PDF - Palästina Israel Zeitung
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PalästinaIsraelZeitung für Völkerrecht und Menschenrechte Nr. 4 • Dezember 2013 herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Völkerrecht und Menschenrechte in Palästina und Israel e. V. SAND IN DAS UNRECHTSGETRIEBE IN DIESER AUSGABE Liebe Leserin, lieber Leser, im Sinne der Vereinten Nationen sind alle Völker gleich, gleich in ihren Rechten und Pflichten. Nur der Staat Israel und seine Bevölkerung werden leider meist anders gesehen. Deshalb dauert die gewaltbestimmte Besetzung und israelische Kolonisierung des palästinensischen Restlandes nun schon seit fast fünfzig Jahren, ohne dass es begründete Hoffnung auf Beendigung dieses Zustands gibt. In dieser Situation befasst sich diese Ausgabe mit dem Recht und den Formen von palästinensischem Widerstand, wobei die israelische Initialgewalt immer präsent ist. Die Erfahrung von massiver Ge walt ruft in jedem Fall Widerstand hervor. Schließlich gibt es auch die Widerstandspflicht für jeden, der für eine Familie, für ein Dorf, für eine Stadt, für ein größeres Ge meinwesen mitverantwortlich ist, wenn diese unter Gewaltherrschaft stehen. Aber selbst gewaltfreier Widerstand ist für das jüdische Staatswesen höchst unerwünscht und führt oft zum Tode von friedlichen Demonstranten. Werden die aktuellen „Friedensver handlungen“ – im Rahmen eines angeblichen, seit Jahren dahinsie chenden Friedensprozesses – etwas bringen? Gewiss nicht, denn eine Zwei-Staaten-Lösung ist durch Israel mit aller Macht und großem Geschick praktisch unmöglich gemacht, und eine Ein-Staat-Lö sung lehnt Israel vehement ab. Karikatur des palästinensischen Künstlers Naji el-Ali Was ist dann die Lösung? Es wird weiter geschehen, was schon lange geschieht: Stück für Stück und mit viel Geschick raubt der jüdische Staat weitere Teile vom palästi nensischen Restgebiet, vor allem in den C-Gebieten des Westjor danlandes (62 Prozent). Die Paläs tinenser werden in acht Zentren zusammengedrängt, vergleichbar den Bantustans und Townships in Südafrika. Und Gaza bleibt abge schnitten und eingeschlossen. Wer gebietet diesem Prozess Einhalt? Unrecht gedeiht lange, aber nicht ewig. Stützen wir die noch schwachen Recht-Schaffenden, die es gibt im Staat Israel, in den palästinensischen Gebieten, in Deutschland und der Welt. Schüt ten wir Sand in das Unrechtsge triebe, zwar ohne konkrete, aber mit ausdauernder Hoffnung. Ihr Peter Bingel www.palaestina-israel-zeitung.de Völkerrechtler Norman Paech im Interview Seite 3 Verweigerin des Militärdienstes Seite 4 Boykott als friedlicher Widerstand Seite 4 Impressum Seite 4 Gaza ohne Strom Seite 5 Buch und Film Seite 6 Mark Braverman über die Deutschen Seite 7 Veranstaltungen Seite 8 MELDUNGEN Schriftsteller gegen Unrecht der Besatzung Marienikone von Ian Knowles auf der Mauer um Bethlehem Foto: Martha Tonsern Ziviler Widerstand Neue Perspektiven im Kampf gegen die Besatzung? Von Christian Sterzing I sraels Netanyahu konnte es nicht schnell genug gehen. Unter Mis sachtung eines ausdrücklichen Be schlusses des Obersten Gerichtshofes ließ er nach zwei Tagen Bab al-Shams im Morgengrauen räumen, das Zelt dorf, das etwa 250 palästinensische Aktivisten aus Protest gegen die is raelische Siedlungspolitik zwischen Jerusalem und Ma’aleh Adumim im Januar 2013 errichtet hatten. Immer hin hatte es die gewaltfreie Protest bewegung in den palästinensischen Gebieten damit endlich auch in die Meldungen der internationalen Me dien geschafft. Die Überwindung der Aufmerk samkeitsschwelle ist eines der Pro bleme des zivilen Widerstandes gegen die israelische Besatzung. Es muss Tote geben, damit ein Ereignis be richtenswert erscheint. Hinzu kommt der Kampf gegen eine in vielen Me dien vorhandene selektive Wahrneh mung. Sie ist in der Region vor allem auf gewalttätigen „Aufruhr“ und Selbstmordanschläge, auf islamisti schen oder palästinensischen Terror geeicht. Palästina und gewaltfreier Widerstand? Ziviler Ungehorsam ge gen die Besatzung? Das scheint ir gendwie nicht zusammen zu passen. Aber das Zeltdorf Bab al-Shams („Sonnentor“) blieb kein Einzelfall. Mindestens fünf weitere Zeltdörfer wurden inzwischen errichtet – und meist ebenso schnell vom israeli schen Militär geräumt. Schon lange vorher hatte es Versuche gegeben, mit der symbolischen Errichtung von Häusern, Zelten oder Wohn containern gegen die Beschlagnahme palästinensischen Bodens zu protes tieren. Darüber hinaus haben in den letz ten Jahren auch die Demonstrationen gegen den Mauerbau zugenommen. Die seit Jahren in Bil’in stattfinden den Freitagsdemonstrationen sind die bekanntesten. Aber auch die pa lästinensischen Dörfer Ni’lin und Bu drus, Ma’asara, Nabi Saleh und Kufr Qaddum sind Schauplätze regelmä ßiger Demonstrationen. Märsche auf checkpoints finden statt, Hun gerstreiks in Solidarität mit streiken den palästinensischen Gefangenen, der Wiederaufbau zerstörter Häuser, Kunstaktionen an der Mauer. Bil’in Demonstration Viele Möglichkeiten der wachsenden jüdischen Einwan derung zum Generalstreik und zum Boykott der britischen Mandatsver waltung aufgerufen. Gleichzeitig hat ten sich Widerstandsgruppen gebil det, die den bewaffneten Kampf ara bischer Freischärler gegen Juden und Briten unterstützten. Auch die Erste Intifada war nicht gewaltfrei. Steine gegen Soldaten und militärische Einrichtungen gehörten zu den Mitteln des Protestes. Doch dieser Aufstand war im Kern ein Bürgeraufstand gegen die israelische Herrschaft, geprägt durch vielfäl tige Formen des gewaltfreien Wider standes: Streiks, Boykott israelischer David Grossmann brachte im Som mer dreißig israelische Schriftsteller dazu, eine Kampagne gegen „die zy nische und habsüchtige Besatzung“ zu unterschreiben. Amos Oz und Yoram Kaniuk gehören dazu. Fünf zig Autoren aus aller Welt schlossen sich an, auch die Nobelpreisträger Herta Müller, Seamus Heaney, Ma rio Vargas Llosa und Orhan Pamuk. Konkret geht es in der Kampagne um acht Dörfer des südlich von Hebron gelegenen Gebietes Masafer Yatta. Gegen diese liegt ein Räumungsbe fehl des israelischen Verteidigungs ministerium von 2012 vor. Durch dieses zu einem militärischen Trup penübungsplatz erklärte Gebiet („Fi ring Zone 918“) wird die landwirt schaftliche Tätigkeit für die Bewoh ner nahezu unmöglich.Im September ordnete das Oberste Gericht in Jeru salem ein Mediationsverfahren an, dem die Dörfer, das Verteidigungs ministerium und die Zivilverwaltung der israelischen Armee im besetzten Westjordanland zustimmten. ck Rim Banna aus Nazareth preisgekrönt Der palästinensischen Sängerin und Komponistin Rim Banna wurde am 15. November in Berlin der Ibn Rushd Preis für Freies Denken in der arabi schen Welt verliehen. In der Begrün dung heißt es, Musik sei ihr Mittel für kulturelle Selbstbehauptung, mit der sie Respekt und Würde für ihr Volk fordere. Für ihr Album zum zwei ten Jahrestag der arabischen Revo lutionen „Revelation of Ecstasy and Rebellion“ hat sie dem rebellischen Geist in der Dichtung des Orients nachgespürt und ausgewählte Lyrik vertont. Der Preis wurde für Musi ker ausgeschrieben, die kritisches und kreatives Gedankengut, das für gesellschaftlichen Wandel unabding bar ist, poetisch kondensieren und deren Liedtexte sich mit dem Streben nach Freiheit, Bürgerrechten und De mokratie befassen. Ibn Rush Fund Foto Johannes Zang Waren, Steuerverweigerung, Aufbau Aktivistinnen und Aktivisten des ge alternativer Infrastrukturen in den waltfreien Widerstandes sehen sich Bereichen Bildung, Gesundheit, Ver heute in der Tradition des Arabi sorgung und Ernährung, Verweige schen Aufstandes von 1936 bis 1939 rung der Zusammenarbeit mit den und der Ersten Intifada von 1987 bis Besatzungsbehörden. 1993. In den 30er Jahren hatte das Arabische Hohe Komitee angesichts Fortsetzung Seite 2 Die Palästina-Israel-Zeitung wird ermöglicht durch Spender und Vereinsmitglieder. Bestellung: [email protected] Leserbriefe: [email protected] Telefon: 030-364 662 69 WIDERSTAND 2 Nr. 4 / Dezember 2013 PalästinaIsraelZeitung Gewalt gegen Gewaltlosigkeit Freitag für Freitag protestieren Palästinenser und israelische Friedensaktivisten gegen die Mauer von Johannes Zang Soldaten. Diese schreiten erst ein, als üblich wie die Ausweisung auslän einige Palästinenser einen Oliven discher Friedensaktivisten. Seit 2010 il’in, besetztes Palästinensisches baum pflanzen wollen. Irgendwann erklären israelische Befehlshaber Ge Westjordanland, im Jahre 2005. wird plötzlich wieder mit Tränengas biete, in denen Demonstrationen ab Kerstin Sodergren, eine Israelin mit geschossen. Angeblich hat jemand gehalten werden, zu militärischen schwedischen Wurzeln, nennt die einen Stein in Richtung Soldaten ge Sperrgebieten. Hier darf sich nie freitägliche Demonstration ohne Um worfen. mand aufhalten. Außerdem wurde schweife ein „Versuchslabor für neue Waffen.“. Konkret: Waffen namens Schwamm und Bohnensäckchen ru fen ihrer Erfahrung nach Hautablö sungen hervor. Gelegentlich setze die israelische Armee zudem hohe Lärm frequenzen ein, um Demonstranten zu vertreiben. Gleich nach dem muslimischen Freitagsgebet zieht sie mit etwa 150 Demonstranten aus dem Dörfchen hinaus, begleitet von einem halben Dutzend Journalisten. Als wir um die Kurve am Ortsausgang biegen, sehen wir auf dem gegenüberliegenden Hü gel die israelische Armee. Plötzlich knallt es, und augenblicklich ringe Aktivistin Kerstin Sodergren bei der Demonstration in Bil’in Fotos: Johannes Zang ich um Luft. Was ist das? Tränengas! Das hatte Demonstrierende rennen zurück. der Befehl Nr. 101 von 1967 bezüg ich schon am Rahelsgrab in Beth Auch ich mache mich buchstäblich lich des Verbots der Aufwiegelung lehem kennengelernt, aber dieses aus dem Staub. Hinter einem Oli und feindseliger Propagandaaktiohier scheint aggressiver zu sein. Ich venbaum suche ich Schutz. Immer nen wiederbelebt. Er schränkt das keuche. Meine Lungen scheinen zu wieder wird in unsere Richtung ge Recht von Palästinensern, Demonst brennen. Ich gehe, tief aus- und ein schossen, auch mit Gummigeschos rationen zu organisieren oder an ih atmend, ein paar Schritte in Richtung sen. Dieser Name ist irreführend: nen teilzunehmen, stark ein. Dorf zurück. Ein japanischer Korre Nur außen ist Gummi, innen besteht Bis heute hat das 1800-See spondent wischt sich die tränenden das Geschoss aus einem Metallkern. len-Dorf Bil’in fast sechzig Prozent Augen trocken. Andere halten eine Die Demonstration endet leider, wie seines Landes verloren – aufgrund Zwiebel oder Zitrone vors Gesicht. sie begonnen hat: gewaltsam. Dazwi israelischen Siedlungsbaus und Isra Allmählich setzt sich der Pulk doch schen lagen immerhin hundert Minu els „Apartheidmauer“. Bei Protes wieder in Bewegung. ten friedlichen Protestes. ten gegen deren Verlauf auf paläs Wir erreichen die Soldaten, ohne tinensischem Boden sind bis heute weitere Tränen zu vergießen. Zwei Immer dasselbe in Bil’in, Nil’in, Nabi Saleh und an Stunden lang demonstriert die Menge, Seit diesen Ereignissen sind acht deren Orten fünfzehn Palästinen ruft Parolen, verliest eine Erklärung, Jahre vergangen. Nun sind Verhaf ser von israelischen Sicherheitskräf einige diskutieren friedlich mit tungen der Organisatoren ebenso ten getötet worden, darunter je zwei B Fortsetzung von Seite 1 Ziviler Widerstand So können die gewaltlosen Wider standsaktionen der Palästinenser heute an eigene Traditionen anknüp fen. Es gab immer wieder zivile Akti onen gegen Besatzung und Annexion wie die Verweigerung israelischer Identitätskarten durch die Drusen auf dem Golan, die Ablehnung der israe lischen Staatsbürgerschaft durch die Palästinenser in Ost-Jerusalem, De monstrationen gegen den Mauerbau, den Boykott der Kommunalwah len im arabischen Teil Jerusalems, die Ablehnung der Zusammenar beit mit israelischen Organisationen. Erinnert sei auch an Mubarak Awad, den vergessenen „Vater“ der palästinensischen Gewaltfreiheits bewegung. 1983 legte er in seiner Schrift Gewaltfreier Widerstand: Eine Strategie für die besetzten Gebiete zentrale Überlegungen für neue Formen eines effektiven kollektiven Widerstandes nieder. 1985 gründete er das Palästinensische Zentrum zum Studium der Gewaltfreiheit in Jeru salem. Die wachsenden Aktivitäten des Zentrums wurden offenbar von der israelischen Regierung in der Anfangsphase der Ersten Intifada als so gefährlich eingeschätzt, dass sie Awad, der auch amerikanischer Staatsbürger ist, 1988 auswies. Gewalttaten nachgezeichnet. Auch die palästinensische Nationalbewe gung blickt im Allgemeinen mit Stolz auf die unterschiedlichen Phasen ih res bewaffneten Kampfes zurück. Über Jahrzehnte hinweg hat Ge walt das Bild des palästinensischen Widerstandes dominiert: Terroran schläge, Selbstmordattentate, Ent führungen, Kommandoaktionen. Auch wenn die Legitimität von Pro test und Widerstand gegen eine völ kerrechtswidrige Besatzung grund sätzlich kaum bestritten werden kann, so ist zweifellos nicht jede Form des Widerstandes völkerrecht lich zulässig und legitim. Angriffe auf Zivilisten sind auch in einem asym metrischen Konflikt nicht zu recht fertigen. Gewalt war üblich Die Entwicklung des israelisch-pa lästinensischen Konflikts wurde in entscheidenden Phasen auch von unverhältnismäßiger und illegitimer Gewalt beeinflusst. In vielen Dar stellungen wird die nahöstliche Ge schichte als eine Kette von Krieg und Bil’in – Soldaten verhindern das Pflanzen eines Olivenbaums Foto: Johannes Zang von gummiummantelten Kugeln und Tränengasgranaten. Gezielte Verletzung Am 19. Juli traf es Sarit Michaeli in Nabi Saleh. Der Sprecherin von B’Tselem wurde eine gummiumman telte Kugel in den Oberschenkel ge schossen, als sie eine freitägliche De monstration filmte. Aus fünfzehn bis zwanzig Metern, so schätzt sie, schoss ein Grenzpolizist auf sie. Der gesetzliche Mindestabstand beträgt fünfzig Meter. Michaeli erklärt, dass einige Kin der Steine in Richtung der Sicher heitsstreitkräfte geworfen hatten, je doch nicht aus ihrer unmittelbaren Umgebung. „Um auf mich zu schie ßen, musste der Grenzpolizist seine Waffe bewusst in meine Richtung oder die eines Sanitäters und zweier palästinensischer Demonstrantinnen in meiner Nähe richten“, schrieb Mi chaeli in einer Erklärung. In punkto Waffenanwendung ist ihre Menschenrechtsorganisation längst zu der Überzeugung gelangt: Israelische Sicherheitskräfte wenden umfassende und großflächige Maß nahmen an, um Menschenmassen kontrollieren zu können. Auch bei Demonstrationen auf bewohntem Gebiet, dessen Grenzen nicht über schritten werden dürfen. B’Tselem sind Fälle bekannt, in denen die Si cherheitskräfte im Umgang mit De monstrationen „verstärkt tödliche Waffen einsetzten, statt Mittel zur Kontrolle von Menschenaufläufen.“ Trotz der „Strangulierung des Dor fes” halten die Freunde von Freiheit und Gerechtigkeit Bil’in an ihrer Weite Teile der palästinensischen Befreiungsbewegung haben es aus falsch verstandener Solidarität ver säumt, zwischen legalem Widerstand und illegitimer Gewalt zu unterschei den. Damit haben sie politische Sym pathien eingebüßt. Wegen der Do minanz der Gewalt sah nicht nur die israelische Regierung die Gewalt der Palästinenser als das zentrale Prob lem des Nahen Ostens und nicht als Folge der andauernden völkerrechts widrigen Besatzung und der Verwei gerung des palästinensischen Selbst bestimmungsrechts an. Doch es hat immer auch die nicht-militärischen Formen des Pro testes und des Widerstandes gege ben. Über Jahre hinweg haben ver schiedene Nichtregierungsorganisa tionen darauf hingearbeitet. Das hat Früchte getragen. Die Zusammenar beit zwischen Aktionsgruppen hat zugenommen, die Aktionen sind bes ser organisiert und koordiniert, Akti vistinnen und Aktivisten werden auf geplante Aktionen vorbereitet, eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit sorgt für mediale Beachtung. Zum Instrumentarium gehört auch die Boykott-Kampagne BDS. Am wich tigsten aber: In der palästinensischen Gesellschaft wird vermehrt über die Strategie des zivilen Widerstandes diskutiert: als Alternative oder Er gänzung zum bewaffneten Kampf oder zur Strategie der Verhand lung und der Internationalisierung. Welche Attraktivität dieser Volks widerstand ausstrahlt, mag man an den vielfältigen Versuchen politischer Akteure wie der Fatah ablesen, sich an die Spitze der Bewegung zu set zen. Auf diese Weise lässt sich zum einen die eigene friedenspolitische Ratlosigkeit und Strategieunfähigkeit verbergen, zum anderen könnten sich gewaltlosen Gesinnung fest: „Zu sammen können wir Grenzen ab bauen und Barrieren überqueren. Zusammen können wir Brücken des Vertrauens bauen und Gerechtigkeit erreichen. Durch unsere Freunde können wir eine verheißungsvolle Zukunft erkennen, eine Zukunft, in der alle in Frieden, Sicherheit und Würde leben, eine Zukunft ohne Rassismus, in der alle das Recht auf ein volles und freies Leben haben.“ Infos: www.btselem.org „Wir sind nicht Euer Feind“: Plakat einer palästinensischen Demonstrantin in Bil’in „Der neue Widerstand gegen die (zu) alte Besatzung – Eine aktuelle Analyse aus den besetzten Gebieten“: Vortrag von Dr. Helga Baumgarten, Politikprofessorin in Ramallah, und Fadi Quran, palästinensischer Aktivist der Menschenrechtsorganisation Alhaq im Juli 2013 in Berlin: www.youtube.com/ watch?v=kVCHCQ2IePA derartige Domestizierungsbemühun gen als hilfreich erweisen, um zu ver hindern, dass sich der zivile Ungehor sam nicht nur gegen die Besatzung, sondern womöglich auch gegen die eigene palästinensische Führung und autoritären Herrschaftsstrukturen wendet. Gewaltloser Widerstand bedarf in der Gesellschaft der breiten und dauerhaften Unterstützung und Be teiligung. Was wir in den palästinen sischen Gebieten erleben, ist jedoch keine Massenbewegung. Es ist auch keine pazifistische Bewegung. Ge meinsame politische Zielvorstellun gen etwa zur Zwei-Staaten-Regelung und strategischer Konsens etwa über Bündnisse mit Juden fehlen. Eine Be wegung in Bewegung! Vor allem sind es viele junge Men schen, die nach dem Scheitern des Friedensprozesses und der Zweiten Intifada aus Enttäuschung über die lähmende Rivalität ihrer politischen Führung und die Untätigkeit der in ternationalen Gemeinschaft das Po tential zivilen Widerstands wiede rentdecken. Sie entwickeln es weiter, um den Palästinensern eine neue Per spektive des nationalen Befreiungs kampfes zu eröffnen. Christian Sterzing ist Publizist, Jurist und Sozialpädagoge, war Bundestagsabgeordneter (1994-2002) und Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah (2004 bis 2009). Zuletzt veröffentlichte er als Herausgeber zusammen mit der Heinrich Böll-Stiftung: „Palästina und die Palästinenser. 60 Jahre nach der Nakba“, Berlin 2011, 376 S. INTERVIEW PalästinaIsraelZeitung Nr. 4 / Dezember 2013 3 Gewalt gegen das Völkerrecht Professor Norman Paech beantwortet Fragen zu Israel und Palästina Sind die Pastinenser ein Völkerrechtssubjekt? Ja, sie haben eine begrenzte Völker rechtssubjektivität, weil sie nicht nur über Territorium und Bevölkerung verfügen, sondern auch durch die PLO, durch Mahmoud Abbas und seine Regierung international vertre ten werden. Die PLO ist bereits 1974 ähnlich wie die Befreiungsbewegun gen in Afrika als legitime Vertrete rin des palästinensischen Volkes an erkannt worden. Insofern hat die PLO auch eine Völkerrechtssubjek tivität erreicht, die sie handlungsfä hig macht. Das Problem ist nur die internationale Anerkennung, die bisher noch nicht den Grad erreicht hat, wie bei den übrigen Staaten. Die volle Anerkennung als Staat wird Pa lästina immer noch vorenthalten. Herr Professor Paech, Sie haben sich intensisv mit Palästina und Israel befaßt. Dort erleben wir viel Gewalt von allen Seiten. Wie paßt das mit dem Gewaltverbot der Vereinten Nationen zusammen? Das ist ja nicht nur in Israel so. Wir erleben derzeit eine Welt, die schwer durch militärische Gewalt in Afrika, aber auch in Asien gezeichnet ist. In Israel ist dies allerdings seit der Er oberung des Westjordanlandes 1967 Alltag geworden. Die andauernde Besatzung palästinensischen Terri toriums ist permanente Gewalt. Sie verstößt gegen alle Grundsätze der UNO-Charta, wie Interventionsver bot und Gewaltverbot. Nun gibt es gewisse Ausnahmen vom Gewaltverbot. Ist die Gewalt auf israelischer Seite durch eine dieser Ausnahmen gedeckt? Die israelische Regierung beruft sich in der Tat auf das Selbstverteidigungs recht. Sie sagt, weil sie immer wieder angegriffen werde vom palästinensi schen Territorium aus, sei sie berech tigt, Gewalt gegenüber den Palästi nensern anzuwenden. Es gibt viele Gewaltformen von der täglichen Ge walt an den zahlreichen Kontrollstel len bis hin zu gezielten Tötungen und Überfällen durch Siedler. Dieses alles ist durch ein Selbstverteidigungsrecht nicht gedeckt, weil der Grundtatbe stand die völkerrechtswidrige Besat zung ist. Wer sich völkerrechtswidrig in einem Gebiet festgesetzt hat, kann sich nicht auf Selbstverteidigung be rufen, wenn derjenige, der besetzt worden ist, sich wehrt. Von Israel werden gelegentlich auch Angriffskriege geführt. Könnte man die noch als Selbstverteidigung bezeichnen? Das ist auch hier die Begründung der Israelis. Sie sagen, sie müßten los schlagen, weil es für sie unerträglich sei, wenn sie immer wieder mit Ra keten beschossen werden. Dieses ist juristisch genauso unsinnig, denn der Grundtatbestand ist die völkerrechts widrige Besatzung, und zwar nicht nur des Westjordanlandes, sondern auch Gazas. Gaza ist zwar von is raelischen Truppen befreit, wird aber wegen der absoluten Abschnürung Prof. Norman Paech des Territoriums international immer noch als besetzt angesehen. Besatzung. Allerdings darf sie sich nicht gegen zivile Einrichtungen und Personen Israels richten. Der Be Wie steht es mit Kriegsdrohungen, schuß israelischen Territoriums mit zum Beispiel gegenüber dem Iran? Raketen ist insofern völkerrechts Nach Art. 2 Ziffer 4 UNCharta ist widrig, als er nicht auf militärische nicht nur die Anwendung, sondern Einrichtungen begrenzt wird. schon die Androhung von Gewalt völkerrechtswidrig. Die Beziehun gen zwischen den Staaten müssen so geordnet sein, dass kein Staat ange griffen wird noch unter der Drohung steht, angegriffen zu werden. Israel verstößt dagegen fast täglich Ist die Gewalt von palästinensicher Seite durch die Ausnahmen vom Gewaltverbot gedeckt? Die Ausnahmen sind ja nur dann ge geben, wenn man sich selbst vertei digt (Art. 51 UNCharta) oder wenn man ein Mandat des UNO-Sicher heitsrats hat (Art. 42 UNCharta). Letzteres ist nicht der Fall, aber hier ist die Frage der Selbstverteidi gung durchaus relevant. Denn wer rechtswidrig besetzt wird, gegen wen rechtswidrig Gewalt ausgeübt wird, der ist in der Tat zum Widerstand be fugt. Das ist eine ähnliche Situation, wie wir sie während der Dekolonisie rung durch die Befreiungsbewegun gen in Afrika gehabt haben. Auch die Palästinenser sind befugt, Ge walt auszuüben in einem legalen Wi derstandsrecht gegen rechtswidrige Zur Person Norman Paech, Jahrgang 1938, ist emeritierter Professor für öffentliches Recht an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik und Experte für Völkerrecht. Er war Abgeordneter und von 2005 bis 2009 außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. Gegen Krieg und für die Einhaltung der Menschenrechte weltweit hat er sich sein Leben lang engagiert. Im Mai 2010 war er auf einem der Schiffe der Gaza Flotille, die die Blockade des Landstreifens durch das israelische Militär mit Hilfslieferungen überwinden wollte. Die Mavi Marmara 2010 Foto: Kevin Neish Er wurde Zeuge des brutalen Überfalls der israelischen Marine auf die Schiffe, bei der mit völlig unnötiger Gewalt auf der Mavi Marmara neun Passagiere getötet und vierzig verletzt wurden. Sein völkerrechtliches Gutachten darüber findet sich in dem „Bericht der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen über den israelischen Angriff auf die Gaza-Hilfsflotille“, Melzer Verlag, Neu Isenburg 2011, heute Zambon Verlag, Franfurt am Main. Paech schreibt mit spitzer und engagierter Feder Reden und Artikel, gerade auch zum Thema Nahost. ck www.norman-paech.de. Israelischer Friedensplan Das Gewaltverbot gilt in erster Linie zwischen Staaten. Ist Israel ein Staat? Es gibt drei Voraussetzungen für ei nen Staat: ein Territorium, eine Be völkerung und eine national wie international souverän handlungs fähige Regierung. Diese Kriterien werden von Israel erfüllt. Es ist al lerdings ein nicht nur politisches, sondern auch juristisches Problem, dass sich Israel immer noch weigert, seine 1948 von der UNO festgeleg ten Grenzen anzuerkennen, die nicht die jetzt besetzten Gebiete umfassen. Ein Staat ohne definierte Grenzen mit expansiven Gebietsansprüchen ist immer ein Problem. Ist der berechtigtete Widerstand der Palästinenser gegen die Besatzung gleichzusetzen mit Widerstandbewegungen in der Vergangenheit? Ergäbe sich daraus eine völkerrechtliche Wirkung? Die völkerrechtliche Wirkung zeigt sich heute darin, dass das Wi- Zeichnung: Carlos Latuff derstandsrecht der Palästinenser ge gen die Besatzung legitim ist, dass auch ihr Anspruch, einen eigenen Staat zu haben, legitim ist. Die poli tische Frage stellt sich nur, ob das ein separater Staat sein soll oder ob sich Israel in einer Ein-Staat-Lösung mit den Palästinensern in einem gemein samen Staat vereinigt. Der Anspruch der Palästinenser, von der Besatzung befreit zu werden, ist aber vorrangig und völkerrechtlich wie politisch völ lig eindeutig. wie die staatliche Organisation der dort lebenden Bevölkerung einge richtet wird. 1947 votierte die UNO für ein Zwei-Staaten-Modell. Das hat Israel dadurch abgelehnt, dass es weitere Landesteile gegen den Wider stand der arabischen Staaten erobert hat. Dieses ist von der UNO niemals anerkannt worden. Die biblischen oder mythologischen Ansprüche auf ganz Palästina sind völkerrechtlich völlig irrelevant. Hat eine Besatzungsmacht bestimmte völkerrechtliche Verpflichtungen gegenüber den Besetzten? Ja, das ist unbestritten seit den Haa ger Konventionen von 1907, aber auch den Genfer Konventionen von 1949. Eine Besatzungsmacht hat ganz eindeutige Pflichten gegenüber den Besetzten. Eine Besatzung darf völkerrechtlich immer nur auf be grenzte Zeit bestehen. Deshalb muß die Besatzungsmacht dafür sorgen, dass das betreffende Territorium und seine Bevölkerung in die Unabhän gigkeit entlassen werden. Zu diesen Pflichten gehört insbesondere, dass man die Basisbedürfnisse der Bevöl kerung voll erfüllt, was Israel derzeit nicht tut. Es darf auch keine Ver schiebung der Bevölkerung geben, indem eingesessene Bevölkerung ver trieben wird oder Bevölkerungsteile der Besatzungsmacht im besetzten Gebiet angesiedelt werden. Das ist verboten. Kann man die Vorgänge im Westjordanland als Kolonialismus bezeichnen? Das ist zweifelsohne eine korrekte Bezeichnung. Dies ist die Kolonisie rung eines fremden Landes, welches nicht zu Israel gehört und das be siedelt wird, weil man es auf Dauer behalten will. Die israelische Politik strebt erkennbar die vollständige In tegration und Annektion dieses Ge bietes mit Hilfe permanenter Besied lung an. Das ist völkerrechtswidrig. Es liegt noch nicht lange zurück, da war alle Welt gegen Kolonien. Die Dekolonisierung wurde gefördert und angeblich abgeschlossen. Müßte man nicht jetzt den Blick nach Palästina richten? Es gibt ja immer noch einen Dekolo nisierungsausschuss in der UNO, der sich aber nur noch mit wenigen Ter ritorien beschäftigt. Palästina spielt dort so gut wie keine Rolle, müßte es allerdings, denn hier liegt eine wider rechtliche Besatzung vor wie bei je der Kolonisierung. Das ist durchaus vergleichbar mit dem früheren Sied lerkolonialismus in Afrika, der kein Recht auf ewige Existenz im jeweili gen Gebiet hat. Dieses bedeutet nicht, das Existenzrecht Israels, wohl aber das Recht auf Besetzung Palästinas zu bestreiten. Manche Israelis behaupten, es handele sich nicht um eine Besatzung, sondern um die Rückkehr in ein angestammtes Gebiet. Die Inbesitznahme des Westjordan Ist Palästina ein Staat? landes wird zwar mit biblischen An Eine schwierige Frage. Palästina hat sprüchen mythologischer Herkunft sich als Staat konstituieren wollen. begründet, die aber im Völkerrecht Es hat eine Bevölkerung, es hat ein überhaupt keine Bedeutung haben. Territori1um, aber noch keine Regie Völkerrechtlich geht es nur darum, Das Interview führte Karl-Otto Körber. rungsorganisation, die in der Lage ist, nach innen und nach außen vollkom men souverän zu handeln. Man kann UNO-Charta Artikel 2 ten Personen aus besetztem Gebiet das aber auch anders sehen: Mit der 4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren nach dem Gebiet der Besatzungsmacht Ausrufung eines palästinensischen internationalen Beziehungen jede geoder dem irgendeines anderen besetzStaates, die schon 1988 erfolgte, ist gen die territoriale Unversehrtheit oder ten oder unbesetzten Staates sind ohne Rücksicht auf deren Beweggrund unterdieser Staat konstituiert. Dazu bedarf die politische Unabhängigkeit eines sagt. es nicht der Zustimmung der UNO Staates gerichtete oder sonst mit den oder Israels. Politisch ist das zur Zeit Zielen der Vereinten Nationen unverein- [relevant wegen tausender palästinenbare Androhung oder Anwendung von sischer Gefangener in israelischen Geallerdings in der Schwebe. Die UNO Gewalt. fängnissen – die Redaktion] zögert unter dem Druck der USA und Israels, Palästina anzuerkennen. Es IV. Genfer Konvention von (5) Die Besatzungsmacht darf nicht Teile wird wohl noch eine Zeitlang dau 1949, Artikel 49 ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ern, ehe man von einem palästinen (1) Einzel- oder Massenverschickungen ihr besetzte Gebiet verschleppen oder sischen Staat in gefestigten Grenzen sowie Verschleppungen von geschützverschicken. sprechen kann. ENGAGEMENT 4 Nr. 4 / Dezember 2013 PalästinaIsraelZeitung Die Verweigerin Vom Militärdienst in Israel Von Eva Baumgärtner Eltern verrät sie nichts davon. Die Demonstration verläuft anders, als Für die jüdische Israelin Noam Gur Noam sich das vorgestellt hat. Sol ist es eine Autofahrt, die ihr Ge daten der israelischen Armee rücken schichtsbild bröckeln lässt. Vom nor an, die Luft füllt sich mit Tränengas, disraelischen Nahariya, ihrer Hei das Atmen fällt plötzlich schwer. matstadt, fährt sie mit ihrem Vater nach Haifa, zu Verwandten. So sitzt sie neben ihm und sieht ihr Land am Autofenster vorbeiziehen. Auf dem Weg nach Haifa tauchen die Ruinen des Dorfes al-Sumayriyya auf. So oft hat sie die schon gesehen, doch an jenem Tag nehmen ihre Augen sie wirklich wahr. Damals ist Noam 16 Jahre alt. Niemand lebt mehr in dem Dorf, seit 1948 die Bewohner, Palästinenser, vertrieben wurden. „Ich habe nur die halbe Geschichte gelernt“, sagt die heute Zwanzigjährige. Ich treffe die junge Frau mit den kurzen schwar zen Haaren und den wachen Augen in einem Cafe in Westjerusalem. Sie erzählt mir von ihrer Suche nach Antworten. Sie wollte damals wissen, was man ihr verschweigt – die El tern, die Lehrer. In Diskussionsforen im Internet findet Noam schließlich Gleichgesinnte, die von einer Beset zung des Westjordanlandes sprechen. Noam Gur in Bil‘in vor Mauer und als die Soldaten fast jede Woche in die Schule kommen, um für ihre Ein heit zu werben. Das Band zwischen Schule und Militär wird eng ge knüpft in Israel. Das Anrücken der Armee während der Demonstration in Bil’in macht Noam klar: „Ich will nicht zum Militär. Warum sollte ich da mitmachen wollen?“. Ihre Gründe hält sie schriftlich fest: Sie ist gegen die Besetzung, gegen die Waffen, gegen das Tränengas. Knapp drei Wochen muss sie dafür ins Mi litärgefängnis Nummer Sechs in At lit, in der Nähe von Haifa. Das war im Jahr 2012. Juristisch beraten und unterstützt wurde Noam in dieser Zeit von New Profile. Als israelische Nichtregierungsorganisation betreut New Profile Wehrdienstverweigerer, gibt Hilfestellung bei Verhaftungen und prangert die Militarisierung der israelischen Gesellschaft an. Die Lücke im Lebenslauf Seit der Staatsgründung ist das Mi litär das Herzstück der israelischen Gesellschaft, welches das Überleben des kleinen Landes stets gesichert hat. Daher gehört der Wehrdienst zum Lebenslauf eines jeden Israeli. Wo die meisten den Namen ihrer Ein Siedlung Foto: Moheeb Barghouti „Warum sollte ich da mitmachen heit eintragen, hat Noam nun eine Lücke. Die Familie tut sich anfangs wollen?“ An einem Freitag schwänzt sie die Es ist die Zeit, in der für Noam die schwer, die Entscheidung zu verste Schule und nimmt an einer Demons Entscheidung ansteht, in welcher hen. Noams Mutter hat den Militär tration gegen die Besetzung in Bil’in Einheit sie nach der Schule dienen dienst abgeleistet, der Vater kämpfte teil, nicht weit von Ramallah. Ihren wird. Noam ist in der elften Klasse, im Libanon-Krieg von 1982, die Schwester war während ihres Wehr dienstes als Grenzpolizistin am Ga zastreifen eingesetzt. Die Mutter will nicht wissen, wo Noam gerade demonstriert, nur, ob alles gut verlaufen ist. Sie macht sich Sorgen um die Tochter. Es ist diese Selbstverständlichkeit, die den Mi litärdienst in Israel auszeichnet und das Unverständnis, das jenen entge genschlägt, die sich dagegenstellen. Noam gehört zu den jungen Men schen, die den Dienst verweigern, als öffentlichen Appell gegen die israeli sche Besatzungspolitik. Notiz nimmt. Noam hätte auch einen anderen Weg einschlagen können: Den Schulabschluss machen, den Wehrdienst leisten, dann eine Auszeit nehmen, um zu reisen. Viele junge Is raelis verbringen längere Zeit in In dien oder Mexiko nach ihren Dienst jahren, „um zu vergessen, was sie er lebt haben“, sagt Noam. Stattdessen arbeitet die Zwanzigjährige jetzt für New Profile und steht anderen Wehr dienstverweigerern zur Seite. Das ist eben Noams Weg. Gefängnisstrafe Die Entscheidung, aus politischen Gründen zu verweigern, treffen eine Handvoll Israelis jedes Jahr. Die Konsequenz ist eine Gefängnisstrafe. Natan Blanc, ein Zwanzigjähriger aus Haifa, hat einen traurigen Re kord aufgestellt: Für mehr als fünf Monate hat ihn seine Verweigerung ins Gefängnis nach Atlit gebracht. Im Juni dieses Jahres kam er schließ lich frei. Um den Dienst zu umgehen, wäh len viele eine einfachere Alternative: Sie geben psychische Probleme an. So macht Noam es am Ende auch. Nach ihrer Zeit im Gefängnis wird sie von einem Militärpsychologen vom Wehrdienst freigestellt. Ihr Ziel, eine Öffentlichkeit zu schaffen, war erreicht. Selbst, wenn es in Israel nur eine kleine Minderheit ist, die davon Eva Baumgärtner studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität in Berlin. Im Frühjahr 2013 nahm sie am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) teil. Drei Monate war sie als Menschenrechtsbeobachterin in Jerusalem. Die ehemaligen Teilnehmer dieses Programms des Weltkirchenrates in Genf berichten nach ihrer Rückkehr über ihre Erfahrungen und können zu Vorträgen eingeladen werden. www.eappi-netzwerk.de „Produkte aus israelischen Siedlungen? Nein, danke!“ Christian Eikenberg von der Bonner BDS-Gruppe über den Aufruf zum Boykott israelischer Waren Worauf bezieht sich BDS? Es steht für Boykott, Desinvestition, Sanktionen. Palästinensische Orga nisationen rufen seit 2005 dazu auf, sie auf diesem Weg des gewaltfreien Widerstandes zur Durchsetzung ih rer Grundrechte zu unterstützen. Die Erfahrung legt nah: Israels Regierung reagiert nur auf Druck. Ist nicht ganz Israel für die Siedlungspolitik verantwortlich, nicht nur die Siedler? Sicherlich, aber in Deutschland müs sen wir Rücksicht auf die Lasten der Erinnerung an das Dritte Reich neh men. Es wäre taktisch unklug, den Boykott auszudehnen. Das würde die Antisemitismuskeule nur beflü geln. Was tun Sie konkret? Argumentativ haben wir Schützen Wir sammeln Unterschriften für un hilfe aus Brüssel: Die EU-Leitlinien seren Aufruf an Geschäfte bei der Beantragung von und Kunden, auf den Ver „Kauft bei Juden, Fördergeldern verlangen trieb und Kauf von Pro aber keine Pro von Israel ab 2014 die Zu dukten aus israelischen dukte aus Israel!“ sage, dass sie nicht außer Siedlungen in den besetz halb des israelischen Kern Iris Hefets, Jüdische ten Gebieten zu verzichten, Stimme für einen ge- landes verwendet werden, wie zum Beispiel auf Kos rechten Frieden also nicht in den völker metika von AHAVA, Was rechtswidrigen Siedlungen. sersprudler von Soda-Club, Und was für öffentliche Obst und Gemüse der Exportfirmen Gelder gilt, sollte das nicht erst recht Agrexco und Mehadrin. Wir ma für den noch gewichtigeren Handel chen regelmäßig einen Infostand im gelten? Stadtzentrum und bitten um Unter schriften. Unser Ziel ist eine fünf stellige Zahl, die auch im Bundes tag nicht überhört werden kann. Kritiker werfen Ihnen vor, Ihr Engagement verbiete sich angesichts der Nazi-Propaganda der 1930er Jahre: „Kauft nicht bei Juden“? Was haben eigentlich die beiden Dinge miteinander zu tun? Es gibt einen Unterschied zwischen der BDSKampagne zur Isolierung des Staates Israel wegen seiner ständigen Men schenrechtsverletzungen und wegen seines fortgesetzten Landraubs einer seits und der Ausgrenzung der Juden Protest vor dem Bonner Kaufhof in der Nazizeit bis hin zum Völker mord andererseits. Gibt es Erfolge? Welche Prominenten unterstützen Gerade hat Vitens, eine niederländi die internationale BDS-Bewegung? sche Wasserfirma, die Zusammenar Die amerikanische Philosophin Ju beit mit Israel deswegen abgelehnt, dith Butler, der Regisseur Ken Loach, Desmond Tutu aus Südafrika. Stevie Wonder hat Konzerte abgesagt. Der britische Physiker Stephen Hawking hat sich in diesem Jahr geweigert, Vorträge in Israel zu halten. Wie reagieren denn die Passanten? Insgesamt positiv: „Endlich tut mal wer was“, hören wir oft. Geht es nur um Produkte aus den völkerrechtswidrigen Siedlungen? Teilweise läßt sich die Herkunft der Produkte auf unserer Boykottliste nicht genau ermitteln. Die israeli schen Firmen verschleiern sie syste matisch. Der Boykottaufruf gilt für alle mit „Made in Israel“ gekenn zeichneten Produkte, die auch in den Siedlungen hergestellt sein könnten. Die Beweislast dafür, dass solche Produkte nicht aus den Siedlungen Sit-in auf dem Bonner Münsterplatz kommen, liegt bei Israel. Fotos: privat weil es einen großen Teil seines Was sers aus Quellen in den Palästinen sergebieten bezieht. Eine Tochter firma der Deutschen Bahn hat sich nach Protesten über ihre Beteiligung am Bau der Bahnlinie Tel Aviv – Je rusalem zurückgezogen, die durch besetztes Gebiet führt. Israelische Politiker zeigen sich nervös beim Thema Boykott. Es geht vor allem um die internationale Isolierung wie damals bei der Apartheid in Südaf rika. Die Fragen stellte Christian Kercher Zur Unterschriftenaktion: www.bds-kampagne.de IMPRESSUM Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft Völkerrecht und Menschenrechte in Palästina und Israel e. V. : Redaktion: Dr. Karl-Otto Körber – kö, Christian Kercher – ck (viSdP), Peter Bingel – bg Bestellung: Christian Kercher, Christstr. 42, 14059 Berlin, [email protected] Leserbriefe: [email protected] Die einzelnen Artikel geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. Im Fall von offenen Copyrightfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktion. Druck: Henke Pressedruck, Berlin Auflage: 4500 Gefördert durch Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst DOKUMENTATION PalästinaIsraelZeitung Nr. 4 / Dezember 2013 5 Gaza versinkt in Abfall und Abwasser Aus dem Wochenbericht der Vereinten Nationen zum Schutz von Zivilisten vom 19. bis 25. November 2013 G aza ist in Energienot. Es fehlt an Sprit, an Strom, an Gas. Der Bericht des United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UNOCHA) für die Woche vom 19. bis zum 25. November 2013 macht deutlich, welches Ausmaß die Krise angenommen hat. Am 1. No vember musste das einzige Kraftwerk seinen Betrieb fast vollständig ein stellen. Es brauchte täglich 650.000 Liter Diesel für den vollen Betrieb. Seitdem reicht die Energieversor gung für die 1,7 Millionen Palästi nenser nur noch für maximal acht Stunden am Tag. Bisher galt der Nachbar Ägypten als Aushilfsliefe rant. Dreißig Prozent des Bedarfs hat Ägypten mit seinen Brennstoff lieferungen gedeckt. Erreichten Gaza bis Juni 2013 noch eine Million Liter Diesel täglich, so kamen im Novem ber nur noch geschätzte 20.000 Liter pro Woche an – und das unterirdisch. Seit Israel den Landstreifen an der Mittelmeerküste nun schon sechs Jahre lang von allen Seiten blockiert, hat ein Tunnelsystem die Beschaffung von Waren ermöglicht. Ob Nah rungsmittel, Kleidung, Waffen, Ben zin oder Gas – die Tunnel im Süden Gazas sind das wirtschaftliche Herz der palästinensischen Enklave. Meh rere hundert unterirdische Gänge sollen die beiden Nachbarn verbun den haben. Doch kam die Tunnel wirtschaft in den letzten Monaten zum Erliegen. Nur wenige Gänge Ohne Strom keine Arbeit Ohne Strom für die Pumpen überfluten die Straßen in Gaza, wie hier am 5.Dezember 2013 Foto: AFP auf alhayat.com Energie bekommt Gaza auch auf of fiziellem Weg aus Israel. Die kostet rund doppelt so viel wie die ägypti sche. Die Arbeitslosigkeit steigt, seit die kleinen Unternehmen nur noch unregelmäßig produzieren können. Von der Keksfabrik bis zur Nähstube stehen die Maschinen in Gaza die meiste Zeit still. Dabei spielt keine Rolle, wann der Strom fließt. Wenn er nachts plötzlich wiederkommt, dann wird nachts gearbeitet. Seit die meisten Tunnel verschlos sen sind, kommen auch keine Bau materialien mehr ins Land. Weder über- noch unterirdisch. Die Bau stellen liegen brach. Gemäß dem UN-Report hält Israel die Grenzen dafür seit sieben Wochen ununter brochen geschlossen. Auch für in ternationale Bauvorhaben werden weder Zement noch Stahl ins Land gelassen. Die Lage in Gaza spitzt sich zu. Die Blockade von beiden Seiten, von israelischer und ägypti scher, hungert den Landstrich immer weiter aus. Und solange in den Häu sern Gazas nachts die Kerzen bren nen, ist auch die Energiekrise nicht überwunden. Eva Baumgärtner M itt el m ee r 2012 in Ägypten für Gaza lagern sol subventionierte Energie aus Ägypten Lizenz an private Tunnelbetreiber. len. Der Lieferstopp macht den abge die Haushaltskasse aufgebessert. Dazu kassiert sie Zollgebühren für riegelten Gazastreifen nahezu hand Denn die Tunnel versorgen nicht alle Waren, die in Gaza eintreffen, lungsunfähig – mit lebensbedrohli nur die Bevölkerung, sie sind auch so auch für die Diesellieferungen. Je chen Folgen. die wirtschaftliche Lebensader der günstiger die Energie, umso höher Fällt der Strom aus, trifft das die Regierung. Für jeden unterirdischen der finanzielle Gewinn für die Ha Krankenhäuser besonders hart. Dia Gang verkauft die Hamas eine eigene mas. Informationen: www.ochaopt.org lyse-Maschinen und Beatmungsge räte stehen still. Die Generatoren, die für die Stromausfälle in Gaza in je United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs dem Haushalt wie auch in den Kran Gazastreifen: Zugang und Sperrzonen kenhäusern stehen, 6-M bleiben stumm. Seit eil Von der israelischen Armee getötete en -Zo Juni kommen keine ne Palästinenser im Gazastreifen neuen Medikamen diese Woche: 0 tenlieferungen in In 2013 (bis jetzt): 9 Erez Gaza an. Mit einer Gleicher Zeitraum 2012: 253 Ausnahme: Im No Beit Lahiya vember gaben die Beit Hanoun Jabalia Von der israelischen Armee verwundete ägyptischen Behör den ihre Erlaub Palästinenser im Gazastreifen nis, hundert Ton Gaza City diese Woche 2 nen medizinischer WochenHilfsgüter ins Land durchschnitt 1 Nahal Oz zu transportieren. Eine ausreichende Karni 2012 34 medizinische Ver sorgung ist damit 2013, gesamt 60 2012, gesamt 1.829 lange nicht sicher gestellt. Al Bureij sind übrig geblieben, seit das ägyp Sichtbar ist die Strom- und Benzin tische Militär die Tunnel flutete oder krise auch in den Straßen von Gaza. die Eingänge mit Erde verschloss. Der Landstrich ist übersäht mit Müll Deir al Balah ISRAEL Der Grund dafür: die Sicherheit. bergen. Laut dem UNOCHA-Report Militante Palästinenser aus Gaza kommen täglich rund achthundert seien durch die Schächte auf die Tonnen dazu. Die Müllabfuhr musste ägyptische Seite gelangt. Auf dem Si ihre Arbeit mangels Treibstoff auf nai hätten sie die andauernden Un das Nötigste reduzieren. In man ruhen befeuert. Bereits unter Präsi chen Gegenden dienen nun Esel als dent Mohammed Mursi begann die Transportmittel, um die Abfälle weg Grenzpolizei mit der Zerstörung der zukarren. Überlaufende Kläranlagen, Khan Yunis Sperrzone der isr. Armee (0,5 km) Tunnel. Seit seiner Amtsenthebung deren Pumpsystem ohne Strom nicht Gebiet mit hohem Risiko geht das ägyptische Militär noch ri funktioniert, setzen zudem ganze Maritime Sperrzone goroser gegen die unterirdischen Ver Straßenzüge unter Wasser. bindungen vor. Damit versiegt Gazas Wohngebiete wichtigste Quelle zur Energie und zur Streit um Geld Waffenstillstandslinie (Grüne Linie) Außenwelt. Im Konflikt Ägypten soll auch Ein- und Ausfuhr von mit Waren (Kerem-Shalom-Übergang) Grenzübergang der Streit um Geld eine bedeutende Importe (in Tonnen) Exporte Geschlossener Grenzübergang Folgen für die Gesundheit Rolle spielen. Bisher hat Kairo seinen Ägypten Auch befreundete Staaten wie beiNachbarn mit verbilligtem Treibstoff 19.-25. November 2013 1.135 19.-25. November 2013 2 spielsweise Katar nutzen die Schäch- versorgt. Das soll sich nun ändern. Sufa Rafah WochenWochen1.277 5 te, umdurchschnitt Gaza mit 2013 Brennstoff zu ver- Zu internationalen Marktpreisen durchschnitt 2013 sorgen. Aus dem 2007 UNOCHA-Bericht will Ägypten in Zukunft liefern. Eine Jan-Mai 2007 0 2 4 8 Jan-Mai Km 240 2.807will die Hamas Kerem Shalom geht hervor, dass zwanzig Millio Erhöhung des Preises (vor der Blockade) (vor der Blockade) nen Liter Diesel aus dem Emirat seit nicht hinnehmen, schließlich hat die Ein- und Ausfuhr von Waren (Kerem-Shalom-Übergang) Ein- und Ausreisen am Rafah-Übergang Importe (in Tonnen) 19.-25. November Einreisen 318 2013 Ausreisen 363 Wochen durchschnitt Januar-Juni 2013 19.-25. November 2013 Einreisen 4.296 Ausreisen 4.242 Wochendurchschnitt 2013 Jan-Mai 2007 (vor der Blockade) Exporte 1.135 19.-25. November 2013 1.277 Ein- und Ausreisen am Rafah-Übergang 2.807 Wochendurchschnitt 2013 Jan-Mai 2007 (vor der Blockade) 2 5 240 BUCH UND FILM 6 Nr. 4 / Dezember 2013 Katalog des Unrechts Gaza ist für die allermeisten ganz fern, weil unerreichbar. Selbst Jour nalisten gelingt es nur unter Mühen, gelegentlich in den schmalen Ga za-Streifen zu gelangen. Johannes Zang nimmt seit vielen Jahren diese Mühen auf sich und verfolgt so das Schicksal vieler Menschen in dem großen Gefängnis, das so klein wie Bremen ist, aber inzwischen von 1,7 Millionen Menschen bevölkert wird. Nicht mal bei dringend nötiger me dizinischer Behandlung haben die meisten eine Chance, das Land, das keines ist, zu verlassen. Zang berichtet aus eigenem Er leben vor allem von den vergange nen Jahren. Und er lässt Menschen zu Wort kommen, die dort gearbeitet haben oder leben. Allen voran Abed Schokry, der 2007 in seine Heimat zurückkehrte. Und so die israelischen Militäraktionen 2008/2009 und 2012 erlebte, die Machtübernahme der Hamas und das Versagen der Fatah. Im Fokus die Nöte der Men schen, auch der wenigen Christen und Ausländer, die nach wie vor dort leben. Grundsätzliche Fakten der ge schichtlichen Entwicklung kommen dabei nicht zu kurz. Die Kernbotschaft: „Gaza ist der Inbegriff des Mangels.“ Mangel an Reisefreiheit, an Waren, an Wasser. Ein Leben unter Besatzern, die sich hinter einen Zaun zurückgezogen ha ben und doch in vieler Hinsicht die Kontrolle behalten haben und jeder zeit zuschlagen können. So kommt der harte palästinensische Alltag in Gaza dem Leser sehr nah. Christoph Gocke Johannes Zang: Gaza – Ganz nah, ganz fern ... Mit Augenzeugenbe richten von Abed Schokry. AphorismA Verlag, Berlin 2013. 147 Seiten. € 15 Verhaftete Kinder Gesammelte Augenzeugenberichte, Interviews und Berichte von UNICEF und der Organisation für Kinder rechte Defense for Children Inter national vertiefen das skandalöse Thema unserer vorigen Zeitungsaus gabe: FrauenWegeNahost (hg.), Palästinensische Kinder und Jugendliche in den Fängen der israelischen Militärjustiz, 2.Aufl., 72 Seiten, Sept. 2013, 5 € plus Versand kosten. Zu bestellen bei Sabine Werner: [email protected] Ideales Geschenk Ein Standardwerk für Reisende und alle, die mehr über Palästina erfah Israel wird zunehmend als Kolonialstaat erkannt ren möchten Alternative Tourism Group, Palästina Reisehandbuch: Geschichte, Poegen Ende des 19. Jahrhunderts Wild stützt sich auf die vorhandene Häuser seit den Eroberungen 1948 litik, Kultur. Meschen, Städte, Landwanderten die ersten vom po ausländische Literatur, arbeitet wis und 1967 sowie der Annektion 1980 schaften, 664 Seiten, gebunden, 800 litischen Zionismus geprägten Ju senschaftlich und überzeugt mit ih ist ein besonderes Kapitel gewidmet. Fotos, 60 Karten und Stadtpläne, den in Palästina ein. Sie erwarben ren Argumenten. Dazu gehören Ver Der Katalog des Unrechts endet mit Palmyra Verlag, Heidelberg 2013, Land, um es selbst zu bewirtschaf gleiche mit der europäischen Besied einem Blick auf die Blockade des Ga 29,90 € ten. Schon in dieser frühen Phase lung Nordamerikas, Neuseelands zastreifens. kam es zur Verdrängung eingesesse und Australiens mit den bekannten Das Buch ist gut lesbar geschrie ner palästinensischer Bauern. Heute grausamen Begleiterscheinungen und ben und in allen Einzelheiten belegt. erstreckt sich die zionistische Kolo Folgen für die einheimische Bevölke Die Literaturliste umfaßt etwa acht nisierung Palästinas bis zum Jordan. rung. zig Bücher und Vorträge, ebenfalls Sie umfaßt allein im Westjordanland Vor diesem Hintergrund befaßt achtzig Berichte und Studien von fast eine halbe Million Siedler in sich die Autorin im einzelnen mit UNO- und Nichtregierungsorgani etwa 150 Siedlungen und rund hun verschiedenen Politikfeldern und sationen, dazu zahlreiche Hinweise dert Außenposten. weist überall das unheilvolle Wir auf Beiträge in den Medien. Fünf Im Windschatten der gefeierten ken des Siedlerkolonialismus nach. vom Verlag beigegebene Landkarten Befreiung vor allem afrikanischer Es zeigt sich besonders deutlich im sind leider älteren Datums, in den Völker von Westjordanland, wo die einheimi Anhang verbannt und nicht gut les ihren Ko sche Bevölkerung unter Enteignung bar. Im Hinblick auf die Wahrneh lonialher und Vertreibung leidet. Das von Ag mungsblockade in Deutschland ist ren gedieh rarunternehmen intensiv landwirt dem Buch eine weite Verbreitung zu neuer Ko schaftllich genutzte Jordantal weist wünschen. Karl-Otto Körber l o n i a l i s Wild als besonderen Fall ethnischer Hoffen auf Wunder mus. Die Säuberung aus. ser wurde Auch innerhalb des israelischen Petra Wild: Apartheid und ethnische Erst seit drei Jahren beschäftigt sich bisher in Staates sieht die Autorin den Koloni Säuberung in Palästina. Der zionisder gerade pensionierte Politik- und D e u t s c h alismus am Werk. Die Folgen reichen tische Siedlerkolonialismus in Wort Sportlehrer Ekkehart Drost intensiv land nicht von der Diskriminierung des palästi und Tat, 238 mit dem Leben in Palästina und Is zur Kennt nensischen Bevölkerungsteils über Seiten, br., Karrael. Und hat in dieser kurzen Zeit nis genommen. Deshalb wird das den Rassismus jüdischer Israelis bis ten, Promedia einen tiefen Einblick gewonnen in von der deutschen Arabistin Petra zur Vertreibung von Beduinen aus ih Druck- und Verdas alltägliche Leiden der Menschen Wild vorgelegte Buch über den Sied ren angestammten Gebieten im Ne lagsgesellschaft vor Ort. Mehrfach hat er sich als lerkolonialismus in Palästina drin gev. Apartheid, ethnischer Säuberung m.b.H., Wien „Ökumenischer Begleiter“ des Welt gend gebraucht. Die Autorin sieht im und agressiver Judaisierung des alten 2013, 15,90 € kirchenrats monatelang im Westjor Kolonialismus den tieferen Grund für Jerusalems einschließlich umfangrei danland aufgehalten und eine be Apartheid und ethnische Säuberung. cher Zerstörungen palästinensischer Petra Wild drückende Fülle an Schikanen, De mütigungen, Gewalt miterlebt. Durch seine Erlebnisse mit Paläs tinensern und Israelis dringt er zu Entfremdung zentralen Konflikt-Themen durch: Der Politologe Peter Beinart liefert militärische Willkür, juristische Will mit diesem Buch differenzierte In kür, Siedlergewalt, Landraub. In den formationen über die Haltung in den besetzten Gebieten genauso wie bei er im Februar diesen Jahres für gewaltfreien Widerstandes der Dorf USA lebender Juden: zum Judentum Palästinensern und Beduinen im isra einen Oscar nominierte und im gemeinschaft, auf den von Seiten der als Wertegemeinschaft und als reli elischen Kernland. Drost diskutiert, November mit einem Emmi ausge israelischen Soldaten brutal reagiert giöser Gemeinschaft, ihre Haltung dreht und wendet entscheidende zeichnete Film „5 Broken Cameras“ wird. zum Staat Israel, zu den einfluss Fragen und schöpft dabei häufig erzählt auf sehr persönliche Art die Die Bilder des Films lassen den reichsten jüdischen Organisationen aus persönlichen Begegnungen mit Geschichte des friedlichen Protests Zuschauer sprachlos zurück. Burnat und zu den amerikanischen Parteien. prägenden Vordenkern: Ist Israel des Dorfes Bil’in im Westjordanland besticht durch seinen unaufgeregten, Indem er die Gewichtsverschie ein Apartheidsstaat? Sollte die Boy unweit von Ramallah gegen den Bau beinahe beiläufigen Erzählstil ebenso bungen zwischen den wichtigsten cott-Divestment-Sanctions-Kampa und Verlauf der Mauer und die isra wie durch die Subjektivität seiner Strömungen des amerikanischen Ju gne unterstützt werden? Kann es eine elische Besatzung. Bilder. Genau die ist es, die in al dentums sowie den Wandel ihrer Zwei- oder nur eine Ein-Staaten-Lö ler Deutlichkeit die Auswirkungen Bindungen gegenüber der Politik Is sung geben? der israelischen Besatzung auf die raels nachzeichnet, macht der Ver palästinensische Zivilbevölkerung fasser deutlich, welche politischen zeigt. Sie veranschaulicht schmer Lösungen im Nahen Osten dadurch zhaft, wie systematisch von Seiten begünstigt oder tendenziell blockiert der israelischen Armee versucht wird, werden. die friedlichen Protestmärsche des Illustriert wird dies anhand der Dorfes zu unterbinden: Durch Ver Unterstützung der Nahost-Politik haftungen von Erwachsenen, so von von Präsident Obama, insbesondere Burnat und seinen Brüdern, und von dessen Eintreten für eine Zwei-Staa Kindern, durch maßlose Gewaltan ten-Lösung. wendung der israelischen Soldaten Das Buch ist der eindringliche Ap während der friedlichen Demonstra pell eines liberalen, demokratischen, tionen bis hin zur Ermordung von sich in der zionistischen Tradition Bassem Ibrahim Abu Rahma, der im verstehenden amerikanischen Juden April 2009 während der freitaglichen zur Besinnung auf die politischen In seinen Begegnungen vor Ort und Demonstration von einer Tränen Grundsätze, die zur Gründung Isra auf seinen Vortragsreisen in Deutsch gasgranate in die Brust getroffen els als des ersten jüdischen Staates land sucht er nach Spuren von Hoff wird und stirbt. formuliert worden waren. Mit die nung. Auf ein Wunder. Drost ist Auch Burnats erste Kamera wird sen ist seine Politik unvereinbar, die überzeugt, dass die Besatzung enden von solch einer Granate getrof Millionen Palästinensern jegliche wird, dass sich die öffentliche Mei fen. Vier weitere Kameras gehen im Bürgerrechte vorenthält. An der Hal nung in Deutschland wandelt, dass Der palästinensische Olivenbauer Laufe der Jahre ähnlich zu Bruch. tung zu den Palästinensern entschei Israel sich von seiner „Sicherheits Burnat avanciert im Jahr 2005 Aber aus über 500 Stunden Material det sich nach Ansicht des Verfassers hysterie“ eines Tages abwendet. Er mit seiner ersten Kamera zum macht Burnat mit dem israelischen nicht zuletzt die moralische Legitimi ist so klug, dafür keinen Zeitraum zu Dorf-Chronisten. Er filmt fröhli Co-Regisseur Guy Davidi dieses tät der Politik des Staates Israel. nennen. Ekkehart Drost vermittelt Eckart Strohmaier ein aktuelles, persönliches, vielfälti che Ereignisse im Dorf und die ers berührende Filmdokument. ten Schritte seines jüngsten Sohnes ges Bild der Menschen und der Lage Martha Tonsern, Öffentlichkeits Gibreel. Er filmt auch dann wei Peter Beivor Ort. Ein lebendiges Buch, das tief beauftragte von Kairos Palästina, ter, als israelische Bulldozer die nart: Die eindringt in die fast undurchdringli Bethlehem Olivenbäume der Bauern zerstö amerikaniche Materie und in das Empfinden ren und über die Hälfte des Landes schen Juden der Leserinnen und Leser. Christoph Gocke der Dorfbewohner enteignet wird. und Israel. Er filmt gewalttätige israeli Was falsch sche Siedler und wie die sich dahin läuft., VerEkkehart Drost: Hoffen auf das schlängelnde Mauer hochgezogen 5 Broken Cameras, ein Film von lag C.H. Wunder. Meine Begegnungen mit und Siedlungen expandiert werden. Emad Burnat u. Guy Davidi, FrankBeck, Mün- Palästinensern, Israelis und DeutSein familiäres Umfeld verknüpft reich, Israel, Palästina 2011, 90 chen 2013, schen. Beiträge zur Internationalen sich in den Bildern eng mit dem von Min., arab. und hebr. mit engli320 Seiten, Politik, Bd. 4. 250 Seiten. Gabriele zweien seiner Freunde angeführten schen Untertitlen DVD, 21, 99 € 24,95 € Schäfer Verlag, Herne 2013. € 21. G Gaza – ganz fern? PalästinaIsraelZeitung „5 Kaputte Kameras“ Oscarnominierung für Dokumentarfilm D MENSCHEN PalästinaIsraelZeitung Nr. 4 / Dezember 2013 7 Mauern durchbrechen RAJI SOURANI Worum es mir in Deutschland ging Kein Recht aufzugeben Von Mark Bravermann A ls erster Palästinenser erhielt Raji Sourani aus Gaza dieses Jahr den Alternativen Nobelpreis. Seit fast vierzig Jahren setzt sich der palästinensische Anwalt und Bürger rechtler für die Menschenrechte ein. Vor israelischen Militärgerichten hat er zahlreiche Opfer erfolgreich ver treten. Seine Arbeit stellte Sourani unter die Leitlinie: „Als Repräsentanten von Opfern haben wir kein Recht aufzugeben.“ Seine Hoffnung setzt er auf den Internationalen Gerichts hof für Menschenrechte Der Sechzigjährige lebt mit seiner Frau und zwei Kindern im Gazastrei fen. Sein Einsatz brachte ihm sechs Mal Haft in israelischen, aber auch in palästinensischen Gefängnissen ein. Zwischen 1977 und 1990 verbot ihm Israel die Ausreise aus den pa lästinensischen Gebieten. Dutzende Male wurden seine Kanzlei und sein Haus durchsucht. Auch die Hamas verfolgte ihn. Und die Fatah: Als er öffentlich die Palästinensische Auto nomiebehörde dafür kritisierte, dass der Osloer Friedensvertrag von 1993 kein Wort über Menschenrechte enthielt, kam er ins Gefängnis. Er hatte stets den Mut, auch sein eige nes Land offen zu kritisieren. „Ich dachte, dass der Kampf gegen die Alternativer Nobelpreisträger Raji Sourani aus Gaza in Stockholm A n Deutschland gefällt mir beson ders die Eisenbahn und das Bier. Langsam verbessere ich auch mein Deutsch. Zuhause in Philadelphia haben wir schließlich Jiddisch ge sprochen. Aber mich fasziniert hier, dass sich mein Feindbild auflöst, mit dem ich aufgewachsen bin: Mein Jü dischsein war eine Bunker- und Op fermentalität. Unsere beiden Haupt feinde waren die Deutschen und die Araber, die einen in der Vergangen heit, die anderen in der Gegenwart. Und deshalb brauchen wir den Staat Israel. In Deutschland überwinde ich in mir diese psychologische Mauer so wie ich 2006 die Mauer zu den Pa lästinensern durchbrochen habe. Da mals bin ich zum ersten Mal in das Westjordanland gefahren, um Pa lästinensern zu begegnen. Wichtige Schritte in Richtung Heilung. Hier kristallisieren sich meine The men. Ich sehe in den Deutschen mein Spiegelbild. Bei ihnen habe ich das tiefe Bedürfnis gespürt, von ihren Mauern befreit zu werden. In Stutt gart, vor meinem ersten Vortrag in Deutschland letztes Jahr, sagte mir der Veranstalter: „Sagen Sie nichts zum Boykott! Das ist hier hochsensi bel!“. Ich nahm seine Bitte ernst, aber ich spürte später den Hunger bei den Zuhörern, dass das ausgesprochen wird, was sie als richtig empfinden, aber nicht sagen dürfen. Ich fragte sie: „Wer unter Ihnen verwechselt eigentlich die juden feindliche Gesetzgebung des Drit ten Reichs in den 1930er Jahren mit der internationalen Bewegung heute, den Staat Israel wegen des Unrechts an den Palästinensern zu sanktionie ren?“ Ich bat nicht um Handzeichen, aber empfand deutlich die non-ver bale Antwort: Es war Erleichterung, ja Dankbarkeit. Ich sagte weiter: Foto: Wolfgang Schmidt Besatzung das Schwierigste sei, aber ich fand heraus, dass das naiv war. Der Kampf gegen die eigene Regie rung um die Anerkennung von De mokratie, Rechts staatlichkeit und Menschenrechten ist viel komplizier ter und schwieri ger“, sagte Sourani einmal. Als Weltbürger ist Sourani nationa listisches Denken fremd. Trotz erheb licher Mobilitätseinschränkungen aus politischen Gründen gelang es ihm, viele Länder zu bereisen und junge, gleichgesinnte Bürgerrechtler über notwendige Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte zu informieren. Als Präsident der Arabischen Orga nisation für Menschenrechte wirkt er durch Vorbild und konkrete Pro gramme weit über Palästina hinaus. Neben Ehrungen durch Frankreich und Österreich erhielt Raji Sourani bereits den Robert F. Kennedy Preis für Menschenrechte. Am 26. Sep tember verlieh ihm die schwedische Right Livelihood Stiftung als erstem Palästinenser den diesjährigen Right Livelihood Award, den Alternativen Nobelpreis, „weil er unter außeror dentlich schwierigen Umständen un erschütterlich für die Herrschaft des Rechts und der Menschenrechte ein tritt“. Aref Hajjaj www.rightlivelihoodaward.org www.pchrgaza.org MELDUNGEN Freiheitspreis für Barenboim Der Dirigent und Pianist Daniel Ba renboim wurde am 23. Oktober mit dem Freiheitspreis der Freien Uni versität Berlin ausgezeichnet. Mit der Ehrung wurde das Engagement des Musikers für einen Dialog im Nahen Osten gewürdigt. Barenboim hatte 1999 gemeinsam mit dem pa lästinenischen Literaturwissenschaft ler Edward Said das „West-Eastern Divan Orchestra“ gegründet. Es ver eint junge Musiker aus Israel, den palästinensischen Gebieten und ara bischen Ländern und soll den Dialog und das gegenseitige Zuhören durch das gemeinsame Musizieren för dern. FU Berlin „Ich mache mit Ihnen einen Deal: Wenn Ihr als Deutsche aufhört, Euch als die schlimmsten Verbrecher der Weltgeschichte zu sehen, werde ich als Jude aufhören, das größte Opfer der Weltgeschichte zu sein. Es ist an der Zeit für uns alle, loszulassen und die Zukunft zu gestalten.“ Mark Braverman Foto: Liva Haensel Kirchenvolk gegen Leitung Etwas Besonderes bei der diesjähri gen Tour war, dass ich Vertreter der Kirchenleitung traf, zum Beispiel ei nen ehemaligen evangelischen Lan desbischof in Bayern. Er drückte die offizielle Haltung der Kirche so aus, dass die Deutschen eine besondere Verantwortung gegenüber Israel ha ben. Deswegen könne man den Boy kott nicht unterstützen und müsse immer im Dialog mit dem jüdischen Volk bleiben. akzeptiere, aber selbst wenn, solle er die palästinensische Sache zu seiner machen, den Staat Israel mit seinen Menschenrechtsvergehen konfrontie ren und ihn von seiner Rolle als Un terdrücker befreien. Was ich dem Bischof nicht sagte, aber für wesentlich halte, ist, dass es ihm als Vertreter der Institution im Grunde darum geht, seine Kirche, sich selbst und seine Position vor der Zensur durch das jüdische Establish ment zu schützen. Jesus, der beste Jude Dagegen waren die Menschen zwi schen Ulm und Hannover, die zu meinen Vorträgen kamen, nicht mehr bereit, sich abspeisen zu lassen mit „Es muß aber ausgewogen sein.“ oder „Wir müssen doch unsere Ver bindung mit der Wurzel, dem Juden tum, ehren“. Das ist ja richtig, aber da fehlt der Jesus der Evangelien, der vor dem Tempel stand und sagte, der wird zerstört und durch meinen Leib ersetzt werden, was bedeutet: An stelle des Systems von Gier und Un terdrückung wird eine auf Gleichheit und tätigem Mitgefühl beruhende universale Gemeinschaft treten. Je sus war der beste Jude – er stand für die grundlegenden Prinzipien der To rah, gegen die das damalige jüdische Establishment durch Kollaboration mit dem Römischen Reich verstieß. Er forderte die Mächtigen heraus und stand für die Armen und Un terdrückten auf. Matthäus, Kapitel 25! Ich bete für den Tag, an dem die Christen nicht die Erlaubnis eines Juden brauchen, um Jesus wirklich nachzufolgen, aber für den Moment sehe ich das als meine Aufgabe. Mark Braverman, jüdischer Tabubrecher, Psychologe und Autor, war im Frühjahr auf Vortragsreise durch Deutschland, eingeladen vom christlichen „Netzwerk Kairos Palästina“. Textdokumentation und Übersetzung: Christian Kercher; autorisiert durch Mark Braverman, Portland, Oregon Bücher: Braverman. Verhängnisvolle Scham. Israels Politik und das Schweigen der Christen, Gütersloher Verlagshaus, 2011 – ders., A wall in Jerusalem: Hope, Healing and the Struggle for Justice in the Holy Land, Jericho Books 2013 Braverman spricht am 17.1.14 in Bonn: siehe S. 8 PalästinaIsraelZeitung für Völkerrecht und Menschenrechte Die Palästina-Israel-Zeitung ist nicht Partei für Israel oder die Palästinenser, sondern für Menschlichkeit im Sinne der Menschenrechte und des Völkerrechts. Solange Unrecht herrscht, kann es keinen Frieden geben, sondern nur fortgesetztes Leid von Millionen Menschen. Die Palästina-Israel-Zeitung will Verständnis für die komplizierte Realität des Nahostkonflikts vermitteln. Konkretes Unrecht muss benannt und bekannt werden, auch gegen den Willen der Verantwortlichen. Zumal von keiner offiziellen Seite Förderung zu erwarten ist, ist die PalästinaIsrael-Zeitung auf den Einsatz engagierter Gruppen und Einzelner für die Verbreitung und auf die Hilfe vieler Spender angewiesen. Sie kann für eine gezielte Weitergabe in mehreren Exemplaren bestellt werden. Damit ist die Bitte verKatholisches Wohnhaus bunden, nach Möglichkeit mindestens zerstört 1 € je Exemplar zuzüglich Versandkosten Am 28. Oktober wurde vom isra zu spenden. elischen Militar ein kircheneigenes Wohnhaus in Ostjerusalem zerstört. Der Lateinische Patriarch, Fouad Twal, verurteilte diesen „Akt des Van dalismus“. Laut des Uno-Büros zur Koordinierung humanitärer Angele genheiten (OCHA) zerstörte das isra elische Militär in diesem Jahr bis zum 9. Dezember 506 Häuser in Ostjeru salem und den C-Gebieten des West jordanlandes. 715 Personen wur den dadurch obdachlos. Kipa/apic Abgesehen davon, dass er den Staat Israel mit den Juden gleichsetzt, ist es problematisch dass er beide, Deut sche und Juden, in ihrem Trauma ge fangen hält, wenn er so selbstbezogen in seiner Rolle als Täter bleibt, der sühnen muß. Ich sagte ihm, dass ich die „deutsche Besonderheit“ nicht Arbeitsgemeinschaft Völkerrecht und Menschenrechte in Palästina und Israel e.V. Die gemeinnützige AG sammelt und veröffentlicht zuverlässige Informationen über die menschen- und völkerrechtliche Situation und Entwicklung in Palästina und Israel. Auf dieser Grundlage gibt sie die Palästina-Israel-Zeitung heraus. Sie sucht die Zusammenarbeit mit Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Deutschland, Israel und Palästina. Wir laden ein, Mitglied in der AG zu werden, um ihre Arbeit zu unterstützen und in ihr mitzuwirken. Der Jahresbeitrag beträgt für Gruppen 50 € und für Einzelpersonen 30 €. Auf Wunsch senden wir die Satzung der AG zu. Konto: AG Völker- und Menschenrechte Pal./Isr. e.V. Nr. 705 800 014, BLZ 380 601 86 (Volksbank Bonn Rhein-Sieg) IBAN: DE45 3806 0186 0705 8000 14 BIC: GENODED1BRS Wenn bei Überweisungen eine steuerliche Zuwendungsbestätigung gewünscht wird, ist die Angabe der Postadresse erforderlich. Palästina-Israel-Zeitung Hiermit bestelle ich je Exemplare der Palästina-Israel-Zeitung mit drei Ausgaben bis zum Frühjahr 2015. Wir bitten um eine Spende von mindestens 1 € zuzüglich Versandkosten je Exemplar und Ausgabe. Arbeitsgemeinschaft Völkerrecht und Menschenrechte in Palästina und Israel e. V. Ich beantrage die Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft. ja nein Name: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Straße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PLZ/Ort: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wenn Sie Kontakt wünschen oder den Antrag auf Mitgliedschaft stellen, tragen Sie bitte Ihre Telefon- und E-Mail-Verbindung ein. E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Telefon: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datum/Unterschrift: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Senden Sie diesen Abschnitt bitte an: Zeitungsbestellung: Christian Kercher, Christstraße 42, 14059 Berlin E-Mail: [email protected] Antrag auf Mitgliedschaft: Peter Bingel, Am Ordensgut 2, 53639 Königswinter, E-Mail; [email protected] BASAR 8 Nr. 4 / Dezember 2013 PRESSESTIMMEN Raufbold Die Süddeutsche Zeitung kommen tierte am 7. November: „... der Freispruch für Ex-Außenminister Avigdor Lieberman führt das Land geradewegs nach vorn in die Vergan genheit. Aller Voraussicht nach wird der russophile Raufbold nun ins Amt des Außenministers zurückkehren. Dort hatte er von 2009/ 2012 bereits beträchtlichen Schaden angerichtet und selbst beste Freunde verstört. ... Israel kannn sich einen Chefdiploma ten vom Schlage Liebermans heute noch viel weniger leisten als früher.“ Entscheidungsunfähig Die Frankfurter Allgemeine am 11. November in einem Kommentar zum Iran: „Eine Entschärfung der IranFrage würde unweigerlich die Bli cke wieder auf die Verhandlungen mit den Palästinensern richten. Und da ist Netanjahus Koalition schlicht entscheidungsunfähig.“ GEDICHT Bauer Taha Muhammad Ali gilt als der be deutendste palästinensische Dichter Ein Bauer, mit israelischem Pass. Sein Heimat Sohn eines Bauern, dorf Saffoura in Galiläa wurde 1948 Habe ich die Arglosigkeit einer zerstört. Als Fremder im eigenen Mutter, Land, als Bürger zweiter Klasse, kam Und die Gerissenheit er nach Nazareth. Dort betrieb er ei Eines Fischverkäufers. nen Souvenirladen, las und schrieb Ich höre nicht auf zu mahlen, nachts. „Ich werde fortbestehen / Solang im Hals meiner Mühle Als ein Fleck Blut / Von der Größe Noch ein einziges Korn steckt. einer Wolke / Auf der weißen Weste Ich höre nicht auf zu säen, dieser Welt.“ In diesen Zeilen eines Solange in meinem Sack Gedichts von 1973 ist alles enthalten, Noch eine Handvoll was ein geplagtes Volk wie das pa lästinensische der Welt zu sagen hat, Von Korn ist. schrieb Harald Hartung in der ZEIT. ck Taha Muhammad Ali (1941 – 2008) aus: Taha M. Ali, An den Ufern der Dunkelheit. Gedichte aus Palästina, übersetzt v. Stefan Weidner, Fischer Tb, Frankfurt am Main, 2013, Seite 75 Unwillig Am 14. November kommentierte die Frankfurter Allgemeine den Streit zwischen Israel und den USA über den Siedlungsbau: „Netanjahus Bauminister will keinen Palästinenserstaat, und einen Unterschied zwischen ei nem Bauprojekt an der Mittelmeer küste und im Westjordanland sieht er nicht. Der Siedlungsbau wird weiter gehen, unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen um Irans Atompro gramm. Damit bleibt die Siedlungs politik eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem Frieden zwi schen Israel und den Palästinensern.“ Entsetzen Die Neue Zürcher Zeitung am Sonn tag wies am 24. November in ih rem Kommentar vom zu den Gen fer Atomgesprächen auf eine mög liche Folge für Israel hin: „Aber auch bei der Lösungssuche für den israelisch-palästinensischen Konf likt dürfte Teheran künftig über ein Mitspracherecht verfügen. Diese Per spektive ist es, die in Israel Entsetzen auslöst und zum einmaligen Schaus piel führt, dass Premier Netanjahu in Was bleibt uns? Gemälde des palästinensischen Malers Ibrahim Hazimeh aller Öffentlichkeit seinem ‚Freund’ Ähnlich verlief auch mein Weg zum Barack Obama in den Rücken zu LESERBRIEFE fallen versucht.“ Begreifen, wer für die Errichtung des Staates Israel weichen mußte, und Dicke Bretter ich kenne etliche Menschen meiner MELDUNG „... danke ich für die Überlassung Altersklasse (geb.1943), die es ge der Palästina-Israel-Zeitung, die gut nauso erlebt haben. Bei mir war es In Mandelas Gefängniszelle gemachte lesenswerte Beiträge zur der Gebetstag der Frauen 1993 oder Am 27. Oktober 2013 begann eine Meinungsbildung enthält. Das Boh 1994, der das beschämte Erwachen südafrikanische Solidaritätsaktion ren dicker Bretter vor den Köpfen ist brachte! ... Ich wünsche Ihnen Kraft für die Freilassung Marwan Bar verdienstvoll.“ und langen Atem bei der Gestaltung Rudolf Herrmann, Bad Honnef der Zeitung und Erfolg mit der Ar ghoutis. Die Eröffnungszeremonie fand auf Robben Island in der ehe beitsgemeinschaft „Völkerrecht und maligen Gefängniszelle von Nelson Verbissen Menschenrechte in Palästina und Is Mandela statt. Mitträger dieser Ak So wichtig ich das Anliegen finde, rael“ – es ist weiterhin dringend nö tion ist die Ahmed-Kathrada-Stif dem deutschen Leser die Hinter tig. Gertrud Zeckau, Holzkirchen tung, deren Namensgeber ebenfalls gründe des Nahostkonflikts verständ langjährig auf der Gefängnisinsel in licher zu machen: Von der Weise, in haftiert war. Der palästinensische Po der Ihre Zeitung dies versucht, bin litiker Marwan Barghouti war 2002 ich zunehmend weniger überzeugt. Erschütternd in Ramallah verhaftet und in Israel Das fängt schon beim Namen der Die Berichte über das Verhalten vom unter völkerrechtswidrigen Umstän Zeitung an. In der aktuellen Ausgabe israelischen Militär gegenüber Kin den wegen Mordes zu lebenslanger verteidigen Sie ja ausdrücklich Ihren dern in den besetzten Gebieten sind Haft verurteilt worden. „einäugigen“ Fokus. Name und Un erschütternd. Es ist – auch um Isra Ahmed-Kathrada-Stiftung tertitel der Zeitung lassen aber etwas els willen – wichtig, dass diese Dinge anderesvermuten. Ein anderer Punkt, bekannt gemacht werden, damit sie an dem Ihre Zeitung zunehmend endlich – zusammen mit der Besat „verbissen“ rüberkommt: In der al zung – aufhören! Ich bin auch dank 18. Juli 1918 – lerersten Ausgabe war Kulturelles er bar dafür, dass in Ihrer Zeitung die 5. Dezember 2013 freulich stark vertreten. In der aktu Stimmen der israelischen Gruppen zu ellen Ausgabe finde ich davon kaum Wort kommen, die für die Menschen Herausgeber und Redaktion der Palästinanoch etwas. Das ist schade. rechte und den Frieden eintreten. Die Judith Bader, Berlin internationale Solidarität mit den Israel-Zeitung sind dankbar für das Le ben dieses Kämpfers gegen Apartheid Menschen, die unter der israelischen Erkenntnis und für Gerechtigkeit in Südafrika. Möge Besatzung zu leiden haben, kann nur sein beispielhafter Einsatz in anderen Persönlich danken möchte ich Sa in Zusammenarbeit mit Kräften aus Regionen der Welt Nachahmer finden. bine Werner, die auf S.7 „Bekennt Israel selbst etwas bewirken. Rudolf Hinz, Groß-Kummerfeld nisse eines Kriegskindes“ schrieb. Nelson Mandela PalästinaIsraelZeitung VERANSTALTUNGEN Bad Boll 4. bis 6. Juli in der Evangelischen Akademie Tagung über „Jugend in Israel und Palästina“ Mahnwache der FRAUEN IN SCHWARZ „Für einen gerechten Frieden im Nahen Osten – Schluss mit der Besatzung“ Bamberg 3.5. Priesterseminar: Lesung von Jo hannes Zang Informationen: www.jerusalam.info Osnabrück 6.2. VHS, Bergstraße 8, 19 Uhr: Vor trag von Ekkehart Drost „Palästi nensisches Leben unter israelischer Besatzung“ Bern/Schweiz 27.12.13, 17-19 Uhr Bundesplatz: 1.400 Kerzen für die Toten von 2008/9. Fünf Jahre nach dem mörde rischem Angriff auf Gaza Celle 22.5. Ev. Freikirchliche Gemeinde, Hannoversche Straße 51, 20 Uhr: Vortrag von Ekkehart Drost „Paläs tinensisches Leben unter israelischer Besatzung“ Freiburg (Breisgau) 19.1. Café Palestine, 16 Uhr: Vortrag von Ekkehart Drost „Palästinensi sches Leben unter israelischer Besat zung“ 16.2. Café Palestine: Johannes Zang liest aus seinem Buch „Unter der Oberfläche – Erlebtes aus Israel und Palästina“ Informationen: www.je rusalam.info Rottweil 22. 1. Evangelisches Gemeindehaus, 20 Uhr: Vortrag von Ekkehart Drost „Palästinensisches Leben unter israe lischer Besatzung“ Stadthagen 11.6. Alte Polizei, Obernstraße 29, 19.30 Uhr: Ekkehart Drost liest aus seinem Buch „Hoffen auf ein Wun der“ Straubing 19.3. Karmelitenkloster, 19.30 Uhr: Sumaya Farhat-Naser stellt ihr neues Buch „Im Schatten des Feigenbaums“ vor, Informationen:www.straubing. de/de/kultur-sport-und-freizeit/ver anstaltungen/Kalender Reisen in das Heilige Land 19. bis 29. Mai sowie 25. August bis 4. Sepember: Pilger- und Solidaritätsrei sen mit Pater Rainer Fielenbach, In formation: www.karmelitenorden.de Heidelberg 21. 1. Palästina/Nahost-Initiative in der Weststadt, 19:30 Uhr: Vortrag von Ekkehart Drost „Palästinensi 6. bis 16. Oktober – Begegnungsreise sches Leben unter israelischer Besat Palästina und Israel zung“ Informationen: [email protected] Königswinter-Oberdollendorf 8.2. Evangelisches Gemeindezent rum, Friedensstraße 29, 10:30 Uhr: Ekkehart Drost „Kim Wessel als OP-Schwester in Gaza – Buchpräsen tation ‚Hoffen auf ein Wunder’“ Daoud Nassar (Zelt der Völker) spricht während seiner nächsten Deutschlandreise in folgenden Or ten: 22.3. Freiburg, 23.3. Huefin gen, 24.3. Herrieden, 25.3. Bamberg, Gymnasium, und in Würzburg, 26.3. Wuppertal-Ronsdorf, 27.3. Dort Mainz mund, 28.3. Münster und Schwerte, 3.5. Ökumenische Versammlung, Haus Villigst, 29.3. Ibbenbüren und 10:30 Uhr: Vortrag von Ekkehart Löhne, 30.3. Emden Drost „Palästinensisches Leben un ter israelischer Besatzung“ Aktuelle Termine unter: www.palaestina-heute.de/Veranstal München tungen/veranstaltungen.html und jeden 2. und 4. Freitag im Monat 13 www.friedenskooperative.de/nahost. bis 14 Uhr in der Fußgängerzone: html Siedler in Hebron und palästinensischer Junge mit Wachturm der israelischen Armee Foto: Sarah Milena Jochwed ZITIERT Warum funktioniert der Friedensprozess nicht? Erstens weil Israel keinen souveränen Staat Palästina will und zweitens weil die USA kein ehrlicher Makler, sondern Israels Bankier und Rechtsanwalt sind. Das Wort ‚Nahostkonflikt‘ gaukelt vor, dass es sich um zwei gleichrangige Konfliktpartner handelt. Aber des Übels Wurzel ist die fortgesetzte Enteignung von Palästinensern und ihre ethnische Säuberung. Wir haben das in Südafrika nicht akzeptiert und wir können das hier auch nicht akzeptieren Mark Braverman