Neuapostolische Kirche - Veränderungen zwischen 2006 und 2008

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Neuapostolische Kirche - Veränderungen zwischen 2006 und 2008
Neuapostolische Kirche: Veränderungen und
Entwicklungen 2006 und 2008
Zwei Kommentare aus dem Rundbrief der
Weltanschauungsbeauftragten der ev. Landeskirche in Württ. an
die Bezirksbeauftragten und Interessierten der
Weltanschauungsarbeit
Annette Kick
Bearbeitet/Stand: 01.06.2008
Impressum: www.weltanschauungsbeauftragte.elk-wue.de/kontakte
Texte und Materialien: Neuapostolische Kirche
1. Kommentar vom Herbst 2006:
Der 24. Januar 2006 war für die NAK ein großer Tag. Der seit Pfingsten 2005
amtierende Stammapostel, Dr. Wilhelm Leber, hielt in der Schweizer Gemeinde in
Uster einen Informationsabend ab, der weltweit in ca. 700 Gemeinden übertragen
wurde. Die verschiedenen Ebenen, auf denen sich in der NAK in den letzten Jahren
etwas bewegt, wurden dabei sichtbar:
- Die Kommunikation nach innen wurde verstärkt. Lange Jahrzehnte blieb den
Mitgliedern der NAK keine andere Wahl, als alles, was vom Stammapostel und
seinen Aposteln an Entscheidungen, Maßnahmen und Lehren kam, als gegeben
hinzunehmen. Seit den behutsamen Veränderungsbemühungen unter
Stammapostel Richard Fehr hielt man eine verstärkte Einbeziehung der Mitglieder in
die Prozesse und Entscheidungen – die freilich weiterhin von oben kommen - für
notwendig. Einerseits lässt man nun ein gewisses Maß an Kritik und Diskussion zu,
andererseits versucht man, konservative Mitglieder in den Veränderungsprozess mit
hinein zu nehmen. Dies geschieht in neuen Rubriken in der NAK-Zeitschrift "Unsere
Familie", in Broschüren zu allerlei Themen, in erneuertem Unterrichtsmaterial etc.
und zuletzt in dem Informationsabend aus Uster, der auch als DVD verbreitet wird.
Dabei wurden die Lehränderungen nicht nur verkündet, sondern erläutert und
begründet.
- Der verstärkten Kommunikation nach innen entsprach eine vorsichtige
Beziehungsaufnahme nach außen. Neben neuen, professionellen Formen der
Öffentlichkeitsarbeit gab und gibt es Versuche, das Gespräch mit den christlichen
Kirchen zu suchen. Auf Bitten der NAK führen seit 2001 Vertreter der NAK mit
Vertretern und Vertreterinnen der ACK Baden-Württemberg inoffizielle Gespräche,
die dem gegenseitigen Kennen lernen dienen sollen. Auch wenn von einer
Mitgliedschaft der NAK bei der ACK noch lange nicht die Rede sein kann, ist es doch
faszinierend zu erleben, wie unsere Fragen an die NAK dazu führen, dass dort
Lehrmeinungen ernsthaft überdacht werden und dass nach all den Jahren der
Abgeschlossenheit die Vertreter der NAK interessiert sind, zu hören, wie es bei
anderen Kirchen zugeht. Zum ersten Mal gibt es in der NAK ein Interesse, ja fast eine
Freude an so etwas wie einem theologischen Nachdenken. - In unseren Augen waren
die Lehränderungen der NAK noch nicht grundsätzlicher Art. Aus der Sicht
langjähriger konservativer NAK-Mitglieder ging es mit Riesenschritten voran:
Ständige Neuveröffentlichungen, ein neuer Katechismus wurde in Aussicht gestellt.
Die Überhöhung des Stammapostels als Stellvertreter Christi auf Erden wurde etwas
zurückgenommen. Zwar gilt auch nach dem 24.01. das Apostelamt als
heilsnotwendig, allerdings nur für den jetzigen Zeitabschnitt. Für andere
Zeitabschnitte, und das heißt vor allem für das Endgericht, wird nun zugestanden,
dass alle die Möglichkeit haben werden, das Heil zu erlangen. Die wichtigste
Neuerung für den Umgang vor Ort: Die Taufe der christlichen Kirchen wird jetzt von
der NAK voll anerkannt, wenn sie auch weiterhin der Ergänzung durch die
Versiegelung bedarf.
Wenn der 24.01.06 auch von außen nicht ganz so euphorisch gesehen wurde wie
von innen: Er erschien ein Meilenstein auf einem noch weiten Weg zu sein.
2. Kommentar vom 24.4.2008:
Bewegt sich die Neuapostolische Kirche nun weiter, oder bewegt sie sich doch nicht?
Oder geht es gar rückwärts? Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) in
Baden-Württemberg kündigte am 21.4.2008 die Herausgabe einer
"Orientierungshilfe" zum praktischen Umgang der Gemeinden mit der NAK an. Nach
den jahrelangen Gesprächen will man einerseits deren Stand dokumentieren, ehe
die Gespräche auf Bundesebene weitergeführt werden. Andererseits will man sich
zu der Frage äußern, wie mit den vermehrten Anfragen und Angeboten von NAKGemeinden vor Ort umgegangen werden soll. Im Vorfeld war zwischen den Kirchen
der ACK strittig, ob ein solcher Flyer angebracht ist oder ob er nicht den eigenen
Gemeinden suggeriert, dass auch die theologischen Probleme (die Exklusivität der
NAK und ihr Verständnis des Apostelamts) fast gelöst seien. Auf der Seite der
kritischen NAK-Mitglieder (www.glaubenskultur.de) hat man die Orientierungshilfe
jedenfalls nicht so gelesen: Man hat zwischen den Zeilen die theologischen
Hausaufgaben entdeckt, die noch zu machen sind, und ansonsten die
unspektakuläre Gesamttendenz des Flyers richtig zusammengefasst: "Etwas
gastfreundlicher im Umgang".
Gleichzeitig mit diesen Diskussionen gab es neue Aufregung in der NAK selbst. Nach
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dem ersten per Satellit ausgestrahlten Informationsabend vom 24.1.2006, an dem
Stammapostel Leber (wie oben geschildert) einige Lehränderungen bekannt
gegeben hatte, und der bei ökumenewilligen NAKlern fast eine Euphorie ausgelöst
hatte, gab es nun einen zweiten Informationsabend am 4.12.2007 mit gegenteiliger
Wirkung. Zwei der behandelten Themen kamen nicht gut an: 1. Ein Selbstbild, das in
7 Punkten die Identität der NAK zusammenfasst, zählte gerade die Sonderlehren der
NAK mit dem Apostelamt im Zentrum geballt auf und wurde daher als Rückschritt
empfunden. Vermutlich wollte man mit diesem Selbstbild den Konservativen in der
NAK signalisieren, diese habe ihre Identität nicht aufgegeben. Von den Lehren her,
war es kein Rückschritt. Denn die Verlautbarungen von 2006 hatten diese
Sonderlehren, etwa die Heilsnotwendigkeit des Apostelamts, die Wichtigkeit der
Versiegelung etc. ebenfalls alle genannt. Damals hatte man aber die Abmilderungen
und Neuerungen betont, etwa die „Beschränkung“ der Heilsnotwendigkeit auf den
derzeitigen Zeitabschnitt. Wer in diesen Änderungen einen Dammbruch gesehen
hatte und den Anfang einer zügigen Entwicklung, wurde nun allerdings enttäuscht.
Die Leitung der NAK versucht eine Öffnung, ohne die eigene Identität zu verlieren,
ein Ziel, das meines Erachtens der Quadratur des Kreises gleichkommt. Wenn nach
den geringen Änderungen von 2006 bereits wieder die Pflege der exklusiven
Identität ansteht, bewegt sich das NAK-Schiff, zumindest was die Lehre betrifft, sehr
langsam oder gar nicht vorwärts. Öffnung im praktischen Umgang mit anderen
Kirchen bei gleich bleibender, exklusiver Lehre ist jedoch aus meiner Sicht kein
gangbarer Weg für eine echte Ökumene.
2. Die überraschende Vorstellung einer Studie über die NAK-Geschichte von 19381955 war für Viele schockierend. Denn die Studie stellt nach Einschätzung des NAKKenners H. Obst (Materialdienst EZW 3/08) "im Kern eine nachträgliche
Rechtfertigung des umstrittensten Stammapostels Johann Gottfried Bischof und
seiner Botschaft vom Wiederkommen noch zu seinen Lebzeiten dar." Der Ausschluss
von Apostel Kuhlen, der zur Gründung der apostolischen Gemeinschaft mit damals
25.000 Mitgliedern geführt hatte, wird allein letzterem angelastet. Obst: "Die
Argumentation geht nicht von der Wahrheitsfrage, der Verantwortung vor Gott aus,
sondern vom Prinzip der stammapostolischen Theokratie." Auch hier also dasselbe
Dilemma: Der Wunsch, die Geschichte objektiv aufzuarbeiten, scheitert an der
Weigerung, die Bedeutung und Autorität des Stammapostolats zu relativieren und
einen Irrtum eines Stammapostels einzugestehen.
Hoffnungsvoll erscheint mir, dass es inzwischen viele kritische Mitglieder und
Begleiter der NAK gibt, die solche Ungereimtheiten nicht mehr durchgehen lassen;
dass die Kirchenleitung ernsthaft bestürzt erscheint über die Folgen des 4.12.07 und
sich beispielsweise glaubwürdig für die ungewollt ausgeteilten Verletzungen
entschuldigt hat. Allerdings muss sich die NAK meines Erachtens längerfristig
entscheiden, in welche Richtung der Schlingerkurs gehen soll: Bewahrung der
„exklusiven stammapostolischen Theokratie“ (Obst) oder wirkliche Öffnung. Ich
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hoffe um der vielen Menschen willen, die in der NAK ihre Heimat haben, auf eine
Öffnung.
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