) oder geistiges Werk (GW) Wem habe ich geholfen? Wann? Wo? Was habe ich genau getan? Wie habe ich mich dabei gefühlt? Durstigen Zweifelnden zu trinken raten geben Was habe ich genau getan? Wie habe ich mich dabei gefühlt? Fremde aufnehmen Irrende zurechtweisen Was habe ich genau getan? Wie habe ich mich dabei gefühlt? 25 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Meine Werke der Barmherzigkeit: 7 Beispiele (2. Teil) Leibliche Werke der Barmherzigkeit Geistigen Werke der Barmherzigkeit Nackte kleiden Trauernde trösten leibliches (LW) oder geistiges Werk (GW) Wem habe ich geholfen? Wann? Wo? Was habe ich genau getan? Wie habe ich mich dabei gefühlt? Kranke pflegen Unrecht ertragen Was habe ich genau getan? Wie habe ich mich dabei gefühlt? Gefangene besuchen Beleidigungen verzeihen Was habe ich genau getan? Wie habe ich mich dabei gefühlt? Tote begraben für Lebende und Tote beten Was habe ich genau getan? Wie habe ich mich dabei gefühlt? 26 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 2 - AB 1. Das Kind: Vorbild für Erwachsene Mk 9,33-37: Jesus und die Apostel «kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: „Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?“ Sie schwiegen, denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer (von ihnen) der Größte sei. Da setzte er sich, rief die Zwölf Apostel und sagte zu ihnen: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf» Text: Die Bibel. Einheitsübersetzung. Aufträge: 1. Warum ist in dieser Geschichte ein Kind ein Vorbild für die Apostel? 2. Welche Eigenschaften hat ein Kind heute, die manche Erwachsene vielleicht nicht mehr haben. 3. Woran sollten Kinder die Erwachsenen erinnern? 4. Wann zeigen Kinder ein soziales Verhalten? Schreibe drei Beispiele auf. 5. Wann zeigen Kinder ein „a-soziales“ Verhalten. Schreibe drei Beispiele auf. 27 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 2 - Info: Kinder, die die Welt verändern Das Buch „Kinder, die die Welt verändern“ vom Fotografen Yann Arthus-Bertrand und von der Ingenieurin für Umwelttechnik Anne Jankéliowitch ist im Jahr 2014 auf Deutsch erschienen. Es enthält kurze Geschichten von über 20 Erfahrungen von Kinderinitiativen, die sich ganz konkret für eine bessere Welt einsetzen. (Yann ArthusBertrand / Anne Jankéliowitch, Kinder, die die Welt verändern, Stuttgart / Wien, 2014). Der Bericht von jeder Erfahrung steht auf einer Seite. Auf zwei weiteren Seiten wird fast stichwortartig der Kern jeder Initiative sehr verständlich erklärt. Daher ist es als Grundlage einer Recherchearbeit sehr geeignet. Im folgenden Arbeitsblatt wird die Initiative von Cassandra Lin dargestellt. Andere interessante Beispiele aus dem Buch „Kinder, die die Welt verändern“ sind: a) Die Geschichte von Cameron Oliver (im Jahr 2008 elf Jahre alt), der in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebt und aus Südafrika kommt (www.cameronscamelcampaign.com): „Alles begann mit einem Zeitungsartikel. Darin stand, dass jedes zweite Dromedar stirbt, weil es Müll frisst, den die Menschen in die Natur werfen.“ (S. 28-31, hier 29). Er organisiert mediale Aufklärungskampagnen und Reinigungsaktionen in der Wüste. b) Felix Finkbeiner (2007 neun Jahre alt) aus Deutschland, der sich für die Pflanzung von Bäumen auf der ganzen Welt engagiert (www.plant-for-the-planet.org) (vgl. S. 108-111). 28 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 2 - AB 2. Kinder, die die Welt verändern Cassandra Lin war im Jahr 2008 zehn Jahre alt. Sie wohnt in Rhode Island, USA und arbeitet heute noch weiter an ihrem Projekt (www.w-i-n.ws/index_files/Page391.htm). Um Erdöl oder Heizöl zu sparen, haben sie und ihre Freunde gebrauchtes Frittier-Öl recycelt, mit dem man Häuser beheizen oder sogar Autos antreiben kann. Sie erzählt von ihrer Erfahrung: „Mein Ziel: Ich wollte Energiequellen entwickeln, die nicht zur Klimaerwärmung beitragen. Wie ich vorgegangen bin: Ich habe das Recycling von Speiseöl organisiert. Was ich erreicht habe: Durch unsere Aktion wurden jährlich 190.000 Liter Speiseöl gesammelt und zu Biodiesel recycelt. Jeden Winter konnten so 50 Familien kostenlos mit Biodiesel heizen. Was mich am meisten freut: Dass mein Projekt gleichermaßen der Umwelt nützt und den Menschen in meiner Stadt. Worauf ich besonders stolz bin: Wir haben die Gesetzgebung verändert! Dank unseres Einsatzes wurde ein Gesetz erlassen, das die Restaurants, die Speiseöl verwenden oder verkaufen, dazu verpflichtet, es zu recyceln. Mein größter Fehler: Mit den Restaurants haben wir uns am Anfang ungeschickt angestellt. Wir sind unangekündigt hingegangen, und meistens hatten die Restaurantbesitzer dann keine Zeit für uns. Also haben wir unsere Methode geändert: Erst haben wir angerufen und einen Termin ausgemacht, dann unser Projekt mit einem kurzen Video vorgestellt. Das war viel erfolgreicher! Heute haben wir über 100 Restaurants in 12 Städten davon überzeugt, ihr Speiseöl zu recyceln! Die Rolle meiner Eltern: Sie haben mir immer geholfen und mich dazu ermuntert, mich für meine Umwelt zu interessieren! Mein Tipp: Versuche, nicht zu viel auf einmal erreichen zu wollen! Besser ist es, erst einmal ehrenamtlich in einem Tierheim mitzuarbeiten oder seinen Müll zu trennen. Dann kannst du Schritt für Schritt weitermachen. Aber nimm dir nur Projekte vor, die du auch tatsächlich verwirklichen kannst. Was ich als nächstes tun werde: Ich möchte das Projekt auf andere Städte in unserer Region ausdehnen.“ (Yann Arthus-Bertrand / Anne Jankéliowitch, Kinder, die die Welt verändern, Stuttgart / Wien, 2014, 22-25, 24f) Aufträge: 1. Wem hat die Initiative von Cassandra Lin besonders geholfen? 2. Was können Erwachsene und Kinder von Casandra Lin und ihren Freunden lernen? 29 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 2 - AB 3. Kinder, die die Welt verändern. Mein kleines Projekt Mein kleines Projekt Mein Ziel: Wie ich vorgehen möchte: Die Rolle meiner Eltern: Mein Tipp für ______________________________ (Name des Mitschülers oder der Mitschülerin) Ein Tipp von ________________________________ (Name des Mitschülers oder der Mitschülerin) für mein Projekt: Aufträge: 1. Schreibe einen Plan für Dich. Benutze die Stichworte von Cassandra Lin „Mein Ziel / Wie ich vorgehen möchte / Was möchte ich erreichen? / Die Rolle meiner Eltern.“ Dein Plan muss kein großes Projekt sein. Begrenze es zuerst auf eine oder zwei Wochen. Versuche herauszufinden, wer regelmäßig ganz in deiner Nähe Deine Hilfe braucht (Beispiele: Die Mülltrennung zu Hause organisieren und entsorgen / den Eltern beim Einkaufen oder Putzen helfen / die Großeltern besuchen) 2. Informiere dich über die Pläne von Deinen Mitschülern. Schreibe einen Tipp für einen Mitschüler oder eine Mitschülerin. Bitte um einen Ratschlag oder einen Tipp für Dein Projekt. 30 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 3. Zachäus, der „asoziale“ Reiche, der barmherzig wurde Lk 19,1-10: «Dann kam er nach Jericho und ging durch die Stadt. 2 Dort wohnte ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war sehr reich. 3 Er wollte gern sehen, wer dieser Jesus sei, doch die Menschenmenge versperrte ihm die Sicht; denn er war klein. 4 Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste. 5 Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein. 6 Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf. 7 Als die Leute das sahen, empörten sie sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt. 8 Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück. 9 Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.» Text: Die Bibel: Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung, 1979. Rollenspiel: In Jesu Fußabdrücken gehen Die Gestaltung und Vorführung dieses Rollenspiels ist mit folgender Methode nicht sehr aufwändig und erhöht die Konzentration der Schüler und Schülerinnen, da sie vor allem zum Zuhören beim Vorlesen einer kleinen Geschichte aufgefordert sind. Damit werden viele Ablenkungsquellen verhindert, weil sie nichts auswendig lernen müssen und sie sich nicht merken müssen, wann sie aktiv dran sind. Einführung: Wir machen eine Zeitreise. Wir stellen uns vor, dass wir uns im ersten Jahrhundert in Palästina befinden. Wir wohnen in der Stadt Jericho. Wir sind „das Volk“, das Besuch von Jesus bekommt. Vorbereitung: a) Jedes Kind schneidet seine beiden Fußabdrücke aus einem bzw. aus zwei weißen Papierblättern. b) Die Lehrkraft schneidet zwei gelbe Abdrücke von großen Sandalen. Sie repräsentieren die Fußabdrücke von Jesus. Sie schneidet zudem zwei kleine weiße Abdrücke, die für die Fußabdrücke von Zachäus stehen. Rollenverteilung: Jesus / Zachäus / „das Volk“. Alle müssen aufstehen und tragen die entsprechenden Fußabdrücke in den Händen. Sie bewegen sich durch den Klassenraum nach den Anweisungen „der Geschichte“, die die Lehrkraft vorliest. Die Schüler und Schülerinnen identifizieren sich durch diese Fußabdrücke schnell mit den Personen, die sie repräsentieren. Aufträge: Die Schüler und Schülerinnen haben das Neue Testament zur Verfügung und schreiben in ihr Heft die Antwort auf folgende Fragen: 1. Woran erkennt man, dass Zachäus früher „unbarmherzig“ war? 2. Woran erkennt man, dass Zachäus nach seiner Begegnung mit Jesus „barmherzig“ war? 31 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 4. AB 1. Die arme Witwe, die Gottes Barmherzigkeit spürt Lk 20,45 – 21,4: «45Als aber das ganze Volk zuhörte, sprach Jesus zu seinen Jüngern: 46„Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die es lieben, in langen Gewändern einherzugehen, und lassen sich gern grüßen auf dem Markt und nehmen gern beim Gottesdienst und bei Tisch die Ehrenplätze ein; 47 sie stehlen die Güter der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein um so härteres Urteil empfangen.“ Er blickte aber auf und sah, wie die Reichen ihre Opfer in den Gotteskasten einlegten. 2 Er sah aber auch eine arme Witwe, die legte dort zwei kleine Münzen ein. 3 Und er sprach: „Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr als sie alle eingelegt. 4 Denn diese alle haben etwas von ihrem Überfluss gespendet; sie aber hat von ihrer Armut alles eingelegt, was sie zum Leben hatte.» Text: nach der revidierten Lutherbibel, 1984 Aufträge: 1. 2. 3. 4. Warum ist in dieser Geschichte eine arme Witwe ein Vorbild für die Zuhörer? Malt einen Abdruck von Eurer rechten oder von Eurer linken Hand. Überlegt, was Eure Hände für andere tun können. Auch kleine Spenden bewirken viel. Nenne drei Spendenaktionen, zum Beispiel Deiner Pfarrei, die vielen Menschen zugutekommen. Anregungen zur Recherche: https://www.sternsinger.de/ http://www.kinderfastenaktion.de/ Pfarrbrief deiner Pfarrei Kirchenzeitung „Der Pilger Man kann die Schüler und Schülerinnen darum bitten, einen Pfarrbrief oder eine christliche Zeitschrift mitzubringen. Dies setzt voraus, dass die Schüler und Schülerinnen ihre Pfarrei kennen. Diese Aufgabe kann ein Ansporn sein, den Namen der eigenen Pfarrei zu erforschen. Es kann sein, dass es den meisten Schülern und Schülerinnen nicht möglich ist, einen Pfarrbrief mitzubringen. Daher kann die Lehrkraft solche Briefe aus der eigenen Pfarrei mitbringen bzw. manche Briefe, die im Internet als PDF-Datei zur Verfügung stehen, ausdrucken. 32 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Unterrichtsreihe Barmherzigkeit für Klasse 8 und 9 von Petra Hildebrand-Hofmann Kurze Einführung in die Didaktik und Methodik Die Unterrichtsreihe „Barmherzigkeit“ ist für den Einsatz in einer achten oder neunten Jahrgangsstufe gedacht. Als Ziele waren für mich wichtig: der Einsatz des Brueghel-Bildes, die Zusammenschau „offizieller“ Texte (Papstrede, Gotteslob) mit Alltagssituationen der Jugendlichen, der kreative Umgang mit dem Thema und kompetenzorientierte Aufgabenstellungen, die möglichst verschiedene Kompetenzen trainieren. Die Reihe ist insgesamt auf sechs Stunden hin angelegt. Da die Werke der Barmherzigkeit den Schülerinnen und Schülern nicht bekannt sind, steige ich mit dem Bild ein. Das Arbeitsblatt informiert kurz über den Maler und listet die einzelnen Werke auf, die es auf dem Bild zu entdecken gilt. Zum kreativen Umgang mit dem Bild gehört die Gestaltung einer Collage, die bis zur nächsten Stunde als Hausaufgabe gegeben werden kann. Sie könnte sich aber auch als Gruppenarbeit über einen längeren Zeitraum erstrecken, in der Größe eines Plakats angefertigt und später ausgestellt werden. Die Papstrede schließt direkt an die Arbeit mit dem Bild an, da sie den Grund für das Thema im Unterricht nennt und Informationen über das Heilige Jahr liefert. Das offizielle Emblem halte ich für interpretationsbedürftig und als solches wenig aussagekräftig. Sinn der Textarbeit ist es daher, eine Art Werbeplakat zu erstellen, was durchaus in der Schule ausgehängt werden könnte. Das beste Plakat könnte prämiert werden. Plakate von Lerngruppen werden in der Regel einmal gezeigt und dann gelagert. Eine bessere Wertschätzung erleben die Schülerinnen und Schüler, wenn ihr Plakat veröffentlicht wird, vielleicht auch in ihrer eigenen Gemeinde oder Kirche. Da manchen Kollegen die Beurteilung kreativer Arbeiten noch schwer fällt, ist eine kriteriengestützte Benotungsform im Anschluss an die Aufgabe von mir vorgeschlagen worden. Sie kann den Schülerinnen und Schülern so ausgeteilt werden, um die Benotungsart für alle transparent zu machen. Ist der Begriff „Barmherzigkeit“ kirchlich genug ausgeleuchtet, soll er auf Alltagssituationen übertragen werden. Der Text „Das Willkommensfest“ liegt in zwei Varianten vor, einmal auch für eine schwächere Lerngruppe. In diesem Fall sind die möglichen barmherzigen Handlungen fett gedruckt. Eine eindeutige Lösung der Frage, was im Text barmherziges Handeln sei, ergibt sich nicht. Die Übertragung in den Alltag heutiger Kinder und Jugendlicher ist wichtig, da sie mit den klassischen Werken der Barmherzigkeit wie „Tote bestatten“ oder „Gefangene besuchen“, weniger zu tun haben werden. Wie schon die Ankündigung des Heiligen Jahres während einer Predigt innerhalb einer Bußfeier zeigt, steht barmherziges Handeln eng mit dem Sakrament der Buße in Verbindung. Daher wollte ich den sogenannten „Beichtspiegel“ in den Blick nehmen, so wie er im Gotteslob abgedruckt ist. Trotz großer Veränderungen gegenüber den Fragen im alten Gotteslob enthält auch dieser Beichtspiegel Ausdrücke, Formulierungen und Fragen, die der Sprachwelt heutiger Jugendlichen nicht entsprechen. Andererseits ist er ein wirklich hilfreiches Mittel der Gewissenserforschung und soll schon deshalb bekannt gemacht werden. Die Erweiterung dieses Beichtspiegels oder die Umformulierung einzelner Fragen ist eine zeitintensive Aufgabe, weshalb für die Arbeit mit dem Gotteslob zwei Unterrichtsstunden eingeplant sind. Zum Abschluss der Reihe soll das Thema noch einmal in anderer Richtung aktualisiert und problematisiert werden. Mit der Methode Placemat sollen Schülergruppen zu verschiedenen Aussagen Stellung nehmen. 33 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Die Blätter werden je nach Klassengröße kopiert: jeweils vier Schülerinnen und Schüler erhalten ein Blatt, auf das sie schweigend ihre Meinung zu dem Statement in eines der Felder schreiben. Für den Austausch gibt es zwei mögliche weitere Vorgehensweisen. Zum einen kann nach einer Diskussion eine gemeinsame Position zu den Aussagen formuliert werden, die dann im Plenum nochmal diskutiert werden könnte. Zum anderen kann das Placemat gedreht werden und der benachbarte Schüler oder Schülerin kommentiert den geschriebenen Beitrag. Das wiederholt sich mehrmals. Die Statements nehmen die gesellschaftlichen Bedenken gegenüber Tierhaltung und tierischem Essen auf und problematisieren die Grenzen der Barmherzigkeit. Mit dieser Abschlussdiskussion und eventuell der Ausstellung der verschiedenen Lernprodukte (Collage, Beichtspiegel, Werbeplakat) ist die Reihe beendet. Autorin Petra Hildebrand-Hofmann studierte die Fächer Katholische Theologie, Biologie und Deutsch an der Universität Mainz. Nach dem Referendariat am Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien kam sie als Religions- und Biologielehrerin nach Kaiserslautern. Sie ist seit 1988 Lehrerin, davon seit 1997 am Albert-Schweitzer-Gymnasium Kaiserslautern, bis 2013 Beraterin für Unterrichtsentwicklung am Pädagogischen Landesinstitut RheinlandPfalz. Sie ist im Bistum Speyer für Religionspädagogische Fortbildungen der Sekundarstufe I tätig. Oberstudienrätin Petra Hildebrand-Hofmann Fortbildungsleiterin Sekundarstufe I Telefon 0 63 01/ 7 16 87 68 [email protected] 34 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit 35 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Übersicht über die Unterrichtsreihe „Barmherzigkeit“ (Klasse 8/9) M 1 - Arbeitsblatt: Barmherzigkeit – Pieter Brueghel d. J., Die Werke der Barmherzigkeit Pieter Brueghel der Jüngere: Die sieben Werke der Barmherzigkeit (~ 1630) Informationen zum Maler: Pieter Brueghel der Jüngere, 1564 in Brüssel geboren und 1638 in Antwerpen gestorben. Als Sohn von Pieter Brueghel dem Älteren und ebenso bekannten malenden Brüdern kam er früh mit Kunst und Malerei in Kontakt. Biblischer Bezug des Motivs: Brueghel stellt die sogenannten Werke der Barmherzigkeit in seinem Bild vor. Er bezieht sich auf verschiedene Stellen der Bibel. Ihr kennt das Gleichnis im Neuen Testament vom barmherzigen Samariter (Lukas 10, 29-37) und vom verlorenen Sohn oder dem gütigen Vater (Lukas 15, 11-32). Auch im Alten Testament wird Barmherzigkeit mehrfach erwähnt (Jesaja 58,7 oder auch Sprichwörter 11,17-18). Bei Matthäus 25, 34 – 46 zählt Jesus die einzelnen Werke auf, die der gerechte Mensch tun soll, um in das Reich Gottes zu gelangen: Hungrigen zu essen geben, Durstigen zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde beherbergen, Kranke besuchen, Gefangene befreien, Tote begraben. 36 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Arbeitsaufträge: (EA = Einzelarbeit, PA = Partnerarbeit, GA = Gruppenarbeit) 1. Betrachte das Bild und nenne spontan Schlagworte, die Dir dazu einfallen.(EA) 2. Das Bild enthält eine Vielzahl von Motiven. Gehe bei Deiner Beschreibung des Bildes folgendermaßen vor: - umrande mit einem Stift einzelne Szenen in dem Bild, (EA) - notiere Dir in Stichworten, was du auf den Szenen siehst (EA) - tausche Dich mit deinem Nachbarn, Deiner Nachbarin zu Deinen Beobachtungen aus.(PA) 3. Lest den Text „Biblischer Bezug des Motivs“ und ordnet die verschiedenen Werke der Barmherzigkeit den Bildausschnitten zu.(PA) 4. Erörtere in einer Dreiergruppe, (GA) - welche Funktion solch ein Bild möglicherweise hatte (es ist wahrscheinlich eine Auftragsarbeit), - ob es diese Funktion auch heute noch erfüllen könnte, - ob mit diesem Bild für das Jahr der Barmherzigkeit geworben werden könnte. 5. Gestalte ein eigenes Bild als Collage (DIN A 3). Nimm das Brueghelbild als Vorlage. Sammle Zeitungsausschnitte, Plakatausschnitte oder eigene Zeichnungen und ordne sie an wie bei der Brueghelvorlage. (EA) Tipps: Welche Motive willst Du ergänzen? Welche betonen? Welche weglassen? Sind in der heutigen Zeit andere Werke der Barmherzigkeit wichtiger geworden? 37 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 2 - Arbeitsblatt: Barmherzigkeit - Ausschnitte aus der Papstpredigt Anlass: Papst Franziskus ist dem Thema Barmherzigkeit sehr verbunden, was schon sein Motto im Papstwappen zeigt. Am 13. März 2015 hat er bei einer Bußandacht im Petersdom ein außerordentliches Heiliges Jahr angekündigt. Als symbolische Handlung wird mit Beginn des Heiligen Jahres, am Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens 2015 (8. Dezember 2015), die Heilige Pforte im Petersdom geöffnet. Ein Jahr später, am Christkönigssonntag (20. November 2016), endet das Heilige Jahr. Am 8.12.2015 jährt sich der Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils zum 50ten mal. Die offizielle Ankündigung des Heiligen Jahres geschieht durch die feierliche Verkündigung einer eigenen Urkunde (Bulle). Wappen des Papstes Franziskus mit dem Wahlspruch Miserando atque eligendo (erbarmungswürdig und doch erwählt) Worterklärung: BULLE Lat. Kapsel, ein in einer Metallkapsel enthaltenes Siegel. Seit dem 13.Jh. werden Dokumente, an denen solch ein Siegel hing, als Bulle bezeichnet. Heute versteht man darunter eine päpstliche Urkunde, mit der der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche rechtlich verbindliche Handlungen ankündigt. HEILIGES JAHR Mit dem Begriff Heiliges Jahr ist ein besonderes Jahr der Umkehr gemeint. Das Bußsakrament, die Beichte, das Nachdenken über eigene Handlungen und der Blick auf den Mitmenschen stehen dabei im Vordergrund. Dieses und andere Heiligen Jahre stehen damit in der Tradition der alttestamentlichen „Jobeljahre“ (→Jubeljahr, Erlass- oder Befreiungsjahr). Es wurde nach siebenmal sieben Jahren, also nach 49 Jahren und somit alle 50 Jahre gefeiert. Laut einiger Bibelstellen (z.B. Deuteronomium 15,1-6) sollen in solch einem Jubeljahr die Sklaven freigelassen werden. 38 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Das Jahr der Barmherzigkeit ist ein außerordentliches Heiliges Jahr, weil es sich nicht nach dem Rhythmus richtet. Ein anderes außerordentliches Jahr ist von Papst Johannes Paul II. 1983/84 anlässlich der 1950-JahrFeier des Todes Christi ausgerufen worden. „Auch in diesem Jahr sind wir hier …, um eine Bußliturgie zu feiern… (Unser Vater) ist wirklich „reich an Barmherzigkeit“ und dehnt sie im Überfluss über die aus, die mit aufrechtem Herzen zu ihm kommen. http://media02.radiovaticana.va/photo/ 2015/03/13/ANSA762653_Articolo.jpg Die Erinnerung Jesu treibt jeden von uns dazu an, niemals an der Oberfläche der Dinge stehen zu bleiben, vor allem wenn wir jemandem gegenüber stehen. Wir sind gerufen, darüber hinaus zu schauen, auf das Herz um zu sehen, zu wie viel Freigiebigkeit jeder fähig ist. Niemand ist von der Barmherzigkeit Gottes ausgeschlossen, niemand ist von der Barmherzigkeit Gottes ausgeschlossen! Alle kennen den Weg, um sie zu betreten und die Kirche ist das Haus, das alle aufnimmt und niemanden zurückweist. Ihre Tore sind weit offen, so dass alle, die von der Gnade berührt sind, die Sicherheit der Vergebung finden können. So groß die Sünden sein mögen, größer ist die Liebe der Kirche für diejenigen, die sich bekehren… Denken wir an den verlorenen Sohn, der zum Vater zurückkehren wollte und etwas sagen wollte, aber der Vater hat ihn nicht reden lassen, er umarmt ihn. So macht es auch Jesus mit uns… Liebe Schwestern und Brüder, ich habe oft darüber nachgedacht, wie die Kirche noch mehr ihren Auftrag, Zeugin der Nächstenliebe zu sein, erfüllen kann. Es ist ein Weg, der mit einer geistlichen Bekehrung beginnt. Und diesen Weg müssen wir gehen. Deswegen habe ich entschieden, ein außerordentliches Jubiläumsjahr auszurufen, in dem es um die Barmherzigkeit Gottes gehen wird. Es wird ein „Heiliges Jahr der Barmherzigkeit“ sein. Wir wollen es im Licht der Worte Jesu leben: „Seid barmherzig wie der Vater“ (Lk 6:36). Das gilt vor allem für die Beichtväter, so viel Barmherzigkeit! … wir sind alle berufen, mit der Barmherzigkeit Trost jedem Mann und jeder Frau unserer Zeit zu spenden. Vergessen wir nicht, dass Gott alles vergibt. Und Gott vergibt immer. Werden wir nicht müde, um Vergebung zu bitten…“ (rv 13.03.2015 ord) Quelle: Ausschnitte aus der Arbeitsübersetzung der Papstpredigt bei der Bußliturgie am 13.März 2015 http://de.radiovaticana.va/news/2015/03/13/papstpredigt_gott_weist_niemanden_zur%C3%BCck/1129100 Arbeitsaufträge: 1. Lies den Text und markiere die wichtigsten Aussagen. 2. Für das Heilige Jahr der Barmherzigkeit hat der Jesuit Marko I. Rupnik ein eigenes Emblem entworfen. Um über das Heilige Jahr zu informieren, wäre ein Plakat besser geeignet. Entwerfe für Deine Schule mit Hilfe der Informationen aus dem Text ein Plakat, das alles Wichtige zum Heiligen Jahr enthält. 39 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Tipps: - - - Nimm für den Entwurf ein DIN A 4 Blatt. Der fertige Entwurf soll später auf ein größeres Plakatformat übertragen werden. Überlege Dir, was Du mit dem Plakat erreichen willst. Welche Menschen sollen es interessant finden? Was soll im Vordergrund stehen? Soll es ein Werbeplakat oder ein Informationsplakat sein? Wähle entsprechende sachliche Aussagen oder emotionale Aussagen aus. Achte auch auf die richtige Mischung aus Bildern, Fotos, selbst erstellten Zeichnungen und Text. Das Plakat wird benotet. Folgende Kriterien sind dabei wichtig: - Ist das Plakat aussagekräftig? Zeigt es die wichtigsten Inhalte? - Ist eine Überschrift vorhanden und gut lesbar? - Hat das Plakat eine Struktur? - Ist die Rechtschreibung und Zeichensetzung korrekt? - Ist das Plakat lebendig, abwechslungsreich gestaltet: Enthält es Bilder, ein Motto oder Grafiken? - Ist die Farbgestaltung harmonisch, klar und hilfreich zum Verstehen des Inhalts? - Ist das Plakat auch aus einiger Entfernung noch gut zu lesen? Für jedes dieser Kriterien kannst Du 1, 2 oder 0 Punkte bekommen. Maximal kannst Du so 14 Punkte erreichen. Das entspricht der Note 1. Bei 11 Punkte hast Du eine 2, bei 8 Punkten eine 3, bei 5 Punkten eine 4 und wenn Du insgesamt nur 2 Punkte erreicht hast, dann ist das Plakat leider mangelhaft. Alle anderen Punktzahlen sind Zwischennoten, also 2minus (10 Punkte) oder 4plus (6 Punkte) zum Beispiel. Zum Vergleich das offizielle Emblem: http://www.iubilaeummisericordiae.va/content/dam/gdm/images/grafiche/slider/settembre/Logo2.jpg/_jcr_content/renditions/original.file.jpeg 40 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 3 – Arbeitsblatt (a): Barmherzigkeit – eine Geschichte Das Willkommensfest Leon konnte es kaum noch erwarten. Und das verblüffte ihn selbst. Wie sehr hatte er sich gewünscht, mal von der Familie weg zu kommen und etwas Sinnvolles zu tun – nicht immer nur Schule, Lernen, Aufräumen, Fernsehen, PC-Spielen. Vier Wochen war er jetzt in Großbritannien gewesen – ein Ferienprogramm, dem seine Eltern gerne zugestimmt hatten, weil sie hofften, seine Englischkenntnisse würden sich in der Zeit verbessern. Nun, das war weniger der Fall. In Nullkommanix lernte er andere Leute aus Deutschland kennen, mit denen er dann meistens zusammen war und arbeitete. Was sie taten, hat Spaß gemacht: in einem Naturschutzgebiet hat er mit seinen Kumpels Tiere beobachtet, verletzte Tiere versorgt, am PC Schutzplaketten erstellt, Schutzzäune bei Brutgebieten erstellt und Besucherwege von Müll gesäubert. Er fühlte sich gut dabei, etwas für die Umwelt getan zu haben. Aber nun ging es heim. Seine Eltern hatten etwas von einem großen Willkommensfest angedeutet, zu dem auch seine besten Freunde aus der Schule eingeladen werden sollten. So, endlich am Flughafen. Die letzten britischen Münzen noch schnell einem Bettler an der S-Bahn-Station gegeben, dann durch die Passkontrollen und los ging´s. Alles lief problemlos und nach der Landung in Frankfurt wurde er von seiner Mama und Oma begeistert in Empfang genommen. Okay, ist doch nicht so schlecht mit Familie und so, dachte er bei sich. Kaum im Auto und auf dem Weg nach Hause ließ die Begeisterung bei ihm aber wieder nach. Was war mit seinem Willkommensfest? Es sollte erst am Abend stattfinden? Und wer kam alles nicht? Er traute seinen Ohren kaum: Er sollte auch noch bei den Vorbereitungen helfen, weil seine Mutter zur Nachbarin wollte, die wegen ihrer Demenz mal wieder überhaupt nichts in ihrer Wohnung fand und ihre Lebensmittel sonst noch wo hin gepackt hatte. Sein Vater würde später kommen. Er arbeitet beim Jugendamt und musste unbedingt noch den Fall eines völlig verwahrlosten Kindes bearbeiten, das noch heute aus der Familie herausgeholt werden sollte. Sein guter Freund durfte gar nicht kommen, weil er Hausarrest hatte. Und das bloß, weil er einen Freund beschützen wollte, der in eine Prügelei geraten war. Und sein bester Freund, der eigentlich mit zum Flughafen kommen wollte, ist als Messdiener bei einer Beerdigung. Na, das macht ja Stimmung. Und wenn die Leute dort noch wollen, dass er mit Kaffeetrinken kommt, dann sieht er ihn auch erst am Abend, wenn alle anderen da sind und sie keine Ruhe zum Reden haben. Super. Statt seines Freundes war seine Oma mitgekommen. Gefreut hatte er sich schon, mal davon abgesehen, dass sie die gesamte Zeit im Auto erzählt hat, was in ihrem Garten alles zu machen sei, sie doch immer allein ist, weil ihre Tochter und Schwiegersohn arbeiten müssen und sie sich so sehr freut, mit ihm gemeinsam ihre Fernsehsendungen gucken zu können. Der Tag hatte gut angefangen und ging leider schlecht weiter. Ziemlich sauer saß er dann abends bei seiner chaotischen Willkommensfeier. Seine Mama konnte das nicht verstehen und war traurig. Erst als sein bester Freund kam, der sich wirklich beeilt hatte und seine Mama die Mutter von seinem Kumpel überreden konnte, den Hausarrest zu verlegen und sein Vater zwar erschöpft, aber zufrieden nach Hause kam, fühlte er sich besser und es kam Feierstimmung auf. Ja, irgendwie war alles beim Alten geblieben. Schön, wieder da zu sein. Und wenn er an die strahlenden Augen seiner Oma dachte, würde er vielleicht auch den „Fernsehgarten“ ertragen können. 41 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Arbeitsaufträge: 1. 2. 3. 4. 5. Unterstreichen alles, was Deiner Meinung nach zu den Werken der Barmherzigkeit gehört. Tausche Dich mit deinem Nachbarn, Deiner Nachbarin über Deine Ergebnisse aus und kommt zu einem gemeinsamen Ergebnis. Vergleicht Euer Ergebnis mit den Werken der Barmherzigkeit, wie sie aus der Bibel abgeleitet werden. Findet eine Erklärung für mögliche Unterschiede. „Barmherzigkeit zeigt sich im Alltag“. Belege diese Aussage an der Geschichte und ergänze eigene Beispiele. Schärfe deinen Blick für Menschen, die Deine Hilfe brauchen. Nehme dir eine Sache vor, auf die Du diese Woche besonders achten willst. 42 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 3 Arbeitsblatt (b): Barmherzigkeit – eine Geschichte Das Willkommensfest 5 10 15 20 25 Leon konnte es kaum noch erwarten. Und das verblüffte ihn selbst. Wie sehr hatte er sich gewünscht, mal von der Familie weg zu kommen und etwas Sinnvolles zu tun – nicht immer nur Schule, Lernen, Aufräumen, Fernsehen, PC-Spielen. Vier Wochen war er jetzt in Großbritannien gewesen – ein Ferienprogramm, dem seine Eltern gerne zugestimmt hatten, weil sie hofften, seine Englischkenntnisse würden sich in der Zeit verbessern. Nun, das war weniger der Fall. In Nullkommanix lernte er andere Leute aus Deutschland kennen, mit denen er dann meistens zusammen war und arbeitete. Was sie taten, hat Spaß gemacht: in einem Naturschutzgebiet hat er mit seinen Kumpels Tiere beobachtet, verletzte Tiere versorgt, am PC Schutzplaketten erstellt, Schutzzäune bei Brutgebieten erstellt und Besucherwege von Müll gesäubert. Er fühlte sich gut dabei, etwas für die Umwelt getan zu haben. Aber nun ging es heim. Seine Eltern hatten etwas von einem großen Willkommensfest angedeutet, zu dem auch seine besten Freunde aus der Schule eingeladen werden sollten. So, endlich am Flughafen. Die letzten britischen Münzen noch schnell einem Bettler an der S-Bahn-Station gegeben, dann durch die Passkontrollen und los ging´s. Alles lief problemlos und nach der Landung in Frankfurt wurde er von seiner Mama und Oma begeistert in Empfang genommen. Okay, ist doch nicht so schlecht mit Familie und so, dachte er bei sich. Kaum im Auto und auf dem Weg nach Hause ließ die Begeisterung bei ihm aber wieder nach. Was war mit seinem Willkommensfest? Es sollte erst am Abend stattfinden? Und wer kam alles nicht? Er traute seinen Ohren kaum: Er sollte auch noch bei den Vorbereitungen helfen, weil seine Mutter zur Nachbarin wollte, die wegen ihrer Demenz mal wieder überhaupt nichts in ihrer Wohnung fand und ihre Lebensmittel sonst noch wo hin gepackt hatte. Sein Vater würde später kommen. Er arbeitet beim Jugendamt und musste unbedingt noch den Fall eines völlig verwahrlosten Kindes bearbeiten, das noch heute aus der Familie herausgeholt werden sollte. Sein guter Freund durfte gar nicht kommen, weil er Hausarrest hatte. Und das bloß, weil er einen Freund beschützen wollte, der in eine Prügelei geraten war. Und sein bester Freund, der eigentlich mit zum Flughafen kommen wollte, ist als Messdiener bei einer Beerdigung. Na, das macht ja Stimmung. Und wenn die Leute dort noch wollen, dass sein Freund mit Kaffeetrinken kommt, dann sieht er ihn auch erst am Abend, wenn alle anderen da sind und sie keine Ruhe zum Reden haben. Super. Statt seines Freundes war seine Oma mitgekommen. Gefreut hatte er sich schon, mal davon abgesehen, dass sie die gesamte Zeit im Auto erzählt hat, was in ihrem Garten alles zu machen sei, sie doch immer allein ist, weil ihre Tochter und Schwiegersohn arbeiten müssen und sie sich so sehr freut, mit ihm gemeinsam ihre Fernsehsendungen gucken zu können. 30 35 Der Tag hatte gut angefangen und ging leider schlecht weiter. Ziemlich sauer saß er dann abends bei seiner chaotischen Willkommensfeier. Seine Mama konnte das nicht verstehen und war traurig. Erst als sein bester Freund kam, der sich wirklich beeilt hatte und seine Mama die Mutter von seinem Kumpel überreden konnte, den Hausarrest zu verlegen und sein Vater zwar erschöpft, aber zufrieden nach Hause kam, fühlte er sich besser und es kam Feierstimmung auf. Ja, irgendwie war alles beim Alten geblieben. Schön, wieder da zu sein. Und wenn er in die strahlenden Augen seiner Oma dachte, würde er vielleicht auch den „Fernsehgarten“ ertragen können. 43 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Arbeitsaufträge: 1. Lies die markierten Textstellen. Haben diese Handlungen etwas mit Barmherzigkeit zu tun? 2. Tausch Dich mit deinem Nachbarn, Deiner Nachbarin zu der oben stehenden Frage aus und kommt zu einem gemeinsamen Ergebnis. 3. Vergleicht Euer Ergebnis mit den Werken der Barmherzigkeit, wie sie aus der Bibel abgeleitet werden. Findet eine Erklärung für mögliche Unterschiede. 4. „Barmherzigkeit zeigt sich im Alltag“. Belege diese Aussage an der Geschichte und ergänze eigene Beispiele. 5. Schärfe Deinen Blick für Menschen, die Deine Hilfe brauchen. Nehme Dir eine Sache vor, auf die Du diese Woche besonders achten willst. 44 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 4 Arbeitsblatt: Barmherzigkeit Entwicklung eines Beichtspiegels (I) Was ist ein Beichtspiegel? Ein Beichtspiegel ist eine Ansammlung von Fragen, die helfen, das eigene Gewissen zu erforschen und zu realisieren, was man selbst vielleicht falsch gemacht haben könnte. Dieses Hilfsmittel zur Gewissenserforschung dient der Vorbereitung auf das Sakrament der Buße, auch Sakrament der Versöhnung genannt (Beichte) und ist als einzelnes Heftchen oder in verschiedenen Büchern enthalten, so zum Beispiel auch im Gotteslob. Umfang und Aufbau ist sehr unterschiedlich und hat sich im Laufe der Zeit auch sehr verändert. Klassisch ist die Gliederung nach den Zehn Geboten. Welche Merkmale soll ein Beichtspiegel Deiner Meinung nach haben? o o o o o o o o o o o o o o o o o Alltagsbezug Fragen aus dem Schulleben Fragen zum Umgang mit dem anderen Geschlecht Fragen zum Verhalten in der Familie verständliche, altersgerechte Fragen moderne Sprache nicht mehr als zwei Seiten knappe Überschriften religiöser Bezug kein zu deutlicher religiöser Bezug thematische Gliederung orientiert an den Zehn Geboten bebildert grafisch attraktiver, z.B. Sprechblasen nach geringem Fehlverhalten fragen positive Formulierungen: Vorschläge zum besseren Verhalten Gedächtnisstütze Arbeitsaufträge: 1. Kreuze fünf Punkte an, die Deiner Meinung nach ein guter Beichtspiegel erfüllen muss, um Jugendliche anzusprechen. 2. Lese zwei der sieben Abschnitte aus dem Beichtspiegel im Gotteslob, Nr. 600, Abschnitte 1- 7. 3. Überprüfe diese Abschnitte nach den von Dir gewählten Kriterien. Was ist gelungen? Was würdest Du anders schreiben? 4. Schreibe zu den von Dir gewählten Abschnitten aus dem Gotteslob neue Fragen, die Deinen Kriterien entsprechen. 5. Gib Deinen kleinen Beichtspiegel Deinem Nachbarn, Deiner Nachbarin zur Bewertung. Ist die Umsetzung Deiner Kriterien gelungen? Muss etwas überarbeitet werden? Es soll keine Benotung erfolgen! 45 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 4 – Arbeitsblatt a: Barmherzigkeit - Entwicklung eines Beichtspiegels 46 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 4 – Arbeitsblatt b: Barmherzigkeit - Entwicklung eines Beichtspiegels 47 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 4 – Arbeitsblatt c: Barmherzigkeit - Entwicklung eines Beichtspiegels 48 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit „Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht“ (Jak 2,13)1 Ein Leittext für die Sek II von Joachim Reger Papst Franziskus hat für das Jahr 2016 ein außerordentliches Heiliges Jahr ausgerufen, das dem Thema der „Barmherzigkeit“ gewidmet ist. Mit seiner Wahl rückt Papst Franziskus die Tugend der Barmherzigkeit in das Zentrum des Interesses, die bisher eher eine theologisch vernachlässigte Thematik darstellte. Die Barmherzigkeit knüpft an die urmenschliche Erfahrung des Mitleids mit leidenden Menschen an, was die enge Verwandtschaft der beiden Begriffe „Barmherzigkeit“ und „Mitleid“ verständlich macht. Beide Worte gehen schon rein sprachlich ineinander über, was das lateinische Wort „misericordia“ verdeutlicht. „Misericordia“ meint entsprechend seiner lateinischen Wortbedeutung sein Herz (cor) bei den Armen (miseri) haben, ein Herz für die Armen haben. „In diesem allgemein-menschlichen Sinn bedeutet Barmherzigkeit/misericordia die Haltung, welche den eigenen Egoismus und die eigene Ich-Zentriertheit überschreitet und das Herz nicht bei sich, sondern bei den Anderen, besonders bei den Armen und Notleidenden aller Art hat.“2 Die Barmherzigkeit steht gegenwärtig in keinem guten Ruf. Sie wird als ethische Grundhaltung geschätzt, aber immer wieder mit Schwäche, Inkonsequenz und Nachgiebigkeit verwechselt. Barmherzig seien vorwiegend Menschen, denen es an Kraft zur Durchsetzung fehle. Eine solche Schwäche passe nicht in eine Zeit, die sich vor allem über technische Allmacht und Leistung definiere. Gleichzeitig bewirkt die gegenwärtige Daseinskälte aber ein tiefes Bedürfnis nach einer Kultur der Barmherzigkeit, welche dem Menschen wieder den nötigen Raum schenkt, zu sich selbst und zum Nächsten zu finden. Das Christentum kann in diese Eiszeit das Wort der göttlichen Barmherzigkeit sprechen. Die Bücher des Alten Testamentes benutzen, um den Begriff „Erbarmen“ auszudrücken, vor allem zwei Wörter. Zunächst das Wort „häsäd“, das eine tief verwurzelte Haltung von Güte zum Ausdruck bringt. Diese erwächst aus der inneren Verpflichtung zweier Menschen zueinander, die Treue hervorruft. Im Alten Testament erscheint „häsäd“ daher meistens im Zusammenhang mit der Treue Jahwes zu seinem Volk, die in seinem Bund mit Israel Gestalt gewinnt. Das zweite Wort „raham“ lässt die Mutterliebe anklingen. Die Mutterliebe Gottes zu seinem Volk findet ihren Ausdruck in der Rettung aus Gefahren, der Vergebung der Sünden und schließlich in der Entschlossenheit Jahwes, die endzeitliche Verheißung trotz der Verfehlungen der Menschen zu erfüllen. Es ist immer noch die Ansicht verbreitet, der Gott des Alten Testamentes sei ein zorniger und strafender Gott. Diese Auffassung ist insofern zutreffend, als die Zeugnisse des Alten Bundes Texte enthalten, die einem solchen Gottesbild Vorschub leisten. Eine umfassende Sichtung der Quellen offenbart aber eine alttestamentliche Vorstellung von Gott, welche Jahwe auch als einen Gott des Erbarmens erweist. Die Texte des Alten Bundes stehen damit nicht im Widerspruch zur Selbstoffenbarung Gottes im Neuen Testament. Besonders die Propheten betonen im Zusammenhang mit den Vergehen des Volkes Israels immer wieder das Erbarmen Gottes. Der Herr liebt Israel in Form einer besonderen Erwählung, ähnlich der Liebe eines Bräutigams (Hos 2,21-25), die bewirkt, dass Gott sein Volk immer wieder annimmt (Jer 31,20; Ez 39,25-29). Exemplarisch steht die grundlegende Erfahrung des auserwählten Volkes in der Zeit des Exodus: der Herr sah das Elend des versklavten Volkes, hörte seine Schreie, erkannte seine Bedrängnis und beschloss, es zu befreien (Ex 3,7ff.). Besonders bedeutsam ist, dass Jahwe sein Erbarmen gerade dann erweist, wenn sein Volk sich der Sünde hingibt (Ex 34,6; Num 14,18; 2 Chr 30,9 u.a.). Das Erbarmen, als grundlegende Wesenseigenschaft Gottes, steht im Alten Testament der Gerechtigkeit gegenüber, erweist sich aber als stärker und tiefer. Die Gerechtigkeit ist eine Eigenschaft Gottes, wird aber von Verwendete und empfohlene Literatur: Barmherzigkeit, in: Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 2, Freiburg 2006. Johannes Paul II: Enzyklika „Dives in misericordia“, 30.11.1980. Kasper, Walter: Barmherzigkeit, Grundbegriff des Evangeliums – Schlüssel des christlichen Lebens, Freiburg 2012. 2 Kasper, 29f. 1 49 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit der Größe seiner Liebe überragt. „Die Liebe motiviert (...) die Gerechtigkeit, und die Gerechtigkeit dient letztlich der Liebe. Der Vorrang und die Erhabenheit der Liebe gegenüber der Gerechtigkeit (...) kommen gerade im Erbarmen zum Ausdruck.“3 Gottes Barmherzigkeit erwächst somit nicht aus Schwäche, sondern aus der Stärke seiner Liebe, welche die Gerechtigkeit überschreitet. Jesus Christus bezeugt seinen Vater, indem er an die Tradition des Judentums, seiner Religion, anknüpft. In Wort und Tat offenbart er Gott als den Barmherzigen. Neben dem sprichwörtlich gewordenen Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) wird die Barmherzigkeit Gottes vor allem im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) anschaulich. Gemäß dem alttestamentlichen Verständnis des Erbarmens besteht die Hinwendung des Vaters zum verlorenen Sohn nicht in einer vordergründigen Gefühlsregung, sondern in der Treue zu seiner Liebe, welche besorgt ist um die Würde des Sohnes. Das Erbarmen des Vaters pervertiert daher nicht zu einer Bewegung der Herablassung, sondern wird zum Ausdruck der besonderen Wertschätzung. Barmherzigkeit bringt die Stärke der Liebe zum Ausdruck, die jede Gerechtigkeit überschreitet. Die angesprochenen Gleichnisse offenbaren Gott somit als wesenhaft barmherzig. Die Barmherzigkeit ist die nach außen sichtbare Seite des Wesens Gottes, der Liebe ist (1 Joh 4,8.16). Die Barmherzigkeit stellt die grundlegende Eigenschaft Gottes dar, da in ihr die Stärke und Kraft seiner Liebe zu den Menschen deutlich wird. Dieser göttliche Wesenszug ist der zentrale Beweggrund des Heilsgeschehens von Geburt, Tod und Auferstehung Jesu. Gottes Allmacht ist so umfassend, dass er sich auf die Welt einlassen kann und Mensch wird. Gottes Stärke kommt nicht dadurch zum Ausdruck, dass er sich über alles und jeden erhebt, sondern ein Herz für die Menschen hat, ihnen nahe kommt. Maria kann deshalb im Magnifikat bekennen: „Gott erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ (Lk 1,50). Das Erbarmen Gottes verdeutlicht, das wahre Barmherzigkeit nicht aus Inkonsequenz oder Mittelmäßigkeit erwachsen kann, sondern nur aus der Stärke der Liebe, welche bloße Gerechtigkeit übersteigt. Gottes Allmacht offenbart sich vollkommen in seiner Bereitschaft mit den Menschen zu leiden. Die traditionelle Theologie ging davon aus, dass Gottes Allmacht und Absolutheit einer inneren Betroffenheit Gottes durch das Leiden der Menschen widerspräche. Gott könne daher nicht leiden. Die Menschwerdung Gottes bewirkt aber, dass Gott in Jesus Christus mit uns und für uns leiden will. Es gehört zur Allmacht der Liebe, sich vom Leid betreffen zu lassen. Diese Betroffenheit wird nirgends so deutlich wie im Schrei Jesu am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ (Mk 15,34). Gottes Allmacht offenbart sich in seiner Barmherzigkeit, die sich in seiner freien Wahl zeigt, den Weg des Leidens bis zum Ende zu gehen. Dieser Weg wird in der Auferstehung von den Toten vollendet. In ihr hat Christus insofern den erbarmenden Gott offenbart, als er das Kreuz als Weg zur Auferstehung auf sich genommen hat. Gottes Barmherzigkeit ist stärker als der Tod. Barmherzigkeit ist daher nicht, wie immer wieder angenommen wird, Ausdruck von Schwäche und Nachgiebigkeit, sondern erwächst aus einer Liebe, die so stark ist, dass sie sich wirklich einlassen kann. Sie gelangt zu einem tiefen Verstehen des Nächsten und sprengt die Enge bloßer Gerechtigkeit. Barmherzigkeit fordert die Stärke, über sich selbst hinauszuwachsen und frei zu werden für das Du. Die Barmherzigkeit braucht die Gerechtigkeit, damit sie sich nicht in Willkür verliert. Ihre menschenwürdige Gestalt erlangt die Gerechtigkeit aber nur dann, wenn sie aus der Kraft wahrer Liebe erwächst. Aus diesem Grund triumphiert die Barmherzigkeit über das Gericht (Jak 2,13). Jesus Christus hat diese Kraft der Liebe aufgebracht. Seine Allmacht befähigte ihn, sich wirklich einzulassen, in seiner Menschwerdung und bis zu seinem qualvollen Ende am Kreuz. Jesus ist wahrhaft barmherzig. Seine Auferstehung von den Toten gibt dem Triumph der Barmherzigkeit über die Gerechtigkeit konkrete Gestalt. Die Tugend der Barmherzigkeit entlässt konkrete Handlungsanweisungen, die in den sogenannten „Werken der Barmherzigkeit“ ihre Ausfaltung gefunden haben. Man unterscheidet die leiblichen Werke der Barmherzigkeit 3 Dives in misericordia Nr. 4. 50 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit (Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde aufnehmen, Nackte kleiden, Kranke besuchen, Gefangene befreien, Tote bestatten, vgl. Mt 25,31-46) von den geistigen Werken der Barmherzigkeit (Unwissende lehren, Zweifelnden raten, Trauende trösten, Irrende zurechtweisen, Unrecht ertragen, Beleidigungen verzeihen, für Lebende und Tote beten). Aus diesen Tugenden lässt sich ein ganzes Programm für die Gestaltung der Gesellschaft, der Kirche, der Schulgemeinschaft sowie jedes Einzelnen ableiten. Der Religionsunterricht wird bei der Beschäftigung mit der Tugend der Barmherzigkeit darauf achten müssen, dass es sich dabei nicht nur um eine ethische Handlungsanweisung handelt, sondern um eine Lebensgestaltung, die in Gott selbst ihr Vorbild nimmt. Die Nutzbarmachung der Religion für die Ethik darf nicht dazu führen, das Zentrum der christlichen Ethik aus dem Blick zu verlieren: Jesus Christus. Die Tugend der Barmherzigkeit eröffnet die Möglichkeit für zahlreiche Einheiten im Religionsunterricht, die hier nicht vollständig, sondern nur assoziativ angesprochen werden sollen. Ein erster Themenschwerpunkt ergibt sich aus dem Gottesbild, welche sich in Gottes Barmherzigkeit zeigt. Zentrale biblische Texte wie das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37), das Gleichnis vom barmherzigen Vater (Lk 15,11-32) sowie die Bergpredigt (Mt 5) können helfen, das Antlitz eines barmherzigen Gottes zu zeichnen. Die Tugend der Barmherzigkeit ist geeignet, um über das Wesen und die konkrete Gestalt der Kirche nachzudenken. Die diesbezüglichen Reflexionen erschöpfen sich vielfach im Aufweis einer Kriminalgeschichte der Kirche, die ihre Unbarmherzigkeit offenbart. Der Religionsunterricht könnte aber darüber hinaus versuchen, den Spuren der Barmherzigkeit in der Geschichte der Kirche nachzugehen, welche beispielsweise in der urkirchlichen Speisung der Armen, im frühkirchlichen Ketzerstreit, den mittelalterlichen Hospizen und dem Engagement der Kirche im Bereich der Caritas aufscheint. Darüber hinaus gibt die Tugend der Barmherzigkeit Gelegenheit, über die Gestaltung der modernen Gesellschaft zu reflektieren. Die Katholische Soziallehre gibt hier wichtige Prinzipien vor, die Ausdruck des Zusammenlebens von Menschen darstellen, deren Horizont sich nicht auf Leistung und Durchsetzung der eigenen Bedürfnisse reduziert. Schließlich kann die Tugend der Barmherzigkeit dazu dienen, dem oder der einzelnen Schüler.in Haltungen bewusst zu machen, die für eine Kultur der Barmherzigkeit notwendig sind: Einfühlungskraft, die sie/ihn befähigt, die Bedürfnisse des Anderen wahrzunehmen, Dankbarkeit, über alles das, was dem Menschen geschenkt wurde. Konkrete caritative Projekte könnten in Angriff genommen werden. Die Sakramente sind die genuinen Zeichen der Barmherzigkeit Gottes in der Welt. Die Tugend der Barmherzigkeit kann als Schlüssel dienen, die Bedeutung der Sakramente neu zu erschließen, denn die Wurzel der christlichen Barmherzigkeit ist nicht bloße Tugend, sondern die Liebe Gottes, die sich in den Sakramenten den Menschen zeigt. Autor Dr. Joachim Reger studierte Katholische Theologie in Eichstätt und Boston/USA. 1984 Diplom in Katholischer Theologie. Nach der Priesterweihe 1986 Tätigkeit als Religionslehrer und Hochschulseelsorger im Bistum Speyer. 1999 Doktor der Philosophie. Lehrbeauftragter der Universität Koblenz-Landau, Abteilung Landau. 2004 Habilitation im Fach Fundamentaltheologie durch die Theologische Fakultät Trier. 2005 Privatdozent der Theologischen Fakultät Trier. 2006 Lehrbeauftragter der Ludwigs-Maximilians Universität, München. 2007 Ordentliches Mitglied der Klasse VII Weltreligionen der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Salzburg. PD Pfarrer Dr. Joachim Reger Lehrer am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Neustadt [email protected] 51 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Compassion! - Wie barmherzig sind wir? Unterrichtsbausteine zum Thema Barmherzigkeit im RU der MSS von Christine Ehret-Cassel Didaktik und Einordnung in den Lehrplan Die SuS der MSS12 befinden sich Mitten im Übergang von Schule und weiterer Lebensplanung, was nicht wenige von ihnen vor viele offene Fragen stellt. Nicht immer kann – oder darf – das Elternhaus dabei Orientierung geben. So kommt gerade dem Religionsunterricht und dem / der Religionslehrer.in bei der Klärung diverser Lebensfragen eine gewichtige Rolle zu. In Anbindung an die Glaubensinhalte, in der MSS12 konkret: durch Jesu Leben und Lehre, kann den SuS ein Orientierungsrahmen eröffnet werden, wie individuelles Leben UND Leben in Gemeinschaft gelingen kann. Wo stehe ich? Wo will ich in meinem Leben hin? Welche Haltung und Prinzipien sollen dabei mein Handeln bestimmen und können mir in schwierigen Situationen helfen zurechtzukommen? ... Dies sind nur einige Fragen, die durch unterschiedliche thematische Aspekte im RU beleuchtet werden und dadurch zum reflektierten Denken und Handeln anleiten können. Compassion, zu deutsch: Barmherzigkeit, ist ein christliches Motiv, das junge Menschen als Handlungsmotivation des Helfens prüfen und zur eigenen Lebensgestaltung als moderne Christen heranziehen sollen. Solidarität, Subsidiarität und Personalität als Lebensgestaltungsprinzipien in einer Gemeinschaft zu leben, darum soll es gehen. Der rheinland-pfälzische Lehrplan für das Fach katholische Religion in der MSS bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, das Thema Barmherzigkeit aufzugreifen und mit den Schülerinnen und Schülern in Verbindung zu bringen. Die hier vorgestellten Bausteine bieten die Verquickung des der Halbjahresthemen in der MSS 12.1, „Jesus Christus und die Kirche“ und MSS 12.2 „Gutes Handeln unter dem Anspruch des Christseins“. Im Zentrum der hier kurz entworfenen Materialien steht das biblische Gleichnis vom barmherzigen Vater, das im Rahmen des Halbjahresthemas 12.1 als Teil Jesu Verkündigung vom Reich Gottes interpretiert wird. Erweiterung und Transfer erfährt es durch die Aktualisierung und Anwendung auf die Schüler-Welt, welche sich dem Halbjahresthema 12.2 verpflichtet sieht. Viele (meiner) SuS im gk12 streben nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr an oder wollen mit Hilfe einer der vielen Organisationen 6-12 Monate in einem Entwicklungsland mit Kindern und Jugendlichen soziales Engagement beweisen. Sie nutzen diese Möglichkeiten auch, um sich für ihre eigene weitere Lebensgestaltung zu orientieren. Dieser konkrete Wunsch vieler SuS soll daher als Lernanlass dienen, von der die Unterrichtsplanung ausgeht. Didaktisch-methodische Hinweise Die folgenden Materialien (M1-5) sind als Bausteine zu verstehen, die genutzt werden können, um die angestrebte(n) Intention(en) zu erreichen. Sie können chronologisch als Unterrichtsreihe oder als ‚Steinbruch’ für eine individuellere Unterrichtssequenz nutzbar gemacht werden. Zum Einstieg können die SuS mit Menschenbildern (M1) an das Thema herangeführt werden. Indem jede/r ein Foto auswählt und eine Biografie (aus der Ich-Perspektive oder mit Namen) erfindet und erzählt, werden die SuS zum einen für unterschiedliche Lebensläufe sensibilisiert, gleichzeitig können diese eventuell in einem thematisch passenden Gottesdienst (siehe Zeitaufgabe, M5) am Ende verwendet werden. Die Auswertung kann 52 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit mit Blick auf Kategorien wie Sinn – Sinnlosigkeit, Zufriedenheit – Unzufriedenheit, Glück – Unglück etc. gestaltet werden. Die SuS sollten sich auf drei (maximal auf fünf) wichtigste, reflektierte Aspekte einigen.4 In Anknüpfung an einen der Lebensläufe kann eine These Peter Singers (M2)5 kritisch erörtert werden. Im Sinne der „Praktischen Ethik“ Singers eignet sich primär die Erörterung des Wertes behinderten Lebens, aber im Sinne der Reihe lässt sich auch die Frage nach der Wertigkeit, nach Glück und Unglück, nach Sinn und Sinnlosigkeit als weitere Aspekte diskutieren. Hiervon ausgehend kann je nach Wahl des Einzelthemas z.B. auch die Bioethik vertiefend behandelt werden, in diesem Fall würde das folgende M3 entfallen. In einem weiteren Lernschritt können mit Hilfe des ZEIT-Artikels „Warmherzig, barmherzig“ (M3) Leitfragen der Sequenz hergeleitet werden. Zur Anbahnung, als Anschluss an den Einstieg und zum Abruf des Vorwissens der SuS sollte zunächst ein Bild des ehemaligen Limburger Bischofs gezeigt werden. Der Zeitungsartikel wirft am Beispiel Tebartz-van Elst die Frage, wann wem wie viel Barmherzigkeit (durch wen) widerfahren kann/darf (vgl. M3b, Stichwort „Umkehr“, Z.33) oder warum welche Gerechtigkeit dem „bishop of bling“ (M3b, Z.25) widerfahren soll. - Selbstverständlich muss neben dem Inhalt des Zeitungsartikels auch die sprachliche Dimension des Textes funktional analysiert werden, damit die SuS die Thesen verstehen und adäquat erörtern können. Inhaltlich gilt es Schlüsselbegriffen, wie zum Beispiel „Umkehr“ (Z.33), und besonders dem letzten Absatz Interesse zu schenken, denn hier kann sowohl die grundlegende Begrifflichkeit (Compassion/Barmherzigkeit) geklärt als auch von der geäußerten Einschränkung ihrer Gültigkeit („nur für Männer,...“) organisch zum Gleichnis des verlorenen Sohnes als biblisches Beispiel universaler Barmherzigkeit (Gottes) übergeleitet werden. Das Gleichnis vom barmherzigen Vater (M4a) ist die zentrale Stelle des hier vorgestellten Materials und entworfenen Lernprozesses. Es dient als biblisches Beispiel für die Barmherzigkeit Gottes gegenüber den Menschen sowie für sozial-engagiertes Handeln, da das in der Erzählung beschriebene Fest am Ende als Heilsfindung in der Gemeinschaft gedeutet werden kann. Auch hier geht es um ein Leben „mit bling“ und die Frage, warum diesem, der so sorglos und rücksichtslos lebt, Barmherzigkeit widerfahren soll etc. Da wohl einige SuS demgegenüber die Behandlung des älteren Sohnes in Frage stellen werden, welcher ja fleißig zu arbeiten scheint und dafür aber (vermeintlich) nicht „belohnt“ wird, gilt es auch dezidiert auf diese Figur der Erzählung (Verhalten, Beziehung zum Vater) zu achten. Differenzierende Arbeitsaufträge, etwa in arbeitsteiliger Gruppenarbeit, können diese Fokussierung erleichtern bzw. unterstützen. Der Rückbezug zur Problematisierung, d.h. zur aus dem ZEIT-Artikel herausgearbeiteten Leitfrage, sollte bei der Auswertung der Ergebnisse zum Gleichnis nicht aus den Augen verloren und abschließend beantwortet werden. Das mögliche Tafelbild (M4b) bezieht sich auf das Gleichnis und dessen Deutung im Allgemeinen, es sollte nach der im Folgenden beschriebenen Vertiefung noch um den Ausdruck der Barmherzigkeit (Interpretation von Ring und Fest) erweitert werden. Im Anschluss (oder bei leistungsstarken bzw. religiös gut sozialisierten SuS gleichzeitig!) kann im Sinne methodischer Kohärenz und nachhaltigen Lernens erneut die produktionsorientierte Methode des biografischen Schreibens aus dem Einstieg (vgl. M1) eingesetzt werden. Einige künstlerische Darstellungen des Gleichnisses (M5) bieten Anlass und Raum, die erarbeitete Intention des Gleichnisses (text)produktiv umzuwälzen. Wie bereits erwähnt ist auch die Perspektive des älteren Sohnes auf die Reaktion des Vaters interessant. In der Auswertung der verfassten Monologe sollte in diesem Zusammenhang ebenso Augenmerk auf die Bedeutung des Festmahls als Heilserfahrung gelegt werden, die jenem offen steht, der sich selbst öffnet. Durch dieses Vorgehen kann, falls noch nicht geschehen, der Blick erneut in den Primärtext gelenkt werden und die Einladung des Vaters und das Festmahl differenzierend gedeutet werden. Die Ergebnisse sind im entstandenen Tafelbild (günstiger: OHF oder Smartboard) zu ergänzen (vgl. M4c). Vgl. Vogel; Wawroscheck: Fach Religion, Unterrichtseinheit: Biografische Zugänge zu Compassion. In: Kuld; Gönnheimer (Hrsg.): Praxisbuch Compassion. Soziales Lernen an Schulen. Praktikum und Unterricht in den Sekundarstufen I und II. Donauwörth, 2004, S. 105. 5 Ebd. S. 111. 4 53 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Die aus dem Text ausgedeutete Barmherzigkeit Gottes, die Heilsfindung in der Gemeinschaft mit Gott UND anderen Menschen, soll Ausgangpunkt für den Transfer auf die Schüler-eigene Erlebenswelt sein. Die durch Jesu Wort aufgeworfene Frage kann lauten: Wie können wir die Barmherzigkeit, das Heil in der Gemeinschaft, das materielle oder auch das individuelle Heil erfahren ODER erfahrbar machen? Die unterrichtliche Umsetzung hängt sowohl von den äußeren und inneren Gegebenheiten der jeweiligen Schule als auch vom individuellen Kurs samt Religionslehrer.in ab. Je nach Engagement und o.g. Möglichkeiten kann Compassion über den Fachunterricht hinaus Umsetzung finden, indem die SuS des Kurses beispielsweise für den Rest des Schul(halb)jahres in Kleingruppen einmal pro Woche in einer Suppenküche oder einer Stätte für geistig/körperlich behinderte Jugendliche freiwillige Arbeit leisten. Einige weitere Ideen, die je nach schulischen Gegebenheiten und Zeit innerhalb oder außerhalb des RU das Thema Barmherzigkeit lebendigere Wirklichkeit werden lassen, seien hier in einer Auswahl vorgestellt (M6). Sicher haben die SuS auch eigene gute Ideen, die umsetzbar sind. Autorin Christine Ehret-Cassel studierte Katholische Theologie und Germanistik an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz. Oberstudienrätin Christine Ehret-Cassel Fachleiterin katholische Religion am Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien, Speyer; Lehrerin am Gymnasium am Kaiserdom, Speyer 54 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Material M 1 - Menschenbilder, eine Biografie erfinden und erzählen Q.:diakonie-pfalz.de Q.:msagd.rlp.de Q.:wdr.de Q.:cbm.de Q.:familienratgeber.de Q.:blog.taz.de 55 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 2 - These aus Peter Singers „Praktischer Ethik“ These: Wir untersuchen die Absicht, dass alles menschliche Leben in gleichem Maße wertvoll u nd unverletzlich sei. Wir kommen zu dem Schluss, dass diese Absicht ein Erbe der jüdisch-christlichen Tradition ist und sich nur in religiösen Begriffen begründen lässt. Daher meinen wir, dass wir diese Absicht verwerfen und offen anerkennen müssen, dass einige Leben wertvoller sind als andere. Begründung: Menschen entscheiden immer schon über den „Wert“ des Lebens (z.B. beim Töten von Tieren) und greifen (z.B. in der modernen Medizin) in die natürlichen Ursachen von Tod und Sterben ein. Nach Vogel; Wawroscheck: Fach Religion, Unterrichtseinheit: Biografische Zugänge zu Compassion. In: Kuld; Gönnheimer (Hrsg.): Praxisbuch Compassion. Soziales Lernen an Schulen. Praktikum und Unterricht in den Sekundarstufen I und II. Donauwörth, 2004, S. 111. M 3 – „Warmherzig, barmherzig“ – Wie viel Barmherzigkeit ist erlaubt? M 3a Q.: de.wikipedia.org/ 56 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 3b - Warmherzig, barmherzig Die Kirche lässt die Ihren nicht im Stich. Auch gefallene Bischöfe erhalten noch eine Chance. VON CHRISTIANE FLORIN / DIE ZEIT Nº 05/2015, 29. Januar 2015 07:00 Uhr 5 10 15 20 25 30 35 Arbeitslose Schlecker-Frauen könne man doch zu Erzieherinnen umschulen, schlug vor Jahren die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen vor. Da bekamen die Eltern all der früh geförderten Charlottes und Friedrichs Angst: Wer jahrelang Shampoos einsortiert hat, hält womöglich Jesper Juul für eine schwedische Haarspülung. Der Umschulungsvorschlag fiel durch. Dann interessierte sich niemand mehr für die Schlecker- Frauen. Freie Wirtschaft, freier Fall. Die katholische Kirche, derzeit weltweit führender Anbieter von Kapitalismuskritik, zeigt, dass es auch warmherziger geht. Gestrauchelte Kirchenmänner sind auf dem Arbeitsmarkt noch schwerer vermittelbar als entlassene Schlecker-Frauen. Für die einstigen Topverkäufer der Frohen Botschaft wurde deshalb ein Coaching-Programm namens Compassion aufgelegt. Es umfasst die Module Einsicht, Reue, Umkehr und persönliche Wünsche. Diese sind beliebig kombinierbar, ihre Intensität und Dauer wird auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt. Als einer der ersten Deutschen kam Walter Mixa in den Genuss des Angebots. Der einstige Bischof von Augsburg hatte nach eigenen Angaben "die eine oder andere Watsch’n" an Heimkinder ausgeteilt. Von einer Umschulung zum Montessori-Pädagogen wurde abgesehen. Der Bischof durfte eine Weile mit evangelikalen Methoden experimentieren, wurde aber dann 2012 sanft wieder in römisch-katholische Zusammenhänge eingegliedert. Walter Mixa gehört seitdem dem Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst an, zelebriert Gottesdienste und trifft gelegentlich in vollem Bischofsornat die alten Kollegen. Seine persönliche Homepage ist so gut gepflegt wie sein Haar, der Terminkalender lässt auf ein erfülltes Dasein schließen. "Ich kann Compassion nur von ganzem Herzen empfehlen", sagt er. Wie individuell die Module angepasst werden können, zeigt das Beispiel des früheren Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Er trat im März 2014 zurück. Externe Experten ventilierten über die Medien verschiedene Vorschläge für das Modul "tätige Reue". Dem früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler schwebte ein Bistum in Afrika vor, dafür musste er sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, neo-kolonial zu denken. Spaßigere Naturen sahen den ästhetisch versierten Kirchenmann als Assistenten in einer Neuauflage der RTL-Deko-Soap Einsatz in vier Wänden. Wieder andere empfahlen ihm ein unscheinbares Pastoraltheologenleben in den USA. Auch Theologie-Studenten könnten ja eine Strafe sein. Doch weil es der bishop of bling bis in amerikanische Satiresendungen geschafft hatte, war die Unscheinbarkeit vorbei, bevor sie beginnen konnte. Sämtliche deutschen Brennpunktpfarreien lehnten eine Aufnahme des Problembischofs ab. In Regensburg fand Franz-Peter Tebartz-van Elst schließlich Zuflucht und Zuspruch. Doch auch hochrangige Kleriker haben ein Recht, glücklich zu sein, lautet das Credo des katholischen Coachings. Franz-Peter Tebartz-van Elst wird, bisher unbestätigten Gerüchten zufolge, eine Aufgabe im päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung übernehmen. Limburg, Regensburg, Vatikan: In der freien Wirtschaft nennt man so etwas "nach oben fallen", in der Kirche ist diese Bewegung als "Umkehr" geläufig. Franz-Peter Tebartz-van Elst darf oben noch einmal ganz von vorn anfangen. Vom Schreibtisch aus wird er neue Christinnen und Christen von der Freude des Evangeliums überzeugen. Wenn er bis Jahresende 2015 mehr Katholiken hinzugewonnen hat, als seinetwegen aus der Kirche ausgetreten sind, darf er eine Frühmesse im Petersdom zelebrieren. Compassion heißt Barmherzigkeit. Und Barmherzigkeit heißt: Wer auf dem Boden liegt, dem wird geholfen. Bedingungslos. Das gilt aber nur für Männer, die nach Rom unterwegs sind. Q.: http://www.zeit.de/2015/05/tebartz-van-elst-compassion-vatikan, letzter Zugriff 08.09.2015 57 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 4 - Biblische Begründung für Barmherzigkeit M 4a - Lk 15,11-32 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn 11Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. 12Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. 13Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. 14Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. 15Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. 16Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. 17Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um. 18Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. 19Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. 20Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. 22Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. 23Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. 24Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. 25Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. 26Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. 27Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. 28Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. 29Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. 30Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. 31Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. 32Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Text: Die Bibel. Einheitsübersetzung 58 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Ehret-Cassel und J. Distelrath). Hrsg.: Bischöfliches Ordinariat Speyer, geplant für 2016. Q,: Skript zur differenzierenden Behandlung des Gleichnisses vom barmherzigen Vater im RU der Grundschule, Orientierungsstufe, Sek I und MSS; hier konkret: in der MSS. (von C. M 4b mögliches Tafelbild 59 M 4c mögliches Tafelbild als Darstellungsvariante, inkl. Deutung des Festmahls 60 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 5 - künstlerische Darstellungen zum Gleichnis vom barmherzigen Vater ( Max Slevogt, 1886-1932: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes (Ausschnitt)) Q.:http://www.reformiert-.‐info.de/4010-.‐0-.‐105-.‐15.html (Rembrandt Harmensz. van Rijn, 1636: Der verlorene Sohn ) Q.: http://www.ehlerding1.de/Rembrandt%20-.‐%20Maler%20der%20Bibel.htm ( Walter Habdank, 1978: Rückkehr des Sohnes) Q.: http://www.dreikoenigsgemeinde.de/glaube/philSchmidt_predigt_44.php (Marc Chagall, 1975-76: Der verlorene Sohn ) Q.: http://www.muensterlandzeitung.de/storage/pic/mdhl/fotostrecken/leben-.‐erleben/kultur_muensterland/2012/10-.‐ 2012/marcchagall/3442916_1_Marc_Chagall_Der_verlorene_Sohn_1975-.‐76_l_auf_Leinwand_Privatsammlung__VG_Bild-.‐Kunst_Bonn_.jpg?version=1387328921 Möglicher Arbeitsauftrag: 1. Wählen Sie EIN Bild aus und verfassen Sie aus Sicht des älteren ODER jüngeren Sohnes einen inneren Monolog. 2. Begründen Sie anschließend in wenigen Sätzen, was Ihnen bei der Gestaltung wichtig war und worin Sie dies inhaltlich wie sprachlich umgesetzt sehen. 3. Überprüfen Sie, inwiefern Ihr Monolog sowohl in Verbindung mit dem Bild als auch in Verbindung mit dem Gleichnis stimmig ist, indem Sie mit einem/r Mitschüler.in, der/die das gleiche Bild gewählt hat, Ihre Ergebnisse zu Nr. 1+2 austauschen und Feedback geben. 61 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit M 6 - Ideensammlung für Zeitaufgaben: Compassion in unserer Zeit Wählen Sie eine der folgenden Aufgaben aus, die Sie je nach Arbeitsauftrag alleine oder als Kleingruppe umsetzen. – Bei Gruppenarbeiten ist die Leistung des Einzelnen auszuweisen, damit eine individuelle Bewertung erfolgen kann! Den Abgabetermin Ihrer Arbeit entnehmen Sie dem jeweiligen Arbeitsauftrag. 1. Erstellen Sie ein Portfolio zum Thema „xxx“, mit Abschlussartikel für lokale Zeitungsausgabe oder Schülerzeitung. Beachten Sie die Kriterien zur Erstellung eines guten Portfolios (erhältlich bei Ihrer Lehrkraft). Abgabetermin ist der xx.xx.20xx 2. Drehen Sie einen Werbe-Film für ein Compassion-Projekt an Ihrer Schule/für die kommender Jahrgangsstufe X/... . Ziel ist soll es sein, Schulleitung, LehrerInnen und MitschülerInnen zu motivieren, im nächsten Schuljahr eine Compassion-Woche zu veranstalten. Jede/r Klasse/Kurs/EinzelschülerIn soll sich im Sinne des Projektes im christlichen Sinn ‚barmherzig’ engagieren. Erstellen Sie dazu ein Storyboard und setzen Sie es filmisch um. Beides ist bis zum xx.xx.20xx abzugeben. 3. Engagieren Sie sich in einer sozialen Einrichtung für mindestens 6 Zeitstunden/... . Dokumentieren SIe Ihre Erfahrungen und Eindrücke medial aufbereitet (Präsentation mit PPT, Filmtagebuch o.ä.) für Ihre MitschülerInnen. Abgabetermin ist der xx.xx.20xx 4. Compassion als Thema des Abitur-Gottesdienstes. Planen Sie einen Abitur-Gottesdienst passend zu unserem Unterrichtsthema, wobei Sie alle Materialien und Produkte des Unterrichts in die Gestaltung mit einfließen lassen können. Die Durchführung findet zum durch die Schulleitung gesetzten Datum statt. Abgabe des fertigen Konzeptes ist der xx.xx.20xx 5. Analysieren und interpretieren Sie ausgewählte Teile der Comic-Verfilmung „Watchmen“ unter der Leitfrage „Kennt Rorschach keine Barmherzigkeit und ist Ozymandias das Modell des neuen barmherzigen Samariters unserer Zeit?“ Abgabetermin: xx.xx.20xx 62 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit „Was ihr dem Geringsten tut!“ – Die Werke der Barmherzigkeit im MISEREOR-Hungertuch von 2011 Ein Unterrichtsentwurf für die Klassen 5 bis 7 von Monika Bossung-Winkler MISEREOR-Hungertuch 2011 „Was ihr dem Geringsten tut" von Sokey A. Edorh. Grundlagen Die Tradition des Hungertuchs oder Fastentuchs geht zurück ins Mittelalter. Ursprünglich verhüllte es während der Fastenzeit die Jesusbilder, insbesondere auch die Darstellungen am Kreuz. Zunächst waren die Hungertücher nur einfarbig, ab dem 12. Jahrhundert wurden sie jedoch bebildert und zur Verkündigung benutzt. Daher stammt auch das bekannte Sprichwort „am Hungertuch nagen“, das ursprünglich „am Hungertuch nähen“ bedeutet. 1976 griff das Bischöfliche Hilfswerk MISEREOR diese Tradition wieder auf. Seither drücken Künstler aus verschiedenen Erdteilen ihre Vorstellungen und Erfahrungen zu Themen wie Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Armutsbekämpfung, Teilhabe, Verantwortung und Gleichberechtigung mit Motiven aus ihrem jeweiligen Kulturkreis aus. Häufig liegen ihren Arbeiten biblische Texte zu Grunde. 63 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Im Hungertuch von 2011 hat der togolesische Künstler Sokey Edorh die Szene vom Jüngsten Gericht aus Mt 25, 31-46 in eine afrikanische Großstadt verlegt, deren Hochhäuser und Industriegebiete man im Hintergrund erkennen kann. Im Vordergrund stehen jedoch die Menschen in den Armenvierteln, die sowohl Zielgruppe als auch Akteure der Werke der Barmherzigkeit sind: „Was ihr dem Geringsten tut“ – so der Titel des Hungertuchs. Auf den ersten Blick erscheint die Vielfalt an Häusern und Menschen unüberschaubar – gerade so, wie sich ein Elendsviertel einer Großstadt des Globalen Südens für den europäischen Gast darstellt. Um es zu erschließen, beginnt man am besten in der oberen Mitte. Dort schwebt das Symbol des Heiligen Geistes über einem afrikanischen Königsthron. Der Platz des Weltenrichters ist noch leer – noch ist Zeit, das eigene Leben und die Gesellschaft mit Werken der Barmherzigkeit zu gestalten. Es ist die Zeit des Heiligen Geistes. Ausgehend vom Thron wirft er seine Lichtstrahlen in die Welt und verwandelt die Menschen. Menschen, die selbst der Barmherzigkeit bedürfen, geben uns durch ihre Werke der Barmherzigkeit ein Beispiel: gegenseitige Hilfe, die wir durch Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen können. Bei der Darstellung der Werke der Barmherzigkeit aus Mt 25, 31-46 hat der Künstler jedoch Akzente gesetzt, die den Erfahrungen von MISEREOR aus der Entwicklungszusammenarbeit entsprechen: • • • • • • „Hungernde speisen“: Lebensmittelspenden lösen nicht das Hungerproblem auf der Welt. Im Bild von Sokey Edorh bringt der Laster eines Kleinhändlers die Lebensmittel zu den Slumbewohnern. Produziert wurden sie von Kleinbauern aus den ländlichen Regionen des Landes. Die regionale Wirtschaft ermöglicht dem Kleinbauern Einnahmen aus dem Verkauf seiner Produkte und den Bewohnern der Armenviertel den Zugang zu preisgünstigen und gesunden Lebensmitteln. Das ist ein Schritt zur Nahrungsmittelsouveränität, mit der Länder des Globalen Südens mit ihren eigenen Produkten ihre Bevölkerung ernähren. „Durstigen zu trinken geben“: Die Versorgung der Elendsviertel mit Trinkwasser ist ein strukturelles Problem. Das Wasser aus den Tankwägen, die Armenviertel beliefern, ist häufig um ein Vielfaches teurer als das Leitungswasser im Stadtzentrum, mit dem Reiche ihre Schwimmbäder befüllen. Hier muss eine Infrastruktur geschaffen werden, die allen Zugang zu Trinkwasser ermöglicht. Die Bewohner der Armenviertel müssen unterstützt werden, dies bei den Stadtverwaltungen einzufordern. „Nackte bekleiden“: Der Export unserer Altkleider nach Afrika schafft dort eher Probleme als er Hilfe bringt, denn er zerstört die einheimische Kleiderproduktion. Sinnvoller ist es, die einheimischen Weber und Schneiderinnen zu unterstützen, damit sie eigene Werkstätten aufbauen können. „Gefangene besuchen“: Sokey Edorh hat bewusst kein Gefängnis gemalt, sondern das Gitter mitten ins Elendsviertel verlegt. Das ganze Viertel ist ein Gefängnis, ein Ort der sozialen Ausgrenzung, die manche in die Kriminalität treibt. Kinder betäuben ihr Elend mit Drogen; Jugendliche beschaffen sich auf illegalen Wegen Dinge, die sie sich von ihrem Einkommen nicht leisten können. Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Bildung und dem Arbeitsmarkt zu verschaffen, ist ein wirkungsvolles Mittel, dem Abrutschen in die Kriminalität vorzubeugen. „Kranke besuchen“: Damit ist mehr gemeint als ein freundlicher Besuch mit Genesungswünschen. Menschen im Armenviertel haben selten eine Krankenversicherung. Ein Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt kostet Geld. Da ist die Hilfe von Nachbarn bei der häuslichen Krankenpflege wichtig. Gesundheitspromotoren beraten bei leichteren Erkrankungen und unterstützen, falls ein Krankenhausaufenthalt notwendig ist. „Fremde aufnehmen“: Migration ist in vielen Ländern des Globalen Südens ein internes Problem. Die Menschen fliehen vom Land in die Stadt, weil sie sich dort bessere Chancen auf Arbeit und Bildung versprechen. Die meisten Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge versuchen zunächst in den Nachbarländern Unterschlupf zu finden. Dort werden sie von Menschen unterstützt, die oft genauso arm wie sie selbst sind. Umso mehr ist es für uns in Europa eine Herausforderungen, Flüchtlingen unsere Barmherzigkeit zu zeigen. 64 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit • „Kinder unterrichten und spielen lassen“: Sokey Edorh hat die klassischen Werke der Barmherzigkeit durch moderne ergänzt. In der rechten Bildmitte unterrichtet ein Lehrer seine Schüler unter freiem Himmel. Schulbildung findet im Armenviertel oft unter widrigen Bedingungen statt – und doch ist Bildung der Schlüssel zur Überwindung der Armut. Unten rechts sehen wir Kinder beim Spielen – auch ein Grundrecht, das durch Kinderarbeit bedroht ist. Schließlich setzt Sokey Edorh auch die Rolle der Kirche ins Bild. Zwischen den Hochhäusern in der oberen rechten Bildhälfte ist sie nur mit Mühe zu entdecken. Sie scheint klein geworden, angesichts der modernen Kathedralen: Bankhäuser und Schaltzentralen der Wirtschaft. Für sie müssen heute „Opfer“ erbracht werden – sei es um eine angeschlagene Bank oder einen wirtschaftliche instabilen Konzern zu retten. Deutlich stärker fällt die Präsenz der Kirchen im Armenviertel auf. In der linken Bildhälfte ist eine Prozession zu sehen – ein Kreuzweg. Mit dem leidenden Jesus können sich die Menschen gut identifizieren. Ist doch ihr eigenes Leben häufig ein Kreuzweg. Wie Jesus am Kreuz sagen sie: „J’ai soif – Mich dürstet.“ Damit ist nicht nur der reale Durst gemeint, sondern auch der Durst nach Gerechtigkeit. Kreuze sind auch in verschiedenen Hütten zu finden. Jesus ist in ihnen gegenwärtig und sagt: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Trotz der vielen Anzeichen von Armut und Bedürftigkeit wirkt das Armenviertel nicht trostlos. Sokey Edorh hat es in bunten Farben gemalt, voller Hoffnung und Leben. Die Menschen strahlen Kraft und Engagement aus. Sie wissen, dass es sich lohnt, sich für ein besseres Leben einzusetzen. In den vielen kleinen Werken der Barmherzigkeit wird ein Stück des Reiches Gottes schon jetzt und hier Wirklichkeit. (Diese Grundgedanken gehen zurück auf das Arbeitsheft zum MISEREOR-Hungertuch 2011.) Der folgende Unterrichtsentwurf ist für die Klasse 5 bis 7 konzipiert und einsetzbar im Themenfeld 5.3. (In Gemeinschaft leben: Das Volk Gottes) und im Themenfeld 6.3. (Von einer besseren Welt erzählen: Das Reich Gottes) des Rahmenlehrplans Katholische Religion in Rheinland-Pfalz sowie im Saarland in Klasse 7 (Kirche: Leben in Gemeinschaft). Unterrichtsverlauf Stunde 1: Das Hungertuch und Mt 25, 31-46 Unterrichtsphase Einstieg Hinführung Erarbeitung Unterrichtsinhalt SuS äußern ihre Vermutungen zum Sprichwort „Am Hungertuch nagen“. L erläutert die Tradition des Hungertuchs und die Bedeutung des Sprichworts. SuS beschreiben ihr Puzzle-Teil des Hungertuchs. SuS ordnen ihr Puzzle-Teil einer Textstelle aus Mt 25, 31-46 zu. Methode/ Sozialform Medien LSG Tafelanschrieb LV Gruppenarbeit Hungertuch als Puzzleteile Bibel 65 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Vertiefung SuS setzen Puzzle-Teile zum Gesamtbild zusammen und stellen die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeit dar. L erläutert den Entstehungskontext des Hungertuchs. ErgebnisSicherung SuS beschriften Kopie des Hungertuchs mit den entsprechenden Bibelversen und notieren die Werke der Barmherzigkeit. Ausblick Nicht alle Puzzle-Teile sind Darstellungen eines Verses aus Mt 25, 31-46. Warum hat der Künstler noch andere „Werke der Barmherzigkeit“ dargestellt? LSG Hungertuch als Folie (OHP oder PPT) LV Folie des Hungertuchs mit Bibelstellen Hungertuch als SWKopie Tafelanschrieb Einzelarbeit Puzzle-Teil 1 (Schulunterricht) Puzzle-Teil 11 (spielende Kinder) LSG Stunde 2: Werke der Barmherzigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit von MISEREOR Unterrichtsphase Einstieg Erarbeitung Ergebnissicherung Unterrichtsinhalt Rückblick auf vorangegangene Stunde: Werke der Barmherzigkeit auf dem Hungertuch SuS lernen MISEREOR-Projekte kennen, die in Afrika, Asien und Lateinamerika exemplarisch Werke der Barmherzigkeit umsetzen SuS präsentieren ihre Plakate Methode/Sozialform Medien LSG Folie Hungertuch Gruppenarbeit Arbeitsblätter Plakatpapier Edding-Stifte Klebstoff Rundgang LSG Plakate Arbeitsblätter mit Projektinformationen zur Erstellung der Plakate zum Download unter: http://www.bistum-speyer.de/erziehung-schule-bildung/angebote-fuer-schulen/globales-lernen/material/ Falls die Plakate als Leistungsnachweis dienen sollten, können die SuS als Hausaufgabe unter https://www.misereor.de/projekte/ weitere Informationen zu den betreffenden Projekten sammeln und eventuell auch Fotos ausdrucken. Zusätzlich können zu den Projekten – unter Angabe der Projektnummer - auch CDs mit Hintergrundinformationen und weiteren Bildern bestellt werden bei. Zu den Flüchtlingsprojekten gibt es eine Info-Mappe. Die Informationen zu den Arbeitsblättern stammen aus der MISEREOR-Broschüre „Projektpartnerschaft. Hilfe mit Gesicht in Lateinamerika, Asien und Afrika“, die von der Abteilung Projektpartnerschaften herausgegeben wird. CDs und Info-Mappe sind erhältlich bei: MISEREOR, Abt. PPS, Mozartstr. 9, 52064 Aachen, [email protected], 0241-442 125. 66 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Globales Lernen Vom Lernen zum Handeln – Aktionsvorschläge: Barmherzigkeit Von Werken der Barmherzigkeit zu reden, fordert wie kaum ein anderes Thema dazu auf, auch etwas zu tun. Dieses Engagement beginnt natürlich zunächst im eigenen Umfeld. In jeder Gemeinde sind mittlerweile Flüchtlinge angekommen, die wir als „Fremde aufgenommen“ haben. Für sie fehlen Kleidung, Bettwäsche, Hygieneartikel, Kochutensilien und vieles mehr. Caritas im Bistum Speyer hat eine Informationsbroschüre herausgegeben, wie Flüchtlinge sinnvoll unterstützt werden können. Sie ist erhältlich in den städtischen Caritas-Zentren und zum Download unter: www.caritas-speyer.de/59401.asp?id=44189. Die Caritas-Zentren sind auch ein Ansprechpartner, wenn die Schülerinnen und Schüler Flüchtlinge unterstützen möchten. Flüchtlingskinder gehen auch in unsere Schulklassen, ohne dass sie ausreichend Deutsch können. Personal, das Schulen bei der Integration dieser Kinder und Jugendlichen unterstützt, wird kaum zur Verfügung gestellt. Wenn ihre Mitschüler sich aber bereit erklären, ihnen bei den Hausaufgaben zu helfen, ist das auch ein Form „Fremde aufzunehmen“. Wenn die Beschäftigung mit dem Hungertuch die Schülerinnen und Schüler angeregt hat, ein MISEREOR-Projekt zu unterstützen, gibt es dazu zahlreiche bewährte Aktionsvorschläge, die auf der Homepage unter www.misereor.de/spendenaktionen/ zu finden sind. Besonders beliebt sind dabei der Coffee-Stopp und der Cocktail-Stopp mit dem Ausschank von fair gehandelten Kaffee und Fruchtsaftgetränken in den Schulpausen oder bei Schulfesten, Informationstagen oder Bundesjugendspielen. Dies kann noch ergänzt werden durch einen Kuchen- oder Waffelverkauf. Dabei ist es sinnvoll, wenn die Schülerinnen und Schüler im Vorfeld der Aktion die anderen Klassen darüber informieren, warum sie diese Verkaufsaktion machen und welches Schulprojekt sie dabei unterstützen. Eine weitere bewährte Aktionsform für Jugendliche ist das „Pfandraising“. Dabei werden leere Getränkeflaschen gesammelt, in Supermärkten oder Getränkegeschäften abgegeben und der Erlös gespendet. Dabei können Schulhöfe oder S-Bahnen durchaus gute Orte sein, um mit dem Sammeln zu beginnen. Auf https://www.misereor.de/spenden-aktionen-in-der-schule/ wird diese Aktion mit einem Video-Clip anschaulich gemacht. Die Aktionen benötigen zwar ein bisschen Vorbereitung außerhalb der Schulzeit, können bei der Durchführung aber meistens in den normalen Ablauf eines Schultags integriert werden. Die Pausenaktion „15 Minuten für Deine Welt“ zeigt, wie Schülerinnen und Schüler mit viel Spaß in kurzer Zeit etwas für andere tun können: www.15-minuten-fuer.de/ Es gibt viele Formen, wie Schülerinnen und Schüler Werke der Barmherzigkeit einüben können. Dadurch wird Religionsunterricht nicht nur lebensnah, sondern wirkt auch nachhaltig. Autorin Dr. Monika Bossung-Winkler, Studium der Katholischen Theologie an der Katholischen Fakultät Trier, mit Abschluss des Diploms; Promotion an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen; langjährige Aufenthalte in Südamerika (Ecuador, Uruguay). Referentin der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Speyer bis 2005, Dr. Monika Bossung-Winkler Referentin Globales Lernen, Religionslehrerin i. K. am Hans-PurrmannGymnasium in Speyer Telefon 0 63 24/78 01 50 [email protected] 67 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Ganztagsschularbeit Projekt „Fremde Lebenswelten“ von Monika Schuster „Fremde Lebenswelten“ ist ein Projekt im Bereich des sozialen Lernens. Schüler.innen setzen sich in der AG mit ihnen fremden Lebenswelten und Lebenswirklichkeiten auseinander. Ziel ist die Entwicklung sozialverpflichteter Haltungen, so dass junge Menschen hinschauen - statt wegzusehen, anpacken - statt davonzulaufen, offen sind - statt Vorurteile zu pflegen, Verantwortung übernehmen statt auf andere zu warten. Es soll eine Gegen-Haltung zur emotionalen „Coolness“ und sozialen Gleichgültigkeit gefördert werden Foto: Fotolia.de Methode Mit vielen aktiven Elementen und dem dazugehörigen fundierten Input ist die AG lebendig gestaltet, handlungsorientiert und bietet zudem Raum für Reflexion der eigenen Lebenswelt und die der anderen. Als Grundlage des methodischen Vorgehens gelten die Prinzipien der Projektmethode: - Schülerorientierung. Im Projekt haben die Schüler erhebliche Entscheidungs- und Handlungsspielräume, um ihre Interessen, Vorstellungen und Erfahrungen einzubringen. Sie werden so zu Subjekten ihres Lernprozesses und können sich mit ihrer Arbeit leichter identifizieren. - Wirklichkeitsorientierung. Die Schüler setzen sich handelnd mit komplexen Gegenständen und Problemen des Lebens auseinander. Das Engagement der Schüler.innen soll auf einen realen Bedarf reagieren, der von allen Beteiligten als sinn- und bedeutungsvoll wahrgenommen wird. - Produktorientierung. Ziel ist hier eine konkrete Aktion, die einen Beitrag zur Verbesserung einer Lebenssituation leisten soll. Inhalte und Durchführung Es gibt drei Blöcke, die aufeinander aufbauen. I. Block - Einführung in Lebenswelten (8-10 Einheiten) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der entsprechenden Fachbereiche der Diözese führen die Schüler.innen durch Erarbeitung von Hintergründen, ganzheitliche Übungen und punktuelle Besuche von Einrichtungen in die entsprechende Lebenswelt ein. Es werden in Absprache mit der Schule 4-5 Themenbereiche ausgewählt. Themenbereiche können sein: Lebenswelt von Flüchtlingen Lebenswelt von Menschen mit Behinderungen Lebenswelt von Menschen am Rande der Armut Lebenswelt von Süchtigen Lebenswelt von Menschen im Gefängnis Lebenswelt von kranken Menschen Lebenswelt von alten Menschen Lebenswelten von Menschen in Ländern der „Dritten Welt“ 68 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit II. Block - Themenfindung, Planung und Durchführung Sozialprojekt (8-10 Einheiten) Schülerinnen und Schüler entscheiden sich, in welchem Bereich sie als Gruppe ein konkretes Sozialprojekt durchführen wollen. Bei der Durchführung wird mit den sozialen Einrichtungen und gegebenenfalls mit den Pfarreien vor Ort kooperiert. Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten des sozialen Engagements: - direktes Engagement (direkter Kontakt mit den Menschen) - indirektes Engagement (z.B. Erlös einer Aktion kommt der entsprechenden Gruppe zu) - Engagement durch Anwaltschaft (Öffentlichkeit für ein Problem schaffen) III. Block - Reflexion ( 2 Einheiten) Reflexion, Präsentation des Projekts und Würdigung des sozialen Engagements der Schüler.innen. Klärung hinsichtlich der Zukunft des Projekts. Ziele Das Projekt „ Fremde Lebenswelten“ hat das Ziel, dass Schüler.innen: • Lebenswelten von Menschen aus verschiedenen Bereichen und Randbereichen der Gesellschaft kennenlernen • sich mit eigenen Werten auseinandersetzen (Selbsterfahrung) • für die Not und die alltäglichen Sorgen anderer Menschen sensibilisiert werden • sich einfühlen in die verschiedensten Lebenssituationen und sensibel werden im Umgang mit diesen Menschen • Erfahrungen ermöglicht werden, sich in der Gesellschaft zu erproben • sich für andere Menschen engagieren und soziale Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen. Durch die Projektmethode können die Schüler.innen zudem Kompetenzen wie Kommunikation, Problemlösestrategien und Kooperationsfähigkeit vertiefen. Für die Schule bietet das Projekt zudem die Chance des Kennenlernens und der Vernetzung mit sozialen Einrichtungen vor Ort. Rahmenbedingungen Schulen: Zielgruppe: Gruppengröße: Kosten: Koordination: Kooperation: für Ganztagsschulen als halbjährige AG alle Schülerinnen und Schüler 7.-10.Klasse (auch Halbtagsschüler) bis 16 keine youngcaritas (Marie Blechschmidt), Referat Ganztagsschule (Monika Schuster) Caritas, Bischöfliches Ordinariat, Pfarrei Beitrag Schule Ein Planungsgespräch und Abschlussgespräch mit den Koordinatorinnen. Eine Person für kontinuierliche Leitung der AG wäre sinnvoll. 69 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Ist das Projekt auch für den RU geeignet? Der Religionsunterricht bietet wegen seiner Ausrichtung am christlichen Menschenbild vielfältige Möglichkeiten zum sozialen Lernen. Wer Kindern ein Zusammenleben in der Liebe zum Nächsten vermitteln möchte, wird ohne soziales Lernen und Engagement für andere dies bei den Schüler.innen nur schwer verinnerlichen können. Das Projekt „Fremde Lebenswelten“ ist zwar für den AG Bereich in der GTS konzipiert und daher aus zeitlichen Gründen nicht direkt auf den Unterricht übertragbar. Das Grundkonzept kann aber in verkürzter Form auch im Religionsunterricht durchgeführt werden. Wir möchten Sie als Religionslehrer.innen daher ermutigen: - Exemplarisch eine fremde Lebenswelt auszuwählen und Referent.innen einzuladen (wir stellen den Kontakt gerne her). - Den Unterricht und die Lernkultur bei diesem Thema so zu verändern, dass Engagement und Unterrichtsinhalte verknüpft werden. - Sich mit sozialen Einrichtungen der Kirchen vor Ort zu vernetzen und den Schüler.innen direkte Erfahrungen und Begegnungen zu ermöglichen. Ansprechpartnerinnen Bischöfliches Ordinariat HAII/ Referat Koordinationsstelle Ganztagsschularbeit Monika Schuster Große Pfaffengasse 13 67343 Speyer Tel.06232/102-402 [email protected] Caritasverband für die Diözese Speyer e.V. Projektleitung youngcaritas Marie Blechschmidt Obere Langgasse 2 67346 Speyer Tel. 06232/209-210 Mobil: 01520/9381926 [email protected] 70 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Heiliges Jahr in Orts- und Weltkirche - Termine Heilige Pforten in der Diözese Speyer Speyer, Dom St. Maria und St. Stephanus, Domplatz, 67346 Speyer – Öffnung am 3. Adventssonntag 13.12.2015, 10.00 Uhr Ludwigshafen Oggersheim, Wallfahrtskirche Maria Himmelfahrt, Kapellengasse 4, 67071 Ludwigshafen – Öffnung am 4. Adventssonntag 20.12.2015 Uhr, 11.00 Uhr Waldfischbach-Burgalben, Maria Rosenberg, Rosenbergstraße 22, 67714 Waldfischbach-Burgalben – Öffnung am 4. Adventssonntag 20.12.2015, 10.00 Uhr Blieskastel, Wallfahrtskloster, Klosterweg 35, 66440 Blieskastel – Öffnung am 4. Adventssonntag 20.12.2015 11.00 Uhr Schließung aller Pforten am 13.11.2016 Wallfahrten Rom, 08. – 15. Oktober 2016 La Verna nach Assisi, Auf den Spuren des Heiligen Franziskus, 22. Mai – 02. Juni 2016 Assisi – Rom, 02. – 11. Oktober 2016 Weltjugendtag 2016 „Selig die Barmherzigen, sie werden Erbarmen finden“ Begegnung in der Diözese Kattowitz (19.-24.07.2016) Weltjugendtag-Programm in Krakau (25.-31.07.2016) Chill-out-Tage in Zakopane (01.-04.08.2016) Domweihfest 01.10.2016 Nacht der Barmherzigkeit mit den Brüdern von Taizé /02.10.2016 Pontifikalamt alle Informationen unter: http://www.bistum-speyer.de/bistum-speyer/heiliges-jahr-der-barmherzigkeit/ 71 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Aufkleber-Aktion zum Jahr der Barmherzigkeit - ein Angebot des Bistums Speyer Mission Misericordia Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit an Ihrer Schule, mit Ihren Schülerinnen und Schülern Die aus Menschen gebildete Tür auf dem Aufkleber bringt zum Ausdruck, dass Barmherzigkeit immer mit Menschen zu tun hat und ein menschliches Gesicht hat. Der Mensch, der von Gott ergriffen ist, ist die Tür zur Barmherzigkeit. Die Aufkleber liegen in den Kirchen im Bistum Speyer aus. Weitere Exemplare können hier bestellt werden Bischöfliches Ordinariat Hauptabteilung Seelsorge Webergasse 11 67346 Speyer Telefon 06232/102-311 [email protected] 72 Bistum Speyer – Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Gebet zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit Herr Jesus Christus, du hast uns gelehrt, barmherzig zu sein wie der himmlische Vater, und uns gesagt, wer dich sieht, sieht ihn. Zeig uns dein Angesicht, und wir werden Heil finden. Dein liebender Blick befreite Zachäus und Matthäus aus der Sklaverei des Geldes; erlöste die Ehebrecherin und Maria Magdalena davon, das Glück nur in einem Geschöpf zu suchen; ließ Petrus nach seinem Verrat weinen und sicherte dem reumütigen Schächer das Paradies zu. Lass uns dein Wort an die Samariterin so hören, als sei es an uns persönlich gerichtet: „Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht!“ Du bist das sichtbare Antlitz des unsichtbaren Vaters und offenbarst uns den Gott, der seine Allmacht vor allem in der Vergebung und in der Barmherzigkeit zeigt. Mache die Kirche in der Welt zu deinem sichtbaren Antlitz, dem Angesicht ihres auferstandenen und verherrlichten Herrn. Du wolltest, dass deine Diener selbst der Schwachheit unterworfen sind, damit sie Mitleid verspüren mit denen, die in Unwissenheit und Irrtum leben. Schenke allen, die sich an sie wenden, die Erfahrung, von Gott erwartet und geliebt zu sein und bei ihm Vergebung zu finden. Sende aus deinen Geist und schenke uns allen seine Salbung, damit das Jubiläum der Barmherzigkeit ein Gnadenjahr des Herrn werde und deine Kirche mit neuer Begeisterung den Armen die Frohe Botschaft bringe, den Gefangenen und Unterdrückten die Freiheit verkünde und den Blinden die Augen öffne. So bitten wir dich, auf die Fürsprache Mariens, der Mutter der Barmherzigkeit, der du mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen. Quelle: http://www.dbk.de/heiliges-jahr/gebet-und-hymne/ © Foto: Bistum Speyer Tore der Barmherzigkeit öffnen Dom St. Maria und St. Stephanus, Speyer – Otto-Portal, Heilige Pforte im Jahr der Barmherzigkeit Herausgeber Bischöfliches Ordinariat Speyer HA II Schulen, Hochschulen und Bildung Große Pfaffengasse 13 67346 Speyer [email protected] Redaktionsleitung: Dr. Irina Kreusch Autorinnen und Autoren: Dr. Monika Bossung-Winkler, Christine Ehret-Cassel, Petra Hildebrand-Hofmann, Dr. Rosa Lopez-Diaz, PD Pfr. Dr. Joachim Reger, Monika Schuster, Stefan Schwarzmüller Druck: Druckmedien Speyer GmbH Druck auf 100% Recyclingpapier