The „new Look“ - DOZ

Transcrição

The „new Look“ - DOZ
SONDERTEIL
Elena Grunert
The „new Look“
Mode im „New Look“: Auf der
„CPD Düsseldorf“ offenbarte
sich bei der Damenmode ein stilistischer Richtungswechsel, ausgelöst vom neuen Bewusstsein
für die Haute-Couture bzw. für
das Handwerk und das eigene
Sein im Allgemeinen. Eine neue
„Nüchternheit“ macht sich breit
mit klerikalen und traditionellen
Ausschlägen. Noch gibt es kein
Entweder-Oder als vielmehr eine Verschiebung der Gewichte
in dem „großen Gerüst“ historischer Reminiszenzen.
So bleibt viel Platz für individuelle Styles: abenteuerlich wie
zur Zarenzeit, extravagant wie
in Shanghai um 1920 oder behaglich wie bei „Miss Marpel“.
Mit dem Haute-Couture-Revival
aber rückt das Grundsätzliche
immer mehr in den Vordergrund: edle Materialien und
neue Schnittdetails.
Auch bei der Männermode
bringen die neuen Styles Klarheit. Diese nutzen zwar historische Vorgaben, pflegen aber einen kompromisslos modernen
Look. Gemütlich auf der einen
Seite und immer noch mit Folklore-Elementen angereichert,
aber doch von einer neuen
Sehnsucht nach Ruhe und Verlässlichkeit geprägt.
Die CPD definiert für die
Damen- und Herrenmode im
Herbst/Winter 2006/07 fünf
Themen:
– St. Petersburg 1900,
– Paris 1910,
– Shanghai 1920,
– London 1950 und
– New York 1960.
Brillen- und Modetrends Herbst/Winter 2006/07
24
DOZ 9-2006
SONDERTEIL
PAS
Carlo
Colucci
Mal militärisch streng mit blitzenden
Doppelknopfreihen im Uniformstil, dann
wieder elegant und zerbrechlich wie die
abendlichen Gesellschaftsroben mit zarten
Stoffen, feinen Spitzen, schmalen Rüschen
und Schleifen.
Jacken und Mäntel aus edlem Tuch, kompakter Baumwolle oder gewaschenem Samt
erneuern sich über Steh- und breite Reverskrägen, aufgesetzte Taschen, Riegel, Gurtbänder und Blenden. Als Spenzer oder knöchellange Militärmäntel in A-Linie begleiten
sie schwingende Röcke oder schmale Hosen, die in hohen Stiefeln getragen werden.
Cargos, pelzverbrämte Bomberjacken
und Parka-Formen liefern Army-Themen aus
der Jetzt-Zeit. Schmeichelnde Blusen mit
Stehkrägen und Ausputz erinnern an die Zeit
Eduard VII., hochgeschlossene, schwarze
Abendroben an Anna Karenina.
Dunkle Farben dominieren: Weiß und
Creme frischen Nachtblau, Schwarz, Anthrazit und Khaki-Töne auf.
St. Petersburg 1900
Ein Look, der ebenso stürmisch weil
widersprüchlich ist wie die Zeit, die
ihn inspiriert: die Zarenzeit unter
Nikolaus II. Direkt aus den Militärkasernen dieser Zeit kommen die Stilelemente der thematischen Vorlage.
Davidoff von Menrad: Diese modische Halbbrille im unkonventionellen Stil, mit extra breiter Dekobacke und dem daraus resultierenden trendigen Bügelschnitt, in Schwarz-Silber,
stammt aus der neuen Davidoff-Kollektion
von FMG (Modell 95033, Ferdinand Menrad
Gruppe). Die extravaganten Modelle für den
modischen Herrn überraschen mit auffälligen
Farb- und Design-Effekten und prägen den
neuen Stil der Kollektion.
Annette
Görtz
Baur
DOZ 9-2006
25
SONDERTEIL
Jobis
Elena
Grunert
PAS
Escada (De Rigo)
Paris 1910
Givenchy (De Rigo)
Es war eine unbeschwerte Zeit des Luxus, als die französische Hauptstadt im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ihren neuen Fixstern, den Modeschöpfer und Maler Paul Poiret, feierte. Er befreite die Frauen vom Korsett und machte die geraden Kleider mit hoher Taille zur
Projektionsfläche der zeitgenössischen Malerei. Er verband die Kunst mit fernöstlichen Elementen zu theatralischen Kreationen und gilt als Wegbereiter des „Art
déco“. Ihm folgte in den Zwanziger Jahren Coco Chanel,
die durch Jumper und Jersey, dem kleinen Schwarzen
und unechten Modeschmuck die Emanzipation der Frau
über Eleganz und Einfachheit perfekt zusammenführte.
Anja Gockel
Haute-Couture-Wurzeln wie diese greift die junge Mode-Avantgarde
von heute wieder auf. Unbeschwert übersetzt, entsteht daraus eine
neue Formensprache, die keiner grellen Farben bedarf.
Auch die X-Linie eines Christian Dior, die seinen „New Look“ begründete, die Kragen- und Cape-Dramatik eines Cristobal Balenciaga oder
die Weitenspiele eines Christian Lacroix mit Tulpen-, Ballon- und Lampionröcken geben vor allem der Businesswear ihren schnitttechnischen
Variantenreichtum zurück.
Pollini
26
DOZ 9-2006
SONDERTEIL
1910: Es war die Zeit der perfekten
Bügelfalten-Eleganz, die niemand zur
Jahrhundertwende besser verkörperte
als der Prinz of Wales.
Daraus entwickelt sich ein Businesslook für den Connaisseur, der sich trotz
französischer Weltoffenheit dem strengen englischen Vorbild verpflichtet
fühlt. Edle Goldtöne, helles Grau und
Braun, Wollweiß und Schwarz mit Akzenten in Blau, Flieder und Rost sorgen
für ein elegantes, harmonisches Farbenspiel. Überwiegend uninahe Stoffe
PAS
Shanghai 1920
Die Metropole galt in den
Zwanzigern des letzten Jahrhunderts als „Paris des fernen Ostens“. Hier vereinigte
sich zwischen mondänen
„Art déco“-Hotels und chinesischen Opiumhöhlen
ein buntes Völkergemisch,
das den westlichen Lebensstil mit östlicher Folklore
verband.
Alberto
werden sind durch Alpaka-, Kaschmirund Mohairanteile veredelt. Feine Nadelstreifen, aufgefächerte Schattenkaros, feine Tweeds, Flanelle, Samte und
Moleskin werden auf softe Zwei- und
Drei-Knopf-Sakkos umgelegt.
Die Avantgarde hält mit hochgeschlossenen Zweireiher mit Spitzfaçon
dagegen, deren gekürzte Längen an
Rumpf und Ärmel aussehen wie „eingelaufen“. Zweireihige Mäntel sind
entweder auf den Leib geschneidert
oder lässig in neuer Weite.
Cardigans und V-Pullover aus
edlem Feinstrick werden höchstens
durch Mini-Schaftmuster belebt, cleane Baumwoll-Slacks dagegen durch
Kontrastnähte. Ein „Slow-Down-Look“
für den modernen Jetsetter.
DOZ 9-2006
PAS
Gina B.
27
SONDERTEIL
Heute liefern die Trachten der Balkan-Völker
und ihrer asiatischen Nachbarn hochfarbige Blumen und zarten Arabesken als Vorlage für Drucke und Stickereien. Garnituren wie Pomponund Zick-Zack-Bänder oder Woll-Tressen finden
sich an den Säumen gerüschter und gebauschter Röcke wieder und/oder an Krägen und Säumen einhüllender Kimono-Mänteln.
Von den Steppenvölker der Mongolei kommen patinierte Metallknöpfe oder Schnallen,
Lammvelours, fettes Leder und Pelz-Klassiker
wie Astrakan, Luchs und Fuchs, die zu luxuriös/
rustikal ausgestatteten Outdoor-Jacken inspirieren.
Asiatische Seiden sind die Vorläufer schimmernder High-Tech-Qualitäten, die für wattierte
Jacken eingesetzt und über Stickereien oder Prägungen zusätzlich aufgewertet werden.
Es wird liebevoll und pointiert dekoriert mit lebendigen Farben u.a. auf schwarzem Fond. Generell konzentrieren sich die Farben auf Lederund Brauntöne, reiche Rot- und Beerentöne, Safran und Moosgrün.
Zaffiri
Furla (De Rigo)
London 1950
Das Thema steht für Fashion-Tradition im besten
britischen Sinne und ein
bisschen Sherlock Holmes
und Miss Marpel für Jedermann. Den zeitlosen Klassikern wird gehuldigt und
speziell der Wolle.
Hier atmet alles die englische Behaglichkeit und
Naturverbundenheit. Eine
Mode, so perfekt wie der
Gentleman-Look eines
Sherlock Holmes, aber
auch so exzentrisch wie
der Dandy Oscar Wilde.
Baur
Gold & Wood
Annette
Görtz
28
DOZ 9-2006
SONDERTEIL
Jobis
Wolloptiken dominieren und nehmen der Businesswear ihre Steifheit. Verfremdete und verwischte Glenchecks, Fensterkaros, Nadelstreifen, Fischgrats und FauxUnis überziehen smarte Einreiher, Einzelsakkos, Norfolk-Jacken, schmale Hosen
oder den klassischen Paletot. Casual- und Workerhosen aus Moleskin oder Wintercotton, gewaschener Cord und Denim brechen ebenso wie Ringel-, Argyle- oder
Bordürenstrick die allzu smarte Eleganz.
Modern wirken schlichte Rollis oder Mini-Grafics für V-Pullover und Liberty-Blümchen für Hemden. Westen und Jacken aus Samt, Matt-Glanz- oder Tapisserie-Jacquards bringen jenen Hauch von Exzentrik, mit der die Bohème so gerne liebäugelt.
Grobe Strickjacken mit Zopfmuster, Karohemden, wattierte Westen mit Fell- und
Lederdetails gehören zum Jagd-Wochenende auf dem Land. Bondings haben
Woll- oder Fake-Fur-Abseiten, Baumwolljacken sind geölt und gewachst, außerdem
mit Taschen und Kapuze besetzt. Jagdmotive wie Hirsche, Vögel oder Fasanen
zieren und persiflieren.
Die Farbstimmung dazu: warme Herbstfarben,
kalte Grün-, Jade- und Beerentöne, aber auch
Grau, Beige und Braun im City-Bereich.
Ermenegildo Zegna
(De Rigo)
Verstrichene Karos, Tweeds,
Glenchecks, Fischgrats und
Jacquards mit Tapisseriemotiven ziehen sich bis in die
Outdoor und den Casualbereich. Dazu kommen Cord
und Samt, beschichtete Outdoor-Cottons, gewalkte Qualitäten und flache Felle.
Gemütliche Casuals treffen auf einen gediegenen
City-Look mit kleinen Kostümen aus hüftkurzen Jacken,
schwingenden Röcken und
Blümchenblusen. Dazu passen schmale V-AusschnittPullover, Pullunder und Bolero-Westen, die mit AjourMuster, grafischen Minimustern, Argyle-Karos oder
Fair-of-Isle-Bordüren spielen.
Capes, Cape-Mäntel und
Dufflecoats ziehen Kreise,
Jagdmotive dekorieren und
persiflieren.
Seidige Samtröcke oder
-jacken, Schals und Hängerkleidchen zitieren die BibaBohème, während freche
Knickerbocker oder lässige
Bundfaltenhosen zusammen
mit Hemdblusen, Gilets, Hosenträgern und Schiebermützen Erinnerungen an
das vorindustrielle Zeitalter
heraufbeschwören.
Warme Herbstfarben, Beerentöne, Taupe und kaltes
Grün dominieren.
DOZ 9-2006
Alberto
Dornbusch
29
SONDERTEIL
Die amerikanische Metropole ist in
den frühen Sechzigern jung und szenig, und das, was sie ausspuckt, ist
frech, revolutionär und anders. Die
Kunstszene um den Grafiker und Filmemacher Andy Warhol blüht, und
die vorherrschende feminine HauteCouture-Eleganz wird durch die Straßen- und Clubkultur aus dem Untergrund revolutioniert.
Nüchterne, geometrische Formen bestimmen
die Kleiderlinie, Schwarz-Weiß-Kontraste das
Farbenspiel. So formiert sich ein farblich reduzierter Look, als wäre er durch Andy Warhols Kamera gefilmt worden.
Er ist provozierend formbetont, so wie damals,
als die Kunstszene noch im Untergrund nach
einer neuen Ausdruckweise suchte. Kastige,
übergroße Strickteile, Ringel in Schwarz-Weiß,
Mäntel in gerader H-Linie, kasackartige Kleider
und der Minirock erteilen den kurvigen Linien
eine klare Absage.
Die neuen Lolitas tragen Schnallenschuhe in
Karree-Form und überdimensionale Knöpfe. Sie
schneiden sich die Haare kurz und stehen bereit,
Twiggys Erbe anzutreten.
Evelin Brandt
Gina B.
New York 1960
Gina B.
Theo
30
DOZ 9-2006
SONDERTEIL
Jean Paul Gaultier
(De Rigo)
Alberto
Seidensticker Rose
Carlo
Colucci
Versace
(Luxottica)
Schmale Revers aus Satin oder Lackleder schimmern an taillierten Sakkos,
kontrastfarbene Gallonstreifen zieren die Hosennähte, begleitet von kurzen
Lackleder- oder knielangen Blazermänteln, die mit Nieten, Flockprints oder
Bügelmotiven verfremdet werden. Horror-Insignien oder Gotik-Buchstaben
ersetzen die Rocker-Symbole.
Gegensätzliche Materialien „kollidieren“. Samt und Seide treffen auf bedruckte T-Shirts, auf Denim und Leder. Röhrenjeans sind zu kurz oder zu lang,
kaputt oder „clean“, denn für Kompromisse ist kein Platz. Die flachen und
kompakten Stoffe sind meist uninah und liefern messerscharfe Konturen für
Anzüge und Mäntel.
Grafische Muster für Strick und Prints folgen ebenso einer futuristischen
Design-Philosophie wie das konzentrierte Schwarz-Weiß-Spiel, ergänzt durch
kräftige Farben.
DOZ 9-2006
31

Documentos relacionados