Zielgruppe Singles - BRAIN Gesellschaft für Marketing und Media

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Zielgruppe Singles - BRAIN Gesellschaft für Marketing und Media
forschung & praxis
zielgruppe singles
Der Trend zum Alleinleben hält an.
Marketer und Planer können sich die
Hände reiben, denn Singles sind
eine konsumfreudige Zielgruppe.
Bei der Single-Kommunikation
ist allerdings Fingerspitzengefühl gefragt.
Viel unterwegs: Singles kommunizieren gern und viel.
Davon profitieren nicht nur die Telekommunikationsunternehmen, sondern auch Reiseveranstalter und die Gastronomie-Branche.
Fotos: Christine Schneider
Singles gesucht
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www.flirtmaschine.de“. Doch die Berliner
vertrauen neben derart anschaulichen Maßnahmen auch auf klassische Werbung (Budget: niedriger einstelliger Millionenbetrag,
Agentur: Jung von Matt, Hamburg).
Singles am besten im Netz fangen
Kontaktangeboten im Netz werben. Menacher ist überzeugt: „Wenn man Singles wirklich erreichen will, muss man mehrere Sites
belegen.“
Bei der MediaGruppe München,
Vermarkter der Formate von ProSieben und
Sat.1, setzt man dagegen in erster Linie auf
TV-Umfelder, um die wichtigen Singles zu
erreichen. MGM-Sprecherin Katja Pichler
sieht aber daneben auch noch andere Werbeformen, die gerade für Singles besonders
geeignet sind: „Da wir wissen, dass Singles
ziemlich mobil sind, bietet etwa unsere Out-
Flirtmaschine-Vermarkter
Franz
Menacher von der Agentur Ad Pepper hält
gerade Online-Medien für besonders geeignet, um Singles zu erreichen, weil sie in anderen Medien schwieriger auszumachen
seien. „Im Netz lohnen sich auch höhere
TKPs“, glaubt Menacher und unterstreicht
den geringen Streuverlust von OnMit Kleinanzeigen zur
line-Medien: „Die Flirt-Shows im
Zielgruppe Singles:
TV sehen auch viele Familien.“ Ad
Nescafé warb in einer
Pepper bietet die so genannte
Flirt-Kombi an. Damit können Single-Beilage von Fit for
Fun für Café au lait.
Unternehmen auf bis zu zwölf
Die Autos der Singles
media & marketing ©
D
er junge Mann mit
dem leicht traurigen
Blick packt seinen
Laptop aus, während
hinter ihm die Möbelpacker
noch Umzugskisten in seine
neue Wohnung schleppen.
Er ist neu in der großen Stadt.
Allein. Doch der Mann hat
eine zündende Idee: Er geht
online und gibt als Kennwort
„Hamburg“ ein. Wie die Geschichte weitergeht, erfahren wir
nicht, aber der TV-Spot des Internet-Anbieters AOL impliziert, dass
allein Lebende übers Netz leicht
Gleichgesinnte treffen. Eine willkommene Zielgruppe auch für Marketer.
Doch die werbliche Ansprache der
Singles erfordert viel Fingerspitzengefühl.
Die Münchner Diplompsychologin und
Psychotherapeutin Karin Beck gibt zu bedenken, dass Singles zwar durchaus als spontane, vielseitige Personen mit aktivem Lebensstil umworben werden können, aber:
„Die meisten wollen auch respektiert wissen, dass ihre Lebensform sehr anstrengend
ist, sie wollen umsorgt und verwöhnt werden.“ Unpassend sei deshalb, so Beck, eine
automatische Gleichsetzung von Freizeit„Singles haben nun mal kein stereotypes
Hamburg, eine Befragung von Singles
orientierung und Lebenslust. Beck: „Gefragt
Mediennutzungsverhalten.“ Auch eine
durchführen, um Aufschluss über die Zielsind hier sensible Marketingmaßnahmen,
Cluster-Bildung in junge und alte Singles ergruppe für ihr Internet-Angebot flirtmaetwa von Klub- und Bildungsreisen, also in
scheint dem Brain-Chef noch nicht ausreischine.de zu bekommen. Ergebnis: Singles
Bereichen, die mit Kontaktmögchend: „Erhalten wir im Briesind eben doch auf der Suche nach einem
lichkeiten zu tun haben.“ Gerade „Online-Medien
fing eine solch
Partner. Sylvia Stanulla, ProSingles unter 35 führten meist
breite Zielgrupduktmanagerin von flirtmasind ideal bei der
ein nach außen gerichtetes Lepenvorgabe, beschine.de, setzt denn auch auf
ben: „Hier sind modische Klei- Single-Ansprache.“
steht unsere erste
publikumswirksame
Aktioder, Kosmetikprodukte oder
Aufgabe darin, die
nen, um auf die Erfolge des
Sportartikel eher von Interesse.“
Zielgruppe gemeinsam mit
Online-Kupplers aufmerksam
Markus Werner, geschäftsführender
dem Kunden anhand weiterer
zu machen. So warb FlirtmaGesellschafter der Münchner Media-MarkeKriterien zu spezifizieren.“
schine mit Prominenten wie
ting-Unternehmensberatung Brain, hinterGerade jüngere SinRudolf Mooshammer oder
fragt das Single-Klischee jung, aktiv, opengles gelten größtenteils als akAndreas Elsholz und organiminded, selbstbestimmt: „Die 80-jährige altive und zahlungskräftige
sierte in einer großangelegten
lein stehende Dame ist eben auch Single.“
Menschen. Im Netz haben
PR-Veranstaltung Paare, die in
Hier bestünden, so Werner, zum Teil natürviele Anbieter den Braten jeden Fußgängerzonen großer
lich sehr ähnliche, aber eben auch völlig andenfalls schon gerochen. Die
Städte öffentlich knutschten.
Sylvia Stanulla (Flirtmadere Bedürfnisse. Er betont, dass „Single“ per
Berliner PopNet-Gruppe ließ
Alle trugen T-Shirts mit der
schine): online kuppeln.
se keine tragfähige Media-Zielgruppe sei:
von der Agentur Ears & Eyes,
Aufschrift „Kennen gelernt bei
of-Home-Plattform e:max den Werbetreibenden die Möglichkeit,
junge Singles in ihrer Freizeit
anzusprechen. Per PoS-Medium
in Fitness-Studios, Diskotheken, Kinos oder Fast-FoodKetten.“
Besonders leichtes
Spiel in der Single-Ansprache
haben Hersteller von Convenience-Produkten. Das bestätigt Birgit Kraiss, Leiterin
Marken- und Produkt-PR
beim Nahrungsmittelhersteller Dr. Oetker in Bielefeld:
„Wir befriedigen mit unseren
Produkten genau die Bedürfnisse von allein Lebenden.“
Dennoch fährt Dr. Oetker keine
speziellen Kampagnen für Singles –
laut Kraiss ist die Kommunikation
immer sortimentsbezogen. So fokussiere man derzeit die Pizza-Produkte
und rechne damit, auch verstärkt Singles
anzusprechen: „Die Pizza ist unser convenientestes Produkt“, wagt Kraiss einen ungewöhnlichen Superlativ.
Oft jedoch scheuen sich Hersteller
von Convenience- und Lifestyle-Produkten,
ihre Marken als Single-affin zu positionieren.
Lieber spricht man da schon von einer jungen, lebensfreudigen Klientel. So auch der
Kaffee-Anbieter Nescafé, dessen Café au laitAnzeigen in eindeutig Single-affiner Umgebung stehen – etwa in der Kontaktbörse der
Zeitschrift Prinz oder in dem Fit for Fun-Beileger Fit for Flirt. Dabei kalkuliert das Unternehmen aber eher mit einem Nebeneffekt des
1. VW insgesamt
2. Opel insgesamt
3. VW Golf
4. Ford insgesamt
5. Opel Kadett/Astra
6. BMW insgesamt
7. Mercedes insgesamt
8. Ford Fiesta
9. BMW 3er
10. VW Polo
8,9 (12,7)
6,3 (10,6)
5,2 (6,4)
4,3 (6,7)
3,1 (4,5)
2,5 (3,8)
1,9 (4,1)
1,8 (1,9)
1,6 (2,1)
1,6 (1,6)
Angaben in Prozent; Ergebnisse für Gesamtbevölkerung in Klammern; Lese-Beispiel: 8,9 % der Singles
haben einen VW.
Quelle: MediaGruppe München/VA 4/99.
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Werbeumfelds, wie Charlotte Cirkel-Egner,
Marketingmanagerin für Nescafé, erklärt:
„Das Geschmacksprofil von Nescafé Café au
lait spricht in erster Linie jüngere, aufgeschlossene und urbane Konsumenten an.“
Eben dieses junge, aufgeschlossene Publikum
versprechen die Marketer der Verlagsgruppe
Milchstraße ihren Kunden. Wie aus der Anzeigenabteilung von Fit for Fun zu erfahren war,
will man vor allem Anbieter von Internet-Da-
tings, Food, Sporternährung und Sportgeräten
als Werbekunden akquirieren.
Mit derartigen Argumenten haben
Werbeplattformen beim Einrichter Ikea
aus Hofheim-Wallau wenig Chancen. Das
Unternehmen berücksichtigt nämlich die
Singles nicht mit speziellen Kampagnen
oder Aktionen, obwohl sie laut Sprecherin
Karola Sauter für ihr Unternehmen eine
sehr wichtige Klientel sind. „First Home“
umschreibt Ikea die Angebote für diese
Zielgruppe bei Agenturen und Mediaplanern.
Das TUI-Segment Robinson hingegen hat gute Erfahrungen mit der konkreten
Single-Ansprache gemacht. Im Rahmen einer Kooperation mit Fit for Fun können Single-Leser in Club-Urlaub fahren und dort
Gleichgesinnte treffen. Robinson-Sprecherin Tamara Sommer: „Wir haben schon im
Single-Leser bei Tageszeitungen
„Singles sind aus ökonomischer Sicht gute Konsumenten.“
Herr Professor Hradil, worauf
führen Sie den Trend zum Alleinleben zurück?
sonders relevant, wenn man
das mal durchrechnet. Untersuchungen haben gezeigt, dass
insbesondere weibliche Singles
in vielen Netzwerken, etwa in
Selbsthilfegruppen, leicht
überrepräsentiert sind. Hier
finden Singles nämlich die
sinnvollen Aufgaben, die sie
brauchen – ein Beweis, dass es
mit der entsolidarisierenden
Kraft von Singles nicht viel
auf sich hat. Allerdings sind
Singles selten politische Menschen.
Zielgruppe Singles auch bewusst, allerdings denken zu
viele noch aus ihren Interessen
heraus und implizieren zu wenig die Bedürfnisse der Singles.
Es gibt ein ausgesprochenes
Defizit an Vernetzungen, wo
Alltagskontakte oder Alltagskommunikation mit den zu
verkaufenden Gütern wie Versicherungen, Reisen angeboten
werden, also Pool-Angebote,
die sich sensibel auf die Lebenswelt von Singles verstehen.
?
Gibt es Produktbereiche, die
besonders Single-affin sind?
Stefan Hradil: Man kann
drei Arten von Ursachen unterscheiden. Erstens werden Umstände, die früher Leute daran
gehindert haben, allein zu leben, immer weniger wirksam,
etwa zu wenige Wohnungen,
moralische Vorurteile bei allein lebenden Frauen. Im zweiten Ursachenpaket werden
Push-Faktoren immer häufiger:
Scheidungen, berufliche Mobilitätszwänge. Die
Wie ist das Kondritte Art von Grün„Singles werden die
sumverhalten
den würde ich als
Ersten sein, die sich von Singles?
Pull-Faktoren beHradil: Singles
zeichnen: Dazu
auf UMTS stürzen.“
sind aus ökonomigehört etwa die
scher Sicht gute Konsumenten,
längere Bildungskarriere oder
nicht nur deshalb, weil sie einder Wertewandel weg vom reifach bestimmte Dinge braunen Besitzen-Wollen hin zur
chen – etwa kleinere PackunSelbstverwirklichung.
gen, Dienstleistungen für verWelche Effekte haben die Sinschiedene Zwecke wie Putzen,
gles auf gesellschaftliche InstiOrganisieren. Es gibt aber auch
tutionen wie etwa Verbände oder
jene Seite des Konsums, der der
Parteien?
Stilisierung des eigenen Lebens
Hradil: Vorweg gesagt: Die
dient. Singles sind also KonsuAuswirkungen sind in der
menten relativ hochwertiger
Summe nicht so katastrophal,
und stilbewusster Güter. In
wie sie von manchen gesehen
vieler Hinsicht sind sie sogar
werden. Das einzig wirkliche
Trendsetter, die neue Güter
Problem ist: Wer pflegt Singles
von der Quelle her pushen.
im Alter? Da kommt ein ganz
Welche Konsequenzen ergeben
deutlicher Mehrbedarf auf uns
sich daraus für Marketer?
zu. Viele andere Dinge, die
Hradil: Es gibt mittlerweile
man für Probleme hält – der
viele Marketingleute, die sich
Wohnungsmarkt in der Innengenau auf Singles ausrichten.
stadt, der Straßenverkehr, das
Viele Hersteller sind sich der
Müllproblem –, sind nicht be-
?
?
Hradil: Das sind in erster Linie
bestimmte Arten der Nahrungsmittel, Gastronomie, Reisen oder diverse Finanzangebote. Singles sind im Schnitt
eher kaufkräftige, einkommensstarke Personen. Wichtig
ist auch der Bereich der Kommunikation: Alle Unternehmen, die im Mobilfunk- und
?
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Stefan Hradil: Singles
haben einen hohen Informationsaufwand.
Massenkommunikationsmarkt
tätig sind, werden mit ihren
Angeboten den Bedürfnissen
dieser Zielgruppe gerecht. Gerade auch mit den neuen vernetzten Kommunikationsmitteln – UMTS lässt grüßen. Man
braucht kein Prophet zu sein,
um vorherzusagen, dass Singles
zu den Ersten zählen werden,
die sich auf diese Kommunikationsmittel stürzen.
Wird sich der Trend zu mehr Singles fortsetzen?
?
Hradil: Da gibt es zwei gegenläufige Entwicklungen. Einerseits sehen wir das Hereinwachsen geburtenschwacher
Jahrgänge in das Alter, wo die
Frage des Single-Daseins überhaupt ansteht. Jeder Jahrgang,
der in das Erwachsenenalter
hineinwächst, ist um 40 bis 50
Prozent geringer als noch vor
ein paar Jahren. Allein schon
aus Altersstrukturgründen also
wird die Zahl der Singles abnehmen, weil der Nachwuchs
dünner wird. Die zweite Komponente betrifft aber das Verhalten: Von den Personen, die
ins Erwachsenenalter nachwachsen, wird ein nach wie
vor steigender Anteil allein leben. Auf diese Weise wird der
Anteil der Singles an der Gesamtbevölkerung nicht mehr
so dramatisch zunehmen wie
bisher. Die Kurve wird also
deutlich flacher.
Das Gespräch führte
Florian Allgayer
media & marketing ©
Stefan Hradil (54) ist Professor für Soziologie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Vor sechs Jahren erstellte er im Auftrag des Bundeskanzleramts das Gutachten Die Single-Gesellschaft (1995 als Buch bei C.H. Beck). Drei Jahre lang war Hradil Vorsitzender der Gesellschaft für Soziologie. Er
verfasste zahlreiche Bücher zu den Arbeitsgebieten Sozialstruktur, soziale Milieus und Lebensstile sowie zu Entwicklungstendenzen moderner Gesellschaften.
?
Flirtmaschine.de unterstellt, dass die meisten
Singles auf der Suche
sind und bewirbt ihre
Kontaktbörse sowohl
klassisch als auch mit
PR-Demos erfolgreicher
Verkupplungen.
letzten Jahr damit gute Erfahrungen gemacht.“ Zwei Wochen lang ist dieser Robinson-Club exklusiv für Fit for Fun-Singles reserviert. Neben redaktioneller Kommunikation wurden zu dieser Ausschreibung Flyer
gedruckt und in Hamburger Fitness-Studios
ausgelegt.
Titel
Singles
Singles
20–39 J. > 40 J.
Die Abendzeitung
Bild
Express
FAZ
Frankfurter Rundschau
Handelsblatt
Hamburger Morgenpost
Süddeutsche Zeitung
die tageszeitung
Die Welt
6,9
6,2
6,1
6,5
7,2
9,3
11,5
7,4
15,6
5,9
15,2
12,6
14,0
10,5
8,5
5,9
16,5
8,3
9,9
11,5
Angaben in Prozent. Gesamtzahlen für Deutschland:
20–39 Jahre = 3,49 Mio., 40+ J. = 8,55 Mio.;
Lese-Beispiel: 12,6 % der Bild-Leser sind Singles über 40.
Quelle: B.A.C./TdWI 2000/01.
Die Dinge beim Namen nennt
auch der Reiseveranstalter Studiosus.
Die Münchner bieten einen speziellen
Single-Katalog namens Me & More. Die
gute Resonanz bei den Bildungsreisenden („Mehr Frauen als Männer“, so Sprecherin Claudia Eberle) dürfte auch ein
Ergebnis der letztjährigen bundesweiten
Anzeigenkampagne für Me & More in
den Programmen der Volkshochschulen
sowie in Kundenmagazinen der großen
Touristikunternehmen sein. Studiosus
versteht sich auch als Dienstleister in Sachen Singles: „Wenn Reisebüros ein
Mailing speziell für Singles verschicken wollen, können sie auf Adressen aus unserer Datenbank zurückgreifen.“
Dort dürften vor allem Adressen älterer Singles zu finden sein – mit ganz anderen Bedürfnisse als ihre jüngeren Zielgruppen-Kollegen. Nach Einschätzung von
Psychologin Beck verschiebt sich nämlich
bei allein Lebenden mit zunehmendem Alter die Interessenlage weg von coolen Lifestyle-Produkten in Richtung Altersabsicherung und soziales Engagement. Denn, so
Beck: „Ältere Singles brauchen feste StruktuFlorian Allgayer
ren.“

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