Mirandés - bsp
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Mirandés - bsp
Romanistisches Institut Hauptseminar: Sprachkontakte in der Romania Dozentin: Dr. phil. habil. Barbara Schäfer-Prieß Referentin: Jutta Lamers Datum: 12. Juli 2010 Mirandés Eine Regionalsprache im Grenzgebiet von Spanien und Portugal 1. Historischer Überblick - Auf der iberischen Halbinsel gibt es fünf romanische Varietäten, die aus dem Vulgärlatein endstanden sind: Kastilisch, Katalanisch, Aragonesisch, Astur-Leonesisch und Galicisch-Portugiesisch. - Die astur-leonesische Varietäten werden im Nordosten der iberischen Halbinsel gesprochen, vor allem in den spanischen Regionen Asturien, León, Zamora und Salamanca, aber auch in Portugal in der sogenannten (mir.) Tiêrra de Miranda, dieses Gebiert wiederrum gehört zur portugiesischen Provinz Trás-os-Montes. - Mirandés wird im äußersten Nordosten Portugals, an der Grenze zu Spanien, gesprochen. Das ca. 500km2 große Sprachgebiet umfasst die umliegenden Gemeinden der Stadt Miranda do Douro und einige andere Dörfer wie Sendim und Vimiosa. - Die Sprache Mirandés ist kein Dialekt des Portugiesischen, sondern gehört zu den Asturisch-Leonesischen Sprachen. So ist auch die Tiêrra de Miranda historisch gesehen leonesisches Gebiet. - Mirandés wurde traditionellerweise mündlich überliefert. Entweder wurde die Sprache von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben, oder durch Gedichte, Märchen, Fabeln, Anekdoten, Theaterstücke, traditionelle Lieder und Sprichworte überliefert. Die schriftliche Form der Volkssprache trat somit in den Hintergrund. - Der Portugiesische José Leite de Vasconcellos begann 1882 als Erster die mirandesische Sprache zu untersuchen und zu verschriftlichen. - 1884 erschien das erste Werk in der mirandesischen Sprache mit dem Titel Flores Mirandesas von Vasconcellos. Er veröffentlichte eigene Gedichte, aber auch einige des portugiesischen Lyrikers Camões. - Es gibt bis heute drei Varietäten des Mirandesischen, die bereits von Vasconcellos unterschieden wurden: Grenz-Mirandés (ptg. o mirandês do norte ou raiano) wird in einigen Dörfern direkte an der Grenze zu Spanien gesprochen. Sendinés-Mirandés (ptg. o mirandês do sul ou sendinês) wird in dem Ort Sendim und Umgebung verwendet. 1 Während Haupt-Mirandés (ptg. o mirandês central) in den übrigen Ortschaften gesprochen wird. Die Unterschiede der drei Varietäten sind allerdings nicht signifikant. 2. - - Heutige Sprachsituation des Mirandés 2.1 Offizielle Anerkennung Die (mir.) Lhéngua Mirandesa ist neben dem Portugiesischen eine regionale Amtssprache im Gebiet um Miranda do Douro. Das Parlament hat das Gesetz zur Anerkennung der Sprache im Januar 1999 verabschiedet. - Im gleichen Jahr (August 1999) wurde eine Konvention zur einheitlichen Orthographie der Mirandesischen Sprache verabschiedet. - Mirandés wird seither an den Schulen der Region als Wahlfach unterrichtet und die Universitäten von Lissabon und Coimbra beschäftigen sich mit der linguistischen Forschung der Sprache. 2.2 Sprecherzahl Die Sprecherzahl des Mirandés ist rückläufig und wurde im Jahr 2006 auf 4000 bzw. maximal 5000 geschätzt. Im Vergleich dazu gab es 1960 noch rund 15000 Sprecher und 1970 ca. 7000. - Mirandés wird vor allem von Erwachsenen (im Alter von 18 - 83 Jahren) in ihrem privaten Umfeld (Familie und Freunde) gebraucht, während sie in beruflichen Situationen Portugiesisch wählen. - Jugendliche (im Alter von 10 - 17 Jahren) sprechen hauptsächlich Portugiesisch, egal ob es sich um einen informellen oder formellen Sprachkontakt handelt. - 2.3 Medienpräsenz Der Radiosender Rádio Universitária do Minho (Rum) begann im Jahr 1994 damit zweimal wöchentlich einen Beitrag auf Mirandesisch zu senden. - Einige lokale Zeitungen haben eine Sektion auf Mirandés, so zum Beispiel das Diáro de Trás-os-Montes. - Die Orts- und Straßenschilder in Miranda do Douro wurden 2006 ins Mirandesische übersetzt und sind seitdem zweisprachig: Mirandés und Portugiesisch. - Nationale Aufmerksamkeit erhielt die Sprache, als der erste Band der Asterix Hefte 2005 von Amadeu Ferreira ins Mirandesische übersetzt und in ganz Portugal verkauft wurde. Mittlerweile ist schon ein zweiter Band übersetzt worden. 2 3. - - - - - Sprachliche Charakteristika (Merlan, 1999, S. 112- 185) 3.1 Phonetik 3.1.1 Vokale Mirandés besteht aus sieben Vokalphonemen, denn es wird zwischen offenemgeschlossenem e und o unterschieden. Zum Vergleich: Spanisch und Astur-Leonesisch haben jeweils 5 Vokalphoneme, Galicisch 7 wie das Mirandesisch und Portugiesische hat sogar 8 Vokalphoneme. Unbetonten Vokale am Wortanfang sind im Mirandesischen auf drei reduziert /a i o/. Wobei ein anlautendes i- nur selten zu finden ist (mir. Ibéria, Israiel, imbiêrno) und zumeist diphthongiert wird zu [ej]. Ein anlautendes o- wird ebenfalls oft zu [ow] diphthongiert. Außer es folgt rd, rf, rg, rm oder lm. Diese Phänomene gibt es weder im Spanischen, noch im Portugiesischen oder Galicischen. Mirandesisch Spanisch Portugiesisch Galicisch stória historia historia historia eigreija iglesia igreja eigrexa eidade edad idade idade oucasion ocasión ocasião ocasion oureilha oreja orelha orella ourtiga ortiga urtiga urtiga Im Wortinneren lassen sich beim Mirandés fünf unbetonte Vokale /i, e, a, o, u/ mit drei Öffnungsgraden finden, ähnlich wie mit dem Spanischen und Galicischen. Am Wortende finden sich drei unbetonte Vokale finden /e, a, u/ (vergleichbar mit Portugiesisch). Die nasalen Vokale im Mirandés sind höchst wahrscheinlich durch den Sprachkontakt mit dem Portugiesischen entstanden. 3.1.2 Konsonanten Palatalisierung des anlautenden l- (passiert weder im Portugiesischen, noch im Spanischen): LUNAM > lhuna (pg. lua, sp. luna), LANA > lhana (pg. lã, sp. lana) - Palatalisierung von den doppelten Konsonanten -ll- / -nn- im Mirandesischen, im Portugiesischen existiert dieses Phänomen nicht: CABALLUS > cabalho (pg. cavalo, sp. caballo) , ANNUS > anho (pg. ano, sp. año), DAMNUM > danho (pg. dano, sp. daño). - Konservierung des lateinischen anlautenden f- in Mirandés und Portugiesisch: FORNAX > forno (pg. forno, sp. horno), FERRUM > fiêrro (pg. ferro, sp. hierro). - Die lateinischen Konsonantengruppen cl-, fl-, pl- am Wortanfang werden im Mirandesischen und Portugiesischen als stumme palatale Affrikate /t∫/ realisiert: CLAMĀRE > mir. chamar, PLĬCĀRE> mir. chegar), während sie im Spanischen palatalisiert wurden (sp. llamar, llegar). 3 3.2 Morphologie Die Morphologie des Mirandesischen weist sowohl zum Portugiesischen als auch zum Spanischen viele Parallelen auf, zum Beispiel der bestimmte Artikel l und la (pg. o, la), Personal- (mir. you, ptg. eu) und Possessivpronomen (mir. miu, mie, ptg. meu, minha), Verbkonjugationen. 3.2.1 Verbkonjugationen Es gibt im Mirandesischen drei Verbkonjugationen: -ar (falar), -er (comer), -ir (partir), die normalerweise der 1., 2. und 4. Konjugation des Lateinischen entsprechen. 1 2 3 you tu el, eilha Plural Singula r 3.2.2 Personalpronomen Die mirandesischen Personalpronomen der 1. und 2. Person Plural sind unverändert aus dem Lateinischen übernommen worden (NOS, VOS): 1 2 3 nós (nosoutros/ -as) bós (bosoutros/ -as) eilhes, eilhas 3.2.3 Genus Einige Substantive, die auf dasselbe lateinische Etymon zurückgehen, haben erstaunlicherweise nicht immer dasselbe Genus in Mirandesisch, Spanisch oder Portugiesisch. Das lateinische Neutrum wird im Mirandesischen und Portugiesischen maskulin und im Spanischen feminin. Latein *LACTEM MĔLEM FĔLEM Mirandesisch l lheite l miel l fiel Spanisch la leche la miel la hiel Portugiesisch o leite o mel o fel Das lateinische Maskulinum bleibt meistens maskulin im Mirandesischen, wird aber manchmal auch feminin. Latein CALŌREM DOLŌREM SĀLEM Mirandesisch la calor l dolor l sal Spanisch el calor el dolor la sal Portugiesisch o calor a dor o sal Das Femininum aus dem Lateinischen bleibt, mit wenigen Ausnahmen, auch im Spanischen und Portugiesischen feminin, während dieser Genus im Mirandesischen oftmals ins maskuline übertragen wird. Latein CALX *NARICAM ARBOREM FĔBREM Mirandesisch l cal l nariç l’árbole la febre Spanisch la cal la nariz el árbol la fiebre Portugiesisch a cal o nariz o árvore a febre 4 3.2.4 Plural Die Pluralbildung von Substantiven und Adjektiven im Mirandesischen weist vor allem Parallelen zum Spanischen und zum Astur-Leonesischen auf. - Substantive mit der Endung -a > -as: mir. la lhoba - las lhobas, l cura - ls curas - Substantive bzw. Adjektive mit Endung -l > + -es: mir. animal - animales, azul - azules - Substantive bzw. Adjektive auf -n > + -es: mir. fin - fines, rúin - rúines - 3.3 Syntax Mirandés ist, wie Nullsubjektsprache. die anderen Sprachen der Iberischen Halbinsel, eine - Es wird ein bestimmter Artikel in Verbindung mit einem Besitz anzeigenden Adjektiv gebraucht: mir. Hoije son ls noussos coraçones que s’alégran de ber ls boussos. - Unbetonte Pronomen werden, wie im Portugiesischen, enklitisch angehängt: mir. Anchui-se-le l peito d’aire i de sol. - Es gibt eine doppelte Verneinung, sobald ein negierendes Wort (mir. naide, nada, ningun/nigua, nunca, nin/nien) nach dem Verb steht: mir. You nun quiero nada. 3.4 Lexik 3.4.1 Wortschatz Der Wortschatz des Mirandesischen stützt sich stark auf das Portugiesische, nur in wenigen Fällen gibt es eine Übereinstimmung mit dem Spanischen oder sogar eine eigene Lösung. An folgenden Beispielen der Verwandtschaftsbeziehungen, Körperteile, Mahlzeiten wird dies deutlich: Mirandesisch pai mai abó/ pai abó abó/ mai abó Portugiesisch pai mãe avô avó Spanisch padre madre abuelo abuela Deutsch Vater Mutter Großvater Großmutter tiesta queixada cuostas quadril testa bochecha costas quadril frente mejilla espalda cadera Stirn Wange Rücken Hüfte onte ontonte ontem anteontem ayer anteayer Gestern Vorgestern zaiuno jantar/ almuorço cena pequeno-almoço almoço jantar/ ceia desayuno almuerzo cena Frühstück Mittagessen Abendessen 5 3.4.2 Präfix Die produktivsten Präfixe im Mirandesischen sind folgende: - Das Präfix ç-/z- kehrt die eigentliche Bedeutung des Wortes um bzw. verneint diese (vgl. sp. des- pg. des-/dez-): çfazer (sp. deshacer, dt. zerstören), çcunfiança (sp. desconfianza, dt. Misstrauen), zasperar (sp. desesperar, dt. verzweifeln), zabergonha (sp. desvergüenza, dt. Unverschämtheit). - Das Präfix an-/am- zeigt eine physische, psychische oder meterologische Veränderung an: anfartar (sp. saciar, dt. stillen), anfuriar (sp. hacer rabia, dt. jmd. reizen/wütend machen), anfriar (spa. enfriar, dt. abkühlen) - Eine Verstärkende Wirkung hat das Präfix re-: rebolber (spa. revolver, st. umrühren, aufwühlen), retorcer (dt. verdrehen) 4. Resümee Abschließend kann man sagen, dass die Mirandesische Sprache eigene sprachliche Charakteristika aufweist, die sie sowohl vom Portugiesischen, als auch vom Spanischen unterscheidet. Gemeinsamkeiten sind, wie gezeigt wurde, auch vorhanden, was allerdings die Eigenständigkeit des Mirandesischen nicht beeinträchtigt und somit auch nicht von einer Mischsprache die Rede sein kann. 5. Bibliographie Angele, Martin (2005): Die Minderheitensprache Mirandesisch in Portugal. Mirandés, lhiêngua minoritária an Pertual, Norderstedt: Books on Demand GmbH. Barros Ferreira, Manuela (1999): Lição de Mirandês: “You falo como bós i bós nun falais como you” in Fernández Rei, Francisco und Santamaria Fernández, Antón (Hrsg.): Estudios de Sociolingüística Románica. Linguas e variedad minorizadas, Universidade de Santiago de Compostela, 133-153. Castro, Ivo (2006): Introdução à História do Português, Lisboa: Edições Colibri. Merlan, Aurelia (2009): El Mirandés. Situación sociolingüistíca de una lengua minoritaria en la zona fronteriza portugueso-española, Uviéu: Academia de la Llingua Asturiana. Documentário Canal de História (2008): Mirandês. A outra Lingua gefunden auf youtube www.mirandes.no.sapo.pt www.p-hh.de/index.php?page=91&id=1363 http://manuelcarvalho.8m.com/AFMIRANDES.html www.asterix-international.de/asterix/languages/mirandese.shtml Wörterbuch Mirandesisch-Portugiesisch: www.bragancanet.pt/dicmirandes 6