Baukasten sucht weitere Applikationen

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Baukasten sucht weitere Applikationen
Vor der Serie
Mechatronik
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03/2006
Torquemotoren
Baukasten sucht
weitere Applikationen
State-of-the-art-Technologien zu neuartigem Bootsantrieb kombiniert
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Entwickler, die auf das bislang Unentdeckte zielen, haben es meist schwer. Erfolgversprechender ist Entwicklungsarbeit, die vorhandene Technologien ganz
unterschiedlicher Bereiche zu einem starken Team zusammenspannt. So hat
Torqeedo Hocheffizienzmotoren, hochstromfähige Lithium-Mangan-Akkus
und weitere Zutaten zu äußerst leistungsfähigen Elektro-Bootsmotoren
kombiniert. „Der deutsche Maschinenbau,“ so Torqeedo-Gründer
Dr. Friedrich Böbel, „hätte viel Potenzial für weitere solcher
von Volker Tisken
Erfolgsstorys.“
Bootsantrieb: Der Außenläufer-Torquemotor
(vor der Leistungselektronik-Platine) bringt
über ein 43mm-Planetengetriebe optimales
Drehmoment auf den Propeller.
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Die Idee zu den elektrischen Bootsantrieben entstand aus einer persönlichen
Enttäuschung des Physikers und promovierten Ingenieurs: Da auf dem Starnberger See, wie auf vielen anderen Gewässern
Europas, die Nutzung von Verbrennungsmotoren stark eingeschränkt ist, wurde ein
Elektromotor gesucht, mit dem das Segelboot im Hafen oder bei Windstille manövriert werden kann. Das Angebot, so fand
Böbel, blieb allerdings weit hinter den
technischen Möglichkeiten heutiger elektrischer Antriebstechnik zurück.
Beurteilen konnte er das, weil er als Vorstand Operations der Gardena AG auch die
Forschung und Entwicklung verantwortet
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hatte. Zuvor war er Gruppenleiter Halbleiterfertigungstechnologie beim FhG-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen, Vice President Production bei Infineon und Geschäftsführer beim MolkereiRiesen Müller (wo er neben Produktion
und Technik ebenfalls F&E verantwortete). Böbel: „Der deutsche Maschinenbau
und seine Elektronik- und Elektrotechnikpartner hätten mit ihrem Fundus an ausgereiften Technologien genügend Ansätze,
überkommene technische Consumer-Produktbereiche zu revolutionieren oder mit
wirklich überzeugender Technik Schub in
neue Märkte zu bringen, die sich gerade
erst zaghaft entwickeln.“ Um zu verstehen,
was Böbel konkret meint, muss man sich
seine Entwicklungsleistung Elektro-Bootsmotor näher anschauen.
Der größere der beiden faltbaren
Außenborder von Torqeedo arbeitet mit einem 0,8 kW-Motor und bringt die gleiche
Nutzleistung, wie ein 2-PS-Benzin-Außenborder – beim Schub übertrifft der kleine
Elektro-Antrieb den Benziner sogar. Was
jeden Techniker zunächst stutzen lässt, ist
bei näherer Betrachtung durchaus nachvollziehbar. Zwar bringt der BenzinAußenborder an der Propellorwelle deutlich mehr Leistung als der Elektromotor,
doch mit der für Verbrennungsmotoren typischen Drehmomentkurve lässt sich kein
hoher Wirkungsgrad erzielen. Ganz anders der Elektro-Antrieb, der von der ersten Umdrehung an volles Drehmoment
bringt.
Alle Antriebskomponenten der Torqeedo-Baureihen Travel und Cruise sind vor-
Mechatronik
Vor der Serie
03/2006
Dr. Friedrich Böbel (links)
und Dr. Christoph Ballin stehen hinter
der Neugründung Torqeedo.
Ballin: “Im Produktmanagement
und im Vertrieb haben wir einen
internationalen Ansatz. In Entwicklung und Produktion
gilt das Traditionssiegel
Made in Germany.”
bildlich auf hohen Wirkungsgrad ausgelegt und perfekt aufeinander abgestimmt. „Als erster Anbieter haben wir Torque-Motoren –
elektronisch kommutierte Permanentmagnet-Außenläufermotoren,
die auf Drehmoment optimiert sind –
für den Bootsantrieb weiterentwickelt,“ so
Böbel. Über ein Planetengetriebe wird das
Drehmoment nochmals erhöht und auf einen speziell für diesen Einsatzfall berechneten dreiflügeligen Propeller übertragen.
Die Flügel haben eine sich über den Radius
optimal verändernde Steigung und können so im günstigsten Drehzahlbereich des
Antriebs 60 Prozent der Motorleistung in
tatsächlichen Schub umsetzen. Böbel:
“Aufgrund der überlegenen Drehmomentkennlinie können bei Torqeedo-Motoren
Propeller mit bis zu dreimal so hohem Wirkungsgrad als beim Benziner verwendet
werden. Das ergibt bei den verglichenen
Antrieben identische Leistung im Boot.”
Die zweite wichtige Komponente der
Torqeedo-Antriebe ist die Batterie. Verwendet wird die Lithium-Mangan-Technologie (LIMA), die im Gegensatz zu her-
Zusammengefaltet passen die Travel
400- und Travel 800-Antriebe in einen Rucksack. Samt Akku wiegen
diese Bootsantriebe 12 kg.
Der ElektroBootsantrieb
Cruise bewegt
mit seinem
2kW-Motor
Boote der
3-TonnenKlasse.
kömmlichen Li-ion-Akkus, wie sie im Mobiltelefon oder im Laptop eingesetzt werden, hochstromtauglich sind (siehe Kasten
„Technik im Detail). Für die beiden faltbaren Bootsantriebe Travel 400 und Travel
800 hat Torqeedo integrierte Akku-Packs
entwickelt, die 300 Wh bereitstellen. Der
Antrieb inklusive Akku-Pack wiegt 12 kg.
Passend zum 2kW-Antrieb Cruise, der beispielsweise für Segeljachten oder Hausboote der 3-Tonnen-Klasse geeignet ist,
wurde aus über 300 Zellen der 24-V-Hochstromakku aufgebaut. Dieser 77-Ah-Akku
wiegt nur 18 kg. Wollte man die gleiche
Leistung aus herkömmlichen Blei-Gel-Akkus beziehen, wäre dieser über 100 kg
schwer. Böbel: „LIMA-Zellen bieten den
höchsten Sicherheitsstandard aller Lithium-Akku-Systeme. Das zeigen die Ergebnisse von zum Teil drastischen Sicherheitstests bei abgeschalteter Überwachungselektronik.“
Bootsantriebe sind für diese Technologie-Kombination nur eine Nische. Der Entwicklungszug rollt in Richtung von Märkten ganz anderer Dimension bereits an:
Bosch eroberte mit einem Powertool als
erster erfolgreich einen Li-ion-Massenmarkt außerhalb der mobilen Elektronik:
Der Mini-Akkuschrauber IXO ging mittlerweile 3 Millionen mal über den Tisch. Er
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wiegt 300 g, hat einen 3,6-Volt-Akku mit 1
Ah Kapazität und stellt 3 Nm Drehmoment
bereit. Damit ist er gewiss kein Spielzeug,
sondern ersetzt zum Beispiel in den Taschen vieler Wartungstechniker den
Schraubendreher. Einen Schritt weiter gingen die größeren Akku-Schrauber-Modelle
wie der PSR 300 LI. Dank Li-Ion-Akku
(10,8 V, 1 Ah) liefert das nur 800 g schwere
Gerät ein maximales Drehmoment von 25
Nm. Zum Vergleich: Der konventionelle
Akkuschrauber PSR 12 VE-2 (NiMH-Akku
12 V, 1,5 Ah) wiegt 1,4 kg und liefert ein
Drehmoment von 24 Nm.
Im März 2006 hatte der nächste Leistungssprung Premiere und zeigte auf, wohin die Reise geht: Erstes Profi-Powertool
mit hochstromfester Li-ion-Technologie ist
der Bohrhammer GBH 36 VF-LI (36 V,
2Ah). Sein elektropneumatisches Schlag-
werk liefert stolze 3 Joule Einzelschlagenergie. Mit einer Akkuladung sind 150
Bohrungen (6mm, 40 mm tief) in Beton
(B25) zu schaffen. Nach 45 Minuten Ladezeit ist der Akku wieder voll.
Kabellose Zukunft
Dr. Böbel rechnet in Zukunft auf Basis der
Lithium-Mangan-Technologie mit kabellosen Elektrogeräten für Heim und Garten:
Rasenmäher oder Staubsauger können
auch bei Leistungen bis 1 kW mit Akku gespeist werden. Dank LIMA steht trotz der
Leistungsaufnahme genügend Energie für
„haushaltsübliche“ Flächenleistung zur
Verfügung. Nach Gebrauch kommen sie
zurück in die Ladestation. Kleinmotorenhersteller ebm-papst ist an einem Projekt
für elektrisch angetriebene Krankenhausbetten beteiligt. Achim Labitzke: “Die Mo-
toren für die Fahrrollen wollen wir allerdings im Leistungsbereich von rund 100 W
halten, damit die Ströme nicht zu hoch
werden.“ Auch dieses Beispiel zeigt: Antriebstechnik und Maschinenbau verfügen
über einen Baukasten von Hochleistungstechnologien, der auf Applikations-Ideen
wartet.
Webguide
www.torqeedo.com
Torqeedo
www.bosch-pt.de
Bosch Elektrowerkzeuge
www.papst.de
ebm-papst
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Technik im Detail
Hochstromfähige Lithium-Ionen-Akkus machen Elektroantriebe mobil
Nachteil der ursprünglichen LiCoO2-Technologie: Wird die gespeicherte Energie schnell abgerufen, erhitzt die Zelle so, dass sie in Brand
geraten oder explodieren kann. Diese Gefahr
besteht kaum bei den geringen Spannungen
und Stromstärken, mit denen Mobiltelefone
und Mobilelektronik arbeiten. Zu Powerpacks,
mit denen zum Beispiel hohe Anlaufströme
oder Leistungsspitzen von Elektromotoren bereitgestellt werden konnten, ließen sich Li-Cobalt-Akkus jedoch nicht verschalten.
Mangan als Elektrodenmaterial bringt den
entscheidenden Sicherheitssprung, da es zum
einen nicht mit Lithium reagiert und zum
zweiten der Innenwiderstand der Zelle deutlich niedriger ist. Solche Hochstromzellen können, so die schweizerische SAT AG, zu Powerpacks verschaltet aktuell Peakströme bis 50 A
und Dauerströme bis 30 A liefern. Die Energie-
Bohrhammer GBH 36 VF-LI (36 V, 2Ah):
Sein Schlagwerk liefert stolze 3 Joule Einzelschlagenergie. Der Akku reicht für 150 Bohrungen (6mm, 40 mm tief) in Beton (B25).
Passend zum 2kW-Bootsantrieb Cruise: Der
24-V/77Ah-Hochstromakku wiegt nur 18 kg.
Herkömmliche Blei-Gel-Akkus gleicher Leistungsfähigkeit wären über 100 kg schwer.
dichte ist heute zwar gegenüber der CobaltTechnologie noch um fast 30 % geringer. Doch
hier verspricht vor allem die aktuell sehr dynamische Entwicklung der Nanotechnologie Abhilfe – Nanokristalle tragen dazu bei, die
Elektrodenoberflächen zu vergrößern und die
Kennzahlen der LIMA-Zellen zu verbessern.
Gefertigt werden die Zellen im Stahlbecher im
Mignon-Format. Große Fertigungskapazitäten
haben Sony und LG aufgebaut. Die 3,7-V
/1600 mAh-Einzelzelle kostet im Fachhandel
derzeit knapp unter 10 Euro. Damit sind Vorstellungen von kabelfreien Haushalts- und
Gartengeräten, Elektrofahrrädern und weitere
Anwendunggsideen natürlich noch Zukunftsmusik. Doch mit zunehmender Verbreitung
fällt der Preis pro Zelle. Kleine Torque-Motoren
und Hochstromzellen sind eine ideale Kombination für künftige portable Antriebslösungen.
Travel 800 mit integriertemAkku: 300 Wh
stehen bereit; der
Antrieb wiegt 12 kg.
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Bei Kleinanwendungen konnten sich die Lithium-Ionen-Akkus schnell durchsetzen, weil
sie nicht nur eine 3- bis 4-fach höhere Energiedichte hatten, als herkömmliche NiCd- oder
NiMH-Akkus, sondern zusätzlich eine ganze
Reihe von Nachteilen der bisherigen Technologien überwunden waren:
- Den Memory-Effekt gab es nicht mehr – Liion-Akkus können jederzeit zwischendurch
an die Ladestation, ob sie noch mehr als
halbvoll oder richtig leer sind.
- Li-ion-Akkus können bis zu einem Jahr gelagert werden, ohne nennenswert an Kapazität
zu verlieren. Die Selbstentladung älterer Akku-Technologien betrug bis zu 40 % Verlust
bereits nach einem Monat.
- Die Zahl der möglichen Ladezyklen übersteigt 1000, bevor erste Anzeichen von
Schwäche erkennbar werden.
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