Zielgruppe Singles - BRAIN Gesellschaft für Marketing und Media
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Zielgruppe Singles - BRAIN Gesellschaft für Marketing und Media
forschung & praxis zielgruppe singles Der Trend zum Alleinleben hält an. Marketer und Planer können sich die Hände reiben, denn Singles sind eine konsumfreudige Zielgruppe. Bei der Single-Kommunikation ist allerdings Fingerspitzengefühl gefragt. Viel unterwegs: Singles kommunizieren gern und viel. Davon profitieren nicht nur die Telekommunikationsunternehmen, sondern auch Reiseveranstalter und die Gastronomie-Branche. Fotos: Christine Schneider Singles gesucht 76 media & marketing 10/2000 www.flirtmaschine.de“. Doch die Berliner vertrauen neben derart anschaulichen Maßnahmen auch auf klassische Werbung (Budget: niedriger einstelliger Millionenbetrag, Agentur: Jung von Matt, Hamburg). Singles am besten im Netz fangen Kontaktangeboten im Netz werben. Menacher ist überzeugt: „Wenn man Singles wirklich erreichen will, muss man mehrere Sites belegen.“ Bei der MediaGruppe München, Vermarkter der Formate von ProSieben und Sat.1, setzt man dagegen in erster Linie auf TV-Umfelder, um die wichtigen Singles zu erreichen. MGM-Sprecherin Katja Pichler sieht aber daneben auch noch andere Werbeformen, die gerade für Singles besonders geeignet sind: „Da wir wissen, dass Singles ziemlich mobil sind, bietet etwa unsere Out- Flirtmaschine-Vermarkter Franz Menacher von der Agentur Ad Pepper hält gerade Online-Medien für besonders geeignet, um Singles zu erreichen, weil sie in anderen Medien schwieriger auszumachen seien. „Im Netz lohnen sich auch höhere TKPs“, glaubt Menacher und unterstreicht den geringen Streuverlust von OnMit Kleinanzeigen zur line-Medien: „Die Flirt-Shows im Zielgruppe Singles: TV sehen auch viele Familien.“ Ad Nescafé warb in einer Pepper bietet die so genannte Flirt-Kombi an. Damit können Single-Beilage von Fit for Fun für Café au lait. Unternehmen auf bis zu zwölf Die Autos der Singles media & marketing © D er junge Mann mit dem leicht traurigen Blick packt seinen Laptop aus, während hinter ihm die Möbelpacker noch Umzugskisten in seine neue Wohnung schleppen. Er ist neu in der großen Stadt. Allein. Doch der Mann hat eine zündende Idee: Er geht online und gibt als Kennwort „Hamburg“ ein. Wie die Geschichte weitergeht, erfahren wir nicht, aber der TV-Spot des Internet-Anbieters AOL impliziert, dass allein Lebende übers Netz leicht Gleichgesinnte treffen. Eine willkommene Zielgruppe auch für Marketer. Doch die werbliche Ansprache der Singles erfordert viel Fingerspitzengefühl. Die Münchner Diplompsychologin und Psychotherapeutin Karin Beck gibt zu bedenken, dass Singles zwar durchaus als spontane, vielseitige Personen mit aktivem Lebensstil umworben werden können, aber: „Die meisten wollen auch respektiert wissen, dass ihre Lebensform sehr anstrengend ist, sie wollen umsorgt und verwöhnt werden.“ Unpassend sei deshalb, so Beck, eine automatische Gleichsetzung von Freizeit„Singles haben nun mal kein stereotypes Hamburg, eine Befragung von Singles orientierung und Lebenslust. Beck: „Gefragt Mediennutzungsverhalten.“ Auch eine durchführen, um Aufschluss über die Zielsind hier sensible Marketingmaßnahmen, Cluster-Bildung in junge und alte Singles ergruppe für ihr Internet-Angebot flirtmaetwa von Klub- und Bildungsreisen, also in scheint dem Brain-Chef noch nicht ausreischine.de zu bekommen. Ergebnis: Singles Bereichen, die mit Kontaktmögchend: „Erhalten wir im Briesind eben doch auf der Suche nach einem lichkeiten zu tun haben.“ Gerade „Online-Medien fing eine solch Partner. Sylvia Stanulla, ProSingles unter 35 führten meist breite Zielgrupduktmanagerin von flirtmasind ideal bei der ein nach außen gerichtetes Lepenvorgabe, beschine.de, setzt denn auch auf ben: „Hier sind modische Klei- Single-Ansprache.“ steht unsere erste publikumswirksame Aktioder, Kosmetikprodukte oder Aufgabe darin, die nen, um auf die Erfolge des Sportartikel eher von Interesse.“ Zielgruppe gemeinsam mit Online-Kupplers aufmerksam Markus Werner, geschäftsführender dem Kunden anhand weiterer zu machen. So warb FlirtmaGesellschafter der Münchner Media-MarkeKriterien zu spezifizieren.“ schine mit Prominenten wie ting-Unternehmensberatung Brain, hinterGerade jüngere SinRudolf Mooshammer oder fragt das Single-Klischee jung, aktiv, opengles gelten größtenteils als akAndreas Elsholz und organiminded, selbstbestimmt: „Die 80-jährige altive und zahlungskräftige sierte in einer großangelegten lein stehende Dame ist eben auch Single.“ Menschen. Im Netz haben PR-Veranstaltung Paare, die in Hier bestünden, so Werner, zum Teil natürviele Anbieter den Braten jeden Fußgängerzonen großer lich sehr ähnliche, aber eben auch völlig andenfalls schon gerochen. Die Städte öffentlich knutschten. Sylvia Stanulla (Flirtmadere Bedürfnisse. Er betont, dass „Single“ per Berliner PopNet-Gruppe ließ Alle trugen T-Shirts mit der schine): online kuppeln. se keine tragfähige Media-Zielgruppe sei: von der Agentur Ears & Eyes, Aufschrift „Kennen gelernt bei of-Home-Plattform e:max den Werbetreibenden die Möglichkeit, junge Singles in ihrer Freizeit anzusprechen. Per PoS-Medium in Fitness-Studios, Diskotheken, Kinos oder Fast-FoodKetten.“ Besonders leichtes Spiel in der Single-Ansprache haben Hersteller von Convenience-Produkten. Das bestätigt Birgit Kraiss, Leiterin Marken- und Produkt-PR beim Nahrungsmittelhersteller Dr. Oetker in Bielefeld: „Wir befriedigen mit unseren Produkten genau die Bedürfnisse von allein Lebenden.“ Dennoch fährt Dr. Oetker keine speziellen Kampagnen für Singles – laut Kraiss ist die Kommunikation immer sortimentsbezogen. So fokussiere man derzeit die Pizza-Produkte und rechne damit, auch verstärkt Singles anzusprechen: „Die Pizza ist unser convenientestes Produkt“, wagt Kraiss einen ungewöhnlichen Superlativ. Oft jedoch scheuen sich Hersteller von Convenience- und Lifestyle-Produkten, ihre Marken als Single-affin zu positionieren. Lieber spricht man da schon von einer jungen, lebensfreudigen Klientel. So auch der Kaffee-Anbieter Nescafé, dessen Café au laitAnzeigen in eindeutig Single-affiner Umgebung stehen – etwa in der Kontaktbörse der Zeitschrift Prinz oder in dem Fit for Fun-Beileger Fit for Flirt. Dabei kalkuliert das Unternehmen aber eher mit einem Nebeneffekt des 1. VW insgesamt 2. Opel insgesamt 3. VW Golf 4. Ford insgesamt 5. Opel Kadett/Astra 6. BMW insgesamt 7. Mercedes insgesamt 8. Ford Fiesta 9. BMW 3er 10. VW Polo 8,9 (12,7) 6,3 (10,6) 5,2 (6,4) 4,3 (6,7) 3,1 (4,5) 2,5 (3,8) 1,9 (4,1) 1,8 (1,9) 1,6 (2,1) 1,6 (1,6) Angaben in Prozent; Ergebnisse für Gesamtbevölkerung in Klammern; Lese-Beispiel: 8,9 % der Singles haben einen VW. Quelle: MediaGruppe München/VA 4/99. media & marketing 10/2000 77 forschung & praxis zielgruppe singles Werbeumfelds, wie Charlotte Cirkel-Egner, Marketingmanagerin für Nescafé, erklärt: „Das Geschmacksprofil von Nescafé Café au lait spricht in erster Linie jüngere, aufgeschlossene und urbane Konsumenten an.“ Eben dieses junge, aufgeschlossene Publikum versprechen die Marketer der Verlagsgruppe Milchstraße ihren Kunden. Wie aus der Anzeigenabteilung von Fit for Fun zu erfahren war, will man vor allem Anbieter von Internet-Da- tings, Food, Sporternährung und Sportgeräten als Werbekunden akquirieren. Mit derartigen Argumenten haben Werbeplattformen beim Einrichter Ikea aus Hofheim-Wallau wenig Chancen. Das Unternehmen berücksichtigt nämlich die Singles nicht mit speziellen Kampagnen oder Aktionen, obwohl sie laut Sprecherin Karola Sauter für ihr Unternehmen eine sehr wichtige Klientel sind. „First Home“ umschreibt Ikea die Angebote für diese Zielgruppe bei Agenturen und Mediaplanern. Das TUI-Segment Robinson hingegen hat gute Erfahrungen mit der konkreten Single-Ansprache gemacht. Im Rahmen einer Kooperation mit Fit for Fun können Single-Leser in Club-Urlaub fahren und dort Gleichgesinnte treffen. Robinson-Sprecherin Tamara Sommer: „Wir haben schon im Single-Leser bei Tageszeitungen „Singles sind aus ökonomischer Sicht gute Konsumenten.“ Herr Professor Hradil, worauf führen Sie den Trend zum Alleinleben zurück? sonders relevant, wenn man das mal durchrechnet. Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere weibliche Singles in vielen Netzwerken, etwa in Selbsthilfegruppen, leicht überrepräsentiert sind. Hier finden Singles nämlich die sinnvollen Aufgaben, die sie brauchen – ein Beweis, dass es mit der entsolidarisierenden Kraft von Singles nicht viel auf sich hat. Allerdings sind Singles selten politische Menschen. Zielgruppe Singles auch bewusst, allerdings denken zu viele noch aus ihren Interessen heraus und implizieren zu wenig die Bedürfnisse der Singles. Es gibt ein ausgesprochenes Defizit an Vernetzungen, wo Alltagskontakte oder Alltagskommunikation mit den zu verkaufenden Gütern wie Versicherungen, Reisen angeboten werden, also Pool-Angebote, die sich sensibel auf die Lebenswelt von Singles verstehen. ? Gibt es Produktbereiche, die besonders Single-affin sind? Stefan Hradil: Man kann drei Arten von Ursachen unterscheiden. Erstens werden Umstände, die früher Leute daran gehindert haben, allein zu leben, immer weniger wirksam, etwa zu wenige Wohnungen, moralische Vorurteile bei allein lebenden Frauen. Im zweiten Ursachenpaket werden Push-Faktoren immer häufiger: Scheidungen, berufliche Mobilitätszwänge. Die Wie ist das Kondritte Art von Grün„Singles werden die sumverhalten den würde ich als Ersten sein, die sich von Singles? Pull-Faktoren beHradil: Singles zeichnen: Dazu auf UMTS stürzen.“ sind aus ökonomigehört etwa die scher Sicht gute Konsumenten, längere Bildungskarriere oder nicht nur deshalb, weil sie einder Wertewandel weg vom reifach bestimmte Dinge braunen Besitzen-Wollen hin zur chen – etwa kleinere PackunSelbstverwirklichung. gen, Dienstleistungen für verWelche Effekte haben die Sinschiedene Zwecke wie Putzen, gles auf gesellschaftliche InstiOrganisieren. Es gibt aber auch tutionen wie etwa Verbände oder jene Seite des Konsums, der der Parteien? Stilisierung des eigenen Lebens Hradil: Vorweg gesagt: Die dient. Singles sind also KonsuAuswirkungen sind in der menten relativ hochwertiger Summe nicht so katastrophal, und stilbewusster Güter. In wie sie von manchen gesehen vieler Hinsicht sind sie sogar werden. Das einzig wirkliche Trendsetter, die neue Güter Problem ist: Wer pflegt Singles von der Quelle her pushen. im Alter? Da kommt ein ganz Welche Konsequenzen ergeben deutlicher Mehrbedarf auf uns sich daraus für Marketer? zu. Viele andere Dinge, die Hradil: Es gibt mittlerweile man für Probleme hält – der viele Marketingleute, die sich Wohnungsmarkt in der Innengenau auf Singles ausrichten. stadt, der Straßenverkehr, das Viele Hersteller sind sich der Müllproblem –, sind nicht be- ? ? Hradil: Das sind in erster Linie bestimmte Arten der Nahrungsmittel, Gastronomie, Reisen oder diverse Finanzangebote. Singles sind im Schnitt eher kaufkräftige, einkommensstarke Personen. Wichtig ist auch der Bereich der Kommunikation: Alle Unternehmen, die im Mobilfunk- und ? 78 media & marketing 10/2000 Stefan Hradil: Singles haben einen hohen Informationsaufwand. Massenkommunikationsmarkt tätig sind, werden mit ihren Angeboten den Bedürfnissen dieser Zielgruppe gerecht. Gerade auch mit den neuen vernetzten Kommunikationsmitteln – UMTS lässt grüßen. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass Singles zu den Ersten zählen werden, die sich auf diese Kommunikationsmittel stürzen. Wird sich der Trend zu mehr Singles fortsetzen? ? Hradil: Da gibt es zwei gegenläufige Entwicklungen. Einerseits sehen wir das Hereinwachsen geburtenschwacher Jahrgänge in das Alter, wo die Frage des Single-Daseins überhaupt ansteht. Jeder Jahrgang, der in das Erwachsenenalter hineinwächst, ist um 40 bis 50 Prozent geringer als noch vor ein paar Jahren. Allein schon aus Altersstrukturgründen also wird die Zahl der Singles abnehmen, weil der Nachwuchs dünner wird. Die zweite Komponente betrifft aber das Verhalten: Von den Personen, die ins Erwachsenenalter nachwachsen, wird ein nach wie vor steigender Anteil allein leben. Auf diese Weise wird der Anteil der Singles an der Gesamtbevölkerung nicht mehr so dramatisch zunehmen wie bisher. Die Kurve wird also deutlich flacher. Das Gespräch führte Florian Allgayer media & marketing © Stefan Hradil (54) ist Professor für Soziologie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Vor sechs Jahren erstellte er im Auftrag des Bundeskanzleramts das Gutachten Die Single-Gesellschaft (1995 als Buch bei C.H. Beck). Drei Jahre lang war Hradil Vorsitzender der Gesellschaft für Soziologie. Er verfasste zahlreiche Bücher zu den Arbeitsgebieten Sozialstruktur, soziale Milieus und Lebensstile sowie zu Entwicklungstendenzen moderner Gesellschaften. ? Flirtmaschine.de unterstellt, dass die meisten Singles auf der Suche sind und bewirbt ihre Kontaktbörse sowohl klassisch als auch mit PR-Demos erfolgreicher Verkupplungen. letzten Jahr damit gute Erfahrungen gemacht.“ Zwei Wochen lang ist dieser Robinson-Club exklusiv für Fit for Fun-Singles reserviert. Neben redaktioneller Kommunikation wurden zu dieser Ausschreibung Flyer gedruckt und in Hamburger Fitness-Studios ausgelegt. Titel Singles Singles 20–39 J. > 40 J. Die Abendzeitung Bild Express FAZ Frankfurter Rundschau Handelsblatt Hamburger Morgenpost Süddeutsche Zeitung die tageszeitung Die Welt 6,9 6,2 6,1 6,5 7,2 9,3 11,5 7,4 15,6 5,9 15,2 12,6 14,0 10,5 8,5 5,9 16,5 8,3 9,9 11,5 Angaben in Prozent. Gesamtzahlen für Deutschland: 20–39 Jahre = 3,49 Mio., 40+ J. = 8,55 Mio.; Lese-Beispiel: 12,6 % der Bild-Leser sind Singles über 40. Quelle: B.A.C./TdWI 2000/01. Die Dinge beim Namen nennt auch der Reiseveranstalter Studiosus. Die Münchner bieten einen speziellen Single-Katalog namens Me & More. Die gute Resonanz bei den Bildungsreisenden („Mehr Frauen als Männer“, so Sprecherin Claudia Eberle) dürfte auch ein Ergebnis der letztjährigen bundesweiten Anzeigenkampagne für Me & More in den Programmen der Volkshochschulen sowie in Kundenmagazinen der großen Touristikunternehmen sein. Studiosus versteht sich auch als Dienstleister in Sachen Singles: „Wenn Reisebüros ein Mailing speziell für Singles verschicken wollen, können sie auf Adressen aus unserer Datenbank zurückgreifen.“ Dort dürften vor allem Adressen älterer Singles zu finden sein – mit ganz anderen Bedürfnisse als ihre jüngeren Zielgruppen-Kollegen. Nach Einschätzung von Psychologin Beck verschiebt sich nämlich bei allein Lebenden mit zunehmendem Alter die Interessenlage weg von coolen Lifestyle-Produkten in Richtung Altersabsicherung und soziales Engagement. Denn, so Beck: „Ältere Singles brauchen feste StruktuFlorian Allgayer ren.“