Wie übertrage ich meine Immobilie richtig
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Wie übertrage ich meine Immobilie richtig
Wie übertrage ich meine Immobilie richtig? Freitag, 08.11.2013, 19.45 Uhr Gaststätte Kaiserhalle, Bornheim Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 1 Einführung • • • • Stolzer Eigentümer einer gepflegten Immobilie zu sein ist nicht nur schön, sondern auch eine Verantwortung. Zu dieser Verantwortung gehört auch, sich Gedanken darüber zu machen, was mit der Immobilie geschehen soll, wenn man sich nicht mehr selbst um sie kümmern kann oder tot ist. Nicht einfach, sich mit diesen Gedanken auseinanderzusetzen. Andererseits lohnenswert, sich rechtzeitig damit zu beschäftigen, denn die Steuerungsmöglichkeiten sind umso größer, je früher man sich die Gedanken macht (es können u.U. mehrere gesetzliche Fristen in Gang gesetzt werden). Zunächst gehe ich auf die möglichen Motive für eine Übertragung ein; danach zeige ich einige klassische Gestaltungsinstrumente auf, um die Ziele des Übergebers zu verwirklichen (Blick in die „Werkzeugkiste“ des Notars). Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 2 Definition Übertragungs/Übergabevertrag • Eigentumsumschreibung zu Lebzeiten und nicht erst nach dem Tod; • keine kaufmännischen Vertragsbedingungen; • im Regelfall unter nahen Angehörigen. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 3 Die richtige Vorgehensweise • Herausarbeiten der Motive; • Diskussion der Motive mit dem Notar in einem Besprechungstermin; • innerfamiliäre Diskussion des Vertragsentwurfs (sinnvoll, aber nicht zwingend); • ggf. steuerliche Prüfung durch einen Steuerberater; • am besten Mitwirkung aller betroffenen Familienmitglieder bei der Beurkundung (sinnvoll, aber nicht zwingend); • wg. diverser Fristen sinnvoll, ein Beratungsgespräch nicht allzu lange aufzuschieben (langfristige Planung erforderlich). Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 4 Mögliche Motive/Ziele • • • • • • • • • • Vorweggenommene Erbfolge. Unternehmensnachfolge. Entlastung von Verantwortung. Versorgung des Übergebers. Belohnung. Starthilfe für Angehörige. bei Ehegatten: paritätische Vermögensverteilung, vorweggenommener Zugewinnausgleich, Haftungsvermeidung. Pflichtteilsreduzierung. Sorge vor Vermögenseinsatz im Alter. Vermeidung von Erbschaftssteuer. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 5 Vorüberlegung: Übertragung oder doch besser Testament? • Nachteil der Übertragung: Der Übergeber verliert seine Verfügungsbefugnis, auch dann, wenn er sich umfassende Nutzungsrechte vorbehält. Stets Mitwirkung des Eigentümers erforderlich, wenn Belastung oder Verkauf. • Bei steuerlicher Motivation: Welche Erbfolge strebe ich an? (bei Eheleuten: ersten und zweiten Sterbefall bedenken) Würden die Freibetragsgrenzen des Steuerrechts im Erbfall überhaupt überschritten? Gefahr bei Erbrechtslösung: Steuerrecht könnte sich in der Zwischenzeit ändern. • Bei Angst vor Einsatz der Immobilie für Heim-/Pflegekosten ist zu bedenken: - Auch vorbehaltene Rechte des Übergebers sind für Kosten einzusetzen. - Möglicherweise Überleitung von Unterhaltsansprüchen ggü. den Kindern. - Erwerber kann Rückgabe der Immobilie abwenden durch Geldzahlungen. Daher Frage: Lohnt der Aufwand? Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 6 Motiv: vorweggenommene Erbfolge Die Vorzüge vorweggenommener Erbfolge: • Keine erbfolgetechnische Umsetzung erforderlich; bei mehreren Grundstücken unmittelbare Vermögensverteilung unter den Erben möglich (keine Erbauseinandersetzung mehrerer Erben bzgl. der Grundstücke erforderlich). • Rechtssicherheit für die Nachkommen. • Größere Transparenz (Übertragungsvertrag als Diskussionsmöglichkeit in der Familie). • Möglichkeit der Minderung von Pflichtteilsansprüchen missliebiger Pflichtteilsberechtigter durch Ingangsetzung der 10jährigen Hinzurechnungsfrist im Pflichtteilsrecht. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 7 Motiv: Sicherung der Unternehmensnachfolge Die Vorzüge der lebzeitigen Unternehmensnachfolge: • Sicherung der Handlungsfähigkeit des Unternehmens unmittelbar nach dem Tod: keine Zeitverluste durch erbfolgetechnische Abwicklung. Besonders folgenschwer: auslegungsbedürftige privatschriftliche Testamente. • Frühzeitiges Signal an Geschäftspartner und Konkurrenten. • Rechtzeitige Entlastung des Unternehmers im Alter. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 8 Motiv: Entlastung • Die regelmäßigen und außerordentlichen Belastungen einer Immobilie können nach Eintritt in das Renten-/Pensionsalters zu Liquiditätsengpässen führen (noch nicht abgelöste Darlehen, Renovierungs-/Sanierungsstau). • Schwindende Kräfte des Übergebers (Bsp. großer Garten). • Wunsch nach Minderung des erforderlichen Zeitaufwands. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 9 Motiv: Versorgung • Versorgung mit Einkommen: mehr Liquidität durch Wegfall von Belastungen, Abfindungszahlung, Rentenzahlungsverpflichtung des Erwerbers. • Versorgung mit Wohnung: insbesondere bei Übergabe der einzigen Immobilie, in der der Übergeber wohnt. • Versorgung mit Pflegeleistungen: Sicherung, dass Pflege möglichst zu Hause und durch nahe Angehörige erfolgt. Bindung des Erwerbers. Allerdings Grenzen der Belastbarkeit des Verpflichteten beachten. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 10 Motiv: Belohnung • Anerkennung für bereits erbrachte unentgeltliche Pflegeleistungen an den Veräußerer oder dessen Angehörige, insbesondere wenn hierüber bislang kein Pflegevertrag geschlossen worden ist. Dokumentation der Pflegeleistung und Sicherstellung, dass Erwerber die Immobilie tatsächlich erhält. • Alternative: Abschluss eines Pflegevertrages, der schuldrechtliche Ansprüche gegenüber den Erben begründet. Risiken für den Pflegenden: Wegfall oder Belastung der Immobilie zu Lebzeiten des Veräußerers, Durchsetzungsrisiko gegenüber den gesetzlichen/testamentarischen Erben, wenn Erwerber <> Erbe. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 11 Motiv: Starthilfe • Insbesondere dann, wenn Investitionen des Erwerbers geplant sind (z.B. Bebauung eines Bauplatzes, energetische Sanierung); ohne Übertragung ginge die Investition wirtschaftlich in das Vermögen des Veräußerers über. Vor allem dann problematisch, wenn neben dem Erwerber auch noch andere Personen als Erben in Betracht kommen. • Kreditgeber des Erwerbers verlangen in der Regel die Bestellung von Sicherheiten; Übertragungsobjekt ist hierzu besser geeignet als Bürgschaft des Veräußerers (Haftung des Veräußerers mit dem gesamten Vermögen). Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 12 Motive für Ehegattenzuwendungen • • • • • Paritätische Vermögensverteilung gewünscht: Gleichstellung des Ehegatten, nachdem ein Grund für eine ungleiche Vermögensverteilung weggefallen ist oder um zufällige Ungleichheiten zu kompensieren. Kompensation für Leistungen des Ehegatten, Absicherung des Ehegatten im Verhältnis zu den Abkömmlingen. Absicherung des Ehegatten aber auch rein erbrechtlich möglich durch Alleinerbeinsetzung des Ehegatten. Keine Reduzierung der Pflichtteile der Abkömmlinge durch Vermögensübertragung auf Ehegatten wg. § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB. Vorbereitung steuergünstiger Vermögensübergaben an Abkömmlinge. Vorweggenommener Zugewinnausgleich: Erleichterung einer Berechnung des Zugewinnausgleichs in Geld für den Scheidungsfall, wenn Anschaffung in der Ehezeit zunächst durch einen Ehegatten. Sicherung vor Gläubigerzugriff: Haftungsminderung für Selbständige, beachte allerdings Anfechtungsfristen AnfG und InsO. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 13 Mehrheit von Motiven/Zielen • Ziele können sich in einem Spannungsverhältnis stehen (Starthilfe, Pflichtteilsreduzierung, Schutz vor Vermögenseinsatz contra Versorgung). • Abwägung erforderlich; Abwägung bestimmt das anzuwendende vertragliche Instrumentarium. • Aufgabe des Notars: Verwirklichung der abgewogenen Übertragungsziele bei gleichzeitiger Nutzung der im konkreten Fall sinnvollen Sicherungsinstrumente. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 14 Absicherungsinstrumente zum Schutz des Übergebers: • Nießbrauchrecht, • Wohnungsrecht, • Leibrente, • Pflegeklausel, • Rückforderungsrecht. (jeweils ohne oder mit dinglicher Absicherung im Grundbuch möglich) zum Schutz des überlebenden Ehegatten: • Pflichtteilsanrechnung oder Pflichtteilsverzicht des Erwerbers. zum Schutz des Erwerbers und der weiteren Kinder des Übergebers: • Pflichtteilsanrechnung oder Pflichtteilsverzicht des Erwerbers. • Vereinbarung von Ausgleichszahlungen. • Ausgleichungsvereinbarungen für den Erbfall. • Gegenständlich beschränkte Verzichte auf Pflichtteils-/Erbergänzungsansprüche der weiteren Kinder. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 15 ** Nießbrauch ** • • • • • • Umfassendes Nutzungsrecht: Eigennutzung und/oder Vermietung. Besitzrecht, Pflicht zur Substanzerhaltung (Umgestaltungsverbot, Versicherungspflicht). Grundsätzlich Überlassung an Dritte möglich (aber ausschließbar). Kostentragung durch Berechtigten: Reichweite regelbar. Nach dem Gesetz trägt Berechtigter gewöhnliche Unterhaltung, Kleinreparaturen, Darlehenszinsen, laufende Lasten. Beim Vorbehalt eines NettoNießbrauchs bleibt der Veräußerer wirtschaftlicher Eigentümer, Erwerber ohne Kosten. Pflichtteilsergänzung: Frist läuft nicht an, aber Berücksichtigung nach dem Niederstwertprinzip, wenn Grundbesitz bis zur Pflichtteilsergänzung Werterhöhung erfährt (Abzugsposten vom Zuwendungswert). Steuer: Nießbrauch ist Abzugsposten bei Schenkungsteuer. Anwendungsgebiet: v.a. steuermotivierte Übertragungen (Ausnutzung von Steuerfreibeträgen), ohne dass wesentliche wirtschaftliche Änderungen gewünscht werden. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 16 ** Wohnungsrecht ** • • • • • • • Nutzung zu Wohnzwecken durch Berechtigten, hierbei Ausschluss des Eigentümers, einzelne Räume oder gesamte Immobilie. Abgrenzung zu: Mitwohnrecht, Wohnungsreallast. Familienangehörige/Hauspersonal dürfen aufgenommen werden. Überlassung an Dritte bei besonderer Gestattung möglich, dann aber pfändund überleitbar. Kostentragung durch Berechtigten: grds. nur Verbrauchskosten und Schönheitsreparaturen. Bei Nichtausübbarkeit grds. kein Recht zur Vermietung, aber nach Vertragsauslegung Anspruch auf Ersatz ersparter Aufwendungen. Auflösende Bedingung bei dauerhaftem Verlassen zulässig. Pflichtteilsergänzung: Frist läuft bei Wohnungsrecht an gesamter Immobilie nicht an, aber Abzugsposten. Steuer: Wohnungsrecht ist Abzugsposten bei Schenkungsteuer. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 17 ** Leibrente ** • • • • • Regelmäßig wiederkehrende lebenslange Geldleistung. Wertsicherung erforderlich, wenn Veräußerer die Leibrente zu seinem Lebensunterhalt benötigt. Anpassungsklausel: in der Regel Koppelung an Verbraucherpreisindex. Absicherungen: Rentenreallast im Grundbuch und Zwangsvollstreckungsunterwerfung. Steuer: Bei Erwerber nur noch begrenzte Abzugsfähigkeit als Sonderausgabe (nur bei Unternehmensübergabe, nicht mehr bei Grundstücksübertragung). Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 18 ** Pflegeklausel ** • • • • • • Eintrittszeitpunkt, Umfang und Leistungsort sollten definiert werden. Begrenzungen erforderlich, um den Erwerber nicht zu überfordern (fehlende Fachausbildung, begrenzte Zeit- und Kraftresourcen des Erwerbers). Übertragbarkeit der Leistungserbringung auf Dritte klären. Vererblichkeit der Leistungspflicht klären. Verhältnis zur Pflegeversicherung klären (Nachrangigkeit? Pflicht zur Antragstellung? Wem soll gezahltes Pflegegeld zustehen?). Grundbuchliche Absicherung durch Reallast möglich. Schenkungsteuer: Pflegeklausel ist Abzugsposten. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 19 ** Rückforderungsrecht ** • • • • • • Recht auf Rückerwerb des Grundstücks durch den Veräußerer. Nur für bestimmte Fälle oder jederzeitig. Jederzeitiges Rückforderungsrecht aber problematisch, da steuerschädlich, schädlich für Pflichtteilsergänzung und außerdem pfändbare Vermögensposition beim Veräußerer, Erwerber zumeist auch nicht mit Reichweite einverstanden. Rückforderungsgründe vielfältig bestimmbar, meistens bei Verstoß gegen Verfügungsverbot, Vermögensverfall des Erwerbers, vorzeitigem Tod des Erwerbers oder Scheidung des Erwerbers. Ausübungsrecht erlischt mit dem Tod. Bereits geltend gemachtes Recht geht auf Erben des Veräußerers über. Modalitäten der Rückabwicklung sind vertraglich zu regeln. in der Regel Absicherung im Grundbuch durch Vormerkung. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 20 ** Pflichtteilsanrechnung/-verzicht des Erwerbers ** • In der Regel ist eine Anrechnungsbestimmung vorzunehmen: Anrechnung auf Pflichtteilsanspruch des Erwerbers nach dem Veräußerer, z.B. bei wechselseitiger Alleinerbeinsetzung der Ehegatten. Bestimmung ist grds. bei der Verfügung vorzunehmen, es sei denn, dass sich der Übergeber durch Erklärung ggü. dem Erwerber eine spätere Anrechnungsbestimmung vorbehält. • Noch weitergehend: Pflichtteilsverzicht gegenüber dem Zuerstversterbenden der Eltern. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 21 Berücksichtigung der weiteren Abkömmlinge • Mitwirkung der weiteren Abkömmlinge nicht zwingend, aber sinnvoll. • Kompensation zum Zwecke der Gleichstellung: Vereinbarung von Ausgleichszahlungen, die sofort oder nach dem Tod fällig werden können. Oder: Ausgleichungsvereinbarungen (Berücksichtigung beim Erbrecht). • Vorsorge zum Schutz des Erwerbers: Verzicht der weiteren Abkömmlinge auf Pflichtteils-/Erbergänzungsansprüche bzgl. der übertragenen Immobilie. Notar Dr. Alexander Grein, Bonn 22