Sonnengrußunterm Baldachin

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Sonnengrußunterm Baldachin
yogawelt g locations
ltstadt Marrakesch,
Nähe Ben-YoussefMoschee. Hier wird
noch mit bloßen
Händen geschmiedet, gehämmert,
geschneider t,
gefärbt, gestickt und geknüpft. Der
Gang durch
die handwerklichen Stände der Medina
erdet so manchen Betrachter. PCs, iPads
und Smartphones sind nur ein Wimpernschlag der Geschichte, so mag er ahnen.
Das Handwerk dagegen fußt auf Jahrtausenden von Erfahrung. Welche zeitlosen
Schönheiten es hervorbringen kann, zeigt
die landestypische Architektur. Aufwendig
gestaltete Herrenhäuser mit Innenhof, so
genannte Riads, entführen den Besucher
in eine Welt der raffiniertesten Ornamentik. Holz, Stuck, Messing und Silber haben
hier ihren großen Auftritt.
Marrakesch ist nicht nur Bewahrer der
Tradition, sondern auch Mekka der Aussteiger – hier trifft man sie, die Expats,
die Haus und Karriere verließen, um in
der Fremde etwas Neues aufzuziehen.
Unter der Sonne Marrakeschs mag es
gedeihen, das neue Projekt, das neue
Leben. So manch einer fand hier sein
Glück. Interessant sind die Geschichten
aus Tausendundeiner Nacht allemal, etwa
diese: Einst lebte eine junge Frau in London
und machte Karriere als Brand-Managerin.
Emma hieß sie. Gemeinsam mit ihrem
Mann entdeckte sie in der Medina Marrakeschs ein großes Riad, das ehemals
einer Dynastie von Wahrsagern gehörte,
baute es zum Gästehaus mit Spa aus und
nannte es Zamzam. Von hier aus startet sie, gemeinsam mit Schwester und
Urshi-Reiki-Meisterin Rebecca, Morocco
Retreats – Yogareisen, die den Besucher
energetisch aufgetankt in die Schönheit
der Landschaften entführen. Im Juni geht
es an die Atlantikküste. Lehrerin Daisy
Booth unterrichtet Hatha, Vinyasa Flow,
Scaraveli und Anusara für Einsteiger bis
Profis.
Yoga trifft Kunst
Z
urück in die Medina. Berühmt und
berüchtigt für ihre labyrinthartigen
Verzweigungen, helfen Straßennamen
nur selten, vielmehr muss man sich gedanklich eigene Landmarken setzen. Am
Taschenladen vorbei, links, geradeaus,
dann kurz vor dem Stadttor Bab El Kssour
wieder links … Endlich führt die kleine
Gasse zum Boutiquehotel Riad El Fenn.
Geschafft!
E
in Schritt über die Schwelle der Tür im
Tor, und der Trubel der Altstadt verebbt.
Der schwarz-weiß geflieste Korridor mit
den roten Wänden führt zum großen OpArt-Gemälde der Künstlerin Bridget Riley.
Fast ist es, als würde man eine Galerie
betreten. Tatsächlich gibt die Kunst im
„El Fenn“ (Arabisch „Kunst“) den Ton an.
Zu sehen sind sowohl Werke etablierter
als auch neuer europäischer und afrikanischer Künstler. „Die alte Kunst umarmt
das Jetzt“, erklärt Besitzerin Branson, die
ihr Riad von traditionellen Handwerkern
nach historischem Vorbild gestalten ließ.
Yoga trifft Kunst? Warum nicht, der Fokus
aber liegt hier auf Letzterem. Das eigenwillige Riad bittet Gastlehrer in die Suite
oder auf die malerische Dachterasse mit
Blick auf die Koutubia-Moschee. Leider
nur für Hotelgäste.
Es gibt wohl kaum eine andere Stadt auf
der Welt, die spirituell so anregend ist wie
Marrakesch. Wenn die Sonne hinter den
safranroten Gemäuern versinkt und der
Muezzin zum Abendgebet ruft, ist fast jeder
berührt – religiös oder nicht. Marrakesch ist
eine magische Stadt, so heißt es. Magisch,
weil sie uns verzaubert, in den Bann zieht,
den Puls des Lebens spüren lässt. Marrakesch ist aber auch eine fordernde Stadt.
Sonnengruß unterm
Baldachin
TEXT n NADIA SAADI
Yoga in Marrakesch? Das ist kein
Widerspruch, sondern passt wie
Safran ins Couscous. Das Kaleidoskop
aus farbenfrohen Eindrücken regt
Sinn und Sinnlichkeit an. Zeit für eine
Stadttour mit erbaulichen Auszeiten auf
der Matte …
yoga aktuell
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Die Menschen sind hier lauter, die Farben leuchtender, die Gerüche intensiver.
Auszeiten, um das Erlebte zu verarbeiten,
tun Geist und Seele gut.
Sesam-öffne-mich
Z
eit, sich zu sammeln und zur Ruhe zu
kommen. Ab in die Wellnessoase. Der
Hammam ist seit Jahrhunderten der Ort
der Reinigung und Entspannung. Ob arm
oder reich – fast jeder „Marrakchi“ pilgert in
das Dampfbad seiner Möglichkeiten, lässt
sich mit der „schwarzen Seife“ schrubben
oder mit Arganöl massieren. Die Sesamöffne-dich-Version eines Hammams ist
der Spa im La Mamounia. Mosaike und
Fontänen entführen in Tausendundeine
Nacht. Laternen zaubern Lichtmuster auf
die warmen Kacheln. Es duftet nach Rosen und Pflegeölen. Was in Marrakesch
gilt, stimmt hier erst recht: Der Kunde ist
König! Alles rennt, springt oder improvisiert, um ihn glücklich zu machen, und
das nicht nur in der Hoffnung auf ein
wenig Trinkgeld. Damit sich Körper und
Seele die Extraportion Luxus auch verdient haben, kann der Gast unabhängig
von einer Zimmerreservierung seine ganz
private Yogastunde buchen. Yogastunde
oder nicht – Marrakesch zu besuchen,
ohne das historische La Mamounia mit
seinen königlichen Gärten gesehen zu
haben, wäre eine Sünde …
„Eat, Pray, Move“ – „Essen, Beten,
Bewegen“ heißt die Veranstaltung in den
Peacock Pavilions, etwas außerhalb der
Stadt. Wer neben Yoga auch gutes Design
liebt, wird sich hier doppelt wohlfühlen. Besitzerin Maryam Montague bewies
Geschmack bei der pop-orientalischen
Einrichtung ihres Boutiquehotels. Das
aufregende Ergebnis wurde vielfach in
internationalen Wohnmagazinen abgelichtet. Unterm Baldachin, umgeben von
Olivenhainen, heißt es ab Mitte September
auch hier „Ab auf die Matte!“. Trainerin Erin
Lewis, Schwerpunkt Ashtanga, geht es vor
allem darum, jeden Schüler individuell zu
fördern und das Körpergefühl zu stärken.
Wer mag, bucht für Ende September gleich
das volle (touristenkompatible) Programm,
inklusive Kochkurs, Wein-Tasting, HennaParty, Spa-Treatment – und natürlich der
täglichen Yogastunden.
Die Wüste turnt
„E
inen Schuss Wüste braucht der
Mensch – um des Glücks der Oase
willen“, schrieb der deutsche Lyriker Martin Kessel. Ein Schuss Wüste mag auch
dem Yogi guttun. Und so schicken eine
ganze Reihe von Anbietern ihre Teilnehmer in die Sanddünen. Einer von ihnen
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ist Perumal Koshy, der gemeinsam mit
Ines Stephan Yoga-Retreats organisiert.
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m November geht es wieder nach Erg
Chigaga. Praktiziert wird auf dem warmen Sand, nur ein schmucker Teppich,
der Kilim, trennt den Yogi von Mutter
Erde. Neben den Individualreisen gibt
es in Marrakesch „Yoga with Perumal“Gruppenstunden schon ab 150 Dirham,
rund 14 Euro die Stunde. Pluspunkt: Die
wirklich informative Homepage zeigt im
Vorfeld in kleinen Videoclips, was den
Gast erwartet.
Wer von einer Rundreise durch Marokko
träumt, aber auf die tägliche Yogapraxis
nicht verzichten möchte, kann sich an Sahara Yoga wenden. Die 5- bis 16-tägigen
Touren des deutschsprachigen Anbieters
führen von Marrakesch aus ins Gebirge,
in die Wüste und zurück in die Königsstadt. Jeden Morgen und zum Sonnenuntergang bitten Gastlehrer ihre Schüler auf
die Matte, der Fokus aber liegt auf dem
Reiseerlebnis. Fernab von Touripfaden
schickt Geschäfsführer M‘barek Oussidi
seine Gäste auf neue Wege. „Mir geht es
darum, mein Land in seiner Schönheit und
Vielfalt zu zeigen“, erklärt der gebürtige
Marokkaner aus Merzouga am Rande
der Sahara, der mittlerweile
in Kiel eine zweite Heimat
fand. Im doppelten Sinne erhebend: das Kamel-Trecking
durch die Sandfelder.
Geläutert im
Harem
W
omen only – nur
für Frauen, heißt es
im Harem. Sandra Zwollo
gründete etwas außerhalb
Marrakeschs ein Spa. „80
Prozent des Gewinns gehen
an ein Waisenhaus“, erläutert
sie. Tägliche Meditation und
Yoga stehen auf dem Programm. Handgepäck reicht
hier völlig aus, und auch das
schicke Sportdress darf zu
Hause bleiben, denn das
Harem stellt seinen Besucherinnen Babouches und
Kaftan zur Verfügung. Simplify your retreat – mach’s dir
doch einfacher, so ließe sich
das Konzept zusammenfassen. Ballast abwerfen, zur
Ruhe kommen, die Verbindung zur Außenwelt kappen – das dürfte auf dem
zehn Hektar großen Park
wunderbar klappen. Umgeben von Natur und
Skulpturen, kann sich
der Horizont doppelt
weiten. „Ich liebe
Marrakesch“, erklärt
Zwollo. „Die Leute
hier sind glücklich,
wenn sie dich glücklich
machen können.“ n
Yoga with
Perumal
Ort: Jnane Tamsna, Landvilla in
der Palmeraie, Retreats in der
Wüste
Schwerpunkt: Eigenes
6-Phasen-Prinzip
Preis: Yogastunde 14 Euro,
Retreats je nach Package
www.yogawithperumal.tv
Infos
Nadia Saadi studierte in ihrem „ersten Leben“ Anglistik und Philosophie. Erst nach dem zweiten Studium am Journalistischen Seminar in Mainz fand sie ihre wahre Berufung: Schreiben! Saadi pendelt
zwischen Frankfurt und Marrakesch. Ihre Themen? Gesellschaftliche
Entwicklungen und Lifestyle im weitesten Sinne.
Türöffner: Multi-Ethno-Background, gepaart mit einem Talent für
Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch) und einer Intuition für gute Storys.
Internet: www.nadiasaadi.com
yoga aktuell
yogawelt g locations
La Mamounia
Ort: La Mamounia Spa, Stadtteil: Medina, Grenze zu Gueliz /
Hivernage
Schwerpunkt: Ashtanga,
Vinyasa, Power Yoga, Flow Yoga
– je nach Anfrage / Trainer
Preis: ca. 63 Euro / 60 Minuten
www.mamounia.com
Yoga in Stadt,
Gebirge & Wüste
Riad El Fenn
Ort: Riad El Fenn, Medina Bab
El Kssour, nur für Hotelgäste
Sahara Yoga
Schwerpunkt: Vinyasa
Ort: Rundreise durch Marrakesch,
Wüste und Gebirge
Preis: 70 Euro / 90 Minuten
www.riadelfenn.com
Schwerpunkt: Hatha und je nach
Gastlehrer unterschiedliche Stile
Preis: z.B. 890 Euro / 8 Tage inkl.
Halbpension, ohne Flug
Fotos: © Joanna Vestey
www.sahara-yoga.com
Morocco Retreats
Ort: Zamzam, Medina Marrakesch; Retreats am Meer und
in der Wüste
Schwerpunkt: Atha, Vinyasa
Flow, Scaraveli und Anusara
Eat.Pray.Move
Preis: 60 Euro / 60 Minuten,
Retreats: je nach Package, z.B.
1.900 Euro / 6 Tage
Ort: Peacock Pavilions, etwas
außerhalb Marrakeschs
Schwerpunkt: Ashtanga
www.moroccoretreats.com
Harem
Ort: Harem, etwas außerhalb
Marrakeschs
Schwerpunkt: Hatha-Yoga,
Nei Gong
Preis: je nach Package, z.B.
1910 Euro / 7 Tage
www.eatpraymove.com/
event/marrakesh-morocco2013-september#yoga
Preis: ab 420 Euro / Nacht, alles
inklusive (außer Flugkosten)
www.harem-escape.com
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