AG Weilheim: Massenrundschreiben zur Mandantenakquise führt

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AG Weilheim: Massenrundschreiben zur Mandantenakquise führt
AG Weilheim: Massenrundschreiben zur Mandantenakquise führt zur Nichtigkeit
des Anwaltsvertrages
Stefanie Mann, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht,
Kanzlei Schlatter, Heidelberg
Fast jeder Anleger, der sein Kapital in Beteiligungen an geschlossenen Fonds investiert hat, hat bereits
diese Erfahrung gemacht: unaufgefordert bekommt der Anleger Rundschreiben von sogenannten Anlegerschutzkanzleien, die ohne bestehende Mandatsbeziehung und ohne sonstigen Bezug zum einzelnen
Anleger über eine tatsächliche oder nur vermeintliche Schieflage der Fondsgesellschaft informieren. Um
sein Kapital nicht vollständig zu verlieren, solle der Anleger unverzüglich Kontakt mit der Kanzlei aufnehmen und sich in Bezug auf das weitere Vorgehen beraten lassen. Häufig lässt sich der hierdurch
verunsicherte Anleger ködern und beauftragt die Anwaltskanzlei mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Ein Amtsgericht in Oberbayern hat dieser unseriösen Praxis nun den Kampf angesagt. Das Amtsgericht Weilheim hat mit Urteil vom 05.07.2012 (Az. 2 C 102/12) entschieden: Der Mandatsvertrag, der in
diesem Fall aufgrund eines Massen-Rundschreibens zwischen dem Anleger und dem Rechtsanwalt geschlossen wurde, ist nichtig. Die möglichen Folgen dieses Urteils für laufende und zukünftige Gerichtsverfahren sind erheblich.
Ein Anwalt hatte vor dem Amtsgericht Weilheim gegen seinen Mandanten – den Anleger eines Filmfonds – auf Zahlung der Vergütung für seine anwaltliche Tätigkeit geklagt. Das Mandatsverhältnis war
infolge eines Rundschreibens des Rechtsanwalts zustande gekommen, das ohne vorige Mandatsbeziehung oder sonstigen Bezug zu dem künftigen Mandanten auch an diesen Anleger verschickt worden war.
Mit dem Rundschreiben waren die Anleger dieses Filmfonds angeschrieben und mittels einem in fett gedruckten Hinweises im Betreff auf die drohende Verjährung etwaiger Ansprüche hingewiesen worden.
Dem Schreiben war ein Fragebogen beigefügt, in dem unter anderem die Auswahloption: „Bitte lassen Sie
mir unverbindlich und kostenfrei weitere Informationen zu den Modalitäten der Interessengemeinschaft
zukommen.” enthalten war. Aufgrund dieses Schreibens beauftragte der Anleger die Kanzlei mit der
Wahrnehmung seiner Interessen.
Das Amtsgericht Weilheim hat die Versendung der Anlegerrundschreiben durch den klagenden Rechtsanwalt als Verstoß gegen das Verbot auf Werbung um Erteilung eines Mandats im Einzelfall (§ 43b Bundesrechtsanwaltsordnung) angesehen. Damit beschreitet das AG Weilheim noch kein Neuland; auch andere Gerichte hatten in der Vergangenheit das Anschreiben potentieller Mandanten mit standardisierten
Rundschreiben als Verstoß gegen § 43b BRAO gewertet (vgl. AG Neuss, Urteil vom 04.09.1998 Az.: 34 C
453/97).
Neu und bemerkenswert ist allerdings die Konsequenz, die das AG Weilheim aus diesem Verstoß zieht:
Das Amtsgericht qualifiziert § 43b BRAO als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB – mit der Folge der
Nichtigkeit des hierauf beruhenden Anwaltsvertrages. Nach dem Urteil des Amtsgerichts steht dem klagenden Rechtsanwalt kein Vergütungsanspruch gegen den beklagten Mandanten aus dem nichtigen Anwaltsvertrag zu.
Das Urteil ist rechtskräftig. Es ist auch bislang – soweit ersichtlich – noch nicht von anderen Gerichten
aufgegriffen worden. Dies wäre aber wünschenswert, um die unüberschaubar gewordene Flut serienmäßig erstellter Massenrundschreiben von Anwaltskanzleien einzudämmen. Die rechtlichen Folgen für den
Anlegerschutzanwalt, der auf diese Weise seine Mandate akquiriert, sind weitreichend:
Der Rechtsanwalt kann nicht nur seinen Vergütungsanspruch verlieren. Bei konsequenter Anwendung der
vom AG Weilheim aufgestellten Grundsätze könnte die Nichtigkeit des Mandatsvertrages auch die dem
Anwalt erteilte Prozessvollmacht betreffen. Die ohne wirksame Bevollmächtigung im Namen des Mandanten durchgeführten Prozesshandlungen des Rechtsanwalts (z.B. Einleitung eines Güteverfahrens, KlageerSeite 1 von 2
hebung) wirken dann nicht für und gegen den Mandanten. Es ist also denkbar, dass eine Anlegerklage
wegen Verjährung etwaiger Ansprüche allein deshalb verloren geht, weil das Mandatsverhältnis durch ein
Massenrundschreiben angebahnt wurde, der Güteantrag bzw. die Klageschrift zwar vor Ablauf der Verjährung eingereicht wurde, in der Zwischenzeit aber Verjährung der Ansprüche eingetreten ist.
Dieser Mangel ist zwar durch eine nachträgliche Genehmigung des Vertreterhandelns (§ 177 BGB) heilbar.
Diese „Heilung“ wirkt aber nicht auf den damaligen Zeitpunkt der Mandatierung, des Güteantrages oder
der Klageeinreichung zurück. Die Genehmigung wirkt in diesem Fall lediglich ex nunc – also erst zum Zeitpunkt der Genehmigungserklärung (BGHZ 46 229; BGH NJW 1989, 2694). Ein zum Zeitpunkt der Genehmigungserklärung bereits verjährter Anspruch wäre dann nicht mehr durchsetzbar.
Für den bereits verklagten Vermittler oder Berater eröffnet das Urteil des AG Weilheim damit eine weitere Verteidigungsmöglichkeit: hat der Vermittler konkrete und nachweisbare Anhaltspunkte dafür, dass
das Mandatsverhältnis zwischen dem Anleger (d.h. seinem damaligen Kunden) und dessen Rechtsanwalt
aufgrund eines standardisierten Anlegerrundschreibens zustande kam, kann er eventuell auf die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages und der anwaltlichen Bevollmächtigung verweisen und so ggf. erfolgreich die
Einrede der Verjährung erheben.
Es ist dem Urteil des AG Weilheim nicht zu entnehmen, ob es mit seiner Entscheidung derart weitreichende Konsequenzen wie die Verjährung zahlreicher Schadensersatzansprüche von Anlegern wegen nichtiger
Vollmacht zum Zeitpunkt der Klageerhebung bewirken wollte. Rechtsprechung höherer Instanzen liegen
dazu – soweit ersichtlich – noch nicht vor. Es wäre in vielen Fällen zu begrüßen, wenn sich auch weitere
Gerichte der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Weilheim anschließen und – als logische Konsequenz der
Nichtigkeitsfolge – auch Schadensersatzklagen wegen einer solchen Mandatsanbahnung als verjährt ansehen.
Wenn unserer Kanzlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Prozessbevollmächtigten der Gegenseite
aufgrund von Massenrundschreiben mandatiert wurden, werden wir dies in den laufenden Verfahren
vortragen, die wir aktuell für Finanzdienstleister führen. Die Gerichte werden sich in diesen Fällen mit der
Fragestellung einer wirksamen Mandatierung und Prozessvertretung auseinanderzusetzen haben.
Stefanie Mann
Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Schlatter
Rechtsanwälte | Steuerberater | Fachanwälte
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Kurzprofil: Das Kompetenz-Team Bank- und Kapitalmarktrechts der Kanzei Schlatter verfügt als einzige Kanzlei in der Metropolregion
Rhein-Neckar über vier Fachanwälte in diesem Bereich. Das Kompetenz-Team betreut seit vielen Jahren Finanzdienstleister, Banken und
Zahlungsinstitute in Fragen des Bank- und Kapitalmarktrechts, des Aufsichtsrechts sowie des Kapitalanlagerechts. Die Fachanwälte beraten
und vertreten Finanzdienstleister insbesondere bei etwaigen Haftungsfragen, z.B. bei der Abwehr von Schadensersatzansprüchen wegen
des Vorwurfs von Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen beim Vertrieb oder der Vermittlung von Kapitalanlagen und Finanzdienstleistungen.
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