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Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich zunächst bei meinem Professor und Betreuer Peter Purgathofer
bedanken, der mir ermöglicht hat über dieses Thema zu schreiben. Dabei bedanke ich mich auch
für die inspirierenden Diskussionen und Anmerkungen zum Projekt, sowie seine interessanten
Lehrveranstaltungen, die ich seit meinem ersten Semester besuchen konnte und mir dabei halfen
meinen Studienschwerpunkt zu finden.
Zudem möchte diese Stelle nutzen um allen zu danken, die mich in jeglicher Art und Weise
unterstützt und all die Jahre an mich geglaubt haben.
Ganz besonders danke ich dabei meiner Familie, ohne die es mir nicht möglich gewesen wäre,
meinen Traum zu verwirklichen, das Studium meiner Wahl zu beginnen, durchzuhalten und zu
beenden. Dabei danke ich meiner Mutter, die immer an mich geglaubt, mich unterstützt und
mich in meinem Tun stets bestärkt hat, sowie meinem Stief- und Ziehvater Peter. Dank ihm
war es mir möglich meine Leidenschaft zu Computern so frühzeitig zu entdecken, mit sieben
Jahren die ersten Gehversuche in Basic zu wagen und die rasanten technischen Entwicklungen der letzten 24 Jahre selbst mitzuverfolgen. Ebenso bedanke mich bei meinem Vater August, ohne dessen jahrelange finanzielle, wie auch mentale Unterstützung ich kaum den nötigen
Ehrgeiz aufbringen hätte können, mich auch durch die längeren Durststrecken meines Studiums
zu kämpfen.
Des Weiteren danke ich meiner Schwester Petra und meinem Onkel Martin, die ihre wertvolle
Zeit geopfert haben und mir als unbeteiligte Lektoren zur Seite standen, um meine Arbeit
aufzuwerten.
Vor allem danke ich auch meiner Freundin Bianca und Tino, unserem Hund. Ohne die beiden wäre meine Studienzeit nicht annähernd so wertvoll und inspirierend gewesen. Ich möchte
keinen Tag davon missen.
Widmen möchte ich diese Arbeit jedoch meinem Großvater Josef Forstinger. Durch ihn habe
ich erfahren, wie lohnenswert es ist an etwas zu glauben und an diesem Glauben festzuhalten,
auch wenn andere die Hoffnung bereits verloren haben.
iii
Abstract
In today’s society the majority of the population predominantly pursues seated occupations.
If this resulting movement deficit is not compensated by additional exercises in spare time, it
can lead to obesity and chronic illnesses. The excessive consumption of television and video
games are known as the main culprits that displace the active movement from the structure of
our leisure time. Nevertheless, as a compelling medium, video games are also able to generate
motivation for physical activities, elucidate playfully and induce people to reconsider a passive
lifestyle. This work aims to investigate the phenomenon of “exercise games” and to answer
questions which are of interest for the research fields known as Human Computer Interaction
(HCI) and Game Design. At first, the most important technical terms and their uses will be
clarified. In order to find the reason for the strong potential of video games, this work will
examine how motivation arises fundamentally. A current trend is called “gamification” where
extracted motivators, which are used in video games, get embedded in a non-playful context.
At a practical level commercial gaming consoles and “exergames” were tested and evaluated.
The resulting evaluation covers the most important sensors used in modern motion interfaces
and video games which are worth mentioning due to unique features. The results, which were
drawn from the extensive literature review, formed the basis of a mobile exergame concept. Its
origin is documented in the practical part. The game mechanics emerged from sketches and
were validated using physical prototypes. In order to present the gameplay in an attractive way,
a suitable scenario was developed and was tested using a visual prototype.
v
Kurzfassung
In der heutigen Gesellschaft geht der Großteil der Bevölkerung überwiegend sitzenden Tätigkeiten nach. Wird das so entstehende Bewegungsdefizit in der Freizeit nicht durch ergänzende
körperliche Bewegung ausgeglichen, setzt man sich dem Risiko aus, übergewichtig zu werden
und chronisch zu erkranken. Übermäßiges Fernsehen und das Spielen von Videospielen werden
als Hauptverantwortliche genannt, die aktive Bewegung aus der Freizeitplanung verdrängen.
Videospiele können als fesselndes Medium jedoch auch spielerisch aufklären, zur Bewegung
animieren und zum Umdenken bewegen. Diese Arbeit soll das Phänomen „Exercise Games“
näher untersuchen und sich Fragen widmen, die primär für die Fachgebiete Human Computer Interaction (HCI) und Game Design von Interesse sind. Eingangs werden die wichtigsten
Fachtermini behandelt und die Verwendung grundlegender Begriffe geklärt. Um der Ursache
des starken Motivationspotentials von Videospielen nachzugehen, wird untersucht, wie Motivation grundsätzlich entsteht. Ein aktueller Trend ist „Gamification“, der extrahierte Motivatoren
aus Videospielen nutzt und in einen nicht-spielerischen Kontext einbindet. Für den praktischen
Teil wurden kommerzielle Spielkonsolen und Exergames getestet und evaluiert. Die Evaluierung
umfasst die wichtigsten Sensoren, die in modernen Bewegungsinterfaces zum Einsatz kommen
und erwähnenswerte Spiele, die Aufgrund besonderer Merkmale aus dem großen Angebot herausstechen. Die Erkenntnisse, die aus der umfangreichen Literaturrecherche und der Bewertung
gezogen wurden, bildeten den Ausgangspunkt eines eigenen mobilen Exergame-Konzepts, dessen Entstehung im praktischen Teil dokumentiert wurde. Die Game-Mechanik entstand dabei
aus Skizzen und wurde mit Hilfe physischer Prototypen validiert. Um das Gameplay in einer ansprechenden Form präsentieren zu können, wurde zusätzlich ein passendes Szenario entwickelt,
das mit einem visuellen Prototyp getestet wurde.
vii
Inhaltsverzeichnis
1
Einführung
1.1 Motivation zur Themenwahl .
1.2 Problemstellung . . . . . . . .
1.3 Stand der Forschung . . . . .
1.4 Ziel der Arbeit . . . . . . . . .
1.5 Methodischer Ansatz . . . . .
1.6 Struktureller Kapitelüberblick
2
Terminologie der Spiele
2.1 Das Spiel an sich . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Was ist spielen? . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.2 Aus Spiel wird Game . . . . . . . . . . . .
2.1.3 Computer- oder Videogame? . . . . . . . .
2.1.4 Gameplay . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Serious Games . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Wo bleibt der Spaß? . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Gesundheitsbildung und physische Fitness
2.3 Exergame oder interaktives Fitnessspiel . . . . . .
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3
Motivation
3.1 Extrinsische Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Intrinsische Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Neugier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2 Anreiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.3 Erfolgserwartung und Anstrengungsbereitschaft .
3.3 Tom Sawyer und der Korrumpierungseffekt . . . . . . .
3.4 Flow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Motivation im Videospiel . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5.1 Freude am Versagen . . . . . . . . . . . . . . .
3.5.2 Lasset die Spiele beginnen! . . . . . . . . . . .
3.5.3 Spielende Persönlichkeiten . . . . . . . . . . . .
3.6 Relevanz für Game Designer . . . . . . . . . . . . . . .
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ix
4
Gamification vs. Game Design
4.1 Werkzeug oder Machtmittel . . . . . . . .
4.2 Abgrenzung von Gamification . . . . . .
4.3 Gamifizierende Elemente . . . . . . . . .
4.3.1 Punkte, Leaderboards und Levels
4.3.2 Belohnungen . . . . . . . . . . .
4.3.3 Soziale Aspekte . . . . . . . . . .
4.4 Gameful Design > Gamification? . . . . .
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Geschichte & Wirkung von Exergames
5.1 Historische Exergame-Interfaces . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.1 Gleichgewichts-Controller . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.2 Aktionsmatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.3 Trainingsgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.4 Optisches Tracking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Wirkung von Exergames . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1 Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2 Vergleichbarkeit von Studien und metabolisches Äquivalent
5.2.3 Resümee der Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Klassifizierung von Exergames
6.1 Rhetorik von Exergames . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Struktureller Aufbau von Lernspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3 Taxonomie von Exergames . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Exergame-Technologien und -Software
7.1 Spielerische Messtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2 Nintendo Wii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.1 Technologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.2 Michael Jackson: The Experience . . . . . . . . . . . . . .
7.3 Playstation Move für PlayStation 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.3.1 Technologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.3.2 Move Fitness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.4 Microsoft Kinect für Xbox 360 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.5 Total Body Tracking-System bei EA Active 2 . . . . . . . . . . . .
7.5.1 Herzfrequenz- und Pulsmessung . . . . . . . . . . . . . . .
7.6 Mobile Exergames . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.6.1 Gehen als Gameplay-Mechanik – Motion Controlled Games
7.6.2 Die Stadt als Spielplan – Location Based Games . . . . . .
7.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8
Spielkonzept
8.1 Systemwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Ziele und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9
Skizzierte Game-Mechanik . . . . . . . . . . . . . .
Physische Prototypen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Spielkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Visueller Prototyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.6.1 FieldTest . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.6.2 Zeitversetzte, ortsgebundene Kommunikation
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Konklusion
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
100
Tabellenverzeichnis
102
xi
KAPITEL
Einführung
1.1
Motivation zur Themenwahl
Seit meiner frühesten Kindheit bin ich begeisterter Computerspieler. Meine ersten VideospielErfahrungen, neben Telespielen von Atari, sammelte ich mit meinem Commodore 64 (C64).
Den vollständigen Umstieg auf das klassische PC-System wagte ich etwa 1993 mit einem i486
Prozessor mit einer Taktfrequenz von 16MHz. Nach meinen ersten Multiplayer-Duellen über
PC-Direktverbindung an der seriellen Schnittstelle wurden auch LAN-Partys immer moderner.
Für mich konnte zu dieser Zeit keine Spielkonsole mit einem PC konkurrieren. Die Vorzüge
einer Spielkonsole gegenüber einem schnellen Computer wurden mir erst mit dem Erscheinen
der Wii Konsole im Dezember 2006 offenbart. Nintendo eröffnete mit diesem Gerät eine neue
Möglichkeit des Spielens, welche auf einem Spiele-PC noch undenkbar waren. Seither nutze ich
meinen Computer hauptsächlich um darauf zu arbeiten. Dass sich körperliche Anstrengung und
Computerspiele nicht mehr ausschließen, musste ich einen Tag nach dem Kauf meiner neuen
Konsole schmerzlich feststellen. Und ich war nicht der einzige, der nach vielen Stunden Wii
Sports einen schlimmen Muskelkater in Kauf nehmen musste [14] [15]. 2008 kündigte Nintendo eine weitere Innovation an. Das Wii Balance Board zwingt den Spieler dazu beim Spielen
aufzustehen und die Bewegung nicht mehr auf die Arme zu beschränken. Meine Hoffnung war
groß, neben dem Releasetitel Wii Fit weitere Spiele zu erleben, welche eine gute Unterstützung für das Balance Board bieten. Abgesehen von ein paar Wintersport- und Skateboardspielen wurde es von Entwicklern und Publishern aber weitestgehend ignoriert. Mittlerweile haben
Sony und Microsoft zwar ihre eigenen Bedienkonzepte für Bewegungssteuerung entwickelt, wodurch der Exergaming-Markt auch einen weiteren Aufwärtstrend erlebt, aber echte GameplayInnovationen sind bei aktuellen Spielen noch relativ wenig zu erkennen. Dies bestärkte mich
weiter darin, das vorliegende Thema zu behandeln.
1
1
1.2
Problemstellung
Wir leben in einer zunehmend technisierten Gesellschaft, in welcher der Großteil der Bevölkerung überwiegend sitzenden Tätigkeiten nachgeht. Wird dieser Bewegungsmangel nicht durch
regelmäßige Bewegung in der Freizeit ergänzt, kann dies schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben. Beginnend mit Übergewicht und Adipositas steigt das Risiko von chronischen
Erkrankungen wie Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit und Diabetes mellitus Typ 2. Am
„Alterszucker“, wie diese Krankheit im Volksmund genannt wird, erkranken zunehmend auch
Kinder und Jugendliche [138]. Hauptsächlich werden Fernsehen und Videospiele als Verantwortliche für den Bewegungsmangel in der Freizeit genannt. Videospiele jedoch eignen sich
auch dazu, Menschen zur Bewegung zu animieren und zum Umdenken zu bewegen.
Gerhard Schneider hat sich in seiner Diplomarbeit an der Universität Wien bereits mit dem
Nutzen und den gesundheitsfördernden Effekten von Exergames auseinander gesetzt. Dabei
wurden jedoch weitere Fragen aufgeworfen. Unter anderem die Frage: „Welche Anforderungen
muss ein bewegungsförderndes Computer- und Videospiel mitbringen, damit die Benutzenden
nachhaltig mit dem System arbeiten?“ Des Weiteren existiert kein einheitliches Bewertungssystem, das den gesundheitlichen und sportlichen Nutzen von Spielen angibt. Schon alleine in der
Klassifizierung von bewegungsfördernden Videospielen ist man sich uneinig. [122]
1.3
Stand der Forschung
Seit die Nintendo Wii auf dem Markt ist kann die Konsole mit ihrer innovativen Bewegungssteuerung ungeschlagene Verkaufszahlen verbuchen [7] [48]. Gegen Ende 2010 ziehen auch die
Mitbewerber nach und bringen ihre Version eines bewegungsfördernden Game-Controllers auf
den Markt. Microsoft brachte mit Kinect dabei eine weitere Innovation und entwickelte ein Interface, welches mittels RGB- und Infrarotkamera, sowie Infrarotprojektor und vier Mikrofonen
die Körperhaltung und Position des Spielers direkt als Input übernimmt und ohne zusätzliche
Steuerungsgeräte auskommt [75]. Im Juni 2011 stellte Microsoft das Kinect for Windows SDK
bereit [4], wodurch das Gerät auch für die verschiedensten Anwendungsfälle am Computer interessant ist. Dass Exergames einen positiven Effekt auf die körperlichen Fitness haben können
ist bereits mehrfach erwiesen [55] [83]. Fitnessspiele erfreuen sich zudem aber auch immer größerer Beliebtheit. Das Spiel Zumba Fitness - Join the Party beispielsweise lag im Sommer 2011
zehn Wochen ohne Unterbrechung auf dem ersten Platz der britischen Verkaufscharts [117].
1.4
Ziel der Arbeit
Die Arbeit soll ein besseres Verständnis für den Einfluss der unterschiedlichen Faktoren auf
die Trainingsmotivation und den gesundheitlichen Nutzen von Exergames bringen. Ein weiteres
Ziel ist es, die Ergebnisse aus den Tests zu strukturieren und die wichtigsten Aspekte, die für
Exergames zu berücksichtigen sind, hervorzuheben. Basierend auf diesen Erkenntnissen wird
im Praxisteil ein Konzept für ein mobiles Exergame entworfen und mit Hilfe unterschiedlicher
Prototypen zu validieren.
2
1.5
Methodischer Ansatz
Im theoretischen Teil werden verschiedene kommerzielle Systeme und Anwendungen analysiert
und deren einzelne Bestandteile differenziert betrachtet. Es soll die Frage beantwortet werden
welche Vor- und Nachteile aktuell verwendete Human-Interfaces und die darin verbauten Sensoren bringen. Neben Qualität und Genauigkeit sollen auch sportlicher und gesundheitlicher
Nutzen verglichen werden. Dabei wird auch die Frage behandelt wie einfach sich die jeweiligen
Systeme vom Benutzer überlisten lassen.
Neben einer umfangreichen Literaturrecherche stellt das Testen und Evaluieren von kommerziellen Spielen einen wichtigen Bestandteil der Arbeit dar, da durch den direkten Vergleich unterschiedlicher Titel Stärken und Schwächen am deutlichsten sichtbar werden. Vor allem auch
in Punkten, welche die Langzeitmotivation betreffen. Natürlich kann eine Spielanalyse, welche
von einer einzelnen Person durchgeführt wurde keine ausführliche Studie ersetzen, persönliche
Wahrnehmungen und Gedanken, während des Spielens/Trainings werden so jedoch am besten
erfasst.
Die Evaluierung sollte aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfolgen. Zum einen die Sicht des
Designers, zum anderen aber auch aus sportlicher und gesundheitlicher Sicht, sowie aus der
Sicht des Users. Dafür ist ein qualitativer Forschungsansatz mit intensiver Literaturauswertung
vorgesehen.
Anhand des angeeigneten Wissens und den Erkenntnissen soll durch einen explorativen Designprozess ein Exergame-Konzept entwickelt werden.
1.6
Struktureller Kapitelüberblick
Im diesem ersten Kapitel wurden Motivation und wissenschaftliche Relevanz des Themas erläutert. Dabei wurden bereits Fachbegriffe verwendet, deren Bedeutungen nicht immer einheitlich
sind.
Die wichtigsten Termini technici und deren Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit werden
im nachfolgenden Kapitel beschrieben und iterativ hergeleitet. Kapitel 2 betrachtet die Begriffe
vor allem aus Sicht der Ludologie (der Lehre vom Spiel) und bedient sich für Referenzen hauptsächlich bei Soziologen, Historikern und Game Designern.
Wie lassen sich Menschen motivieren und was treibt sie dazu, etwas Bestimmtes zu tun? Wie
lassen sich Menschen durch Fremdeinfluss zu etwas bewegen und über welche Kanäle kann diese Motivation erfolgen? Diesen Fragen widmet sich das dritte Kapitel.
Die Relevanz dieser Fragestellung wird im vierten Kapitel ersichtlich: Ein interaktives Medium
kann durch Gamification-Elemente attraktiver gestaltet werden, sodass der auszuübende Aufwand kaschiert wird und eine auszuführende Aktivität leichter vonstatten geht. Aber was ist
Gamification und wo liegt der Unterschied zu Game Design?
Game Studies ist ein noch sehr junger und interdisziplinärer Forschungsbereich. So behandelt
Kapitel 5 aktuelle Literatur und Studien, die sich im Speziellen mit Exergames und Fitness auseinandersetzen und diese z. B. auch aus sportwissenschaftlicher Sicht beleuchten. Zuerst wird
in Punkt 5.1 ein kurzer Überblick über die geschichtliche Entwicklung von bewegungsfördernden Interfaces und Spielen geboten, wobei gezeigt wird, dass manche offenbar innovative Neu3
entwicklungen ihren gedanklichen Ursprung schon vor über 20 Jahren hatten, aber erst jetzt
eine Renaissance erleben. Ob Exergames den hohen Entwicklungsaufwand wert sind, behandelt Punkt 5.2, der verschiedene Studienergebnisse vergleicht und sich mit der Frage befasst, ob
Exergames neben Spaß überhaupt einen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen bringen.
Nachdem im sechsten Kapitel unterschiedliche Klassifizierungsmöglichkeiten für Exergames
angeboten werden, beschreibt Kapitel 7, welche Technologien dem Game Designer zur Verfügung stehen, um ein Exergame mit unmittelbarer Steuerung und einer Überwachung des körperlichen Zustands zu entwickeln. Mittlerweile bietet zwar jede Spielkonsole ihr eigenes bewegungsförderndes Interface an, teilweise werden aber auch eigene Steuerungsgeräte für ein konkretes Videospiel entwickelt. Moderne Controller für die Bewegungssteuerung bestehen zum
großen Teil aus Beschleunigungs- und Drehratensensoren oder berechnen die Spielerbewegungen durch komplexe Bilderkennungsalgorithmen. Zu allen gängigen Konsolensystemen werden
die verwendete Sensorik und deren Funktionsweise erörtert. Wie das jeweilige Human Interface
Device (HID) in Spielen eingesetzt werden kann, zeigt die Analyse und Evaluierung exemplarisch ausgewählter Fitnessspiele. Dadurch sollen Stärken und Schwächen einzelner Steuerungsmethoden und der dafür entwickelten Spiele aufgezeigt werden.
Den praktischen Teil der Diplomarbeit behandelt Kapitel 8. Nachdem positive und negative Facetten von kommerziellen Exergames behandelt wurden, soll ein eigenes Konzept entworfen
werden. Dieses Kapitel enthält eine Dokumentation der einzelnen Designschritte und beschreibt
schrittweise den Prozess von der Ideenfindung zum Prototypen. Abschließend, in Kapitel 9 werden die wichtigsten Gedanken zu diesem Thema noch einmal zusammengefasst.
4
KAPITEL
Terminologie der Spiele
Unterschiedliche Bezeichungen verschiedener Autoren werden manchmal gleichbedeutend eingesetzt. Interactive Games und Digital Games meinen z.B. das gleiche, das vorangestellte Adjektiv lenkt dabei nur den Fokus auf den jeweiligen Kontext. Doch alleine das Wort game bietet ausreichend Diskussionsstoff um Bücher damit zu füllen. Ludologie bzw. Game Studies ist
ein relativ junges, interdisziplinäres Forschungsgebiet und die Begrifflichkeiten und Fachtermini werden meist aus unterschiedlichen Fachgebieten oder als Anglizismen in den deutschen
Sprachraum übernommen [122, S. 21]. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bedeutungen der
Definitionen in verschiedenen Sprachen unterschiedlich auslegbar sind. In diesem Kapitel werden die wesentlichen Begriffe, die für eine Unterscheidung notwendig sind, erklärt, deren Bedeutung in Relation zum Inhalt und deren Bezug zueinander dargestellt. Dieses Kapitel beruht
auf einer eingehenden Literaturrecherche. Es sollen alle wesentlichen Begriffe erklärt werden
um ein einheitliche Basis zu schaffen. Die Begriffserklärungen erfolgen iterativ, um spätere Erkenntnisse und Designentscheidungen plausibel begründen zu können.
2.1
Das Spiel an sich
Das Spiel begegnet uns überall und nicht nur der Mensch ist dazu fähig. Bei Säugetieren dient
das Spielen unter anderem dazu, um auf das Leben vorzubereiten. Spielen hat also einen physiologischen Nutzen – aber nicht vorrangig. Man hat erkannt, dass auch in der Tierwelt einfach
nur zum „Spaß“ wertvolle Energie, die in der Wildnis über Leben und Tod entscheiden kann,
vergeudet wird [28].
2.1.1
Was ist spielen?
Der Begriff „spielen“ scheint im ersten Moment für jeden klar, doch betrachten man diesen
genauer, wird erst die Komplexität und Mehrdeutigkeit offenbart. Folgende Formulierung des
Begriffs von Johan Huizinga gilt für Mensch und Tier gleichermaßen:
5
2
Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet
wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des «Andersseins» als das «gewöhnliche Leben». [66, S. 37]
Diese Definition ist zwar relativ oberflächlich, fasst aber die wesentlichen vier Punkte zusammen, denen alle Spiele, auch die niederen Formen (gemeint sind dabei auch soziale Rituale die
keinen direkten kulturellen Hintergrund entwachsen, so auch z.B. das Balgen von jungen Hunden), gemeinsam haben.
Freie Handlung
Spielen geschieht immer freiwillig, denn sobald es befohlen wird, kann es laut Huizinga höchstens aufgetragenes Wiedergeben eines Spiels sein [66, S. 16]. Diese Feststellung wirft jedoch
folgende Fragen auf:
1. Ist ein Lernspiel, welches gespielt werden soll, um den im Lehrplan festgelegten Stoff
verstehen zu können, immer noch ein Spiel?
2. Können spielerische Rehabilitationsübungen, die regelmäßig durchgeführt werden sollten um den Bewegungsapparat, z. B. nach einem Unfall oder Schlaganfall, bestmöglich
wieder heilen zu können, als Spiel bezeichnet werden?
Nicht das eigentliche Leben
Spielen ist ein „so tun als ob“, und die darin ausgeführten Aktionen sind „bloß zum Spaß“, auch
wenn sie in einem anderem Kontext weitreichende Folgen haben können. Ein derartiges Spielverhalten kann auch bei Tieren beobachtet werden, wenn zum Beispiel der kleine Welpe dem
ausgewachsenen Hund zähnefletschend an die Wange springt und zwickt. Hätten beide Beteiligte nicht zuvor durch ein Ritual der Spielaufforderung eingewilligt, sich in den Rahmen bzw.
die „Sphäre“ des Spiels zu begeben, könnte der Welpe durch vermeintliche Notwehr des adulten
Hundes stark verletzt werden. Im bloßen Spiel jedoch kann eine Aktion mit der größten Ernsthaftigkeit ausgeführt werden.
Dieser „nicht das gewöhnliche Leben“-Charakter des Spiels unterbricht den Prozess der unmittelbaren Befriedigung von Notwendigkeiten und Begierden [66, S. 16f]. Im vorliegenden Kontext der Videospiele kann Immersion (eintauchen in die virtuelle Welt) ein solcher Unterbrecher
sein.
Abgeschlossenheit und Begrenztheit
Spielen läuft innerhalb bestimmter Grenzen von Raum und Zeit ab und hat seinen Verlauf und
seinen Sinn in sich selbst. Diese zeitliche Abgeschlossenheit ermöglicht es dem Spiel nach dem
Spielen in fester Gestalt als Kulturform und geistiger Schatz in der Erinnerung haften zu bleiben.
So kann es nach Überlieferung jederzeit wiederholt werden. „Diese Wiederholbarkeit ist eine der
6
wesentlichsten Eigenschaften des Spiels“ stellt Huizinga fest. Auffallender noch ist die räumliche Begrenzung des Spiels, den Huizinga unter anderem als „Zauberkreis“ bezeichnet. Dieser
umzäunte Spielplatz, in dem besondere Regeln gelten, welche unbedingt einzuhalten sind, um
das Spiel nicht zu verderben, ist eine temporäre Welt in der eigentlichen Welt. Sei dieser Magic Circle, wie er in vielen Werken der Spieltheorie bezeichnet wird, nun eine Bühne oder ein
Computerbildschirm. [66, S. 17f]
Spannung
Ein Spiel bietet immer einen gewissen Grad an Spannung, sowie Ungewissheit oder Chance. In
dieser Spannung werden die Fähigkeiten des Spielers auf die Probe gestellt: u.A. Körperkraft,
Ausdauer, Mut, Durchhaltevermögen und gleichzeitig auch die geistigen Kräfte. Dabei muss
sich der Spieler jedoch immer innerhalb der Schranken des Erlaubten aufhalten, um das Spiel
gewinnen zu können. [66, S. 19f]
Die vier beschriebenen Eigenschaften sind zueinander nicht abgegrenzt, sondern greifen ineinander. So können die oben gestellten Fragen um eine weitere ergänzt werden:
3. Ist es möglich, Übungen, welche durch ein zunächst unfreiwilliges Ereignis aufgezwungen werden, so mitreißend zu gestalten, dass alleine durch die Immersion eines umgebenden (Video-)Spiels, diese auch freiwillig durchgeführt werden, ohne permanent an den
Zweck der eigentlich Übung zu denken?
– Erst wenn dies geschieht und eine Unterbrechung der aktuellen Bedürfnisse (z.B. die vollständige Genesung) eintritt, also nicht mehr das reale Leben im Vordergrund steht, und das
eigentliche Ziel des Spielens, nämlich das Spielen an sich, wieder zurück erlangt wird,
dann erst kann es nach der Definition Huizingas wieder als Spiel gesehen werden.
Der Form nach betrachtet, kann man das Spiel also zusammenfassend eine freie
Handlung nennen, die als «nicht so gemeint» und außerhalb des gewöhnlichen
Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen
erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens
bestimmten Raums vollzieht, die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft
und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben oder durch Verkleidung als anders von der gewöhnlichen Welt
abheben. [66, S. 22]
Diese Definition ist zwar genauer, aber dennoch umstritten, da sie im englischen Sprachraum
mehrdeutig ausgelegt werden kann. Huizinga unterscheidet in seinem Buch „Homo Ludens“
nicht zwischen play und game.
Auch der Psychologe Stuart Brown hat eine hat eine sehr breit gefächerte Definition von Spiel.
7
Er grenzt Film und Fernsehen, wie z. B. eine Talksendung oder Sitcom nicht unbedingt von
Spielen ab. Er verweist auf den Begriff des Schauspiels, welches immer noch eine gespielte
Darbietung von Schauspielern ist, obwohl es in der Regel nicht mehr auf einer Bühne, sondern
vor der Kamera stattfindet und von einem Filmregisseur koordiniert wird. Des Weiteren erwähnt
er, dass sich auch nach einem guten Film Wahrnehmung und Ansichten verändern können. Er
versucht dies anhand des Filmklassikers “Lawrence von Arabien“ zu belegen und schreibt, dass,
wenn man nach diesem Film aus dem Kino käme, man die Sonne anders wahrnimmt. [27] Im
Bereich der Game Studies bezeichnet man ein solches Phänomen als „Game Transfer Phenomena“ [107].
Brown nennt, neben der augenscheinlichen Sinnlosigkeit und dem Aspekt der Freiwilligkeit,
noch weitere Eigenschaften des Spielens. Spielen beeinflusst die Wahrnehmung. Wer vollständig in das Spiel vertieft ist, verliert das Zeitgefühl und hat ein geringeres Ichbewusstsein.
Es kümmert nicht mehr, ob man gut, schlecht, klug oder dumm ist. Ein weiteres Kennzeichen
ist das Improvisationspotential, da man im Spiel an keine starre Herangehensweise gebunden
ist. Zu guter Letzt verspürt man während eines guten Spiels das Verlangen weiter zu spielen
und die Freude am Erleben verstärkt dieses Gefühl. Um dies zu ermöglichen erfindet man neue
Regeln, die ein Weiterspielen erlauben. Endet das Spiel, will man erneut spielen. [27] Doch gerade Exergames, die dieses Fortsetzungsverlangen hervorrufen, bergen das Risiko, es anfangs
zu übertreiben und gesundheitliche Schäden zu erleiden. Die medienwirksamste Verletzung im
Bereich der Videospiele ist wohl die akute Wiiitis, einer neuen Form der Nintenditis [24].
2.1.2
Aus Spiel wird Game
Abgesehen von der englischen Sprache wird in vielen westlichen Sprachen nicht zwischen den
Ausdrücken play und game unterschieden. In Langenscheidts Großem Schulwörterbuch gibt es
zwischen diesen Begriffen aber eine klare Trennung: Mit play wird hauptsächlich ein aufgeführtes Schauspiel oder ein Glücksspiel bezeichnet. Game hingegen meint ein Gesellschafts-,
Ball- oder Glücksspiel. Auch die Partie oder ein Zeitvertreib kann gemeint sein. [26, S. 975] Im
wissenschaftlichen Kontext von Ludologie und Game Studies ist diese Unterscheidung jedoch
nicht so klar definiert. Die Tatsache, dass beide Begriffe als Nomen und Verb verwendet werden
können, macht die eindeutige Verwendung noch schwieriger.
Roger Caillois führte, aufgrund der sprachlichen Hürde, die Begriffe Ludus und Paidia ein,
um klarer zwischen den verschiedenen Arten von Spielen unterscheiden zu können. Er definiert
den Unterschied durch die Komplexität der Regeln. So wird bei Ludus zwischen Gewinnern und
Verlierern differenziert, während dies bei Paidia nicht der Fall ist. [29, zit. n. [45]] Während
Video-Games im englischen Sprachraum eindeutig definiert scheinen, können Videospiele nach
Caillois’ Definition beide Zustände annehmen. Spiele mit einem eindeutig definierten Ende, z.B.
wenn der Endboss besiegt werden muss um die Prinzessin zu befreien, fallen in die Kategorie
Ludus. Aktuelle Social Games, in denen die grenzenlose Erweiterung des Spielzustands und die
Interaktion mit anderen Spielern im Vordergrund steht, gehören zu Paidia.
Selbst im Englischen sind die Erklärungen nicht immer so eindeutig wie im Schulwörterbuch.
8
Die Definition von games und play aus dem New Oxford American Dictionary, welche Gonzalo
Frasca, wie auch Katie Salen und Eric Zimmerman anwenden:
Games are a subset of play: Games constitute a formalized part of everything we
might consider to be play. Playing catch or playing doctor are play activities that
fall outside our definition of games (a contest of powers with a quantifiable outcome,
etc.). However, although not all play fits the category of games, those things we
define as games fit within a larger category of play activities.
Play is an element of games: In addition to rules and culture, play is an essential
component of games, a facet of the larger phenomenon of games, and a primary
schema for understanding them. [119] [45, S. 39]
Frasca stellt dabei fest, dass das Problem daran liegen könnte, dass Satz A (“Games are a subset
of play”) den Ausdruck game als Aktivität betrachtet, während er in Satz B (“Play is an element of games”) als Objekt verstanden wird. Er sieht diese Unterscheidung als ausschlaggebend
und vermutet dahinter den Kern der theoretischen Probleme. Erklärung A ist also anwenderorientiert und B systemorientiert. In Folge dieser Erkenntnis lässt sich der erste Ansatz eher für
Verhaltensstudien, wie Psychologie, Soziologie oder Anthropologie einsetzen. Der zweite Ansatz hingegen passt besser für Forschungen, welche das System selbst behandeln, wie z.B Game
Design. [45]
Von diesem systemorientierten Standpunk gehen auch Salen und Zimmerman aus:
A game is a system in which players engage in an artificial conflict, defined by rules,
that results in a quantifiable outcome. [119]
In der vorliegenden, in deutscher Sprache verfassten Arbeit sollen jedoch keine künstlichen Probleme erzeugt werden. Sowohl das deutsche Wort „Spiel“, als auch der anglizistische Begriff
„Game“, werden gleichwertig im Sinne der systemorientierten Definition verwendet. Bedarf es
fallweise einer genauen Unterscheidung, wird explizit darauf hingewiesen.
Gleichermaßen wie sich play gegenüber game verhält, steht es auch mit dem Adjektiv playful (verspielt, ausgelassen), welches sich aus dem Verb play herleiten lässt. In den Forschungsfeldern der HCI und Game Studies wird playful von gameful unterschieden. Für gameful gibt
es jedoch keine einheitliche Übersetzung, da es sich im Gegensatz zu gamesome (lustig, ausgelassen) um ein Kunstwort handelt, welches in einem Standardwörterbuch noch nicht zu finden
ist [26]. Wird ein System als gameful beschrieben, ist dies gleichbedeutend mit erfüllend (fulfilling), einnehmend (engaging) und produktiv (productive) [95, Tony Hsieh, Klappentext]).
2.1.3
Computer- oder Videogame?
Die zuvor in Punkt 2.1.2 zitierte Definition von Salen und Zimmerman kommt schon sehr nahe
an unser allgemeines Verständnis eines Computer- oder Videospiels heran: Ein System, in unserem konkreten Fall eine Konsole oder ein Computer, erzeugt für den Anwender einen künstlichen, durch Software digital erzeugten Konflikt, welcher über von Algorithmen bestimmten
Regeln definiert ist. Die Eingaben mit dem Controller resultieren in einem messbaren Ergebnis,
z. B. audiovisuelles oder auch taktiles Feedback.
9
In deutschsprachigen Texten wird manchmal der Ausdruck digitales Bildschirmspiel verwendet. Dies ist eine der neutralsten Bezeichnungen, die man in diesem Zusammenhang verwenden
kann. Aber auch dieser Begriff gibt bereits Hinweise auf die Systemorientiertheit der Definition,
da die Ausgaben des Feedbacks größtenteils auf dem Bildschirm erfolgt. Fast alle konkreteren
Bezeichungen schließen das verwendete System ein. So zum Beispiel Tele-, Video- oder Computerspiel.
Der Ausdruck Telespiel ist jedoch ein veralteter Begriff und wurde in den Anfängen der digitalen Spielgeschichte verwendet, da die Bildausgabe der ersten Spielcomputer auf dem TV-Gerät
erfolgte. Durchgesetzt hat sich später aber vor allem der Begriff Videospiel bzw. Videogame als
Anglizismus, welcher fast gleichbedeutend mit dem Ausdruck Konsolenspiel ist. Also Spiele für
Konsolen, die an einem Fersehgerät angeschlossen werden. Spiele, die für den klassischen PC
entwickelt wurden, kennt man unter der Bezeichnung Computerspiele. Die Bedeutung dieser
zwei Begriffe verschmilzt jedoch zusehends. Einerseits sind Konsolen, genau genommen, geschlossene Computersysteme, andererseits werden viele digitale Spiele gleichzeitig, sowohl für
PC, als auch für die verschiedenen Konsolen entwickelt. Des Weiteren ist ein Trend zu erkennen,
dass der klassische PC, wie bereits moderne Konsolensysteme, immer mehr zur MultimediaStation im Wohnzimmer wird. James Newman verwendet in seinem Buch ausschließlich den
Begriff Videogame, dennoch wird in der Kategorie Interface aus der folgenden Tabelle Maus
und Tastatur genannt, welche die klassischen Peripheriegeräte eines Computers sind. Auch im
vorliegenden Text bevorzuge ich den Begriff Videospiel oder Videogame, da in Kapitel 7 nur
Spiele für Konsolen und Handheld-Geräte getestet werden.
Graphics
Any images are displayed and any effects performed on them[. . . ] and anything
else the player will see.
Sound
Any music or sound effects that are played during the game.[. . . ]
Interface The interface is anything that the player has to use or have direct contact with
in order to play the game. . . it goes beyond simply the mouse/keyboard/joystick
[and][Anpassung im Original] includes graphics that the player must click on[. . . ]
Gameplay [. . . ]It encompasses how much fun a game is, how immersive it is and the lenght
of playability.
Story
The game’s story includes any background before the game starts, all information
the player gains during the story or when they win and any information they learn
about characters in the game.
Tabelle 2.1: Elemente eines Videospiels nach Howland 1998 [62, zit. n. [104]], angepasst und gekürzt
Was Videospiele sind, wissen wir bereits. Doch woraus bestehen sie, technisch gesehen? Geoff
Howland trennt sie in fünf eindeutige, wenn auch zusammenhängende Elemente. James Newman hat diese übernommen und angepasst (Tabelle 2.1).
Spiele müssen jedoch mehr sein als eine Ansammlung toller Features, einer eindrucksvollen Grafik, einer Reihe von Puzzles oder einem verblüffenden Setting mit epischer Geschichte.
Natürlich schadet es nicht, wenn es ein paar dieser Punkte aufweist, jedoch ist dies längst kein
Garant für ein unvergessliches Spielerlebnis. Der wichtigste Punkt eines Spiels ist das Game10
play. Eine gut funktionierende Spielmechanik, kombiniert mit einer ausgewogenen Mischung an
weiteren Elementen, schafft den fesselndsten Zeitvertreib. Als Beispiel sei Tetris genannt. [104,
S. 11]
2.1.4
Gameplay
Gameplay ist das Herzstück eines Spiels und es beschreibt wie sich ein Spiel anfühlt. Um es
genauer beschreiben zu können zerlegt es Raph Koster in sechs elementare Grundbausteine
(Ludeme):
Bevor eine Aufgabe angenommen wird trifft der Spieler Entscheidungen zur Vorbereitung, welche sich auf die Erfolgswahrscheinlichkeit auswirken. Dies kann sowohl das Heilen vor einem
Kampf, als auch das Auswählen eines bestimmten Blatts beim Kartenspiel sein. Vorangegangene Züge gehören automatisch zur Vorbereitungsphase, da jedes Spiel generell aus einem Ablauf
aus vielen einzelnen Aufgaben besteht. Der Raum eines Spiels kann das Landschaftsbild eines
Kriegsspiels, oder auch nur ein Schachbrett sein. Die Core Mechanic kann z. B. ein einzelnes,
zu lösendes Puzzle sein und besteht teilweise aus nur einer kleinen Regel, wobei sich die speziellen Feinheiten eines Spiels erst durch viele kleine oder ein paar wenige, elegant gewählte
Regeln entfalten. Eine Auswahl an Aufgaben arbeitet innerhalb dieses Regelwerks, wobei jede
von ihnen leicht unterschiedliche Parameter einbringt. Jede Begegnung mit einem Gegner, beispielsweise, ist eine solche Aufgabe. Aber erst eine Reihe an Fähigkeiten ermöglicht es dem
Spieler, diese Aufgaben zu lösen. Hat der Spielcharakter nur eine Waffe zur Auswahl, mit der
man womöglich nur eine Aktion ausführen kann, wird das Spiel schnell eintönig. Die meisten
Spiele jedoch entfalten die Fähigkeiten erst im Laufe des Spiels. So werden stetig bis zum Ende
immer mehr Strategien ermöglicht, wie man Gegner besiegen kann. Um diese Fähigkeiten auch
wirkungsvoll einsetzen zu können, gehört letztendlich noch ein gewisser Grad an Geschick.
Um aus der Spielerfahrung auch noch eine Lernerfahrung zu machen, werden drei weitere Elemente benötigt: Ein variables Feedback-System. Variabel deshalb, weil das Ergebnis nicht
vollständig vorhersehbar sein soll und besseres Geschick beim Abschließen der Aufgabe soll
auch eine höhere Belohnung zur Folge haben. Des Weiteren soll das Mastery-Problem behandelt werden. D. h. fortgeschrittene Spieler sollten keine wertvollen Belohnungen für leichte
Aufgaben bekommen und ungeübte Spieler können noch nicht das gesamte Potential des Spiels
ausschöpfen. Zusätzlich darf im Spiel ein Misserfolg nicht kostenlos sein. Es muss wenigstens
ein Chancenverlust entstehen. Wenn die Herausforderung erneut angenommen werden kann,
soll von Grund auf neu begonnen werden, um so die Möglichkeit zu bieten, sich anders darauf
vorzubereiten. [78, S. 120f]
2.2
Serious Games
Sostmann und Tolks et al. bezeichnen Serious Games als Computerprogramme mit Spielanteilen und Simulationen mit didaktischen Anteil. Ein Abgrenzungsmerkmal von Spielen, die
ausschließlich der Unterhaltung dienen, ist ein definiertes Bildungsziel, welches von den Spielautoren explizit formuliert wird. Über Serious Games werden didaktisch fundierte Lernziele
transportiert, die bisher entweder in traditionellen Medien vertreten waren oder bisher nicht dar11
stellbar waren. Das Ziel ist ein Wissenzuwachs, eine Vertiefung von Kompetenzen und/oder
eine intendierte Verhaltensänderung. [127, Hervorh. d. Verf.] Nach dieser Definition scheint
es, als besetze der Spielanteil eine stark untergeordnete Rolle. Dafür eignet sich wohl besser der
Begriff Edutainment, eine Wortbildung aus Education und Entertainment, obschon ihre Definition auf derer von Clark C. Abt basiert, welcher den Ausdruck „Serious Games“ erstmals 1970
in seinem gleichnamigen Buch verwendet hat. Abt bezog sich mit seiner Bezeichnung damals
aber noch hauptsächlich auf analoge Spiele.
David Michael und Sande Chen finden für ihr Buch eine weitere, etwas kürzere und meines
Erachtens treffendere Beschreibung:
A serious game is a game in which education (in its various forms) is the primary
goal, rather than entertainment. [98, S. 17]
Nach dieser Definition ist und bleibt ein „seriöses Spiel“, trotz des Fokus auf die Bildungsarbeit, nach wie vor ein Spiel. In weiterer Folge beziehen sich die Autoren ebenfalls auf Abt. Um
das vermeintliche Oxymoron zu entkräften, erwähnte dieser, dass Spiele zwar ernsthaft gespielt
werden können, was aber nicht ausschließe, dass Serious Games auch unterhaltsam sein können
oder sogar sollen [16, zit. n. [98]].
Der Terminus Serious Game mag sich zwar durchgesetzt haben, Einigkeit herrscht hinsichtlich
seiner Definition jedoch nicht. Dies wird bereits an der Vielzahl unterschiedlicher Begriffsbestimmungen ersichtlich, welche sich zwar teilweise voneinander abzugrenzen versuchen, andererseits aber auch synonym verwendet werden, da keine klare Trennung möglich ist und sich die
Kategorien oftmals überschneiden. Als andere, oft sinngleiche Bezeichnungen für Serious Games werden beispielsweise Educational Games, Digital Game-Based Learning (DGBL), Social
Impact Games, Persuasive Games und Games for Change genannt [82]. Breuer und Bente haben
einige der Begriffsdefinitionen analysiert und dargestellt, wie diese in Beziehungen zueinander
stehen (Bild 2.1).
Marc Prensky fasst diese Art von Spielen unter dem Begriff social impact games [110]
zusammen und setzt diesen mit der Bezeichnung Serious Games gleich. Weiters beschreibt er
DGBL als eine Unterkategorie davon [129], was in Abbildung 2.1 durch die Teilmenge von
Serious Games erkennbar ist. So genanntes digitales spielbasiertes Lernen setzt demnach eine spielerische Basis voraus, in der didaktische Inhalte mit teils konstruktivistischen, teils behaviouristischen Lernstrukturen transportiert werden. Speziell der konstruktivistische Lernansatz ist bestens geeignet um mit den digitalen Spielelementen zu harmonieren, da dieser bereits
durch selbstgesteuerte, erfahrungsbezogene, situative und interaktive Eigenschaften charakterisiert wird. [124] Neben den Kategorien Edutainment und Edugames zielt auch DGBL hauptsächlich auf den ausbildungsbezogenen Charakter und den Lernerfolg der Spiele ab. Serious Games
hingegen gehen darüber hinaus, und sie beschränken sich nicht auf ein reines Unterrichtsangebot mit pädagogischer Intention, sondern umfassen auch Training, Aufklärung und Werbung für
alle Altersgruppen [98] [129].
Jane McGonigal verfolgt einen anderen Ansatz und bevorzugt den Begriff positive impact
games. Ihrer Meinung nach hat jedes gute Spiel direkte positive Auswirkungen auf uns. Darin
sieht sie auch die Hauptursache, dass viele Menschen mehrere Stunden täglich in virtuelle Spiel12
Entertainment Education
GBL
DGBL
E-Learning
Serious Games
Classical
Edutainment
Games
Abbildung 2.1: Die Beziehungen zwischen Serious Games und ähnlichen pädagogischen Konzepten. [25, modifiziert]
welten flüchten, um sich darin unnötig den unterschiedlichsten Herausforderungen zu stellen. Im
echten Leben erledigt man nicht selten eine Arbeit, weil sie gemacht werden muss, und positive Auswirkungen, die uns für den geleisteten Aufwand entschädigen, sind oft nicht erkennbar.
Noch schlimmer ist es, wenn man dabei unterfordert ist. Mit ihrem Buch „Reality is Broken“
startet McGonigal den Aufruf, alle Lebensbereiche spielerischer zu gestalten. Dabei richtet sich
dieser Aufruf unter anderem auch an Konzerne, welche angehalten sind, ihre Arbeitsplätze spielerischer zu gestalten, um diesen positiven Impact in allen gesellschaftlichen Bereichen erleben
zu können. [95]
2.2.1
Wo bleibt der Spaß?
Die Frage unter Punkt 2.1.1, ob ein Lernspiel ein Spiel bleibt, wenn im Unterricht aufgetragen
wurde es zu spielen, konnte, nach Huizinga, bereits mit einem „Ja“ beantwortet werden. Vorausgesetzt der Spieler vertieft sich genug in das Spiel und kann den eigentlichen ernsthaften Grund
währenddessen in den Hintergrund stellen. Dies beantwortet aber noch nicht, ob ein solches
Spiel tatsächlich Spaß machen kann.
Zum einen definiert das Wort serious nicht, wie ein Serious Game gespielt wird, wie es das
Thema behandelt und auch nicht welchen Inhalt es haben muss. Einzig der ernsthafte Zweck
eines Spiels, also wofür es entwickelt wurde, ist damit definiert. Die Bezeichnung schließt Spaß
jedoch nicht aus. Zum anderen wird aber der Spaß an sich, in keiner Spieldefinition als obliga13
torisches Element genannt. Spaß ist vielmehr die Folge eines Spiels. Es ist die Wirkung, die ein
Spiel auf uns ausübt, aber kein Bestandteil des Spiels selbst.
Für den Game Designer Raph Koster ist in „Theory of Fun“ der Spaß aber noch viel mehr,
fun ist der Grund warum man überhaupt spielt. Spielen ist für ihn schlichtweg ein Erkennen an
spezifischen Mustern, und Spiele sind Übungen für unser Gehirn. Wenn es Spiele nicht schaffen
unser Gehirn zu fordern, werden sie langweilig und Koster definiert deshalb ein „gutes“ Spiel
als:
[. . . ]“one that teaches everything it has to offer before the player stops playing.”
[78, S. 46]
Sobald man gewisse Muster erlernt hat benötigt es neue Anreize, damit ein Spiel weiterhin
attraktiv bleibt. Ein Spiel bleibt nur so lange interessant, wie es dem Spieler einen stetigen Lerneffekt bietet. Sobald der Spieler das Gefühl bekommt es ausreichend zu beherrschen und können
mit angemessenem Aufwand keine weiteren Fortschritte mehr gemacht werden können, bietet
es nur noch wenig Anreiz. Das Spiel wird monoton. Ist ein Spiel hingegen zu schwer, tritt, je
nach Frustrationstoleranz des Spielers, der gleiche Effekt ein. (siehe Kapitel 3)
Koster unterteilt Spaß in vier Gruppen: Als echten Fun bezeichnet er dabei den Akt, das
Problem an sich zu beherrschen. Zweitens erwähnt er die ästhetische Anerkennung, die zwar
nicht immer spaßig sein muss, aber zweifellos unterhaltsam ist. Die dritte Gruppe sind viszerale
Reaktionen, die grundsätzlich physischer Natur sind, aber Gefühle zur Folge haben und sich
auf ein physisches Beherrschen eines Problems beziehen. Als letzten Punkt nennt er das Manövrieren der sozialen Stellung auf verschiedenste Weise, da diese intrinsisch mit unserem
Selbstverständnis und unserem Ruf in einer sozialen Gemeinschaft verbunden ist. All diese Dinge geben ein gutes Gefühl, wenn man erfolgreich darin ist. Pauschaliert man jedoch alle diese
Gruppen, wird der Sinngehalt von „Spaß“ unbedeutend, meint Koster. Er betont darauf hin, dass
er damit nur den ersten Punkt anspricht – also das Meistern eines Problems. [78] Zusammengefasst beschreibt er Spiele und Spaß folgendermaßen:
That’s what games are, in the end. Teachers. Fun is just another word for learning.
[78, S. 46]
Fun is about learning in a context where there is now pressure, and that is why
games matter. [78, S. 98]
Geht man also nach dieser Definition, hat jedes Spiel das Potential zum Serious Game. Wie
zuvor erwähnt, neigen jedoch bereits viele Autoren und Entwickler zu weniger polemischen
Bezeichnungen. Einer der neueren Bezeichnungen für Spiele, die einem bestimmten Zweck dienen sollen, ist applied games. Also Spiele, die in bestimmten Situationen angewendet werden.
Die Diskussion über den Ernst eines Serious Games wird mit diesem Begriff – zumindest für
Anwender – überflüssig. [120]
14
2.2.2
Gesundheitsbildung und physische Fitness
Seit Jahrzehnten verwenden Militärs spielähnliche Simulationen für Trainingszwecke, bis unter
anderem auch Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen (NRO/NGO) und Pädagogen begannen, sich dafür zu interessieren. Serious Games kommen mittlerweile in allen gesellschaftlichen Bereichen zur Anwendung, aber vor allem auch im Gesundheitssektor. Sogenannte Health
Games werden für die verschiedensten Diagnose- und Therapiezwecke verwendet. Sowohl bei
psychischen, als auch physischen Beschwerden. [98]
Seit Erscheinen der Wii-Konsole wurden eine Reihe an Studien durchgeführt, wie sich bewegungsfördernde Interfaces preisgünstig und effektiv für die Rehabilitation von Schlaganfallpatienten einsetzen lassen [17] [44] [51].
Die Spiele, die in den folgenden Kapiteln behandelt werden, sollen jedoch als Präventivmaßnahme dienen und gesunden Spielern helfen, gesund zu bleiben. Sie haben den Zweck,
Beschwerden vorzubeugen und werden nicht aufgrund ärztlicher Verordnung angewendet. Der
Einsatz solcher Produkte soll, wie bereits in Punkt 2.2 erwähnt, einen Wissens- und Kompetenzzuwachs bewirken und so in weiterer Folge eine Verhaltensänderung auslösen. Manche dieser
Spiele dienen gewissermaßen als Ernährungsberater und haben einen informativen Charakter.
Andere wiederum sollen motivieren, sich mehr zu bewegen und lassen sich durch aktiven körperlichen Einsatz des Anwenders kontrollieren. Letztere fallen je nach Spielgrad in die Kategorie Exergames bzw. Exertainment. Termini, die sich aus Exercise und Game bzw. Entertainment
zusammensetzen.
2.3
Exergame oder interaktives Fitnessspiel
Über die genaue Defnition von Exergames ist man sich noch uneinig, wobei jeder Autor die
Abgrenzung weitestgehend in einen Rahmen setzt, wie es für den jeweiligen Anwendungsfall
sinnvoll ist. Schneider vergleicht unterschiedliche Definitionen, fasst diese zusammen und formuliert die folgende:
Exergames sind bildschirmgesteuerte und technologiegetriebene Spielaktivitäten,
bei denen der bewegende Körper als funktionale Einheit die Bildschirmsteuerung
übernimmt. [122, S. 22]
Dabei sieht er den Spieler in der „[. . . ] Rolle eines überdimensionalen bewegenden menschlichen Joysticks [. . . ]“ [122, S. 23]. Dieser Aussage kann ich jedoch nur im Falle von reinen
Bilderkennungssystemen – wie Microsoft Kinect oder EyeToy von Namtai bzw. Logitech –
beipflichten. Bei Steuerungsgeräten wie den Motion Controllern für Wii und PlayStation 3 (PS3)
sehe ich immer noch den Joystick als Interface, im Gegensatz zu einem klassischen Steuerknüppel sind Motion Controller jedoch nicht mehr in einem Sockel montiert und an eine Auflagefläche gebunden. Dies ermöglicht eine Erweiterung um drei Freiheitsgrade (Degrees of
Freedom, DOF). Neben Roll- Nick- und Gierwinkel kommen noch Translationsbewegungen
in XYZ-Richtung hinzu. Weiter beschreibt Schneider Exergaming als „[. . . ]lustige und spielerische Ganzkörperbewegungen im Rahmen von digitalen Bildschirmspielen, kombiniert mit
interaktiven neuen technologischen Schnittstellen.“ [122, S. 23] Philip Feldman, der Erfinder
15
des Powergrid Kilowatt (Seite 41) legt in seiner, etwas hemdsärmelig wirkenden Beschreibung,
genau wie Koster, das Hauptaugenmerk auf den Spaß.
When it becomes more fun for you to run up the stairs than take the elevator, then
you have something – and that, in a sense, is what exergaming is attempting to do –
make it more fun to run up the stairs. (Feldman1 zit. n. [60])
Spaß ist demnach der motivierende Faktor.
Ist dieser Spaßfaktor, oder ein anderer Motivator groß genug, um sportliche Übungen regelmäßig
durchzuführen, um seine körperliche Gesundheit und die damit verbundene Leistungsfähigkeit
zu verbessern, spricht man von Fitnesstraining [52]. In modernen Trainingsgeräten sind bereits
interaktive Systeme integriert, von denen sich manche auch auf spielerische Weise nutzen lassen
– demnach interaktive Fitnessspiele. Daniel R. McClure nennt sein genehmigtes Patent interactive fitness equipment und beschreibt es als ein „[. . . ] computerized fitness equipment that
is designed to simulate, emulate, or implement actual race conditions with other users.“ [94],
was dem allgemeinen Verständnis eines Spiels schon sehr nahe kommt. Von Exergames unterscheidet es sich jedoch durch das eingesetzte Fitnessgerät, welches das Herzstück des Trainings
darstellt, aber nicht zwingend bildschirmbasiert sein muss. Im vorliegenden Text wird zwischen
Exergame und Fitnessspiel keine klare Grenze gezogen und beide Begriffe sozusagen gleichwertig behandelt. Um sperrige, interaktive Trainingsgeräte, wie Hometrainer oder Laufbänder,
unterscheiden zu können, werden konkrete Bezeichnungen verwendet.
Spielt man solche Exergames mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Ernsthaftigkeit, kann man
dies quasi mit sportlicher Betätigung vergleichen. Eine Verwechslung oder Gleichsetzung mit
den Begriffen „digitales Sportspiel“ oder E-Sport sollte man aber tunlichst vermeiden.
Digitale Sportspiele stellen eine klassische Kategorie von Videospielen dar, die reale oder
fiktive Sportarten abbildet und/oder simuliert. Dabei werden die drei Kategorien sports simulation games, sports arcade games und sports management games unterschieden [80]. Dies schließt
jedoch nicht aus, dass ein derartiges Sportspiel ein bewegungsförderndes Interface besitzen und
somit als Exergame gelten kann. Konstantin Mitgutsch definiert digital sports games als eine
„Simulation of a physical (or performance of a digital) competitive activity that is governed by a
set of rules“ [77]. Auch nach dieser Definition werden Sportspiele nicht unbedingt von Exergames abgegrenzt, sondern sogar als Ergänzung mit eingebunden. Abgesehen von Fitnessspielen,
die keinen „kompetitiven“ Charakter haben.
Vollständig abgrenzen muss man Exergames jedoch – momentan noch – vom Begriff eSport,
was die Kurzform von Electronic Sports ist. E-Sport bezeichnet nicht das Spielen digitalisierter Sportarten, sondern das wettbewerbsmäßige Spielen von Computer- oder Videospielen im
Einzel- oder Mehrspielermodus. Entsprechend des klassischen Sportbegriffs erfordert E-Sport
sowohl Spielkönnen als auch taktisches Verständnis. [8]
1
16
vgl. http://philfeldman.com/
KAPITEL
Motivation
Wie in Kapitel 2 bereits erwähnt, ist Spaß kein zwingendes Element um ein Spiel zu definieren,
aber meistens Grund genug es zu spielen. Aber wird eine Aufgabe immer nur mit Enthusiasmus
und Engagement erledigt, wenn sie mit Spaß verbunden ist? Wie wird jemand dazu animiert
neben spielen auch etwas Sinnvolles zu erledigen?
Gerade wenn es um unsere Gesundheit und Fitness geht und sich jemand dazu entschließt,
mehr Bewegung in sein Leben zu bringen, reicht es nicht aus eine einmalige Wanderung mit
Muskelkatergarantie zu unternehmen. Wer bewusst einen gesünderen Lebensstil wählen will,
muss auf Regelmäßigkeit achten. Sie ist der Schlüssel zum Erfolg. Dafür muss jedoch der innere Schweinehund überwunden werden, der uns glauben lässt, es sei befriedigender sich z. B.
auf ein Sofa zu legen, als ein paar Runden durch den Park zu laufen. Überwindung erfordert
es auch bei Tätigkeiten mit negativem Vollzugsanreiz, die per se unangenehm sind und einen
aversiven Charakter haben. Sie müssen aber dennoch gemacht werden, um einen noch unangenehmeren Zustand zu vermeiden oder ihn, sofern dieser schon eingetreten ist, zu beseitigen.
Die Durchführung einer Aufgabe kann aber auch positive Anreize haben und eine Person wird
alleine deswegen tätig, weil es Freude bereitet. [114]
Diese Energie, eine Lernleistung voranzutreiben, wird als Motivation bezeichnet. Es sind
aktivierende Prozesse, die sich durch persönliche Triebe oder Interessen auf einen positiven
Zielzustand richten. [39] James Drever und Werner Fröhlich definieren im „Wörterbuch zur
Psychologie“ die Leistungsmotivation als eine. . .
[. . . ] allgemeine und relativ überdauernde Tendenz, als wesentlich bewertete Aufgaben mit Energie und Ausdauer bis zum erfolgreichen Abschluss zu bearbeiten. [38,
S. 170]
Der Motivationsbegriff scheint hiernach eindeutig. Für eine genauere Bestimmung der Motivationsanreize muss der Begriff jedoch in zwei verschiedene Kategorien unterteilt werden. Für
eine Tätigkeit deren Anreiz direkt aus dem Vollzug hervortritt wird der Ausdruck „intrinsisch“
verwendet. Kommt der Anreiz aus einer externen Quelle wird dies „extrinsische“ Motivation
genannt. In der Motivationspsychologie ist die Unterscheidung noch etwas komplizierter. Hier
17
3
existieren mehrere Theorien, die bei paralleler Anwendung unterschiedliche Ergebnisse liefern
können. Eine Motivation kann dann, abhängig von der theoretischen Grundlage, entweder intrinsische oder extrinsische Ursachen haben. [114] Für unseren Anwendungszweck, in dem eine
möglichst klare Trennung erwünscht ist, soll der Ansatz über die selbst- oder fremdmotivierte
Tätigkeit jedoch ausreichen.
3.1
Extrinsische Motivation
Äußere Motivatoren können sowohl Belohnungen als auch Zwänge sein. McGonigal bezeichnet extrinsische Belohnungen als „American Dream Goals“, da sie sich meist um Geld, Ruhm
und Schönheit drehen. Beschränkt man sich bei seiner Suche nach dem Lebensglück aber auf
Oberflächlichkeiten, stößt man an ein Hindernis. Immer wenn man seine Begierden mit einer
extrinsischen Belohnung stillt, stellt sich der Körper auf diese neue Gegebenheit ein und akzeptiert das neue Konsumgut schnell als neuen Standard. Durch diese hedonistische Adaption währt
das Glücksgefühl nur für kurze Dauer. Versucht man nun einen gleichwertigen Glückszustand
hervorzurufen, bedarf es eines erhöhten Konsums, und schnell befindet man sich in der sogenannten hedonistischen Tretmühle. [95] Belohnung oder Bestrafung wirken nur kurzfristig, da
sie stark situationsspezifisch sind und nur so lange wirken, wie sie ausgeübt werden [39].
3.2
Intrinsische Motivation
Edelmann empfiehlt Lehrern, wenn irgendwie möglich, bei Schülern eine intrinsische Motivation hervorzurufen. Diese Motivationsform wirkt, wenn sie einmal aufgebaut ist, in der Regel
ohne steuernde Einflüsse von außen weiter. Intrinsische Motivation wird durch Neugier, Anreiz
sowie Erfolgserwartung und Anstrengungsbereitschaft bestimmt. [ibd.]
3.2.1
Neugier
Neugier entsteht durch eine Inkongruenz zwischen neuer Information und bisherigem Wissen.
Dieser kognitive Konflikt darf dabei weder zu groß, noch zu klein sein. Dabei kann ein optimaler
Widerspruch durch drei bestimmte Reizqualitäten hervorgerufen werden:
1. Novität: Wenn etwas neu, jedoch nicht zu neu ist, kann dies zu Überraschung und Verblüffung führen.
2. Komplexität: Ein Ideal ist nicht immer einfach zu umzusetzen und ist von Differenzierungsgrad und Vielfalt abhängig.
3. Ungewissheit: Sie entsteht durch Zweideutigkeit, Widersprüchlichkeit und objektive Unsicherheit.
Diese drei Kriterien schaffen in der Person eine subjektive Unsicherheit, daraus entsteht ein
Bedürfnis, diese kognitiven Konflikte durch Explorationsverhalten abzubauen. Richtet sich ein
solches Neugierverhalten häufig auf den gleichen Bereich, wird von der „Ausbildung von Interessen“ gesprochen. [ibd.]
18
3.2.2
Anreiz
Bei der intrinsischen Motivation spielen auch Gefühle eine entscheidende Rolle, wobei sich das
Modell der Anreiztheorie aus den Komponenten, wie in Abbildung 3.1 dargestellt, zusammensetzt.
Aufforderungscharakter
Motiv
Motivation
Abbildung 3.1: Motivationsvorgang als Wechselwirkung zwischen Aufforderungscharakter und Motiv [39, modifiziert]
Motive wie Bedürfnisse und Strebungen sind vorerst latent vorhanden. Wenn aber diese Persönlichkeitsmerkmale von Situationsfaktoren angeregt werden, gehen sie in den Zustand der aktuellen Motivation über. Ein Aufforderungscharakter kann dann als vorrangig emotionaler Wert
aufgefasst werden. [ibd.] Steht man beispielsweise in einem digitalen Rollenspiel (role-playing
game, RPG) vor einem außergewöhnlich großen, eisenbeschlagenen Tor, kann die Vorstellung
des dahinter befindlichen Bossmonsters – sofern man schon ein konkretes Bild davon hat –
genug positiven Aufforderungscharakter besitzen um das latente Motiv zu aktivieren, dieses
zu besiegen. Dadurch kommt zur aktuellen Motivation, das Tor zu öffnen und dem Endgegner
gegenüberzutreten. Existiert noch keine konkrete Vorstellung von diesem Gegner, dient dieses
Beispiel dem vorhergehenden Punkt „Neugier“.
3.2.3
Erfolgserwartung und Anstrengungsbereitschaft
Erfolgsorientierung ist ein weiterer wesentlicher Aspekt der Leistungsmotivation. Kann ein bestimmter Standard erreicht (Erfolg) oder verfehlt werden (Misserfolg), spricht man von Leistung. Bei diesem Gütemaßstab kann es sich um selbst gesetzte Standards oder um fremdgesetzte
Kriterien handeln, das sogenannte Anspruchsniveau. Das Leistungsmotiv, also das Bedürfnis eine Leistung zu erbringen, ist normalerweise verborgen. Es wird insbesondere durch die
Erfolgserwartung und den emotionalen Anreiz in einer akuten Situation angeregt. Das Leistungsmotiv zielt demnach auf den Erfolg bei der Auseinandersetzung auf einem bestimmten Anspruchsniveau ab. Hoch leistungsmotivierte Menschen sind dadurch ausgezeichnet, dass sie bei
ihren Aktivitäten häufig Erfolg erwarten, während niedrig leistungsmotivierte Personen durch
Befürchtungen vor Misserfolgen gekennzeichnet sind. [20, zit. n. [39]]
19
Wer nicht häufiger Erfolge erwarten kann und dann auch wirklich erzielt, kann nicht
leistungsmotiviert sein. [39, S. 31]
Angenommen, man hat im vorhin erwähnten role-playing game (RPG)-Beispiel unter Punkt
3.2.2 die Erfahrung gemacht, dass bereits kleine Gegnergruppen schwer zu besiegen sind und
fast jeder feindliche Treffer einen weiteren Heiltrank erfordert, dürfte die Leistungsmotivation
wohl eher gering sein. Das Anspruchsniveau ist dann so hoch, dass man versuchen wird, dem
sicheren Spielertod zu entgehen und noch einige Level zu steigen, bevor man sich um den Endgegner kümmert.
3.3
Tom Sawyer und der Korrumpierungseffekt
Es erfüllt uns mit Freude, Fortschritte bei einem Puzzle zu machen um es schlussendlich zu
lösen. Die Tätigkeit selbst ist dabei Belohnung genug. Intrinsische Belohnungen haben eine solche Motivationskraft, dass zusätzliche extrinsische Belohnungen sogar kontraproduktiv wirken
können.
1950 wurden in einem Versuch Resusäffchen, die bereits eine Freude daran hatten Rätsel
selbstmotiviert zu lösen, zusätzlich mit Rosinen belohnt. Das Ergebnis war, dass die Affen mehr
Fehler machten und die Puzzles weniger häufig gelöst wurden. Die Erkenntnis, dass durch die
Einführung von extrinsischer Belohnung die Durchführung der Aufgaben negativ beeinflusst
werden kann, ist ein Phänomen, das vor diesem Experiment noch nicht schriftlich festgehalten
war. Der interessensgetriebene Antrieb wurde bei diesem Versuch als genauso fundamental und
stark wahrgenommen, wie Futter- und Sexualtrieb, oder Belohnung und Bestrafung, die aus
einem bestimmten Verhalten resultieren. [58, zit. n. [109]]
Lepper, Green und Nisbett führten 1973 eine ähnliche Versuchsreihe mit Kindergartenkindern durch. Zuerst wurden die Kinder, deren Lieblingsbeschäftigung ermittelt wurden, in drei
Gruppen aufgeteilt. Die Kinder der ersten Gruppe stimmten zu, dass sie für eine Belohnung der
Zieltätigkeit nachgehen würden. Auch die Kinder aus Gruppe Zwei bekamen eine Belohnung,
wussten zuvor allerdings nichts davon. Die dritte Gruppe wurde einfach gefragt, ob sie es machen wollen.
Zwei Wochen später wurden alle Kinder erneut gebeten, sich in der Spielstunde auf diese Weise
zu Beschäftigen. Dabei stellte sich heraus, dass jene Kinder, die für ihre „Arbeit“ belohnt wurden, die anfängliche Lieblingstätigkeit jetzt seltener durchführten und weniger reizvoll fanden.
[87] Dieser Effekt wurde im Forschungsbericht als overjustification bezeichnet, und später als
Sawyer Effekt bekannt. Benannt nach Tom Sawyer aus den Geschichten von Mark Twain [109].
Im deutschen Sprachraum findet man eher die Begriffe Korrumpierungseffekt oder Überveranlassung. Unter Beachtung der verwendeten theoretischen Grundlage lässt sich dieser Effekt so
erklären, dass die ursprüngliche Selbstmotivation geschwächt und eine Reduzierung der intrinsischen Motivation zur Folge hat. [33, zit. n. [114]]
20
3.4
Flow
In einer großen Interviewstudie befragte Csíkszentmihályi Künstler, Sportler und Professionisten, die eine Leidenschaft für ihr Handwerk entwickelt hatten, über die Attraktivität ihrer Tätigkeiten. Dabei entdeckte er ein immer wieder kehrendes Muster, auf welches er seine weitere
Forschung konzentrierte. Laut Schilderungen kann bei der Arbeit, aber vor allem bei Freizeitaktivitäten ein Zustand eintreten, der treffenderweise flow genannt wurde. Dabei sitzt jeder Handgriff (scheinbar) perfekt und geht, ohne bewusst darüber nachdenken zu müssen, fließend in den
nächsten über. Zusätzlich verschwinden Zeitgefühl und jedwede Selbstkritik. Es handelt sich
„[. . . ] um das selbstreflexionsfreie, gänzliche Aufgehen in einer glatt laufenden Tätigkeit, bei
der man trotz voller Kapazitätsauslastung das Gefühl hat, den Geschehensablauf noch gut unter
Kontrolle zu haben“ [114, S. 34] Nach einer solchen Erfahrung fühlt man eine Verbesserung
der eigenen Fähigkeiten und mit einem gesteigertem Selbstbewusstsein, darin bestärkt, sich als
einzigartige Persönlichkeit zu akzeptieren.
[. . . ] a current[,] gamely carrying them along. This is flow. [89, S. 181]
Eine Voraussetzung, um diesen offensichtlich erstrebenswerten Bewusstseinszustand erreichen
zu können, ist eine perfekte Balance zwischen Anspruchsniveau und dem Können des Ausführenden. Ist die Tätigkeit zu einfach, wird es bald langweilig. Wenn die Herausforderung zu
schwierig ist, wird es frustrierend und man verliert den Mut. Beide Fälle erschweren die vollständige Hingabe. [ibd.] Für eine komplette Vertiefung in die Flow-Erfahrung bedarf es einem
unmittelbaren Feedback und es muss vollständige Klarheit über das Ziel herrschen [32].
Um nun die Verbindung zum eigentlichen Thema dieser Arbeit wieder herzustellen sei erwähnt, dass dies auch zwei wichtige Eigenschaften eines guten Videospiels sind. Deswegen sind
digitale Games auch das Medium, mit dem sich Flow am schnellsten erzeugen lässt. Gerade der
GameFlow [131], wie auch der Flow in anderen Tätigkeiten, bietet intrinsische Belohnungen,
wodurch wir das natürliche Verlangen haben, ihn immer wieder herzustellen. Darin liegt jedoch
das Paradoxon. Sobald wir beginnen eine Herausforderung zu beherrschen, wird das Erleben des
Flow-Zustands schwächer, weil uns die Situation weniger beansprucht und diese nicht mehr so
stimulierend auf uns wirkt. [89] Um diesen Zustand der vollen Aufmerksamkeit und Kontrolle
erneut zu bekommen, muss man sich komplexeren Aufgaben stellen. In einem digitalen Spiel
kann dies durch eine wohldosierte Steigerung des Schwierigkeitsgrades automatisiert werden.
Dieser Nebeneffekt ähnelt zwar der hedonistischen Adaption aus Punkt 3.1, ist jedoch bei weitem nicht so negativ behaftet.
In fact, there is no inherent problem in our desire to escalate our goals, as long
as we enjoy the struggle along the way. The problem arises when people are so
fixated on what they want to achieve that they cease to derive pleasure from the
present. [32]
3.5
Motivation im Videospiel
Man könnte meinen, Spiele sind das Gegenteil von Arbeit und deshalb so motivierend. Spiel
und Arbeit sind jedoch weit davon entfernt gegenteilige Eigenschaften zu besitzen. Es ist eher
21
so, dass sich beide gegenseitig unterstützen. Vielmehr nennt Stuart Brown, wie auch zuvor schon
Brian Sutton-Smith, die Depression als das gegenteilige Element. [27] [130]
The opposite of play, in these terms, is not a present reality or work, it is vacillation,
or worse, it is depression. [130, S. 199]
In einer Depression leidet man an zwei Dingen, nämlich einem pessimistischen Gefühl der Unzulänglichkeit und einem bedrückenden Aktivitätsmangel. Jane McGonigal invertierte diese Definition von Depression, woraus sich die optimistische Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten
und ein stärkender Ansturm von Aktivität ergab. Dies sei dann die perfekte Beschreibung des
Emotionszustands von Gameplay. [95] McGonigal und andere Game Designer wie Raph Koster
sind der Ansicht, dass spielen und die dabei entstehenden Emotionen, mit einer unmittelbaren
Selbsterarbeitung von Lösungen und den erwarteten Erfolgsaussichten verbunden sind. Bei einer
passiven Beschäftigung wie Fernsehen ist dies nicht der Fall.
3.5.1
Freude am Versagen
In Videospielen bestehen 80% der gesamten aufgewendeten Zeit aus Fehlschlägen und dennoch
wird man davon nicht so leicht entmutigt [84] [95]. Im Berufsleben wäre man nach dem dritten Anlauf schon frustriert, oder hätte gar mit Konsequenzen zu rechnen. In Videospielen ist
das anders. Natürlich schimpfen manche, wenn sie in einem Rennspiel zum dritten mal kurz
vor der Ziellinie von einem Kontrahenten überholt werden, können aber dennoch Freude dabei
empfinden. Sie drücken die Start-Taste und beginnen von vorne.
In Finnland wurden bei Spielern und Spielerinnen Messungen durchgeführt, die Rückschlüsse auf den Emotionszustand in verschiedenen Spielsituationen liefern. Das unerwartete Ergebnis
war, dass auch eindeutige Misserfolge eine Steigerung von positiven Affekten und eine Senkung
von negativen Gefühlsregungen zur Folge hatte. [113] Verlieren hat im Spiel keine schwerwiegenden Konsequenzen und eine überzeichnete Darstellung im Spiel verharmlost nicht nur diesen
Effekt, sondern ermutigt teilweise sogar zum Ausprobieren. In manchen Spielen macht es richtiggehend Freude, mit bewusst gemachten Fehltritten zu experimentieren.
3.5.2
Lasset die Spiele beginnen!
Eine weitere starke Motivationsquelle für Spieler ist der Wettkampfaspekt, wobei der Wettkampf
nach Huizinga einen Kampf um etwas „darstellt“ oder ein Wettstreit darum ist, wer etwas am
besten darstellen kann. [66, S. 22] Vor allem im Bereich des E-Sports, ist das Gewinnen eng
mit dem Spielen verbunden, um sich beim Ausgang des Spiels als der Überlegene zu erweisen.
Damit gewinnt man positives Feedback und Prestige, was unmittelbar einer ganzen Gruppe von
Mitspielern, im E-Sport als Clan bezeichnet, zugute kommt. Im Idealfall führt das Gewinnen
eines Spiels bzw. eines Turniers sogar zu monetärer Entlohnung. Um die Erfolgserwartung des
Gewinnens zu erhöhen nehmen Amateure, aber vor allem professionelle Spieler, ein regelmäßiges und anstrengendes Training in Kauf. Wenn ein Spiel zur Profession wird, geht das zum
Teil soweit, dass Spieler auf viele Sachen (auch vertraglich) verzichten müssen, um noch besser werden zu können. [137] Damit kann jedoch die Freiwilligkeit und mit ihr die intrinsische
Motivation geschwächt werden.
22
3.5.3
Spielende Persönlichkeiten
Manche Menschen haben eine höhere Affinität zu wettkampfbasierten Spielen und fühlen sich
mehr zu digitalen Sportspielen oder Egoshootern hingezogen, um gegen Spieler aus aller Welt
anzutreten. Für andere wiederum bringt das Erleben einer epischen Geschichte den größten Reiz
am Spiel und favorisieren daher digitale Rollenspiele.
Stuart Brown unterteilt Menschen in acht verschiedene Spielertypen. Die meisten von uns werden sich jedoch in mehreren Bereichen wiederfinden. Manche Spiele üben demnach einen viel
Stärkeren Anreiz auf uns aus, als andere. [27, S. 65]
Die nachfolgende Aufzählung ist eine modifizierte Zusammenfassung der play personalities
nach Brown. zu jedem Punkt werden Videospielkategorien genannt, die einen Menschen mit den
jeweiligen Charakterzügen besonders interessieren dürften. Vorausgesetzt, die jeweilige Person
hat einen Bezug zu Videospielen:
Joker: Quatsch ist die fundamentalste und erste Art des Spielens, da jedes Baby mit Unsinn
zu sprechen beginnt und auch Eltern ihre Kinder mit Albernheiten belustigen. In seiner
späteren Kindheit findet der Komiker seine Anerkennung als Klassenkasperl. Er amüsiert
sich vermutlich am meisten bei Mehrspielerspielen und sogenannten Partyspielen, um
anderen eine gute Show liefern zu können.
Kinesthete: Kinästheten wollen sich bewegen und Dinge anfassen. Typisch für diese Kategorie sind Athleten oder Tänzer. Spieler und Spielerinnen dieses Typs müssen nicht erst
motiviert werden um bewegungsfördernde Videospiele, wie z. B. Wii Sports oder diverse
Tanzspiele, mit Hingabe zu spielen. Das würde er oder sie auch ohne besonderen Anreiz machen. Person mit einem sehr ausgeprägten Bewegungsdrang würden/müssten ein
Fitnessspiel jedoch auch nicht vorrangig aus gesundheitlichen Gründen spielen.
Explorer: Jeder beginnt als Kleinkind damit, die Welt zu erforschen und manche behalten sich
diesen Enthusiasmus das ganze Leben bei. Das Erforschen kann auf vielen Ebenen erfolgen, sei es physisch, emotional oder mental. Für Entdecker sind offenkundig Open-WorldSpiele, Adventure-Games und Puzzlespiele die richtige Wahl.
Competitor: Der Wettkämpfer genießt es, ein Spiel mit strikten Regeln gegen andere zu spielen
oder, noch besser, zu gewinnen. Wettkämpfer wiederholen das Spiel so oft bis sie in den
Highscorelisten ganz oben sind. Siege gegen Mitspieler erfüllen sie ganz besonders mit
“fiero” (Stolz) [95]. Die Art von Spiel kann jedoch auch teambasiert sein, vor allem dann,
wenn sie das Team anführen und zum Sieg führen können. Jedes eSport-taugliche Spiel
kommt für so jemanden in Frage.
Director: Sie lieben es zu planen und zu organisieren. Sie führen Regie. Liebhaber von Aufbaustrategiespielen und Wirtschaftssimulationen könnten am ehesten in diese Kategorie
fallen. Auch viele aktuelle und erfolgreiche Social Games weisen die passenden Komponenten auf.
Collector Der Sammler will, grob gesagt, das Meiste, das Beste und die vollständigste Kollektion. Menschen mit diesen Charakterzügen sprechen am ehesten auf die Reize von
23
Rewardsystemen an. Der Sammler streift mit Genugtuung stundenlang durch virtuelle
Welten, tötet massenweise Gegner und sammelt Unmengen an Items, ohne auch nur einer
speziellen Quest nachzugehen, was in einem massively multiplayer online role-playing
game (MMORPG) auch grinden und farmen genannt wird.
Artist/Creator: Künstler und Bildner wollen frei gestalten. Sie malen, formen Skulpturen, stricken oder Gärtnern. Sie wollen etwas machen und kreieren, sei es funktional, schön oder
albern. Dabei genießen sie es genauso etwas zu zerlegen, zu reinigen oder zu reparieren. Physic-Playgrounds, Malspiele und sämtliche Puzzelspiele mit ausreichend kreativer
Freiheit können in diesem Spielertypus ihr Publikum finden.
Storyteller: Geschichtenerszähler haben eine große Vorstellungskraft. Sie wird hauptsächlich
genutzt um Geschichten zu erfinden, aber auch um sich in fremde Abenteuer hineinzuversetzen. Wie bereits erwähnt, erleben sie gerne umfangreiche, vorgegebene Geschichten,
aber noch mehr genießen sie es, diese selbst mitzugestalten. Rollenspiele werden in diesem Fall auch gerne alleine gespielt, nur um die Geschichte zu erleben. Legendäre Itemsets und der Heldenrang auf einem Onlineserver sind nur zweitrangig.
[27, S. 66ff, erweitert]
Brown selbst beschreibt seine Auflistung ohne wissenschaftliches Fundament. Hier verwende
ich sie dennoch, da ich denke, dass, wenn man über Motivation diskutiert, auch in Betracht
gezogen werden muss, dass jeder Mensch anders auf bestimmte Anreize reagiert. Für Bewegungsfreudige Menschen mag das Joggen beispielsweise eine intrinsische Motivation bieten.
Andere wiederum versuchen es immer wieder, finden es jedoch zu eintönig. Die Ergänzung und
Adaption auf Videospiele basiert auf meiner eigenen Einschätzung. Ich habe sie aber festgehalten, da dies im nächsten Kapitel Aufschluss darüber gibt, auf welche Spielertypen die jeweiligen
Gamification-Methoden den größten Anreiz ausüben.
3.6
Relevanz für Game Designer
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer
Motivation für das Game Design von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Vor allem, weil sich ein
Game Designer bewusst sein sollte, wie sich eine intrinsische Motivation am besten einstellen
kann. Am Ende ist es natürlich abhängig von der jeweiligen Person und ihrem Charakter, ob
ein Spiel genügend Motivationsanreize für sie bietet. Dazu kommen noch äußere Einflüsse, die
nicht vorhersehbar sind. Aber man kann dafür sorgen, dass ein Spiel Neugier hervorruft und viele
Anreize mit starkem Aufforderungscharakter bietet. Eine gute Dosierung des Schwierigkeitsgrades ist mindestens genauso wichtig. Zum einen sollte das Spiel nicht zu allzu schwer sein, um
Spieler nicht zu verunsichern und somit die Leistungsmotivation aufrecht zu erhalten. Andererseits, sollte man es SpielerInnen nicht zu einfach machen, um Langeweile zu vermeiden. Diese
Gratwanderung zugunsten des Flow-Erlebens lässt sich fast ausschließlich über ausreichendes
Usertesting bestehen. Wie schwer man es seinen Spielern und Spielerinnen machen will und wie
viel man ihnen zutraut, ist aber letztlich die Entscheidung des Entwicklers. Immerhin lassen sich
24
auch schwere Spiele so gestalten, dass der Frustlevel in einem gewissen Rahmen bleibt und sich
Lernerfolge einstellen können.
Selbiges gilt auch für Exergames, wobei hier neben dem fesselnden Effekt auch noch eine
gewisse körperliche Wirksamkeit bereitgestellt werden muss. Die zwei Schüsselkriterien Attraktivität und Effektivität sind ausschlaggebend für ein erfolgreiches Exergaming-System,
das zum einen Mindestkriterien in der Bewegungsintensität erfüllt und zum anderen ein Mindestmaß an Spaß bieten kann. Nur so können Spieler und Spielerinnen regelmäßig und für eine
gewisse Dauer an das Spiel gebunden werden, damit ein positiver gesundheitlicher Effekt eintreten kann. Die auftretenden Parallelen zwischen Attraktivität und Effektivität nahmen Sinclair,
Hingston und Masek zum Anlass, die beiden Hauptfaktoren zu einem zweidimensionalen FlowModell für Fitnessspiele zusammenzufügen [125]. Beim sogenannten Dual-Flow-Modell (Abbildung 3.2) wurden die Faktoren für die Attraktivität direkt von Csíkszentmihályi übernommen.
Neu sind jedoch die Einflussfaktoren und Wirkungsquadranten, was die Effektivität betrifft. Eine optimale Wirkung ist nur gewährleistet, wenn ein Gleichgewicht zwischen Übungsintensität
und körperlicher Verfassung der TeilnehmerInnen herrscht.
Effektivität
(physiologisch)
Intensität
Herausforderung
Attraktivität
(psychologisch)
Angst
Flow
Apathie
Langeweile
Misserfolg
Flow
kein Nutzen
Verschlechterung
Skill
Fitness
Abbildung 3.2: Duales Flow-Modell für Exergames nach Sinclair et al. [125, modifiziert]
25
KAPITEL
Gamification vs. Game Design
Gamification ist ein informelles Modewort und bedeutet, salopp gesagt, nichts anderes als das
Verpacken von trockenen Systemen in einen spielerischen Mantel. „Gamifizierung“, wie es bereits als eingedeutschter Begriff verwendet wird, ist zur Zeit in aller Munde und wurde mittlerweile zum Reizwort für (Serious) Game Designer. Es soll AnwenderInnen langfristig dazu
motivieren einen Dienst oder eine Anwendung regelmäßiger und effektiver zu nutzen, sei es zu
Gunsten des Users oder des Anbieters. Aber kann das User-Engagement durch diesen DesignAnsatz gefördert werden oder ist vollwertiges Game-Design einer Gamification immer vorzuziehen?
4.1
Werkzeug oder Machtmittel
An sich wäre nichts schlechtes daran zu finden, ein langweiliges bzw. unattraktives System durch
spielerische Elemente aufzuwerten. Jedoch haben neben Game Designern auch Marketingexperten dieses Thema für sich entdeckt und halten Gamification für das neue Wundermittel, um alles
erdenkliche an den Mann und die Frau zu bringen [143]. Dies ist auch der Anlass für Ian Bogost
Gamification als bullshit – im philosophischen Sinn – zu bezeichnen:
[gamification] takes games – a mysterious, magical, powerful medium that has captured the attention of millions of people – and it makes them accessible in the context
of contemporary business. [67]
Er schlägt stattdessen den Begriff “exploitationware” vor. Dies sei die wahrheitsgetreue Bezeichnung für den Einsatzzweck von Gamification [ibd.]. Der Hype, der sich in kurzer Zeit um
Gamification entwickelt hat, zeigt, dass es sich zweifellos um ein mächtiges Werkzeug handelt,
um Userengagement und -bindung zu erzeugen [141]. Dies impliziert gewissermaßen schon die
Chance, rein aus Profitgier, über ein gewinnträchtiges System den spielerischen Layer der Gamification zu legen, um damit noch größere Einkünfte zu erzielen. Dies ist jedoch noch kein Grund
27
4
Gamification gleich als Schwachsinn abzuwerten, da dies einen vernunftgemäßen, humanistischen Einsatz noch längst nicht ausschließt. Es liegt also in den Händen der User Experience(UX) und Game-Designer sowie den Forschern der HCI und Game Studies, den Begriff Gamification wieder ins rechte Licht zu rücken. Raph Koster schreibt in seinem in Versform verfassten
Blog-Artikel über gutes, schlechtes und großartiges Design unter anderem:
Good design embraces human nature.
Bad design exploits human nature.
Great design is humane and humanistic.
Good design guides.
Bad design controls.
Great design invites. [79]
Meine Arbeit distanziert sich vollständig von einer profitorientierten Marketingstrategie, welche Gamification nur deshalb einsetzt, um eine feste Kundenbindung zu forcieren oder dafür zu
missbrauchen, um mit einfachen Mitteln an wertvolle Kundeninformationen zu gelangen. Gamification soll m. E. rein als zusätzlicher Anreiz dienen, bereits nützliche Tätigkeiten oder Anwendungen noch reizvoller zu gestalten, damit sie durch freudvolle, regelmäßige Ausführung ihren
vollen Nutzen ausschöpfen können.
Gamification should be about rewarding people for what they already want to do,
not tricking them into doing something they don’t want to do. [42]
Natürlich sollen entwickelte Systeme und Anwendungen auch einen gewissen finanziellen Erfolg für deren Entwickler bringen, um weitere Verbesserungen und neue Entwicklungen zu ermöglichen. Ein wirtschaftlicher Erfolg sollte jedoch aus Nutzen bzw. Unterhaltungswert und
Bedienbarkeit resultieren.
4.2
Abgrenzung von Gamification
Obwohl Gamification ein eindringliches Schlagwort ist und bereits in vielen Forschungsgebieten zum Einsatz kommt, haben sich bisher nur wenige Menschen darum bemüht, dem Begriff
eine einheitliche Definition zu verleihen. Aufgrund ihrer negativen Assoziation versuchen Game Designer sich vom Ausdruck Gamification eher zu distanzieren und verwenden den Alternativbegriff gameful design [96]. Gameful Design soll etwas tiefgreifender ansetzen als die
Grundpfeiler von Gamification, wird aber auch von Game Design abgegrenzt, da eine GamefulDesign-Strategie nicht darauf abzielt Spiele zu entwerfen, sondern Systeme, Prozesse oder Anwendungen, die primär kein Spiel sind. Mittels Gameful Design entwickelte Dienste implizieren
aber dennoch einen hohen Grad an Verspieltheit, im Sinne von gamefulness (siehe Seite 9). Das
resultierende Ergebnis eines Gameful-Design-Prozesses kann m. E. nach dieser Definition aber
durchaus als Serious Game gelten, sofern dessen Zweck ein Ziel verfolgt, das dem eines Serious
Games, wie in Kapitel 2.2 beschrieben, verfolgt.
28
Einen der ersten wissenschaftlich fundierten Definitionsversuche für Gamification hat Sebastian Deterding mit seinen Kollegen unternommen. Sie gehen von der informellen Beschreibung aus, Gamification sei ein Sammelbegriff für den Einsatz von Videospielelementen in NonGaming-Systemen, um die Erfahrungen und das Engagement von Anwendern zu verbessern
[36]. Anhand dieser Beschreibung analysieren sie die einzelnen Definitionsfaktoren und stellen
dabei folgende Definition auf:
“Gamification” refers to
• the use (rather than the extension) of
• design (rather than game-based technology or other game related practices)
• elements (rather than full-fledged games)
• characteristic for games (rather than play or playfulness)
• in non-game contexts (regardless of specific usage intentions, contexts, or media of implementation). [35, S. 5]
Gaming
Gaming
Gameful Design
(Gamification)
(Serious)
Games
(Serious)
Games
Gameful
Design
Gamification
Parts
Whole
Playful
Design
Toys
Playing
Whole
Parts
Toys
Playful
Design
Playing
Abbildung 4.1: Links: Platzierung von Gamification im Vergleich zu Games, Toys und Playful Design nach Deterding et al. [35, modifiziert]; Rechts: Neupositionierung von Gamification und Gameful Design. Gameful Design
wurde noch nicht genau abgegrenzt und überschneidet sich mit den beiden anderen Designstrategien. Gamification
ragt zusätzlich in den „Play“-Bereich, da Gamification teilweise nur ziellose „Spielereien“ bietet und von der jeweiligen Verwendung eines Users abhängt. Playful Design wurde angepasst und als Gegenpol von Gameful Design
positioniert.
Gameful Design überschneidet sich nach dieser Definition üblicherweise mit Gamification. Deterding et al. stellen es dennoch als potentielle Alternative dar, wobei hier nach deren Angabe
noch ein akademischer Diskurs wünschenswert wäre. Mit Hilfe ihrer Definition lässt sich Gamification bzw. Gameful Design, aber klar von Serious Games, welche demnach als vollwertige
Spiele gelten, sowie Spielzeugen und Playful Design abgrenzen. (Abbildung 4.1, links)
29
Status
Gamification
Gameful
Design
#
1
2
3
Game
Design
4
5
Level
Game interface design patterns
Game design patterns and mechanics
Example
Badge, leaderboard, level
Time constraint, limited resources, turns
Game design principles and heuristics Enduring play, clear goals,
variety of game styles
Game models
MDA; challenge, fantasy,
curiosity; game design
atoms; CEGE
Game design methods
Playtesting, playcentric design, value conscious game
design
Tabelle 4.1: Levels of Game Design Elements nach Deterding et al. mit zusätzlicher Nummerierung sowie Unterteilung in Gamification, Gameful Design und Game Design, auf Basis von Designebene und allgemeiner Begriffsinterpretation. (Beschreibungen der Design-Levels wurden aus Platzgründen entfernt.) [35, modifiziert und ergänzt]
Aus der Designsicht betrachtet werden Game-Elemente in unterschiedlichen Abstraktionsebenen angeführt, wobei für die zitierte Definition alle Ebenen mit einbezogen wurden. Gamification grenzt sich dann von Game Design dadurch ab, dass nur einzelne Elemente für ersteres
verwendet werden und einzeln eingesetzte „Game-Atome“ noch kein vollwertiges Spiel machen. [35] Das „Level-Modell“ bietet jedoch Platz für eine kontextbezogene Unterscheidung von
Game Design, Gameful Design und Gamification. Wobei die jeweils höhere Stufe die darunterliegenden Ebenen integriert. Es veranlasst mich zu einer Trennung von Gamification und Gameful Design, da sich in den meisten explizit „gamifizierten“ Produkte auf die in Zeile 1 der Tabelle
4.1 angeführten Game-Design-Elemente beschränken. Werden in einer Anwendung GameplayMechaniken wie Zeitvorgaben, beschränkte Ressourcen und Runden verwendet, würde ich eher
von Gameful Design sprechen, da sich diese Elemente nicht mehr so einfach über ein bestehendes System legen lassen wie Badges oder Leaderboards. Beim Gameful-Design-Ansatz ist eher
eine von Grund auf neue Projektplanung gefragt. Kurzum: Gameful Design unterscheidet sich
von Gamification in der Tiefe der verwendeten Game-Mechaniken und fordert ein Neudesign
für bestehende Systeme. Gamification kann ohne große Änderungen als zusätzlicher Layer auf
ein bestehendes System angewendet werden.
Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich nach den Unterscheidungsmerkmalen aus der
Designperspektive vorgehen, da für mich eine klare Trennung von Serious Games oder einem
Playful-Design-Ansatz im aktuellen Kontext weniger relevant erscheint, als die Unterscheidung
der verschiedenen Game-Design-Ebenen.
4.3
Gamifizierende Elemente
Dieser Abschnitt soll drei einfache Methoden beschreiben, die bereits den Grundgedanken eines
Spiels vermitteln, sich aber schon mit relativ einfachen Mitteln an ein bereits bestehendes System koppeln lassen. Anhand eines ein Japan entwickelten Health Games soll für jeden Punkt ein
30
Beispiel für eine mögliche Umsetzungen der verschiedenen Methoden gezeigt werden.
Die Fakultät für Design, an der Kyushu University hat ein Rehabilitationsspiel mit einfachen Gamification-Methoden entwickelt. Das Übungsziel in Standing Growing Blooming Tree
“Rehabilium” ist es, so oft wie möglich von einem Stuhl aufzustehen und sich wieder zu setzen. Diese Übung ist im Bereich der Physiotherapie eine der grundlegendsten, um Menschen zu
helfen, wieder das selbstständige Aufrichten zu erlernen. Allerdings ist der Übungsablauf nicht
sehr spannend und kann überdies auch sehr anstrengend sein.
Rehabilium wurde bei einer Rehabilitationsbehandlung in einem Krankenhaus an Männern und
Frauen mit einem Durchschnittsalter von 75 Jahren getestet und dabei mit selbständigem und
therapeutisch betreutem Training verglichen. Das Ergebnis war, dass mit Hilfe des Therapiespiels signifikant höhere Wiederholungszahlen erreicht wurden als bei einem Training alleine
oder mit Unterstützung eines Therapeuten. Dennoch fühlten sich die Spieler im Anschluss weniger erschöpft. [59]
Genau genommen handelt es sich bei Rehabilium nicht mehr um ein gamifiziertes System,
sondern um ein vollwertiges Serious Game. Dennoch lassen sich anhand dieses Beispiels die
einzelnen Methoden auf der niedrigsten Design-Ebene „Game interface design patterns“ veranschaulichen. (Tabelle 4.1)
4.3.1
Punkte, Leaderboards und Levels
Die einfachste Methode etwas zu „verspielerischen“ ist die Quantifizierung von Aktivitäten und
Fortschritten. In Zusammenhang mit digitalen Spielen, denkt man bei Punkten natürlich sofort
an Highscorelisten. Diese werden jedoch erst besonders wirksam, wenn die Möglichkeit besteht, die eigenen Zahlen mit derer von bekannten oder befreundeten Personen zu vergleichen.
Erst wenn fiktive Zahlen in einem relativen Bezug zu anderen stehen, lässt sich ersehen ob der
eigene Score hoch oder niedrig ist. Oft sind Leaderboards zusätzlich in verschieden Kategorien
unterteilt.
Quantifizierung kann bereits ein starker Anreiz sein, etwas öfter oder besser zu machen.
Dafür muss jedoch ein unmittelbares und klar definiertes Ziel erkennbar sein, um den damit
verbundenen Aufwand abschätzen zu können. Ist eine definierte, endliche Anzahl an Aktionen
durchzuführen, ließe sich der Wert beispielsweise durch einem prozentual aufgeteilten Fortschrittsbalken visualisieren. Mit dieser eindeutigen Anzeige erhält man ein direktes Feedback
und es lässt sich viel einfacher abschätzen, wie viel noch zu erledigen ist, bevor das Ziel erreicht
wird.
Auch Aufgaben, die eine unbegrenzte Anzahl an Wiederholungen erlauben, lassen sich
durch visuelles Feedback darstellen. Dies ist auch in Standing Growing Blooming Tree “Rehabilium” geschehen, wo ein Maximum an geschafften Wiederholungen erreicht werden soll.
Das Spiel zählt mit Hilfe eines Wii Balance Boards die Wiederholungen und lässt mit jedem
Aufstehvorgang einen lustigen virtuellen Baum schrittweise, um je einen Meter, in die Höhe wachsen. Zusätzlich unterstützt wird das außergewöhnliche, visuelle Feedback durch einem
klassischen Fortschrittsbalken als Höhenanzeige. Dazu gibt es fröhliche Musikuntermalung und
jubelnde Kinderstimmen, die einen anfeuern. Um das Spiel abwechslungsreicher zu gestalten,
wurden fünfzehn verschiedene, zum Teil aberwitzige, Baumdesigns implementiert, wobei angeraten wird jeden Tag einen weiteren Baum wachsen zu lassen. [59]
31
Abbildung 4.2: Bildausschnitt von Rehabilium, der eine Vorstellung davon gibt, wie eine eintönige, ständig zu
wiederholende Rehabilitationsübung aussehen kann. [13]
Punkte lassen sich für alles mögliche einsetzen. Eine klassische Methode ist die Vergabe von
Erfahrungspunkten (experience points), wie in Rollenspielen. Diese XP werden verwendet, um
z. B. einen Spielcharakter zu verbessern, wobei jeder Punktebereich einem bestimmten Charakterlevel zugeordnet wird. Mit Höhe des Spielerlevels steigt der Avatar üblicherweise immer
langsamer. Man benötigt beispielsweise von Level 10 auf Level 11 ein zigfaches mehr an Punkten, als von Level 1 auf Level 2.
Eine andere, momentan sehr beliebte Variante sind einlösbare Punkte (redeemable Points). Hat
man sich eine bestimmte Anzahl solcher einlösbaren Punkte durch langes oder geschicktes spielen verdient, lassen sie sich gegen virtuelle Güter eintauschen. Dies scheint äquivalent zu einer
virtuellen Währung, aber mittlerweile beschränkt sich die Bezeichnung solcher Punkte jedoch
nicht mehr auf „Gold“ oder „Credits“. Moderne free to play (social) games profitieren von einer
solchen in-game-Währung insofern, dass sie die Option bieten, sich zeitintensive und eintönige
Spieltätigkeiten (farmen und grinden) zu ersparen und stattdessen spezielle Spielinhalte gegen
Kundenwerbung oder reales Geld anbieten.
4.3.2
Belohnungen
Für Errungenschaften, sogenannte Achievements, die in einem Spiel erreicht werden können,
gibt es oft Auszeichnungen (Badges) als Belohnung (Reward). Sie sind ein weiterer Schritt
in der spielerischen Gestaltung. Rewardsysteme können jedoch unterschiedlich aussehen und
32
parallel eingesetzt werden. Die Belohnung mit Auszeichnungen sollte jedoch nicht willkürlich
oder in übertriebenem Maße erfolgen, da sonst deren Wert und Wirkung verloren gehen. Martin
Pichlmair fasst den sinnvollen Einsatz von Achievements prägnant zusammen:
If you add achievements to a web service, make them as supporting to your design
goals as possible[. . . ], as a prize for risking something, as a tool to foster changing the style of play, rewarding exploration and experimentation, as a means of
comparing your progress to other player’s progress. Awarding points for arbitrary interaction is not gamification and reduces the whole concept to a marketing
trend. [108]
Das Social-Health-Game Health Month1 , welches Menschen dazu motivieren soll, selbst festgelegte Ziele in die Tat umzusetzen, vergibt z. B. Badges, wenn man einen Monat lang seine Ziele
so konsequent verfolgt, dass am Ende noch Lebenspunkte übrig bleiben. Eine solche Vergabe
von Auszeichungen ist spielerisch durchaus gerechtfertigt. Ein weiteres Badge bekommt man,
wenn man seinen angelegten Account mit dem eigenen Foursquare2 -Account verknüpft. Eine
derartige Belohnung für das Transferieren von Daten hat jedoch absolut nichts mit dem eigentlichen Spiel zu tun und geschieht nur aus Marketinggründen.
Abbildung 4.3: Links: Verschiedene Trophäen im Physiotherapiespiel Rehabilium; Rechts: Anzeige der bereits gesammelten Karten in der Kollektion. (beide entnommen aus [59])
Unser beispielhaftes Health Game Rehabilium setzt gleich mehrere Varianten von Belohnungssystemen ein, um den Wiederspielwert zu erhöhen. Erreicht man im Spiel eine gewisse Höhe,
wird man mit einer Bronze-, Silber- oder Goldmedaille belohnt. Alle 100 Meter bekommt man
zusätzlich eine Sammelkarte geschenkt. Diese Karte wird in eine Art Setzkasten gelegt. Dieser,
zu Beginn noch leere Kasten, hat den Effekt, dass man sich bewusst wird, wie viele dieser Karten
1
2
vgl. http://healthmonth.com
vgl. https://foursquare.com
33
noch fehlen, um die Sammlung komplett zu bekommen. Des Weiteren bekommen SpielerInnen
für das Erreichen spezieller Ziele eine Blume, deren Seltenheit und Exklusivität betont wird. All
diese Features sollen die Motivation erhöhen und zudem Gesprächsstoff zwischen Spielern und
Spielerinnen bieten. [59]
Manche Spiele sperren anfangs einen Großteil des am Ende verfügbaren Content und schalten erst bei mehrmaligem Spielen und besseren Leistungen neue Spielinhalte frei. In unserem
Paradebeispiel könnte ein derartige Umsetzung so aussehen, dass jeden weiteren Tag bzw. nach
einer erfolgreich beendeten Übung, ein neues Baumdesign zur Verfügung gestellt wird. Vor allem in Multiplayerspielen wird aber ein solches Hindernis nicht immer gerne gesehen. Vor allem
wenn ein Spiel zuerst solo durchgespielt werden muss, bevor man den gesamten Funktionsumfang gemeinsam nutzen kann.
4.3.3
Soziale Aspekte
Wie bereits kurz in den Punkten 4.3.1 und 4.3.2 angemerkt, macht es mehr Spaß seine eigenen
Leistungen mit derer anderer Menschen vergleichen zu können und mit ihnen darüber zu sprechen, wie viele Trophäen man bereits freigeschaltet hat. Viele leidenschaftliche SpielerInnen
haben vermutlich auch schon die Erfahrung gemacht, dass Gespräche über geteilte Spielerfahrungen eines Videospiels pausen- oder gar abendfüllende Ausmaße annehmen können.
Neben einem Teilen von Ergebnissen und eventuellen anschließenden Gesprächen ist auch das
gemeinsame Spielen ein wichtiger gesellschaftlicher Aspekt. Sei es über einen lokalen Mehrspielermodus, gemeinsam vor dem gleichen Bildschirm, oder online. In Rehabilium sind Mehrspielerfunktionen bereits geplant, aber bis zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht umgesetzt [59].
In Social-Media-Systemen besteht eine enge Verbindung zwischen der sozialen Komponente und den grundlegenden Gamification-Methoden. Neben der Zählung und Bekanntgabe von
Kontakten gibt es teilweise Auszeichnungen für die soziale Interaktion selbst. Es gibt Belohnungen wenn man alle Einstellungsmöglichkeiten erkundet, alle persönlichen Informationsfelder ausfüllt oder ein Profilbild hochgeladen hat. Es bringt Pluspunkte, wenn die eigenen Beiträge
bewertet werden (Reputationssystem) oder man selbst fremde Beiträge bewertet oder teilt. [73]
Ein Beispiel dafür, wie Belohnungssysteme in Social Media Systemen aussehen können,
ist „SAD“ (Surveillance Awareness Database). Ein Projekt, das Videoüberwachung im öffentlichen Raum mit Hilfe einer Community dokumentieren soll. Hier wird Gamification eingesetzt
um User dafür zu motivieren, mehr Videokameras zu dokumentieren und den Dienst regelmäßig
zu nutzen. Auf dem Leaderboard gibt es ein Ranking mit unterschiedlichen Kategorien. Es wird
beispielsweise verglichen wer die meisten Kameras hinzugefügt oder am öftesten Kommentare
geschrieben hat. Für soziale Interaktion gibt es zudem noch eine Auflistung, wessen Beiträge
am öftesten “geliked„ (positive Bewertung, wenn jemand den eigenen Beitrag mag) wurden. Eine Langzeitmotivation konnte durch das Belohnungssystem bei vielen AnwenderInnen jedoch
nicht erreicht werden. Neben den monatlichen Neuanmeldungszahlen ist der Zuwachs an eingetragenen Überwachungskameras rückläufig. [103]
Punktevergaben, Belohnungs-Sammelfunktionen, sowie das Mitteilen der eigenen Leistungen haben noch wenig mit einem richtigen Spiel, wie es Eingangs definiert wurde, gemeinsam.
In Rehabilium kommt man der Sache zwar schon sehr nahe, und mit dem zukünftig geplanten Mehrspielermodus noch näher. Dies ist jedoch nicht dem Belohnungssystem zu verdanken,
34
sondern vor allem den klar definierten Regeln und einem schlichten, dauerhaften Gameplay:
„Aufstehen und Setzen um den Baum so hoch wie möglich wachsen zu lassen.“ Wie in Tabelle 4.1, auf Seite 30 zu sehen ist, können einige Game-Elemente aus Rehabilium mindestens den Stufen 3 und 4 zugeordnet werden. Demnach kann Rehabilium bereits als vollwertiges
Exergame bezeichnet werden. Gamification selbst bringt nach meiner Ansicht kein inhärentes
Gameplay-Gefühl, obwohl Gamification-Methoden teilweise als Game-Mechaniken bezeichnet
werden [142].
Belohnungen durch Gamification und die daraus entstehende Motivation ein gamifiziertes System zu „spielen“ sind nach meiner Einschätzung oft nicht intrinsisch und können so auch keinen
Flowzustand, wie er von Csíkszentmihályi definiert wurde, bieten. Um dies zu erreichen sollte
mindestens Enduring Play, ein Game-Element aus Stufe 3 des Level-Modells (Tabelle 4.1) vorhanden sein. Ein Social Media Portal welches vielleicht fünf Minuten täglich „gewartet“ werden
muss, um seine Achievements zu bekommen, kann nicht unmittelbar flow-fördernd sein. Es ist
aber durchaus vorstellbar, dass in einer hitzigen Diskussion mit Spielpartnern und -partnerinnen
ein Flowzustand durch die schiere Begeisterung im Gespräch entsteht.
Sebastian Deterding beschreibt, ausgehend von der Spieldefinition nach Raph Koster aus
Punkt 2.2.1, die Entstehung intrinsischer Motivation durch eine spannende Herausforderung.
Diese Herausforderung setzt sich aus Zielen und Regeln zusammen. Unterstützt man eine solche
Herausforderung zusätzlich durch Feedback werden Erfolgserlebnisse möglich. Bekommt man
jedoch Feedback ohne eine Herausforderung bleibt die Interaktion extrinsisch motivierend. [34]
Abbildung 4.4: Der Ablauf von intrinsisch motivierender Interaktion nach [34]
4.4
Gameful Design > Gamification?
Gamification alleine (erste Stufe im Level Modell), kann demnach nicht als alleinige Lösung
des Engagement-Problems gepriesen werden. Um bestehende Systeme zu überarbeiten und geringfügig zu verbessern, mag es ein geeignetes Werkzeug sein. Es sollte aber hauptsächlich dann
in Betracht gezogen werden, wenn ein Neudesign nicht durchführbar ist. Besteht die Möglichkeit etwas von Grund auf neu zu gestalten, ist eher „Gameful Design“ zu präferieren. Gameful
35
Design ist quasi die Erweiterung von Gamification mit Spielmechanik und Story. Dieser GameDesign-Ansatz legt den Fokus auf das Spielgefühl. Er integriert ein klares Gameplay und versucht den Spieler an etwas großem teilhaben zu lassen. Jane McGonigal empfiehlt, dass man,
anstatt nachzudenken wie man etwas wie ein Spiel aussehen lassen könnte, sich eher Gedanken darüber machen soll, wie man etwas entwirft, das sich wie ein Spiel anfühlt. Sie verwendet
bewusst den Begriff gameful design und beschreibt playful als etwas Neckisches und Improvisiertes. Gamer sind in ihren Augen hingegen stark konzentriert und motiviert. [86]
36
KAPITEL
Geschichte & Wirkung von Exergames
Vor wenigen Jahren dachte man, wenn von Videospielen die Rede war, an eine im Wohnzimmer
stehende Spielkonsole und einen Gamecontroller, der sitzend von der Couch bedient wird. Das
war allerdings nicht immer so. In den Anfängen der Videospielgeschichte waren Spielautomaten
noch in städtischen Arkaden aufgestellt. Vor dem Spielen mussten sich Jugendliche erst dorthin
begeben, was, sofern keine öffentlichen Verkehrsmittel oder das elterliche Taxi genutzt werden
konnten, zu Fuß oder mit dem Fahrrad geschehen musste. Solche Spielautomaten wurden hauptsächlich im Stehen verwendet. Dabei wurden schnelle Joystickbewegungen und ruckartiges Tastendrücken häufig durch Körpereinsatz begleitet, um seinen spielerischen Absichten Ausdruck
zu verleihen (body English). Den Ursprung hat dieser Körpereinsatz beim Arkadenspiel offenbar
noch von Flipperautomaten, bei denen Neigen und Stoßen teilweise in die Spielregeln integriert
war und übermäßiges Rempeln durch Ballverlust bestraft wurde. Erst durch den Einzug der
Spielkonsolen in die heimischen Wohnzimmer wurde das Videospielen vorwiegend zur sitzenden Tätigkeit. Vor allem seit der Markteinführung der Wii Konsole ist aber ein Umkehrtrend
erkennbar, der Körperlichkeit wieder in das heimische Videospiel eingliedert. [23]
Dieses Kapitel soll einen kurzen Überblick über die Geschichte von Exergames geben und
zeigen, dass diese Kategorie kein Novum darstellt. So manch aktuelles Erfolgsprodukt hat ähnliche Vorgänger, die bereits vor Jahrzehnten entwickelt worden sind. Die meisten davon endeten
damals jedoch eher als erfolgloses Nischenprodukt oder schafften es nicht über das Prototypenstadium hinaus.
Über die Wirkung von Exergames wurden bereits viele Abhandlungen und Studien veröffentlicht. Punkt 5.2 soll wesentliche Aspekte daraus zusammenfassen und aufzeigen, wie sich Exergames und Trainingsfortschritte einheitlich bewerten lassen.
5.1
Historische Exergame-Interfaces
Die ersten Gehversuche Interfaces für Ganzkörpersteuerung zu entwickeln, begannen schon vor
30 Jahren. Bis in die späten 90er hielt sich der Erfolg allerdings in Grenzen, wenngleich sich ei37
5
nige der heutigen Verkaufsschlager technisch nicht wesentlich von ihren Vorgängern unterscheiden. Viele Eingabegeräte aus der Vergangenheit ähneln sich und sind, was den Formfaktor und
die Umsetzung betrifft, miteinander vergleichbar. Die klassischen Exergame-Interfaces lassen
sich grob in die Kategorien Gleichgewichts-Controller, Aktionsmatten oder Traingsgeräte
unterteilen. In Letzterer sind Heimtrainer, Laufbänder und sonstige Apparaturen zusammengefasst, die zu sperrig und zu teuer waren, um sich im Heimbereich durchzusetzen. Erst mit fortschreitender technologischer Entwicklung wurden auch Konzepte entwickelt, die Bewegungen
durch optisches Tracking erkennen.
5.1.1
Gleichgewichts-Controller
Bereits 1982 veröffentlichte Amiga einen Controller für das Atari 2600 Video Computer System (VCS), der mittels Gewichtsverlagerung bedient wurde. Das Joyboard kann als Vorgänger
für das heutige Wii Balance Board gesehen werden. Unter der Deckplatte befanden sich vier gefederte Kontakte die bei ausreichender Belastung geschlossen wurden [76]. Das Joyboard konnte als Standard-Controller verwendet werden, wodurch es möglich war, alle systemkompatiblen
Spiele zu steuern – theoretisch. Da sich mit dem Joyboard nur die kurzen Joystickbewegungen
ersetzen ließen, waren die Möglichkeiten, nicht zuletzt wegen der unpräzisen Erkennung, sehr
begrenzt [23]. Speziell für das Joyboard entwickelt und veröffentlicht wurde nur das Spiel Mogul Mania, ein Skislalom-Spiel, das prädestiniert für diese Art der Eingabe schien. In der Praxis
war jedoch aufgrund der digitalen Kontakte auch hier die Erkennungsgenauigkeit ungeeignet,
um eine nuancierte Steuerung zu ermöglichen [71].
Der Roll’n Rocker war ein ähnliches Produkt, das von LJN Toys Ltd. (später Acclaim Entertainment) als Peripherie für das Nintendo Entertainment System (NES) entwickelt wurde. Im
Gegensatz zu Joyboard und Balance Board war es auf der Unterseite Halbkugelförmig und man
hatte darauf keinen festen Stand. Durch kippen des Bretts konnte man in die gewünschte Richtung steuern. An der Vorderseite des Geräts befand sich zusätzlich eine Anschlussmöglichkeit
für den Standardkontroller, der Zugriff auf die restlichen Buttons ermöglichte. Da ein Richtungswechsel eher schwierig war und eine gewisse Reaktionszeit beanspruchte, war der Roll’n
Rocker für die meisten Spiele ungeeignet und ein kommerzieller Misserfolg [23].
5.1.2
Aktionsmatten
Neben der ersten Balancesteuerung entwickelte sich fast zeitgleich ein weiterer Ansatz der Bewegungssteuerung. 1983 erschien Foot Craz von Exus, für das VCS. Foot Craz war eine Matte
mit fünf farbigen Tastflächen, die mit den Füßen bedient wurde. Die Fußmatte wurde gemeinsam mit den Spielen Video Jogger, einem Laufspiel, in dem man die Spielfigur durch Laufen
am Stand um eine elliptische Laufbahn bewegte und Video Reflex, einem Reaktionsspiel, in dem
man am Bildschirm erscheinende Käfer zertreten musste, verkauft. Was das Erscheinungsjahr
von Foot Craz betrifft, widersprechen sich manche Quellen. Ian Bogost gibt in seinem Artikel
„The Rhetoric of Exergaming“ und dem Buch „Persuasive Games - The Expressive Power of
Video Games“ 1987 als Veröffentlichungsjahr an [22] [23]. Im Wikipediaartikel über Exergaming wurde diese Jahreszahl übernommen [3]. Die meisten Quellen geben jedoch das Jahr 1983
als Erscheinungsjahr von Foot Craz und den dazugehörigen Spielen an, was meines Erachtens
38
glaubwürdiger erscheint, wenn man die Spielgrafik aus Video Jogger mit Screenshots anderer
Spiele der frühen 80er vergleicht [136, S. 129] [93, S. 8]. Diese Ungereimtheiten sind wohl unter anderem dadurch entstanden, dass nur wenige Primärquellen über Foot Craz existieren und
diese Laufmatte eines der seltensten Sammlerstücke für den Atari 2600 ist [22].
Jahre später kam ein ganz ähnliches Produkt für das NES auf den Markt. Die in Amerika unter Power Pad bekannte Interaktionsmatte war jedoch im Gegensatz zu seinem Vorgänger
beidseitig verwendbar und hatte zwölf Tasten. Von diesen Zwölf ließen sich auf Seite A acht
Sensoren nutzen. In Europa erschienen nur zwei Athletikspiele für das Power Pad. In Nordamerika und Japan waren es ein paar mehr, wovon zwei davon als damalige Neuheit besonders
erwähnenswert sind. Street Cop war eines der ersten Videospiele, das speziell für eine Laufmatte
entwickelt wurde, aber nicht das Thema Laufen zum Spielinhalt machte. Man steuerte, wie der
Name bereits verrät, einen Polizisten. Die Spielfigur spazierte entlang eines Gehsteiges, wobei
man durch Umsteigen auf der Matte zwischen drei Bahnen wechseln konnte. Eine zusätzliche
Sensorfläche diente dem Richtungswechsel. Dabei sollte man unbescholtenen Passanten ausweichen und Verdächtige festnehmen. [23, S. 300] Vom zweiten Spiel, Dance Aerobics, erhoffte
sich Bandai, dass es besonders bei Frauen Anklang finden würde. Das Spiel war ein schlichter
Personal Trainer für Aerobicübungen. Die Spielfigur zeigte schrittweise verschiedene Bewegungen vor, die von Spieler und Spielerin imitiert werden sollten, indem er auf die entsprechenden
Sensorflächen steigt. Dabei gab es ein Fehlerguthaben, das bei jedem Fehltritt reduziert wurde.
Bei zu vielen Strafpunkten war die Übungseinheit beendet. Dance Aerobics kann quasi als Vorläufer für alle modernen Personal-Trainer-Anwendungen gesehen werden, wenngleich damals
aufgrund der rein digitalen Fußtasten das Interface noch sehr rudimentär ausfiel und die Fußmatte nur als Kontrolleinheit für die Fußposition diente. [23, S. 305ff]
Bevor sich Nintendo 1988 die Rechte an der Vermarktung des Power Pads sicherte kam die ursprünglich von Bandai entwickelte Matte unter dem Namen Family Fun Fitness Mat auf den
Markt [2] [6]). Im Jahr 2008 veröffentlichte Namco Bandai die Family Trainer Mat als Neuauflage für die Wii-Konsole. Seither sind dafür vier Family Trainer Minigame-Sammlungen
erschienen.
Die ersten bedeutenden Erfolge im Exergamingbereich für Endbenutzer konnten erst 1998
mit der Markteinführung des Rhythmusspiels Dance Dance Revolution (DDR) von Konami
verbucht werden. Es wurde urspünglich als Arcade-Game entwickelt, war aber auch bald für
den Heimgebrauch erhältlich und beeinflusste den Markt für Exergames maßgeblich [23] [122].
DDR wird nach wie vor weiterentwickelt und ist für alle aktuellen Konsolen erhältlich. Im Gegensatz zu früher, wo DDR ausschließlich mit Tanzmatte – oder im Notfall mit einem klassischem Joypad – gespielt wurde, unterstützen aktuelle Versionen die spezifischen Bewegungsinterfaces der jeweiligen Plattformen. Dance Dance Revolution - New Moves integriert beispielsweise die Playstation Move Controller in das Spiel und Dance Dance Revolution - Hottest Party
4 erlaubt neben den Motion Controllern eine Steuerung mit dem Wii Balance Board [10].
Im klassischen Spielmodus von DDR müssen die entsprechenden Richtungspfeile auf dem
Dance Pad gedrückt werden, wenn sie auf dem Bildschirm angezeigt werden. Hierbei ist vor
allem das richtige Timing ausschlaggebend. Je nachdem, wie genau der ideale Zeitpunkt getroffen wird, bekommt man Punkte und ein verbales Feedback. Abhängig davon reichen die
Bewertungsstufen von „Perfect“, „Great“ und „Good“ bis „Almost“ oder „Miss“. So erhalten
39
SpielerInnen für jeden einzelnen Schritt ein unmittelbares Feedback. Neben den Punkten, die
sich bei einer zusammenhängenden Kette von perfekten Schritten als Combo vervielfachen lassen, gibt es noch einen globalen Performancebalken. Bei jedem fehlerhaften Tanzschritt wird
ein Teil des Balkens abgezogen. Für eine gute Leistung wird dieser wieder verlängert. Er ist mit
dem Fehlerkonto in Dance Aerobics vergleichbar. In DDR bekommt man jedoch die Chance,
seine Fehler wieder auszubessern, um so bis zum Ende des Liedes weiterspielen zu können. Die
gesamte Melange aus Scores, Combos, visueller und akustischer Bestätigung, sowie der globalen Leistungsanzeige sorgen dafür, die Aktivität so lange wie möglich durchführen zu wollen.
Zuletzt ist bei einem Rhythmusspiel der Faktor Musik natürlich auch nicht zu vernachlässigen.
Das Spiel war ursprünglich rein zur Unterhaltung gedacht. Das einfache Gameplay, das durchdachte Feedbacksystem und der damit verbundene Erfolg sorgten dafür, dass DDR eine starke
Medienpräsenz erfuhr, und in Folge dessen kauften viele Kunden Sonys PlayStation 2 (PS2)
mit Spiel und Peripherie nur zum Zwecke der Gewichtsreduktion. Dieser neuentstandene Trend
wurde von den Medien schnell als „Exergaming“ bezeichnet. [23]
5.1.3
Trainingsgeräte
Im gleichen Jahr als das Joyboard erschien, arbeitete Atari an einem Projekt namens Puffer, mit
dem Vorhaben ein Fahrrad an ein Atari 5200 Super System zu koppeln. Der nordamerikanische
Videogame Crash von 1983 beendete jedoch das Vorhaben frühzeitig, Atari kündigte den Bankrott an und es blieb bei einem Prototypen. Geht man nach der Konzeptbeschreibung von Atari,
hätte der Puffer schon vor DDR den Begriff „Exergaming“ prägen können:
Concept: There is a whole generation of kids (and adults) out there who aren’t into
sports and/or don’t get enough exercise. At the same time there is a huge fitness
market. We have seen how kids can become addicted to our video games. We are
going to hook up an exercise bike to a video game, where the bike is the controller.
Hook up a bike to “Pole Position” and you have to pedal to make your car “go”.
Hook it up to “Dig-Dug” and shovel faster – or else! We can make fitness freaks out
of the kids and game players out of the keep-fitters. We capitalize on the combination
of the two powerful markets — video games and aerobic fitness. [64]
Geplant war das Projekt Puffer in drei Ausführungen. Neben einem Home Model für den Atari
5200 zuhause wollte Atari ein Arcade Model mit Münzeinwurf, sowie eines für Fitnesscenter
mit integriertem Pulsmesser entwickeln [71].
Erst 1986, nachdem sich die Videospielindustrie wieder einigermaßen von der Krise erholt
hatte, erschienen weitere nennenswerte Produkte im Exergamingsektor, wie den CompuTrainer
von Racermate. Dabei handelt es sich um ein Gestell, welches an das Hinterrad eines handelsüblichen Straßenrades gekoppelt werden kann und Fahrdaten an den Computer übermittelt. Dabei
wird ein natürlicher Rollwiderstand generiert. Viele nutzten die NES-Version der Software, aber
die ersten Modelle wurden für den C64 entwickelt [71]. Grunsätzlich war der CompuTrainer
nicht als Videospiel gedacht, sondern als ernsthaftes Radfahr-Traingsgerät während der Wintermonate. Das System wurde ständig weiterentwickelt und im Laufe der Zeit mit realitätsnahen
Strecken, 3D-Grafik, einer Coaching Software, sowie einem Netzwerkmodus für das Gruppentraining ausgestattet [111].
40
Den Versuch physische Radfahrbewegungen in einen spielerischen Rahmen zu verpacken,
wagte Namco 1996 mit Prop Cycle, einem Videospielautomaten mit eingebautem „Spielzeugfahrad“ und Münzeinwurf. Im Spiel steuerte man ein propellerbetriebenes, fliegendes Fahrrad
und versuchte dabei Luftballons zerplatzen zu lassen. [102]
Ein ganz ähnliches Spielkonzept für Heimkonsolen ist seit 2010 von Big Ben Interactive unter
dem Namen Cyberbike auf dem Markt. Ziel des Spiels ist es, mit dem Fahrrad und anderen Gefährten einen fiktiven Planeten zu säubern und von Müll zu befreien. Zur Kontrolle des Spiels
dient der mitgelieferte Heimtrainer, der in der Ausführung etwas mangelhaft ist, dafür preislich
noch in einem leistbaren Rahmen bleibt [133]. Die erste, für Wii erschienene Version wird noch
am veralteten Game Cube-Port angeschlossen [9]. Das erst kürzlich erschienene Cyberbike 2 für
PS3 kommuniziert mittlerweile über Bluetooth mit der Konsole [63].
Neben Hometrainern wurde natürlich auch mit anderen Fitnessgeräten an der Benutzerschnittstelle experimentiert. Beim ersten Produkt der Firma Gamercize wurde ein herkömmlicher Stepper zwischen Gamecontoller und Computer geschaltet. Das Trainingsgerät übernimmt
dabei die Funktion der Start-Taste auf dem Controller. Solange der Stepper betätigt wird, kann
gespielt werden. Unterbricht man das Training, pausiert auch das Spiel.
Die meisten Exergaming-Geräte lassen Kalorien durch aerobes Training verbrennen. Das
Powergrid Kilowatt jedoch nutzt einen isometrischen Trainingsansatz. Bei diesem massiven Gerät handelt es sich um ein Bodenplatte auf der eine Lehne und eine Lenkstange montiert ist.
Dabei diente die gesamte Stange als Steuerknüppel. An dessen oberen Ende befinden sich Griffe
und die üblichen Funktionstasten eines modernen Game-Pads. Um ein Spiel zu steuern, lehnt
man sich ganzem Körpereinsatz gegen die Lenkstange, wobei der erforderliche Kraftaufwand
einstellbar ist. Das Gerät kam 2006 auf den Markt, und konnte sich aufgrund des Gewichts
und der Größe im Heimbereich nicht durchsetzen [23]. Mittlerweile wird es unter dem Namen
Exer-Station Pro vertrieben und soll speziell Jugendliche in Fitnessclubs ansprechen [81] [144].
5.1.4
Optisches Tracking
Das erste erfolgreiche Exergame-Konzept mit optischer Gestenerkennung war 2003 Eye Toy von
Sony. Eye Toy: Play war das erste Spiel, das zusammen mit der Hardware, einer gewöhnlichen
USB-Kamera, verkauft wurde. Dabei handelte es sich um eine Minigame-Sammlung, in der das
eigene gespiegelte Kamerabild mit Bildschirmobjekten interagiert. Die Erkennung funktionierte
am besten in einem hellen Raum mit neutraler Rückwand, die einen guten Kontrast zum Spieler
oder zur Spielerin aufweist. [122]
Mittlerweile bedienen sich alle Bewegungssteuerungskonzepte der aktuellen Konsolengeneration einer optischen Positionserkennung. Microsofts Kinect ist momentan das technologisch
fortschrittlichste Bilderkennungssystem für den privaten Spielemarkt und basiert auf dem Erkennen von Gliedmaßen im dreidimensionalen Raum. Die Konsolen Wii und PS3 nutzen die visuelle
Bilderkennung nur unterstützend, um den Abstand zum Bildschirm messen und Bildschirmpositionen anvisieren zu können. Sony nutzt dafür nach wie vor eine herkömmliche USB-Kamera,
mit welcher die Position der verschiedenfarbig leuchtenden Controller erfasst wird. Nintendo
verwendet einen Infrarotsensor direkt im Motion Controller, der eine beim Monitor platzierte
Sensorleiste erkennt. (siehe Kapitel 7)
41
5.2
Wirkung von Exergames
Seit nunmehr 30 Jahren wird versucht Trainingsgeräte an Videospiele zu koppeln oder GameInterfaces zu entwickeln, die auch für Heimanwender zugänglich sind. Aber nur ein geringer
Teil der entwickelten Produkte war auch kommerziell erfolgreich. Die Hypothese, dass spezielle
Trainingsgeräte für Fitnesscenter, die mit Computer und Bildschirm ausgestattet sind, einen gewissen Trainingseffekt haben, ist naheliegend. Aber wie sieht es bei Videospielen aus, die sich
nur mittels Tanzmatten, Kameratracking oder Beschleunigungssensoren steuern lassen? Kann
das regelmäßige Spielen von Exergames andere körperliche Freizeitaktivitäten ersetzen? Mittlerweile wurden dazu eine ganze Reihe an Studien durchgeführt, um diese Frage zu beantworten.
5.2.1
Fallstudien
Im Folgenden werden einige Fallstudien angeführt und beschrieben, die zeigen sollen, ob sogenannte active video games einen Nutzen für die kardiovaskuläre Fitness haben. In den ausgewählten Studien wurde zum Teil untersucht, wieviel höher der Energieumsatz bei Exergames
im Vergleich zum Ruheumsatz oder zum Energieumsatz von sitzenden Tätigkeiten, wie z. B. bei
einem klassischen Videospiel ist. Andere Studien wiederum verglichen Exergames mit traditionellen Sportspielen oder untersuchten wie sich das Spielen derartiger Spiele auf längere Sicht
bei Probanden auswirkt.
5.2.1.1
Inaktives und aktives Videospiel
Lanningham-Foster et al. [83] führten 2006 eine klinische Studie durch, die den Effekt von
bewegungsfördernden Bildschirmspielen bei Kindern untersuchen soll. An dieser Studie nahmen 25 Kinder zwischen 8 und 12 Jahren teil, wovon 15 als schlank und 10 als übergewichtig
eingestuft wurden. Deren Einstufung als normal- oder übergewichtig erfolgte über den body
mass index (BMI), wobei die Einschätzung des BMI bei Kindern und Jugendlichen etwas diffiziler als bei Erwachsenen ist, da alters- und geschlechtsspezifische Besonderheiten Einfluss
darauf nehmen. Individuelle BMI-Werte werden anhand populationsspezifischer Referenzwerte
bestimmt. [135, S. 17] In der besagten klinischen Studie galt ein Kind ab der 85. Perzentile als
übergewichtig. Dieser Wert sagt aus, dass 85% aller Kinder mit gleichem Geschlecht und Alter
einen niedrigeren Wert aufweisen.
Während einer Ruhephase wurde der Energieumsatz bei Entspannung gemessen. Dieser
Wert diente als Referenz für die nachfolgende Testreihe, die das Ansehen eines Videos, Spielen
eines traditionellen Videospiels, Sehen eines Videos auf dem Laufband (bei einer Geschwindigkeit von 2,4 km/h) und das Spielen zweier Bewegungsspiele umfasste. Die getesteten Exergames
waren Nicktoons Movin’ für Eye Toy auf PS2, das hauptsächlich Bewegungen für den Oberkörper bietet und DDR Ultramix 2 für Xbox, bei dem sich der Großteil der Bewegung auf die Beine
beschränkt. Berechnet wurde der Energieaufwand über den Gasaustausch, der sehr exakt mittels
indirekt messendem Kalorimeter gemessen wurde.
Die primäre Erkenntnis dieser Studie war, dass beim Spielen von Exergames ein signifikant
höherer Energieumsatz erreicht wird, als bei sitzenden Tätigkeiten. Fernsehen und traditionelles
Videospielen hatte im Schnitt zwar einen 20% bzw. 22% höheren Kalorienverbrauch als in der
42
Ruhephase zur Folge. Bei Eye Toy allerdings wurde eine Steigerung um 108%, bei DDR sogar
um 172% vom ursprünglichen Wert gemessen. Das Fernsehen im Gehen reihte sich zwischen
den beiden Exergame-Werten mit einer 138 prozentigen Steigerung ein. Die Unterscheidung
zwischen schlanken und übergewichtigen Kindern zeigte außerdem, dass Übergewichtige stärker auf intensive Übungen ansprechen und deren Energieumsatz schneller stieg als bei Schlanken. Da sich der Energieumsatz mehr als verdoppelt, wenn sitzende in aktive Bildschirmzeit
umgewandelt wird, kamen Lanningham-Foster et al. zu dem Schluss, dass solche Interventionen durchaus für die Präventions- und Behandlungsmaßnahmen gegen Adipositas in Betracht
gezogen werden können.
We think that converting seat-based screen time to activity-associated screen time
is an essential approach for promoting an active environment that is also fun for
children. [83, S. 1835]
In einer ganz ähnlichen Studie, die 2009 erschien, wurden neben DDR und zwei Disziplinen aus
Wii Sports auch die physiologischen Werte am Laufband bei mehreren Geschwindigkeiten (2,6,
4,2 und 5,7 km/h) mit den Ruhewerten verglichen [54]. Bei der Auswertung kamen Graf et al.
zu folgender Konklusion:
Activity-promoting video games increase energy expenditure equivalent to moderateintensity walking. These new video games have the potential to attract children to
become more physically active and could have particular value for extremely sedentary individuals or those who may shun traditional forms of exercise. [54, S. 539]
Eine Untersuchung von Graves, Stratton, Ridgers und Cable [55] sollte 2007 die Wirkung von
Nintendos Wii unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten untersuchen. Für die Untersuchung
wurden Kinder und Jugendliche gesucht, die regelmäßig herkömmliche Videospiele spielen,
aber noch keine Wii-Erfahrung besitzen. Zusätzlich waren die 11 Testpersonen (6 Buben, 5
Mädchen), im Alter von 13 bis 15 Jahren, allesamt sportlich und Mitglied in Schulsportteams.
Als „inaktives“ Referenzspiel wurde Project Gotham Racing 3 für Xbox 360 eingesetzt und
drei Disziplinen aus Wii Sports (Bowling, Tennis, Boxen) dienten als „aktive“ Testspiele. Jedes
der vier Spiele wurde 15 Minuten lang gespielt, wobei es zwischen den einzelnen Disziplinen
eine kurze Pause gab. Gemessen wurde der Energieumsatz mit einem IDEEA-System (Intelligent Device for Energy Expenditure and Activity), das in Hüfthöhe befestigt wird. Nachteil an
diesem Messsystem ist, dass Armbewegungen nicht richtig gemessen werden, wodurch zu niedrige Messwerte geliefert werden. Vor allem bei Spielen, die ausladende Bewegungen der Arme
erfordern, wie es bei den Testreihen der Fall war.
Trotz zu erwartender Messfehler, war das Ergebnis aussagekräftig genug. Der Energieverbrauch war bei den aktiven Videospielen um 51% höher als beim sitzenden Referenzspiel. Dies
entspricht einer Steigerung von etwa 60 kcal/h. Die Werte wurden anschließend mit ihren äquivalenten realen Sportarten verglichen und abgesehen von Bowling lag der Energieumsatz der
realen Aktivitäten noch deutlich über den Werten der getesteten Exergames. Zudem ist aufgefallen, dass der Energieumsatz bei den männlichen Teilnehmern generell höher lag als bei den
weiblichen. Signifikant war der Unterschied vor allem bei Wii Sports Tennis, was neben physiologischen Unterschieden möglicherweise daran liegen könnte, dass die teilnehmenden Buben
43
mehr Ehrgeiz beim Videospiel entwickelt haben und sich somit zu mehr Bewegung animieren
ließen. Diese Annahme ist jedoch spekulativ und kann aufgrund der relativ kleinen Testgruppe
nicht pauschaliert werden.
Resümierend wurde von Graves et al. zwar bestätigt, dass Exergames, wie Wii Sports einen
erhöhten Energieaufwand erfordern, allerdings sei die Intensität zu niedrig, um einen wesentlichen Beitrag zur empfohlenen Tagesmenge an körperlicher Bewegung für Kinder leisten zu
können. Die EU-Leitlinien für körperliche Aktivität empfehlen Jugendlichen im Schulalter täglich 60 Minuten körperliche Betätigung von mäßiger bis starker Intensität, in Zeitspannen von
mindesten 10 Minuten. [50, S. 8] Wobei nach Angaben des Centers of Disease Control and Prevention erst bei einem Energieverbrauch von 3,5 bis 7 kcal/min von einer mäßigen Intensität
gesprochen wird [106]. In der Studie wurde der höchste Durchschnittswert bei Wii Sport Tennis
erreicht, das aus der Umrechnung von Kilojoule (12,5 kJ/min) einen Umsatz von 3 kcal/min
ermöglichte. Der Verbrauch bei einem echten Tennisdoppel wird mit 5,3 kcal/min (22,5 kJ/min)
angegeben. [55, S. 1283]
Für Erwachsene wird die wöchentliche Bewegungsempfehlung mit mindestens 30 Minuten
an 5 Tagen für gemäßigte oder 20 Minuten an 3 Tagen für intensive Aktivitäten angegeben. An
2 bis 3 Tagen pro Woche sollten Erwachsene auch Ausdauer und Muskelkraft stärken. Weiters
wird erwähnt, dass bei Personen über 65 Jahren ein Kraft- und Gleichgewichtstraining besonders
wichtig sei, um Stürze zu vermeiden. [50, S. 7f]
Graves und Ridgers et al. führten 2010 eine weitere Studie durch, die neben Halbwüchsigen
(11-17 Jahre) auch junge und ältere Erwachsene (21-38 bzw. 45-70 Jahre) auf ihre physischen
Werte beim Exergaming untersuchte. Bei diesem Versuch wurden die einzelnen Übungskategorien von Wii Fit (Yoga, Muskelaufbau, Balance und Aerobic) mit den Ruhewerten, dem Spielen auf einer Handheld-Konsole und zwei unterschiedlichen Laufbandübungen verglichen. Das
Ergebnis der Untersuchung war, dass für alle Altersgruppen die Aerobic-Spiele in Wii Fit als
moderate körperliche Aktivität zählten. Die Übungskategorien Yoga, Muskelaufbau und Balance waren nur von leichter Intensität und mit Wii Sport Tennis oder Bowling vergleichbar. Die
virtuellen Fitnessspiele waren zwar nicht so effektiv wie die getesteten Laufbandübungen, eine
zusätzliche Befragung zeigte allerdings, dass Wii Fit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen
weitaus mehr Vergnügen bereitete. [56]
Albert Rizzo und Belinda Lange interpretieren die Untersuchungsergebnisse nach einem
Überblick von vielzitierten Exergames-Studien bis 2009 wie folgt:
Although these results provide some support for the use of digital exergames using
the current state of technology, this activity should be viewed as a complement to,
rather than a replacement, for regular exercise. [115, S. 260]
Die Wii-Konsole betreffend, merken sie jedoch an, dass auch durch „Cheats“ möglich ist,
das gewünschte Input-Resultat zu erzielen. Gemeint ist damit, dass Wii-Spiele zum Teil mit
einfachen bestimmten Gesten das gleiche gewünschte Feedback bewirken, wie die vorgesehene
natürliche Input-Bewegung, dabei aber einen weitaus geringeren körperlichen Aufwand erfordern. Kennt man diese Bewegung, sinkt die Motivation, den vollen Einsatz zu bringen, da es
auf jene Weise viel einfacher geht. Die beiden Autoren sehen die Zukunft von wirkungsvollen
Exergames eher in einer Technologie wie Kinect, das die Bewegungen des gesamten Körpers
44
verfolgt und designbedingt eher dazu geeignet sei, stark genug anzuspornen, dass eine Intensität erreicht wird, welche die täglichen Empfehlungen für körperliche Aktivität erfüllen kann.
Ich persönlich kann diese Ansicht jedoch nicht vertreten, da sie das Thema meiner Arbeit ad
absurdum führen würde.
5.2.1.2
Aktives Videospiel und traditionelle Sportspiele
Die amerikanische Jugendorganisation 4-H führte 2007 die Nintendo Wii im Rahmen eines
Schulprojekts ein. Es erfolgte eine Datenerhebung, die eruieren sollte, ob die Teilnahme an Exergames eine effektive Möglichkeit für Jugendliche sei um körperlich aktiv zu sein. [139]
25 Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 16 Jahren versuchten sich in zwei von drei
Wii-Aktivitäten. Die Auswahl bestand aus Wii Sport Tennis, Boxen sowie einer Wii-Version
von DDR. Nach dieser virtuellen Sporterfahrung wurden außerdem zwei typisch amerikanische
Gruppenaktivitäten ausgeübt. Zum einen das Versteck- und Fangspiel Capture the Flag (CTF)
und zum anderen Kickball, eine Fußballvariante auf dem Baseballfeld. Vor und nach jedem
Spiel wurden die Herzfrequenz und die, mittels getragenem Pedometer, gezählten Schritte notiert. Jedes Spiel dauerte 20 Minuten, wobei die beiden Outdoor-Spiele an verschiedenen Tagen
stattfanden. Diese Maßnahme sollte verhindern, dass die erste Aktivität die Messergebnisse der
nachfolgenden beeinflusst.
Der Puls nach Kickball war bei 39% der Beteiligten um wenigstens 10 Punkte höher als zu
Beginn. Nach den Wii Sports-Spielen hatten allerdings 44% der Kinder eine Herzfrequenz, die
mindestens um 11 Punkte stieg. Etwas mehr als die Hälfte erreichte diesen Wert bei DDR. 59%
der TeilnehmerInnen hatten nach CTF eine Herzfrequenz, die um 20 Punkte höher lag als vor
dem 20-minütigen Spiel. Hierbei wurden auch die meisten Schritte gezählt. Die durchschnittliche Schrittanzahl in CTF lag bei 1171 Schritten. Beim Tanzspiel DDR waren es im Schnitt
immerhin 802. Zusätzlich wurden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen nach allen Übungen
gefragt, wie viel Freude sie an der Übung hatten und gebeten, die wahrgenommene Übungsintensität anhand der perceived exertion scale nach Robertson [116] einzuordnen. Es wurde dabei
zwischen den Bereichen über 5 (“somewhat hard”) und über 8 (“hard”) unterschieden. Ergebnis der Befragung war, dass alle Wii-Spiele von über 80% der Probanden mit einer Intensität
über Level 5 bewertet wurden. Die beiden Wii Sport- Disziplinen wurden von 60% der Befragten sogar über Level 8 eingestuft. CTF war das anstrengendste Spiel und wurde von 64% als
anstrengend angegeben. Die gemessenen Herzfrequenzen decken sich in etwa mit den mündlichen Angaben. Spaß hatten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen laut Angabe am meisten bei
den anstrengenderen Spielen. CTF wurde von 79%, Tennis und Boxen von 76% und DDR von
72% als lustig empfunden. Nur 26% würden Kickball definitiv wieder spielen. Exergames motivieren also auch durch Spielspaß zu mehr körperlicher Bewegung und fördern ein fröhliches
Gemüt. Der daraus resultierende Ehrgeiz spornt zu Leistungen an, der mit manchen traditionellen Sportspielen durchaus mithalten kann.
As parents, educators, and health professionals look for avenues to increase children’s activity levels, exergaming is an excellent option. Exergames is a way to stimulate children’s minds as well as their bodies.[. . . ] The children’s enjoyment rating
45
indicates that using exergames is engaging and an effective method for increasing
physical activity in youth. [139, S. 3]
Darauf, dass körperliche Bewegung im Allgemeinen gesund für Körper und Geist ist und vor
allem auch mit steigendem Alter kognitive Funktionen aufrechterhalten und Depressionen und
Demenz vorbeugen können, gibt es zunehmende Hinweise. [50, S. 35]
5.2.1.3
Langzeitmotivation von Exergames
All diese Studien belegen, dass Exergames bei der Unterstützung der körperlichen Fitness eine gewisse Berechtigung haben und Kinder dazu bringen können, sich körperlich anzustrengen. Jedoch bleibt bislang die Frage offen, wie lange Exergames motivierend bleiben, um damit
eventuell auch auf lange Sicht einen relevanten Teil der täglichen Empfehlung zu erfüllen. Aussagekräftige Langzeitstudien, die einen garantierten Gewichtsverlust durch Exergames belegen
sollen, sind aktuell keine bekannt. In einer Arbeit wurde untersucht, ob ein Zusammenhang
zwischen der Verwendung von DDR und einer Änderung des BMI besteht [88]. An der Untersuchung nahmen 30 übergewichtige Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 18 Jahren teil und
der Testzeitraum erstreckte sich über ein halbes Jahr. Während der ersten drei Monate nutzten
12 von 26 Teilnehmer (46%) DDR mindestens zwei mal pro Woche. Diese Häufigkeit hielt jedoch nur bei 2 von 21 Probanden (9,5%) bis zum Ende des Testzeitraums an. [88, zit. n. [91]]
Aufgrund der unregelmäßigen Nutzung des Spiels konnte kein Zusammenhang zwischen DDR
und BMI festgestellt werden [88, zit. n. [97]].
Daraufhin folgen mittelfristige Interventionsstudien, die zeigen sollten, ob sich der sitzende Medienkonsum bei Kindern mit Exergames reduzieren lässt und wie häufig diese effektiv
genutzt werden, wenn sie jederzeit verfügbar sind [91] [97].
Eine dieser Studien erstreckte sich über einen Zeitraum von 28 Wochen. Hier wurden 60
sieben- und achtjährige Kinder mit einem DDR-Set inklusive Konsole ausgestattet. Um ein soziales und kompetitives Spielen zu unterstützen wurde jeweils eine zweite Tanzmatte angeboten.
Zur Überwachung der Aktivitäten wurde ein ActiGraph Beschleunigungssensor verwendet. 20
Personen wurden per Zufall auf eine Warteliste gesetzt und bekamen erst nach zehn Wochen das
benötigte Equipment. Generell kam diese Vergleichsstudie zu dem Ergebnis, dass durch DDR
die Zeit, die sitzend vor dem Bildschirm verbracht wird (sedentary sceen time) verringert wurde
und das Spiel einen leichten Anstieg von starker körperlicher Aktivität unterstützen kann. Mehr
als die Hälfte der Eltern glaubten dass die körperliche Aktivität ihrer Kinder durch DDR stieg
und empfahlen es weiter. 15 Eltern kauften sich einen Schrittzähler um die eigenen Aktivitäten
mit der ihrer Kinder vergleichen zu können. [91]
Die zweite der angegebenen Untersuchungen testete 20 Kinder zwischen 10 und 14 Jahren
über einen Zeitraum von 12 Wochen. Zehn Versuchsteilnehmer bekamen für den Testzeitraum
ein „Active Game Upgrade Paket“, bestehend aus Eye Toy Kamera mit passenden Spielen, sowie
einer Tanzmatte inklusive DDR. Die andere Hälfte der Personen diente als Kontrollgruppe und
wurde nicht beeinflusst. Alle Kinder wurden mit einem Accelerometer ausgestattet, den sie in
diesen zwölf Wochen während der Wachzeiten tragen sollten. Zu Beginn, in Woche 6 und Woche
12 wurden die Werte für vier aufeinanderfolgende Tage minutiös ausgelesen. Zusätzlich war ein
Fragebogen auszufüllen. Die Kinder, denen die Möglichkeit zu aktiven Videospielen geboten
46
wurde, spielten, verglichen mit der Kontrollgruppe, insgesamt weniger. Der Unterschied der
durchschnittlichen Gesamtspielzeit betrug -44 Minuten/Tag. Die Auswertung ergab zudem, dass
diese Kinder generell aktiver waren, wobei auch in dieser Untersuchung die Aktivitätszeit bei
den Buben höher war als bei den Mädchen. Eine vielversprechende Entwicklung war auch, dass
bei der Experimentalgruppe eine Verringerung des Gewichts und des Hüftumfangs beobachtet
werden konnte. [97]
Der Studienbericht widerspricht sich jedoch an einigen Stellen, wodurch dieses hoffnungsvolle Ergebnis relativiert wird. In einer Erwähnung wird festgehalten: „Participants and their
parents or guardians were instructed to substitute usual non active video game play with active
video games (EyeToy® and dance mat).“ [97, S. 2] Ich interpretiere diese Aussage dahingehend,
dass die Kinder in diesen zwölf Wochen nur wenig Zugriff auf die eigenen, konventionellen
Spiele hatten. Dies würde auch erklären, warum die tägliche Videospielzeit gleich um 44,9%
gesunken ist. Jugendliche, die fast drei Monate anstatt der eigenen Videospielesammlung nur
noch zwei vorgegebene Spiele zur Verfügung haben, verlieren die Freiwilligkeit und suchen
sich demnach eine alternative Beschäftigung. Zusätzlich wurden bei der Anmeldung zur Studie
Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die bereits Exergames besaßen oder spielten von der Untersuchung ausgeschlossen. In weiterer Folge wurde jedoch eine aktive Videospielzeit für Kinder in
der Referenzgruppe (ohne Exergaming-Kit) angegeben. Ob diese Kinder die Möglichkeit hatten
Exergames bei ihren Freunden zu spielen ist nicht ersichtlich.
5.2.2
Vergleichbarkeit von Studien und metabolisches Äquivalent
Viele der genannten Studien liefern Ergebnisse, die für sich abgeschlossen sind und keine allzu
einfache Vergleichbarkeit mit anderen Studienergebnissen bieten, jedoch ist es manchmal möglich die Ergebnisse von Untersuchungen, deren Aufbau ähnlich war, durch eine Umrechnung
auf gleiche Einheiten zu vergleichen. Beim Ermitteln des Energieumsatzes einer Aktivität wäre
dies praktischerweise kcal/min, da dies zumindest Vergleiche mit den offiziellen Intensitätsangaben [106] erlaubt. Zur Normalisierung der gemessenen Werte wird teilweise das Körpergewicht
von Probanden als Einflussfaktor gekürzt und der Energieumsatz pro Stunde und pro Kilogramm
angegeben. Dies nähert sich schon sehr der Einheit des metabolischen Äquivalents an, womit
sich der Energieumsatz in Ruhe mit dem Umsatz einer bestimmten Aktivität vergleichen lässt.
1 metabolic equivalent of task (MET) entspricht circa 1 kcal (4,2 kJ) je Kilogramm Körpergewicht pro Stunde oder einem Sauerstoffumsatz von etwa 3,5 ml je Kilogramm Körpergewicht
pro Minute [57]. Ein MET zwischen 3 und 6 wird als moderate Aktivität angegeben [106].
Neuere Studien tendieren bereits dazu die Intensitätswerte der untersuchten Aktivitäten auch in
MET anzugeben. Dies vereinfacht die Vergleichbarkeit mit Aktivitätslevels anderer Tätigkeiten
ungemein.
5.2.3
Resümee der Studien
Bisher erwähnte Studien gaben zwar an, dass mit Exergames leichte und teilweise moderate
Intensitäten erreicht werden können. Somit werden sie meist als ein sinnvoller Ersatz für sitzende Freizeitbeschäftigung, mit dem Potential einen aktiveren Lebensstil unterstützen zu können,
47
angegeben, aber eine klare Empfehlung, Exergames einzusetzen um die tägliche Empfehlung
körperlicher Aktivität zu erreichen, bleibt oft aus.
5.2.3.1
Zuversicht
Eine der neuesten Studien sieht das jedoch anders [105]. Wieder einmal wurde das begehrte Studienobjekt DDR untersucht, diesmal allerdings mit der Forschungsfrage, ob das Tanzspiel auch
starke körperliche Anstrengung unterstützen kann. Getestet wurden Erwachsene zwischen 18
und 53 mit einem BMI von 18 bis 38. Es wurde auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad gespielt
und bei der Songauswahl wurde bewusst darauf geachtet, dass diese verschiedene Geschwindigkeiten bieten. Es wurden je zwei Titel mit bis zu 150 beats per minute (BPM), bis 170 BPM
und darüber gewählt. Die Titel wurden dabei für jeden Studienteilnehmer in drei Sequenzen als
Intervalltraining vom langsamsten zum schnellsten Musikstück, mit verschieden langen Pausen
arrangiert. Beim Tanzen der schnellsten Songs wurde bei manchen Probanden die maximale
Herzfrequenz erreicht und nur von der Teilnehmerin mit dem höchsten BMI wurde ein durchschnittliches MET von 6 nicht erreicht. Bei dieser Probandin traten zwischenzeitlich jedoch
Spitzenwerte von bis 12 METs auf. Man kam zu der Überzeugung, dass abhängig vom Spielschwierigkeitsgrad und der „Trainingsgeschwindigkeit“ das Spielen eines aktiven Videospiels
sehr wohl einen Ersatz für ein ernsthaftes Intervalltraining zugunsten der Gesundheit, bezogen
auf die kardiovaskuläre Fitness, darstellen kann.
Thus, this type of alternative movement or exercise may be what is needed to engage participants while they are playing a “game” and at the same time meeting
requirements for physical activity. [105, S. 25]
Dieses Ergebnis zeigt, dass es nicht vergebens ist, Forschungsaufwand in das Thema Exergames zu investieren. Eindeutig klar ist, dass bewegungsfördernde Spiele zumindest besser für die
Gesundheit sind als passives Fernsehen oder inaktives Videospielen. Mit einem gewissen Engagement von Spieler und Spielerin können sie einen Beitrag zu einem gesünderen und aktiveren Lebensstil leisten. Bei Menschen mit einer besonders passiven bzw. sitzenden Lebensweise
können sie durch ihren spielerischen und motivierenden Charakter eine Initialzündung zum Umdenken fördern, sofern Anwender und Anwenderin erkennen, dass man sich nach körperlicher
Bewegung, verbunden mit Spiel und Spaß, besser fühlt. Mit fortschreitender Spielerfahrung,
wenn der Schwierigkeitsgrad ohne Bedenken erhöht werden kann, steigt auch die Intensität der
Übungen, was einen stärkeren positiven Einfluss auf die körperliche Fitness zur Folge hat. Voraussetzung für eine solche Aufwärtsspirale vom sitzenden zum aktiven Lebensstil ist jedoch
ein gut designtes und wohl durchdachtes Spielkonzept, welches nicht eintönig ist und den User
möglichst lange bindet und zur regelmäßigen „Anwendung“ verleitet, ohne sich großartig mit
ernsthaften Fitnessfragen auseinandersetzen zu müssen.
The strength of games like DDR lies precisely in their ability to engender physical
activity through play without demanding the player to adopt a complex understanding of fitness. [23, S. 314]
48
5.2.3.2
Nebenwirkungen
Beim Spielen von Exergames können, wie bei jeder körperlichen Bewegung natürlich auch negative Effekte, wie Verletzungen eintreten. Wie auf Seite 8 bereits erwähnt wurde nach langem intensiven Spielen an der Wii-Konsole, bei einzelnen Patienten eine akute Wiiitis bzw.
Wii-Schulter diagnostiziert [24]. Die Verletzungen treten meist durch eine Überbeanspruchung
der jeweiligen Körperstelle auf. Aber gerade bei Exergames von Nintendo werden regelmäßige
Empfehlungen für Pausen oder Warnhinweise angegeben, die derartige Nebeneffekte oder Verletzungen, die durch die falsche Durchführung einer Übung auftreten können, verhindern sollen.
In einer DDR-Studie aus dem Jahr 2002 wurde explizit erwähnt, dass sich während des gesamten
Testverlaufs von insgesamt 210 Stunden Spielzeit keine einzige Testperson verletzt hätte [132].
Dennoch muss zwischen konventionellen und bewegungsfördernden Videospielen unterschieden werden. Ein Hauptmerkmerkmal von Games ist der risikolose Umgang mit Fehlern, deren
Konsequenzen sich nur auf den weiteren Spielverlauf auswirken. Ein Spiel kann so oft wiederholt werden, bis es beherrscht wird. Das Risiko bleibt dabei virtuell. Bei körperlicher Bewegung
oder reglementierten Sport ist dies anders. Eine missglückte Bewegung oder eine Missachtung
der Regeln kann zu Schmerzen und körperlicher Beeinträchtigung führen, die über den Spielverlauf hinausreichen. In der Kombination von realer körperlicher Anstrengung mit einer virtuellen
Spielumgebung bleibt das reale Risiko einer Verletzung. [99]
49
KAPITEL
Klassifizierung von Exergames
Um Exergames zu analysieren ist es hilfreich den Überbegriff in kleinere Untergruppen zu unterteilen und einzelne Unterscheidungsmerkmale zu definieren.
Eine grobe Unterteilung nehmen Carlos G. Wylie und Paul Coulton vor und trennen dabei
Exergames in zwei Hauptgruppen. Bewegungsfördernde Videospiele werden nach ihrer Unterscheidung entweder speziell für ein Bewegungsinterface entwickelt oder sind Implementierungen, die ein bestimmtes Genre oder Spielprinzip nutzen um körperliche Betätigung bereit zu
stellen. Als entsprechendes Beispiel der ersten Gruppe dient Wii Fit, das speziell für das Wii
Balance Board entwickelt wurde. Dance Dance Revolution und Guitar Hero werden als Musterbeispiele für die zweite Gruppe genannt. Sowohl DDR als auch Guitar Hero bieten das gleiche
Spielprinzip für unterschiedliche Eingabegeräte. [140] In Anbetracht der Fülle an unterschiedlichen Spielgenres ist diese Trennung allerdings etwas vage. Mark J. P. Wolf unterscheidet in
Anlehnung an die unterschiedlichsten Filmkategorien 39 Video- und Computerspielgenres [112,
S. 193ff].
Tracy Fullerton nennt lediglich zehn Kategorien, aber jedes dieser Genres wäre mit bewegungssensitiver Steuerung denkbar. Sie unterscheidet dabei zwischen Action Games, Strategy
Games, Role-Playing Games, Racing/Driving Games, Simulation/Building Games, Flight and
other Simluations, Adventure Games, Children’s Games und Casual Games sowie die Kategorie
Edutainment [47]. Nintendo’s Wii hat in kürzester Zeit den Ruf einer Konsole für Casual-Gamer
erhalten. Daher hätte man alle für Wii erschienen Exergames auch problemlos der Kategorie
der Casual Games zuordnen können. Die bisherigen Ausführen in dieser Arbeit zeigen aber hoffentlich, dass es Wert ist, Exergames einem eigenen Bereich zu widmen. Nach Edutainment lässt
sich hier der Begriff Exertainment wunderbar als elfte Gruppe eingliedern. Dies alleine ist jedoch
nicht zweckdienlich, da hierdurch keine zusätzliche Aufschlüsselung von bewegungsfördernden
Videospielen erfolgt.
Löst man sich von den Kategorisierungsversuchen, die speziell für digitale Videospiele entwickelt wurden, scheint die traditionelle Unterscheidung Caillois’ sehr passend. Er unterschied
in seinem Modell für Spiele allgemein zwischen Agôn (Wettkampf), Alea (Chance), Mimicry
(Rollenspiel und Fantasie) und Ilnix (Bewegung und Schwindelgefühl). [29, zit. n. [119]] [104].
51
6
Vor allem die Spieltypen Ilnix und Agôn sind treffend für digitale Bewegungsspiele, wobei sich
die einzelnen Kategorien nicht ausschließen und Spiele mehreren dieser Klassen zugehörig sein
können. Je nach Spielfreiheit und Zielorientierung reiht sich das Spiel darüber hinaus noch in
die Obergruppe Paidia oder Ludus ein (siehe Seite 8).
6.1
Rhetorik von Exergames
Ian Bogost trennt Exergames nach verschiedenen Gameplay-Kriterien, die sich in dieser neuen
Spielkategorie über die Jahre etabliert haben. Er bezeichnet die einzelnen Kategorien als “Rhetoric of Exergaming” [22], also die verschiedenen Gestalten, die Exergames annehmen können
und die Art wie Gameplay transportiert und mittels Interaktion kommuniziert wird. Bogost unterteilt die Full-Body Rhetoric, das Gegenstück der Gamepad Rhetoric [45], in fünf Unterkategorien [22], wovon er später eine Kategorie streicht [23]:
To understand how games can change attitudes about physical fitness, we must interrogate the procedural rhetorics in exergames, not just the short-term outcomes
of individual successes. [23, S. 294]
Running: Viele der ersten Exergames waren, wie z. B. Track & Field, Laufspiele, die durch laufähnliche Bewegungen auf Aktionsmatten gesteuert wurden. Als Lauftraining am Stand
können diese jedoch nicht sehr zielführend sein. Echte Läufer planen Sprung- Kraft- und
Ausdauertraining in ihren Trainingsplan ein. [22]
Agility: Die Agility-Rhetorik ist eine erweiterte Variante der Sprint-Rhetorik. Viele solcher
Spiele unterbrechen den Sprint durch orthogonale Bewegungen. [ibid.] Auf klassischen
Laufmatten werden Sprünge durch gleichzeitiges loslassen aller Schalter, Ausweichbewegungen durch wechseln auf andere Touchflächen und Duckbewegungen durch Drücken
zusätzlicher Schalter am Boden erkannt.
Reflex: Exergames wie Video Reflex oder Wii Play setzen auf Reflexe. Dadurch wirken sie kompetitiver als Andere und Scores dienen hierbei oft als Motivatoren für einen kontinuierlichen Spielablauf. [23]
Training: Viele der aktuelleren Bewegungsspiele, die den Anspruch erheben etwas für die körperliche Fitness zu tun, fallen in diese Kategorie und orientieren sich am Schema des
Personal Trainings. Sie übernehmen das klassische Prinzip des Fitness-Videos und verlagern es auf ein neues Medium um mehr Abwechslung und einen gewissen Grad an Interaktivität bieten zu können. Im Gegensatz zu Spielen in denen spielerische Performance
entscheidend ist, wird man bei solchen Trainingsprogrammen für die Kontinuität belohnt
und bekommt Badges, wenn über einen längeren Zeitraum regelmäßig „gespielt“ wurde.
Salopp betrachtet könnten Trainingsspiele ebenso als Reflexspiele klassifiziert werden, da
der Input stets eine Reaktion auf die Aufforderung des Computers sein soll. Während bei
Reflexspielen das Ziel darin besteht so schnell wie möglich auf ein Ereignis zu reagieren, ist beim Training auch auf die Ausführung und deren Dauer zu achten. Deshalb ist
man oft auf ein Vorbild angewiesen, nach dem man sich richten und dessen Bewegungen
52
man imitieren soll. Dieser Personal Trainer hilft auch, Übungen auszuführen, um ein gutes
Ergebnis zu erzielen und Verletzungen zu vermeiden. [ibid.]
Impulsion: Dance Dance Revolution ordnete Bogost zuerst der Impulsion-Rhetorik zu, da hier
kein expliziter Anstoß kommt eine Übung auszuführen und aufmunterndes Feedback prozedural, je nach Leistung von Spieler und Spielerin generiert wird. Bei Programmen mit
virtuellem Individualtrainer kommt der Zuspruch eher abhängig vom Fortschritt oder gar
zufällig. [22] In seinem 2007 erschienenem Buch änderte er jedoch seine Ansicht und
fasste Impulsion mit Training zu einer Kategorie zusammen, mit der Begründung dass
die Anreiz-Rhetorik eigentlich über die gleichen Merkmale verfüge wie die TrainingsRhetorik, diese sich jedoch auf eine abstraktere Weise bemerkbar machen würden. Demnach ist DDR zwar ein ausgeklügeltes Beispiel für Ermutigung zur Bewegung mittels
Trainingsvorgabe (siehe Seite 39), ist aber dennoch der Rhetorik des Trainings zuzuordnen [23].
Da sich diese einzelnen Untergruppen von Exergames aus einem geschichtlichen Rückblick entwickelt haben, können sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da keineswegs gesagt
ist, dass im Laufe der Zeit nicht völlig neue Formen von Exergames entstehen werden. Deshalb
sollten sich Game-Designer nicht dogmatisch an diese Einteilung halten, obwohl diese Unterteilung nützlich ist um vorhandene Exergames zu vergleichen und einzuordnen. Eine zukunftsweisende Kategorisierung für innovatives Game Design sollte eher nach anderen Gesichtspunkten
aufgestellt werden.
6.2
Struktureller Aufbau von Lernspielen
Exergames fallen klar in die Kategorie der Persuasive Games [23], weshalb Spielstrukturen, die
für Lernspiele gelten, mit großer Wahrscheinlichkeit auch bei Fitnessspielen anwendbar sind.
Mark Prensky hat verschiedene Strukturelemente von DGBL beschrieben und gegenübergestellt
[112, S. 115ff]. Jede der dieser Eigenschaften bietet Möglichkeiten, wie bestimmte Spielaspekte
implementiert werden können:
Intrinsic vs. Extrinsic: Bei intrinsischen Spielen ist der Inhalt ein integraler Bestandteil der
Spielstruktur. Weniger straff oder gar nicht mit der Struktur verknüpft ist der Content bei
extrinsischen Spielen. Dies ist beispielsweise bei Quiz-Spielen der Fall. Dazu sei gesagt,
dass die realen psychologischen Zusammenhänge der Motivation natürlich viel komplexer
sind (siehe Kapitel 3).
Tightly Linked vs. Loosely Linked: Dieser Aspekt deckt sich zwar mit dem vorhergehenden,
ist aber aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Eng zusammenhängende Spiele werden speziell mit einen bestimmten Inhalt entwickelt. Bei inkohärenten Strukturen sind
Content und Gameplay getrennt. Im diesem Falle hätten bei einem Exergame die physischen Gesten nichts konkretes mit der inhaltlichen Aussage zu tun und übertragene Daten
über Vitalfunktionen würden nur zur Beobachtung dienen.
53
Hard Wired vs. Engines, Templates, Shells: Der Code von festprogrammierten Spielen ist schwer
wiederverwendbar, und der Inhalt lässt sich nur mit großem Aufwand ändern oder austauschen. Bei entsprechendem Budget kann ein maßgeschneidertes Spiel allerdings die
bessere Lösung sein. Mittlerweile existieren jedoch eine Menge an Game-Engines und
Templates, so dass nur noch in speziellen Fällen hard-coded werden muss. Eine dynamische Programmierung ermöglicht eine schnellere Änderung von Parametern und Inhalten
und erlaubt die Bereitstellung eines Content-Editors. Prensky spricht hier von Lerninhalten, die an spezielle Trainingsumgebungen angepasst werden können, aber auch bei
Exergames ist eine einfachere Anpassung von Trainingsinhalten möglich.
Reflective vs. Action: Ein weiterer Aspekt, dem Beachtung geschenkt werden muss, ist die
Überlegung, ob das Spiel zum Nachdenken anregen und im besten Fall einen Sinneswandel hervorrufen möchte oder nur Spaß und Action mit automatisch einhergehendem
gesundheitlichem Nutzen bieten soll.
Synchronous vs. Asynchronous Bei Singleplayer-Spielen entsprechen die Begriffe synchron
und asynchron entweder einem Spielablauf in Echtzeit oder einem Rundenbasierenden,
dem es jedoch an unmittelbarem Reiz fehlen kann, der anders ausgeglichen werden muss.
Dieser fehlende Anreiz kann entweder durch ein starkes Interesse am Endergebnis hervorgerufen werden oder wird mit Gameplay damit erreicht, dass maßgebliche Entscheidungen getroffen werden müssen. Synchrone Spiele lassen sich mit mehreren Personen
gleichzeitig Spielen, egal ob miteinander oder gegeneinander. Bei Lernspielen kann es
einen enormen Nutzen bringen, wenn die gleiche Spielsituationen für alle SpielerInnen
gleichzeitig erlebbar wird.
Single Player vs. Multiplayer vs. Massively Multiplayer Heutige Spiele bieten neben Einzelspielermodi noch viele weitere Möglichkeiten. Man kann lokal am Computer, im Netzwerk oder im Internet, mit einem oder mitunter Millionen anderen Menschen Spielen,
die als Gegner oder Mitstreiter auftreten. Ein synchroner Mehrspielermodus vor dem
gleichen Gerät kann für Exergames unter Umständen schwerer realisierbar sein. Bewegungsinterfaces benötigen in der Regel viel Platz, die Erkennung von mehreren Personen
gleichzeitig ist zuweilen technisch nicht möglich oder die Anschaffung mehrerer Controller ist schlichtweg zu teuer. Deshalb kommt eine weitere Multiplayer-Variante hinzu:
das abwechselnde Spielen von ganzen Durchgängen. Dies ist zwar annähernd in jedem
Singleplayer-Spiel möglich, allerdings kann mit verschiedenen Methoden abwechselndes
Spielen gefördert werden. Möglichkeiten dafür sind unter anderem das Definieren von
mehreren Spielern, die Aufzeichnung und anschließende Gegenüberstellung der Einzelleistungen, das Verkürzen der Wartezeiten beim Spielerwechsel oder das Festlegen von
speziellen Regeln für diese Spielart. Diese Variante wird oft als Partymodus bezeichnet,
da keine Einschränkung der Spieleranzahl durch die Hardware herrscht.
Session Based vs. Persistent-State Ein sitzungsabhängiges Spiel existiert nur so lange die Person spielt. Persistente Spiele laufen weiter, auch wenn man das Spiel verlässt. Dies ist vor
allem bei MMORPGs der Fall. Solche Videospiele haben eine stärkere Verbindung ins
54
reale Leben, da eine längere Offlinezeit zu einem spielerischen Nachteil gegenüber anderen Mitspielern und -spielerinnen führen kann.
Video-Based vs. Animation-Based Für Exergames mit Fitness-Charakter ist eine repräsentative Darstellung der einzelnen Übungen besonders wichtig, da Bewegungen korrekt ausgeführt werden müssen, um einen optimalen Nutzen gewährleisten und Verletzungen vorbeugen zu können. Visualisierungen mit Hilfe von Videoclips bieten einen sehr hohen
Realismus und können eine kostengünstige Option darstellen. Bei vielen unterschiedlichen Einzelschritten oder komplexen Bewegungen, die aus verschieden Perspektiven
darstellbar sein müssen, kann das Videomaterial allerdings schnell beträchtliche, unüberschaubare Ausmaße annehmen. In diesem Fall können Computeranimationen wesentlich
einfacher auf die Kernaussage reduziert und ad hoc beeinflusst werden.
Narrative-Based vs. Reflex-Based Ein besonders wichtiges Unterscheidungsmerkmal für das
Gameplay ist der Narrative Aspekt. Spiele wie DDR kommen gänzlich ohne epische Hintergrundgeschichte aus. Das Gegenteil davon wäre ein kontextsensitives Videospiel, in
dem ein körperlich forderndes Quick Time Event (QTE) auf das andere folgt.
[112, S. 115ff]
6.3
Taxonomie von Exergames
Im Bereich der HCI legten Mueller, Gibbs und Vetere zur Klassifizierung speziell für Exergames,
das Hauptaugenmerk auf deren soziale Aspekte. Mit einer solchen Kategorisierung sollen neue
Möglichkeiten für die Erforschung und dem Design von „Exertion Games“, wie sie in diesem
Forschungsbereich auch genannt werden, eröffnet werden. [100] Die Taxonomie nach Mueller
et al. (Abbildung 6.1) ähnelt einem binären Entscheidungsbaum, mit dessen Hilfe es möglich ist
Exergames schrittweise zu kategorisieren. Inspiriert wurde diese Klassifizierung durch die Arbeit von Deborah P. Vossen, die bereits ein vergleichbares Modell im Rahmen von nicht digitalen
Spielen und Sport entwickelt hat [134].
Im ersten Differenzierungsschritt soll weitgehend definiert werden, ob es sich beim einzuordnenden Videospiel um ein Exertion Game handelt. Um diesen Anforderungen zu entsprechen, muss das Spiel einen Eingabemechanismus beinhalten, bei dessen Verwendung die User
einen physischen Aufwand erbringen müssen, der bei längerer Benutzung in körperlicher Ermüdung resultiert [101]. Ist dies nicht der Fall, wird es als „Non-Exertion“ Game bezeichnet [100].
Die Nächste Stufe legt fest ob das als Exergame definierte Spiel kompetitiv oder „Non-Competitive“
ist. In einem nicht-kompetitiven Spiel gibt es keine Gegner. In wettbewerbsorientierten Spiele
kommen hingegen ein oder mehrere Gegner vor, die entweder von menschlichen Spielern und
Spielerinnen oder dem Computer gesteuert werden. Vossen versteht einen Gegner als ein „[. . . ]
individual or a team pursuing the prelusory goal of a game concurrently with another individual
or team, or in a manner such that the individual results of participants or teams can be compared
under regulated conditions.“ [134, S. 57]
Wettbewerbsorientierte Spiele können zudem parallel oder nicht parallel sein. Mit „Non-Parallel“
ist gemeint, dass mindestens ein Spielteilnehmer als Hindernis fungiert, welches es in der Jagd
nach dem Spielziel zu Überwinden gilt. Das Gameplay von nicht-parallelen Spielen beinhaltet
55
Games
Exertion
Non-Exertion
NonCompetitive
Competitive
Non-Parallel
Combat
Parallel
Object
Abbildung 6.1: Taxonomie von Exertion Games nach Mueller et al. [100, modifiziert]
das Konzept von „Angriff“ und „Verteidigung“. In parallelen Spielvarianten existiert ein derartiges Konzept nicht, können im Gegensatz dazu aber auch asynchron gespielt werden. Dieser Punkt birgt jedoch eine Verwechslungsgefahr, wenn Prensky’s Lernspielstruktur mit dieser Taxonomie kombiniert wird. Prensky beschreibt synchrone und asynchrone Spiele auch als
Real-Time und Turn-Based Games, wobei aber vor allem Echtzeit-Spiele zeitlich parallel ablaufen. [112] Mueller et al. entschieden sich für die Bezeichnungen „parallel“ und „non-parallel“,
da mit der ursprünglichen Bezeichnungen von Vossen „interactive“ und „non-interactive“ eine
Verwechslungsgefahr mit der grundsätzlichen Interaktivität des Mediums bestand [100] [134].
Um kompetitive, nicht-parallele Exergames noch genauer abgrenzen zu können, wurde eine weitere Ebene mit den Kriterien „Kampf“ und „Objekt“ eingeführt. Versucht man in einem Spiel
den Gegner zu kontrollieren fällt es in die Kategorie „Combat“. Liegt jedoch der Fokus auf einem Gegenstand, der in direktem Wettkampf mit dem Gegner zu kontrollieren versucht wird,
handelt es sich um ein „Object“ Game. [100]
56
KAPITEL
Exergame-Technologien und -Software
Dieses Kapitel befasst sich mit technischen Einzelheiten. Dabei soll ein Überblick geboten werden, welche Sensorik in modernen Gerätschaften zur Bewegungssteuerung verwendet wird, welche Videokonsolen und mobilen Geräte diese verwenden und wie sie in kommerziellen Exergames und Fitnessanwendungen zum Einsatz kommen. Diesbezüglich werden erwähnenswerte
commercial of-the-shelf -Produkte (kommerzielle Produkte aus dem Regal, COTS) und mobile
Smartphone-Applikationen beschrieben und analysiert.
Seit die ersten Exergame-Prototypen vor über 30 Jahren die Marktreife erreichten, hat sich
technisch viel weiterentwickelt. Während die ersten Bewegungsinterfaces noch aus einfachen
Schaltkreisen bestanden, werden heutzutage hauptsächlich komplexe mikroelektronische Bauteile eingesetzt. Befasst man sich mit der Entwicklung bewegungsintensiver Videospiele, ist es
unvermeidbar sich einen kleinen Einblick zu verschaffen, welche Sensoren in kommerziellen
Eingabegeräten verbaut sind und welche technischen Möglichkeiten damit geboten werden. Dazu werden die drei gängigsten stationären Spielkonsolen, respektive deren bewegungssensitive
und gestenerkennende Interfaces beschrieben und gängige Sensoren, die in mobilen Geräten Verwendung finden, behandelt. Des Weiteren werden charakteristische Bewegungsspiele genannt,
die für das jeweilige HID entwickelt wurden oder es auf besondere Weise nutzen.
7.1
Spielerische Messtechnik
Genau genommen handelt es sich bei bewegungsempfindlichen Eingabegeräten um Messgeräte
zur Messung mechanischer Größen, wie Kräfte oder Drehzahlen, die zuerst in elektrische Größen umgeformt werden müssen. Generell erfolgt die Messung nichtelektrischer Größen dabei
meist durch eine Messkette in mehreren Umformungsschritten. Diese bestehen im wesentlichen
aus einem Messwertaufnehmer mit aktivem oder passivem Sensor, einem oder mehreren Messumformern und der Anzeige- oder Auswerteeinheit. Aktive Sensoren generieren dabei selbst
eine messbare Spannung direkt durch die physikalischen Einwirkung, passive Sensoren hingegen benötigen eine zusätzliche Versorgungsspannung, deren Wert sich durch äußere Einflüsse
57
7
messbar ändert. Der Messumformer bildet daraus ein normiertes elektrisches Signal als Messwert und stellt es der Auswerteeinheit zur Verfügung. [121]
7.2
Nintendo Wii
Nintendos Wii ist die erste kommerziell erfolgreiche Spielkonsole, die von Grund auf für eine Bewegungssteuerung entwickelt wurde. Was dem kompakten Gerät an Grafikleistung fehlt,
macht sie durch ein innovatives Steuerungskonzept wett.
7.2.1
Technologien
Das zentrale Eingabegerät ist die Wii Remote (kurz: Wiimote). Sie ist neben den üblichen Eingabetasten und dem Steuerkreuz mit einem Vibrationsmotor für Force Feedback und einem Lautsprecher für räumliches akustisches Feedback ausgestattet. Bei Bedarf kann die Fernbedienung
durch ein Verbindungskabel mit dem sogenannten Nunchuck-Controller erweitert werden. Dieser wird in der Nebenhand gehalten und erweitert das Eingabeinterface um einen Analog-Stick
und zwei zusätzliche Tasten. Die gesamte Kommunikation für den Input erfolgt nur zwischen
Wiimote und Wii über Bluetooth. [43] Dieser drahtlosen Verbindungstechnologie ist es zu verdanken, dass sich der Controller mittels gehackten Treibern auch problemlos mit einem PC koppeln lässt. Dadurch wurde die Wii-Fernbedienung ein sehr beliebtes Studienobjekt für Virtual
Reality- (VR-) und HCI-Experimente [41] [72].
7.2.1.1
Infrarotsensor
Um mit der Wii-Remote effektiv durch das Graphical User Interface (GUI) zu navigieren ist sie
am vorderen Ende mit einem CMOS-Bildsensor von Pixart Imaging ausgestattet. Als Referenz
dient eine Sensorleiste, die über oder unter dem Fernsehbildschirm angebracht wird. Die Leiste
hat eine definierte Länge an dessen Enden je fünf permanent leuchtende Infrarot-Leuchtdioden
(IR LED, infraed light-emitting diode) angebracht sind. Befinden sich alle LEDs im Sichtfeld
des Bildsensors können die Bildschirmposition und der Abstand zur Leiste mittels Triangulation
ermittelt werden. [40] Durch den Winkel der zwei erkannten Leuchtpunkte lässt sich zusätzlich
die Rotation der Fernbedienung errechnen. Die maximale Reichweite der optischen Erkennung
mit der Standardleiste liegt zwischen 3 und 4 Metern und gelangt längst nicht an die Grenzen
der effektiven Übertragungsreichweite von Bluetooth, die bei etwa zehn Metern liegt. [43] Um
auch die visuell erkennbare Distanz zu erhöhen, lässt sich die standardmäßige Sensorleiste durch
zwei stärkere Infrarotquellen, die einen größeren Abstand zueinander haben, ersetzen.
7.2.1.2
Beschleunigungssensor
Die visuelle Bewegungserkennung einer Wii-Fernbedienung mit Infrarotsensor wird zusätzlich
unterstützt durch eine mechanische, da sowohl Wii-Remote als auch Nunchuck-Erweiterung mit
einem Drei-Achsen-Beschleunigungssensor ausgestattet sind. Im Falle eines kapazitiven Beschleunigungssensors beruht die Wirkungsweise darauf, dass sich durch einwirkende g-Kräfte
58
der Plattenabstand und die wirksame Plattengröße eines Plattenkondensators durch eine schwingend gelagerte Platte verändert. Jede nichtelektrische Größe, die auf eine Abstands- oder Wegänderung zurückzuführen ist, kann mit einem solchen Akzelerometer gemessen werden. [61]
Also neben der Beschleunigung auch Vibration, Geschwindigkeit und Neigung [43]. Bei einem
Drei-Achsen-Beschleunigungssensor sind drei solcher Elemente orthogonal zueinander angeordnet um Bewegungen in jeder Raumachse erfassen zu können. Für die Wiimote wurde ein
ADXL330 Accelerometer von Analog Devices verwendet, der einen Messbereich von ±3 g mit
einer Auflösung von 300 mV/g abdeckt. Der Frequenzbereich reicht von 0,5 bis 1600 Hz am Xund Y-Ausgang und 0,5 bis 500 Hz am Z-Ausgang. [37]
7.2.1.3
Gyroskop
Da mit steigender Qualität der erhältlichen Spiele auch der Wunsch nach einer präziseren Bewegungserkennung stieg, ist nachträglich die ansteckbare Erweiterung Wii MotionPlus erschienen. Dabei handelt es sich um ein kleines Modul, welches an das Ende der WiiMote gesteckt
wird. Sofern eine Software diese Erweiterung unterstützt, werden mittels der zwei eingebauten Kreiselinstrumente (ein- und zweidimensional) zusätzlich auch Rotationsbewegungen um
drei Achsen erkannt, wodurch die Gestenerkennung mit nun insgesamt 6 DOF merklich verbessert wird. Klassische Rotationsmassenkreisel funktionieren nach dem Prinzip der Drehimpulserhaltung. Daneben gibt es noch optische und vibrierende Gyroskope, deren Funktionsweisen
auf dem Sagnac-Effekt oder dem Coriolis-Effekt basieren. [19] Die Corioliskraft ist neben der
Zentrifugalkraft eine der wichtigsten Trägheitskräfte und ist eine Scheinkraft in einem rotierenden Bezugssystem. Diese Kraft ist bestrebt, den relativ zur Rotation bewegten Massepunkt
in diesem System von seiner Bahn abzulenken. Die Corioliskraft wirkt senkrecht zur Drehachse und dem Geschwindigkeitsvektor [21]. Nach letzterem Prinzip funktioniert auch das ZweiAchsen-Gyroskop von IvenSense in der Wii MotionPlus-Erweiterung [30]. Das IDG-600 ist ein
mikroelektronisches mechanisches System (MEMS) auf Siliziumbasis, das X- und Y-AchsenGyroskop in einem IC vereint und einen Skalenbereich von ±500 bis 2000 °/sec aufweist [70].
Um die Koordinatensysteme von Dreh- und Beschleunigungssensoren abzugleichen ist es
notwendig die Wii Remote vor jedem Spielstart zu kalibrieren indem sie für einige Sekunden
auf eine waagrechte Fläche gelegt wird. Die Gyroskop-Erweiterung ist mittlerweile in allen
neuen Controller-Modellen integriert.
7.2.2
Michael Jackson: The Experience
Seit der Markteinführung der Wii-Konsole sind mittlerweile fünf Jahre vergangen, daher ist es
auch nicht weiter verwunderlich, dass sie im Bezug auf die Erkennungsgenauigkeit anderen Bewegungsinterfaces, die später erschienen sind, nachhinkt. Deshalb und weil es mit einem WiiController viel einfacher ist, das System zu betrügen, sehen Albert Rizzo und Belinda Lange
eher die Kinect als zukunftsträchtiges HID für Bewegungsspiele, das zur Betätigung auf einem
ausreichendem Level motivieren kann [115]. Dass aber eine möglichst präzise Bewegungserkennung bzw. das Tracking des gesamten Körpers nicht zwingend notwendig sind, um eine ausreichende Bewegungsmotivation zu fördern, zeigt das Spiel Michael Jackson: The Experience1 .
1
vgl. http://www.michaeljackson-theexperience.com
59
Grundsätzlich handelt es sich dabei um ein Tanzspiel, mit dem sich die Hits des Superstars nachtanzen lassen. Das Spiel ist zwar für alle verfügbaren Spielkonsolen erhältlich, die Wii-Version
ist jedoch besonders erwähnenswert.
Die gesamte Steuerung der komplexen Tanzschritte beschränkt sich auf die Bewegungserkennung einer Wii-Fernbedienung, die in der rechten Hand gehalten wird. Diese Wiimote repräsentiert im Spiel den glitzernden „Moonwalk“-Handschuh, der zum Markenzeichen Michael
Jackson’s wurde. Zwar wird in der Beschreibung angemerkt, dass man den Bewegungen des
Avatars möglichst genau folgen soll (inkl. Ober- und Unterkörper), aber in der visuellen Präsentation des Spiels wird bewusst das Hauptaugenmerk auf diesen Handschuh gelegt. Um dem
Rhythmus besser folgen zu können, erscheinen auf der linken Seite zusätzlich Piktogramme mit
den durchzuführenden Tanzschritten. Auch in diesen Bildern wird der rechte Arm farblich markiert. Wie bei Tanzspielen üblich gibt es ein gestaffeltes Feedback für gutes Timing und bei
mehreren perfekt aufeinander folgenden Bewegungen beginnt der Handschuh immer stärker zu
leuchten und glitzern. Der Rest wird visuell eher zurückhaltend, fast spartanisch präsentiert.
Theoretisch ist es möglich das gesamte Spiel sitzend, mit minimalen Aufwand und nur durch
Bewegungen des rechten Arms zu spielen. Diese Spielweise muss dabei nicht unbedingt als
Cheat gelten, wie es Rizzo und Lange nennen, da vom Spiel explizit angezeigt wird, dass nur
diese Hand in die Bewertung einfließt. Die Musik, das unmittelbare grafische Feedback mit einem etwas abstrakt wirkenden Michael Jackson, und nicht zuletzt die Tatsache, dass man dessen
legendäre Tanzschritte nachtanzen kann, bringen eine starke intrinsische Motivation, den gesamten Körper beim beim Spielen einzusetzen. Auch wenn man bewusst versucht, das Spiel sitzend,
nur mittels Handbewegungen zu meistern, hat man über kurz oder lang das Bedürfnis, den gesamten Körper zu bewegen. Am stärksten ist dieser Effekt natürlich, wenn ein Faible für die
gebotene Musik vorhanden ist.
Bei der Version für Kinect verfolgte man einen anderen Ansatz. Hier wird direkt eine virtuelle Projektion der Spielerin oder des Spielers auf dem Bildschirm gezeigt und nur wenn bestimmte Tanzschritte perfekt ausgeführt werden, wird dieses Abbild kurzzeitig durch einen Michael
Jackson-Avatar ersetzt. Man repräsentiert auf der virtuellen Bühne also nicht Michael Jackson,
sondern sich selbst und sich dabei zusehen zu müssen, wie man tanzt, kann vor allem für Anfänger einen demotivierenden Eindruck hinterlassen. Die virtuelle Szene wirkt zum Teil überladen
und ein übertriebenes visuelles Feedback kann den Blick aufs wesentliche stören. Hinzu kommt,
dass zwar die Bewegungen des gesamten Körpers in die Bewertung einfließen, es gibt jedoch
kein Feedback, das zeigt, welcher Körperteil falsch bewegt wurde. Dadurch wird ein Lernerfolg erschwert. Zudem ist der Bewegungsspielraum durch das Sichtfeld einer Kamera kleiner
als mit einem beschleunigungsmessenden Interface. Deshalb wurden seitlich ausladende Tanzschritte in der Kinect-Version reduziert und beschränken sich hauptsächlich auf ortsgebundene
Bewegungen.
Die Tatsache, dass ein moderneres und präziseres Interface nicht zwingend ein motivierenderes Spielerlebnis zur Folge haben, widerlegt die Annahme von Rizzo und Lange (siehe auch
Seite 45) und zeigt, wie stark der Einfluss von Game-Design bleibt, auch wenn der scheinbar
primäre Bestandteil im Spielgenre Exertainment die verwendete Mensch-Maschine-Schnittstelle
ist.
60
7.3
Playstation Move für PlayStation 3
Der Playstation Move Motion-Controller wirkt auf den ersten Blick wie eine ergonomisch geformte Wii Remote mit einem frontal befestigten Tischtennisball. Befasst man sich jedoch genauer damit, bemerkt man schnell, dass im Motion Controller von Sony mehr steckt, als man
zuerst annehmen mag.
7.3.1
Technologien
Das Funktionsprinzip von Playstation Move ähnelt dem Steuerungskonzept der Wii, verwendet
aber für das visuelle Tracking keinen IR-Sensor, sondern eine vollwertige USB-Kamera mit verstellbarer Linse. Die Kamera arbeitet bei 60 fps mit einer maximalen Auflösung von 640 x 480 px
und besitzt eine verstellbare Linse, deren Blickwinkel sich auf 56° oder 75° stellen lässt. Zusätzlich ist ein Raummikrofon integriert, das aus einem Array von vier Einzelmikrofonen besteht.
Im Gegensatz zur Wii-Konsole, wo sich die LEDs zur Lokalisierung beim Fernsehgerät befinden, erfolgt beim Move-System die dreidimensionale Ortsbestimmung der Controller aus der
Richtung des Bildschirms. Die Erkennung der einzelnen Controller erfolgt unter anderem durch
die sogenannte „Sphere“, einer mittels 24 bit RGB-LED (16 Mio. Farben), ausgeleuchteten Kugel aus milchigem, flexiblen Kunststoff. [5] Jeder aktivierte Motion-Controller leuchtet dabei in
einer anderen Farbe. Das Tracking mittels Farbkamera bietet zum einen den Vorteil, dass sich
direkt ein Abbild der SpielerInnen in das Spiel einbinden lässt oder virtuelle Objekte im Kamerabild platziert werden, wodurch auch Augmented Reality-Anwendungen (AR) realisierbar
sind. Zum anderen muss der Controller nicht mehr direkt in die Richtung des Bildschirms zeigen um Cursorbewegungen zu ermöglichen. Durch die aufwendigeren Berechnungen können
allerdings erhöhte Latenzzeiten zwischen realer Bewegung und virtueller Reaktion zu einem
Problem werden.
Für Spiele mit umfangreicher Steuerung, in denen zum Beispiel ein Charakter bewegt werden muss, wird zusätzlich der Move Navigation-Controller angeboten. Dieser dient als Ergänzung des Motion-Controllers und deckt vom Funktionsumfang die linke Hälfte eines herkömmlichen PS3-Gamepads ab. Dies umfasst einen Analogstick, ein digitales Steuerkreuz und zwei
Schultertasten. Die Tasten „X“ und „O“ sind mit den Selbigen am Motion-Controller redundant.
Der Zusatzcontroller ähnelt stark dem Nunchuck-Controller von Nintendo, besitzt aber keine
Beschleunigungssensoren und kommuniziert selbstständig über Bluetooth mit der Konsole. Die
Erweiterung ist optional, da an gleicher Stelle auch ein klassischer PS3-Controller verwendet
werden kann. Der Navigation-Controller bietet jedoch eine bessere Handhabung, da er für die
Bedienung mit einer Hand konzipiert wurde.
7.3.1.1
Trägheitsnavigationssystem
Neben dem optischen Tracking bietet Playstation Move natürlich auch die Möglichkeit einer direkten Bewegungserkennung. Der obligatorische Drei-Achsen Beschleunigungssensor im Controller ist ein KXSC4 10227 2410 von Kionix [123]. Aus dem Datenblatt eines ICs der gleichen Serie lässt sich entnehmen, dass dieses Modell zwar etwas genauer ist, im Gegenzug aber
einen geringeren Messbereich hat als der Sensor im Wii-Controller. Die Genauigkeit wird mit
61
600 mV/g für einen Skala von ±2 g angegeben. Durch eine spezielle Werksprogrammierung kann
der Chip jedoch Belastungen bis ±6 g messen, sofern dieser mit einer erhöhten Spannung von
3,6 V anstatt 3,3 V betrieben wird. [74]
Zwei Drehratensensoren sind bereits standardmäßig im Move-Controller integriert, womit die
sechs Freiheitsgrade abgedeckt sind. Solche komplexen Messinstrumente, in denen Beschleunigungssensoren und Gyroskope kombiniert eingesetzt werden, werden inertial measurment
unit (IMU) genannt. Ursprünglich kommen solche ausgeklügelten Trägheitsnavigationssysteme
aus der Raum-, Luft- und Seefahrt und werden heutzutage auch in Fahrzeugsicherheitssystemen eingesetzt. Diese Anwendungsbereiche sind klarerweise zu höheren Standards verpflichtet,
weshalb dort viel empfindlichere und hochwertigere Messfühler verwendet werden als in der
Videospielindustrie. [19]
7.3.1.2
Magnetometer
Neben Beschleunigungs- und Drehratensensoren gibt es noch einen weiteren Sensor, der
Sonys Eingabegerät auszeichnet. Im Inneren des Bewegungscontrollers befindet sich ein magnetischer Kompass, der üblicherweise in Kombination mit einem Global Postioning System (GPS),
also in Navigationsgeräten und Smartphones zum Einsatz kommt, um anhand des Erdmagnetfelds die geographische Ausrichtung festzustellen. Der Magnetsensor im Motion Controller soll
die Genauigkeit verbessern und bei der Kalibrierung helfen. Bei manchen Usern führt dieser
allerdings zu Problemen und kann deshalb über die Systemsteuerung der PS3 separat kalibriert
oder deaktiviert werden.
7.3.2
Move Fitness
Mit Hilfe von Playstation Move versucht Sony zwar stärker in den Markt für Casual-Gamer vorzudringen, will aber dennoch das Image der PS3 als Hardcore-Konsole nicht verlieren. Deshalb
erscheinen viele Softwaretitel, die abseits des Casual Gaming einzuordnen sind und eher in die
Bereiche Action, Strategie oder Abenteuer fallen. Spiele aus diesen Genres sind jedoch nicht für
moderate oder anstrengende Bewegung ausgelegt und beschränken sich daher auf Zielübungen
und kurze Schwenkbewegungen. Um die Möglichkeiten der neuen Steuerung zu demonstrieren,
wurden natürlich auch Party- und Sportspiele zum Release präsentiert. Dennoch sind, abgesehen
von Tanzspielen, exklusive Exergame-Titel für Move noch etwas spärlich gesät. Ein Großteil der
von Drittherstellern entwickelten bewegungsfördernden Spiele bieten ein Steuerungskonzept,
das mit Wii identisch ist. Ein PS3-exklusives Fitnessspiel nutzt jedoch einen anderen Ansatz
und veranschaulicht deutlich die Unterschiede, die zwischen Wii und PS3 bezogen auf das optische Tracking bestehen.
Move Fitness2 ist ein Exergame, das, geht man nach der Einteilung von Ian Bogost in Kapitel
6.1, augenscheinlich eine starke Trainer-Rhetorik besitzt, aber zusätzlich viele Reflex-Elemente
beinhaltet. Wie bei ernsthaften Fitnessanwendungen üblich, zeichnet auch Move Fitness die gesamte Spielhistorie auf, schätzt dabei die verbrannten Kalorien und bietet eine grafische Darstellung von Gewichtsänderungen. Dazu werden vor dem ersten Spielstart Angaben zu Geschlecht,
2
62
vgl. http://uk.playstation.com/movefitness/
Alter, Gewicht und Größe verlangt, um daraus den BMI zu berechnen. Durch das Spiel führt
ein persönlicher Trainer, den man aus je zwei weiblichen und zwei männlichen Charakteren
wählen kann. Im Hauptmenü des Spiels, das durch Cursorbewegungen bedient wird, lassen sich
nun verschiedene Trainingsprogramme oder einzelne Übungen auswählen. Am linken Rand befinden sich zwei Menüreiter, deren Inhalte zusätzliche Motivation bieten sollen. „Ziele“ zeigt
immer drei kurzfristige Aufgaben, die sich relativ schnell erledigen lassen. Diese geben zum
Beispiel ein konkrete Zahl an Spielrunden an oder Kalorienwerte vor, die es zu erreichen gilt.
Erreicht man ein solches Ziel, wird man zuweilen mit einer „Trophäe“ für das Playstation Network belohnt, die man online präsentieren kann. Die zweite Sidebar enthält automatisch generierte Spielnachrichten, die von befreundeten Spielern kommen. Angenommen, eine Freundin
erreicht in der Disziplin Basketball einen bestimmten Punktestand, so wird dabei eine Nachricht
an befreundete SpielerInnen übermittelt. Führt man ebenfalls diese Übung durch und überbietet
dabei diesen Punktestand, wird eine Herausforderung mit dem neuen Highscore als Antwort an
die Kontrahentin gesendet. Sie wiederum kann die Herausforderung annehmen und sich auf den
Wettkampf einlassen. Der eigene Punktestand kann auch mit einer internationalen Highscoreliste verglichen werden.
Der Einstieg ins Spiel ist schnell und unkompliziert. Bei Einzelübungen kann die Spieleranzahl
eingestellt werden und bei einem ganzen Trainingsprogramm wird der Zweck und die Dauer
des Trainings festgelegt. Vor dem Trainingsprogramm wird eine Aufwärmübung empfohlen, die
jedoch optional ist und jederzeit abgebrochen werden kann. Das gesamte Training wird durch
schnelle Musik begleitet, die sich bei Nichtgefallen durch eine eigene Wiedergabeliste ersetzen
lässt.
Während des gesamten Spielverlaufs werden zwei Motion-Controller benötigt, wovon jeder eine virtuelle Hand repräsentiert. Manche Einzelübungen erfordern zudem eine Interaktion
mit virtuellen Bällen, die sich aufheben und werfen lassen. Das Greifen erfolgt durch Halten der
Trigger-Taste an der Controller-Unterseite. Das Spiel unterscheidet sich von anderen Fitnessprogrammen also dahingehend, dass man keinen Avatar mehr besitzt, aber die virtuelle Umgebung
dennoch viele Interaktionsmöglichkeiten bietet. Die Art der Interaktion durch Repräsentation
virtueller Hände ist sonst eher in wissenschaftlichen VR-Anwendungen eine gängige Methode
virtuelle Objekte zu benutzen.
Ein Großteil der am Markt erhältlichen Trainingsspiele beschränkt sich darauf, den virtuellen
Coach die Übungen vorzeigen zu lassen, während man selbst versucht diese möglichst genau
zu imitieren. Interaktion ist oft nur beim Ausdauertraining, in Form von Schattenbox-Übungen,
zu finden. Auch in Move Fitness sind einige Übungen bloß verschiedene Varianten von Kardioboxen, und beschränken die Interaktionsmöglichkeiten auf unterschiedliche Schlagtechniken und Ausweichbewegungen. Das Kamera-Tracking erlaubt es jedoch beim Ausweichen den
Blickwinkel in die Szene zu ändern, was eine Immersion begünstigt. Der Head Tracking-Effekt
verlangt jedoch zusätzliche Rechnerleistung. Dies hat zur Folge, dass teilweise Latenzzeiten
zwischen Aktion und Reaktion eintreten können. Die anderen Spiele, darunter auch Ballübungen, funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Bälle müssen, bevor sie geworfen werden können, jedoch vom Boden aufgehoben werden. Dazu ist meistens ein seitlicher Ausweichschritt
und Bücken notwendig um sie erreichen zu können. Leider ist die Steuerung noch weit davon
entfernt, perfekt zu funktionieren. Neben der bereits erwähnten Verzögerung ist sie teilweise un63
berechenbar. Dadurch kann es des öfteren vorkommen, dass mehrere Versuche benötigt werden,
um einen Ball aufzuheben oder damit ein Ziel zu treffen.
7.4
Microsoft Kinect für Xbox 360
Mit Kinect entwickelte Microsoft ein Tracking-System, das ohne jegliche Zusatzgeräte auskommt. Die Bewegung wird ausschließlich optisch mittels Farb- und Infrarot-Kamera erkannt.
Die IR-Kamera erzeugt eine Depth-Map von 320 x 240 px. Die RGB-Kamera liefert dazu die
passende Farbinformation mit einer Auflösung von 640 x 480 px. [75] Die Bewegungserkennung selbst erfolgt nun durch Mustererkennungsalgorithmen, die ein Skelett der gescannten
Person berechnet. Um Personen besser zu erfassen ist ein Schrittmotor eingebaut, der es dem
Gerät ermöglicht sich selbstständig auf den User auszurichten. Wie auch in der Playstation EyeKamera, befinden sich in der Kinect vier, nach unten gerichtete Mikrophone für die zusätzliche
Sprachsteuerung. [12]
Das direkte Abtasten der Bewegungen ohne zusätzliches Eingabegerät erschwert natürlich
ein Überlisten des Systems, wie es zum Beispiel bei Wii möglich ist. Fast jedes Spiel muss
im Stehen gespielt werden, da auch die Beine in die Steuerung einbezogen werden. Somit hat
fast jedes Spiel das Potential, als Exergame zu gelten. Dennoch scheint es nicht sinnvoll, auf
jedes Spiel mit klassischer Gamepadsteuerung zwanghaft eine komplette Gestensteuerung zu
mappen, da bei einem Spiel immer noch das Gameplay im Vordergrund stehen sollte. Dies mag
auch der Grund sein, dass bisher für Kinect nur wenige Spieltitel mit starken narrativen Elementen und einem durchgehenden Handlungsstrang erschienen sind. Der Großteil davon sind
Minispielsammlungen, Trainings- oder Tanzspiele.
Dass sich Exergames nicht immer aus einzelnen Übungen oder Musiktiteln zusammensetzen müssen, die nacheinander im Fünf-Minuten-Takt abgearbeitet werden, sondern durchaus
eine Handlung haben können, zeigt eine Spielidee von Game Gestalt. Das Spiel Zombie Yoga
soll einnehmendes Gameplay mit physischem und emotionalen Nutzen kombinieren. Im Szenario einer Apokalypse soll die Spielfigur, umringt von Zombies, den Weg nach Hause finden. Im
Gegensatz zu typischen Zombie-Spielen soll den Monstern jedoch nicht mit Gewalt begegnet
werden, sondern schützen sich Spieler und Spielerin durch das Ausführen von Yoga-Positionen,
die je nach Schwierigkeitsgrad der Übung unterschiedliche Auswirkungen haben. So ist es z. B.
möglich, sich zu heilen oder Zombis zu stoppen. Während das ständige Ziel ist, ruhige und
entspannte Positionen einzunehmen und man die eigene innere und äußere Balance finden und
bewahren muss, sorgen die wütenden Gegner für Spannung und Stress. Je weiter man im Spiel
voranschreitet, um so mehr Yoga Position für Balance, Kraft und Harmonie können erlernt werden. [49]
7.5
Total Body Tracking-System bei EA Active 2
Trotz einzelner Spielelemente handelt es sich bei EA Active 2 von Electronic Arts weniger um
ein Exergame, als um ein ernstzunehmendes Fitnessprogramm mit fixem Trainingsplan und Aufzeichnung über den Trainingsverlauf. Für untrainierte Personen können die einzelnen Übungen
64
mitunter auch auf dem leichteren Schwierigkeitsgrad sehr anstrengend werden. Der 9-WochenTrainingsplan schreibt vor, mehrmals wöchentlich eine Einheit zu absolvieren. Versäumt man
einen Trainingstermin, kann dieser zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Um die
Trainingsfortschritte auch abseits der Spielkonsole beobachten zu können, wurde für diese Software ein vollwertiges soziales Netzwerk3 eingerichtet, in dem man seine Erfolge mit anderen
teilen und vergleichen kann. Die Registrierung im Online-Portal ermöglicht zudem die Bildung
von Trainingsgruppen, um an gemeinsamen Zielen zu arbeiten und online mit anderen zu trainieren.
Das Fitnessprodukt wurde für alle drei Konsolen entwickelt und nutzt ein proprietäres System zur Bewegungserkennung. Grundsätzlich besteht das Total Body Tracking-System (TBTS),
neben einem Funkempfänger, aus Arm- und Beinschleife mit Beschleunigungssensoren und einer zweiten Armbinde mit Pulsmesser. Der Lieferumfang variiert jedoch etwas zwischen den
einzelnen Plattformen. In der Version für Wii ersetzt beim Training eine Wii Remote die beschleunigungsmessende Armbinde und da Kinect selbständig den gesamten Körper erfassen
kann, entfällt bei der Xbox-Version auch die Beinschleife. Der Kinect-Version liegt also nur
der Pulsmesser bei. Da die Verarbeitungsqualität des TBTS teilweise zu wünschen übrig lässt,
und die Empfangseinheit des öfteren die Verbindung zu einzelnen Komponenten verliert, wird in
diesem Fall die Version für Kinect empfohlen. In der Testphase mit der PS3-Version war ein unterbrechungsfreies Training nicht möglich. Das Produkt musste zwei mal umgetauscht werden,
da entweder der Armsensor nicht funktionierte oder das Signal des Beinsensors nicht empfangen werden konnte. Dabei reagiert die Software bei einer Empfangsstörung in der Weise, dass
die aktuelle Trainingseinheit pausiert wird, der Standardcontroller zur Bedienung aufgenommen
werden muss und man warten muss, bis der Empfang wieder hergestellt wurde. In der Zwischenzeit normalisiert sich der Puls wieder und das geplante Training wird ineffizient. Nichtsdestotrotz
ist EA Active 2 bislang das einzige kommerzielle Exergame mit Pulsmesser und nicht zuletzt
deswegen entsprechend erfolgreich.
7.5.1
Herzfrequenz- und Pulsmessung
Ein Überwachen der Herzfrequenz kann nicht nur Usern helfen ein besseres Körpergefühl zu
bekommen, sondern kann auch dafür genutzt werden um den Spielverlauf zu beeinflussen. So
ist es möglich ein Spiel entsprechend auf den Puls reagieren zu lassen, wie beispielsweise durch
eine Anpassung der Spielgeschwindigkeit um körperliche Nachteile auszugleichen oder um den
Puls im Zielbereich zu halten [128].
Die Herzfrequenzmessung im Fitnessbereich kann auf mehrere Arten erfolgen. Gängige
Pulsmesser, die unter anderem im Laufsport eingesetzt werden, messen den Puls elektronisch.
Meist geschieht dieser Vorgang mittels Brustgurt, der elektrische Impulse des Körpers erkennt.
Die gemessenen Daten werden dabei per Funk an ein Empfänger gesendet. Üblicherweise ist
dies eine Armbanduhr oder immer häufiger auch ein Smartphone. Bei Heimtrainern und Laufbändern sind die Messelektroden größtenteils in den Griffen integriert.
Eine andere gebräuchliche Methode den Puls zu messen ist auf optoelektronischem Weg durch
Oxymetrie. Diese Messmethode ist eine Form der Spektrophotometrie, in der man die absorbie3
vgl. EA Sports Active Online (http://www.easportsactiveonline.com/)
65
renden und reflektierenden Eigenschaften von Atomen und Molekülen nutzt, um Hämoglobin
mit und ohne Sauerstoffbindungen nachzuweisen. [18]
7.5.1.1
Transmissionspulsoxymetrie
Nintendo kündigte auf der E3 2009 den Vitality Sensor für den Wii-Conroller an. Aufgrund
von Qualitätsmängeln verzögerte sich jedoch das Projekt. Im Jahr 2011 wurde es erneut präsentiert, ist bisher aber noch nicht erschienen. Mit der Erweiterung soll es möglich sein in
Wii-Anwendungen den Puls mittels Transmissionspulsoxymetrie zu messen und die erhaltenen
Daten als Input zu nutzen. [85] Der Sensor wird mittels Federmechanismus an einen Finger geklemmt, der beim Spielen, von oben mit einer Lichtquelle durchleuchtet wird. An der Unterseite
des Geräts befindet sich eine lichtempfindliche Photodiode, die Schwankungen in der Lichtintensität erkennt, wenn abwechselnd sauerstoffreiches und sauerstoffarmes Blut hindurch fließen
und das Licht unterschiedlich stark absorbiert wird [18].
7.5.1.2
Reflexionspulsoxymetrie
Der bei EA Active 2 enthaltene Pulsmesser misst auf Basis der Reflexionspulsoxymetrie. Das
Grundprinzip ist ähnlich der Transmissionspulsoxymetrie und besteht ebenfalls aus einer Leuchtund einer Photodiode. Hierbei wird jedoch das vom Gewebe reflektierte Licht, von einem unmittelbar daneben liegenden Photosensor gemessen. Im konkreten Fall ist das eine Armbinde,
die mittels Klettverschluss unterhalb der linken Armbeuge angebracht wird. Die grüne lightemitting diode (LED) und der Lichtsensor liegen dabei direkt auf den Venen. Die so gemessenen
Werte werden dabei kontinuierlich dem System übermittelt.
Bei beiden optischen Messverfahren gibt es Fehlerquellen. Die Hauptfehlerquelle sind Bewegungen von Person oder Sensor. Diese kann zum Teil jedoch durch einen gut sitzenden Messabnehmer minimiert werden. Aber auch probandenabhängige Faktoren wie Pigmentierung, Gewebe und Knochen oder seitlich einstrahlendes Licht können das Messergebnis verfälschen. [ibid.]
7.6
Mobile Exergames
Exergaming wurde bisher als Bewegungförderung vor einem TV-Bildschirm betrachtet. Exergaming ist jedoch nicht notwendigerweise an bestimmte Orte, wie das eigene Wohnzimmer, die
Schule oder das Fitnesszentrum gebunden. Exergames erfordern zwar eine gewisse technische
Grundausstattung um Bewegung digital erfassen zu können. Diese findet aber mittlerweile auch
in portablen Geräten Platz. Wylie und Coulton trennen mobile Exergames von immobilen und
bieten für die tragbare Form eine Unterscheidungsmöglichkeit an. Sie differenzieren zwischen
motion controlled games und location-based games (LBG). [140]
7.6.1
Gehen als Gameplay-Mechanik – Motion Controlled Games
Jede portable Spielkonsole, aber auch Smartphones, enthalten bereits mehrdimensionale Beschleunigungssensoren. Bereits ein eindimensionaler Akzelerometer reicht aus, um einen einfa66
chen Schrittzähler zu realisieren. Mobile Spiele, die das Trägheitsprinzip nutzen, fallen in die
Kategorie der bewegungsgesteuerten Spiele. Moderne Smartphones wie das iPhone sind darüber
hinaus mit Gyroskopen bestückt.
Wird in einer Anwendung eine höhere Genauigkeit des Schrittzählers verlangt oder soll mit dem
Sensor sogar ein angenäherter Wert des tatsächlichen Kalorienverbrauchs berechnet werden, ist
auch entscheidend, an welcher Körperstelle das messende Gerät getragen wird. Zudem hat auch
das Gewicht eines Users Einfluss auf die Messwerte. [46] Die einfachste Abtastung erfolgt an
der Hüfte oder zumindest nahe am Rumpf, da hier während des Gehens keine wesentlichen
Abweichung zwischen den einzelnen Schritten auftauchen.
7.6.1.1
Entwicklung von Gehspielen für Nintendo DS
Der Nintendo DS (NDS) ist bekannt für sein großes Angebot an Casual- und Non-Games. Neben Denksportspielen werden für diese Plattform unter anderem auch Sprach- und Mathematiktrainer, sowie digitale Kochbücher und Ernährungsberater angeboten. Nintendo veröffentlichte
bereits mehrere Versionen der tragbaren Konsole. Dabei sind bei allen Hauptentwicklungsstufen
Exertainment-Produkte erschienen, die dazu anregen sollen sich mehr zu bewegen und zu Fuß
zu gehen.
Mein Vital-Coach für den NDS ist im Grunde eine gamifizierte Software, die zu einem gesünderen Lebensstil beitragen soll. Die Anwendung hat das Ziel, körperliche Äktivitäten und
Ernährung in Einklang zu bringen. Mehr Bewegung sorgt dabei für eine höhere Kalorienbilanz die durch ein Atom-Symbol angegeben ist. Ein „Atom“ entspricht dabei ca. 50 kcal
und soll dabei helfen, das Kalorienzählen zu erleichtern. Jeder erfolgreich abgeschlossene
Tag schaltet weitere Inhalte frei. Der Fortschritt wird dabei durch „Meilensteine“ angegeben, die durch Angabe von zurückgelegten, virtuellen Kilometern berühmte Distanzvergleiche, wie etwa die Länge der Chinesischen Mauer oder der Strecke Paris-Dakar, zeigen.
Der Schrittzähler ist ein Adapter, der zur Datenübertragung in den Slot für abwärtskompatible Gameboy Advanced-Steckmodule eingeschoben wird. Dieser Slot ist bei neueren
NDS-Modellen jedoch nicht mehr vorhanden und daher nicht mehr kompatibel. Am Modul befindet sich ein 7-Segment LCD-Display zur Schrittanzeige und eine Reset-Taste.
Das mechanische Pedometer funktioniert allerdings nur in aufrechter Position, da andernfalls das eingebaute Pendel den Kontakt nicht mehr schließen kann. Hinzu kommt, dass
sich der Befestigungsclip leicht löst. Steckt man den Schrittzähler aber in eine Tasche
kann er sich verdrehen und beendet den Zählvorgang, ohne dass es der Träger bemerkt.
Durch das Spiel führt ein Strichmännchen, das SpielerInnen ständig mit Informationen
und Ratschlägen versorgt. Nach Angabe der üblichen Daten, wie Geschlecht, Geburtsdatum, Größe und Gewicht wird der BMI berechnet und ein Tagesziel für Schritte festgelegt,
die man täglich gehen soll. Neben einem Schrittziel dürfen täglich bis zu sechs Minutenbzw. Tagesherausforderungen aus den Bereichen „Bewegung“ und „Ernährung“ gewählt
werden. In einer „täglichen Sitzung“ wird der Schrittzähler ausgelesen und angegeben
ob die Aufgaben ausgeführt wurden, gefolgt von einer Befragung über die täglichen Aktivitäten und zu sich genommener Nahrung. Die langsame Menüsteuerung und die nicht
deaktivierbaren Infotexte des „Ratgebers“ sorgen für einen anstrengenden und monotonen
67
Ablauf, der nichts von einem Spiel hat. Lustige Animationen , verschiedene Belohnungen
und Gamification-Elemente sollen diese Prozedur zwar verschönern. Dennoch bleibt das
Programm nicht sehr lange attraktiv.
Walk with me! oder Laufrythmus DS, wie der Titel im deutschsprachigen Raum heißt, ist etwas einfacher gehalten und zählt im Grunde nur die gegangenen Schritte. Im Gegensatz zu
Mein Vital-Coach wird hier der soziale Aspekt genutzt, um das zu Fuß gehen attraktiver
zu machen. Das Spiel verwendet einen Activity Meter mit Beschleunigungssensor und die
Daten werden per Infrarotsignal direkt an das Spielmodul, das einen kleinen Empfänger
enthält, gesendet. Zwei dieser, auch separat erhältlichen, Actimeter sind im Lieferumfang
enthalten. Bis zu vier Stück können in einem Spiel registriert werden. Nachdem die Registrierung erfolgt ist, wird man aufgefordert sich einen Avatar zu entwerfen. Wenn man auch
eine Wii-Konsole besitzt, kann man den dort gespeicherten Mii auf dem NDS übernehmen. Für jeden User wird ein Tagesziel an Schritten, das bei Bedarf geändert werden kann,
festgelegt. Dieser Wert wird an das Actimeter gesendet, welches mit einer Rot/Grün-LED
signalisiert, ob das Ziel am jeweiligen Tag schon erreicht wurde. Der integrierte Speicher ermöglicht eine minutengenaue Aufzeichnung von durchschnittlich sieben Tagen.
Die Anzahl der Schritte pro Stunde oder Tag kann von ca. 30 Tagen gespeichert werden.
Bei einem vollen Speicher werden alte Daten durch neue überschrieben. Falsche Messwerte werden dadurch verhindert, dass nur Laufintervalle zur Gesamtschrittzahl gezählt
werden, die länger als zehn Sekunden dauern. Spaziergänge, die ohne Unterbrechung länger als zehn Minuten dauern, werden als aktives Gehen gekennzeichnet. [1] Die übertragenen Daten werden in einem Kalender gespeichert, wobei zu einzelnen Ereignissen
auch Hinweise notiert werden können. Die Detailansicht eines Tages zeigt ein Balkendiagramm, wobei die Höhe der einzelnen Balken der Schrittgeschwindigkeit pro Minute
entspricht. Bei normalem bis zügigem Schritttempo sind dies – in meinem Fall – etwa
90 bis 120 Schritte pro Minute. Um die Motivation zu erhöhen, gibt es Ranglisten, in denen sich die eigenen Leistungen mit den Leistungen der anderen registrierten Teilnehmer
vergleichen lassen. Zusätzlich gibt es ein Online-Ranking das einen internationalen Vergleich zulässt. „Die Reise ins All“ rechnet die Schritte aller User weltweit zusammen und
berechnet zudem, welchen Planeten man mit dieser zurückgelegten Gesamtstrecke erreichen könnte. Neben der statistischen Auswertung gibt es noch kleine Spielereien, die mit
den gesammelten Schritten gespielt werden können. In „Licht an!“ lässt man alle Spielcharaktere gemeinsam auf Laufbändern trainieren um mit der Energie der gesammelten
Schritte ein Haus zu beleuchten. Dabei lässt man den ganzen Tag Revue passieren und
kann im Zeitraffer beobachten, zu welchen Zeiten die Spieler unterwegs waren. Sind die
Spieler gleichzeitig gegangen, wird zusätzliche Energie geliefert. Im zweiten Spiel werden alle Schritte gesammelt und können dazu verwendet werden, Bilderrätsel zu lösen, die
auf einem virtuellen Globus versteckt sind. Je mehr Schritte man sammelt, desto schneller
werden die Bilder aufgelöst. Ziel ist es, neben dem Erraten der Motive, alle 100 Bilder
zu entdecken, wobei ein Bild zwischen 10000 und 20000 Schritte benötigt, um es fertig
stellen zu können. Neben menschlichen Familienmitgliedern können in Walk With Me!
auch Hunde registriert werden. Die Möglichkeit, die eigenen Schritte mit denen des Hundes vergleichen zu können, dürfte vor allem Kindern viel Spaß bereiten. Die Frage, wie
68
exakt die Schritte eines Vierbeiners gezählt werden, bleibt aber offen. Gewiss ist jedoch,
dass ein lauffreudiger Hund eine starke Unterstützung beim Freischalten neuer Inhalte
sein kann.
StreetPass ist ein Standby-Mechanismus, der in der neuesten portablen Konsole von Nintendo
integriert ist. Klappt man den Nintendo 3DS (N3DS) zu, begibt er sich in Ruhezustand.
Währenddessen wird der integrierte Beschleunigungssensor als Schrittzähler genutzt und
die WLAN-Antenne sucht nach anderen Geräten, die ebenfalls die StreetPass-Funktion
aktiviert haben. Die gesammelten Schritte können, neben einer Spielzeitstatistik, im „Aktivitätslog“ nachverfolgt werden.
Eine spielerische Facette bekommt das Ganze durch eine Umrechnung von Schritten
in Münzen. Für 100 gegangenen Schritte bekommt man 1 Spielmünze, die man in der
„StreetPass Mii-Lobby“ eintauschen kann. Die Mii-Lobby beinhaltet zwei Spiele, wovon
das erste ein gewöhnliches Puzzle ist, in dem sich je zwei Münzen gegen ein zufälliges
Puzzleteil eintauschen lassen. Das zweite Spiel ist ein rundenbasierter Dungeon Crawler,
in dessen Geschichte der eigene Avatar und König des Reichs entführt und in einem Turm
gesperrt wurde. Ziel des Spiels ist es, neue Helden zu rekrutieren, die sich mit Schwert
und verschiedenen magischen Fähigkeiten durch die Burg zum Turm kämpfen. Auch hier
lassen sich Helden durch je zwei Spielmünzen anwerben, der Bedarf an Spielfiguren ist
jedoch sehr groß, da jeder Held immer nur eine Kampfrunde übersteht, bevor er müde
wird und nach Hause geht.
StreetPass bietet jedoch noch eine weitere Möglichkeit den Spielverlauf voranzutreiben.
Trifft man eine andere Person mit aktivierten N3DS wird das jeweils andere Mii auf das
eigene Gerät kopiert. Dieser „Besucher“ bringt ein Puzzleteil und hilft mit, den König
zu befreien. Damit diese Funktion effektiv eingesetzt werden kann, sollte man sich an
Orten aufhalten, wo sich viele Menschen befinden. Innerhalb eines Monats mit gewöhnlichen Tagesabläufen kamen bei einem Testlauf in Wien nur drei zufällige Begegnungen
mit zwei verschiedenen Personen zustande. Gibt es keine N3DS-Besitzer im näheren Umfeld, wie z. B. in der Familie, der Schule oder am Arbeitsplatz, ist es dennoch möglich
aktiv nach unbekannten N3DS-Usern zu suchen. Bei einer dreitägigen Reise nach Hamburg kamen vier Begegnungen zustande. Wovon je ein Mii-Austausch am Flughafen, im
Stadtzentrum, in der U-Bahn und in einem Einkaufszentrum stattfand. Es ist jedoch auch
nicht sehr dienlich, mehrere Miis gleichzeitig in der Lobby zu sammeln, da immer nur ein
Mii zum Spielen eingesetzt werden kann. Aktiviert man das neu erhaltene Mii, verfallen
die Aktionen des zuvor eingetroffenen, sofern es bereits „begrüßt“ wurde.
Sofern man nur selten andere N3DS-Besitzer mit aktiviertem StreetPass trifft, aber dennoch weiterspielen möchte, gäbe es, um sich neue Spielrunden zu erarbeiten theoretisch
immer noch die Möglichkeit ausgedehnte Spaziergänge zu machen. Grundsätzlich wäre
das ein guter Motivator. Da es aber möglich ist zu cheaten, und die Schrittzahl einfach
durch Schütteln des geschlossenen Geräts in die Höhe zu treiben, wurde von Nintendo eine Begrenzung implementiert mit der sich pro Tag nur 10 Münzen dazu verdienen lassen.
Zum Erreichen der maximalen Obergrenze von 300 Münzen muss man ein ganzes Monat Münzen sammeln um diese zu erreichen. Diese 1000 Schritte, die für zehn Münzen
nötig sind, sollten problemlos unter 15 Minuten zu schaffen sein. Einmaliges gemütliches
69
Gehen für 15 Minuten ist allerdings viel zu wenig, um einen entscheidenden Beitrag zur
täglich empfohlenen Bewegungsmenge zu leisten. Die Lösung wäre allerdings auch ohne
tägliches Limit nicht optimal. Um möglichst viele Münzen zu sammeln, würde man die
Konsole überall mitnehmen wollen. Die Gerätegröße könnte dabei jedoch ein Problem
darstellen. Da der N3DS selbst auch mit Infrarotsensoren ausgestattet ist, wäre es aber
kein Problem eine Actimeter-Funktion zu implementieren. Würde man jedoch nur den zusätzlichen Schrittzähler tragen, bliebe die andere Funktion, nämlich das austauschen von
Informationen vernachlässigt. Die Ansätze von StreetPass bieten teilweise gute Motivatoren um sich mehr zu Fuß zu bewegen und raus, unter Menschen zu gehen. Die Funktionen
sind aber zum Teil inkonsequent umgesetzt und beinhalten künstliche Barrieren, wodurch
sich eine entstehende Motivation nicht entfalten kann.
7.6.2
Die Stadt als Spielplan – Location Based Games
Die zweite Kategorie an mobilen Exergames, verwendet GPS zur Realisierung der primären
Gameplay-Mechanik. Mit Hilfe von Lokalisierungsdaten wird die Position bestimmt, wobei eine
räumliche Bewegung den weiteren Spielverlauf beeinflusst. [140]
Zombie, Run! vs. Zombies, Run!
Zombies in Videospielen sind momentan sehr beliebt und es gibt kaum ein Spielgenre das noch
nicht infiziert wurde. Neben dem klassischen Actionspiel bedienen sich bereits Simulationen,
Strategie- und Sportspiele, wie auch Exergames dieser Thematik. Doch scheint es eine begrenzte Anzahl an unverwechselbaren Produktnamen zu geben. Zwei davon sind GPS-unterstützte
Laufspiele. Zombie, Run! für Google Android legt dabei den Fokus auf das Gameplay. Zombies,
Run! für Apple iOS konzentriert sich mehr auf eine stimmige Geschichte. Als wäre die Namensähnlichkeit der beiden Programme noch nicht verwirrend genug, existieren alleine im iTunes
App Store viele weitere mobile Games mit Namen wie ZombieRun, Zombie Run!, Run Zombie Run!, Zombie Runz, Zombie Runner, ZombieRunnerZ, Zombie Parkour Runner oder Zombie
Runaway. Trotz der Flut an verwechselbaren Zombie-Produkten sind die zwei erwähnten Laufspiele dennoch einen genaueren Blick wert.
Zombie, Run!4 nutzt die Positionsinformation in Kombination mit Google Maps. Dabei werden auf der Karte virtuelle Zombie-Horden angezeigt, die sich in der näheren Umgebung
befinden und versuchen die eigene Position zu erreichen. Das offensichtliche Spielziel
ist, der Bedrohung auszuweichen, um sich nicht fressen zu lassen. Je nach gewünschtem
Schwierigkeitsgrad und Einsatzzweck lassen sich die Zombie-Dichte und deren Bewegungsgeschwindigkeit einstellen. Das Spiel ist gut geeignet für Spaziergänge ohne festes
Ziel oder für den täglichen Weg zur Arbeit, da man daran gehindert wird, immer die gleichen gewohnten Wege zu gehen. Für das Lauftraining ist dieses Spiel jedoch nur bedingt
geeignet, da man regelmäßig den Bildschirm beobachten muss, um noch rechtzeitig einen
anderen Weg einschlagen zu können, wenn es erforderlich ist. Trägt man zusätzlich noch
4
70
vgl. https://market.android.com/details?id=net.peterd.zombierun&hl=en
Kopfhöhrer beim Joggen, kann die nötige Aufmerksamkeit für eine sichere Teilnahme am
Straßenverkehr zu gering werden.
Zombies, Run! ist ebenfalls eine mobile App, die, wie der Name bereits andeutet, mit Hilfe
von Zombies zu mehr Bewegung anspornen soll. Das Projekt wurde 2011 auf der crowd
funding-Website kickstarter.com präsentiert. Geplant war ein Finanzierungsziel von 12500
USD, das mit 72627 USD bei weitem übertroffen wurde. Dabei bekam das Entwicklerstudio Six to Start Unterstützung von 3464 Sponsoren. [126] Die Zombie-Thematik dürfte
also trotz der Menge an existierenden Spielen, noch immer regen Anklang finden.
Aktuell verwendet „Zombies, Run!“ die empfangenen GPS-Daten nur um die Geschwindigkeit und die zurückgelegte Distanz zu messen, nicht aber um die Position zu bestimmen. Wenn das GPS-Signal aus irgend einen Grund unterbrochen wird, kann auf
den Beschleunigungssensor zurückgegriffen werden. Dies ermöglicht auch eine IndoorVerwendung auf dem Laufband, was jedoch nicht empfohlen wird, da das Spielerlebnis
darunter leidet.
Das Spiel nutzt einen narrativen Ansatz und lebt hauptsächlich von der spannenden Geschichte, die von der Londoner Romanautorin und Journalistin Naomi Alderman5 geschrieben wurde. Die gespielte Geschichte handelt vom Läufer „Runner 5“, der die Versorgung einer kleinen Gemeinde sichert. Der Spieler muss dafür vor das Sicherheitstor treten
und bestimmte Missionen erfüllen. Während einer Mission wechselt das Spiel in einen
reinen Audiomodus, um sich besser auf das Training und den Verkehr konzentrieren zu
können. Währenddessen erhält man Anweisungen aus der Funkzentrale oder von anderen
imaginären Auftragsläufern, wodurch die Geschichte vorangetrieben wird. Um zwischen
den einzelnen Erzählungen motiviert zu bleiben, lässt sich eigene Musik aus der eigenen
iTunes-Playliste abspielen. Doch wichtiger sind Items wie Wasserflaschen, Kleidung, Medizin und Munition, die man beim Laufen zufällig aufsammelt. Hinzu kommt, dass man
jederzeit von einer Zombie-Horde überrascht werden kann, was sich in den Kopfhörern
durch ein schreckliches Röcheln und Brummen bemerkbar macht. Zusätzlich wird man
von der Zentrale gewarnt und bekommt den Befehl wegzulaufen. Diese Verfolgungsjagden werden teilweise zufällig oder an fixen Punkten der Storyline eingeleitet, treten aber
nur auf, wenn eine GPS-Verbindung besteht und man aktiv läuft. Da über den Beschleunigungssensor kein garantierter Positionswechsel gemessen werden kann, gibt es in diesem
Modus keine Situationen, in denen man gefressen werden könnte.
Einzelne Missionen können beliebig oft wiederholt werden. Um die Motivation zwischen
den Läufen und nach einem Durchspielen aller Mission weiter aufrecht zu erhalten, besteht die Möglichkeit, die aufgesammelten Items im Lager zu verteilen um damit die Gemeinde weiter auszubauen. Dabei bringen die Items an ihrem vorgesehen Bestimmungsort den meisten nutzen. So lassen sich beispielsweise mit Medizin das Lazarett oder mit
Kleidung die Baracken aufwerten. Je höher die Stufen der Gebäude sind, umso mehr Menschen finden Schutz in „Abel Township“.
5
vgl. http://www.naomialderman.com
71
7.7
Zusammenfassung
Aus Hardware-Sicht zeigt dieses Kapitel, dass mittlerweile fast kein Gerät mehr ohne Beschleunigungssensoren auskommt. Sie sind günstig und benötigen auch in der Drei-Achsen-Ausführung
nur wenig Platz. Dennoch bietet ein derartiger Chip eine große Bandbreite an erkennbaren Bewegungen. Will man möglichst exakte Bewegungen im virtuellen Raum nachverfolgen, sind
Drehratensensoren eine sinnvolle Ergänzung, solange ein relativer Bezugspunkt zur Steuerung
ausreicht. Für eine absolute Positionsbestimmung wird auf ein visuelles Tracking-System zurückgegriffen. Insbesondere bei Kinect erspart man sich dadurch zusätzliche Bewegungssensoren, wenn die Körperhaltung oder auch Beinbewegungen erkannt werden sollen. Wie am Beispiel von EA Active 2 zu sehen ist, kann durch diese Einsparung die Anzahl an Fehlerquellen
reduziert werden. Vor allem, wenn das Tracking-System aus wirtschaftlichen Gründen niedrigeren Qualitätskriterien entspricht.
Global gesehen, kann auch eine GPS-Lokalisierung als visuelles Tracking bezeichnet werden,
da hierbei ebenfalls eine „Sichtverbindung“ bestehen muss. Ein zusätzlicher magnetischer Kompass kann dabei hilfreich sein, wenn auch im Stand eine Drehrichtung erkannt werden soll. Bei
einem portablen Spiel wie „Zombie, Run!“ könnten damit akustische Richtungsangaben gemacht werden, aus welcher Richtung ein imaginärer Gegner kommt, ohne währenddessen auf
die Anzeige achten zu müssen. Da sich das Smartphone meistens in einer Tasche befindet, müsste zuvor die Ausrichtung des Geräts mit der normalen Laufrichtung abgeglichen werden. Dabei
können GPS-Tracking oder die Beschleunigungssensoren helfen. Wenn der Kompass kalibriert
ist, dann kann das Gyroskop die nötige Information liefern, in welche Richtung sich ein Anwender oder eine Anwenderin im Stand dreht.
Momentan boomt der Exergaming-Markt, weshalb große Publisher versuchen, schnellstmöglich viele Spiele zu veröffentlichen, von deren Konzept man weiß, dass sie sich verkaufen
lassen. Deshalb wirkt vor allem bei den großen Spielkonsolen das Angebot noch etwas monoton. Innovationsgeist wird eher von kleinen, unabhängigen Entwicklerteams gezeigt. Um jedoch
Lizenzgebühren zu sparen werden deren Anwendungen für offene oder günstige Betriebssysteme, wie Android oder iOS entwickelt. Diese Problematik haben die Konsolenhersteller bereits
erkannt und bringen Tools und Treiber auf den Markt, um die Entwicklung von IndependentSoftware oder HCI-Forschungsprojekten zu unterstützen. Microsoft machte den ersten Schritt
und bot 2011 das Kinect for Windows SDK 6 (Software Development Kit) zum freien Download an. Damit ist es möglich Windows Desktopanwendungen mit Gesten- und Spracherkennung zu entwickeln. Der Mitbewerber Sony gibt mit Move.me7 ein Client-Server-System frei,
womit es möglich ist, Move-Anwendungen auf einem PC zu entwickeln und die Eingabedaten
mittels UDP-Protokoll von der Konsole an die PC-Anwendung zu senden [69] [68]. Die ServerSoftware ist nur für Studenten kostenlos und seit 17. Februar auch in Europa erhältlich [118],
allerdings nur in ausgewählten Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland.
6
7
72
vgl. http://www.microsoft.com/en-us/kinectforwindows/
vgl. http://de.playstation.com/ps3/peripherals/detail/item447663/Move-me/
KAPITEL
Spielkonzept
In diesem Abschnitt wird eine Spielidee vorgestellt, die sich als Folge der Literaturrecherche
und der Evaluierung der einzelnen Systeme und Spiele herauskristallisiert hat. Dabei werden
Gründe für die Systemwahl genannt und der Weg von der Ideenfindung bis zum Konzept und
die Entwicklung von Prototypen dokumentiert.
8.1
Systemwahl
Aufgrund der Aktualität und dem neuartigen Steuerungskonzept, war die naheliegendste Idee,
ein Spieldesign für Microsoft’s Kinect zu entwerfen. Die Veröffentlichung des SDK für Windows untermauerte dieses Vorhaben. Im Laufe der Recherche änderte sich dieser Gedanke jedoch dahingehend, dass Bewegungsförderung durch ein digitales Bewegungsspiel nicht zwingend vor einem Fernsehbildschirm stattfinden muss und sich mit Wohnzimmer-Exergames die
empfohlene tägliche Bewegungsmenge nur schwer erreichen lässt. Ein zweckmäßiger Einsatz
von ortsgebundenen Exergames erfordert immer einen freien Zeitschlitz. Will man beim effektiven Exergaming mitunter eine hohe Intensität erreichen, sollte zusätzlich eine Nachbereitungszeit für Duschen und Erholung eingeplant werden. Verbunden mit diesem Zeitaufwand, kann
eine weitere Hemmschwelle entstehen. Mobile Videospiele bieten hingegen den Vorteil, dass
sie auch zwischendurch und unterwegs gespielt werden können und sich somit einfacher in den
täglichen Tagesablauf integrieren lassen.
In amerikanischen Artikeln wird teilweise das Argument der fehlenden Sicherheit in vor- oder
innerstädtischen Nachbarschaften für Outdoor- und Gruppenaktivitäten vorgebracht [31]. In Österreich, insbesondere Wien, einer der sichersten Großstädte der Welt [65], greift dieses Argument jedoch kaum. Deshalb fiel der Entschluss, ein Spiel zu entwerfen, welches zum ersten
logischen Schritt eines gesünderen Lebensstils motivieren soll: Der Verzicht auf unökologische
Transportmittel und das Gehen zu Fuß.
73
8
Idealerweise soll das Spiel auf einem Gerät laufen, welches der Spieler und die Spielerin
immer dabei haben. Laut einer Online-Statistik1 von Google, IPSOS und der Mobile Marketing
Association (Abbildung 8.1) besaßen im Juli 2011 bereits 21% aller Österreicher und Österreicherinnen ein Smartphone. Von diesen Personen sagten 66% aus, dass sie ohne Smartphone
nicht mehr außer Haus gehen würden und fast alle nutzen das Gerät unterwegs. Mehr als die
Hälfte der Nutzer und Nutzerinnen hören damit Musik, nutzen soziale Netzwerke oder spielen
mobile Videospiele. Routenplaner- und Landkartenfunktionen nutzten vor der Befragung knapp
die Hälfte der Personen. Von 43% wird parallel zu anderen Beschäftigungen Musik gehört aber
nur 8% gaben an, dass sie auch nebenbei spielen würden, wobei dies großteils junge Männer
sind, die häufiger mobiles Internet nutzen.
Smartphone-Nutzung in Österreich!
100%!
90%!
80%!
70%!
60%!
50%!
40%!
30%!
20%!
10%!
0%!
Smartphone-Durchdringung!
21%!
"Ich gehe nicht ohne mein
Smartphone aus dem Haus."!
66%!
Smartphone-Nutzung Unterwegs!
95%!
Smartphone-Nutzung In öffentlichen
Verkehrsmitteln!
78%!
soziales Netzwerk genutzt!
59%!
Routen geplant/Landkarte
angesehen!
48%!
Musik hören!
65%!
Spiele gespielt!
58%!
Parallel Musik hören!
43%!
8%!
Parallel Videospiele spielen!
Abbildung 8.1: Statistische Auswertung mit individuell generiertem Datensatz über die Smartphone-Nutzung in
Österreich, mit relevanten Werten für LBG [53, modifiziert].
LBG können alle diese häufig genutzten Funktionen in einem Programm vereinen. Neben den
spielerischen Elementen wird GPS und die Landkarte genutzt, um die zurückgelegte Distanz
berechnen und darstellen zu können. Zudem kann bei taktischen Überlegungen im Spiel auch
eine Routenplanung hilfreich sein. Wenn über 40% der Leute mit dem Smartphone nebenbei
Musik hören, tragen diese dabei vermutlich Kopfhörer, über die zusätzlich auch ein akustisches
Spielfeedback mitgeteilt werden kann.
Ein Smartphone scheint demnach die richtige Wahl für eine spätere Umsetzung der Idee.
Als Betriebssystem wurde iOS gewählt, da Apple eine homogenene Produktpalette bietet und
die Software maximal für zwei oder drei unterschiedliche Geräte optimiert werden muss. Ein
weiterer Vorteil ist die integrierte soziale Spielplattform Game Center, die es allen iPhoneAnwendern und -Anwenderinnen ermöglicht, ohne zusätzliche Registrierung mit Anderen zu
1
74
vgl. URL des generierten Diagramms ( http://www.ourmobileplanet.com/omp/T1568610619)
spielen, den Punktestand zu vergleichen und Achievements freizuspielen. Die Entwicklerlizenz
für iOS-Geräte ist zwar nicht kostenlos, liegt aber mit 79 EUR/Jahr in einem erschwinglichen
Bereich.
8.2
Ziele und Anforderungen
Vor den ersten angefertigten Skizzen wurden einige Anforderungen diskutiert, die das mobile
Exergame erfüllen soll. Da es – auch aus eigener Erfahrung – schwieriger ist, sich im städtischen Umfeld zu einem ausgedehnten Spaziergang oder einer Jogging-Runde zu motivieren, als
in der freien Natur, war das Ziel ein Spielkonzept zu entwickeln, dessen volle Dynamik primär
im urbanen Raum zur Geltung kommt, aber dennoch in ländlichen Gegenden, z. B. bei einer
Wanderung funktioniert.
Eine naheliegende Möglichkeit, diese Eigenschaft umzusetzen, ist die Verwendung der digitalen Landkarte als Spielfeld. Das Gelände in dem man sich bewegt wird dadurch folglich zum
Spielplatz. Vergleicht man nun Kartenmaterial aus ländlichen Gegenden mit einem Stadtplan,
wird anhand des Straßennetzes schnell ersichtlich, dass die zur Verfügung stehende Spielfläche
in Städten viel dichter und komplexer ist und somit abwechslungsreichere Spielzüge zulässt.
Abbildung 8.2: Der direkte Vergleich einer ländlichen und einer innerstädtischen Straßenkarte zeigt die Unterschiede
der potentiellen Spielfläche. Beide Google Maps Kartenausschnitte haben den gleichen Maßstab und zeigen ungefähr
700 m2 [11].
Eine weitere Anforderung an das Spiel ist, dass es sich problemlos in den regulären Tagesablauf einbinden lässt. So soll aus dem täglichen Weg zur Schule oder in die Arbeit eine GameMechanik entstehen. Ein optimales Ergebnis wäre, wenn Menschen, die üblicherweise auch
kurze Strecken mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen, zum Umdenken
bewegt werden und des Öfteren zu Fuß gehen. Dabei sollte man jedoch vermeiden, mit dem
75
täglichen Fußmarsch einen neuen Trott einkehren zu lassen. Das Spiel soll Nutzer und Nutzerinnen dazu ermutigen, alternative Wege einzuschlagen und dafür auch kleine Umwege in Kauf
zu nehmen. Ein Variieren der Wege erzeugt Abwechslung und hilft auch dabei, die Umgebung
besser kennenzulernen.
8.3
Skizzierte Game-Mechanik
Für das Entwerfen der Game-Mechanik wurden verschiedene Kartenausschnitte aus OnlineRoutenplanern ausgedruckt. Wie in Bild 8.3 zu sehen ist, wurden verschiedene Detailgrade,
Farben und Größen gewählt.
Abbildung 8.3: Unterschiedliche Ausdrucke aus dem Online-Stadtplan für Wien und Google Maps, für die Skizzierung einer Game-Mechanik. [90] [11]
Diese Kartenmuster dienten zum Einzeichnen verschiedenfarbiger Routen, Flächen und Grenzen. Parallel dazu wurden die Strecken auch am PC eingetragen, um sich davon Länge, Wegzeit,
und Alternativstrecken zu berechnen zu lassen. Aus diesem iterativen Prozess kristallisierte sich
eine konkrete Spielmechanik, wie sie in Bild 8.4 auf Seite 77 skizziert wurde.
Jede Person in dieser Skizze hat einen anderen Startpunkt. Dieser Startpunkt entspricht der
Wohnadresse und ist Ausgangspunkt jeder Tour. Die dicken Linien zeigen den kürzesten Fußweg zum Zielpunkt. Dieser könnte beispielsweise der Arbeitsplatz oder ein Supermarkt sein.
Geht man diese Strecke täglich, kann der gewohnte Weg aber schnell eintönig werden. Ziel des
Spiels ist es, mit der gegangenen Route möglichst große Flächen abzudecken. Dabei wäre nun
der schlechteste Spielzug, den gleichen Weg wieder zurück zu gehen, da in diesem Fall die
Fläche null bleibt. Aber bereits kleine Abweichungen vom Hinweg haben eine große Wirkung.
Geht man z. B. in Parallelstraßen retour, ist der Umweg und der damit verbundene Zeitverlust
nur gering, dabei begeht man jedoch den Umfang einer beachtlichen Fläche.
Diese Fläche bietet einen messbaren Vergleichswert, der einen Wettbewerb mit anderen Spielern und Spielerinnen möglich macht. Sind diese Mitspieler und Mitspielerinnen Kollegen oder
Nachbarn kreuzt man unweigerlich deren abgewanderte Fläche. Dieses geteilte Revier ermöglicht zusätzlich ein territoriales Verhalten, das als Spielmechanik genutzt werden kann. Quert ein
Kontrahent den eigenen Weg und schließt diesen im Anschluss wieder am Ausgangspunkt ab,
wechselt das eingeschlossene Areal den Besitzer. Durch erneutes Abgehen der ursprünglichen
Reviergrenzen lässt sich das Gebiet jedoch zurückgewinnen. Natürlich kann durch zurücklegen
76
einer größeren Strecke das eigene Gebiet auch vergrößert werden, wobei man das Hinzugewonnene wiederum einem weiteren Vorbesitzer streitig machen kann. Dadurch entsteht eine
Dynamik, die sich durch strategische Routenplanung beeinflussen lässt.
Abbildung 8.4: Skizzierte Game-Mechanik in der jede Farbe eine andere Person repräsentiert. Die Zahlenwerte
sind Routenberechnungen und Schätzungen, die dabei helfen ein Gefühl für reale Distanzen und Zeitspannen zu
bekommen.
77
8.4
Physische Prototypen
Um mit physischen Prototypen die Game-Mechanik zu testen bot sich Material der eigenen
Spielesammlung an. Zum Testen der grundlegenden Funktion kamen kleine, sowie achteckige
größere Spielmarken und vier Spielfiguren zum Einsatz.
Das Spielfeld wird mit 20 achteckigen Jetons, zu einem Rechteck zusammengelegt und soll
einen abstrakten Stadtplan darstellen, wobei die achteckigen Spielchips die Kreuzungen und
deren angrenzende Kanten die Wege dazwischen repräsentieren. Die leeren rechteckigen Zwischenräume bilden die unbegehbaren Häuserblöcke. Der Weg, den ein Spieler oder eine Spielerin zurücklegen muss, wird mit zwei Würfel bestimmt. Mit der gewürfelten Augenzahl wird versucht so viele Häuserblocks wie möglich zu umkreisen. Sobald der eigene Weg wieder gekreuzt
wird, hat man Anspruch auf die eingegrenzten Zwischenräume und darf eine kleine Spielmarke
der eigenen Farbe hineinlegen. Umkreisen Gegenspieler ein eigenes markiertes Feld, wird der
Chip durch einen andersfarbigen ersetzt. Gewonnen hat, wer am Ende die meisten markierten
Felder besitzt. Dieser einfache Prototyp hat zwar gezeigt, dass das skizzierte Spielprinzip der
Flächenumrandung funktioniert, bot jedoch nur wenig Spielraum für strategische Überlegungen.
Abbildung 8.5: Physischer Prototyp zum Testen der grundlegenden Spielmechanik. Verwendetes Material: achteckige Spielmarken, Vier-Gewinnt-Jetons, Spielfiguren und Würfel.
Zum Testen eines komplexeren Bewertungssystems wurde ein weiterer Prototyp entworfen. Die
Spielfläche besteht aus 30 verdeckten Memory-Karten, welche die Häuserblocks symbolisieren.
78
Das Straßennetz wird durch die Abstände zwischen den Karten dargestellt. Das grundlegende
Spielprinzip des zweiten Prototyps ist identisch mit dem des ersten. Allerdings ist die Spielfläche
größer und erlaubt die Platzierung von mehr als einem Spielstein in den unbegehbaren Flächen.
Wird eine Areal mehrmals umwandert, werden die alten Steine nicht mehr durch andersfarbige neue ersetzt. In der ersten Variante dieses Prototyps wurden neue Steine einfach dazugelegt.
Um aber die Reihenfolge besser nachvollziehen zu können, wurden die Regeln später dahingehend geändert, dass neue Legosteine oben auf die alten gesteckt werden. Wie auch im ersten
Prototyp könnte immer dem letzten Spieler oder der letzten Spielerin das Gebiet zugesprochen
werden, der oder die einen Stein auf den Turm gelegt hat. Ein größerer Reiz wird jedoch geboten, wenn zusätzlich die investierten Punkte gewertet werden. Hat eine Person alle Legosteine
aufgebraucht, dann endet das Spiel nachdem die Runde fertig gespielt wurde. Die abschließende
Bewertung verläuft so, dass die Höhe der im Spiel entstandenen „Punktetürme“ beachtet wird.
Demnach wird die Anzahl der Steine, aus denen sich ein solcher Turm zusammensetzt, gezählt.
Zugeschrieben werden sie dabei dem oder der Jenen, der oder die als letztes seinen Stein auf den
Turm gelegt und dabei mindestens gleich viele Steine, wie die GegenspielerInnen investiert hat.
Ist dies nicht der Fall, bekommt der oder die KontrahentIn mit den meisten Steinen die Punkte. Da die gewonnenen Blocks in einem zentralen Gebiet stärker bewertet werden, als in einem
Randgebiet, üben hohe Türme einen besonderen Reiz aus.
Abbildung 8.6: Zweiter Prototyp zum Testen eines erweiterten Bewertungssystems. Verwendetes Material: MemoryKarten, Legosteine (2x2), Spielfiguren, Legestäbchen und Würfel.
79
Das zweite Spiel entwickelte wesentlich mehr Dynamik als der erste Prototyp. Nach einer Reihe komplexer Züge waren aber die folgenden etwas schwerer nachzuvollziehen. Als Hilfsmittel
wurden Legestäbchen eingeführt, mit denen die wesentlichen Schritte des vorhergehen Zuges
markiert werden konnten. Mit deren Unterstützung war es einfacher, mehrere Züge zu einer
große Runde zu verbinden und somit mehrere Blocks auf einmal zu übernehmen.
8.5
Spielkonzept
Das Gameplay ist zwar ein äußerst wichtiges Element im Spiel, aber eine schöne Verpackung
der Game-Mechanik kann genau so entscheidend sein, ob ein Spiel auf lange Sicht gespielt
wird. Beim Brettspiel-Prototyp reicht es, wenn man sich der Vorstellung bedient, die umgedrehten Karten wären Wohnblöcke und die Zwischenräume seien die Straßen. Wenn das fertige
Smartphone-Spiel, das auf realen Straßen und mit realen Wohnblocks gespielt wird, ebenfalls
von Straßen und Häuserblocks handelt, wirkt die Präsentation etwas kahl. Die skizzierte und
getestete Game-Mechanik, in der es um Revierkämpfe geht, hat einen sehr kriegerischen Beigeschmack. Deshalb war auch die erste Idee eines Szenarios die Römerzeit wodurch der erste
Entwurf den Projektnamen „Territorium Vindobona“ erhielt. Meine Absicht war es jedoch ein
Szenario zu finden, das trotz einnehmender Spielstruktur ohne Kampf und Eroberung auskommt.
Da sich auch manche Tiere stark territorial verhalten und ihr Revier durch Markierungen
abgrenzen und gegebenenfalls verteidigen, entstand die Idee, dass für ein Territorialspiel in der
Stadt Hunde ein passendes Thema abgeben würden. Im geplanten Konzept spielt man einen
streunenden Hund, welcher durch die Gegend streift und dabei versucht das eigene Gebiet zu
erweitern, um das Nahrungsangebot zu sichern. Damit der Anspruch auf ein Revier gehalten
werden kann, müssen Grenzen laufend überprüft werden. Nur so kann sichergestellt werden,
dass nicht bereits andere Hunde, also gegnerische Spieler und Spielerinnen, die Reviergrenzen
überschritten haben.
Bereits gegangene Wege werden mit Hilfe von GPS auf einer digitalen Karte eingezeichnet.
Kreuzt man nun beim Spazierengehen die Route von jemand anderem, so bekommt man ein
akustisches Feedback, dass man eine Fährte gewittert hat. Hat man eine Grenzüberschreitung
gefunden, wird auch ersichtlich, ob der Gegner oder die Gegnerin diesen Teil des Reviers bereits für sich beansprucht. Hier kann man entscheiden, ob man die eigenen alten Reviergrenzen
erneut abgeht und festigt, sich mit dem kleineren Revier zufrieden gibt, oder man das Gebiet
erweitert und versucht dem Rivalen oder der Rivalin ein neues Gebiet streitig zu machen.
Gibt es in einem Spielgebiet bereits mehrere fremde Spieler und Spielerinnen und werden Revierstreitigkeiten mit diesen bereits anstrengend, soll das Spiel ermöglichen, sich mit Freunden
oder Familienmitgliedern zu einem Rudel zusammenzuschließen. Da in einem Rudel gemeinsam an einem Revier gearbeitet wird, zählt nicht nur die Fläche des eigenen Gebiets, sondern
auch das gemeinsame Areal der Gruppe. Das Gebiet kann so an mehreren Fronten verteidigt
werden. Geht man gemeinsam mit einem Gruppenmitglied eine Strecke ab, bekommt man auf
dieses einen stärkeren Revieranspruch.
Es sind auch Rollenspiel-Elemente denkbar. Je nach Geh- und Revierverhalten, sowie der Größe des eingenommenen Areals wird man in eine bestimmte Kategorie eingestuft. Eine sehr
territoriale Spielweise könnte mit der Bezeichnung „wachsamer Schutzhund“ gewürdigt wer80
den. Ausdauernde Personen könnten den Titel „angehender Schlittenhund“ und joggende als
„blitzschneller Windhund“ bezeichnet werden. Für Anfänger würde vorerst in die Kategorie
„abenteuersuchender Chihuahua“ passen. Ein Status von dem sich so manche Person zu gerne
hocharbeiten will. Das Spiel soll auch Interface-Aktionen erlauben, sodass zum Beispiel strategische Punkte im Revier durch das aktive Setzen von Markierungspunkten gekennzeichnet
werden können. Der soziale Aspekt erlaubt durch die persönliche Leistung auch Auswirkungen
in einem größeren Maßstab. So könnten z. B. die gesamten Kilometer des eigenen Rudels oder
der ganzen Community gezählt werden.
8.6
Visueller Prototyp
Um die reine Vorstellung des geplanten Exergames zu festigen, wurden die wichtigsten Funktionen und Aspekte des Projekts auf Papier gebracht. Danach wurden die Skizzen von brauchbaren
Ideen eingescannt und digital überarbeitet, um daraus einen visuellen Prototyp zu erstellen.
Abbildung 8.7: Skizzen, die als Ausgangspunkt für den visuellen Prototyp dienten.
81
8.6.1
FieldTest
Um auf einem mobilen Gerät zu prüfen, wie die Interface-Entwürfe darauf wirken, wurde ein
neues Protyping-Tool getestet, welches sich aktuell noch in der geschlossenen Beta-Phase befindet. FieldTest2 ist eine Browser-Anwendung, mit der sich in digitalisierten Skizzen Bereiche
definieren lassen und mit verschiedenen Funktionen und Querverweisen belegen lassen. Ein solcher Hotspot reagiert dann, je nach Einstellung, auf diverse Tap- und Swipe-Gesten und wechselt
dabei mit einem animierten Übergang auf ein verlinktes Bild. Nach dem Anfertigen des Prototyps wird eine URL generiert, die anderen Personen zur Verfügung gestellt werden kann und auf
mobilen Geräten direkt den Prototyp im Vollbild lädt. Dies erlaubt neben dem kollaborativen
Entwerfen und Entwickeln ein unmittelbares Testen am Zielgerät.
Da sich das Programm in einem frühen Stadium befindet, sind die gebotenen Möglichkeiten
von FieldTest noch sehr überschaubar und die grundlegende Funktion beschränkt sich auf das
interaktive Navigieren durch Screenshots. Möchte man beispielsweise demonstrieren, wie sich
ein Schalter beim Aktivieren verhält, muss auf einen neues Bild verwiesen werden, das nur an
diesem kleinen Detail unterscheidbar ist.
Abbildung 8.8: Die Bilder des visuellen Prototypen zeigen das Hauptmenü, die Spielansicht und Detailinformation
über den User. Links: Markierung der interaktiven Hotspots beim Testen in Browser; Mitte und Rechts: Stilisierter
Rahmen und iOS-konforme GUI-Elemente wurden aus iPhone Mockup übernommen [92].
Der mit FieldTest erstellte Prototyp besteht aus insgesamt zwölf Screenshots, die eine ungefähre Navigationshierarchie demonstrieren sollen und dabei einen ungefähren Eindruck liefern,
2
82
vgl. https://www.fieldtestapp.com
wie das fertige Produkt am Ende aussehen könnte.
Die Grafik in Abbildung 8.9 auf Seite 84 zeigt, wie die einzelnen Menüpunkte zusammenhängen
und auf welche Funktionen von jedem Bildschirm verwiesen wird. Das Programm beginnt, ausgehend vom Splash-Screen beim Ladevorgang im Hauptmenü. Dieses Menü ist quasi der Drehund Angelpunkt der Applikation. Wie in Abbildung 8.8 durch die farbigen Markierungen zu erkennen ist, befinden sich darauf 5 Schaltflächen, mit denen alle weiteren Funktionen erreichbar
sind.
Rechts oben findet man eine Schaltfläche, die zu den Optionen führt. Da diese nur in den seltensten Fällen benötigt wird, liegt sie etwas abgelegen und fällt deshalb kleiner und unscheinbarer
aus. In den Optionen soll unter anderem eingestellt werden können, ob man während eines Spielzugs, sprich einem Spaziergang, Musik aus der aktuellen Playliste hören will. Aus diesem Grund
soll es auch einen Regler geben, um die Effektlautstärke getrennt von der Systemlautstärke einstellen zu können. Ein Schalter „Game Center“ erlaubt die Entscheidung, ob man die sozialen
Möglichkeiten des Programms nutzen will, oder nur für sich mitprotokollieren will, wie viel
man gegangen ist. Angesichts des gesamten Spielprinzips ist ein Deaktivieren jedoch nicht zu
empfehlen.
Am unteren Rand befinden sich drei Buttons, die einen Überblick über den Spielfortschritt
und die eigenen Leistungen bringen und Vergleiche mit anderen Spieler erlauben. Neben einer
Achievement-Übersicht und den Highscore-Tabellen gibt es hier auch Zugriff auf das „Rudelmenü“. Dort findet man neben dem eigenen Spielfortschritt auch Informationen über Spielkameraden, mit denen man sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen hat. Wie im Spielkonzept
bereits beschrieben, soll dies spielerische Vorteile bringen, da die Überprüfung der gemeinsamen
Grenzen einfacher werden oder ein gemeinsamer Spaziergang mehr Punkte bringen kann. Neben
einer Auflistung aller Gruppenmitglieder können die eigenen Spielfortschritte oder die der Mitspieler angesehen werden und neue Mitglieder aus der systemweiten Game Center-Freundesliste
zu einem kooperativem Spiel eingeladen werden.
Im Hauptmenü befindet sich mittig noch ein großer Button, der das eigentliche Spiel startet oder
besser gesagt, einen neuen Spielzug aufzeichnet. Im Grunde öffnet sich eine Kartenansicht, in
der die eigene Position angezeigt und der zurückgelegten Weg markiert wird. Für einen besseren
Überblick lässt sich die Karte mit den typischen Wisch- und Pinch-Gesten auch scrollen oder
zoomen. Als Feedback für die eigene Leistung wird die aktuelle Schrittgeschwindigkeit und
der zurückgelegte Weg angezeigt. An dieser Stelle sind natürlich noch mehr Informationen, wie
die Durchschnittsgeschwindigkeit oder die gezählten Schritte möglich. Primär soll das Interface
aber übersichtlich gehalten werden. An der Unterseite befindet sich neben diversen Buttons zur
Karten- und Menünavigation auch eine Funktion mit der wichtige Punkte in wahrsten Sinn „markiert“ werden können. Eine weitere essentielle Funktion im Spiel ist die „Spürnase“. Bevor man
eine Stelle als bemerkenswert erachtet und sie markiert, wurde zuvor in der Regel etwas – Reales oder Virtuelles – entdeckt. Im spielerischen Zusammenhang können dies für den Spielverlauf
dienliche Goodies, wie virtuelle Hundekekse oder ein entdeckter Grenzübertritt von Kontrahenten und Kontrahentinnen sein. Kommt man an einen Punkt, an dem bereits andere Spielende
ihr Revier abgegrenzt haben, wird die Spürnase automatisch aktiviert und beginnt zu wackeln.
Dieses Ereignis wird akustisch durch das Geräusch eines hektisch schnüffelnden Hundes unterstützt. Dadurch ist es nicht mehr zwingend notwendig beim Spazierengehen ständig auf den
83
Optionen
Fieldtest Prototyp
Spielansicht
Gegenspieler
eigene Rangliste
Achievements
Hauptmenü
Rudelmitglied
Rangliste
Gruppen-Menü
Mitgliedersuche
per Texteingabe
Abbildung 8.9: Navigation und Menühierarchie im FieldTest-Prototyp, ausgehend vom Splash-Screen beim Ladevorgang.
Bildschirm zu achten und sich so als Verkehrsteilnehmer einem vermeidbarem Risiko auszusetzen.
8.6.2
Zeitversetzte, ortsgebundene Kommunikation
Eine solche Markier- und Schnupperfunktion kann aber auch die Grundlage für ein zeitversetztes
Kommunikationsmedium bilden, wie es auch echte Hunde nutzen. Hat man etwas interessantes
entdeckt, ist es möglich eine private Kurznotiz, eine geheime oder eine öffentliche Botschaft zu
hinterlassen. Geheime Botschaften erlauben die Kommunikation nur innerhalb des Rudels und
84
werden automatisch erschnüffelt. Öffentliche Botschaften hingegen können von allen Nutzern
und Nutzerinnen dieses Spiels gefunden und gelesen werden. Jeder oder Jede, der oder die eine
solche Botschaft findet, kann darauf antworten. So kann an jedem x-beliebigem Punkt im Freien
ein eigenständiger Kommunikationskanal mit eigener Timeline entstehen. Dies ist vergleichbar
mit einer Kommentarfunktion zu einem konkreten Beitrag auf einer Website. Anstatt sich jedoch im Internet mit Hilfe eines Links an den virtuellen Ort der Diskussion zu begeben, um sie
mitverfolgen zu können, müsste man sich in diesem Fall physisch an den realen Diskussionsort begeben. Ein derartiges öffentliches Kommunikationsmedium könnte in vielerlei Hinsicht
genutzt werden. Denkbar sind z. B. Informationen zu Sehenswürdigkeiten, kürzlich stattgefundenen, ortsbezogenen Ereignissen oder Lokaltipps, die direkt davor platziert werden können.
Wahrscheinlich ist aber auch, dass zudem die nutzende Community weitere Anwendungsmöglichkeiten finden würde, die momentan noch nicht in Betracht gezogen werden.
Ein solches Kommunikationssystem bietet aber nicht nur einen sozialen Aspekt im Bezug
auf die reine Nachrichtenübermittlung. Da sich verschiedene Menschen gegenseitig die unterschiedlichsten Inhalte erstellen, können diese auch für die verschiedensten Anwender und Anwenderinnen interessant sein. Somit hat das mobile soziale Exergame ein hohes Potential auch
auf lange Sicht ansprechend zu bleiben, wenn man sich auch mit dem grundlegenden Spielprinzip anfreunden kann. Langfristig würde so auch der ursprünglich gewünschte gesundheitliche
Effekt nicht ausbleiben, sofern sich Beteiligte an die Spielregeln halten und wirklich zu Fuß an
die Zielorte begeben.
8.7
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurde ein Konzept vorgestellt, das sich als Resultat einer umfangreichen Literaturrecherche und vielen selbst getesteten Exergames herauskristallisiert hat. Die ursprüngliche
Spielidee ist aus Skizzen entstanden und wurde mit Hilfe physischer Prototypen getestet. Um die
reine Spielmechanik ansprechender zu gestalten, wurde diese in ein Szenario gepackt, das mit
Hilfe eines visuellen Prototyps veranschaulicht wurde. Aus dem anfänglichen Skizzieren der
einzelnen Spielsituationen und der konkreten Formulierung des Spielablaufs entwickelte sich
die Idee der einzigartigen Kommunikation, die auch auf lange Sicht stark motivierend wirken
könnte. Wie in jedem sozialen Netzwerk kann auch hier der Faktor Mensch nicht einfach eingeplant werden, sondern muss sich mit Hilfe von Erfahrungswerten weiterentwickeln. Ein solches
System verändert sich laufend mit der Anzahl der Anwender und Anwenderinnen und deren
Verwendungszweck.
Ob künstlich implementierte Restriktionen eingeführt werden müssen, um Schummeln zu verhindern, kann erst nach einer umfangreichen Testphase entschieden werden. Eine derartige Einschränkung könnte beispielsweise durch einen höchstzulässige Bewegungsgeschwindigkeit realisiert werden. Wird diese überschritten, pausiert das Spiel. Meines Erachtens sollte von solchen
Maßnahmen aber eher abgesehen werden, um Spieler und Spielerinnen nicht zu bevormunden.
85
KAPITEL
Konklusion
Das Ziel dieser Arbeit war es, ein umfangreiches Verständnis für die Einflussfaktoren in Exergames zu entwickeln und aus diesem erlangten Wissen ein Konzept zu entwickeln, das einen
starken spielerischen Aspekt hat und nicht nur die „Gamification“ eines gewöhnlichen Trainingsablaufs beschreibt.
Zum Erarbeiten eines theoretischen Grundstocks wurde direkt beim Begriff „Game Design“
angesetzt um zu klären, wodurch ein Spiel definiert wird und welche notwendigen Eigenschaften
ein Ablauf haben muss, um eindeutig als Spiel zu gelten. Da Exergames einen Zweck erfüllen,
wurden auch Serious Games und verwandte Begriffe, wie DGBL oder positive- und social impact games behandelt.
Dass eine Trennung von Games aber nicht immer einfach ist, zeigen Grenzfälle, die im vierten Kapitel behandelt wurden. Hier wurde nach einer konkreten Abgrenzung von Game Design,
Gameful Design und Gamification gesucht. Der Grund, warum Gamification aktuell so beliebt
ist, sind die motivierenden Eigenschaften, die Spielen nachgesagt werden. Nun versucht man
diese spielerischen Elemente zu extrahieren und deren Eigenschaften über bestehende Systeme
zu stülpen, die von sich aus eigentlich wenig mit Spielen zu tun haben. Dadurch soll einerseits
eine stärkere Kundenbindung und ein höherer Ertrag erzielt werden. Andererseits kann Gamification auch Zwecken dienen, die ethisch nicht fragwürdig scheinen. Nichtsdestotrotz hat der
Ausdruck Gamification bereits einen bitteren Beigeschmack erlangt.
Um die motivierenden Eigenschaften von Games und gamifizierten Prozessen besser verstehen zu können, wird zuvor noch der Begriff Motivation betrachtet. Wenn man von Motivation
spricht, ist die Unterscheidung zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation primär. Extrinsische Motivation wird von außen durch weltliche Dinge angetrieben. Intrinsische Motivation
entsteht hingegen entweder durch Neugier oder ein Motiv, das durch einen vorrangig emotionalen Wert die Motivation herbei führt. Ein weiterer wichtiger Begriff, der beim Thema Motivation
in Zusammenhang mit Videospielen nicht fehlen darf ist „Flow“. Dabei handelt es sich um einen
Zustand, in dem Menschen das Zeitgefühl und Selbstkritik verlieren und jeder Handgriff in den
nächsten übergeht, als würde man die Situation perfekt beherrschen. Um eine solche Situation
herbeizuführen, ist allerdings eine ausgewogene Balance zwischen der Herausforderung der Si87
9
tuation und den Fähigkeiten der jeweiligen Person vonnöten. In Videospielen kann ein solcher
Zustand durch ausgewogenes „Balancing“ relativ einfach erzeugt werden.
Nachdem alle notwendigen Begriffsdefinitionen geklärt wurden, bot ein historischer Rückblick einen Überblick über die wichtigsten Exergames der letzten 30 Jahre. Dieser Überblick
zeigte zum einen, dass manche aktuellen Exergames immer noch die gleichen Steuerungskonzepte nutzen, die bereits in den Anfängen entwickelt wurden, aber damals nicht sehr erfolgreich
waren. Zum anderen erfolgte durch die systematische Trennung von klassischen ExergameProdukten eine Unterteilung in die Kategorien Gleichgewichts-Controller, Aktionsmatten, Trainingsgeräte und optisches Tracking.
Bevor jedoch in Kapitel 6 bewusst nach weiteren brauchbaren Kategorisierungsmöglichkeiten von Exergames gesucht wurde, wurde der Frage nachgegangen, ob Exergaming überhaupt
einen gesundheitlichen Nutzen bringen kann, der mit anderen körperlichen sportlichen Aktivitäten vergleichbar ist. Dabei wurden einige wissenschaftliche Studien angeführt und unter
verschiedenen Gesichtspunkten verglichen. Das Ergebnis war, dass mit bewegungsfördernden
Videospielen teilweise eine leichte bis mittlere Intensitätsstufe erreicht werden kann, und deshalb einen sinnvoller Ersatz für sitzenden Tätigkeiten sein kann. Mit dem richtigen Spielprinzip
und einem Balancing, das individuell auf die eigenen Bedürfnisse eingestellt werden kann, ist es
auch mögliche ein hohe körperliche Anstrengung herbeizuführen. Als uneingeschränkter Ersatz
für klassische körperliche Bewegung wird Exergaming dennoch nicht empfohlen.
Nach der Feststellung, dass weitere Untersuchungen im Bereich Exergames keineswegs vergeblich sind, wurden aktuelle Exergame-Technologien beschrieben und kommerzielle Bewegungsund Fitnessspiele evaluiert, die neben der wissenschaftlichen Recherche getestet wurden. Die
Bewertung brachte das Ergebnis, dass gerade Produkte, die von großen Publishern auf den Markt
gebracht werden, meist nur wenig Innovation bieten und vielmehr auf Konzepte setzen, die sich
verkaufstechnisch bewährt haben. Manche unabhängige Entwickler zeigen hier schon mehr Innovationsgeist. Aufgrund der geringeren Entwicklungskosten, sind diese Produkte aber eher auf
mobilen Plattformen zu finden, wobei Exergames auch nicht zwingend vor dem Fernseher gespielt werden müssen.
Basierend auf diesem theoretischen Fundament, wurde die Idee für ein mobiles Exergame
geboren, dass in weiterer Folge für das iPhone realisiert werden soll. Die Gründe für diese Entscheidung wurden im ersten Teil von Kapitel 8 erörtert. Nachdem feststand, welche Anforderungen das Produkt erfüllen soll, wurden Ideen skizziert, aus denen eine Game-Mechanik entstand.
Dass diese Idee genug Potential für ein funktionierendes Spiel hat, wurde durch zwei physische
Prototypen bestätigt. Eine digitalisierte Spielmechanik alleine, ist jedoch nur selten erfolgreich,
deshalb wurde nach einem passenden Szenario für das Spiel gesucht, das kindgerecht ohne Gewalt auskommt. Nach dem Definieren dieser Eckpunkte wurden Skizzen für ein Mock-up angefertigt und mit dem Browser-Tool FieldTest zu einem visuellen Prototyp erweitert, der direkt
auf einem mobilen Gerät getestet werden kann. Während der Analyse des Prototyps entstand die
Idee für ein passendes Kommunikationssystem, das ins Spiel integriert werden sollte. Technische Details und Fragen zur Realisierbarkeit blieben bei der Konzeptionierung aber vorerst noch
unberücksichtigt, da der Fokus dieser Arbeit auf die spielerischen Aspekte gerichtet war.
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99
Abbildungsverzeichnis
2.1
3.1
3.2
4.1
Die Beziehungen zwischen Serious Games und ähnlichen pädagogischen Konzepten. [25, modifiziert] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Motivationsvorgang als Wechselwirkung zwischen Aufforderungscharakter und Motiv [39, modifiziert] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Duales Flow-Modell für Exergames nach Sinclair et al. [125, modifiziert] . . . . .
19
25
4.4
Links: Platzierung von Gamification im Vergleich zu Games, Toys und Playful Design nach Deterding et al. [35, modifiziert]; Rechts: Neupositionierung von Gamification und Gameful Design. Gameful Design wurde noch nicht genau abgegrenzt
und überschneidet sich mit den beiden anderen Designstrategien. Gamification ragt
zusätzlich in den „Play“-Bereich, da Gamification teilweise nur ziellose „Spielereien“ bietet und von der jeweiligen Verwendung eines Users abhängt. Playful Design
wurde angepasst und als Gegenpol von Gameful Design positioniert. . . . . . . . .
Bildausschnitt von Rehabilium, der eine Vorstellung davon gibt, wie eine eintönige,
ständig zu wiederholende Rehabilitationsübung aussehen kann. [13] . . . . . . . .
Links: Verschiedene Trophäen im Physiotherapiespiel Rehabilium; Rechts: Anzeige
der bereits gesammelten Karten in der Kollektion. (beide entnommen aus [59]) . .
Der Ablauf von intrinsisch motivierender Interaktion nach [34] . . . . . . . . . . .
33
35
6.1
Taxonomie von Exertion Games nach Mueller et al. [100, modifiziert] . . . . . . .
56
8.1
Statistische Auswertung mit individuell generiertem Datensatz über die SmartphoneNutzung in Österreich, mit relevanten Werten für LBG [53, modifiziert]. . . . . . .
Der direkte Vergleich einer ländlichen und einer innerstädtischen Straßenkarte zeigt
die Unterschiede der potentiellen Spielfläche. Beide Google Maps Kartenausschnitte haben den gleichen Maßstab und zeigen ungefähr 700 m2 [11]. . . . . . . . . . .
Unterschiedliche Ausdrucke aus dem Online-Stadtplan für Wien und Google Maps,
für die Skizzierung einer Game-Mechanik. [90] [11] . . . . . . . . . . . . . . . .
Skizzierte Game-Mechanik in der jede Farbe eine andere Person repräsentiert. Die
Zahlenwerte sind Routenberechnungen und Schätzungen, die dabei helfen ein Gefühl für reale Distanzen und Zeitspannen zu bekommen. . . . . . . . . . . . . . .
Physischer Prototyp zum Testen der grundlegenden Spielmechanik. Verwendetes
Material: achteckige Spielmarken, Vier-Gewinnt-Jetons, Spielfiguren und Würfel. .
4.2
4.3
8.2
8.3
8.4
8.5
100
29
32
74
75
76
77
78
8.6
8.7
8.8
8.9
Zweiter Prototyp zum Testen eines erweiterten Bewertungssystems. Verwendetes
Material: Memory-Karten, Legosteine (2x2), Spielfiguren, Legestäbchen und Würfel.
Skizzen, die als Ausgangspunkt für den visuellen Prototyp dienten. . . . . . . . . .
Die Bilder des visuellen Prototypen zeigen das Hauptmenü, die Spielansicht und
Detailinformation über den User. Links: Markierung der interaktiven Hotspots beim
Testen in Browser; Mitte und Rechts: Stilisierter Rahmen und iOS-konforme GUIElemente wurden aus iPhone Mockup übernommen [92]. . . . . . . . . . . . . . .
Navigation und Menühierarchie im FieldTest-Prototyp, ausgehend vom Splash-Screen
beim Ladevorgang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
81
82
84
101
Tabellenverzeichnis
2.1
4.1
Elemente eines Videospiels nach Howland 1998 [62, zit. n. [104]], angepasst und
gekürzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
Levels of Game Design Elements nach Deterding et al. mit zusätzlicher Nummerierung sowie Unterteilung in Gamification, Gameful Design und Game Design, auf
Basis von Designebene und allgemeiner Begriffsinterpretation. (Beschreibungen der
Design-Levels wurden aus Platzgründen entfernt.) [35, modifiziert und ergänzt] . .
30
102
Abkürzungsverzeichnis
AR Augmented Reality
BMI body mass index
BPM beats per minute
C64 Commodore 64
CMOS complementary metal-oxide-semiconductor
COTS commercial of-the-shelf
CTF Capture the Flag
DDR Dance Dance Revolution
DGBL Digital Game-Based Learning
DOF Degrees of Freedom
GPS Global Postioning System
GUI Graphical User Interface
HCI Human Computer Interaction
HID Human Interface Device
IC integrated circuit
IDEEA Intelligent Device for Energy Expenditure and Activity
IMU inertial measurment unit
LBG location-based games
LED light-emitting diode
MEMS mikroelektronisches mechanisches System
MET metabolic equivalent of task
MMORPG massively multiplayer online role-playing game
N3DS Nintendo 3DS
NDS Nintendo DS
NES Nintendo Entertainment System
PS3 PlayStation 3
PS2 PlayStation 2
QTE Quick Time Event
RPG role-playing game
SAD Surveillance Awareness Database
TBTS Total Body Tracking-System
UX User Experience
VCS Video Computer System
VR Virtual Reality
103