Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb für

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Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb für
Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb
für Schülerinnen und Schüler
des Förderschwerpunktes
Geistige Entwicklung – Eine empirische Untersuchung
an ausgewählten Förderschulen
im Regierungsbezirk Düsseldorf
Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung, dem Landesprüfungsamt für Erste
Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen vorgelegt von:
Julia Ippendorf und Nora Schaffner
Köln, den 22. November 2009
Gutachter: Prof. Dr. Norbert Heinen
Seminar für die Pädagogik und Rehabilitation bei Menschen mit geistiger und schwerer
Behinderung an der Universität zu Köln
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.........................................................................................................................................4
2. Schriftspracherwerb..........................................................................................................................6
2.1. Schrifttypen...............................................................................................................................6
2.1.1. Die Nicht- alphabetische Schrift........................................................................................6
2.1.2. Die alphabetische Schrift....................................................................................................7
2.2 Lese- und Schreibprozesse.........................................................................................................8
2.2.1 Lesen....................................................................................................................................9
2.2.2 Schreiben...........................................................................................................................13
2.3 Schriftspracherwerbsforschung -Stufenmodelle-.....................................................................14
Stufenmodell von K.B. Günther.................................................................................................15
Zusammenfassung und Reflexion des Modells..............................................................................20
2.4 Unterricht..................................................................................................................................20
2.4.1 Vorläuferfähigkeiten..........................................................................................................20
2.4.2 Leselehrmethoden..............................................................................................................22
2.4.2.1 Diskussion um analytische und synthetische Methoden .........................................22
Vor- und Nachteile der ganzheitlichen Verfahren.......................................................................25
Vergleich beider Methoden.........................................................................................................25
4.2.2.2. Aktuelle Konzepte des Schriftspracherwerbs..........................................................27
3. Schriftspracherwerb an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung..............30
3.1 Kulturtechniken an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung ..............30
3.2 Der erweiterte Lese- und Schreibbegriff..................................................................................32
3.3 Schriftspracherwerbskonzepte für die Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige
Entwicklung....................................................................................................................................35
3.3.1 Alle Schüler umfassende Konzeptionen............................................................................35
3.3.1.1 Werner Günthner: Lesen und Schreiben an der Schule für Geistigbehinderte.........35
3.3.1.2 Programm von Ch. Haug und B. Keuchel................................................................40
3.3.2 Programme auf der Ebene von Ganzwort- und Bildlesen.................................................47
3.3.2.1. Susanne Dank: Geistigbehinderte lernen ihren Namen lesen und schreiben..........47
3.3.3 Lese- und Schreiblehrgänge..............................................................................................50
3.3.3.1. Leselehrgang: „Lesen mit Lo“.................................................................................50
3.3.3.2. Iris Mann: Lesen können ja alle Leute ...................................................................52
2
3.3.3.3 Niederkrüger, Schmitz: Geistigbehinderte lernen lesen und schreiben ...................55
3.3.3.4. Leselehrgang: „Momel lernt lesen“.........................................................................59
3.3.3.5 Leselehrgang: „Lesen lernen mit Hand und Fuß“....................................................61
3.3.4 Zusätzliche Materialien.....................................................................................................64
3.3.4.1. Budenberg Deutsch I...............................................................................................64
4.Untersuchung...................................................................................................................................70
4.1. Fragestellung...........................................................................................................................70
4.2 Forschungsstand.......................................................................................................................70
4.3. Untersuchungsdesign...............................................................................................................75
4.3.1 Methodik............................................................................................................................75
4.3.2 Instrumentalisierung..........................................................................................................76
4.3.2 Durchführung....................................................................................................................77
4.3.3 Stichprobe..........................................................................................................................78
4.3.4 Auswertung........................................................................................................................78
4.4 Ergebnisdiskussion...................................................................................................................80
4.4.1 Schulebene.........................................................................................................................80
4.4.2 Klassenebene.....................................................................................................................83
4.4.2.1 Bedingungsfeld.........................................................................................................83
4.4.2.2 Klassenkonzept.........................................................................................................85
4.4.2.2.1 Erstes Schulbesuchsjahr...................................................................................85
4.4.2.2.2 Zweites bis viertes Schulbesuchsjahr...............................................................89
4.4.2.2.3 Mittelstufe (ab fünftem Schulbesuchsjahr).....................................................103
4.4.2.3 Unterrichtsziele.......................................................................................................114
5. Fazit.............................................................................................................................................117
6.Literaturverzeichnis.......................................................................................................................121
7. Anhang..........................................................................................................................................129
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1. Einleitung
In dieser Arbeit beschäftigen wir uns theoretisch und empirisch mit dem Schriftspracherwerb an
Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Obwohl es sich dabei durchaus nicht
um eine neue Thematik handelt ist dies insgesamt ein Thema, das unserer Meinung nach in den
Diskursen der Geistigbehindertenpädagogik nicht genügend Aufmerksamkeit erhält. Wir betrachten
die Beherrschung der Kulturtechniken Lesen und Schreiben als eine wesentliche Form der
kulturellen Teilhabe in unserer Gesellschaft, da symbolische und schriftliche Informationen
besonders wichtige Elemente unserer Kultur bilden. Um Schüler zu Kulturträgern zu bilden ist eine
Hinführung zur Schriftkultur ein wesentliches Ziel der schulischen Bildung. Schurad beschreibt in
seinem Werk sehr treffend den Auftrag der Schule: „(…) durch Abstraktionsprozesse in Sprache
und Denken Welt abzubilden und Welt als zukünftige Aufgabenstellung anzubilden (Lesbarkeit der
Welt)“ (Schurad, 2004, 38). Neben ihrer Funktion als Kulturträger sind Lesen und Schreiben
unabdingbare Fähigkeiten für eine selbständige Bewältigung fast jeder Alltagssituation. Sich im
Alltag, ohne auf Hilfe angewiesen zu sein, orientieren zu können ermöglicht Selbstbestimmung und
die Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen. Deshalb möchten wir in dieser Arbeit bewusst die
Vermittlung der Kulturtechniken Lesen und Schreiben an der Schule für geistig Behinderte in den
Mittelpunkt stellen.
Thematisch daran anschließend stellen wir im empirischen Teil der Arbeit einer von uns selbst
konzipierte und durchgeführte Untersuchung über Unterrichtskonzepte im Schriftspracherwerb an
Schulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung vor.
In diesem Rahmen möchten wir den Teilnehmenden Schulen, namentlich der Mosaikschule in
Grevenbroich-Hemmerden, der Sebastianusschule in Kaarst, der Schule am Nordpark in Neuss, der
Mosaikschule in Düsseldorf sowie der Theodor-Andresen-Schule in Düsseldorf vielmals für die
freundliche Zusammenarbeit und die Unterstützung unserer Forschungsarbeit danken.
Um den Lesefluss nicht zu stören verwenden wir in dieser Arbeit bei der Benennung von
Personengruppen nur eine, nämlich die maskuline Bezeichnung. Selbstverständlich schließt diese
für uns immer die feminine Entsprechung mit ein. Schreiben wir Beispielsweise über Schüler, so
bezeichnen wir damit sowohl (männliche) Schüler als auch Schülerinnen.
Im ersten Teil der Arbeit führen wir theoretisch in die Thematik ein. Das erste Kapitel beschäftigt
sich mit dem Thema Schriftspracherwerb, ohne dabei explizit auf den Unterricht an Schulen mit
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dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung einzugehen. Ziel ist es, den Prozess des
Schriftspracherwerbs aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten um für die darauf
folgenden Kapitel eine theoretische Grundlage zu schaffen. Um Unterrichtskonzepte in diesem
Bereich untersuchen zu können, sollten die verschiedenen Aspekte ausreichend beleuchtet worden
sein. Deshalb betrachten wir im ersten Unterkapitel unsere alphabetische Schrift in Abgrenzung zu
anderen Schriftsystemen Darauf folgt eine Vorstellung der grundlegenden Prozesse, die das Lesen
und
Schreiben
ausmachen
und
des
Forschungsstandes
zum
Thema
des
Schriftspracherwerbsprozesses. In Anschluss daran stellen wir die fachdidaktischen Grundlagen
zum Thema Unterricht des Schriftspracherwerbs vor. Das zweite Kapitel befasst sich mit dem
Schriftspracherwerb an der Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung und widmet
sich
sowohl
den
theoretischen
Modellen
als
auch
der
Vorstellung
konkreter
Unterrichtskonzeptionen.
Im zweiten Teil der Arbeit stellen wir unsere empirische Untersuchung vor, die sich mit der
Fragestellung befasst, wie Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb an ausgesuchten Schulen
mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in der Praxis aussehen. Er beinhaltet ein Kapitel
über den Forschungsstand, das Untersuchungsdesign mit der Methodik, Durchführung und
Auswertung der Studie sowie die Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse.
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2. Schriftspracherwerb
2.1. Schrifttypen
Die Unterscheidung von nichtalphabetischen Schriften und alphabetischen Schriften ist bezogen auf
den Schriftspracherwerb von besonderem Interesse.
2.1.1. Die Nicht- alphabetische Schrift
Zu den Nicht- alphabetischen Schriften gehören Ideen- bzw. Bilderschriften (Piktogramme).
Aufgrund des direkten Bezugs zwischen dem Bild und der Realität erschließt sich die Bedeutung
von Bildzeichen dem Betrachter in der Regel unmittelbar, außerdem sind sie nicht an eine
bestimmte Sprache gebunden und lassen daher unterschiedliche sprachliche Umsetzungen zu. Die
Bezugnahme auf Bilder, Bildzeichen oder Piktogramme stößt jedoch aufgrund ihrer uneindeutigen
Aussagekraft schnell an ihre Grenzen. Deshalb entstanden Wortschriften, die auch abstrakte Inhalte
auszudrücken in der Lage sind. Gegenüber den Bilderschriften setzen Wortschriften wie
beispielsweise die chinesische Schrift ein höheres Maß an Konventionen voraus, um gelesen
werden zu können. Nach Topsch besteht die chinesische Schrift aus rund 50000 verschiedenen
Schriftzeichen, von denen - für die normale Zeitungslektüre – normalerweise 2000 bis 3000
Zeichen benötigt werden (vgl. Topsch 2005, 17). Jeder Begriff der Sprache benötigt ein eigenes
Schriftzeichen, damit er sicher und eindeutig identifiziert werden kann. Didaktisch betrachtet
besteht die Problematik darin, dass hier eine Vielzahl von Zeichen erlernt werden müssen, denn für
jedes neue Wort in der Sprache muss ein neues Schriftzeichen vereinbart, erlernt und gemerkt
werden. Der Vorteil dieser Schriften liegt darin, dass sie vom Leser direkt in Bedeutung
umgewandelt werden können und zwar unabhängig davon, in welchem Dialekt sich das Lesen
vollzieht. Das ist für ein so riesiges Land wie China mit einer Vielzahl von unabhängigen Dialekten
von einer nicht zu unterschätzender Bedeutung.
2.1.2. Die alphabetische Schrift
In der westlichen Welt hingegen herrscht nach Sassenroth die alphabetische Schrift vor. (vgl.
Sassenroth 2003, 20). Unsere Schrift hat sich innerhalb von mehreren Jahrtausenden allmählich
und unter den verschiedensten kulturellen Einflüssen von einfachen, realitätsnahen Bildern und
Bildzeichen zu einer höchst abstrakten Buchstabenschrift entwickelt. Nachdem die Römer das
lateinische Alphabet, welches wir fast unverändert auch heute noch benutzen entwickelten, haben
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gewaltige Veränderungen des Schriftbildes stattgefunden. Neuere schriftliche Texte sind nach
Günther anders organisiert als mündliche Äußerungen. In der geschriebenen Sprache werden mit
Leerzeichen, Großschreibungen und Interpunktionen, mit Initialen, Abkürzungen und Überschriften
etc., schriftsprachliche Verfahrensweisen geschaffen, die der mündlichen Sprache fremd sind. So
wurde die Schrift beispielsweise entphonetisiert, denn spätestens seit Ende des 15. Jahrhunderts
setzt sich die Morphemkonstanz durch (vgl. Günther 2000, 103).
Die alphabetische Schrift ist demnach keine Bilderschrift, deren Einzelzeichen man ganzheitlich
wahrnimmt und speichert. Ihr Funktionsprinzip liegt darin, dass Laute bzw. Lautsequenzen durch
Buchstaben und Buchstabensequenzen repräsentiert werden. Im Folgenden erscheint es notwendig
auf die komplexen Beziehungen zwischen der Laut- und der Schriftsprache einzugehen. Hier sind
die beiden linguistischen Begriffe Phonem und Graphem von Bedeutung, welche die komplexe
Verknüpfung von Lautstruktur und Schriftstruktur deutlich machen. Unter Phonemen verstehen wir
die
kleinsten
bedeutungsunterscheidenden
sprachlichen
Einheiten
der
Lautsprache
wie
beispielsweise das /r/ und /f/ in „rein“ und „fein“. Wechselt man ein Phonem aus, so ändert sich die
Wortbedeutung. Dabei tragen das /r/ und das /f/ keine eigene Bedeutung (vgl. Marx 2007, 23). Die
auf
der
schriftlichen
Ebene
umgesetzten
Phoneme
werden
Grapheme
genannt.
Zur
Niederschreibung der Grapheme brauchen wir Buchstaben. Jedoch sind Grapheme nicht mit
Buchstaben gleichzusetzen, denn ein Graphem kann auch mehrere Buchstaben enthalten (Bsp.:
„ch“, „sch“) vgl. Marx 2007,23.
Nach Ulrich stehen in unserer Sprache für 40 Phoneme nur 30 Grapheme zur Verfügung (vgl.
Ulrich 2001, 68). Es besteht also keine Eins zu Eins- Beziehung zwischen Phonemen und
Graphemen, sondern eine komplizierte, aber doch geregelte und mit einiger Mühe auch
durchschaubare Phonem- Graphem Korrespondenz.
Dabei gibt es eine Vielzahl von
Zuordnungsmöglichkeiten. Ein Einzelgraphem kann einem Einzelphonem (<l> zu /l/) oder einer
Phonemverbindung (<z> zu /ts/) zugeordnet werden. Eine Graphemverbindung kann außerdem
einem Einzelphonem zugeordnet werden (<ch> zu /x/) (Scholz 1989,7 in Sassenroth 27). Zusätzlich
werden einzelne Phoneme durch unterschiedliche Zeichen bzw. Zeichengruppen ausgedrückt, so
wird beispielsweise das Phonem /a:/ als „a“, „aa“ oder aber „ah“ geschrieben. Diese Vieldeutigkeit
der Phonem- Graphemzuordnung bereitet vielen Kindern beim Erlernen der Schriftsprache große
Schwierigkeiten (vgl. Sassenroth 2003, 27). Denn sie müssen mehrere mentale Prozesse
durchführen, um bei der Übersetzung der gesprochenen Sprache zu dem richtigen Ergebnis in der
geschriebenen Sprache zu gelangen. Die Phonem- Graphem Korrespondenz stellt das Hauptprinzip
unserer Orthographie dar und wird auch phonematisches Prinzip bezeichnet.
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Neben dem Phonematischen Prinzip haben jedoch noch weitere teilweise konkurrierende Prinzipien
Einfluss auf die deutsche Sprache (vgl. Deneke 2007, 15). Ein weiteres wesentliches Prinzip der
deutschen Orthographie ist das morphematische Prinzip. Es besagt, dass ein Morphem als kleinste
bedeutungstragende Einheit immer gleich geschrieben wird, auch wenn sich die lautliche
Gestaltung der Umwelt ändert (Morphemkonstanz). So bleibt bei Wortableitungen die Schreibung
eines Wortstammes gleich (z.B. Bäcker als Ableitung von backen). Neben den beiden
Hauptprinzipien der der deutschen Orthographie gibt es weitere Prinzipien: das grammatische-,
semantische, historische- und das graphisch-formale Prinzip.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass ein Kind beim Schriftspracherwerb verschiedene
Prinzipien bei der Verschriftung berücksichtigen lernen muss, die der schriftkundige Erwachsene
bereits verinnerlicht hat. Da die deutsche Orthographie phonemisch (aber nicht phonetisch)
orientiert ist, wird von dem Kind insofern eine erhebliche Abstraktionsleistung gefordert, dass es
die einzelnen Phoneme als abstrakte Einheiten erkennen und differenzieren muss. Außerdem sind
diese Graphem- Phonem Korrespondenzen immer an der Hochsprache orientiert. Diese
unterscheidet sich von den jeweiligen individuellen bzw. dialektalen Färbungen, die den
mündlichen Sprechakt prägen (Sassenroth 2003, 28) und das Erlernen der Schriftsprache bei
alphabetischen Schriften zusätzlich erschweren. Im anschließenden Kapitel wird näher auf die
Prozesse, die beim Lesen und Schreiben ablaufen eingegangen.
2.2 Lese- und Schreibprozesse
2.2.1 Lesen
Das Lesen unserer alphabetischen Schrift ist ein von Psychologen seit den 70er Jahren untersuchter
Prozess. Einer der wichtigsten Leseforscher, Kenneth Goodman definiert Lesen wie folgt:
„Lesen ist ein psychologisch-kognitives Probierverhalten. Es schließt ein Zusammenspiel von
Sprache und Denken ein. Effizientes Lesen ist nicht das Ergebnis einer präzisen Perzeption und
Identifikation aller Elemente, sondern Ergebnis einer Fertigkeit im Auswählen der wenigsten,
produktivsten Hinweise, die erforderlich sind, um Denkansätze hervorzubringen, die gleich das
erste Mal richtig sind.“
(Goodman, 1974, Zitat bei Eberle/ Reiß, 1978, 20)
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Damit betont K. Goodman den Aspekt der Informationsgewinnung beim Lesen. Demgegenüber
steht der Prozess des Erlesens von (alphabetischer) Schrift, der nun näher beleuchtet werden soll.
Der Leseprozess läuft bei geübten Lesern weitgehend automatisch ab und wird üblicherweise in die
zwei Prozesse „Erschließen der Wortbedeutung“ und „Satzintegration“ unterschieden. Diese beiden
Prozesse werden in diesem Kapitel nacheinander vorgestellt.
Erschließen der Wortbedeutung
Damit ist der Prozess gemeint, bei dem ein Wort erlesen und identifiziert wird. Hierfür beschreibt
Coltheart (1978) in seinem Zwei-Wege-Modell (siehe Abb. 1) zwei Methoden. Bei der vor allem
von Leseanfängern genutzten Methode des Dekodierens spielt die bereits angesprochene GraphemPhonem-Zuordnung eine zentrale Rolle. Voraussetzung ist eine als „Phonologische Bewusstheit im
engeren Sinne“ betitelte Kompetenz, die das Hören und Erkennen von einzelnen Phonemen
(Lauten) bezeichnet. Zudem müssen alle Grapheme mit Ihrer Zuordnung zu den Phonemen bekannt
sein, also die „Übersetzung“ der geschriebenen Symbole in Klänge. Beim Lesen eines Wortes findet
eben diese Dekodierung statt: Die den Buchstaben bzw. Buchstabencluster (wie z.B. /ch/)
zugeordneten Phoneme werden zusammengezogen und in den verschiedenen Varianten
ausgesprochen. Der Klang wird mit allen bekannten Wörtern verglichen, um sich die
Wortbedeutung zu erschließen. Die Bedeutung ist also erst aus dem Klang und noch nicht aus dem
Schriftbild zu entnehmen. Um den Prozess des Dekodierens genauer zu beschreiben, ist er ist in
mehrere Teilprozesse zerlegbar:
1. Segmentierung: Zuerst wird ein Wort in erkennbare Segmente also Silben oder
Buchstabenfolgen oder Buchstaben segmentiert. Das geschieht anhand von visuellen
Merkmalslisten („Chunks“), die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Geübte Leser
segmentieren unbekannte Wörter aufgrund ihrer Effektivität in ihnen bereits bekannte
„Chunks“ (Nasendorf/ Walter 1985).
2. Phonologische Kodierung: Diese visuellen „Chunks“ sind im Langzeitgedächtnis zu
phonetischen Codes, also einer Artikulation zugeordnet. Bei bekannten Segmenten wird das
ganze Segment („Chunk“) abgerufen, ansonsten werden die Buchstaben schrittweise
phonologisch dekodiert. Dieser Prozess wird als phonetisch- artikulatorische Dekodierung
bezeichnet. Die Ergebnisse werden im auditiv- verbalen Kurzzeitgedächtnis gespeichert.
Dabei ist eine Zwischenspeicherung von 5- 8 Einheiten im Kurzzeitgedächtnis möglich.
Besonders lange Wörter, die nicht in bekannte „Chunks“ segmentiert werden können, stellen
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damit eine spezielle Hürde dar, weil nur eine begrenzte Anzahl an Artikulationen
gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis speicherbar ist.
3. Resynthetisierung: Dabei werden die phonetisch- artikulatorisch- dekodierten Segmente
oder Grapheme zu einem Wort zusammengefügt. Ist ein Wort sehr lang und wird kaum oder
nur unzureichend segmentiert, dann können die ersten phonologisch- artikulatorischen
Codes schon wieder vergessen sein, so dass es zu Schwierigkeiten bei der Resynthetisierung
kommen kann. Dies ist für geübte Leser nur bei Fremdwörtern der Fall. Nehmen wir z.B.
„exaggerieren“. Die Segmente ex/ und /ieren sind vermutlich als „Chunks“ abrufbar. Um
aber die Wortbedeutung (Exaggerieren ist die Übertreibung von Krankheitssymptomen)
erschließen zu können, werden verschiedene Artikulations- Möglichkeiten ausprobiert. Erst
wenn die „richtigen“ Segmente hergestellt sind: ex/ag/ge/rie/ren kann das Wort artikuliert
und damit wiedererkannt werden.
4. Semantische Kodierung: Erst durch die Artikulation des resynthetisierten Wortes wird der
Abruf der Wortbedeutung aus einem „mentalen Lexikon“ ähnlich wie bei der
Sprachverarbeitung ermöglicht. Beim „mentalen Lexikon“ handelt es sich um eine
Konstruktion aus der Psychologie und der Sprachwissenschaft. Hier wird der Klang jedes
Wortes mit seiner (persönlichen) Bedeutung und weiteren, z. B. syntaktischen Informationen
verknüpft.
Im Unterschied zu Leseanfängern, benutzen geübte Leser die soeben beschriebene alphabetische
Methode des Dekodierens nur für das Erlesen von fremden Wörtern, ungewöhnlichen
Schriftzeichen bzw. Schriftgrößen oder Schreibweisen, Fachwörtern, etc. Bei geübten Lesern wird
die Existenz eines mit dem „mentalen Lexikon“ verknüpften „orthographisches Lexikon“ vermutet,
in dem alle bekannten Wortbilder mit ihrer Schreibweise „eingetragen“ sind. Von jedem Wortbild
existiert demnach eine Verbindung zur jeweiligen Wort-Bedeutung. Beim Lesen findet also ein
visueller Abruf des gesamten geschriebenen Wortes statt, der dann mit dem mentalen Lexikon
verglichen und somit einem Wortklang und einer Wortbedeutung zugeordnet wird. Dieser visuelle
Abruf kann nur für Wortbilder funktionieren, die mit dem im „mentalen Lexikon“ befindlichen
Eintrag verglichen werden können, die also bekannt sind und deren Wortbild auf einen Blick
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erfassbar ist. Steht beispielsweise jemand zu dicht vor einem großen Plakat, dann muss er erst die
richtigen Buchstaben bzw. Segmente in den riesigen Flächen erkennen und diese dann
zusammenziehen. Ein direkter Abgleich mit dem Wortbild ist hier nur schwer möglich. In solchen
Situationen, genauso wie beim Lesen unbekannter Wörter, wird auf die alphabetische Methode
zurückgegriffen, um sich die Wortbedeutung erschließen zu können. Dieses in den 70er Jahren
entstandene Zwei-Wege-Modell von Coltheart (vgl. Abb. 1), stellt die beiden Prozesse der
Erschließung der Wortbedeutung zusammenfassend dar:
Abbildung 1: Zwei-Wege-Modell
Geschriebenes Wort
Wiedererkennen
der Buchstaben
Visueller Abruf Lesen des
Gesamten
Wortes
Dekodierung
Phonologische
Rekodierung
Aussprache des Wortes
Erkennen der Wortbedeutung
Coltheart 1978
Satzintegration
Bis hierhin wurde so getan, als ob der Prozess des Lesens Kontextunabhängig stattfinden würde.
Das Gegenteil ist der Fall. Der Kontext, beispielsweise die Gestaltung des eben betrachteten
Plakates oder eben der Satz oder Text, in dem sich ein Wort befindet, vereinfacht und beschleunigt
den Leseprozess erheblich, denn dieser ermöglicht eine Erwartungshaltung, welches Wort in
welcher Form (z. B. Verbflexion) als nächstes im Satz zu erwarten ist. Dieser Prozess ist den
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Vorgängen beim Zuhören von gesprochener Sprache sehr ähnlich. So kann das nächste Wort im
Satz schneller verarbeitet werden, da bereits ein Wort dieser grammatischen Form oder Bedeutung
erwartet wurde. Eine solche Analyse vom Satz ausgehend wird als Top- Down- Prozess bezeichnet,
weil über das isolierte Wort hinausgehende Informationen miteinbezogen werden.
Auf der Syntax (der Satzbau-) Ebene wird die Vervollständigung des angefangenen Satzes durch die
Kenntnis der regelhaften Satzstruktur möglich. Es handelt sich jedoch in der Regel nicht um einen
bewussten Vorgang, denn dieser wird von der Intuition gelenkt. Sprachwissenschaftler stellen die
syntaktische Struktur von Sätzen in sog. „Phrasenstrukturbäumen“ dar (siehe Abb.2).
Abbildung 2: Beispiel für einen Phrasenstrukturbaum
Satz
Nominalphrase
Artikel
Nomen
Hilfsverb
Verbalphrase
PräpositionalPhrase
Die / Schwestern / von Angelika und Carmen / werden / eintreffen
Zimbardo/Gerrig 2004, 35
Auf der semantischen (der Bedeutungs-) Ebene muss die bisherige Aussage erfasst und sinnvoll
weitergeführt werden. Je besser die Thematik bekannt und damit verständlich ist, desto schneller
kann die Aussage mit ihrer möglichen Fortsetzung erkannt werden.
Im Gegensatz zu den Top- Down- Prozessen, gibt es hier Bottom- Up- Prozesse, bei denen das Wort
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erlesen wird. Diese beiden Prozesse, die generierte Erwartung des nächsten Wortes aufgrund
syntaktischer und semantischer Informationen auf der einen Seiten und das Erlesen des Wortes auf
der anderen, laufen parallel ab und ermöglichen uns das schnelle, sinnentnehmende Lesen von
Texten.
2.2.2 Schreiben
Im Gegensatz zum Leseprozess ist der Schreibprozess noch weitestgehend unerforscht. Schreiben
ist definierbar als die „Produktion von Text mit Schreibwerkzeugen“ (Eberle/ Reiß, 1978). Auch
hier findet ein Zugriff auf das das mentale Lexikon im Langzeitgedächtnis statt. Der lexikalische
Abruf eines Wortes hat dabei vermutlich Vorrang vor der Synthetisierung. Insofern muss der
Rechtschreiber ein großes, intaktes Wissen um die spezifische Schreibweise von Wörtern haben.
Ein geübter Schreiber hat Wissen um die Schreibweise von Ableitungsformen, beispielsweise bei
zusammengesetzten von Wörtern und Flexionen, sowie Kenntnis der Rechtschreibregeln.
Zusätzlich werden semantische Informationen beim schreiben mit einbezogen (z.B. dass oder das).
Scheerer Neumann unterscheidet verschiedene Typen des Rechtschreibwissens:
1. Implizite Kenntnis von Regeln – orthographische Regelmäßigkeiten, Wortbildungsregeln,
Wahrscheinlichkeit von Phonem-Graphem Korrespondenzen.
2. inneres orthographisches Lexikon. (vgl. Scheerer- Neumann 1987 In: Eberle/Reis)
Das Schreiben durch das zusammenziehen von Lauten wird als Synthetisieren bezeichnet. Über die
Kenntnis der Graphem- Phonem- Verbindung hinaus ist es hier von Bedeutung, ein Wort so
auszusprechen, dass einzelne Laute diskriminiert werden können. Diese werden dann einzeln in
Grapheme übersetzt und hintereinander aufgeschrieben.
2.3 Schriftspracherwerbsforschung -StufenmodelleIm Gegensatz zur traditionellen Leseforschung der 60er Jahre, die den Schriftspracherwerb als
ungegliederten, in sich geschlossenen und zeitlich begrenzten Vorgang versteht, hat sich seit Beginn
der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein Perspektivenwandel innerhalb der Fachdidaktik
des Schriftspracherwerbs durchgesetzt. Die neuere Schriftspracherwerbsforschung arbeitet
entwicklungsorientiert, d.h. sie beschäftigt sich mit der Dynamik von Entwicklungsprozessen und
versucht kindliches Lesen nicht nur an den Leistungen von Erwachsenen zu messen. Außerdem
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befasst sie sich nach Scheerer- Neumann unmittelbar mit den kognitiven, motivationalen und
emotionalen Entwicklungen beim Schriftspracherwerb (vgl. Scheerer- Neumann 1996, 1154).
Der Schriftspracherwerb kann als aktiver Umgang mit dem Lerngegenstand verstanden werden, der
im Vorschulalter beginnt und sich in den folgenden Jahren qualitativ verändert. Die qualitativen
Veränderungen sind so einschneidend, dass hier unterschiedliche Phasen bzw. Stufen angeführt
werden können, die jeweils durch unterschiedliche Strategien des Lesens und Schreibens definiert
sind. Die Annahme qualitativer Veränderungen während des Schriftspracherwerbs lässt Fehler zu,
betrachtet diese nach Scheerer- Neumann sogar als entwicklungsbedingte Notwendigkeit (vgl. ebd.,
1154). Von der Pädagogik wird gefordert, dass sie nicht die erreichte Leistung und das Ziel der
Fehlerlosigkeit, sondern den Lernprozess selbst und das vom Kind schon Erreichte in den
Mittelpunkt stellt. So lassen die meisten Modelle Raum für individuelle Entwicklungen und
aufgabenspezifische Abweichungen.
Den theoretischen Hintergrund dieser Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs bildet einerseits
Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung (vgl. Piaget 1969), aber auch Einflüsse der kognitiven
Psychologie sind unverkennbar. Besonders Einflussreich war auch das, bereits im letzten Kapitel
vorgestellte, aus der psychologischen Leseforschung stammende „Zwei- Wege- Modell der
Wortidentifikation“ („Dual- route model“ vgl. Coltheart 1978). Dieses Modell wird - wenn auch
teilweise in etwas veränderten Konzeptionen - von allen Stufenmodellen aufgegriffen.
Die meisten Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs orientieren sich an dem 1984 entwickelten
Modell der englischen Autorin U. Frith. Frith hat ein dreistufiges Modell, bestehend aus einer
logographischen- einer alphabetischen- und einer orthographischen Entwicklungsstufe vorgestellt.
Auch das Stufenmodell von K. B. Günther, das 1986 als eines der Ersten im deutschen Sprachraum
die Schriftspracherwerbsforschung grundlegend geprägt hat und das den Ausgangspunkt der nun
folgenden Diskussion bilden soll, orientiert sich an dem Entwicklungsmodell von U. Frith, wurde
von K. B. Günther jedoch um die Präliteral- Symbolische Phase 0 und Integrativ- Automatisierende
Phase 4 erweitert. K. B. Günther sieht den Schriftspracherwerb bereits in der frühen allgemeinen
kognitiven Entwicklung verwurzelt und deswegen sind in diesem Modell gerade die Stadien des
frühen Schriftspracherwerbs besonders umfassend (vgl. Sassenroth 2003, 45). Dies ist deshalb zu
begrüßen, da oftmals gerade die frühen Phasen des Schriftspracherwerbs entscheidend für das
weitere Gelingen der Aneignung des Lesens und Schreibens sind. Die Bedeutung der PräliteralSymbolischen Phase ist nach Hauck- von den Driesch von besonderer Relevanz für die Pädagogik
bei Menschen mit geistiger Behinderung, da sie in den wesentlichen Punkten mit den Stufen des
erweiterten Lesebegriffs übereinstimmt (vgl. Hauck- von den Driesch 2003, 78).
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Stufenmodell von K.B. Günther
„Stufenmodell des Schriftspracherwerbs“ (vgl. Günther 1986, 34)
In seinem Modell werden von K.B. Günther fünf zweistufige Phasen vorgestellt, welche jeweils
durch zwei sich gegenseitig beeinflussende Prozesse, dem Lesen (der Rezeption) auf der einen Seite
und dem Schreiben (der Produktion) auf der anderen gekennzeichnet sind. Die Übergänge von einer
Phase in die Nächste sind fließend und entsprechen einem Strategiewechsel. Dieser wird vom
Lerner dadurch hervorgerufen, dass er mit seinen bisherigen Lösungsstrategien an seine Grenzen
stößt. Günther weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die vorgängig dominante Strategie nicht
gänzlich aufgegeben wird. „Sie geht vielmehr im Entwicklungsverlauf in der neuen Strategie als
Tätigkeit höherer Ordnung auf“ (Günther 1986, 40).
Diese qualitativen Sprünge von einer Phase zur nächsten sind gerade deshalb so schwierig, da sie
den Erwerbsprozess auf ein höheres Niveau führen. Sie bilden oft die Grundlage für Probleme im
Schriftspracherwerb und sind nach Günther „die kritischen Phasen im schriftsprachlichen
Aneignungsprozess“ (Günther 1989, 22). Demnach sind im gesamten Entwicklungsverlauf auch
Rückschritte auf vorherige Strategien, beispielsweise beim Auftreten von Schwierigkeiten möglich
(vgl. Deneke 2007, 30).
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Präliteral- Symbolische Strategie
Gestützt auf Arbeiten von Vygotsky (1964) und Lurija (1982) geht Günther davon aus, dass der
Schriftspracherwerb nicht erst mit dem Lesen und Schreiben von sprachlichem Zeichenmaterial im
engern Sinne beginnt, sondern auf vorher entwickelten präliteral- symbolischen Vorbedingungen
beruht. Als markantestes Merkmal der rezeptiven Vorstufe sieht Günther die Bildanschauung. Diese
beinhaltet im Gegensatz zu vorherigen sensomotorischen Leistungen ein höheres Maß an
Abstraktionsfähigkeit, da ein Bild lediglich den gemeinten Gegenstand repräsentiert. Gleichzeitig
bleibt das Bild jedoch durch seine Abbildfunktion anschaulich und damit präliteral (vgl. Sassenroth
2003, 47). Diese rezeptiven Erfahrungen der Phase 0 erfordern auf der anderen Seite jedoch
produktive Realisierungsweisen, indem das Kind beginnt das Wahrgenommene umzusetzen. Das
äußert sich beispielsweise in mimischen Gesten, konstruktivem Bauen und graphischem Gestalten.
Das graphische Gestalten, welches eher als symbolisch, denn als realistisch zu bezeichnen ist,
bereitet nach Günther am direktesten auf das spätere Schreiben vor (vgl. Günther 1986, 34). Den
Kindern kommt es hier weniger auf eine naturgetreue oder detailreiche Abbildung, als auf die
Darstellung von einigen bedeutsamen Merkmalen an. Deswegen muss der Betrachter oft den Inhalt
der kindlichen Zeichnung erraten. Als ein weiteres Beispiel für diese Stufe sieht Günther außerdem
Nachahmungen des Schreibens Erwachsener. Charakteristisch für diese spontanen Nachahmungen
sind ihre Orientierung an der Oberflächenstruktur und die Nichtbeachtung der kommunikativen
Funktion. Trotzdem sieht Günther diese präliteral- symbolischen Aktivitäten als notwendige
Vorbedingungen für den Beginn des Lesens im engeren Sinne an (vgl. K. B. Günther 1986, 35).
Damit sich jedoch der Übergang zur eigentlichen Schriftsprachaneignung vollzieht, ist ein
qualitativer Sprung nötig, in dem schriftsprachliches Material als solches erkannt werden muss.
Logographemische Strategie
Laut Günther beginnt diese Phase mit der rezeptiven Modalität, dem Lesen. Hier erkennen die
Kinder einige ihnen bekannte und emotional bedeutsame Wörter (wie z.B. Firmenlogos oder den
eigenen Namen) aber auch Sätze anhand optisch auffälliger visueller Schlüsselreize (vgl. Schründer
Lenzen 2007, 30). Das logographemische Lesen entspricht dem „ganzheitlichen“ Worterkennen. Es
ist ein „direkter“ Weg zur Bedeutung ohne phonologisches umkodieren. So werden beispielsweise
Schriftzüge wie MC Donalds oder Esso als Wortgebilde erkannt, aber ohne Buchstabenkenntnis
wird nur das Logo entschlüsselt. Man kann das Wort also nur deshalb lesen, da man den Schriftzug
kennt. Die Buchstaben selbst haben als sogenannte „Cues“ nur Signalcharakter für die
Worterkennung, sie werden nicht in ihrem Lautcharakter entschlüsselt (vgl. ebd., 30f.). Es ist jedoch
16
zu berücksichtigen, dass für jedes Individuum andere Buchstaben des Wortes auffällig sein können.
Auch für H. Günther ist es unklar, woran die Kinder in dieser Strategie ein Wort erkennen, seiner
Meinung nach sind es irgendwelche zufällig eingeprägten Merkmale. Entscheidend ist für ihn, dass
das Kind nicht zwischen Name und Sache bzw. zwischen Zeichen (-träger) und Bedeutung
unterscheiden kann. So ist bekannt, dass Kinder auf die Frage nach dem längeren Wort, die „Kuh“
vor dem „Schmetterling“ nennen, weil ersteres das größere Tier ist (vgl. H. Günter 2000, 113).
Unbekannte Wörter kann man nach dieser Strategie nicht lesen, allenfalls erraten. Nach einiger Zeit
führt diese Lesestrategie jedoch an seine Grenzen. Denn dann ist die Kapazität des visuellen
Gedächtnisses erschöpft, so dass diese Strategie letztlich ins Leere führt. (Vgl. Schründer Lenzen,
31).
Es ist natürlich, dass die Kinder nach einer Anfangsphase des Lesens versuchen, das erworbene
Lesematerial auch selbst zu produzieren. Auch der Beginn des Schreibens von Wörtern ist in der
Regel direkt. Die Kinder beginnen zumeist mit dem Aufschreiben von Namen geliebter Personen
und für sie wichtiger Objekte, wobei dem Schreiben des eigenen Namens eine herausragende
Stellung zukommt (vgl. K. B. Günther 1986, 37). Die Buchstaben der Wörter werden ohne
strukturelle Hilfe, ähnlich wie Telefonnummern auswendig gelernt und dann aufgeschrieben. Nach
der Meinung verschiedener Autoren ist es durchaus möglich auf naiv- ganzheitliche Weise zu lesen
- auch Schüler mit einer geistigen Behinderung wenden diese Strategie häufig an- es ist aber nicht
möglich auf naiv- ganzheitliche Weise Schreiben zu lernen. Denn nach Schmalohr ist „Abmalen
noch kein Schreiben und Schreiben nach einer ganzheitlichen Bewegungsformel gibt es erst, wenn
die Schriftgestalt beim reifen Lesen als gegliederte Ganzheit erkannt ist“ (Schmalohr 1971, In:
Haug Keuchel 1984, 50)
Die Gedächtnisbelastung in dieser Phase ist enorm groß, denn da die Kinder sich offensichtlich aus
dem Gedächtnis an Buchstaben erinnern und sie dann notieren, können leicht Fehler wie
Buchstabenauslassungen, -vertauschungen und -verwechslungen
entstehen. Versuche, Wörter
selbstständig zu konstruieren resultieren also meistens in zufälligen Buchstabenfolgen die für
andere nicht lesbar sind (vgl. Scheerer- Neumann 1996, S.1163).
Alphabetische Strategie
Durch die Grenzen, die die logographemische Strategie aufweist wird beim Kind nach K.B.
Günther die neue alphabetische Strategie hervorgerufen. Die verschiedenen Autoren sind sich
darüber einig, das der Kern dieser Strategie die Erfassung der Graphem- Phonem Korrespondenz ist
(vgl. Scheerer- Neumann 1996, 1158; K.B. Günther 1986, 40; Schründer- Lenzen 2007, 31; H.
Günther 2000, 106).
17
Auf der Seite der Produktion (Schreiben) vollzieht sich ein qualitativ neuer Entwicklungsschritt. Es
wird Einsicht in das phonetisch- phonologische Prinzip der Verschriftung unserer Sprache
gewonnen (vgl. Schründer- Lenzen, 31). Das Kind lernt nun Schriftbilder in ihrer besonderen
Struktur als Aneinanderreihung einzelner Buchstaben wahrzunehmen, denen jeweils verschiedene
lautliche Repräsentationen zugeordnet werden. Die Kinder beginnen also in der alphabetischen
Phase ihre eigene Artikulation daraufhin abzuhören, welche Laute sie hören und schreiben
dementsprechend Lautorientiert. So hat das Kind das erste Mal die Möglichkeit, ihm in der
schreibweise unbekannte Wörter zu konstruieren.
Zu Beginn des phonographischen Schreibens werden nicht alle gehörten Laute aufgeschrieben,
sondern nur die, die den Kindern besonders auffallen. Hierbei fällt auf, dass Konsonanten
gegenüber Vokalen bevorzugt werden (z.B. „HT“ für Hund) man spricht hier von konsonantischer
Skelettschreibung (vgl. Scheerer Neumann, 1996 1169, Schründer- Lenzen, 2007, 31). Der Grund
für die zunächst so rudimentäre Verschriftung liegt nach Scheerer- Neumann, in der bei den meisten
Kindern zu diesem Zeitpunkt noch unvollständige Kenntnis der Phonem- Graphem- Korrespondenz
und vor allem in den zu hohen Ansprüchen, die die vollständige Phonemanalyse an die Kinder
stellt. Studien zeigen, dass sich die Schreibungen in Hinblick auf den Phonembestand in der Regel
während des 1. Schuljahres vervollständigen (vgl. Brügelmann 1987). Jedoch wird das Schreiben
auch weiterhin von der eigenen Artikulation begleitet und so sprechen sich die Kinder vor allem
längere Worte mehrfach oder in Wortteilen vor, weil es ihnen nicht gelingt, beim einmaligen
Sprechen ihre Aufmerksamkeit auf alle Phoneme zu richten. So werden die Laute, die im
„Windschatten“ (Eichler 1976) stehen häufig ausgelassen. Hierzu gehören Übergangskonsonanten,
wie beispielsweise in dem Wort: „Krokodil“ aber auch Grapheme in längeren Wörtern können
leicht vergessen werden (vgl. Scheerer- Neumann 1996, 1169). Da die Kinder in dieser Phase
versuchen, ihre eigene Aussprache sehr genau zu analysieren, sind in den Schreibungen häufig
dialektbedingte Schreibvarianten zu finden.
Auch das Lesen ist in der frühen Phase noch sehr mühsam. Das Kind muss Buchstabe für
Buchstabe, Laut für Laut ein Wort erlesen und versucht diese dann nacheinander zu resynthetisieren
bzw. zusammenzuschleifen. So können auch - anders als in der logographemischen Phase - neue
unbekannte Wörter gelesen werden, jedoch nur sehr langsam und in dem phasentypischen
Probierverhalten, indem die Einzellaute immer wieder vorgesprochen werden. Dies macht es dem
Leseanfänger schwer, den Wortsinn zu finden (vgl. Schründer- Lenzen 2007, 32).
18
Orthographische Strategie
Mit dieser Strategie werden die Probleme der alphabetischen Strategie überwunden (vgl. K. B.
Günther 1986 41). Sie stützt sich auf linguistische Wortbildungsregeln. Der entscheidende Schritt
liegt darin, dass sich das Kind von der Lautsprache löst; die Grundeinheiten sind nun Morpheme,
häufige Buchstabenkombinationen oder Silben (vgl. Günther 1986, 41). Diese Einheiten können
vom Lernenden direkt, ohne lautliches Umkodieren aus dem Lexikon abgerufen werden. Auch
wenn die orthographische Strategie zunächst auf der Ebene des Lesens angewendet wird, ist sie
ebenso für das Schreiben gültig.
Das
Lautbezogene
Schreiben
wird
zwar
als
wichtiges
Stadium
innerhalb
des
Schriftspracherwerbsprozesses angesehen, es muss aber so bald wie möglich überwunden werden.
Nun wird vom Lernenden die Erkenntnis gefordert, dass die orthographisch korrekte Schreibweise
unserer Sprache in weiten Teilen durch morphologische, syntaktische und semantische Beziehungen
bestimmt ist (vgl. Sassenroth 2003, 52). Den Einblick in orthographische Strukturen gewinnen die
Lernenden durch direkte Instruktion im Unterricht und/ oder durch die eigenaktive
Auseinandersetzung mit Lernwörtern.
Integrativ- Automatisierte Strategie
Dieser Phase liegt keine neue Vorgehensweise zugrunde, sondern sie verdeutlicht den langen
Prozess, bis die orthographische Strategie mit ihren vielen linguistischen Regeln soweit gefestigt
ist, dass der Umgang mit der Schrift weitgehend automatisiert abläuft. „Sie stellt eigentlich keine
neue Strategie mehr dar, sondern bezeichnet den schriftlichen Sprachgebrauch des kompetenten
Lesers und Schreibers in einem autonomen und funktionsspezifischen Repräsentationssystem der
Sprache“ (Günther 1986, 43).
Zusammenfassung und Reflexion des Modells
Das dargestellte Entwicklungsmodell hat gezeigt, dass im Prozess des Schriftspracherwerbs Lesen
und Schreiben miteinander verwoben sind. Der Lernende durchläuft qualitativ verschiedene Phasen,
in denen er sich nach und nach die verschiedenen Prinzipien der deutschen Schriftsprache
vorwiegend eigenaktiv aneignet. Für das Erlernen unserer Schriftsprache ist eine genaue Analyse
der Laut- und Morphemstruktur erforderlich, was erhebliche Anforderungen an das sprachlichkognitive Bewusstsein des Kindes stellt. So kann es aufgrund von fehlendem Symbolverständnis,
eingeschränkter auditiver Wahrnehmungsfähigkeit, geringen metasprachlichen Kompetenzen, etc.
zu Erschwernissen für einige Schülergruppen (wie z. B. Schüler mit einer (geistigen-) Behinderung,
19
oder sozio- kulturell benachteiligte Schüler) kommen.
Betrachtet man die Schreibleistung des Kindes, kann das Stufenmodell Aufschluss über den
jeweiligen Entwicklungsstand geben und es können Rückschlüsse auf die individuelle Strategie
eines Kindes gezogen werden. So können gezielt Fördermaßnahmen geplant werden, die dem Kind
helfen die nächst höhere Phase zu erreichen (vgl. Sassenroth 2003, 67). Im schulischen Unterricht
sollte die emotionale Seite, die ebenso über den Lernprozess mitbestimmt jedoch nicht übersehen
werden sollte sowie der Zugang zu kreativen und Inhaltsbezogenen Problemlösungen ermöglicht
werden. Auch die individuellen Erfahrungen mit Schriftsprache sollten hierbei berücksichtigt
werden. Denn letztlich ist die Frage, ob ein Kind mit Freude zu schreiben oder lesen beginnt,
ausschlaggebend für den Verlauf des Schriftspracherwerbs.
Insgesamt geben die Schriftspracherwerbsmodelle den idealtypischen Prozess der Annäherung des
Kindes an die Schriftsprache wider. Jedoch sind individuelle Abweichungen im Lernprozess immer
möglich und sollten auch berücksichtigt werden (vgl. Scheerer- Neumann 1996 1155). Dieser
Aspekt spielt gerade in der Pädagogik für Menschen mit geistigen Behinderungen eine besondere
Rolle. Sie verweilen unterschiedlich lange auf der grundlegenden präliteral- symbolischen Phase, da
der Wechsel von einem Erfahrungsbezogenen Umgang mit Sprache hin zu metasprachlichen
Kompetenzen für sie eine besondere Anforderung darstellt. Dies macht vielfältige Lernanregungen
notwendig, damit sich ein Symbolverständnis entwickeln kann und so der Weg hin zur
Schriftsprache geebnet ist (vgl. Hauck- von den Driesch, 2004 84).
2.4 Unterricht
2.4.1 Vorläuferfähigkeiten
Im Grundschulbereich werden „Vorschulische Lernvoraussetzungen“ (Marx 2007, 38) für den
Schriftspracherwerb
diskutiert.
Diese
umfassen
spezifische,
also
für
den
Schriftspracherwerbsprozess direkt verknüpfte Fähigkeiten und unspezifische Fähigkeiten, wie
Motivation, Konzentration etc. Der Erwerb dieser Fähigkeiten sollte vor dem Schuleintritt
abgeschlossen sein. In der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung geht man
hingegen nicht davon aus, an bereits vorhandene Vorläuferfähigkeiten in vollem Maße anknüpfen
zu können. Das Training der Vorläuferfähigkeiten wird hier in den Unterricht integriert.
Die unspezifischen Vorläuferfähigkeiten werden in drei Gruppen zusammengefasst: In
motivationale Faktoren, wie beispielsweise das Selbstkonzept, die Leistungsmotivation und die
20
Aufgabenorientierung, in affektive Faktoren, wie z.B. Lernfreude, aber auch in kognitive Faktoren.
Zu diesen werden Intelligenz, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit gezählt (Marx 2007,
38).
Die spezifischen Vorläuferfähigkeiten hingegen werden vom Schriftspracherwerbs-Prozess
abgeleitet und umfassen die visuelle Informationsverarbeitung, die allgemeine sprachliche
Informationsverarbeitung und die Phonologische Informationsverarbeitung. In den letzten Jahren
wurde von der Forschung immer stärker der Bereich der phonologischen Informationsverarbeitung
als wesentliche Vorläuferfähigkeit identifiziert. Diese kann in drei Teilbereiche unterteilt werden:
Im „phonologischen Arbeitsgedächtnis“ werden phonologische Informationen, also Lautfolgen über
einen kurzen Zeitraum gespeichert und können daraufhin artikuliert werden. Das spielt besonders
für das Erlesen unbekannter Wörtern, oder für Leseanfänger eine zentrale Rolle.
Der „Zugriff auf das Langzeitgedächtnis“ ermöglicht sowohl die Verknüpfung von Phonemen und
Graphemen, als auch von Wortbildern mit deren Bedeutung. Er ist von zentraler Bedeutung für das
erlesen von Wörtern mit der alphabetischen Strategie, aber auch für die Lesegeschwindigkeit.
Als der wichtigste Faktor für den Schriftspracherwerb wird in zahlreichen Studien (z.B. Wiener
Längsschnittstudie von Klicpera und Gasteiger- Klicpera, vgl. Marx 2007, 42) die phonologische
Bewusstheit hervorgehoben. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit zur analytischen Betrachtung
der eigenen Sprache mit der Erkenntnis ihrer Reimbarkeit, Rhythmisierbarkeit und Darstellbarkeit.
Im Allgemeinen wird in die phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne, die sich auf Erkennung
der größeren Spracheinheiten (Wörter, Silbe, Reime) bezieht und in die phonologische Bewusstheit
im engeren Sinne, die Fähigkeit zur Manipulation von Phonemen als kleinste sprachliche Einheit
unterschieden. Klicpera (2007) unterscheidet hier die folgenden drei Entwicklungsstufen:
1. Sensibilität für Reime und Alliterationen. Die Kinder beginnen, abseits der
Bedeutung von Wörtern auf die Lautfolge zu achten.
2. Kinder achten auf Ähnlichkeiten in der Lautfolge verschiedener Wörter.
3. Kinder systematisieren die Unterscheidung von Phonemfolgen und differenzieren nur
noch
Merkmale, die für die Unterscheidung der Wörter mit unterschiedlicher
Bedeutung wesentlich sind.
Ob die Phonologische Bewusstheit tatsächlich eine Voraussetzung und nicht eine Folge des
Schriftspracherwerbs ist, steht noch zur Diskussion. In mehreren Studien konnte gezeigt werden,
21
dass sich die phonologische Bewusstheit erst während des Schriftspracherwerbsprozesses
entwickelt, demnach spielt der Erstleseunterricht für die Entwicklung der phonologischen
Bewusstheit eine nicht unwesentliche Rolle. Untersuchungen mit Aufgaben zur phonologischen
Bewusstheit im Vorschulalter lassen aber auf der anderen Seite eine gute Voraussage der
zukünftigen Lese- und Rechtschreibfertigkeiten zu.
2.4.2 Leselehrmethoden
2.4.2.1 Diskussion um analytische und synthetische Methoden
Da es bis heute keine einheitliche Theorie zum Schriftspracherwerb gibt, existieren vielfältige
Methoden, Konzepte, Materialien, Fibeln und Hilfsmittel zu diesem Bereich. Um Lehrgänge zum
Schriftspracherwerb von ihrem Ursprung her verstehen zu können, ist es notwenig sich die
unterschiedlichen Strategien innerhalb der einzelnen Methoden bewusst zu machen.
In Deutschland setzte nach dem Krieg eine Auseinandersetzung um verschiedene Leselehrmethoden
ein und wurde bis in die 60er Jahre hinein fortgeführt (vgl. Ferdinand 1972, Müller 1964, in:
Schründer- Lenzen 2007, 136).
Da dem Schriftspracherwerb eine entscheidende Rolle in der intellektuellen Entwicklung zukam
und auch heute noch zugesprochen wird, ist es nicht verwunderlich, dass es in der
Entwicklungsgeschichte des Erstunterrichts viele Versuche gab, den methodischen Weg des Lesenund Schreibenlernens theoretisch und praktisch zu verbessern. So stand die „Ganzheitliche“
Methode des Lesenlernens der „Synthetischen“ Methode gegenüber. Insgesamt war diese
Diskussion jedoch mehr durch emotionale als durch wissenschaftliche Überzeugungen geprägt. So
kommt Schwander bei einem Vergleich der „Leselehrverfahren in empirischer Sicht“ zu dem
Schluss: „Das beste Leselehrverfahren gibt es nicht. Jeder ist aufgerufen, abzuwägen, was er für
seine Klasse für Zumutbar und in Hinblick auf den zu erwartenden Erfolg für Wünschenswert hält“
(vgl. Schwander 1989, 51).
Dabei ist es besonders wichtig, Prozesse zu beobachten und zu beschreiben, die ein erfolgreiches
Lernen auch unter erschwerten Bedingungen, zum Beispiel bei Kinder mit einer einer geistigen
Behinderung ermöglichen.
22
Lautsynthetische Verfahren
Das Lautsynthetische Verfahren geht von Einzellauten/ Einzelbuchstaben aus. Erst wenn diese in
ausreichender Zahl eingeführt worden sind, werden Silben erarbeitet, die schließlich zu Wörtern
bzw. Texten zusammengefügt werden.
Im Allgemeinen lassen sich hier drei aufeinander Aufbauende Verfahrensschritte unterscheiden (vgl.
Hauck- von den Driesch 2003, 69).
I. Stufe der Lautgewinnung
In dieser Stufe lernt der Schüler zunächst den isolierten, von Inhalt und Bedeutung entbundenen
Laut kennen. Im Laufe der Geschichte des Erstleseunterrichts wurden verschiedene Verfahren zur
Lautgewinnung entwickelt. Besondere Bedeutung hat bis zu dem heutigen Tag die Orientierung an
den Anlauten (z.B. /m/- „Maus“). Sie begegnen uns in vielen Fibeln ebenso wie in
fibelunabhängigen Verfahren. Dagegen sind die Empfindungslaute, wie z.B. /a:/ als Ausruf des
Erstaunens und die Naturlaute, wie z. B. /f/ als Blasen des Windes heute kaum noch vertreten. Seit
den 60er/ 70 er Jahren des letzten Jahrhunderts trat die unmittelbare Lautvorgabe an die Stelle der
Lautgewinnung mit Naturlauten (vgl. Topsch 2005, 53).
II. Stufe der Lautverschmelzung
Die zweite Stufe, die „Stufe der Lautverschmelzung“ beinhaltet das „Zusammenschleifen“ oder
„Verschmelzen“ von Buchstaben/Lauten zu Silben und auch zu Wörtern. Doch diese Stufe stellt
nach Topsch bei synthetischen Verfahren oftmals ein Problem dar und deswegen sind gerade in
dieser Stufe methodische Hilfen besonders notwendig. Im Wesentlichen realisiert sich die
Lautverschmelzung methodisch in der Aufforderung zum schnellen Hintereinandersprechen der
einzelnen Laute. Im Fibeldruck wird/wurde dies häufig durch die Schrittweise Verringerung einer
Lücke zwischen zwei Buchstaben oder durch andere graphische Mittel zum Ausdruck gebracht (vgl.
ebd., 55).
III. Stufe des Zusammenlesens
In dieser Stufe kommt es darauf an, die erlernten Silben zu Wörtern und später auch ganze Sätze
zusammen zu lesen. Diese Stufe zielt auf das Lesen von größeren Einheiten ab, welches über das
additive Erlesen von Buchstaben zu Silben hinausgehen sollte. Neben Übungen zur
Gesamtauffassung häufig vorkommender Wörter, werden häufige Buchstabenverbindungen, wie
„st“, „sp“ und „en“ herausgearbeitet. Außerdem steht die Beachtung von Regelwissen im
23
Vordergrund dieser Stufe.
Vor- und Nachteile der lautsynthetischen Methode
Da zunächst die einzelnen Laute/ Buchstaben isoliert voneinander geübt werden, fehlt der
Handlungs- und Erfahrungsbezug, so dass das inhaltlich erschließende Lesen nicht möglich ist.
Insgesamt steht bei dieser Methode die Lesetechnik im Vordergrund. Dies ist zum einen der Voraber auch ein Nachteil dieser Methode. Einerseits erfolgt die Zuordnung von Laut und Buchstabe
sofort und außerdem ist das Zusammenschleifen, was oftmals eine Schwierigkeit im
Leselernprozess darstellt, wesentlicher Bestandteil dieser Methode. Auf der anderen Seite bedeutet
dies jedoch auch, dass über Monate und Jahre hinweg „sinnlose“ Silben geübt werden (vgl. Hauck
von den Driesch 2003, 74). Es wird das Phänomen der lauttreuen Schriftsprache vorgetäuscht. Dass
unsere Schriftsprache jedoch nicht lauttreu ist, zeigt sich in der nicht eindeutigen
Zuordnungsmöglichkeit von Graphemen zu Phonemen. Aufgrund dessen kann es zu
Schwierigkeiten in der Synthese und im Leseverständnis kommen.
Ganzheitliche Verfahren
Die theoretische Fundierung dieser Methode geht auf die Gestaltpsychologie zurück, die davon
ausging, dass Kinder zunächst nur diffus- ganzheitlich wahrnehmen (vgl. Stöckli 1998, 62). In
Deutschland brachten die Brüder Kern das ganzheitliche Verfahren zum Durchbruch. Sie sahen im
Lesevorgang kein summatives Aneinanderreihen einzelner Laute zu Silben und Wörter, sondern
vielmehr einen einmaligen, ganzheitlichen Wahrnehmungsschluss der Wortgestalt (vgl. SchründerLenzen 2007, 135).
Ganzheitliche Verfahren gehen also nicht von isolierten Elementen (Buchstaben/ Lauten) sondern
von Sprachganzen aus, die erst nach einer längeren Phase des „ganzheitlichen Lesens“ analysiert
werden. Für das ganzheitliche Lesen lassen sich drei große Phasen, die sich gegenseitig überlagern
unterscheiden.
I. Phase des naivganzheitlichen Lesens
In der ersten Phase geht es darum, einen Grundwortschatz „ganzheitlich“ zu bearbeiten, da es den
Schülern zu Beginn nicht möglich ist, auf die lautliche und graphische Binnenstruktur von Wörtern
zurückzugreifen. In dieser Phase muss dem Schüler gesagt werden wofür ein bestimmtes Wortbild
steht, damit er sich dieses merken kann. Zur besseren Einprägung der Wörter werden diese teilweise
farbig hervorgehoben. Es gibt neben dem Text Illustrationen, die Hinweise auf die Inhalte des
24
Textes geben. Dafür werden möglichst merkmalsreiche Wortgestalten ausgewählt (vgl. Topsch
2005, 58).
II. Phase der Durchgliederung
Diese Phase dient dem Erfassen des Buchstabens und ihrer lautlichen Entsprechung. Durch eine
bewusste Lenkung der Wahrnehmung auf die graphische und lautliche Struktur geschriebener und
gesprochener Wörter kommt der Schüler allmählich dazu, einzelne Strukturen innerhalb von
Wörtern zu erkennen. Beispielsweise durch Wort auf bzw. -abbau, durch „Verzaubern“ von
Wörtern, durch Buchstabentausch (z.B. „Hund“ zu „Hand“), durch Aufsagen von Unterganzen, z.B.
„und“ in „Hund“, Einkreisen von Einzelbuchstaben.
III. Phase des selbstständigen Erlesens
Diese Phase ist erreicht, wenn das Lesen nicht mehr auf dem ganzheitlichen Erfassen des ganzen
Wortes basiert, sondern auf der Anwendung der erworbenen Laut-/ Buchstabenkenntnisse beruht.
Hier geht es also darum, die in der „Phase der Durchgliederung“ erworbenen Kenntnisse operativ
zu nutzen und unmittelbar wirksam werden zu lassen (vgl. ebd., 59).
Vor- und Nachteile der ganzheitlichen Verfahren
Ein Vorteil dieser Methode ist, dass die Schriftzeichen von Beginn an Bedeutungsgehalt haben, so
können die Schüler sofort den Sinn des Gelesenen entnehmen und werden zum Lesen so besonders
motiviert. Allerdings besteht die Gefahr des ratenden Lesens, denn die Speicherfähigkeit von
Wörtern kann aufgrund der jeweiligen Gedächtnisleistung sehr anstrengend und begrenzt sein.
Vergleich beider Methoden
Aus heutiger Sicht kann man sich generell die Frage stellen, ob die verschiedenen
Leselehrmethoden überhaupt zu längerfristigen Leistungsunterschieden führen. Denn man darf
nicht übersehen, dass sich die beiden methodischen Ansätze zu Beginn des Leselernprozesses zwar
voneinander unterscheiden, auf den gesamten Lernprozess hin gesehen, beinhalten jedoch beide
Methoden sowohl analytische als auch synthetische Prozesse. Letztendlich können die Schwächen
eines bestimmten methodischen Verfahrens nach Schründer- Lenzen durch eine kompetente
Lehrkraft ausgeglichen werden (vgl. Schründer- Lenzen 2007, 137).
25
Methodenintegrierte Verfahren
Anfang der 70er Jahre kam es zu einem Wandel im Methodenverständnis innerhalb des
Erstleseunterrichts. (vgl. Schwander 1989, 52). „Methodenintegrierende Verfahren“ (auch
analytisch- synthetische Verfahren genannt), wie sie u. a. von Menzel vertreten wurden gelantgen
zunehmend an Bedeutung. Hier werden ganz bewusst die spezifischen Vorteile des ganzheitlichen
und des synthetischen Verfahrens aufgenommen, um die Nachteile einseitiger methodischer
Orientierung zu vermeiden. Diese Methode bildet einen Kompromiss zwischen Ganzheitlichen und
synthetischen Verfahren, denn sowohl Analyse als auch Synthese finden von Beginn an in enger
Verknüpfung statt (vgl. Hauck von den Driesch 2003, 75).
Analytisch- synthetische Verfahren gehen von ganzen Wörtern aus, analysieren diese jedoch
unmittelbar in ihre einzelnen Elemente von Sprache und Schrift und fügen diese in der Synthese
schließlich wieder zusammen (vgl. Topsch 2005, 49). In einer Vorstufe wird zunächst eine
Redeeinheit in seine Wörter zergliedert. Hierbei ist es wichtig, dass die gesprochene Sprache in
einen für den Lernenden sinnvollen situativen Kontext bezogen ist. In der folgenden Stufe, der
Analyse wird das gesprochene Wort in seine Laute zerlegt, welchen dann Buchstaben zugeordnet
werden. In der letzten Stufe wird versucht das Wort Buchstabe für Buchstabe zu schreiben (vgl.
Hauck- von den Driesch 2003, 75).
„Methodenintegrierende Leselernverfahren“ (Schenk 2001, 96) wollen den Zugang zur
Schriftsprache in einer anspruchsvolleren und variationsreicheren Weise eröffnen. Sie wollen das
Kind zu einem frühzeitigen, selbstständigen, flexiblen und möglichst kreativen Umgang mit
geschriebener Sprache führen. So haben sich diese „Methodenintegrierenden Leselernverfahren“ in
den Fibeln der letzten Jahre durchgesetzt. Lehrgänge nach streng analytisch- synthetischen
Verfahren sind nach dem Schlüsselwortverfahren aufgebaut, das heißt, es werden nur Wörter
ganzheitlich angeboten, deren Buchstaben und Laute bereits bekannt sind, so dass sie visuell,
auditiv und sprechmotorisch analysiert und synthetisiert werden (vgl. Hauck- von den Driesch
2003, 76 und „Lesen mit Lo“, Kapitel 3.3.3.1)
4.2.2.2. Aktuelle Konzepte des Schriftspracherwerbs
In den letzten Jahrzehnten haben sich in der Schriftspracherwerbsdidaktik wichtige Veränderungen
vollzogen, wie beispielsweise eine stärkere Orientierung an der gesprochenen Sprache und eine
stärkere
Verbindung
des
Lesen-
und
Schreibenlernens
zu
einem
integrierten
Schriftspracherwerbsprozess. So setzte sich ab Mitte der Achtzigerjahre eine Integration der
26
Lehrgänge zum Lesen- und Schreibenlernen durch, die wesentlich mitbestimmt wurde durch die
Tatsache, dass die Druckschrift als Anfangsschrift für das Lesen- und Schreibenlernen akzeptiert
und später sowohl gefördert, als auch gefordert wurde (vgl. Topsch 2005, 64). Auch wird versucht,
die Sichtweisen und Strategien des lernenden Kindes mehr in den Blickpunkt zu stellen und diese
zu verstehen (Hauck- von den Driesch 2004, 77). Doch weiterhin gibt es verschiedene Ansätze für
den Anfangsunterricht. In den letzten Jahren hat nach Schründer- Lenzen eine Annäherung
zwischen eher lehrgangs- und den eher lernwegsbezogenen Unterrichtskonzepten stattgefunden. So
sehen auf der einen Seite die Vertreter fibelorientierter Lehrgänge heute die Notwendigkeit einer
Öffnung des Unterrichts. Sie bieten Material an, dass explizit für Phasen differenzierenden
Unterrichts vorgesehen ist. Auch der Aufbau der Fibeln ist heute nicht mehr vollständig linear, da
nach der Einführung der Buchstaben heute Lesetexte unterschiedlicher Schwierigkeitsstufen
angeboten werden. Insofern ist es hier angebracht von „halboffenen“ Lehrgängen (vgl. SchründerLenzen 2007, 106) zu sprechen.
Auf der anderen Seite gibt es die Verfechter „offener“ Unterrichtsmethoden wie Brügelmann,
Brinkmann, Ballhorn (vgl. ebd., 105). Sie kritisieren, dass der Einsatz eines systematischen
Lehrgangs oder einer Fibel den Lehrstoff in einzelnen Schritten aufbereitet und zu wenig auf die
individuellen Bedürfnisse des Schülers eingeht (vgl. Sassenroth 2003, 107).
Halboffene Lehrgänge
Lesen und Schreiben lernen mit einer Fibel
Als „Fibel“ wird auch heute noch das erste (Lese-) Buch der Schulkinder bezeichnet, obwohl sich
die heutigen Leselehrgänge von der ursprünglichen Fibel weit entfernt haben. Dabei spiegelt die
über 400 jährige Geschichte der Fibel die unterschiedlichen Leselehrverfahren und die wechselnden
Erziehungsstile
wieder
(vgl.
Ulrich
2005,
100).
Die
heutigen
Fibeln
basieren
auf
methodenintegrierten Leselehrverfahren, indem Laute und Buchstaben immer in einem sinnvollen
Ganzen eingeführt werden.
Heutige Fibellehrgänge verfügen neben dem Leitmedium, der Fibel über weitere Materialien, wie
Lesematerialien, Schreiübungshefte und Informations- und Demonstrationsmaterial für Lehrer. Die
in den verschiedenen Begleitmaterialien angebotenen Übungen fördern sowohl eine optische, eine
akustische als auch eine schreibmotorische Erarbeitung der Schriftsprache. Hierdurch wird aber
nach Schründer- Lenzen noch keine „Öffnung“ von Unterricht vollzogen. Vielmehr wird in
Fibellehrgängen besonders in der ersten Phase des Unterrichts eine gezielte Hilfestellung für die
Erfassung des alphabetischen Prinzips der Schriftsprache als notwendige Voraussetzung gesehen.
27
Damit soll für alle Schüler ein gemeinsames Fundament geschaffen werden, auf dem sowohl
differenzierende, als auch offenere Phasen aufbauen können (vgl. Schründer- Lenzen 2007, 107).
Charakteristisch für die Fibellehrgänge ist dabei ihr weitgehend linearer Aufbau. Alle Materialien
laufen in ihrer optischen und inhaltlichen Gestaltung synchron. Die in der Fibel vorgegebene
Reihenfolge der Buchstabenanordnung bzw. der Wortbestand ist in dieser Anordnung auch in den
Begleitmaterialien zu finden. Durch das Prinzip die Schriftsprache Buchstabe für Buchstabe
einzuführen, ist ein Aufbau vom Leichten zum Schweren gegeben. Fibellehrgänge verbinden dabei
von Anfang an sowohl den Lese-, als auch Schreiblernprozess miteinander, denn das, was in der
Fibel gelesen wird ist immer auch Schreibaufgabe in den Schreiblehrgängen.
Offene Unterrichtsmethoden
Spracherfahrungsansatz
Der Spracherfahrungsansatz bezieht sich auf die von Downing Mitte der 80er Jahre entwickelte
Theorie der kognitiven Klarheit. Demnach gewinnen Kinder die Einsicht in die alphabetische
Struktur unserer Schrift nur dann, wenn sie den Lerngegenstand Schrift aktiv konstruieren. Nur so
kann es zu der notwendigen gedanklichen Klarheit in Bezug auf Funktion und Aufbau der Schrift
gelangen (vgl. Schründer- Lenzen 2007, 145). Wie der Begriff andeutet, basiert der
Spracherfahrungsansatz auf den unterschiedlichen Vorerfahrungen der Schüler mit und über
Sprache und Schrift. Aufgrund dieser häufig sehr unterschiedlichen Vorraussetzungen und
Vorkenntnisse einzelner Schüler, ergibt sich zwangsläufig die Forderung nach einem differenzierten
Unterricht. Die vielfältigen, motivierenden Lernmaterialien und Lernanlässe, die den Schülern
bereitgestellt werden, sollen ihnen individuelle Zugänge zur Schriftsprache eröffnen. Es soll jedoch
gewährleistet sein, dass sie ihrem Leistungsstand entsprechend neue Erfahrungen gewinnen können,
die ihnen neuen Lernzuwachs und neue Lernfortschritte ermöglichen. Nach Scheerer- Neumann ist
die
lexikalische
und
damit
inhaltliche
Freiheit
das
wichtigste
Element
des
Spracherfahrungsansatzes, denn die Schüler sollen das Lesen und Schreiben anhand möglichst
eigener Wörter und Texte erlernen (vgl. Sassenroth 2003, 118).
Die unterschiedlichen Beispiele, Anregungen und Einzelmaßnahmen des Spracherfahrungsansatzes,
lassen sich zwar in ihrer Mehrzahl dem analytisch- synthetischen Verfahren zuordnen, da sie sich
aber nicht darauf beschränken, kann dieser Ansatz als „methodenübergreifender Ansatz“ verstanden
werden (vgl. Topsch 2005, 65). Befürworter des Spracherfahrungsansatzes sehen den
Schriftspracherwerb als eigenaktiven Entdeckungsprozess der nicht linear verläuft, sondern in
Sprüngen und mit Plateaus. Deswegen kritisieren sie den Einsatz eines systematischen Lehrgangs
28
oder einer Fibel, denn dieser setzt gleiche Ausgangsbedingungen der Schüler voraus und bereitet
den Lernstoff in einzelnen Lernschritten auf, die von den Schülern im „Gleichschritt“ durchlaufen
werden, dabei geht der Fibelorientierte Lehrgang zu wenig auf die individuellen Lernwege der
Schüler
ein
(vgl.
Sassenroth
2003,
107).
Brügelmann
-
als
ein
Vorreiter
des
Spracherfahrungsansatzes - bezeichnet die Lehrgänge deshalb auch als „Krücken“ (Brügelmann
1989, 9) und appelliert an Lehrer sich von diesen zu befreien.
Da die Begründer des Spracherfahrungsansatzes davon ausgehen, dass das Schreiben eine
konkretere Form der Auseinandersetzug mit der Schriftsprache darstellt als das Lesen, sind im
Unterricht die Lehr- und Lernformen vorzuziehen, in denen das Kind handelnd - also produktiv tätig werden kann (vgl. Sassenroth 2003, 118). Ein verantwortungsvoller Unterricht soll die
jeweilige schriftsprachliche Handlungs-Fähigkeit von Schülern akzeptieren und ihre Entwicklung
fördern (vgl. Schurad 2004, 52). Das Prinzip des handelnden Unterrichts äußert sich dadurch, dass
auch schriftsprachliche Tätigkeiten immer in einen konkreten Handlungszusammenhang eingebettet
werden, z.B. beim Erstellen von Briefen, Einladungen, Rezepten, Gebrauchsanweisungen, etc.
Diese Handlungsbezogenheit ist auch bzw. gerade zur Stärkung der Lese- und Schreibmotivation
von (geistig-) behinderten Schülern wichtig. So taucht der Begriff „Spracherfahrungsansatz“
zunehmend auch im sonderpädagogischen Bereich und auch im Bereich der Erwachsenenbildung
auf (vgl. Topsch 2005, 68).
29
3. Schriftspracherwerb an der Schule mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung
3.1 Kulturtechniken an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige
Entwicklung
Schrift begegnet uns in unterschiedlicher Form ständig. Das gesprochene und geschriebene Wort
bildet die Grundlage für Kultur und Denken einer Gesellschaft. Ohne die Kompetenzen des Lesens
und des Schreibens ist man nach Hauck- von den Driesch in seiner persönlichen und
gesellschaftlichen Entfaltung eingeschränkt (vgl. Hauck- von den Driesch 2003, 166). Durch die
Vermittlung der sog. „Kulturtechniken“ wie Lesen, Schreiben und Rechnen wird für jeden
Menschen grundlegend das Recht auf Teilhabe an menschlicher und mitmenschlicher Kultur erfüllt.
Um sich ihre Umwelt zu erschließen, ist es für Schüler deshalb von großer Bedeutung im Bereich
von Sprache möglichst hohe Kompetenzen zu erwerben (vgl. Lehrplan Deutsch der Schule mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung 2003, 147). Gerade dem Schriftspracherwerb im
Anfangsunterricht weist Hauck- von den Driesch eine wichtige Rolle zu, da dieser eine materiale
und formale Bildungsgrundlage schafft und der Lernende ein Medium für seine individuelle
Weiterentwicklung erlangt. Der Schriftspracherwerb ist demnach ein Teil der Grundlage, auf dem
sich das Kind formt und gestaltet (vgl. Hauck- von den Driesch 2003, 167). Die Möglichkeit am
Bildungsgut der Schriftsprache teilzuhaben, unterstützt bei Menschen mit geistiger Behinderung die
Selbstbestimmung und Autonomie und kann nach Hauck- von den Driesch einen Beitrag zu einer
selbstständigen Lebensführung und zu gesellschaftlicher Partizipation leisten (vgl. Hauck- von den
Driesch 2003, 166). Jeder Mensch hat das Bedürfnis teil zu haben an Kultur und an sozialen Rollen,
um sich auf seine Art sozial und kulturell einbinden zu können. Aber auch das Erreichen der
sozialen Integration ist zu einem wesentlichen Teil abhängig von der Fähigkeit mit Schriftsprache
umzugehen.
Kaum ein Thema in der Geistigbehindertenpädagogik wurde und wird so kontrovers diskutiert, wie
die Thematik „Lesen bei Geistigbehinderten“. Dabei wird die Bedeutung des Schriftspracherwerbs
für Menschen mit einer geistigen Behinderung kontrovers diskutiert.
Hierzu gibt es auf Seiten der Pädagogen und auch der Eltern unterschiedliche Standpunkte. Die
Eltern geistig behinderter Kinder sehen das Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und
Rechnen als wichtig an. Ihrer Meinung nach soll es zum Bildungsangebot für die Schule ihrer
30
Kinder gehören, da sich das geistig behinderte Kind, wie auch seine Geschwister mit Lesen und
Schreiben beschäftigen möchte und Freude daran hat.
Einige Pädagogen, wie beispielsweise Bach lehnen das Lesen und Schreiben für Schüler mit einer
geistigen Behinderung hingegen ab (vgl. Rittmeyer 93, 9). Sie legen ihr Hauptaugenmerk auf die
Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten, denn sie sehen im Lesenlernen meist eine
Überforderung der Schüler, weil er die viel Zeit koste und letztlich nur Ergebnisse zeige, die keine
erkennbare Lebenshilfe bedeute. Hublow hingegen sieht die Vermittlung von Kulturtechniken als
wesentlich an. Er hält Lesen bei geistig Behinderten für möglich, sinnvoll, berechtigt und
notwendig (vgl. ebd., 9).
Nach Zielniok gibt es in dieser Diskussion verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Für ihn ist die
Antwort davon abhängig, welche Schüler aus der Schule mit dem Fördeschwerpunkt Geistige
Entwicklung gemeint sind (vgl. Zielniok 1984, 1). Er legt dar, dass die Lernvoraussetzungen
darüber entscheiden, ob, wann und wie der Schüler mit einer geistigen Behinderung die
Schriftsprache erlernt, welche Lernvoraussetzungen bzw. Lernmöglichkeiten bei ihm gegeben sind.
So muss bei geistig behinderten Schülern bereits die Zielsetzung auf Lesen und Schreiben
individuell angepasst werden (vgl. ebd., 1).
Aber auch für andere Autoren ist Lesen ein wichtiger Bestandteil an Schulen mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Für Rittmeyer ist Lesen ein Teil des „normalen“ Alltags.
Und diese „Normalität“ sollte Geistigbehinderten nicht vorenthalten werden, weil sie ein Stück
reale Interaktion, Lebenshilfe und Lebensbereicherung sein kann (vgl. Rittmeyer 1993, 9).
Auch kann der Verzicht auf Lesen- Schreibenlernen die Leistungsmotivation, das Anspruchsniveau
und die Anstrengungsbereitschaft des geistig behinderten Schülers beeinträchtigen, da er weiß, dass
alle Schüler diese Fertigkeiten in der Schule lernen. Durch den Verzicht auf Leseunterricht wird
ihrer Meinung nach die Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung aus der
Gesamtheit aller Schulen herausgenommen. So wird eine mögliche Integration erschwert (vgl.
Rittmeyer 1993, 11). Aus diesem Grund werden die Begriffe „Lesen“ und „Schreiben“ heute anders
definiert. Es wird ein Lesen im engeren Sinne von einem Lesen im weiteren Sinne unterschieden.
31
3.2 Der erweiterte Lese- und Schreibbegriff
Lesen im engeren Sinne
Das Lesen im engeren Sinne wird verstanden als „verstehendes Aufnehmen von schriftlich fixierten
Sprachfügungen“ (Kainz 1956).
Hier ist die Buchstabenschrift mit ihrer Struktur der
Lerngegenstand (vgl. Zielniok 1984, 1). Lesen im engeren Sinne ist die Art von Lesen, die Bach so
entschieden für geistig Behinderte ablehnt. Er betont, dass zunächst eine basale Erziehung zur
Selbstständigkeit, Anstelligkeit und Handgeschicklichkeit Vorrang hat. Den formalen Wert der
Kulturtechniken für die Erziehung des geistig behinderten Schülers hält er für gering und zum Teil
sogar fragwürdig (vgl. Rittmeyer 1993, 11). Für den Pädagogen Speck hingegen kann das Lesen im
engeren Sinne zwar nicht Hauptziel des Unterrichts sein, da das Lernen anderer Fähigkeiten für die
spätere Lebensbewältigung wichtiger ist. Das Einüben der Kulturtechniken hat jedoch bildende
Wirkung, wenn die Lernvorgänge im Leseunterricht der Lesefähigkeit des einzelnen Schülers
entsprechen. Der Dortmunder Sonderpädagoge Pohl hat zusammen mit U. Pohl und K. Schulte
zahlreiche Argumente aufgestellt, die aus seiner Sicht für das Lesen im engeren Sinne bei geistig
behinderten Schülern sprechen. Für ihn ist der Schreib- Leseunterricht für Schüler, die die
Voraussetzungen zum Lesen erfüllen, eine notwendige und nützliche Fortsetzung des bisherigen
Unterrichts und Schüler die die Voraussetzungen zum Lesen noch nicht erfüllen, können durch
Lese- und Schreibübungen gefördert werden. So stellt das Lesen im engeren Sinne keine
Überforderung für geistig Behinderte Schüler, sondern eine erwünschte Abwechslung dar. In den
letzten Jahren wird dem Lesenlernen eine größere Bedeutung zugemessen. Während in den 80ger
Jahren Studien zufolge ein Viertel der Schulabgänger über Textkompetenzen verfügten ist diese
Tendenz in den letzten Jahren deutlich steigend (Marx, 2007, 170).
Lesen im erweiterten Sinne
Ein erweitertes Begriffsverständnis haben Hublow/ Wohlgehagen, Oberacker (vgl. Rittmeyer 1993,
9) eingeführt. Oberacker definiert Lesen ganz allgemein als „Sinnentnahme aus optischen Zeichen“.
Für ihn zählt deshalb auch die Sinnentnahme aus Situationen, Bildern und Symbolen zum Lesen.
Zielniok unterscheidet in der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung drei
Gruppen von Schülern hinsichtlich ihrer Lesefähigkeit. Zum einen gibt es eine geringe Zahl von
Schülern, die keinerlei Schriftbild und keinen Buchstaben als Laut erkennen können. Eine größere
Zahl, die bestimmte Namen, Aufschriften, Schilder wieder erkennen können. Und einen nicht zu
32
vernachlässigen Teil von Schülern ist das Erlernen der alphabetischen Strategie möglich, so dass sie
auch (neue Schriftbilder) und fremde Texte erlesen und einfache Texte auch verstehen können (vgl.
Zielniok 1984, 1).
Auch der bayerische Lehrplan für die Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung
plädiert für einen erweiterten Lese- und Schreibbegriff. Besonders das Lesen schließt auch das
Verstehen von Körpersprache, Handlungen, Bildern, Symbolen und Signalen ein. So werden
entnommene Informationen mit der persönlichen Erlebniswelt in Beziehung gesetzt und wieder
erkannt. Schreiben im erweiterten Sinne heißt, sich auf den unterschiedlichen Ebenen in
kommunikativer Absicht auszudrücken. Der Einsatz von Körpersprache, Handlungen, Bildern,
Symbolen und Signalen ermöglicht es, sich mitzuteilen und Aussagen über sich selbst zu machen
(vgl. Lehrplan Bayern, Deutsch an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung
2003, 102).
Der erweiterte Lesebegriff versteht Lesen demnach als Wahrnehmen, Deuten und Verstehen von
konkreten, bildhaften, symbolhaften und abstrakten Zeichen und Signalen (Günthner, 2000, 14).
Hublow entwirft hierfür ein sechs-stufiges Entwicklungsmodell der Lesefähigkeiten, das vom
Situationslesen zum Schriftlesen die natürliche Entwicklung beschreibt. Er plädiert dafür, die
Schüler auf ihrer jeweiligen Stufe zu fördern, um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen (Hublow,
1977, 202ff:
Situationslesen
Hierunter fällt die Deutung der Mimik, Gestik und Sprache als Ausdruck von handelnden Personen
sowie die Erfassung der Bedeutung von Gegenständen und Geräuschen. Beispielsweise die Deutung
von Gesichtsausdrücken.
Bilderlesen
Hier soll die Bedeutung aus bildlichen, zweidimensionalen, unbeweglichen und geräuschlosen
Abbildungen entnommen werden. Beispielsweise durch das Erkennen von Personen auf Fotos und
Abläufen anhand von Bilderreihen.
Bildzeichenlesen
Schematische Abbildungen, die nicht mehr der wahrgenommenen Realität entsprechen aber auch
die Bedeutung von Symbolen werden erschlossen. Hierunter fällt die Interpretation von Ampeln,
Richtungspfeilen, etc.
33
Signalwortlesen
Häufig auftretende Hinweis- und Warnschilder sowie immer wiederkehrende geschriebene Worte,
wie beispielsweise Stoppschilder, Namensschilder und Logos von Markennamen wie „Coca-Cola“
werden korrekt gedeutet.
Ganzwortlesen
Beim Ganzwortlesen können oft auftretende oder häufig geübte Wörter, wie beispielsweise
Wochentage oder Namen anderer Personen, an der gesamten Wortgestalt wieder erkannt werden. So
kann ihnen Bedeutung zugeschrieben werden.
Schriftlesen
Hier kann die alphabetische Schrift durch Analyse und Synthese der Buchstaben gelesen und
verstanden werden. Einzelne oder fremde Worte, Sätze und Texte können so sinnerfassend gelesen
werden.
Insgesamt sollte allen Schülern der Förderschulen Geistige Entwicklung durch eine individuell
passende Leselehrmethode das Lesen und Schreiben ermöglicht werden. Die Entscheidung darüber,
ob wann und wie einem geistig behinderten Schüler ein sinnvoller Zugang zum Lesen eröffnet
werden kann, ist nach Hublow immer von seinen individuellen Möglichkeiten abhängig (vgl. Haug,
Keuchel,
1984,
40). Wesentlich
ist
die
Einbeziehung
zusätzlicher
Lernhilfen
und
Anschauungsmittel, wie beispielsweise von Lautgebärden oder Mundbildern, aber auch eine klare
Strukturierung des Inhalts ist für die meisten Schüler hilfreich. Denn aufgrund der großen
Heterogenität der Schüler der Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung ist es
wichtig, auf eine große Vielfalt an Methoden zurückgreifen zu können (vgl. Marx 2007, 171). Nach
dieser Auffassung vom Lesen geistig behinderter Schüler ergeben sich neue, sinnvolle Ansätze zum
Lesenlernen (vgl. Zielniok 1984, 1).
34
3.3 Schriftspracherwerbskonzepte für die Schule mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung
3.3.1 Alle Schüler umfassende Konzeptionen
3.3.1.1 Werner Günthner: Lesen und Schreiben an der Schule für Geistigbehinderte
In diesem 1999 erschienenen Konzept von Werner Günthner ist kein Lehrgang enthalten. Es handelt
sich vielmehr um eine Konzeption des Schriftspracherwerbs für alle Schüler der Schulen mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Grundlage ist der von Hublow u. a. vorgestellte
„erweiterte Lesebegriff“ sowie der „erweiterte Schreibbegriff“. Eine Alphabetisierung zieht
Günthner nur für Schüler in Betracht, die „voraussichtlich zur Analyse, Synthese und Sinnentnahme
aus Sätzen und Texten befähigt sind“ (Günthner 1999, 18).
Günthner schlägt vor, die Klasse für den Deutschunterricht in leistungshomogene Gruppen
einzuteilen, in die „Signal- und Ganzwortleser“ auf der einen Seite und die „Schriftleser“ auf der
anderen. Diese beiden Gruppen bilden die Elemente seiner Konzeption, denn es wird sowohl der
integrative Leseunterricht mit den vom erweiterten Lesebegriff abgeleiteten Abstufungen, als auch
der fachorientierte Lese- und Schreibunterricht für die Gruppe der Schriftleser dargestellt.
Integrativer Leseunterricht
Dieser ist am Alltag der Schule orientiert und soll in den Tagesablauf und das Unterrichtsgeschehen
eingebettet werden. Der Klassenraum soll zum Lesen und Schreiben anregend gestaltet sein und
sowohl Bücher, Zeitschriften, als auch Schreibmaterialien enthalten. Jede Tätigkeit im Unterricht,
wie beispielsweise die Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus sollen als Lese- und
Schreibanlass genutzt werden, um den Schülern die Bedeutung von Lesen und Schreiben sichtbar
zu machen. In den Tagesablauf ist aber auch das Vorlesen und die Freiarbeit integriert Günthner
differenziert seine Übungsvorschläge, um alle Kinder mit einzubeziehen. Er orientiert sich dabei an
den Leseformen, die Hublow im Rahmen des erweiterten Lesebegriffs beschrieben hat.
Situationen lesen
Wird durch Gebärden, Gestik und Mimik angeregt und durch Übungen, wie Rollenspiele, Videos
von Alltagssituationen und Puppenspiele oder auch Ratespiele trainiert. Außerdem sollen Räume,
Gegenstände und Orte erkundet werden, akustische Signale für bestimmte Aktivitäten dargestellt,
oder Gegenständen nach Oberbegriffen sortiert werden.
Bilder lesen
35
Der Stundenplan sowie Handlungsabläufe (Tagesablauf, Tätigkeiten, Einkaufsliste), werden mit
Fotos dargestellt und somit für alle Lesbar gemacht. Es können Familienbücher, Fotobücher von
Gegenständen, Personen, Orten oder Tätigkeiten mit Hilfe von Fotos hergestellt werden. Das
Bilderlesen soll durch das Lesen von Bauanleitungen und Comics, aber auch durch den Einsatz von
Bilderspielen, wie beispielsweise Memory oder Kofferpacken gefestigt werden.
Bildzeichen (Piktogramme) und Signalwörter lesen
Hier wird ein aus vier Schritten bestehendes methodisches Vorgehen vorgeschlagen:
•
Schüler suchen innerhalb und außerhalb der Schule nach bestehenden Piktogrammen.
•
Schüler versuchen die Bedeutung der Piktogramme zu entdecken und zu versprachlichen.
•
Übungen im Klassenzimmer. Die bereits erlernten Piktogramme sollten immer im
Klassenraum zur Verfügung stehen.
•
Lernerfolgskontrolle.
Übungen zu Piktogrammen: Zuordnen, Suchen, Erfinden und Sortieren von Piktogrammen, das
Erstellen eines Lesebuches, Stundenplans und Wetterplans.
Übungen zu Signalwörtern: Wort- Wort und Wort- Bild Zuordnungen, Oberbegriffe finden,
Versprachlichung der Signalwörter.
Ganzwort lesen
Die Schüler sollen sowohl den eigenen Namen, als auch die Namen der Mitschüler lesen, aber auch
Wochentage und Monate als Ganzwörter im Stundenplan erarbeiten und Sätze aus Ganzwörtern
lesen und schreiben (z.B. Willi →  = Willi geht nach Hause).
Günthner schlägt vor, dass den Schülern, die sich auf der Ebene der Bildzeichen und der
Ganzwörter befinden, neben dem Lesen auch das Schreiben ermöglicht werden soll. Hierfür sollen
Bild- und Wortkarten angefertigt werden, mit denen die Schüler Sätze legen können. Alle Wörter,
die nicht bildlich dargestellt werden können, können durch Pfeile ersetzt werden, durchgestrichene
Pfeile ermöglichen die Verneinung. In diesem Zusammenhang stellt Günthner vier Funktionen des
Schreibens vor:
36
1. Schreiben (auch Kritzeln) ist Teil eines Spiels
Günthner betont den Rollenspielcharakter des Schreibens und empfiehlt dieses durch die
Bereitstellung von Materialien wie Lottozettel, Briefumschläge, Einkaufszettel etc. zu unterstützen.
2. Lebenspraktischer Aspekt der Verständigung oder der Mitteilung
Eine wichtige Funktion des Schreibens ist der Mitteilungsaspekt. Dieser kann im Schulalltag durch
das Aufschreiben und Aufmalen von Informationen z.B. an die Eltern, berücksichtigt und geübt
werden.
3. Informationen zum eigenen Nutzen fixieren
Damit ist das Aufschreiben von Notizen, z.B. in den Kalender und in das Merkheft gemeint. Auch
hier ist wieder der Einsatz von Piktogrammen oder Bildern möglich.
3. Texte verfassen
Günthner hebt hervor, dass das Schreiben auch einen gestalterischen Aspekt hat. Schüler können
durch Schreibanlässe dazu angeregt werden, von ihren Erlebnissen zu berichten oder ihre Phantasie
zu Papier zu bringen. Um Schreibhemmungen zu verhindern, sollte hier allerdings nicht zu früh auf
die richtige Schreibweise geachtet werden.
Fachorientierter Lese- und Schreibunterricht
Günthner stellt die Vorgehensweise Analytisch- Synthetischer- Verfahren untergliedert vor und
beschreibt für jeden Schritt angemessenes Material und Übungen zur Ergänzung des Lehrgangs.
Analyse
Ausgangspunkt sind die abgespeicherten Ganzwörter, aus denen in einer optischen und akustischen
Analyse Buchstaben ausgegliedert, anschließend als Groß- und Kleinbuchstaben geübt und
geschrieben/ gedruckt werden. Als sinnvolle erste Buchstaben sieht Günthner die Vokale „a“, „e“,
„i“, „o“, „u“ und die leicht artikulierbaren Konsonanten „m“, „p“, „l“, „t“. Er schlägt folgende
Übungen für die optische Analyse vor:
Übungen mit Buchstabenkarten:
Wörter sollen zunächst vor den Schülern auf Karton geschrieben werden. Die einzelnen Buchstaben
37
werden ausgeschnitten, um anschließend von den Schülern wieder zu einem Wort zusammenlegt zu
werden. Mit den entstandenen Buchstabenkarten können verschiedene Übungen, wie beispielsweise
das Heraussuchen verschiedener Buchstaben, oder das Zusammenlegen verschiedener Buchstaben
durchgeführt werden.
weitere Übungen:
Buchstabenposter: Einzelne Buchstaben werden aus Zeitschriften ausgeschnitten und auf Plakate
gelegt/geklebt. Außerdem soll ein Buchstabenpuzzle (Zusammenlegen von Groß- und
Kleinbuchstaben) durchgeführt werden, Styroporbuchstaben sollen geangelt und/ oder gestempelt
werden, ein Buchstabenklappbuch - mit drei Buchstaben zum Vergleich - soll hergestellt werden,
etc.
Zur Unterstützung der akustischen Analyse soll mit Hilfe von Buchstabenkarten die LautBuchstaben- Zuordnung trainiert werden. Hierzu eignet sich die Übung: „Gummisprache“:
gemeinsam werden bekannte Wörter stark gedehnt ausgesprochen, so dass die verschiedenen Laute
eines langsam vorgesprochenen Wortes bestimmt werden können.
Günthner empfiehlt die
einzelnen Laute im Wort zusätzlich durch die Verwendung von Lautgebärden sichtbar zu machen.
Außerdem schlägt Günthner drei Übungen speziell für das Training der Anlaute vor:
•
Das Spiel: „Ich sehe was, was du nicht siehst, das fängt mit /m/ an“.
•
Einen Buchstabentisch, auf dem Gegenstände gesammelt werden, die z.B. mit /m/
anfangen.
•
Ein Anlautposter auf dem Bilder von Gegenständen geklebt werden, die mit dem
gleichen Anlaut beginnen.
Synthese
Synthese meint das Zusammenschleifen der einzelnen Laute zu einem Wort. Damit sollte nach dem
Erlernen der ersten Buchstaben begonnen werden. Günthner schlägt vor, die Schüler beim Erlernen
der Synthese zu unterstützen, in dem die Lehrkraft zunächst laut mitliest. Begonnen werden sollte
mit kurzen, einfachen Silben, aus denen sich einfache lauttreue Wörter bilden lassen. Zweisilbige
Wörter, wie z.B. „ma“/ „ma“ können mit den passenden Silbenkarten als Puzzle zusammengelegt
und auseinander genommen werden. Günthner schlägt vor, möglichst früh mit dem Schreiben zu
beginnen, da es die Synthese optimal unterstützen kann. Denn da die Schüler beim Schreiben
38
parallel mitsprechen, üben sie so das Zusammenschleifen der Laute. Um eventuelle feinmotorische
Schwierigkeiten zu umgehen, können sowohl Schreibmaschinen (heute wohl eher Computer), als
auch Stempel verwendet werden. Unterstützend können Lautgebärden, sowie eine Reihe weiterer
Übungen auf Silbenebene eingesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise: Buchstaben sortieren,
verbinden, zu Wörtern zusammenpuzzeln, Wortteile miteinander verbinden, aber auch die
„Synthesemaschine“ und „Wortschieber“ bei denen ein Wort Buchstabe für Buchstabe aufgedeckt
und verdeckt werden kann.
Sinnentnahme
Günthner betont die besondere Schwierigkeit der Sinnentnahme beim Lesen. Er schreibt, dass mit
bereits bekannten Wörtern gearbeitet und auf das laute, deutliche Lesen der Schüler geachtet
werden soll, da sich die Sinnentnahme seiner Meinung nach bei Leseanfängern über das gehörte
oder ausgesprochene Wort entwickelt. Er schlägt einige Übungsvorschläge speziell für das
sinnentnehmende Lesen vor. Dazu gehört die Zuordnung von Wort zu Wort (z. B. nach
Oberbegriffen oder Reimen), von Wort zu Bild und von Sätzen zu ihrer richtigen Ergänzung bzw.
Antwort.
Schreiben
Als Voraussetzungen für das Schreibenlernen ist es für Günthner wichtig, dass die Schüler über eine
verfeinerte Graphomotorik verfügen, die Form des Buchstabens abspeichern können und
Kenntnisse über die Buchstabe- Laut- Zuordnung sowie Analyse- und Synthesefähigkeiten besitzen.
Um diese zu trainieren, führt er eine Reihe Übungen vor allem zur Graphomotorik, zur
Wahrnehmung im taktilen Bereich und zur Wahrnehmung im visuellen Bereich auf. Bezogen auf
das Schreiben selbst macht er keine eigenen Übungsvorschläge, sondern empfiehlt, die Schüler so
viel wie möglich selbstständig schreiben zu lassen, ohne auf Rechtschreibung zu achten. So steht
der Mitteilungscharakter des Schreibens im Vordergrund.
Fazit
In dieser Konzeption für den Schriftsprachunterricht an Schulen mit dem Förderschwerpunkt
Geistige Entwicklung fällt auf, dass sie keine Schülergruppe ausschließt. Zudem werden je nach
Leistungsstand der Schüler eine Reihe interessanter und teilweise auch neuer Übungen vorgestellt,
die den Unterricht gut ergänzen können. Auffällig ist, dass moderne Medien, wie beispielsweise
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Talker in der Konzeption nicht auftauchen, obwohl sie gerade bei der Förderung von Schülern mit
einer schwererern Behinderung im heutigen Schulalltag allgegenwärtig sind. Auch der Einsatz von
Computern beim Verfassen von Texten wird nicht vorgeschlagen. Möglicherweise hängt das damit
zusammen, dass Günthner wesentlich mehr Übungsvorschläge zum Lesen lernen herausgearbeitet
hat, während er dem Schreiben ein deutlich kürzeres Kapitel ohne explizite Übungsvorschläge
widmet.
3.3.1.2 Programm von Ch. Haug und B. Keuchel
Christine Haug und Brigitte Keuchel stellten 1984 mit ihrem Buch „Lesen, Schreiben und Rechnen
mit geistig Behinderten“ ein Handbuch zur Didaktik der Kulturtechniken zur Verfügung.
In diesem Buch werden drei Aufbauprogramme vorgestellt. Ein Programm zum „NaivGanzheitlichen Lesen“, ein Programm, das Vorübungen zum Schreiben und Zeichnen darstellt und
ein weiteres Konzept für das „Schreiblesen“. Die in diesem Buch beschriebenen Aufbauprogramme
orientieren sich jeweils an unterschiedlichen Lehrgängen.
1. Methodisches Aufbauprogramm: Naiv- Ganzheitliches Lesen
Die Zielsetzung dieses Programms ist - wie in dem Schulbuch „Auch ich kann Lesen“ (Band 1,2
und 3) - das Einprägen ganzer Wörter und einfacher Sätze auf naiv- ganzheitliche Weise. Dieses
Lesen wird sowohl als Teilbereich der Auseinandersetzung mit der Umwelt und der
Begriffsbildung, als auch des Sprachaufbaus gesehen (Haug, Keuchel 1984 54).
Übungen
Einführung der Lesewörter
Als erste Lesewörter eignen sich der eigene Name des Kindes, die Namen der Klassenkameraden,
evtl. auch „Mama“ und „Papa“ sowie die Namen der Geschwister. Auch Spielsachen aus der
unmittelbaren Umgebung, wie „Ball“, „Auto“, „Kasperl“ „Teddy“ usw. bieten sich an. Die
Schriftbilder der Wörter zu den jeweiligen Bildern sollten optisch möglichst verschieden sein, denn
so erleichtern sie das erste Unterscheiden. Da es für die meisten Schüler der Schule mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung wichtig ist ein eigenes Buch zu besitzen, wurde dem
gebundenen Buch anstelle eines flexibleren Kartensystems der Vorzug gegeben. Die Reihenfolge
40
der Lesewörter im Buch ist dadurch zwar fixiert, die dazugehörigen Übungen ermöglichen jedoch
eine individuelle Reihenfolge.
Einführung der Zeitwörter
Kann ein erster Grundwortschatz an Lesebildern unterschieden werden, wird das erste Zeitwort als
Lesewort eingeführt, wie z.B. das Wort „fährt“. Bei der Bearbeitung des Zeitwortes gilt wieder die
gleiche Reihenfolge wie zur Erarbeitung der übrigen Lernwörter. Als zweites Zeitwort eignet sich
z.B. „malt“. Denn auch diese Tätigkeit lässt sich leicht darstellen. Ausgehend von diesem Zeitwort
können viele neue Sätze gebildet werden, in denen auch alle schon bekannten Wörter angewendet
werden können. Die angebotenen Wörter stellen jedoch nur eine Ausgangsbasis dar. Schon bald ist
es günstig ein Klassenlesebuch (eine Gruppenzeitung) mit eigenen Texten herzustellen, welches
durch Zeichnungen und Fotos ergänzt werden kann.
Erlesen eines Satzes
Ausgehend von den vorher gelernten Lese- und Zeitwörtern können zunächst einfache Sätze
gelesen werden. Beim Lesen eines Satzes muss der unbestimmte Artikel jedoch nicht unbedingt
gelesen werden, denn der Sinn des Satzes ist auch ohne Artikel gegeben z.B. in dem Satz: „Der
Kasperl malt ein Haus“.
Übungen
Lesewörter
Zur Erarbeitung der Lesewörter eignen sich folgende Übungen:
Begriffsbildung:
Beim Spielen lernen die Schüler den betreffenden Gegenstand kennen, er wird verbal benannt, z.B.
das Spiel mit einem Ball.
Bild- Gegenstand Zuordnung:
Ein Bild des Gegenstandes wird mit dem realen Gegenstand verglichen.
Wortbild zu Bild und Gegenstand:
Zum Bild und zum Gegenstand wird das entsprechende Wortbild angeboten, mit der Erklärung:
„Das heißt Ball“.
41
Unterscheiden der Wortbilder:
Ab dem zweiten angebotenen Wortbild soll die eindeutige Zuordnung der Wörter zu den Bildern
bzw. Gegenständen erlernt werden. Zusätzlich bietet ein Bilder- und Leselotto weitere
Übungsmöglichkeiten.
Parallel zu allen Spiel- und Übungsmöglichkeiten wird durch das Zuordnen gleicher Formen die
visuelle Wahrnehmung geschult. Es werden gleich geformter Holzplättchen gestapelt, erste einfache
Rahmenpuzzles durchgeführt, etc.
Schon nach einigen Lesewörtern kann zusätzlich zum Gruppenbuch auch eine Lesewortkartei
angelegt werden. Auf der Vorderseite der Karte steht das Wort, auf der Rückseite ist das
entsprechende Bild dargestellt. Was im Rahmen des gedruckten Lesebuches angeboten wird, ist
natürlich nur ein Teil des Klassenlesestoffes. Es bleibt der Eigeninitiative des Lehrers überlassen
wie er diesen ergänzt, z.B. durch den Einsatz anderer Bilderbücher mit kurzen Texten.
Zeitwörter
Bei der Erarbeitung der Zeitwörter eignen sich die gleichen Übungen wie zur Erarbeitung der
Lesewörter (siehe Übungen 1- 4 zur Erarbeitung der Lesewörter).
2. Methodisches Aufbauprogramm: Entwicklung graphischer Grundformen
Ziel dieses Programms ist es, die graphischen Voraussetzungen zu schaffen, die für das Erlernen des
Schreibvorgangs notwendig sind und die beim behinderten Schüler nicht immer spontan entwickelt
werden. Die Autorinnen wollen erreichen, dass die Schüler eine bewusst intendierte
Formdarstellung erlangen, dazu gehört sowohl das Wahrnehmen der Form, als auch die Fähigkeit
diese darzustellen. Erst danach kann sinnvoller Weise mit dem Schreibunterricht begonnen werden
(vgl. Haug, Keuchel 1984, 95).
Die Autorinnen versuchen mit dem Aufbauprogramm dort einzusetzen, wo dem Schüler der
Bewegungsablauf bewusst wird. So wird zum Bewegungsablauf immer dieselbe verbale
Bezeichnung eingesetzt, um eine Begriffsbildung sowohl auf der Handelnden, als auch auf der
symbolischen (sprachlichen) Repräsentationsebene zu erreichen.
Die Konzeption dieses Programms entspricht dem Aufbau in: „Schau was ich kann“ Band 1: Es
werden der Reihe nach verschiedene Grundformen erarbeitet: der Kreis, der Bogen, die
waagerechte Linie, die senkrechte Linie, etc.
42
Übungen
Die methodische Abfolge der Übungen sollte für die Erarbeitung aller Grundformen gleich
aussehen.
Das Erleben des Bewegungsablaufes im dreidimensionalen Raum:
Zur Erarbeitung des Kreises wird hier beispielsweise mit Spielzeugfahrzeugen im Kreis gefahren,
zusätzlich sollte die Bewegung immer mit demselben Wort begleitet werden.
Erkennen, dass der Bewegungsablauf im zweidimensionalen Raum eine Spur hinterlässt
Zur Erarbeitung des Kreises eignet sich hier beispielsweise eine Holzeisenbahn.
Eigenes graphisches Darstellen:
Auch das Zeichnen des Kindes wird jedes Mal mit einer sprachlichen Bezeichnung verbunden.
Anwenden und Üben der schwungvollen Darstellung:
Beispielsweise werden bei der Erarbeitung des Kreises für den Schüler interessante Gegenstände
auf dem Blatt eingekreist.
Erarbeiten der isolierten Form:
Ziel dieses methodischen Schrittes ist die bewusst durchgeführte geschlossene Kreisbewegung.
Anwenden und Üben der isolierten Form:
Durch das Ausmalen von Arbeitsblättern, z.B. aus dem Buch: „Schau was ich kann“ Band 1 wird
das Zeichnen der jeweiligen Form geübt.
3. Methodisches Aufbauprogramm: Schreiblesen
Mit diesem Aufbauprogramm wird ein einzelheitlich- synthetischer Weg zum Schreiben aber auch
zum Lesen angeboten. Das Aufbauprogramm ist für geistig Behinderte Kinder gedacht, die gewisse
Voraussetzungen erfüllen (vgl. Haug, Keuchel 1984, 114). Die Konzeption dieses Programms
entspricht dem Aufbau in „Schau, was ich kann“ Band 2
43
Reihenfolge
In diesem Lehrgang werden nur Großbuchstaben verwendet, da die Unterscheidung zwischen Großund Kleinbuchstaben nach Meinung der Autorinnen für Schüler mit einer geistigen Behinderung als
Anfangsschrift zum Schreiben zu schwierig ist.
Sobald die Schüler die ersten drei Buchstaben lesen und schreiben können, werden die ersten
Wörter gebildet. Die Buchstaben und Wörter werden in folgender Reihenfolge angeboten: „I“, „A“,
„M“, „MIA“, „IM“, „MAMA“, „MIMI“, „P“, „PAPA“, „O“, „OMA“, „OPA“, „T“, „OTTO“,
„MIT“, „TOM“, „TIM“, „E“, „PEPI“, „S“, „IST“, “U“, „SUSI“, „F“, „FIFI“. Mit Hilfe der
verschiedenen Wörter können auch schnell einfache Sätze gebildet werden. z.B. „MAMA IM …“.
Die Autorinnen sind außerdem der Meinung, dass es für alle Schüler wichtig ist, mit dem Schreiben
möglichst schnell kommunizieren zu können. Den eigenen Namen schreiben zu lernen, selber kurze
Mitteilungen in Briefform schreiben zu können, etc.
Übungen
Einführung der Buchstaben
Jeder neue Buchstabe wird den Schülern zunächst einmal groß und in roter Farbe angeboten, wobei
die Form der Buchstaben mit der Zeit immer kleiner wird. Zu dem jeweiligen Buchstaben wird dem
Schüler der entsprechende Laut deutlich vorgesprochen. Im Buch steht der einzelne Buchstabe und
die Hör- Seite - indem der Anlaut aus verschiedenen Wörtern herausgesucht werden muss nebeneinander.
Einführung der Wörter
Jedes neue Wort wird mit einem Bild eingeführt. Das Bild stellt das neu eingeführte Wort dar, neben
dem Bild ist das neue Lese- und Schreibwort zu finden. Das eigene Wort schreibt der Schüler
zunächst einzeln unter das „Musterwort“.
Sobald das Wort „IM“ eingeführt ist, werden die gelernten Hauptwörter in Kombination mit „IM“
zur Beschreibung von Situationen verwendet und dabei weiter geübt und gefestigt (z.B. „MAMA
IM …“). In Anschluss an die verschiedenen Übungsmöglichkeiten soll versucht werden, die
gelernten Wörter auch auswendig zu schreiben. Um den jeweils passenden Text schreiben zu
können, muss der Schüler die Bilder „lesen“ und anschließend entweder die Wörter auswendig
schreiben oder beim entsprechenden Bild nachschauen, wie die Wörter geschrieben werden.
44
Fazit
Durch die drei in diesem Buch vorgestellten Aufbauprogramme, sollen die Schüler jeweils
unterschiedliche Fähigkeiten erlernen.
Das erste hier dargestellte Aufbauprogramm zum naiv- ganzheitlichen Lesen bezieht sich auf den
Lehrgang: „Auch ich kann Lesen“ Band 1, 2, 3. Das Programm soll die Schüler dazu bringen,
Wörter in ihrer Gestalt zu erfassen und sie so zu erkennen. Dazu wird vom ganzen Wort
ausgegangen, ohne die einzelnen Phoneme/Grapheme vorher zu erarbeiten. Auf diesem Weg
können sich die Schüler einige ihnen bekannte Wörter und auch Sätze einprägen, zum Erlesen ihnen
unbekannter Wörter kommen sie durch diesen Weg jedoch nicht. Nach Aussage der Autorinnen ist
es durchaus möglich naiv- ganzheitlich zu lesen, es ist aber nicht möglich naiv- ganzheitlich
schreiben zu lernen. Denn Schreiben ist ein Aneinanderreihen einzelner Buchstaben, was ein
synthetisches Vorgehen erfordert (vgl. Haug, Keuchel 1984 50).
Für die Autorinnen gehört das naiv- ganzheitliche Lesen von Wörtern (Texten) jedoch
zum
Leseunterricht für geistig Behinderte, da diese Art zu lesen vielen Schülern mit einer geistigen
Behinderung möglich ist.
Ihrer Meinung nach
kann hier vom Lesen im erweiterten Sinn
gesprochen werden. Sie sind davon überzeugt, dass auch mit einem naiv- ganzheitlich erworbenen
Lesewortschatz und der Hilfe von gut illustrierten Büchern auch Menschen mit einer geistigen
Behinderung Freude am Umgang mit guten Büchern und Texten haben können.
Das zweite hier dargestellte Aufbauprogramm bezieht sich auf das Konzept: „Schau was ich kann“
Band 1. Es sollen graphische Grundformen erarbeitet werden, die als Voraussetzung für den darauf
aufbauenden Lese- Schreiblehrgang angesehen werden. Die Schüler lernen die Formen zunächst
einmal im dreidimensionalen Raum kennen, danach werden diese zur Festigung jedoch auch im
zweidimensionalen Raum erarbeitet.
Nach Meinung der Autorinnen ist das Erarbeiten dieser Grundformen wichtig, da sich viele geistig
Behinderte Schüler im Kritzelstadium befinden und ihrer Meinung nach die meisten Schüler mit
einer geistigen Behinderung nur zu Vorformen und Vorstufen des Lesens und Schreibens gelangen
(vgl. Haug, Keuchel 1984, 51).
Das dritte hier dargestellte Aufbauprogramm, bezieht sich auf das Konzept: „Schau was ich kann“
Band 2. In diesem einzelheitlich- synthetischen Lese- und Schreiblehrgang lernen die Schüler
zunächst einmal einige Buchstaben kennen. Nachdem diese einzelnen Buchstaben durch
45
unterschiedliche Übungen geübt wurden, erlernen sie jedoch relativ bald erste kurze Wörter und
können damit erste Situationen bzw. Situationsbilder erlesen (wie beispielsweise den Satz: „OPA
MIT MIA“). Weil die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinbuchstaben nach Meinung der
Autorinnen als Anfangsschrift zum Schreiben für Schüler mit einer geistigen Behinderung zu
schwierig ist, werden in diesem Lehrgang zunächst nur Großbuchstaben verwendet. Hierin zeigt
sich ein Unterschied zu den anderen, in der von uns angefertigten Arbeit vorgestellten Lese- und
Schreiblehrgänge. Denn sie alle haben gemeinsam, dass sie von Anfang an gleichzeitig sowohl
große- als auch kleine Druckbuchstaben einführen. In diesem Programm wird mehr Bedeutung auf
die optische Auseinandersetzung mit einem Buchstaben gelegt, als auf die akustische Analyse der
einzelnen Laute. Aber auch diese Tatsache wird von den Autorinnen rechtfertigt. Denn es ist ihrer
Meinung nach für geistig behinderte Schüler überaus schwierig, Laute aus gesprochenen Wörtern
zu identifizieren. Ein optischer Vergleich der geschriebenen Buchstaben ist viel leichter zu
erreichen.
Letztlich ziehen die Autorinnen das Einzelheitliche- Synthetische Lesen dem ganzheitlichen Lesen
vor, da die einzelnen Elemente (Buchstaben) ihrer Meinung nach leichter zu identifizieren sind als
ganze Wortgestalten. So ist beim einzelheitlichen Vorgehen eine weniger differenzierte visuelle
Wahrnehmung nötig. Und auch für Schüler mit einer geistigen Behinderung ist es ihrer Meinung
nach letztlich leichter mit dem Erkennen der Buchstaben zu beginnen und nicht mit dem Einprägen
von ganzen Wortbildern (vgl. Haug, Keuchel 1984, 35).
Betrachtet man den Lese- und Schreiblehrgang insgesamt und vergleicht ihn mit anderen
Leselehrgängen, so fällt auf, dass die Autorinnen viele Inhalte, die sie als zu schwer für Schüler mit
einer geistigen Behinderung ansehen, gar nicht erst aufnehmen. Stattdessen belassen sie die Schüler
in einem „Schonraum“ und möchten diese nicht überfordern. Allerdings muss man berücksichtigen,
dass dieses Buch vor 25 Jahren veröffentlicht wurde. Seitdem hat sich im Bereich der
Schriftsprachdidaktik einiges verändert und auch die heutigen Leselehrgänge für geistig behinderte
Schüler haben sowohl andere Inhalte, als auch eine andere Sichtweise gegenüber Schülern mit einer
geistigen Behinderung.
46
3.3.2 Programme auf der Ebene von Ganzwort- und Bildlesen
3.3.2.1. Susanne Dank: Geistigbehinderte lernen ihren Namen lesen und schreiben
In der Reihe: „Übungsreihen für Geistigbehinderte – Konzepte und Materialien – Lehrgang B:
Sprache“ hat Susanne Dank zwei Konzepte veröffentlicht, die für den Anfangsunterricht im
Schriftspracherwerb an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung konzipiert
sind. Es handelt sich dabei einerseits um das Konzept: „Geistigbehinderte lesen ihren Stundenplan“
und um das 1988 erschienene Werk: „Geistigbehinderte lernen ihren Namen lesen und schreiben“,
welches hier exemplarisch für beide vorgestellt werden soll. Dieser ist ein Lehrgang, der nach einer
kurzen theoretischen Einleitung für die Lehrkräfte, kurzfristige Lernziele vorgibt und für jedes
dieser Lernziele sowohl festigende als auch vertiefende Übungen und „Vorhaben“ für die ganze
Klasse vorschlägt. Zusätzlich werden Buchstabenkarten als Kopiervorlage angeboten. Insgesamt
besteht das Programm aus sieben, teilweise in zwei Feinziele aufgeteilte Lernziele mit jeweils
sieben bis achtzehn passenden Übungen, Spielen und Vorhaben. Während in diesem Konzept die
Übungen im Vordergrund stehen, handelt es sich bei dem Konzept „Geistigbehinderte lesen ihren
Stundenplan“ um Bild- und Wortkarten rund um den Stundenplan und die Schule.
1. Den Namen der Mitschüler kennen
Für das Ziel die Namen der Mitschüler zu beherrschen, werden insgesamt achtzehn Namenspiele,
die viele Bewegungselemente enthalten, angeboten. Darunter befinden sich zwei Singspiele, elf
Kreisspiele (z.B. für den Morgenkreis geeignet) sowie sechs Bewegungsspiele.
2. Personen auf Fotos erkennen
Es werden vier Vorübungen angeboten, die die Selbst- und Fremdwahrnehmung mithilfe von
Spiegeln und Personenbeschreibungen unterstützen. Im Anschluss daran finden sich mehrere Spiele
und Übungen, bei denen Schüler den entsprechenden Fotos richtig zugeordnet werden sollen.
Später soll ein Foto-Puzzle erarbeitet werden. Als Abschluss der Einheit soll ein gemeinsames FotoHaus für die Klasse oder mehrere Foto- Häuser für einzelne Gruppen gebaut werden, aus deren
Fenstern alle Schüler „herausschauen“.
47
3a. Die Verknüpfung von Lautgestalt und Wortbild herstellen
3b. Namensstempel und Wortschablone benutzen
Mithilfe von Namensstempeln und selbst hergestellten Wortschablonen können die Schüler ihren
eigenen Namen „schreiben“ und somit ihren Platz, ihr Fach, etc. beschriften. In dieser Phase werden
zwei Vorhaben mit allen verwirklicht: Ein beschriftetes Fotobuch von der ganzen Klasse und ein
Geburtstagskalender.
4a. Das Wortbild im Vergleich zur Vorlage erkennen
4b. Den Namen nach Vorlage aus Buchstabenstempeln und -schablonen oder „Letraset“Buchstaben zusammensetzen:
Hier wird der Name nach Vorlage zusammengesetzt, also mit Einzelbuchstaben „abgeschrieben“.
Dazu werden die bereits hergestellten Schablonen, Buchstabenstempel sowie „Letraset“Buchstaben (selbstklebende Buchstaben) verwandt. Außerdem gibt es einige Übungen zum wieder
erkennen der Namen als Ganzwort. Zusätzlich werden Ämterpläne bzw. Gesellschaftsspiele (mit
Namen) gebastelt, ein „Namen- Mobile“ angefertigt und ein Namensdomino hergestellt.
5a. Den Namen anhand des Anfangsbuchstabens erkennen
5b. Namensinitiale auswendig schreiben
In dieser Phase soll das Erkennen des eigenen Namens durch die Betrachtung wesentlicher
Merkmale erleichtert werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Anfangsbuchstaben.
Bei mehreren gleichen Anfangsbuchstaben in der Klasse sollte das Augenmerk stärker auf
zusätzliche Elemente, wie die Wortlänge oder auffällige Wortgestalten gelenkt werden. In den
Übungen werden Fotos und Anfangsbuchstaben, sowie Anfangsbuchstaben und Ganzwörter
spielerisch zugeordnet. Zusätzlich werden Buchstaben- Riesen (auf Plakaten), Tastbretter aus
Sandpapier und Anhänger mit dem eigenen Anfangsbuchstaben hergestellt.
6a. Den Namen Anhand der Wortgestalt erkennen
6b. Den Namen Nachfahren und nach Vorlage abschreiben
Hier werden in mehreren Übungen die Namen der Mitschüler dem richtigen Foto zugeordnet und
der eigene Name wird nach Vorlage abgeschrieben. Es werden Buchstabenkärtchen, Schablonen
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und andere Schreibhilfen zur Verfügung gestellt. Dazu wird aus den Schülernamen ein Spiel
gebastelt, Namenskärtchen werden hergestellt und individuell gestaltet. Außerdem werden
Anhänger mit dem eigenen Namen hergestellt.
7a. Den Namen von ähnlichen Wörtern durch Orientierung an der Buchstabenfolge
unterscheiden
7b. Den Namen auswendig schreiben
In dieser Phase soll der eigene Name zum ersten Mal auswendig geschrieben werden. Dabei können
wie gewohnt Schreibhilfen, wie Stempel und Schablonen zum Einsatz kommen. Der eigene Name
soll in mehreren Übungen ergänzt (Lückenwort), zusammengesetzt und von ähnlich aussehenden
Wortbildern unterschieden werden.
Fazit:
Das Heft ist sehr übersichtlich gegliedert und mit interessanten Hinweisen über den Lernstoff
angereichert. Die Übungen orientieren sich an den Lernzielen und werden in einer sinnvollen
Reihenfolge dargeboten, so dass ein gut aufeinander aufbauender Lehrgang mit vermutlich hohen
Erfolgschancen entsteht. Zudem entsprechen die Übungen den Anforderungen der Altersgruppe,
enthalten viele Bewegungselemente und sind sehr motivierend gestaltet. Es fehlt allerdings eine
Differenzierung sowohl für leistungsstärkere Schüler als auch für solche, für die ein langsameres
Lerntempo erforderlich wäre. Für diese Schülergruppe sind eventuell auch die vielen Regeln der
immer neuen Spiele und Übungen verwirrend. Möglicherweise sollten für Schüler, die große
Schwierigkeiten haben neue Regeln zu erlernen, mehr Wiederholungen und weniger Wechsel
stattfinden. Grundsätzlich sind aber alle Übungen und Spiele sehr einfach und für viele Schüler
verständlich gestaltet. Wird die oben genannte Differenzierung von der Lehrkraft durchgeführt,
dann handelt es sich um einen guten Einstieg in den Schriftspracherwerb und eine sichere
Möglichkeit, den eigenen Namen als Ganzwort erkennen zu lernen. Der darauf folgende Schritt
wäre, den eigenen Namen schreiben zu lernen, dieser wird hier jedoch noch nicht ausreichend
thematisiert.
49
3.3.3 Lese- und Schreiblehrgänge
3.3.3.1. Leselehrgang: „Lesen mit Lo“
Der synthetisch- analytische Leselehrgang: „Lesen mit Lo“ von Ingrid Schultze und Wolfgang Hipp
aus dem Jahre 1988 besteht insgesamt aus vier Bänden, die speziell für Schüler aus Förderschulen
entwickelt wurden.
Im ersten Band, in dem die Schriftsprache eingeführt wird, setzen sich die Schüler mit
unterschiedlichen Figuren auseinander. Die zentrale Figur des Affen „Lo“ sollte zu Beginn des
Leselehrgangs als Handpuppe im Unterricht vorhanden sein und so die Motivation der Schüler
wecken. Auch die nach „Lo“ eingeführten Figuren „Lilo“, „Ali“, „Mama“ und „Oma“ können als
Handpuppen in den Unterricht eingebracht werden, müssen es aber nicht. Begleitend zu dem
Leselehrgang werden grobmotorische Lautgebärden eingeführt, welche dem Werk Bleidick/ Kraft:
„Lesen und Lesenlernen unter erschwerten Bedingungen“ entnommen sind.
Die vier Bände des Leselehrgangs erstrecken sich insgesamt auf vier Jahre. Es wird davon
ausgegangen, dass die Schüler zweimal pro Woche eine Stunde unterricht erhalten.
Reihenfolge
Alle vier Bände des Leselehrgangs basieren auf dem Schlüsselwortverfahren. Ziel des ersten
Bandes - mit dem wir uns in der vorliegenden Arbeit beschäftigen - ist die Gewinnung der
Buchstaben: „L“, „l“; „O“, „o“; „I“, „i“; „A“, „a“; „M“, „m“; „T“, „t“; „F“, „f“; „U“, „u“; „R“, „r“;
„S“, „s“, mit Hilfe der Schlüsselwörter „Lo“, „Lilo“, „Ali“, „Mama“, „malt“, „Foto“, „Uli“, „ruft“,
„Susi“. Neben den
Schlüsselwörtern gibt es 40 weitere Arbeitswörter, in denen die bereits
eingeführten Buchstaben geübt werden. Die einzelnen Buchstaben werden von Anfang an
gleichzeitig als Groß- und als Kleinbuchstaben eingeführt. Auch die weiteren Bände haben das Ziel,
verschiedene Buchstaben mit Hilfe von Schlüsselwörtern einzuführen.
Übungen
Schlüsselwörter
Zunächst werden im ersten Band die Schlüsselwörter eingeführt. Während der Affe „Lo“ auf jeden
Fall mit einer Handpuppe eingeführt werden sollte, ist es bei den nach „Lo“ eingeführten Figuren
zwar nicht unbedingt notwendig, sie als Handpuppen in den Unterricht einzubringen, zur
Motivationssteigerung wäre dies jedoch sinnvoll. Zur Einprägung des Schlüsselwortes benutzen sie
die Schüler zunächst einmal in ganzen Sätzen, anschließend prägen sie sich diese akustisch und
optisch ein. Es folgen weitere Übungen zu den Schlüsselwörtern (nachgestalten, ausmalen,
50
schreiben, etc.) Auch werden die Grapheme/ Phoneme innerhalb eines Schlüsselwortes mit
Lautgebärden dargestellt.
In einem weiteren Schritt werden die Schlüsselwörter in Buchstaben und Laute zergliedert, bevor
sie dann wieder zu dem Schlüsselwort zusammengefügt werden. Auch finden weitere Auf- und
Abbauübungen zu dem Schlüsselwort statt. Zur Vertiefung werden die Schlüsselwörter im Lehrgang
wiederholt
durchgenommen.
So
werden
sie
beispielsweise
einander
Gegenübergestellt,
nachgeschrieben, gelesen, etc.
Arbeitswörter
Nachdem die ersten Schlüsselwörter „Lo“, „Lilo“, „Ali“ und „Mama“ eingeführt wurden, werden
jedoch auch verschiedene Arbeitswörter erarbeitet, die aus den bereits bekannten Buchstaben
bestehen. Auch die Arbeitswörter werden zunächst in ganzen Sätzen verwendet. Zur Vertiefung der
Buchstaben, die in den Arbeitswörtern vorkommen, werden Auf- und Abbauübungen durchgeführt,
durch Lautgebärden wird die Synthese geübt und durch Buchstabenaustausch werden neue Wörter
gewonnen.
Buchstaben
Ausgehend von den verschiedenen Schlüsselwörtern, sollen die in den Schlüsselwörtern
vorkommenden Buchstaben, sowohl als Graphem als auch als Phonem gelernt werden. Dazu
werden die Laute zunächst einmal aus dem Wort herausgehört. Nach dieser auditiven Identifikation
des Phonems folgt nun die visuelle Erarbeitung des Graphems. Es werden verschiedene Übungen
zu den jeweiligen Buchstaben - die sowohl als Groß- und auch als Kleinbuchstaben eingeführt
werden - angeboten. Sie werden ertastet, ausgeschnitten, etc. Außerdem werden Kartenspiele, wie
Memory- Spiele zum Erlernen der Buchstaben angeboten. Nach der Bearbeitung der einzelnen
Buchstaben, werden diese wieder zu dem Schlüsselwort zusammengefügt. Es finden Auf- und
Abbauübungen zu dem Schlüsselwort statt, neue Wörter werden durch Buchstabenaustausch
gewonnen und die Buchstaben werden zu neuen Wörtern zusammengelegt.
Übungen zur Synthese
Um die Synthese zu üben, werden zweisilbige Wörter zusammengefügt und gelesen. Als Übung
werden die in dem Lehrgang dargestellten Silben gelesen, ausgeschnitten und zusammen geklebt.
Zusätzlich wird die Synthese mit Hilfe von Lautgebärden geübt.
51
Fazit
Der Leselehrgang: „Lesen mit Lo“ basiert auf verschiedenen Schlüsselwörtern. Nach Hauck- von
den Driesch ist dies ein Kennzeichen für Lehrgänge, die streng analytisch- synthetisch vorgehen
(vgl. Hauck- von den Driesch 2003, 76). Ausgehend von diesen Wörtern werden anschließend die
darin enthaltenen Buchstaben erlernt. Das hat den Vorteil, dass die Buchstaben von Beginn an nicht
isoliert voneinander, sondern sofort in einem sinnvollen Ganzen eingeführt werden.
Die einzelnen Buchstaben, aber auch die Schlüsselwörter prägen sich durch die vielfältigen und sich
wiederholenden Übungen gut ein. Die zusätzlich zum Leselehrgang angebotenen Materialien
reduzieren bei den Schülern die Schwierigkeiten, die beim Erlernen des Lesens und Schreibens
entstehen. Einerseits erleichtern die Lautgebärden das Zusammenschleifen der Buchstaben und
andererseits wird durch die Handpuppe die Motivation der Schüler angeregt.
3.3.3.2. Iris Mann: Lesen können ja alle Leute
In ihrem Buch. „Lesen können ja alle Leute“ erschienen 1990, beschreibt die Psychologin und
Sonderschullehrehrin Iris Mann, die auch Bücher unter dem Pseudonym Chr. Manske veröffentlicht
hat, eine entwicklungsorientierte Lese- und Schreibdidaktik und stellt ein Konzept zum Lesen- und
Schreibenlernen dar. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lern- und Lebenserfahrungen setzt sie sich
mit ihrer Rolle als Lehrerin und den Möglichkeiten von Bildung und Entwicklung unter
erschwerten (sozialen und neurologischen) Bedingungen auseinander.
Ausgehend von verschiedenen Theorien über das (schulische-) Lernen entwickelte die Autorin
einen entwicklungsorientierten Leselehrgang. Durchgeführt hat sie diesen Lehrgang mit
ArbeiterInnen einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfBM) in dem Zeitraum zwischen 1986
und 1988. Bei der Vorstellung ihres Programms bezieht sie immer wieder ihre eigenen Erfahrungen
mit ein.
Die Autorin geht davon aus, dass Lernen kein linearer Prozess ist, sondern in qualitativen Sprüngen
von einer Lernstufe auf die nächst höhere von sich geht (den konzeptionellen Rahmen dieser
Vorgehensweise liefert die Theorie der „Etappenweisen Bildung geistiger Handlungen“ nach P. J.
Galperin). Desweiteren orientiert sich die Autorin an der Theorie des „Systematischen Stufenweisen
Aufbaus“ nach Vygotski, diese ermöglicht dem Lehrenden den Unterricht so zu organisieren, dass
die nächste Stufe der Entwicklung bei den Schülern angebahnt werden kann. Eine weitere Theorie
auf die sich die Autorin stützt, ist die „Tätigkeitstheorie“ (nach Vygotski), welche das Scheitern und
die Lernerfolge der Schüler erklärt. So geht die Autorin davon aus, dass jeder Schüler lernen und
sich entwickeln kann, wenn er mit einem Lehrer lernt, der ihn erreicht (vgl. Mann 1992, 7).
52
Zusätzlich zu dem Leselehrgang werden Lautgebärden eingeführt außerdem gibt es ein Lied zum
Leselehrgangs: „Lesenlernen ohne Angst.“
Reihenfolge
Laute
Die Laute/ Buchstaben werden in der Reihenfolge: „A“, „a“; „B“, „b“; „D“, „d“; „E“, „e“; „F“, „f“;
„G“, „g“; „H“, „h“; „I“, „i“; „K“, „k“; „L“, „l“; „M“, „m“; „N“, „n“; „O“, „o“; „P“, „p“; „R“, „r“;
„S“, „s“; „T“, „t“; „U“, „u“; „W“, „w“; „Z“, „z“; „AU“, „au“; „EI“, „ei“; „EU“, „eu“; „ÄU“, „äu“;
„CH“, „ch“, sowohl in großen- als auch in kleinen Druckbuchstaben eingeführt. Den Buchstaben:
„J“, „Q“, „V“, „X“, „Y“, „Ä“, „Ö“, „Ü“ werden keine sinnngebenden Laute zugeordnet. Sie werden
lediglich als Anlaute gelernt. Zunächst werden die Laute in einen Sinnzusammenhang gestellt,
erhalten eine Bedeutung und werden entsprechend den sechs Stufen: der Motivation, der
Orientierung, der Handlung, der bildhaften Darstellung der Handlung, der lautsprachlichen
Darstellung der Handlung und der gedanklichen Erarbeitung der Handlung vermittelt.
Auf jeder Etappe des Lernwegs sollte der Lehrer darauf achten, dass er bei keinem Schüler eine
Stufe überspringt, die dieser noch nicht durchlaufen hat. Denn diese Stufen des Lernwegs, von der
Motivation zum Gedanken sind nach Mann immer als Einheit zu sehen und nur in dieser Einheit
findet eine Entwicklung statt. Die Tätigkeiten, die Sprache und das Denken verändern sich, so dass
der Ausgangspunkt für das Lernen sprunghaft eine immer höhere Qualität erreicht (vgl. Mann 1992,
71).
Silben
Es wird von den sinnhaften Silben ausgegangen. Danach werden in allen möglichen Variationen
Konsonant- Vokal Verbindungen geübt (u. a. aus dem Lied begleitend zum Leselehrgang): „Ha“,
„Hi“, „Hu“, „Ho“, „He“. Schließlich werden auch andere Verbindungen wie „DU“, „DA“, „SO“,
„SE“, „WO“, „RO“ etc. gelernt.
Wörter
Nach dem Erlernen von Silben können Wörter erarbeitet werden
Das Lesen und Schreiben von Geschichten
53
Übungen
Laute
Nachdem die Laute in einen Sinnzusammenhang gestellt und entsprechend den sechs Stufen
(Motivation, Orientierung, Handlung, bildhafte Darstellung der Handlung, lautsprachliche
Darstellung der Handlung und gedankliche Erarbeitung der Handlung) vermittelt wurden, wird das
Zuordnen der Buchstaben zu den bedeutungstragenden Lauten geübt. Die Übungen werden auf
verschiedene Weise durchgeführt, so werden z.B. die Holz- Plastikbuchstaben den Bildkarten oder
Gebärden zugeordnet. Um dieses auch spielerisch zu gestalten werden verschiedene Spiele wie
Domino, Lotto, Memory und Quartettspiele durchgeführt. Zu jedem zu erlernenden Laut werden
sowohl Gebärden als auch Erlebnisse angeboten. Das „Erlebnis“ für den Laut: „A“, „a“ ist
beispielsweise ein Besuch beim Zahnarzt, welcher als Rollenspiel durchgeführt wird.
Silben
Beim Erlernen der Silben wird zunächst von den sinnhaften Silben ausgegangen. So werden zur
Steigerung der Motivation Silben aus dem Lied zum Lehrgang genommen und schließlich auch
andere geübt. Immer wenn die Silbe einen Sinn ergibt, werden die Assoziationen dazu geäußert z.B.
„Te“: ich trinke Tee. Die sinnhaften Silben werden in einen Erfahrungszusammenhang gestellt und
es werden Bilder dazu gemalt.
Die Lernenden können auf unterschiedliche Weise die Konsonant-Vokal-Verbindungen in einem
von der Autorin angefertigten Silbenbuch üben und machen dabei die Erfahrung dass sie Seite für
Seite lesen können und nicht raten müssen.
Auch Silbendiktate werden durchgeführt. Hier wird jeweils ein Konsonant mit den fünf
verschiedenen Vokalen verbunden, wie z.B.: „KU“, „KA“, „KI“, „KE“, „KO“.
Da das Zusammenziehen der Laute zu einer Silbe ein so komplizierter Prozess ist, wird dieser durch
sprechmotorische Übungen (Bildung der einzelnen Laute) unterstützt. Die Sprechmotorik kann
durch die bewusste Handmotorik unterstützt und aufgebaut werden (vgl. Mann 1992, 84).
Wörter
Aus unterschiedlichen Früchten, wie z.B. der „Ananas“, der „Melone“ oder der „Banane“, die die
Schüler schmecken, schälen und bezeichnen machen sie Obstsalat. Danach malen sie ihre
Erfahrungen auf und verbalisieren sie. Aus den Zeichnungen und dem entsprechenden Text entsteht
dann eine Textseite, wie beispielsweise über Klaus Erfahrungen mit der Kiwi.
Aus dem Erzählen von bedeutsamen Erlebnissen werden dann die bedeutungsvollen Wörter
ausgewählt. Zunächst werden diese gemalt, bevor sie mithilfe von Holzbuchstaben gelesen und
54
geschrieben werden. Außerdem werden die Wörter immer wieder spielend geübt anhand von
Memory, Domino, Lotto und Quartett.
Lesen und Schreiben von Geschichten
Es werden kleine Lesebücher erarbeitet. Hier werden Erlebnisse und Begebenheiten aus der Freizeit
aufgeschrieben. Es kann auch ein Bild dazu gemalt werden
Fazit
In diesem synthetisch- analytischen Leselehrgang werden die Laute von Anfang an in einen
Sinnzusammenhang gestellt und erhalten so eine Bedeutung. Wichtig ist der Autorin dabei, dass die
Tätigkeit der Lernenden immer im Vordergrund steht und sie so den Sinn im Lerngegenstand sehen.
Denn für sie bedeutet Lernen, die Menschen mit den Gegenständen zu verbinden und die
Gegenstände mit den Menschen (vgl. Mann 1992, 201).
Da dieser Lehrgang auf verschiedenen wissenschaftlichen Theorien basiert (Theorie von Vygotsky,
Galperin) und gleichzeitig mit einigen Arbeitern der Werkstatt für Menschen mit einer Behinderung
als Modellversuch durchgeführt wurde, zeigt sich hier eine enge Nähe von Praxis und
wissenschaftlich- theoretischer Reflexion. Dies zeigt, dass es in den Werkstätten viele Menschen
gibt, die gerne lernen wollen und lernen können, die jedoch bisher daran gehindert wurden. Nach
Meinung der Autorin kann derjenige, der mehr gelernt hat auch besser und qualifizierter arbeiten
(vgl. Mann 1992, 201).
3.3.3.3 Niederkrüger, Schmitz: Geistigbehinderte lernen lesen und schreiben
Der Leselehrgang: „Geistigbehinderte lernen lesen und schreiben“ von Gudrun Schmitz, Rosemarie
Niederkrüger und Gisela Wrighton aus dem Jahr 1993 wurde speziell für Schulen mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung entwickelt. Der hier vorgestellte Weg ist keine
Verkleinerung oder Verlangsamung eines üblichen Lese- Schreiblehrgangs, es wird ein eigener Weg
aufgezeigt.
Da die Autorinnen davon ausgehen, dass der Leselehrgang an die jeweilige Schule, ihrem Standort,
der jeweiligen Klasse und den Schülern angepasst werden muss, ist hier kein einheitliches
Lesewerk, keine Fibel oder Lehrbuch für die Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige
Entwicklung entstanden. Dieses muss sich jeder Lehrer anhand eigener Beispiele selbst
zusammenstellen. Zusätzlich zu diesem Lehrgang empfehlen die Autorinnen außerdem als
Lautgebärden die Kochsche Fingerlesemethode.
55
Die Autorinnen gehen davon aus, dass der Schriftspracherwerb bei Kindern mit unterschiedlichen
Behinderungen über den visuellen Kanal angebahnt wird. Die gesprochene Sprache tritt ihrer
Meinung nach beim Erlernen des Lesens und Schreibens in den Hintergrund. Diese Theorie basiert
auf der Annahme, dass sich die Schüler der Vor- und Unterstufe an der Schule mit dem
Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in der Phase des „Voroperatorischen Denkens“ befinden,
in der die Entwicklung der auditiven Wahrnehmung hinter der Entwicklung der visuellen
Wahrnehmung her hinkt (vgl. Schmitz, Niederkrüger, Wrighton 1993, 19). Die Ansätze der
Entwicklung der Wahrnehmung müssen ihrer Meinung nach aufgegriffen und gefördert werden,
damit auch Schüler mit einer geistigen Behinderung eine Möglichkeit haben, die Schriftsprache zu
erlernen.
Da die Schüler mit einer geistigen Behinderung von den Autorinnen als „entwicklungsbehinderte“
Schüler angesehen werden, muss ihnen ein Unterricht angeboten werden, der ihrem
Entwicklungsstand entspricht (vgl. Schmitz, Niederkrüger, Wrighton 1993, 6).
Voraussetzungen für das Lesenlernen
Nach Meinung der Autorinnen sollen alle Schüler in ihrer Wahrnehmung gefördert werden, bevor
sie mit dem eigentlichen Leselehrgang beginnen. Dieses Training soll als Vorraussetzung zum
späteren Lesenlernen, als Voraussetzung zum besseren Verstehen von sich selbst und der Umwelt
und als Voraussetzung zur Förderung der kommunikativen Fähigkeiten dienen (vgl. Schmitz,
Niederkrüger, Wrighton 1993, 38).
Hier können die von M. Frostig empfohlenen Vorübungen zum visuellen Wahrnehmungstraining
angewendet werden. Insbesondere die Übungen zur Visumotorik, nach M. Frostig die Fähigkeit,
„das Sehen mit den Bewegungen der Hände, des Körpers oder der Füße zu verbinden“ (M. Frostig
1979 in: Schmitz, Niederkrüger, Wrighton 1992, 33) werden hier als eine wesentliche
Voraussetzung zum Schreiben- und Lesen lernen gesehen.
Ebenso und aufbauend auf die visumotorischen Übungen sehen es die Autorinnen als wichtig an,
auch die anderen Bereiche der Wahrnehmung: die Figur- Grund Wahrnehmung, die
Wahrnehmungskonstanz, die Wahrnehmung der Raumlage und die räumlichen Beziehungen zu
erarbeiten. Empfohlen werden auch hierzu Arbeitsblätter von M. Frostig. Ansätze aus all diesen
Wahrnehmungsbereichen stellen für die Autorinnen notwendige Voraussetzungen für das Lesenund Schreibenlernen dar. Die auf diesen Vorübungen aufbauenden „Leselehrgänge“ können sehr
unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und unterschiedliche Qualitäten aufweisen (vgl. Schmitz,
Niederkrüger, Wrighton 1993, 38).
56
Der Lese Schreib Lehrgang
Reihenfolge:
Zunächst einmal werden in diesem Leselehrgang die kleinen Vokale nach der Reihenfolge: „a“, „e“,
„i“, „o“, „u“ durchgenommen. Diese werden durch verschiedene Übungen zum Ertasten, Ausmalen,
Abmalen, Ausschneiden und Nachmalen vertieft. Besteht ausreichende Sicherheit der Schüler im
Umgang mit den Vokalen, wird zum ersten Wort „Mama“ übergegangen. Dazu wird zunächst der
kleine Buchstabe „m“ erlernt. Hier soll in der gleichen Reihenfolge vorgegangen werden, wie es bei
der Erarbeitung der Vokale der Fall war. Anschließend wird der bekannte Konsonant mit den bereits
erlernten Vokalen zusammen geschliffen, so dass verschiedene Buchstabenverbindungen entstehen,
wie z.B. „ma“. Um zu dem sinnvollen Wort „Mama“ zu gelangen, wird nun das große „M“
eingeführt. Nachdem das Wort „Mama“ gelesen und geschrieben wurde, wird mit der Erstellung des
ersten Buches „Die Familie“ begonnen. Neben einem beschrifteten Foto der Mutter, wird ein Foto
des Vaters geklebt. Dazu wird das Wort „Papa“ gelernt. Aber auch anderen Familienangehörigen,
wie beispielsweise der Oma oder dem Opa wird eine Seite des Buches gewidmet. Nun werden
weitere Buchstaben des Alphabets eingeführt. Die Reihenfolge der Buchstaben orientiert sich an
den Buchstaben, die in den Namen der Schüler in der Klasse vorkommen. Denn nach Meinung der
Autoren müssen in allen Texten, die die Schüler schreiben und lesen der eigene Name und der
Name von Freunden vorkommen. Erst dann kann der Lehrgang erfolgreich sein (vgl. Schmitz,
Niederkrüger, Wrighton 1993, 72).
Übungen
Einführung der Buchstaben
Zur Einführung der Vokale wird ihre Form zunächst einmal ertastet. Der Lehrer führt dabei die
Aussprache der Vokale ein und macht gleichzeitig das Handzeichen. Hier empfehlen die Autoren
die Kochsche Fingerlesemethode. Auf diese Weise werden spielerisch „abstrakte“ Zeichen mit
benannten Vokalen verbunden. Zur weiteren Vertiefung von Form, Farbe und Laut werden die
Vokale ausgeschnitten, ausgemalt und nachgemalt. Um diese Übungen einzuführen wird auch hier
auf Arbeitsblätter von M. Frostig zurückgegriffen. Zur Einprägung der Vokale werden diese immer
wieder ausgesprochen und die dazu gehörigen Handzeichen verwendet (vgl. Schmitz, Niederkrüger,
Wrighton 1993, 61). Auch die kleinen und großen Konsonanten (wie z.B. das „m“ des Wortes
„Mama“) werden auf dem gleichen Weg eingeführt, wie dies bei den Vokalen der Fall ist. Auch hier
werden bei Bedarf die Frostig Arbeitsblätter verwendet.
Die Autorinnen heben jedoch hervor, dass es gerade in der Anfangsphase wichtig ist, die
57
Unterrichtsinhalte spielerisch zu vermitteln. Dazu sollen sich Sequenzen von Arbeiten am Tisch,
Bewegungsspielen im Stuhlkreis und Partnerspiele abwechseln.
Syntheseübungen
Als Hilfestellung zum Zusammenschleifen der Konsonanten und Vokale wird das Singen von
Buchstaben empfohlen. Das Singen hat den Vorteil, dass die Schüler zwischendurch keine Luft
holen können. Als weitere Übung schlagen die Autorinnen das Nachsprechen der Formel: aus „m“
und „a“ wird „ma“, etc. vor. Aber auch Spiele zum Üben des Zusammenschleifens, wie
beispielsweise Spiele mit Silbenkarten werden hier genannt.
Zur weiteren Vertiefung werden die Konsonanten- Vokal- Verbindungen abgemalt, ausgemalt und
nachgefahren. Damit die Schüler schließlich zum sinnentnehmenden Lesen gelangen, muss das
Zusammenschleifen lange geübt werden.
Fazit
Die Autorinnen dieses Buches legen sehr viel Wert auf das Training der Wahrnehmung, das eine
wesentliche Voraussetzung für das Lesen und Schreiben darstellt. Aber auch während des
eigentlichen Lese- und Schreiblehrganges werden hier immer wieder motorische Übungen, wie
beispielsweise Arbeitsblätter als Hilfe zum Ausmalen eingeführt.
In dem synthetischen Leselehrgang werden zunächst einmal einzelne Buchstaben (Vokale)
eingeführt. Nachdem diese mit ausreichender Sicherheit eingeübt wurden, wird das erste sinnvolle
Wort „Mama“ erlernt. Ausgehend von diesem und zwei weiteren Wörtern, gestalten die Schüler ihr
erstes Buch. Erst danach erlernen die Schüler weitere Buchstaben des Alphabets. Das Vorgehen
dieses Lehrgangs hat sowohl Vor- als auch Nachteile: Da die Schüler ohne vorher alle Buchstaben
gelernt zu haben, erste Wörter schreiben können, soll auf der einen Seite ihre Motivation geweckt
werden, da sie schon nach kurzer Zeit selbstständig Wörter schreiben können, auf der anderen Seite
können sie jedoch nur die Wörter schreiben, die sie bereits gelernt haben. Sie sind zu diesem
Zeitpunkt noch nicht in der Lage, eigenständig neue Wörter zu konstruieren. Auf andere
motivierende Elemente, wie beispielsweise die Einführung einer Handpuppe die zu den Schülern
spricht, wird in diesem Lehrgang verzichtet. Allerdings werden hier zur Besseren Einprägung der
Buchstaben, aber auch als Hilfe zum Zusammenschleifen der Silben Handzeichen eingeführt.
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3.3.3.4. Leselehrgang: „Momel lernt lesen“
Der synthetisch- analytische Leselehrgang: „Momel“ Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft
schwäbischer Sonderschullehrer unter der Leitung von Josef Dreher und Reiner Pfaffendorf aus
dem Jahre 2001 (mit fortlaufender Überarbeitung)
ist ein Lesewerk, dass speziell für die
Förderschulen entwickelt wurde. Der Lehrgang besteht insgesamt aus drei Fibelbänden. Ziel des
ersten Fibel- Bandes ist das Gewinnen der Lesefähigkeit. Der zweite Band setzt seinen
Schwerpunkt auf die Verbesserung der Lesetechnik und im dritten Band wird eine verbesserte
Sinnerfassung des Gelesenen angestrebt (vgl. Pfaffendorf, Dreher 2001, 5). Zu jeder Fibel gehört
ein Druckschriftlehrgang, in dem die Buchstaben in unterschiedlichen Größen geübt und später zu
Wörtern zusammengezogen werden, Arbeitsblätter zu den einzelnen Buchstaben befinden sich im
Lehrerhandbuch. Diese können zur Einführung, Wiederholung und Vertiefung eingesetzt werden
und bieten Möglichkeit zur Differenzierung und zur Individualisierung. Da
Kindern mit
unzureichenden Vorkenntnissen ein Vorkurs angeboten wird, werden die unterschiedlichen
Vorerfahrungen, die die einzelnen Kinder mit der Schriftsprache gemacht haben aufgegriffen
Die zusätzlich
zu dem Leselehrgang
einzuführende Identifikationsfigur „Momel“, die
„Momelgeschichten“, „Momeltexte“ und „Momellieder“ sorgen für eine lebendige und auch
motivierende Unterrichtssituation. Durch zusätzliche Stützstrategien wie Mundbilder, Handzeichen
- die dem Schwäbischen- Mund- Hand- System entnommen wurden - und Spiegel soll die auditive
Differenzierungsfähigkeit der Sprachlaute bei den Schülern verbessert werden.
Reihenfolge
Buchstaben
In allen zum Lehrwerk gehörenden Materialien steht „Momel“ aus dem fiktiven „Momelland“, der
zu den Menschen (Familie Maler) zu besuch kommt, als Identifikationsfigur im Vordergrund.
Ausgangspunkt ist der Laut und die damit verbundenen phonetisch- phonologischen Prozesse. Die
Einführung der zu dem Laut gehörenden Schriftzeichen erfolgt kleinschrittig. Die Reihenfolge der
im Leselehrgang zu erlernenden Buchstaben orientiert sich sowohl an der der Artikulation, als auch
an der Form des einzelnen Lautes. So werden schwierige Laute im Lehrgang erst später
durchgenommen. In der ersten Fibel werden nacheinander neun verschiedene Buchstaben, in der
Reihenfolge: „M“, “m”; “A”, “a”; “I”; “i”; “O”, “o”; “L”, “l”; “U”, “u”; “F”, “f”; “E”, “e”; “N”, “n”
eingeführt. Jeder Buchstabe wird also sowohl als großer- aber auch als kleiner Druckbuchstabe
eingeführt. Diese werden durch verschiedene Übungen auf Arbeitsblättern etc. geübt und vertieft.
So werden beispielsweise die zu den jeweiligen Buchstaben gehörenden Handzeichen visuell
dargestellt und unter dem „Momel“ –Buchstabenzug, an einer Schnur im Klassenzimmer in
59
Leserichtung aufgehängt. So sind die verschiedenen Lautgebärden den Schülern immer präsent.
Die in der Fibel dargebotenen Ganzwörter werden mit einem Rahmen gekennzeichnet. Der
Schriftgrad der Texte wurde Anfangs möglichst groß gewählt und wird mit zunehmender
Lesefähigkeit kleiner. Auch der Umfang der Texte wurde auf die Leistungsfähigkeit der Schüler
abgestimmt und nimmt bis zum Ende des Lehrgangs stetig zu.
Übungen
Einführung der Buchstaben
Um die Motivation der Schüler zu wecken, wird ihnen zunächst einmal ein Sprachganzes als
Rahmenhandlung vorgegeben. Sie begegnen der Schriftsprache, indem ihnen zur Einführung von
jedem Laut die „Momelgeschichte“ mit Hilfe der „Momelpuppe“ dramatisierend vorgelesen wird.
Zunächst setzen sich die Schüler mit dem Laut auseinander. Er wird auditiv, taktil-kinästhetisch und
visuell analysiert und außerdem wird das Handzeichen zu diesem Laut eingeführt.
Anschließend bearbeiten die Schüler das Schriftzeichen, wobei das Konzept die gleichzeitige
Einführung von Groß- und Kleinbuchstaben vorsieht. Hier wird zunächst die Form des
Schriftzeichens analysiert, danach wird das Graphem aus den Ganzwörtern analysiert. Schließlich
wird das Lautbild mit dem Schriftbild und dem Handzeichen miteinander verknüpft.
Phonemanalyse
Als Übung zur Phonemanalyse soll zunächst einmal die Lautkonstanz von verschieden
dargebotenen Lauten festgestellt werden. Daraufhin soll der jeweilige Laut - durch Hören und
Vergleichen des Handzeichens - von anderen Lauten unterschieden werden. In einer weiteren
Übung sollen die Laute in Silben und Wörtern erkannt werden, beispielsweise als Anlaut, später
auch als Aus- oder Inlaut
Graphemanalyse
Es gibt verschiedene Übungen zur Graphemanalyse. Zunächst einmal soll die Formkonstanz der
Buchstaben durch die Darstellung in verschiedenen Farben, Dicken, Größen oder der Benutzung
anderer Materialien festgestellt und gefestigt werden. Außerdem soll das Schriftzeichen von
anderen Buchstaben und Zeichen, aber auch von ähnlichen Buchstaben unterschieden werden.
Schließlich soll der Buchstabe in Wörtern und Texten erkannt werden.
Syntheseübungen
Zunächst einmal werden Logatome (Vokal- Konsonanten- Verbindungen ohne semantischen Gehalt)
60
gelesen. Das Verschleifen der Laute wird hier einerseits mit Hilfe fließender grobmotorischer
Bewegungen, wie beispielsweise dem Rollen von Bällen, dem Verschleifen von Handzeichen etc.
unterstützt, auf der anderen Seite werden die Syntheseprozesse visualisiert, indem beispielsweise
Buchstaben am Boden, in der Luft, auf der Buchstabenleiste, mit Bewegungsgeräten, etc.
aufeinander zu bewegt werden.
In einer weiteren Übung sollen die Schüler diese Logatome mit dem ganzen Wort in Verbindung
setzen. Hierfür müssen sie zunächst einmal die einzelnen Logatome als Wortbausteine Bildern
zuordnen, z.B. „Ma“ zu einem Bild von „Mama“, oder Logatome zu Wortganzen verbinden, z.B.
„Ma“-„mi“, „Ma“-„ma“. Außerdem sollen sowohl ein- als auch mehrsilbige Wörter erlesen werden
und schließlich sollen Wörter durch Silbenklatschen, Auf- und Abbauübungen strukturiert werden
(vgl. Dreher, Pfaffendorf Lehrerhandbuch1 2001, 7).
Fazit
Bei dem synthetisch- analytischen Lehrgang: „Momel“ handelt es sich um einen relativ aktuellen
Leselehrgang, der auf einer Fibel basiert. Der Leselehrgang geht von dem einzelnen Laut und
seinen Eigenschaften aus, jedoch werden die Laute nicht nur isoliert voneinander eingeführt - so
wie in synthetischen Leselehrgängen - sondern in einem sinnvollen Ganzen. Die Schüler lernen so
schon von Beginn an den einzelnen Laut in seinem Zusammenhang kennen, was zusätzlich auch die
Motivation der Schüler steigert. Aber auch die graphische Gestaltung des Lehrgangs, die
Identifikationsfigur „Momel“ und andere Begleitmaterialien, wie beispielsweise „Momellieder“
regen die Motivation der Schüler an. Da der Lehrgang speziell für Förderschüler entwickelt wurde,
geht er außerdem auf die Bedürfnisse des einzelnen Schülers ein.
Durch seine Gestaltung ermöglicht der Lehrgang auch fächerübergreifende Bezüge, z.B. zum
Sachunterricht. Das zusätzlich zum Leselehrgang eingeführte Handzeichensystem erleichtert das
Zusammenschleifen der einzelnen Buchstaben und fördert das ganzheitliche Lernen.
3.3.3.5 Leselehrgang: „Lesen lernen mit Hand und Fuß“
Der Leselehrgang „Lesen lernen mit Hand und Fuß“ von Ulrike Marx und Gabriele Steffen erschien
erstmals
1990
und
wurde
ursprünglich
für
die
Sprachheilpädagogik
entwickelt.
Die
Unterrichtseinheiten werden den Schülern in Form von Stationen, beispielsweise zu dem Graphem
und Phonem /E/ angeboten. Jede Station wird mit einer kleinen Geschichte eingeführt und
ermöglicht
den
Schülern
einen
ganzheitlichen,
handlungsorientierten
Zugang
zu
dem
61
Unterrichtsgegenstand. Der Leselehrgang: „Lesen lernen mit Hand und Fuß“ basiert auf dem
Konzept des mehrdimensionalen Lernens, welches sich auf Piagets These „Handeln ist der
Ausgangspunkt der Intelligenz“ stützt (Marx, U, Steffen, G, 1994, S.18). Demnach steht bei dem
Ansatz des mehrdimensionalen Lesenlernens der Handlungsaspekt im Mittelpunkt. Dem Schüler
sollen unterschiedliche Erfahrungen mit dem Unterrichtsgegenstand ermöglicht werden, - so
entsteht beispielsweise ein Verknüpfung z.B. des Graphems/ Phonems mit verschiedenen
Eindrücken und Erfahrungen -, was zu einer verbesserten Speicherung des Gegenstandes beitragen
kann. Durch das Stationenlernen soll jeder Schüler einen individuellen Lernweg gehen können, der
seinen Vorerfahrungen, seinen Interessen und seinem Lerntempo angemessen ist. Der immer
wiederkehrende Ablauf des Unterrichts als Stationenlernen soll den Schülern Sicherheit geben, ohne
sie einzuschränken und der Lehrkraft Zeit für die individuelle Förderung einzelner Schüler
verschaffen.
Reihenfolge
Die Grapheme/Phoneme werden in der folgenden Reihenfolge angeboten: „U“, „u“, „L“, „l“, „A“,
„a“, „I“ , „i“, „M“, „m“, „E“, „e“, „P“, „p“, „T“, „t“, „Ei“, „ei“, „D“, „d“, „H“, „h“, „W“, „w“,
„Sch“, „sch“, „G“, „g“, „S“, „s“, „B“, „b“, „K“, „k“, „Ä“, „ä“, „Ö“, „ö“, „Ü“, „ü“, „Pf“, „pf“, „ch“,
„Z“, „z“, „ß“, „tz“, „V“, „v“, „J“, „j“, „Sp“, „sp“, „St“, „st“, „Eu“, „eu“, „Qu“, „qu“, „X“, „x“, „Y“,
„y“, wobei Groß- und Kleinbuchstabe immer parallel eingeführt werden. Die Reihenfolge wurde so
festgelegt, dass Phoneme, die bei der Artikulation besondere Schwierigkeiten bereiten, wie z.B. /g/
und /b/ nicht gleich zu Beginn des Lehrgangs eingeführt werden. Bei der Reihenfolge der
Konsonanten wurden zusätzlich die Sprachbildungsprozesse berücksichtigt. Alle Phoneme werden
in Zusammenhang mit eigens für das Programm entwickelten Lautgebärden eingeführt. Zusätzlich
wird eine kleine Anzahl Ganzwörter angeboten, bei denen Ebenfalls auf eine leichte Artikulation
geachtet wurde. Der jeweils zu erlernende Laut kann so die Sprachausbildung parallel unterstützen.
Übungen
Zu jedem Buchstaben werden neun Stationen angeboten, die jeweils ein Arbeitsblatt und ein bis
zwei zusätzliche Übungen enthalten. Jeder Schüler besitzt einen „Plan“, auf dem er sich mit einem
bildlich passenden Aufkleber, die erfolgreiche Bewältigung der jeweiligen Station bestätigen kann.
Dieser „Plan“ ist gleichzeitig das erste Arbeitsblatt und stellt eine Verknüpfung zum aktuellen
Phonem und Graphem dar. Beispielsweise ist auf dem „Plan“ für das Graphem/Phonem /U/ ein
„Uhu“ als Bild und Ganzwort zu finden. Auch die weiteren Stationen beschäftigen sich thematisch
62
mit dem „Uhu“ und halten Übungen rund um das /U/ bereit:
Taktil-Kinästhetische Station
Hier werden Buchstaben durch das Ertasten des Graphems kennengelernt und mit ertastbaren
Materialien wie z.B., Federn gestaltet.
Auditive Station
Mit Hilfe von speziell angefertigten Aufnahmen auf Hörspielkassetten, bzw. - CDs wird das
Phonem auditiv präsentiert. Bei den Übungen soll das richtige Phonem herausgehört und auf dafür
angefertigten Arbeitsblättern bestätigt (es ist ein /U/) oder verneint (es ist kein /U/) werden.
Visuelle Station
Hier soll das Graphem erkannt und durch einkreisen von anderen Graphemen unterschieden
werden.
Station für schriftsprachliches Handeln – Stempeln
Beim Stempeln des Graphems soll dieser artikuliert werden. Die Stempel können auch zur
Produktion von eigenem Text genutzt werden.
Synthesestation - Spielen
Für die Spiele- Stationen wurden Spiele hergestellt, bei denen die Artikulation des jeweiligen
Phonems in Verbindung mit dem richtigen Graphem im Mittelpunkt steht.
Lesestation
Bei der Lesestation werden Wort- Bild- Verknüpfungen zwischen einem Ganzwort und dessen Bild
hergestellt, wobei der Anlaut des Ganzwortes dem besprochenen Graphem/ Phonem entspricht.
Vestibuläre Station – Gleichgewicht
Der jeweilige Buchstabe wird auf dem Boden markiert und abgelaufen. Dabei ist auf seine laute
Artikulation zu achten.
Sozialintegrative Station – Gemeinschaft
Hier wird der Buchstabe gemeinsam durch verschiedene Techniken wie Drucken, Stempeln, Malen,
Basteln etc. auf einem Plakat gestaltet.
63
Die Sensumotorische Station – Bauen
Hier soll der Buchstabe mit von der Lehrkraft zur Verfügung gestellten Materialien individuell
gestaltet werden.
Schreibstation
Die Schreibstation kann als zusätzliche zehnte Station eingerichtet werden, wenn es in der Klasse
eine entsprechende Lerngruppe gibt. Hierfür kann das Arbeitsblatt der taktil-kinästhetischen Station
auf dem das Graphem abgebildet ist, zum Gestalten angeboten werden.
Fazit
Die Schwerpunktsetzung auf das mehrdimensionale Lernen macht „Lesen lernen mit Hand und
Fuß“ zu einem außergewöhnlichen Leselehrgang, der im Vergleich zu anderen Lehrgängen den
Schülern sehr viel Raum für eine individuelle Herangehensweise ermöglicht. Durch den engen
Zusammenhang zu der Sprachheilpädagogik rücken die Phoneme nicht hinter den Graphemen
zurück, sondern werden explizit in den Mittelpunkt gestellt, was besonders für Kinder mit
Entwicklungsrückständen im sprachlichen Bereich einen großen Vorteil darstellt. Neben dem
vorgestellten stationenbasierten Lehrgang besteht eine Reihe sehr interessanter zusätzlicher
Materialien. Trotz der anfänglichen Unübersichtlichkeit durch die vielen verschiedenen Stationen
stellt sich durch die kontinuierliche Wiederholung der Aufgabentypen vermutlich schnell eine große
Vertrautheit
mit
dem
Unterrichtsschema
ein.
Möglicherweise
birgt
aber
der
starke
Wiederholungscharakter der einzelnen Übungen das Risiko, dass die Motivation der Schüler schwer
aufrechtzuerhalten ist.
3.3.4 Zusätzliche Materialien
3.3.4.1. Budenberg Deutsch I
Das Computer- Lernprogramm „Budenberg“ wurde 1992 vom Leiter der Schule am Budenberg in
Haiger (Schule für Lernhilfe mit Abteilung für Körperbehinderte) veröffentlicht. Das ProgrammPaket umfasst 56 Einzelprogramme für die Bereiche Mathematik, Deutsch, Sachkunde und
Geographie.
Zusätzlich
werden
jährliche
Abos
für
Updates
angeboten,
verschiedene
Programmzusammenstellungen, wie z.B. für die Grundschule sind möglich.
64
Die Programmserie eignet sich für Grundschüler, für Schüler von Förderschulen (der Schule mit
dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, der Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen und
der Schule mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und Motorische Entwicklung) und bei Bedarf
auch für Nachhilfeschüler. Einige Teile des Lernprogramms eignen sich zur Anwendung bei
Hauptschülern bis Klasse 6. Es werden keinerlei technische Kenntnisse der Schüler/ Lehrer
vorausgesetzt.
Programme
Das Lernprogramm „Budenberg“ beinhaltet neben den Bereichen: Mathe 1, 2, 3/4 und
Deutsch 1, 2, 3/4 auch eine Ergänzung mit verschiedenen Übungsprogrammen, wie den Aufgaben:
„Verkehrszeichen“, „Tutor“, „Deutschland“, „Europa“, „Bruchrechnen“ und „Englisch“.
Wir setzen uns im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur mit dem Programm „Deutsch 1“ auseinander,
da sich dieses mit dem „Schriftspracherwerb“ als solchen beschäftigt. Das Programm „Deutsch 1“
beinhaltet insgesamt neun verschiedene Aufgaben bzw. Übungsfelder. Die unterschiedlichen
Übungsfelder bestehen jeweils aus einer bis zwölf Unteraufgaben, in denen fünf Übungen mit
steigendem Schwierigkeitsgrad zu finden sind. Aufgabentypen sind immer Zuordnungs- oder
Vergleichsaufgaben.
Die Adressaten variieren pro Aufgabentyp. Neben Aufgaben für Schüler der Vor- oder Unterstufe
von Förderschulen gibt es Aufgaben, die für alle Schüler der Förderschule geeignet sind. Einige
Aufgaben richten sich auch an Grundschüler.
Insgesamt ist die Bedienung einfach. Der Schüler kann vor Beginn des Programms die Buchstaben
festlegen, mit welchen er arbeiten möchte: mit Groß- und Kleinbuchstaben oder nur mit
Großbuchstaben oder ob ein begleitender Sound oder eine Sprachausgabe ein- oder ausgeschaltet
sein soll. Die Steuerung erfolgt je nach individuellen Bedürfnissen des Schülers mit Tastatur, mit
Cursortasten und Enter oder aber mit der Maus.
Auch die Lehrperson kann über die F- Tasten einfach Voreinstellungen treffen. Er kann die
Normzeit der Programme im Vorhinein erweitern (z.B. für motorisch schwache Schüler), bei
gewissen Übungen kann er die Buchstabenreihenfolge verschiedenen Leselehrgängen zuordnen.
Hier stehen einige Leselehrgänge, wie „Lesen lernen mit Hand und Fuß“, die „Fu“- Fibel, die
„Umi“- Fibel, die „Tobi“- Fibel, „Leseschule“, „Kieler Leseaufbau“ und das Programm „Momel
lernt lesen“ zur Verfügung.
65
Übungen
„Form und Farbe“
In dem ersten Übungsfeld „Form und Farbe“ wird die optische Wahrnehmung/ Diskrimination
trainiert. Gegenständliche Bilder und geometrische Formen sollen nach Form, Farbe, Größe und
Raumlage unterschieden werden.
Das Übungsfeld besteht aus zwei verschiedenen Unteraufgaben, welche spielerisch gestaltet sind:
Ein Auto lädt ein Bild auf und fährt es zum passenden Lösungsbild, dabei soll der Schüler unter vier
ähnlichen Bildern das Aufgabenbild wieder finden.
„Bild und Anlaut“
Die zweite Aufgabe „Bild und Anlaut“ trainiert die Beziehung von Buchstabe und Laut. Ziel ist die
Unterstützung des Leselehrgangs. Neben den zwölf verschiedenen Unteraufgaben wird in dieser
Aufgabe außerdem die Übungseinheit „Anlaut Auswahl“ angeboten. Hier können Lehrer oder
Schüler unter vierzig verschiedenen Lauten vier Anlaute auswählen, mit denen die Übung
stattfindet.
Die zwölf verschiedenen Unteraufgaben zu dieser Aufgabe, arbeiten mit einer Lautfolge, wie sie in
den meisten Fibeln verwendet wird, sie beginnen mit den Selbst- und Dauerlauten. Innerhalb dieser
Unteraufgaben gibt es fünf verschiedenen Übungen, die sich mit dem jeweiligen Laut auseinander
setzten. Es gibt Übungen, die sich mit der Zuordnung von Bild und Anlaut, oder Bild zu Wort zu
Anlaut befassen und Übungen zur optischen Diskriminierung des Anlautes. Zusätzlich wird ein
Bild- Anlaut- Memory angeboten.
„Erstlesen“
In der Aufgabe „Erstlesen“ steht das Wort als solches im Mittelpunkt. Durch optische und
akustische Differenzierung und Lautsynthese sollen die gesicherten Laute geübt werden. Ziel ist die
Ergänzung des Leselehrgangs. Die Schüler können zwischen Groß- und Klein- oder nur
Großbuchstaben auswählen. Auch eine Sprachausgabe ist möglich.
Die Aufgabe besteht wiederum aus zwölf verschiedenen Unteraufgaben. Zu den verschiedenen
Unteraufgaben werden fünf verschiedene Übungsgruppen angeboten. Hier müssen Wörter aus
Buchstaben zusammengesetzt werden, Wörter zu Bildern zugeordnet werden, es gibt ein MemorySpiel, in dem Wörter Bildern zugeordnet werden etc. Das Programm bearbeitet in den fünf
Übungsgruppen eine Wortliste mit je zehn Übungswörtern.
66
„Silbenlesen“
Eine weitere Übung ist das „Silbenlesen“. Diese trainiert die Lesefertigkeit aller bisher geübten
Laute und Lautverbindungen auf der Basis von zweisilbigen Wörtern. Es ist eine Sprachausgabe zu
Bildern, Wörtern und Silben möglich.
Es gibt drei verschiedene Unteraufgaben zu dieser Übung, die sich jeweils auf fünf verschiedene
Arten mit der Silbenthematik auseinandersetzen. Insgesamt wird eine Wortliste mit 24 leicht
lesbaren Silben verwendet. Zunächst wird sich mit der Ansilbe auseinandergesetzt. Zu dieser muss
ein passendes Bild gefunden werden. Aber es gibt auch Aufgaben, die sich mit der Endsilbe
beschäftigen. Hier muss z.B. zum Bild die passende An- und Endsilbe gesucht werden. Zusätzlich
gibt es ein Memory- Spiel, in welchem zu dem Bild die passende An- und Endsilbe gesucht werden
muss.
„Zweitlesen“
Die Aufgabe „Zweitlesen“ setzt sich auf verschiedene Ebenen mit der Analyse eines Wortes
auseinander. Es werden seltene Laute und schwierige Lautverbindungen, wie z.B. Mitlauthäufungen
trainiert. Eine Sprachausgabe ist möglich.
Zu den verschiedenen Lautverbindungen, wie beispielsweise: „Bl“, „Fr“ „Sp“, „Tr“, „Ck“, „Ch“,
„Pf“, werden sechs verschiedene Unteraufgaben angeboten. Diese werden mit Hilfe von fünf
verschiedenen Übungsgruppen trainiert. Da Bilder und zugehörige Wörter die optische und
akustische Differenzierung sowie die Lautsynthese ermöglichen, wird hier als Übung die
Zuordnung von Wort zu Bild trainiert. Buchstaben müssen in Wortlücken gesetzt werden, Wörter
müssen aus wenigen Teilen geübt werden, etc.
„Ähnliche Wörter“
Die Aufgabe „Ähnliche Wörter“ trainiert die Lesefertigkeit auf der Basis von meist zweisilbigen
bebilderten Wörtern. Es gibt eine Sprachausgabe zu den verschiedenen Bildern.
Zu der Aufgabe „Ähnliche Wörter“ gibt es drei Unteraufgaben mit aufsteigender Schwierigkeit. Die
interne Wortliste kann nicht verändert werden. Zu den drei Unteraufgaben gibt es jeweils fünf
verschiedene Übungen zu den unterschiedlichen Silben. Beispielsweise soll zu einem Bild das
zugehörige Wort mit entsprechender An- bzw. Endsilbe gesucht werden, zu verschiedenen Silben
soll das passende Bild gesucht werden oder aus wenigen Wortteilen soll das entsprechende Wort
erraten werden.
67
„Reimwörter“
Diese Aufgabe trainiert das sinnentnehmende Lesen auf der Wortebene. Zum gezeigten Reimwort
muss das passende Bild gewählt werden.
Diese Übung hat sieben Unteraufgaben. Pro Aufgabe muss zu einem Wort das Reimwort als Bild
gesucht werden.
„Satzmuster“
In dieser Aufgabe wird das sinnentnehmende Lesen auf der Stufe des ganzen Satzes geübt.
Es gibt insgesamt acht Unteraufgaben. Zum gezeigten Satz muss das passende Bild gewählt
werden. Das Lesen wird durch Serien sich wiederholender Satzmuster erleichtert. So müssen in der
Regel pro Aufgabe nur ein bis zwei Wörter neu erlesen werden.
„Minitext“
„Minitext“ ist ein Reizreduziertes Programm zur Produktion von eigenen Wörtern, Sätzen oder
Texten. Diese Aufgabe wird in keine weiteren Unteraufgaben aufgeteilt. Hier befindet sich ein
einfacher Texteditor für Kinder mit wenigen Befehlen. Der Text kann auf den eigenen Namen
gespeichert, geladen und in fünf verschiedenen Schriftgrößen auf Bildschirm und Drucker
ausgegeben werden. Die Verzögerung des Tastenrepeat ermöglicht es auch körperbehinderten
Schülern, den Computer als Schreibhilfe zu nutzen. Es können bis zu 6 Bildschirmseiten
geschrieben werden. Mit diesem Programm können auch Rechenaufgaben geschrieben und gelöst
werden.
Auswertung
Nach der Durchführung jeder Übungseinheit, bekommt der Schüler eine Übersicht über Fehler und
Menge der geschafften Aufgaben. Bei Fehlern erhält der Schüler direkt eine Rückmeldung, in dem
der Bildschirmrand blinkt. Bei positiver Bearbeitung einer Aufgabe kann der Schüler direkt zur
nächsten Aufgabe weiter schreiten (zusätzlich erhält er eine positive Rückmeldung durch
Soundeffekt).
Durch das Anklicken eines Ergebnis- Menüs haben Schüler und Lehrer die Möglichkeit
Ergebnisprotokolle zu drucken, um so eine Übersicht über den Lernstand des Schülers zu erhalten.
Auch gibt es die Möglichkeit für alle Übungsfelder vorgefertigte Arbeitsblätter und Bilder
auszudrucken.
68
Fazit
Dieses Computerlernprogramm ist dazu geeignet, um es als eine Übung neben der Durchführung
eines Leselehrgangs einzusetzen. Hier wird sowohl das Lesen als auch das Schreiben gefördert. Es
verfügt über neun verschiedene Aufgaben, die sich mit dem Schriftspracherwerb auf verschiedenen
Ebenen auseinandersetzt. Neben Aufgaben zu Buchstaben/Lauten gibt es Aufgaben zu Silben bzw.
Wörtern, oder aber zu kleinen Sätzen. Auch Texte können hier geschrieben werden. Die einzelnen
Aufgaben sind durch Voreinstellungen des Lehrers aber auch des Schülers variierbar und können so
an die Bedürfnisse der jeweiligen Schüler angepasst werden. Da dieses Programm von der
optischen Gestaltung eher schlicht und reizarm gehalten ist, über wenig Animation verfügt, etc.
entspricht es oftmals den Bedürfnissen von Förderschülern.
Sowohl die Lehrperson, als auch der Schüler erhalten hier eine Rückmeldung über den Lernstand
des Schülers. Die Rückmeldung für den Schüler ist in diesem Programm jedoch eingeschränkt.
Wenn er einen Fehler gemacht hat dann blinkt zwar der Bildschirmrand, der Schüler erhält jedoch
keine Begründung darüber, was er falsch gemacht hat. Außerdem wird er daraufhin nicht
automatisch zu einer leichteren Aufgabe - die seinen Fähigkeiten entspricht - weitergeleitet. So ist
es durchaus möglich, dass der Schüler, nachdem er in einer Aufgabe einen Fehler mehrmals
wiederholt hat, frustriert aufgibt. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, wenn eine Lehrperson mit ihm
zunächst eine Aufgabe durchführt und ihm erklärt, wie er dabei vorzugehen hat.
69
4.Untersuchung
4.1. Fragestellung
Im Laufe unseres Studiums haben wir uns in verschiedenen Zusammenhängen, wie z.B. in
Seminaren im Unterrichtsfach Deutsch, im Förderschwerpunkt Lernen und im Studienschwerpunkt
Psychologie mehrfach mit dem Thema Schriftspracherwerb auseinandergesetzt. Die Inhalte der
verschiedenen Veranstaltungen orientierten sich jedoch am Unterricht allgemein bildender Schulen
oder Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Mit dem Schriftspracherwerb an Schulen mit
dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung haben wir uns im Rahmen des Studiums nicht
ausreichend beschäftigt, so dass für uns viele Fragen offen geblieben sind. Durch die Beobachtung
des Deutschunterrichtes während unserer Praktika wurde unser Interesse geweckt uns mit diesem
auseinander zu setzen. Als besondere Herausforderung sehen wir die Heterogenität der Schüler an
der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung an. Uns stellt sich die Frage, wie
stark im Unterrichtsalltag auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Schüler eingegangen
werden kann und welche Aspekte im Unterricht berücksichtigt werden müssen, um diese
Herausforderung
zu
bewältigen.
Hier
interessieren
uns
einerseits
die
verschiedenen
Leistungsgruppen innerhalb der Klasse, die sowohl in der Zielsetzung als auch im Unterrichtsalltag
berücksichtigt werden müssen. Andererseits auch das Material wie beispielsweise Leselehrgänge,
das unserer Erfahrung nach erweitert und individuell angepasst werden muss. Über diese Aspekte
kamen wir zu der Frage, wie Unterrichtskonzepte für den Schriftspracherwerb in der Praxis
aussehen.
4.2 Forschungsstand
Als konkrete Studie über den Schriftspracherwerb bei Schülern der Schule mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung lässt sich einzig die Doktorarbeit von M. Hauck von den
Driesch: „Wege entstehen im gehen“ (Hauck- von den Driesch, 2003) aufführen, in der die
Kompetenzen der Lehrkräfte in Bezug auf den Schriftspracherwerb untersucht werden. Hauck- von
den Driesch beschäftigt sich dabei auch mit dem Unterricht an Schulen mit dem Förderschwerpunkt
Geistige Entwicklung. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass dem Schriftspracherwerb und damit der
Fachdidaktik Deutsch an dieser Schulform zukünftig ein stärkeres Gewicht zufallen muss (ebd.,
275) und bekräftigt die Notwendigkeit von Lehrerfortbildungen zu diesem Thema, um die
70
Kompetenzen der Lehrkräfte in diesem Bereich aufzubauen und zu erweitern. Sie betont, es sei
erforderlich „ein handlungsbezogenes und lebensbezogenes Lernen im Kontext des Lernbereiches
zu ermöglichen“ (ebd., 276), dieses Prinzip sollte ihrer Meinung nach auch in der Lehreraus- und –
weiterbildung verankert werden. Da jedoch M. Hauck- von den Driesch keine konkrete Studie über
die Unterrichtskonzepte für den Schriftspracherwerb an Schulen mit dem Förderschwerpunkt
Geistige Entwicklung veröffentlicht hat, müssen wir davon ausgehen, dass es sich hier mehr oder
weniger um „wissenschaftliches Neuland“ handelt, wir also mit dieser vorliegenden Arbeit die erste
(uns bekannte) Studie vorlegen.
Selbstverständlich gilt das nicht für Unterrichtskonzepte für den Schriftspracherwerb an dieser
Schulform als solche, die neben den täglich praktizierten Konzepten jeder einzelner Lehrkraft auch
in schriftlicher Form vorliegen. Hier gibt es sowohl theoretische Werke wie das Curriculum Lesen
und Schreiben von H. Schurad u.a. oder den erweiterten Lese- und Schreibbegriff von Ch. Hublow
und E. Wohlgehagen als auch Lese- und Schreiblehrgänge und - konzeptionen wie „Lesen lernen
mit Hand und Fuß“ von U. Marx und G. Steffen oder „Geistig Behinderte lernen ihren Namen lesen
und schreiben“ von S. Dank. In vielen Werken zu diesem Thema wird diskutiert, in wie weit und für
welchen Teil der Schüler Lesen und Schreiben Zielsetzung dieser Schulform sein soll.
Beispielsweise schreibt P. Marx: „Bei Kindern mit einer geistigen Behinderung muss dagegen
bereits die prinzipielle Zielsetzung im Hinblick auf Lesen und Schreiben individuell angepasst
werden“ (Marx 2007, 169). Eine zentrale Rolle in dieser Diskussion spielt der in Kapitel 3 bereits
näher erläuterte „erweiterte Lese- und Schreibbegriff“, der ein theoretisch fundiertes Modell
vorstellt, um keine Schülergruppen vom Lesen und Schreiben lernen auszuklammern. Für die
konkrete Gliederung und Gestaltung des Unterrichts lassen sich die bereits in Kapitel 3
vorgestellten Lese- und Schreiblehrgänge und Konzepte finden. Darunter finden sich sowohl
klassische Fibellehrgänge als auch Werke, die Unterrichtsmaterialien und Vorschläge zur
Konzeption des Unterrichts anbieten. Als theoretische Grundlage der Konzeptionen finden sich
verschiedene Ansätze. Wie auch im Grundschulbereich ist eine zeitliche Entwicklung verschiedener
Methoden zu erkennen: Besonders ältere Werke wie z.B. das von Haug/ Keuchel arbeiten
überwiegend mit einer ganzheitlichen Herangehensweise und beschäftigen sich stark mit der
Förderung der Wahrnehmung. Neuere Werke, wie beispielsweise der Leselehrgang: „Momel“ gehen
synthetisch- analytisch vor und konzentrieren sich stärker auf das Erlernen der Graphem- PhonemKorrespondenzen, während der Bereich der Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle spielt. In fast
allen Werken findet sich eine stärkere Fokussierung auf begleitende Bilder und Ganzwörter, als dies
im Grundschulbereich üblich ist. Inwiefern diese gerade besprochenen Lehrgänge in der Praxis zum
71
Einsatz kommen und welche dabei besonders relevant sind, wird für unsere Stichprobe, aus der
anschließenden Diskussion unserer Ergebnisse hervorgehen.
Wie bereits erwähnt, lassen sich in der aktuellen Diskussion der Grundschuldidaktik im Fach
Deutsch neue Tendenzen bei den Unterrichtskonzeptionen für den Schriftspracherwerb erkennen.
Auch wenn diese nicht unbedingt direkt auf den Unterricht an der Schule mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung übertragbar sind, ist es dennoch interessant die neueren
Entwicklungen in diesem Bereich im Blick zu behalten. Wie schon in Kapitel 2.4.2 besprochen
haben sich in den letzten Jahren sogenannte methodenintegrierte Verfahren durchgesetzt, die
analytisch-synthetisch arbeiten und die Grapheme und Phoneme, eingebettet in einem sinnvollen
Ganzen einführen (Schenk, 2001, 96).
Einen weiteren interessanten Bereich bilden aktuelle Arbeiten über Unterrichtsqualität im
Allgemeinen, die uns gesicherte Hinweise darüber liefern können, welche Kriterien einen guten
Unterricht ausmachen. Auch hier ist die Frage nach der Übertragbarkeit auf die Schule mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung zu stellen. Gelten die gleichen Prinzipien? Unserer
Kenntnis nach gibt es darüber keine aktuellen, gesicherten Studien, so dass wir davon ausgehen
müssen, dass die Ergebnisse der allgemeinen Unterrichtsforschung generell übertragbar sind. 2004
stellte H. Meyer ein vielbeachtetes Werk mit dem Titel: „Was ist guter Unterricht?“ vor, indem er
zehn empirisch gesicherte Merkmale guten Unterrichts beschreibt. Zu einer ähnlichen Aufstellung
kommt auch Helmke in seinem Standartwerk über „Unterrichtsqualität“. Er hebt folgende
Merkmale gelingenden Unterrichts hervor (Helmke, 2009, 168ff):
1. Klassenführung
Damit ist ein erfolgreiches Management des Unterrichts durch die Lehrkraft gemeint, das
bei gutem Gelingen Störfaktoren vorbeugen kann (Borich, 2007, Zitat von Helmke, 2009,
173). Alle Forschungsarbeiten zu diesem Thema stimmen dabei überein, dass eine gute
Strukturierung Schlüsselmerkmal der Unterrichtsqualität darstellt.
72
2. Klarheit und Strukturiertheit
Helmke beruft sich hier auf das QuAIT-Modell nach Slavin von 1994, das die Merkmale
Klarheit (akustisch, sprachliche Prägnanz, inhaltlich und fachlich), Strukturiertheit und
Verständlichkeit als wichtige Merkmale für die Qualität von Unterricht herausstellt
(Helmke, 2009, 191)
3. Konsolidierung, Sicherung
Zahlreiche Studien belegen die hohen Effekte, die Übung und Wiederholung auf das Lernen
haben (Beispielsweise Heymann 2005, Zitat von Helmke, 2009, 201).
4. Aktivierung
Die Förderung selbstgesteuerten Lernens ist ein besonders von biologisch fundierten
Lerntheorien der neueren neurowissenschaftlichen Forschung in den letzten Jahren
herausgestelltes Prinzip. Helmke beruft sich hier auf Klauer & Leutner, 2007, 108f und
Schrader & Helmke, 2006.
5. Motivierung
Der Einfluss der Motivation auf das Lernen ist hinreichend bekannt. Die derzeitige
Fachdiskussion dreht sich laut Helmke um den Einfluss von Selbstkonzepten. So beschäftigt
sich Beispielsweise Rheinberg, 2008 mit den Auswirkungen des Fähigkeitsselbstkonzeptes
auf das Lernen.
6. Lernförderliches Klima
Es gibt sehr unterschiedliche empirische Ergebnisse über die Auswirkungen des Lernklimas
auf den Unterricht. Dennoch sollte dieses Thema schon aus bildungspolitischen Gründen
nicht unbeachtet belassen werden. Auch die Auswirkungen auf die Lernmotivation werden
73
diskutiert (Helmke, 2009, 221).
7. Schülerorientierung
Die Schülerorientierung ist ein Teilbereich des lernförderlichen Klimas. Generell stellt die
Beziehung zwischen Schülern und Lehrern einen wesentlichen Aspekt eines guten
Unterrichts dar. Empirisch ist dieser Aspekt aber nicht ausreichend nachweisbar.
8. Kompetenzorientierung
Lersch
(2007)
untersuchte
die
Orientierung
der
Unterrichtsplanung
an
„Kompetenzerwerbsschemas“, also die explizite Ausrichtung an den zu erwerbenden
Kompetenzen der Schüler, was auch die Leistungsmessung nach dem Kompetenzschema
(wie in Vergleichsstudien praktiziert) mit einschließt (Helmke 2009, 234ff).
9. Umgang mit Heterogenität
Um sowohl eine Unterforderung als auch eine Unterforderung der Schüler zu vermeiden ist
die Anpassung des Unterrichtsstoffes an die individuellen Lernstände eine notwendige und
insgesamt zu wenig diskutierte Notwendigkeit. „Empirische Studien zeigen, dass
Differenzierung und Individualisierung im regulären Schulalltag wenig verbreitet sind“
(Wischer, 2007, 425, Zitat bei Helmke, 2009, 255).
10. Angebotsvielfalt
Die Angebotsvielfalt bezieht sich auf die Variation der im Unterricht genutzten Lehr- und
Lernmethoden. Sowohl eine zu große als auch eine zu geringe Methodenvielfalt wirken sich
negativ auf die Unterrichtsqualität aus, wie z.B. das Projekt MARKUS zeigen konnte
(Helmke, 2009, 266).
74
4.3. Untersuchungsdesign
4.3.1 Methodik
Um unser Forschungsvorhaben, die Unterrichtskonzeptionen für den Schriftspracherwerb an
Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung zu untersuchen, entschieden wir uns
dafür, die entsprechenden Lehrkräfte über ihre jeweilige Konzeption zu befragen, um diese dann
untereinander vergleichen und gegenüberstellen zu können. Dafür bieten sich uns als
Forschungsmethodik unterschiedliche Verfahren an. Quantitative, geschlossene Verfahren wie z.B.
Fragebögen können zwar mit einer großen Stichprobe durchgeführt werden und würden die
Vergleichbarkeit der Ergebnisse untereinander erhöhen, ein Konstrukt wie das Unterrichtskonzept
zum Schriftspracherwerb in einem Fragebogen herauszuarbeiten, trauten wir uns aber nicht zu.
Dazu fehlten uns zu viele wesentliche Informationen, an die wir bei den Fragen hätten anknüpfen
müssen. Zudem haben geschlossene Verfahren den Nachteil, dass die Antwort durch die Frageform
sehr stark eingeschränkt werden kann. Die Ergebnisse sind zwar sehr gut untereinander
vergleichbar, die inhaltliche Aussage bleibt jedoch begrenzt. Zudem ist es unser Ziel, die
individuellen Konzeptionen der Lehrkräfte kennen zu lernen.
Deshalb haben wir uns entschieden eine qualitative, offene Forschungsmethode zu wählen: Das
Leitfrageninterview. Damit haben wir, im Gegensatz zu noch offeneren Formen wie beispielsweise
einem Erzähltextinterview die Möglichkeit, thematische Schwerpunkte zu setzten und dennoch die
Fragen so offen zu lassen, dass wir als Ergebnis einen Einblick in die jeweilige individuelle
Konzeption bekommen. Zudem können die Fragen das Gespräch auf Punkte lenken, die die
Lehrkräfte eventuell nicht unmittelbar mit ihrer Konzeption in Verbindung bringen, uns aber
wichtig sind. Ein Beispiel könnte das zusätzliche Material zur Differenzierung neben dem
Leselehrgang sein, das für die Lehrkraft eventuell nicht im Mittelpunkt des Konzeptes steht, unserer
Meinung nach aber von Interesse ist. Ein weiteres Argument, das Interview mit mehreren Leitfragen
zu gestalten, anstatt „einfach nur“ nach dem Unterrichtskonzept zu fragen, stellt sich für uns in der
Komplexität der Thematik. Bei einer direkten Frage nach ihrer Konzeption könnten die Lehrkräfte
eventuell Schwierigkeiten haben, diese ad hoc zu Beschreiben. Vermutlich wäre es für viele
Lehrkräfte notwendig, ein solches Gespräch vorzubereiten, was zu einem erheblich höheren
Zeitaufwand für die Lehrkräfte führen würde und deshalb für uns nicht in Frage kommt. Wir sind
uns auch nicht sicher, in wie weit jede Lehrkraft sich selbst bereits mit ihrer Konzeption
auseinandergesetzt hat und ob diese nicht bei vielen eher unbewusst ist. Dabei ist ebenfalls zu
75
bedenken, dass nicht alle Lehrer die Deutsch unterrichten, auch Deutsch als Fach studiert haben
oder darin ausgebildet sind. Besonders für eine fachfremde Person ist es möglicherweise schwierig,
die eigene Konzeption zu reflektieren.
Eine andere oder auch zusätzliche Untersuchungsform wie z.B. die Beobachtung der
Unterrichtssituation wäre sehr interessant gewesen, sprengt aber bei gewissenhafter Durchführung
den Rahmen dieser Arbeit. Aus diesen Gründen haben wir uns dafür entschieden, ein
Leitfrageninterview zum Thema: Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb an der Schule mit
dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung zu erstellen. Ein Leitfrageninterview wird mit
wenigen möglichst offen gestellten Leitfragen konzipiert, an denen sich das Gespräch entlang
hangelt. Inhaltliche Abweichungen, sowohl von der Seite des Interviewten als auch zusätzliche
Fragen des Interviewers sind ausdrücklich erwünscht, da so auf individuelle Vorstellungen und
Besonderheiten eingegangen werden kann.
4.3.2 Instrumentalisierung
Um aus unserer Zielsetzung Fragen zu formulieren, haben wir folgende Instrumentalisierung des
Gegenstandes „Unterrichtskonzept“ vorgenommen, aus der wir im Anschluss Leitfragen für die
Interviews entwickeln können:
Auf der Schulebene sollte nach einem gemeinsamen, verbindlichen Schulkonzept gefragt werden.
Außerdem sind weitere schulinterne Einrichtungen zum Thema Schriftspracherwerb wie
Förderkurse, AGs und Klassenübergreifende Kooperationen in die Überlegung einzubeziehen, weil
sie den Schriftspracherwerb mit beeinflussen können.
Auf der Ebene der Klasse haben wir eine Trennung nach den allgemeinen Bedingungen für den
Unterricht, mit Fragen nach der Klassenstufe, den Schülern sowie den personellen, räumlichen und
zeitlichen Möglichkeiten und der von der Lehrkraft konzipierten Unterrichtskonzeption
vorgenommen. In Bezug auf das Unterrichtskonzept möchten wir folgende Items näher
Untersuchen: Die Zielsetzung für die einzelnen Schüler bzw. Lerngruppen, die Methodik, also den
verwendeten Lehrgang sowie die methodische Anlehnung an eine theoretische Grundlage.
Außerdem interessieren uns die Differenzierung innerhalb der Klasse und das zusätzlich zum
Lehrwerk verwendete Material. Unser Ziel ist es, aus jedem dieser Bereiche eine ausreichende
Anzahl an sinnvollen und möglichst offen formulierten Fragen herauszuarbeiten, um so das
Gespräch zu lenken und die genannten inhaltlichen Themenbereiche in der Auswertung miteinander
76
vergleichen zu können.
Damit unsere Fragen auch für fachfremde Lehrkräfte gut verständlich sind, benutzen wir keine
Fachwörter und knüpfen mit unseren Fragen möglichst nah am unterrichtlichen Alltag an. Unser
Leitfrageninterview (siehe Anhang 1.1) wird durch Eingangsfragen eingeleitet, die auf der einen
Seite das Gespräch eröffnen und auf der anderen Seite die oben genannten allgemeinen
Bedingungen auf Klassenebene erfragen. Die Eingangsfragen thematisieren die Bedingungen für
den Deutschunterricht. Sie sind die einzigen Fragen im Interview, die geschlossen gestellt wurden
und so erfordern sie lediglich eine kurze konkrete Antwort. Sie geben dem Interviewten die
Sicherheit, die ersten Fragen ohne zu zögern beantworten zu können und bilden somit eine gute
Eröffnung des Interviews. Insgesamt besteht das Interview aus fünf Eingangsfragen und vierzehn
offenen Fragen. Nach den Eingangsfragen stellen wir zwei Fragen zum Schulkonzept. Die
restlichen zwölf Fragen beschäftigen sich mit der Unterrichtskonzeption und unterteilen sich
inhaltlich in die Methodik, das Material, die Differenzierung und die Zielsetzung des Unterrichts.
Um die Antworten zu protokollieren haben wir einen eigenen Antwortbogen (siehe Anhang 1.2)
entwickelt, so dass wir die Aufgaben unter uns verteilen konnten. Während eine von uns beiden das
Interview führte, protokollierte die andere die Aussagen der Lehrkräfte auf dem vorgefertigten
Bogen.
4.3.2 Durchführung
Um unser
Forschungsvorhaben
umzusetzen,
haben
wir
insgesamt
sechs
Schulen
im
Regierungsbezirk Düsseldorf kontaktiert und um ihre Unterstützung gebeten. Der erste Kontakt
verlief über E-Mail (siehe Anhang 2.1). Auf die sechs E- Mails bekamen wir von drei der Schulen
eine Antwort. Eine musste uns aus organisatorischen Gründen leider absagen, zwei weitere
sicherten uns eine Zusammenarbeit zu und baten uns bei Gelegenheit den persönlichen Kontakt
herzustellen, um das weitere Vorgehen besprechen zu können. Während wir eine weitere Schule
bereits über persönliche Kontakte kannten und deshalb von einer Zusammenarbeit ausgehen
konnten, setzten wir uns mit den übrigen nach Ablauf von zwei Wochen telefonisch in Verbindung.
Das gestaltete sich als sehr schwierig, da die von uns kontaktierten SchuldirektorInnen nur schwer
telefonisch zu erreichen waren. Insgesamt konnten wir die Interviews an fünf der sechs
ausgewählten Schulen durchführen. Um einen persönlichen ersten Kontakt mit der Schulleitung
herzustellen und uns und das Interview vorzustellen boten wir allen Schulen an, zu einem
Vorgespräch in die jeweilige Schule zu kommen. Dieses Angebot nahmen aber nur zwei der fünf
77
teilnehmenden Schulen an. Unsere Zeitplanung sah vor, vor Beginn der Sommerferien in NRW den
Kontakt zu allen Schulen hergestellt zu haben und evtl. Vorgespräche zu führen. Mit den Interviews
begannen wir drei Wochen nach den Sommerferien, wobei wir die genaue Zeitplanung für die
einzelnen Interviews in der Regel mit den Schulkoordinatoren festlegten.
Für jedes Interview hatten wir eine halbe Zeitstunde eingeplant. Das stellte sich in den ersten
Interviews als zu kurz heraus. Die ersten vier Interviews nahmen alle ca. 45 bis 50 Min. in
Anspruch. Danach kannten wir die Interviewfragen besser, so dass sich die Interviewzeit auf die
vorher angepeilten 30 Min. verkürzte. Allerdings kam es immer wieder vor, dass einzelne
Lehrkräfte deutlich mehr erzählten und uns zusätzliches Material (siehe Anhang 3 und Anhang 4)
zur Veranschaulichung zeigten, wodurch sich der Zeitrahmen nicht einhalten ließ. Vermutlich wäre
es sinnvoll gewesen, weniger Fragen zu stellen oder den Zeitrahmen für die Interviews von vorne
herein auf 45 Min. zu schätzen, um mehr Luft für unvorhergesehene Gesprächsverläufe zu haben.
Die Interviews lagen größtenteils in den Pausenzeiten der Lehrkräfte und fanden teilweise im
Klassenraum, teilweise in Nebenräumen und teilweise im Lehrerzimmer statt. Von allen geplanten
Interviews konnten wir zwei nicht durchführen, da eine Lehrerin krank geworden ist und eine
weitere nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt erschien und auch nicht auffindbar war. Wir vermuten,
dass sie das Interview vergessen hatte.
4.3.3 Stichprobe
Unsere Stichprobe besteht aus insgesamt achtzehn Interviews, die in fünf verschiedenen Schulen
durchgeführt wurden. Sie ist nicht zufällig zu Stande gekommen, da alle Lehrkräfte vorher gefragt
wurden, ob sie mit einem Interview über ihr Unterrichtskonzept für den Schriftspracherwerb
einverstanden seien. So könnte es durchaus sein, dass einige Lehrkräfte, die sich über ihr
Unterrichtskonzept selbst unsicher waren nicht an der Studie teilgenommen haben.
4.3.4 Auswertung
Für die Auswertung teilen wir die Interviews in folgende Gruppen ein: In die Schüler des ersten
Schulbesuchsjahres, des zweiten bis vierten Schulbesuchsjahres (Unterstufe) und in die Mittelstufe.
Alle Interviews mit den Lehrkräften der jeweiligen Schulstufen werden inhaltlich miteinander
verglichen und in den Ergebnissen zusammen präsentiert. Der Grund für die Trennung des ersten
Schulbesuchsjahres von den übrigen Vor- und Unterstufenklassen ist, das in der Regel im zweiten
Schulbesuchsjahr mit der Alphabetisierung begonnen wird, so dass eine unterschiedliche
78
Unterrichtskonzeption zwischen dem ersten und zweiten Schulbesuchsjahr besteht. Da die
Unterschiede zwischen dem zweiten Schulbesuchsjahr und der Unterstufe deutlich geringer sind,
haben wir diese zusammengefasst. Die Trennung von der Mittelstufe bot sich in diesem
Zusammenhang ebenfalls an, weil hier die Alphabetisierung mit einem Leselehrgang meist
weitestgehend abgeschlossen ist, so dass wir hier ebenfalls eine Unterrichtskonzeption erwarten
können, die sich von der Konzeption der Unterstufe unterscheidet.
Ziel der Auswertung ist es, auf der einen Seite die Bedingungen für den Deutschunterricht in den
von uns untersuchten Schulen darzustellen und auf der anderen Seite für jede der Gruppen (erstes
Schulbesuchsjahr, zweites bis viertes Schulbesuchsjahr und Mittelstufe) die Unterschiede und
Gemeinsamkeiten der Unterrichtskonzeptionen herauszuarbeiten und darzustellen. Dabei gehen wir
nicht näher auf einzelne Schüler ein, sondern teilen sie in Gruppen ein, die wir einander
gegenüberstellen, um die Konzeptionen vergleichen zu können. Um die verschiedenen
Schülergruppen nicht immer ausführlich beschreiben zu müssen, benutzen wir die Begriffe: „Leser
und Schreiber“ und „Bilder-Ganzwort-Leser“. Der Begriff „Leser und Schreiber“ umfasst die
Schüler, die von den Lehrkräften im Lesen und Schreiben im engeren Sinne, also in der Synthese
und Analyse unterrichtet werden. Zur Gruppe der „Bilder-Ganzwort-Leser“ zählen die Schüler,
deren Deutschunterricht hauptsächlich auf der Grundlage des erweiterten Lese- und Schreibbegriffs
(u. a. nach Hublow) durchgeführt wird.
In Anlehnung an die Auswertung qualitativer Interviews von Rosenberg interpretieren wir die
Aussagen der Lehrer und teilen die verschiedenen Leistungs- und Materialgruppen, entweder den
„Bilder-Ganzwort-Lesern“ oder den „Lesern- und Schreibern“ zu. Generell kann es sein, dass
Lehrpersonen nicht immer alle Fragen exakt beantworten oder alle Aspekte berücksichtigen - da
während mancher Interviews Zeit für detaillierte Beschreibungen fehlte oder eine Frage eventuell
missverständlich formuliert war -. Das können wir rechnerisch nicht in jeder Frage berücksichtigen.
Um unsere Fragen in Bezug auf die Unterrichtskonzeptionen der einzelnen Klassen zu beantworten,
nehmen wir, wie auch schon im Interview eine Unterteilung in Schul- und Klassenebene vor.
79
4.4 Ergebnisdiskussion
4.4.1 Schulebene
Schulkonzept
Im Ersten Schulbesuchsjahr besitzt von den drei untersuchten Klassen in drei verschiedenen
Schulen eine Schule ein Schulkonzept für den Schriftspracherwerb (siehe Tabelle a1 im Anhang 5).
In dieser wurde als einzige Eingangsklasse mit dem Leselehrgang „Momel lernt lesen“ begonnen.
Die anderen beiden Klassen führen Ganzwörter, Symbole und Piktogramme ein, mit dem
Leselehrgang zum Erlernen des Lesens und Schreibens von Buchstaben beginnen sie erst zu einem
späteren Zeitpunkt.
Aufgrund unserer kleinen Stichprobe können wir jedoch keine Aussage darüber treffen, ob ein
Zusammenhang zwischen dem Schulkonzept und dem frühen Beginn der Alphabetisierung besteht.
Bezogen auf den Schriftspracherwerb im zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr ändert sich dieses
Bild jedoch. An allen fünf untersuchten Schulen existiert ein Schulkonzept. Hier bestehen jedoch
zwei Einschränkungen: in einer Schule ist ein Konzept in Planung, es wird aber bereits damit
gearbeitet und in einer anderen Schule besteht nur eine ungenaue Vorgabe seitens der Schulleitung
(siehe Tabelle a2 in Anhang 5).Von den fünf Schulen arbeiten zehn Klassen nach dem Konzept bzw.
der Vorgabe, eine Klasse benutzt jedoch einen anderen Leselehrgang als Basis (siehe Tabelle a4 in
Anhang 5). Der eigentlich vorgegebene Leselehrgang wird als Zusatzmaterial genutzt.
In der Mittelstufe (ab dem fünften Schulbesuchsjahr) können wir von den zwei untersuchten
Schulen nur eine einbeziehen, da wir zu einer Schule keine genauen Angaben haben. In der
befragten Klasse wird lediglich das Konzept der Unterstufe fortgeführt. Die zweite Schule hat kein
Konzept. Hier gehen zwei Klassen individuell vor und eine Klasse benutzt den Leselehrgang aus
der Unterstufe weiter (siehe die Tabellen a3 und a5 im Anhang 5).
An unseren Ergebnissen fällt auf, dass alle Schulen für die Unterstufe (Zweites bis viertes
Schulbesuchsjahr) ein Konzept für den Schriftspracherwerb haben. Wir gehen davon aus, dass es
einfacher ist, ein Schulkonzept für die Unterstufe zu entwickeln. Denn hier kann sich eher an einem
Leselehrgang orientiert werden, der den Fachzielen der Stufe gerecht wird, die Reihenfolge der
Buchstaben festlegt, einheitliche Lautgebärden einführt, etc. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass
80
die Schüler, wenn sie in eine andere Klasse wechseln, dem Unterricht der anderen Klasse leichter
folgen können. Das erste Schulbesuchsjahr und die Mittelstufe (ab dem fünften Schulbesuchsjahr)
hingegen haben meistens kein eigenes Konzept für die Stufe. Hier wird entweder bereits mit dem
Konzept der Unterstufe begonnen oder aber der in der Unterstufe eingeführte Leselehrgang wird
fortgeführt. Wir können uns vorstellen, dass es schwieriger ist, ein Schulkonzept für den
Schriftspracherwerb in diesen Stufen zu entwickeln, da es verschiedene Zielsetzungen gibt, über die
sich im Vorfeld geeinigt werden muss. Im ersten Schulbesuchsjahr gibt es verschiedene
Schwerpunktsetzungen, wie z.B. Arbeitsverhalten, Wahrnehmung, Graphomotorik, Ganzwörter, etc.
In der Mittelstufe (ab dem fünften Schulbesuchsjahr) hingegen variieren die Schwerpunktsetzungen
zwischen dem Neubeginn mit einem Leselehrgang für schwächere Schüler, einem Ganzwortkatalog
für andere Schüler, der verstärkten Übung des Schreibens, oder dem Training des Lesens, etc.
Gebärden
Für alle Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Düsseldorf wurde von einem
Arbeitskreis ein einheitliches (laut begleitendes) Gebärdensystem entwickelt und den Lehrkräften
zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurde sich auf das Lautsystem aus dem Leselehrgang „Momel“
verständigt. Im Rhein- Kreis Neuss gibt es eine Schule mit einem Schulinternen Gebärdensystem,
in den beiden anderen Schulen werden in einigen Klassen z. T. schulintern unterschiedliche
Gebärdenkataloge eingesetzt. Lautgebärden werden aus den unterschiedlichen Leselehrgängen
übernommen.
Schulinterne Arbeitsgemeinschaften zum Thema Schriftspracherwerb
Von den fünf untersuchten Schulen bieten drei Schulen Arbeitsgemeinschaften (im Folgenden: AG
s) und Förderkurse an, die sich mit der Schriftsprache auseinandersetzen. Hier findet sich eine
Zeitungs-, eine Theater-, eine Bilderbuch- AG und zwei Förderkurse, einer zur Kommunikation,
einer zur „Unterstützten Kommunikation“. An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass einige
der AGs, wie beispielsweise die Theater- AG nicht jährlich, sondern nur jedes zweite Schuljahr
angeboten werden. An zwei Schulen gibt es gar keine AGs bzw. Förderkurse zu dieser Thematik.
(siehe Tabellen a7 und a8 im Anhang 5). Insgesamt kann man sagen, dass das Angebot an
Möglichkeiten für die Schüler, sich mit der Schriftsprache außerhalb des regulären Unterrichts
auseinandersetzen durchaus verbesserungsfähig ist. Für die Schüler ist dies wichtig, denn es kann
für sie ein guter Anreiz sein, sich dem Schriftspracherwerb aus einer anderen Perspektive zu nähern.
81
Klassenübergreifende Kooperationen
Innerhalb unserer Stichprobe haben die Unterstufen (zweites bis viertes Schulbesuchsjahr) in zwei
verschiedenen Schulen den Deutschunterricht in Klassenübergreifenden Kooperationen organisiert
(siehe Tabelle a10 in Anhang 5). In einer Schule wurden leistungshomogene klassenübergreifende
Lerngruppen im Schulkonzept vorgeschrieben. In der anderen basiert die Kooperation auf
persönlicher Initiative der Lehrkräfte beider Klassen.
In den übrigen Stufen wird der Deutschunterricht nur im Klassenverband durchgeführt (siehe
Tabellen a9, a10 und a11 in Anhang 5). Viele Lehrkräfte wären einer Kooperation im
Deutschunterricht jedoch nicht abgeneigt.
Die Gründe, warum diese nicht ermöglicht wird, werden von den befragten Lehrkräften
folgendermaßen angegeben: Es sei organisatorisch schwer umzusetzen, es scheitere am
Desinteresse einzelner Kollegen, etc.
Wir können uns vorstellen, dass die Schüler in starkem Maße von solchen Fördergruppen, die
vermutlich leistungshomogener sind, profitieren würden. Denn hier könnte spezifischer auf die
Bedürfnisse der einzelnen Schüler eingegangen werden. Organisatorisch wäre das vermutlich besser
auf Schulebene, als auf Klassenebene zu erreichen.
Schulbücherei
Von den fünf untersuchten Schulen gibt es in zwei Schulen eine eigene Schulbücherei für die
Schüler (siehe Tabelle a12 in Anhang 5). In einer davon ist die Organisation an eine
Oberstufenklasse gebunden und befindet sich in der Ecke eines Computerraumes. In den Schulen,
die nicht über eine Schulbücherei verfügen, gibt es in den einzelnen Klassenräumen ein
Bücherangebot für die Schüler der jeweiligen Klasse. Eine Ausleihe ist nicht vorgesehen.
Wir finden es schade, dass es nur so wenige Schulen gibt, die eine Schulbücherei besitzen. Eine
solche könnte sicherlich zu einer stärkeren Bücherkultur innerhalb der Schule beitragen und so das
Interesse der Schüler an Büchern fördern. Auch die organisatorischen Aspekte, wie z.B. das
Ausleihen, Signieren und das Einsortieren der Bücher, können bei ihnen die Auseinandersetzung
mit der geschriebenen Sprache verbessern. Eine Idee wäre es beispielsweise, eine entsprechende
AG einzurichten, die die Pflegschaft übernimmt und in der sich alle interessierten Schüler beteiligen
können.
82
4.4.2 Klassenebene
4.4.2.1 Bedingungsfeld
Betreuungsschlüssel
Der Betreuungsschlüssel im ersten Schulbesuchsjahr liegt bei Durchschnittlich 3,5 Schülern pro
Lehrkraft. Die Werte erstrecken sich zwischen 3:1 und 4:1. Es gibt in allen Klassen ausreichend
Pflegepersonal für die Betreuung der schwer behinderten Schüler, so dass die Lehrkräfte vermutlich
keine Unterrichtszeit für die Pflege zur Verfügung stellen müssen (siehe Tabelle b1 im Anhang 5).
Im zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr liegt der durchschnittliche Betreuungsschlüssel bei 3,8
Schülern pro Lehrkraft. Die Spanne umfasst Werte zwischen 3:1 und 5,5:1. Hier ist ein großer
Unterschied zwischen den einzelnen Klassen festzustellen. Von den insgesamt elf Klassen gibt es
nur in sechs eine ausreichende Abdeckung des Pflegebedarfs der schwer behinderten Schüler durch
Fachpersonal, während in fünf Klassen vermutlich Lehrer an der Pflege beteiligt sind und so
eventuell Unterrichtszeit verloren geht (siehe Tabelle b2 in Anhang 5).
In der Mittelstufe gibt es Durchschnittlich 3,6 Schüler pro Lehrkraft. Die Spanne ist sehr gering und
liegt zwischen 3,5:1 und 3,6:1. Die Pflege der schwer behinderten Schüler wird in allen befragten
Klassen von Pflegekräften abgedeckt (siehe Tabelle b3 in Anhang 5).
Auffällig ist, dass sich der durchschnittliche Betreuungsschlüssel von Lehrkräften in allen drei
Stufen nicht besonders unterscheidet. Allerdings ist dieser im zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr
am geringsten. Wir hätten vermutet, dass der Betreuungsschlüssel eher bei den älteren Schülern
geringer ist.
Anzahl der Blöcke
Im ersten Schulbesuchsjahr findet der Deutschunterricht durchschnittlich in vier Blöcken pro
Woche, in einer der Schulen sogar täglich statt. Hier ist allerdings das Training der
Vorläuferfähigkeiten, wie der Wahrnehmung und Graphomotorik mit eingeschlossen (siehe Tabelle
b4 in Anhang 5).
Im Zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr werden durchschnittlich drei Blöcke Deutschunterricht pro
Woche durchgeführt. Die Spanne erstreckt sich von einem bis vier Blöcken, wobei nur in einer
Klasse ein einziger Block Deutschunterricht pro Woche stattfindet (siehe Tabelle b5 im Anhang 5).
83
Ab dem fünften Schulbesuchsjahr (Mittelstufe) werden durchschnittlich drei Blöcke Deutsch pro
Woche unterrichtet. Die Anzahl in den einzelnen Klassen variiert zwischen zwei und vier Blöcken
pro Woche (siehe Tabelle b6 im Anhang 5).
Insgesamt unterscheidet sich die Anzahl der Blöcke Deutschunterricht pro Woche in den
verschiedenen Stufen nicht stark voneinander. Im ersten Schulbesuchsjahr wird zwar
durchschnittlich vier Mal pro Woche Deutsch unterrichtet, allerdings wird hier das Training der
Vorläuferfähigkeiten mit einbezogen, welches besonders im ersten Schulbesuchsjahr einen hohen
Stellenwert einnimmt. Die Lehrkräfte der Unter- und Mittelstufe nannten mehrere Bereiche, die sie
neben dem Leselehrgang dem Deutschunterricht zurechnen, wie beispielsweise die Deutsch
-Übungsaufgaben in Wochenplänen, Deutsch- Freiarbeitsmaterialien, der Morgenkreis, die
Besprechung des Stundenplans oder Vorleseeinheiten.
Es fällt auf, dass im Gegensatz zu dem Deutschunterricht an einer allgemeinbildenden Grundschule
wo dieser in der Regel jeden Tag stattfindet, der investierte Zeitaufwand mit durchschnittlich nur
drei Blöcken in der Woche deutlich geringer. Auch empirisch ist nachweisbar, das der
Zusammenhang zwischen der Lernzeit und dem Leistungszuwachs linear ist (Helmke, 2009, 81).
Den zeitlichen Rahmen für den Deutschunterricht zu erweitern wäre also eine sinnvolle Maßnahme
um den Lernzuwachs der Schüler zu verbessern.
Räumliche Möglichkeiten
Von den drei untersuchten Klassen des ersten Schulbesuchsjahres hat eine Klasse gar keinen
Nebenraum zum differenzierten Arbeiten, ein Klasse einen Nebenraum und eine weitere Klasse
besitzt mehrere Arbeitsräume. Im zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr stellt sich die Situation
anders dar. Hier gibt es sieben Klassen mit einem und sogar vier mit mehreren Nebenräumen. In
den untersuchten Mittelstufenklassen hat die Hälfte einen Nebenraum und die andere Hälfte keinen
(siehe die Tabellen b7, b8, b9 im Anhang 5).
Insgesamt fällt auf, dass fast zwanzig Prozent der von uns untersuchten Klassen keine Möglichkeit
zur
räumlichen
Differenzierung
haben.
Alle
Unterstufenklassen
(zweites
bis
viertes
Schulbesuchsjahr) unserer Untersuchung haben mehrere Klassenräume zur Verfügung, doch da
unsere Stichprobe zu klein ist, können wir das Ergebnis nicht verallgemeinern.
84
4.4.2.2 Klassenkonzept
4.4.2.2.1 Erstes Schulbesuchsjahr
Raumgestaltung
Wir haben die Lehrkräfte gefragt, ob der Raum anregend gestaltet sei, so dass die Schüler sich mit
der Schriftsprache auseinandersetzen können. Hieraus ergaben sich folgende Antworten:
Material
Anzahl der Klassen
Bilderbücher
3
Symbole im Raum
3
Materialschrank zum Lesen und Schreiben
3
Ganzwort (Name) + Bild
1
Lautgebärden
1
Momelhandzeichen
1
Erster Buchstabe
1
Da die Frage offen gestellt war und wir keine Kategorien vorgeschlagen haben, sind in den
Klassenräumen vermutlich mehr Materialien zu finden, wie z.B. Fotos der Schüler mit den
dazugehörigen Namen. Daraus folgern wir, dass nicht allen Lehrkräften bewusst ist, welche
Raumelemente den Schriftspracherwerb anregen und fördern. Stattdessen betrachten sie diese
überwiegend als Dekoration. Als Elemente, die den Schriftspracherwerb anregen, werden jedoch
von allen befragten Lehrkräften Bilderbücher, Symbole und der Materialschrank zum Lesen und
Schreiben genannt.
Lerngruppen
Die Lehrer unterteilen ihre Klasse in verschiedene Lerngruppen für den Schriftspracherwerb. In
85
allen Klassen wird eine Gruppe aus Schülern mit schweren Behinderungen gebildet, die in diesem
Bereich mit eigener Zielsetzung und anderem Material unterrichtet wird. Eine Ausnahme bildet hier
der Morgenkreis, in dem sie in der Regel teilnehmen.
In einer Klasse werden zusätzlich alle anderen Schüler zu einer Ganzwortgruppe zusammengefügt,
in einer weiteren Klasse werden die übrigen Schüler in eine Ganzwortgruppe und eine „BilderSymbolwörter“ Gruppe eingeteilt. In der Klasse, die bereits mit dem Leselehrgang beginnt, werden
die anderen Schülergruppen in zwei Gruppen unterteilt, die das Konzept „Momel“ in
unterschiedlicher Schnelligkeit durchnehmen (siehe Tabelle c2 und c3 im Anhang 5).
Vorläuferfähigkeiten
Übungen zur Grob- und Feinmotorik werden in allen Klassen durchgeführt, die anderen
Vorläuferfähigkeiten, wie Singspiele, Arbeitsverhalten, Figur- Grundwahrnehmung und Bilderlesen
werden jeweils von einer Klasse geübt (siehe Tabelle c4 im Anhang 5). Bei der Betrachtung der
Tabelle ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen Lehrer lediglich die Vorläuferfähigkeiten
angegeben haben, die sie als zentrale Voraussetzung für den Erwerb der Schriftsprache ansehen.
Übungen wie beispielsweise Singspiele werden vermutlich von allen Klassen durchgeführt, sie
werden von den Lehrkräften jedoch nicht in Verbindung zum Schriftspracherwerb gesehen.
Ganzwörter
Wir haben erfahren, dass in allen Klassen jeden Tag ein Morgenkreis stattfindet, in dem der
Stundenplan anhand von Piktogrammen besprochen und das Datum erarbeitet wird. Hier werden
die ersten Ganzwörter, wie z. B. Wochentage täglich geübt. Dazu werden in einer Schule
Materialien aus dem Lehrgang „Geistigbehinderte lesen ihren Stundenplan“ genutzt. Um weitere
Ganzwörter, wie beispielsweise Schülernamen zu erlernen, wird der Lehrgang „Geistigbehinderte
lernen ihren Namen lesen und schreiben“ benutzt. Zusätzlich werden Wörter aus den Lehrgängen:
„Momel“, „Jetzt schaukelt der kleine Bär“ und „Elmar“ als Ganzwörter eingeführt (siehe Tabelle c5
und c6 im Anhang 5).
86
Unterrichtskonzeptionen
In den verschiedenen Klassen sind unterschiedliche Konzeptionen erkennbar, die wir in der
folgenden Tabelle gegenüberstellen:
Anzahl
der
Klassen
Unterrichtskonzeption
1
Basis: Training der Vorläuferfähigkeiten (Figur- Grund
Wahrnehmung, feinmotorische Übungen, Arbeitsverhalten)
3. Programm: „Geistigbehinderte lesen ihren Stundenplan“; vor
Programmbeginn wird der Name gelernt (mit Fotos, Memorykärtchen,
etc.)
4. ab zweitem Schulbesuchsjahr soll der Leselehrgang („Momel“)
begonnen werden
1
Basis: Training der Grob- und Feinmotorik (mit dem Programm:
„Jetzt schaukelt der kleine Bär“ abgewandelt mit Teddybär) und
Programm „Geistigbehinderte lernen ihren Namen lesen und
schreiben“
•
Zusätzliches Material: Bilder auf Magnettafel heften, Geschichte:
„Elmar der kleine Elefant“
•
danach soll der Leselehrgang („Lesenlernen mit Hand und Fuß“)
begonnen werden
1
Basis: Training der Vorläuferfähigkeiten ( Figur- Grund
Wahrnehmung, Psychomotorik, Arbeitsverhalten, Feinmotorik) und
der Leselehrgang „Momel“
•
Zusätzlich werden Namen und Wochentage eingeführt und
Buchstaben werden gesichert (Plakat auf dem Boden,
Buchstabenkarten, etc.)
In allen Klassen nimmt das Training der verschiedenen Vorläuferfähigkeiten eine zentrale Rolle ein
und stellt zusammen mit einem Lehrgang die Basis der Unterrichtskonzeption dar. Das Lesen und
87
Schreiben des eigenen Namens ist ein wichtiger Aspekt des Schriftsprachunterrichts und wird daher
in allen Klassen angebahnt.
Beim Vergleich der verschiedenen Unterrichtskonzeptionen fällt auf, dass in einer Klasse bereits
nach einigen Wochen des ersten Schulbesuchsjahres mit dem Leselehrgang begonnen wird. Die
anderen Klassen beginnen erst deutlich später mit der Alphabetisierung (am Ende des ersten
Schulbesuchsjahres oder Anfang des zweiten Schulbesuchsjahres). Wir können vermuten, dass es
sich um eine Klasse mit besonders vielen leistungsstarken Schülern oder um eine Schulinterne
Absprache handelt
Zusatzmaterial
Zusätzlich zu den durchgeführten Lehrgängen, wurden jedoch auch Angaben über weitere
Materialien gemacht. Diese fassen wir in der nachfolgenden Tabelle in Materialgruppen zusammen.
Es fällt auf, dass in allen befragten Klassen das zusätzliche Material einen großen Raum einnimmt:
Anzahl
der
Klassen
Materialgruppen
Material
2
(Ganz-) Wortgebärden
2
Lautgebärden
2
Buchstabenmaterial
Teppichfliesen, Plakate auf dem Boden,
Buchstabenkarten, Formbuchstaben
3
Fotos
Schülerfotos
3
Fotos+ Ganzwort
Fotos mit Namen- Kärtchen,
Steckleiste, Magnettafel mit Bildern
3
Symbole/ Piktogramme/ Bilder
Stundenplan, Memory, BoardmakerSymbole, Symbole aus dem Lehrgang
von Susanne Dank
3
Symbole, Bilder + Ganzwort
Steckleiste, Magnettafel mit Bild
1
Talker
Bigmac
88
4.4.2.2.2 Zweites bis viertes Schulbesuchsjahr
Gesamte Klasse
Raumgestaltung
In den Unterstufenklassen (zweites bis viertes Schulbesuchsjahr) gingen wir im Vorfeld der
Untersuchung von einer durch den Schriftspracherwerb geprägten Raumgestaltung aus, da hier das
Lesen- und Schreibenlernen auf Ebene von Buchstaben, Silben und Wörtern im Vordergrund des
Lernprozesses steht:
Raumgestaltung
Anzahl der Klassen
Bücher, Bilderbücher
8
Organisation( Stundenplan, Essensplan,
Kalender…)
4
Buchstaben
6
Ganzwörter
2
Bilder, Symbole, Piktogramme
7
Fotos
Keine Angabe
Wortgebärden
1 (in Düsseldorf alle Schulen)
Lautgebärden
4 (werden von den
verschiedenen Lehrgängen
angeboten)
Anlauttabelle
2
Materialzugang
5
Vorlesen
2
Schreibanlass wird gegeben kleine Tafel)
1
89
Würde man die Ergebnisse dieser Frage in unserer Untersuchung interpretieren, ohne ihr
Zustandekommen zu beachten, wäre die Schlussfolgerung, dass in der Regel keine besonders
förderliche Raumgestaltung vorzufinden ist. So hängen beispielsweise nicht in jeder Klasse
Abbilder der eingeführten Buchstaben, Ganzwörter werden den Schülern lediglich in zwei von elf
Klassen dargeboten, etc. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist allerdings zu beachten, dass wir
eine offene Frage gestellt und keine Kategorien vorgegeben haben. Deshalb können wir nur
Aussagen darüber treffen, welche Raumgestaltungselemente die Lehrkräfte als Teil ihres
Unterrichtskonzeptes zum Schriftspracherwerb betrachten. Die Frage nach den Raumelementen
erschien uns jedoch trotzdem wichtig, da verschiedene Konzepte, wie beispielsweise der
Spracherfahrungsansatz, der die Erfahrungen der Schüler in den Mittelpunkt stellt, eine
schriftsprachlich gestaltete Lernumgebung erfordert.
Aus unseren Ergebnissen lässt sich erkennen, dass zwei drittel der Befragten den Klassenraum
sowohl mit (Bilder-) Büchern als auch mit Bildern, Symbolen und Piktogrammen ausstatten, um
den Schriftspracherwerb zu fördern. Ca. die Hälfte der Lehrer sieht Organisationselemente, wie
beispielsweise den Stundenplan, die Abbildung von Buchstaben und Materialzugang, als für den
Schriftspracherwerb wichtiges Anschauungsmaterial an. Elemente wie Ganzwörter oder Vorlesen
wird von den Lehrern allerdings weniger als Teil ihrer Konzeption angesehen. Anlauttabellen
gehören in den meisten Unterstufenklassen (zweites bis viertes Schulbesuchsjahr) nicht zur
Unterrichtskonzeption. Daher vermuten wir, dass tatsächlich nur wenige Anlauttabellen in der
Klasse hängen.
Auch Wortgebärden werden in diesem Zusammenhang nur einmal genannt, obwohl sie in allen
Düsseldorfer Schulen sowohl auf Schulebene vorgeschrieben, als auch häufig genutzt und trainiert
werden. Auch können wir davon ausgehen, dass nicht nur vier, sondern alle Klassen über
Lautgebärden verfügen - diese jedoch nicht angeben -, da mit dem jeweiligen Leselehrgang auch
Lautgebärden eingeführt werden. Als positiv kann man herausheben, dass in einer Klasse den
Schülern eine kleine Tafel als Schreibanlass zur Verfügung gestellt wird.
In unseren Interviews haben die Befragten die Raumgestaltung als unterschiedlich wichtig
eingestuft. So hat ein Lehrer gesagt, dass die Schüler die Angebote nur nach Aufforderung der
Lehrkraft nutzen. Unserer Meinung nach ist es jedoch wichtig, dass die Lehrperson die Schüler zur
Auseinandersetzung mit den Materialien anregt.
Arbeitsform
In allen von uns befragten Klassen werden im Deutschunterricht unterschiedliche Gruppen gebildet.
90
Zu Beginn wird mit allen Schülern der Gruppe gemeinsam ein Thema eingeführt, anschließend
arbeiten die Schüler in Einzelarbeit an ihren Materialien. Innerhalb dieser Gruppen wird in drei
Klassen die Gruppenarbeit und in drei weiteren Klassen die Partnerarbeit als weitere Lern/
Arbeitsform herangezogen. In zwei Klassen findet Wochenplanarbeit statt, in dem die Schüler
individuelle Aufgaben zu verschiedenen Fächern bearbeiten (siehe Tabelle d2 in Anhang5).
Wir können feststellen, dass in allen Klassen Einzelarbeit stattfindet, vermutlich ist dies durch das
Alter der Schüler bedingt. Wie uns einige Lehrer berichteten, sind die Schüler leicht ablenkbar und
lernen am Besten, wenn sie selbst beteiligt sind.
Vorläuferfähigkeiten
Acht von insgesamt elf Klassen trainieren die Graphomotorik als Vorläuferfähigkeit des
Schriftspracherwerbs. Dies ist anscheinend die Vorläuferfähigkeit, die am Wichtigsten angesehen
wird. Außerdem werden von jeweils ein bis zwei Klassen noch Grobmotorik, Phonetik, die FigurGrund Wahrnehmung, die Wahrnehmung und der Wortschatz trainiert (siehe Tabelle d4 in
Anhang5).
Durch das Training der Graphomotorik, das auch von verschiedenen Leselehrgängen als
Zusatzübung angeboten wird und das hier einen so großen Stellenwert einnimmt, soll vermutlich
das Schreiben gefördert werden. Übungen zur Grobmotorik, Figur- Grund Wahrnehmung und das
Wahrnehmungstraining werden seltener durchgeführt. Wir gehen davon aus, dass das Training
dieser Vorläuferfähigkeiten in vielen Klassen bereits abgeschlossen ist. Bei phonetischen Übungen
handelt es sich um ein neueres Konzept, dass in der Grundschule unterstützend zum
Schriftspracherwerb angeboten wird. Da dieses Training neu und in den Förderschulen eher
unbekannt ist, wird es integriert zum Leselehrgang angeboten aber von den Lehrkräften nicht als
eigenes Konzept angesehen.
„Bilder- Ganzwort- Gruppe“
Gruppen
Von den elf befragten Klassen, werden die „Bilder- Ganzwortleser“ in sieben Klassen zu einer
Gruppe und in drei Klassen zu zwei Gruppen zusammengefasst. In einer Klasse gibt es keine
„Bilder- Ganzwort Leser“ (siehe Tabelle d5 in Anhang 5).
91
Aus den Antworten der Lehrkräfte haben wir folgende Gruppen an „Bilder- Ganzwortlesern“
zusammengefasst:
Kategorien
Anzahl
der
Gruppen
Kommunika 1
tion
Symbole,
einige
Ganzwörter
Ganzwortle
ser
Gruppe
(Ist- Stand)
Ziel am Ende
des Schuljahres
Ziel am Schulen
Kommunika Rückschritte
tion per
vermeiden
Stepper
nicht genannt (wegen
rückläufiger
Entwicklung)
2
Situationsle
sen:
UrsacheWirkungspri
nzip
kennen-
mit Bildern
umgehen,
Weiteren
Entwicklung der
Fähigkeiten
Kommunikationshilfen
beherrschen (Go- Talk
20), „Mitteilen können“,
Kommunikation,
Verständigung
1
Fotos
erkennen
Training der
unterstützten
Kommunikation
Kein Ziel genannt
3
Symbole
Lesen
(Unterschei
dung,
Bedeutung),
TalkerTraining
Symbol/
Situationsverstä
ndnis erweitern,
Buchstaben
nachfahren,
eigenen Namen
erkennen,
Konzentrationsp
anne erweitern
„sich mitteilen“,
Abbildungen verstehen,
(„lebenspraktisch fit
werden“), Ziel wird
nicht genannt
5
Fotos/
einfache
Abbildunge
n erkennen
einige
Ganzwörter
erkennen, einige
Buchstaben
erkennen,
Name- Foto
Zuordnung,
Handführung
zulassen,
Symbole für UK
„sich sinnerfassend im
Alltag zurecht finden“,
3 mal kein Ziel für
Schulende genannt
1
Ganzworte
lesen,
Namen
schreiben,
Bild- Wort-
Sätze legen mit
Bildern
Bücher für sich nutzen,
Beschreibungen und
Bilderlesen,
Piktogramme erkennen
92
Zuordnung
Wie aus der Tabelle hervorgeht, werden die Schüler in sechs verschiedene Leistungsebenen
unterteilt. Es gibt eine leistungsstarke Gruppe, die wir einer Ebene zuteilen und die als einzige
Gruppe Ganzwörter lesen kann. Bezogen auf das Schulende werden für diese Gruppe relativ klare
Ziele formuliert (s. o.).
Die restlichen Leistungsebenen kann man wiederum in zwei grobe Kategorien unterteilen. Zwei
Leistungsebenen (insgesamt acht Gruppen) beschäftigen sich mit ersten Ganzwörtern und
Buchstaben, außerdem mit Symbolen und Bildern, während auf drei weiteren Ebenen (vier
Gruppen) das Training mit Kommunikationshilfen im Vordergrund steht.
Die Ziele zum Ende der Schulzeit von den Schülern, die wir diesen beiden Kategorien zugeordnet
haben, unterscheiden sich nicht sehr stark und werden oftmals nicht angegeben. Sie haben
gemeinsam, dass sich die Schüler ihren Möglichkeiten entsprechend im Alltag zu Recht finden und
ihre kommunikativen Fähigkeiten erweitern sollen.
Insgesamt wurde von den Lehrkräften für sechs der dreizehn Gruppen kein Ziel für das Schulende
angegeben. Für sechs Gruppen wurden die Ziele ungenau formuliert, wie beispielsweise die
Aussage, das Ziel für das Schulende sei: „sich mitteilen“. Lediglich bezogen auf die
leistungsstärkste Gruppe wurden die Ziele differenziert angegeben. Unserer Meinung nach ist es
wichtig, dass die Ziele bezogen auf das Schulende angegeben werden, auch wenn das Schulende
noch weit entfernt ist. Denn um die Schüler gezielt fördern zu können, sollten sich die Lehrkräfte
über die Ziele für ihre Schüler im Klaren sein. Es ist auffällig, dass gerade die Zielsetzung für die
leistungsstärkste Gruppe differenzierter angegeben wird. So stellt sich für uns die Frage, ob dieses
Ergebnis verallgemeinerbar ist, also ob es generell eine ungenauere Formulierung der Ziele von
Schülern gibt, die Situationen, Abbildungen und Fotos sowie einiger Ganzwörter lesen können, oder
ob dies nur hier der Fall ist. Dieser Frage möchten wir Anhand der noch folgenden Ergebnisse zu
einem späteren Zeitpunkt der Diskussion nachgehen.
93
Material
Aufgrund der Aussagen der Lehrkräfte über das Material für die „Bilder-Ganzwort-Leser“, haben
wir eine Tabelle, bestehend aus sieben Materialgruppen entwickelt:
Anzahl
der
Klassen
Materialgruppen
Material
7
Fotos
Fotos der Schüler
1
Foto + Ganzwort
Fotos mit Namen
4
Bilder,
Piktogramme,
Bingo, Memory, Talker
9
Bilder,
Piktogramme,
Symbole +
Ganzwort
Setzkästen, Bildkarten,
Boardmaker- Symbole, Bilder aus
Prospekten
5
Ganzwörter
Namen, Stundenplan,
Organisatorisches, Kalender
2
(Wort-) Gebärden
1
Anlaute
Übungen
Wortschatztraining
Zuordnung:
Bild-Anlaut
Hervorzuheben ist, dass in fast allen der zehn Klassen mit „Bilder-Ganzwort-Lesern“ (neun von
zehn Klassen) den Schülern Bilder, Piktogramme und Symbole mit Ganzwörtern angeboten werden.
Beispielsweise in Form von Setzkästen oder Bildkarten - überwiegend selbst hergestelltes Material.
Das zweit-häufigste Material sind Fotos der Schüler, die in fast jeder Klasse vorhanden sind. In ca.
der Hälfte der Klassen sind Bilder und Piktogramme („Metacom“- Bilder, Bilder aus dem
„Susanne- Dank“- Bilderkatalog, „Carlsson“- Bildkarten und „Boardmaker“- Symbole) zu finden.
Außerdem werden in fünf von zehn Klassen isolierte Ganzwörter angeboten. Dazu gehören
Zahlwörter, Eigennamen und Namen der Mitschüler, Wochentage, Monate und Ganzwörter aus
Programmen. Als Übung wird ein Wortschatztraining angeboten. Zusätzlich werden in einer der
Klassen Anlaute eingeführt (eventuell zur Unterstützung der Ganzworteinführung).
Es fällt auf, dass die Anzahl der angegebenen Materialien für Schüler, die sich im weiteren Sinne
94
mit Schriftspracherwerb auseinandersetzen sowie die Anzahl an Materialien für schwer behinderte
Schüler eher gering ist. Das kommt unserer Meinung nach deswegen zustande, weil die Lehrer in
ihren Antworten eher Materialien für den Schriftspracherwerb im engeren Sinne angeben.
„Lese-Schreib-Gruppe“
Gruppen
Die elf Klassen werden in unterschiedlich viele Leistungsgruppen eingeteilt. Die meisten Lehrkräfte
bilden aus ihren „Lesern- und Schreibern“ zwei verschiedene Gruppen. Auffällig ist, dass es in einer
Klasse vier Gruppen, in einer jedoch nur eine gibt (siehe Tabelle d8 in Anhang5).
Die Gruppen haben wir in der folgenden Tabelle in sechs verschiedene Leistungsebenen unterteilt.
Die einzelnen Leistungsebenen haben wir nur grob zusammengefasst, so können wir uns nicht ganz
sicher darüber sein, dass alle Schüler der verschiedenen Gruppen sich genau auf dem gleichen
Leistungsstand befinden:
Katego
rien
Anzahl
der
Gruppen
Gruppe (IstStand)
Ziele Ende des
Schuljahres
Ziele Ende der
Schulzeit
Texte
1
Sinnentnehmendes
Lesen von
Fremden
Texten, Sätze
und Texte frei
schreiben
Textproduktion,
verbesserte
Graphomotorik, Inhalte
wiedergeben,
Zusammenfassen
Lesen
2
Nach Gehör
schreiben.
Lesen,
sinnentnehmend Lesen,
nach Diktat
schreiben
Fähigkeiten
weiterentwickeln,
Keine Angaben,
Buch oder Zeitung
sinnentneh-mend
lesen
18 Buchstaben,
einfache Sätze
lesen
(Lautgetreu)
7-8 Buchstaben dazu.
Lesen üben mit
vorhandenen
Buchstaben.
Sätze
3
Texte mit Fragen
selbständig bearbeiten,
Feinmotorik üben
2x Lesen, keine
Angabe
95
Schreibfähigkeit
trainieren, in kleiner
Lineatur schreiben,
sinnentnehmend kleine
Sätze lesen, komplexere
Sätze erlesen,
lautgetreues
Aufschreiben
Worte
5
Einfache
Wörter lesen,
Texte
abschreiben,
Zusammenschl
eifen,
Wortdiktate
(z.B. Name),
viele
Ganzwörter,
alle
Buchstaben
Selbständig lesen,
flüssiges
Zusammenschleifen, 4
neue Buchstaben,
Feinmotorik üben,
Wörter lautgetreu
aufschreiben, kleine
Sätze lesen
Buch oder Zeitung
sinnentneh-mend
lesen, „richtig
lesen“, einfache
Sätze lesen, keine
Angabe,
sinnentnehmendes
lesen
Silben
und
Buchstaben
8
einige
Buchstaben,
Silben
zusammenschleifen,
Ganzwortlesen
, eigenen
Namen
schreiben
Einige neue
Buchstaben,
Silbenzusammenschleif
en vertiefen.
Lautsynthese, neue
Ganzwörter
(Lernwörter) lesen,
Fähigkeiten
weiterentwickeln, kurze
einfache Wörter
erlesen,
sinnentnehmendes
Lesen einzelner Wörter,
loslösen von
Ganzwörtern, eigenen
Namen schreiben,
eigenständig Worte
verschriften
Lesen lernen,
sinnerfassen-des
Lesen, Schrift
erkennen, Wörter
lesen und kennen,
4x Keine Angabe,
kleine Sätze lesen
können
7
Anlaute und
einige
Buchstaben,
BuchstabeAnlautbildverk
nüpfung, ca.
10 Buchstaben,
graphomotoris
Des Lebens freuen,
Anlaute hören,
Signalwörter lesen, 2
weitere Buchstaben, die
anderen Buchstaben
festigen, gelernte
Anlautbegriffe
zuordnen,
6x keine Angabe,
Zurechtfinden mit
Piktogrammen,
einfache, wichtige
Wörter lesen
96
che Übungen,
Piktogramme
und Bilder
lesen
Zusammenschleifen
erlernen (3-4
Buchstaben), erste
Wörter und Silben
zusammenschleifen,
Buchstaben ohne
Hohlform schreiben,
vorhandenes sichern
Die Schüler der beiden unteren Leistungsebenen (15 der insgesamt 26 Gruppen) sind noch nicht auf
der Wortebene. Sieben Gruppen davon kennen einige Buchstaben. Sie beschäftigen sich im
laufenden Schuljahr mit der Einführung neuer Buchstaben und dem Zusammenschleifen erster
Silben/Wörter. Die anderen acht Gruppen können bereits erste Silben zusammenschleifen und ihren
Namen schreiben. Ihre Zielsetzung für das Schuljahr ist die Weiterentwicklung des
Zusammenschleifens und das Lesen und Schreiben erster Wörter. Die Ziele beider Ebenen bezogen
auf das Schulende werden selten angegeben: 10 von 15 Aussagen sind ohne Angaben. Die
Aussagen, die wir bekommen haben, sind jedoch konkret formuliert. Auffällig hierbei ist, dass es
einen großen Unterschied in der Zielsetzung der „Silbenleser“ gibt. Eine Gruppe hat das Ziel
sinnentnehmend lesen zu können (auf Textebene), während eine andere einzelne Wörter erlesen
soll. Dieser Unterschied kann einerseits dadurch zustande kommen, dass wir die Einteilung der
Ebenen zu grob vorgenommen haben, auf der anderen Seite kann es sein, dass die verschiedenen
Lehrkräfte in Bezug auf die langfristigen Zielsetzungen unterschiedliche Ansichten haben. Während
einige Lehrkräfte hohe Ziele haben und die Förderung der Schüler darauf ausrichten, haben andere
Lehrkräfte nach eigener Aussage: „realistische“ Ziele, die sich sehr stark am Ist- Stand der Schüler
orientieren.
Die Schüler der fünf Gruppen auf der nächst höheren Ebene, befinden sich bereits auf der
Wortebene und haben das Ziel ihre Lesekompetenz durch das Erlernen neuer Buchstaben zu
verbessern. Auf einer weiteren Ebene gibt es drei Gruppen mit Schülern, die bereits einfache Sätze
lesen können. Ihr Ziel ist es komplexere Sätze zu lesen und das Schreiben zu üben. Es ist
erstaunlich, dass die Schüler der drei Gruppen der beiden stärksten Ebenen bereits Texte
sinnerfassend lesen können. Die Schüler aus zwei dieser Gruppen schreiben außerdem kleine
Diktate und haben für Schuljahresende das Ziel, Fragen zu Texten selbstständig zu beantworten,
wohingegen eine für die Unterstufe ungewöhnlich starke Gruppe eigenständig Texte produzieren
kann.
Von den restlichen vier Ebenen über der Wortebene wird für fast die Hälfte der Gruppen keine
97
Angabe bezogen auf das langfristige Ziel gemacht (vier von elf Gruppen). Bei allen anderen
Gruppen ist die Zielsetzung das Lesen von Büchern und Zeitungen. Die Wortlese- Gruppe, die sich
auf das Lesen von Sätzen beschränkt bildet hier eine Ausnahme.
Auffällig ist, dass auch bei den „Lesern und Schreibern“ viele Lehrkräfte keine Angaben zu den
langfristigen Zielen ihrer Schüler getroffen haben. In den beiden unteren Ebenen, in denen sich die
Schüler noch nicht mit Wörtern auseinandersetzen, werden zu zwei dritteln keine Angaben darüber
gemacht. Die Tendenz ändert sich jedoch ab der Wort- Ebene. Hier werden öfter Angaben gegeben.
Dies deckt sich mit den Ergebnissen der „Bilder- Ganzwort Leser“, wo von den Lehrkräften
ebenfalls weniger Angaben über die schwächeren Gruppen gemacht wurden. Wir schließen daraus,
dass es sich um eine generelle Tendenz der Lehrkräfte handelt, sich über die Ziele für die
schwächeren Schüler nicht so bewusst zu sein, wie bei stärkeren Schülern und sie so im Interview
ungenauer bzw. gar nicht zu formulieren. Dadurch besteht die Möglichkeit einer Benachteiligung
der schwächeren Schüler durch unfachgerechte Förderung.
Konzeptionen
Aus den angegebenen Lehrgängen und den zusätzlichen Materialien haben wir drei verschiedene
Unterrichtskonzeptionen für den Deutsch- Unterricht erstellt. Zwei Konzeptionen arbeiten mit dem
Leselehrgang: „Momel lernt lesen“, eine weitere basiert auf dem Leselehrgang: „Lesenlernen mit
Hand und Fuß“:
Anzahl
der
Klassen
Konzeption
4
Hauptsächlich „Momel lernt lesen“
•
Vorläuferfähigkeiten: graphomotorische Übungen des „Momel“Vorläuferbandes, visumotorische Übungen, Rhythmik,
Koordination
•
Computer (Budenberg und Gebärdenprogramm), Buchstaben üben
mit eigenem Material
5
„Momel lernt lesen“ als Basis oder als Einstieg
•
Buchstaben üben und festigen mit eigenem Material, mit Spielen
für Buchstaben
98
•
Programme (zum Buchstaben üben): 2x Lesen lernen mit Hand
und Fuß, Persen- Verlag, Nordschrift, „Tinto“- Anlauttabelle,
Computer („Budenberg“, „Konfetti“), Lautgebärden von Hand und
Fuß
•
Vorläuferfähigkeiten: Phonologische Übungen, Physiologische
Übungen, graphomotorische Übungen, Wahrnehmungsübungen,
Übungen zum Arbeitsverhalten
•
2
Andere Programme (nicht Buchstaben üben): „Bitte lesen“
„Lesenlernen mit Hand und Fuß“ als Basis
•
graphomotorische Übungen
•
Buchstaben üben mit eigenem Material
•
Programme: Lesen und Verstehen, Computer: (Budenberg,
Gebärdenprogramm)
Neun von den elf untersuchten Klassen arbeiten mit dem Leselehrgang: „Momel lernt lesen“. In
einer Klasse gibt das Schulkonzept den Leselehrgang: „Lesenlernen mit Hand und Fuß“ vor, dort
werden die Buchstaben jedoch nach dem Lehrgang „Momel lernt lesen“ eingeführt. Die Konzeption
der beiden anderen Klassen basiert auf dem Lehrgang: „Lesenlernen mit Hand und Fuß“.
Es sieht so aus, als ob der Leselehrgang: „Momel lernt lesen“ im Deutschunterricht der Schulen mit
dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung eine entscheidende Rolle spielt. Dies geht auch aus
den Aussagen der Lehrkräfte über diesen Lehrgang hervor. Generell wird dieser als besonders
angemessen für die Altersklasse beschrieben. Als Positiv wird zum einen die Vorgehensweise (klare
Strukturierung, die Kleinschrittigkeit des Lehrgangs, Gebärden für Grapheme), das Material,
welches für die Altersgruppe geeignet ist und sich gut modifizieren lässt, aber auch die Motivation
des Lehrgangs (Anschaulichkeit, Handpuppe, Geschichten) hervorgehoben. Einzelne Lehrkräfte
kritisieren an diesem Leselehrgang jedoch den Fibel- Text, der ihrer Meinung nach nicht gut ist,
bemängelt wird auch, dass „Momel“ als einziger Lehrgang nicht ausreicht. Eine Lehrerin kritisiert
außerdem, dass bei der Durchführung des Lehrgangs nicht alle Schüler gleichzeitig beschäftigt sind.
Besonders hervorzuheben ist die Aussage: „Es gibt kein anderes [Programm]“ (siehe Tabelle d12 in
Anhang5).
Zusätzlich gibt es in allen Klassen Material zum Üben der Buchstaben und Vorläuferfähigkeiten. Es
werden andere Programme (entweder am Computer
oder Arbeitsblätter aus anderen
Leselehrprogrammen) oder eigen erstelltes Material genutzt. Von allen Klassen wird das
99
Computerprogramm „Budenberg“ als zusätzliches, unterstützendes Material genutzt. Von den
Lehrkräften wird dieses Programm aufgrund seiner „Schlichtheit“ und „Minimalistischen
Ausführung“ als geeignet für den Einsatz an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige
Entwicklung angesehen. Im folgenden Unterpunkt werden wir uns genauer mit den Materialien
auseinandersetzen.
Material
Für die Darstellung des verwendeten Zusatzmaterials haben wir die gleiche Tabellenform gewählt
wie schon bei dem Material für die „Bilder-Ganzwort-Leser“. Beim direkten Vergleich wird gut
sichtbar, wie groß die Materialspanne innerhalb der Klassen ist:
Anzahl
der
Klassen
Materialgruppen
Material
Übungen
4
Wahrnehmung
Kim-Spiele
Konzentration,
Physiomotorische Übungen,
Vorübungen im
Wahrnehmungsbereich, FigurGrund-Wahrnehmung, Visumotorische-Übungen
11
Ganzwörter
Gebärdenkarten, WortBild-Zuordnung,
Gebärdenprogramm am
Computer,
Lautsprachbegleitende
Gebärden, Tage, Zahlen,
Monate, Namen, eigene
Lernwörter, Bingo
Wortschatztraining, Sätze legen
mit Ganzwörtern und Bildern,
Namen nachspuren, eigenen
Namen schreiben, GanzwortBild/Symbol-Zuordnung,
Symbolschriftkärtchen
6
Anlaute
Anlauttabelle,
Lautgebärden, Computer,
Anlautbuchstaben+
Bilder an der Tür/ auf
Poster
Anlaute finden, Anlaute hören,
Phonetische Übungen als
Einstieg, Wörter finden, die mit
neuen Buchstaben anfangen,
Anlaute zu Bildern sortieren
9
Feinmotorik „Momel“Vorläuferlehrgang,
Arbeitsblätter
Buchstaben nachspuren,
Prickeln, Kneten, In Sand
schreiben,
100
11
Grapheme
und
Phoneme
Arbeitsblätter,
Wochenplan,
Klammerkärtchen,
„Budenberg“, Spiele für
Buchstaben,
„Bergedorfer
Kopiervorlagen“,
Lautgebärden + Stationen
aus dem Leselehrgang:
„Lesen lernen mit Hand
und Fuß“,
Magnetbuchstaben,
Holzbuchstaben,
„Konfetti“, Konfetti- CD,
Buchstaben mit Bild, Von
A bis Z (Computer),
Druckschriftlehrgang von
„Momel“,
Fühlbuchstaben, Große
Papierrollen mit
Buchstaben,
Freiarbeitsmaterialien
von „Hand und Fuß“,
Buchstabenhefte,
Stempel,
Selbstkontrollmaterial,
Norddruck
Prickeln, Kneten, In Sand
schreiben, Backen, Phonetische
Übungen als Einstieg,
Buchstaben nachschleifen,
Phonemtraining, Buchstaben
schreiben, Buchstaben
heraushören und schreiben,
Inlautbestimmen mit Kärtchen
5
Silben
LRS- Programm zum
Silbenlesen
Syntheseübungen,
Zusammenschleifen üben,
Buchstabieren lassen, lesen,
Silben bilden, Wörter legen
7
Worte,
Orthographie
Budenberg,
Schreibübungen mit
Gegenständen, Konfetti,
eigene Lernwörter,
Karteikästchen,
Arbeitsblätter, „Liesmal“
Wortschatztraining,
Bewegungsspiele, Wortdiktat,
Buchstabieren lassen, Lesen,
Wörter abschreiben, Wörter
legen
5
Sätze
eigenes Schreibheft,
Mappen zu den
Vorlesebüchern,
„Liesmal“, Arbeitsblätter
Sätze schreiben, Leseaufträge,
Schreiblabor, Fragen
beantworten, Vorlesen, Sätze
abschreiben, Sätze lesen
2
Texte
Lesebücher z.B. Olchis,
Textkärtchen-Zuordnung
Vorlesen, Rollenspiele zur
Geschichte, Bilder malen zur
Geschichte, Texte lesen bevor
101
von Lehrer vorgelesen
Nachdem wir uns mit den Konzeptionen der verschiedenen Klassen auseinandergesetzt haben und
feststellen konnten, dass in allen Klassen neben den Leselehrgängen: „Momel lernt lesen“ und
„Lesenlernen mit Hand und Fuß“ weiteres Material genutzt wird, zeigt diese Tabelle, welches
Ausmaß diese Zusatzmaterialien einnehmen. Es wird deutlich, dass das zusätzliche Material einen
hohen Stellenwert einnimmt. So gibt es in jeder Klasse verschiedenes Material und zahlreiche
Übungen zu Graphemen und Phonemen und zu Ganzwörtern. Zu den Phonemen und Graphemen
werden zusätzlich feinmotorische Übungen angeboten, wie Buchstaben nachspuren, Prickeln, in
Sand schreiben etc.
Wir unterscheiden hier zwischen Anlauten und Graphemen/Phonemen da sie für den Unterricht mit
verschiedenen Schülergruppen relevant sind. Da in ca. der Hälfte aller Klassen Materialien zu
Anlauten zu finden sind, wird sichtbar, dass in den restlichen Klassen der Unterricht im
Schriftspracherwerb
schon
weiter
fortgeschritten
ist
und
sich
mit
Graphem-Phonem-
Korrespondenzen anstatt mit Anlauten beschäftigt wird. Die Wahrnehmung wird ebenfalls in vielen
Klassen nicht mehr trainiert. Bei ca. der Hälfte der Klassen werden als Zusatzmaterial Silben
angegeben, um u. a. das Zusammenschleifen zu üben. Worte (Orthographie) und Sätze, die
ebenfalls in ca. der Hälfte der Klassen angeboten werden, lassen andererseits vermuten, dass sich
noch nicht die Schüler aller Klassen auf dieser Leistungsebene befinden, da dazu das
Zusammenschleifen beherrscht werden muss. Auffällig ist, dass nur in zwei der Klassen Texte
angeboten werden, die von Schülern selbst gelesen und bearbeitet werden. Hier zeigt sich, dass die
Mehrzahl der Schüler noch nicht in der Lage ist sich selbstständig mit Texten auseinander zu setzen.
Die offen gestellte Frage könnte allerdings auch in dieser Tabelle dazu geführt haben, dass einzelne
Materialien von den Lehrkräften nicht erwähnt wurden, obwohl sie im Unterricht vorhanden sind.
Wir können uns das z.B. bei Materialien zum Silben-Zusammenschleifen vorstellen, da die Lehrer
diese als Übungen zu den Worten eingeordnet haben könnten.
Die im letzten Abschnitt vorgestellten Unterrichtskonzeptionen können demnach nicht ohne das von
den Lehrern selbst hergestellte bzw. zusammengesuchte Zusatzmaterial gesehen werden, weil dieses
einen großen Teil des Unterrichts ausmacht, der auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler
eingeht.
102
4.4.2.2.3 Mittelstufe (ab fünftem Schulbesuchsjahr)
Raumgestaltung
Die Stichprobe besteht aus vier Klassen in zwei verschiedenen Schulen.
Um die
Raumgestaltungselemente darzustellen, haben wir die Antworten der Lehrkräfte über die
Materialen, die in den Klassenräumen zu finden sind, in Kategorien zusammengefasst:
Gestaltungselemente
Anzahl der
Klassen
Bücher
2
Materialzugang
1
Ganzwort + Bild, Foto, Piktogramm
2
Organisation (Stundenplan, Essensplan, Kalender)
2
Buchstaben, Anlaute
2
Lautgebärden
1
Wortgebärden
3
Schreibanlass
1
Plakate, kleine Texte
1
Es fällt auf, dass viele Lehrer der Mittelstufen, im Gegensatz zu Vor- und Unterstufen Wortgebärden
als Gestaltungselemente erwähnen. Schreibanlass, Plakate (kleine Texte) und Materialzugang
werden nur in jeweils einer Klasse angegeben, Bücher in der Hälfte. Da diese Materialien das
weiterführende Lesen und Schreiben unterstützen, hätten wir erwartet, dass sie in allen Klassen der
Mittelstufe zu finden sind. In sofern überrascht uns dieses Ergebnis, allerdings müssen wir an dieser
Stelle erklären, dass die Lehrkräfte - wie schon in den Klassen der Vor- und Unterstufe - die
Raumgestaltungselemente nicht unbedingt in ihre Unterrichtskonzeptionen einbeziehen und deshalb
nicht erwähnen.
Dass in der Hälfte der Klassen Buchstaben und Anlaute angeboten werden, aber nur in einer Klasse
Lautgebärden, hängt unserer Meinung nach damit zusammen, dass das Erlernen der Buchstaben,
möglicherweise schon abgeschlossen ist. Denn insbesondere die Lautgebärden stellen eine Hilfe für
103
die Einführung und Synthese der ersten Buchstaben dar.
Arbeitsform
Auch in der Mittelstufe werden die Klassen in verschiedenen Leistungsgruppen unterrichtet. In drei
von vier Klassen ist die Gruppenzusammensetzung leistungshomogen, in einer ist sie heterogen
(siehe Tabelle e3 in Anhang5). Unserer Meinung nach, ist die Zusammensetzung der Gruppen
heterogener zu gestalten, um den sozialen Aspekt beim Lernen mehr in den Vordergrund zu rücken.
Außerdem können leistungsschwächere Schüler von den Erklärungen der anderen profitieren,
leistungsstärkere Schüler hingegen erhalten durch die von ihnen erbrachten Hilfestellungen
zusätzliche Übungsmöglichkeiten.
Auch fällt uns die geringe Variationsbreite der Arbeitsformen im Deutschunterricht auf, die wir
gerade in der Mittelstufe als größer eingeschätzt hätten: Innerhalb der Gruppen wird in allen
Klassen Einzelarbeit durchgeführt. Partner- und Gruppenarbeit spielen dahingegen eine
untergeordnete Rolle und werden jeweils nur in einer Klasse angewandt. In zwei Klassen werden
die Übungsphasen zum Teil in Wochenplan und Hausaufgaben verlegt (siehe Tabelle e2 in
Anhang5).
Hierbei ist jedoch anzumerken, dass evtl. einige der Lehrkräfte nicht jede Arbeitsform im
Deutschunterricht einzeln angegeben haben. Es ist vorstellbar, dass verschiedene Arbeitsformen wie
beispielsweise die Arbeit an Stationen von einigen Lehrern unter Einzelarbeit eingeordnet wurden.
„Bilder-Ganzwort-Leser“
Gruppen
Von den vier befragten Mittelstufenklassen, werden die „Bilder-Ganzwort-Leser“ in zwei Klassen
zu einer Gruppe zusammengefasst und in den anderen beiden Klassen in zwei verschiedene
Gruppen unterteilt (siehe Tabelle e5 in Anhang 5).
Aus den Angaben der Lehrkräfte bezogen auf die „Bilder-Ganzwort-Leser“, haben wir fünf
verschiedene Leistungsebenen entwickelt:
104
Anzahl
der
Gruppen
Gruppe (IstStand)
Ziel am Ende des Schuljahres
Ziel am
Schulende
1
Situationsleser, Weiter fördern
UrsacheWirkungsPrinzip
erkennen
Evtl. Bilder/ Fotos
erkennen
1
Einige
Symbole
erkennen,
Gebärdenkennt
nis
Intensive Nutzung des
Symbolvokabulars,
Gebärdenwortschatz erweitern,
mit Bildkarten umgehen
Umgang mit dem
Supertalker,
BilderPiktogramme
lesen, sich in der
Umwelt
orientieren
2
Bilder/
Symbole lesen,
einige
Ganzwörter
Kommunikation fördern (durch
Talker- Training, Step-byStep),bessere Zusammenarbeit mit
Sprachtherapeuten
In der
Gesellschaft
existieren,
Kommunikation
fördern
1
Mehrere
Ganzwörter
lesen
Zusätzliche Ganzwörter erlesen
Auch Sätze auf
Ganzwortebene
lesen
1
GanzwortWeiter fördern
lesen, Kenntnis
von Gebärden,
Drei- Wort
Sätze erlesen,
Informationen
aus
Piktogrammen
entnehmen
Gebärden
festigen,
Schwerpunkt liegt
auf
Kommunikation
Die Spanne der Gruppen reicht von Situationslesern bis zu Ganzwortlesern, die Drei- Wort- Sätze
lesen können und Kenntnis der Gebärdensprache haben. Auffällig ist, dass es bei den
Mittelstufenklassen unserer Stichprobe zwei Gruppen gibt, die der stärksten Ganzwortleser-Gruppe
der Unterstufen weit voraus sind. Der Unterricht stellt das Training der Ganzwörter in den
Mittelpunkt und legt weniger bzw. kaum Wert auf die Einführung von Buchstaben. In der
Unterstufe liegt im Gegensatz dazu auch bei den „Bilder- Ganzwort-Lesern“ ein Schwerpunkt auf
der Einführung von Anlauten und Buchstaben. Dadurch bleibt das Ziel der Alphabetisierung zu
einem späteren Zeitpunkt noch offen, während dies in der Mittelstufe nicht mehr relevant zu sein
105
scheint. Somit könnte man meinen, dass auch die Ziele für das Schulende hier stärker auf
Ganzwörter ausgerichtet sind. Für fünf der sechs Gruppen, sind die Ziele aber ungenau formuliert
oder gehen in andere Richtungen wie z.B. „Gebärden festigen“. Lediglich in einer Gruppe wurde
als Ziel: „Sätze auf Ganzwortebene lesen“ angegeben.
Im Gegensatz zu den Vor- und Unterstufen, wo die Ziele oftmals gar nicht angegeben wurden,
wurde hier jedoch für jede Gruppe ein Ziel für das Schulende formuliert. Unsere These, die
Zielsetzung von leistungsschwächeren Schülern sei generell ungenauer formuliert, lässt sich also
nicht bestätigen: Es gibt zwar auch in der Mittelstufe unpräzise Zielsetzungen zum Schulende, eine
steigende Tendenz bei schwächeren Gruppen ist aber nicht feststellbar. Allerdings ist unsere
Stichprobe hier wesentlich kleiner und deshalb nicht so aussagekräftig wie in der Unterstufe.
Material
Aus den Angaben der Lehrkräfte zum Material haben wir acht Materialgruppen gebildet. Wir haben
auch eine Gruppe „Anlaute/Buchstaben“ aufgenommen, wir sind uns aber nicht sicher, ob es sich
tatsächlich um Material der „Bilder-Ganzwort-Leser“ handelt:
Anzahl
der
Klassen
Materialgruppen
Material
1
Kommunikationshilfen
Step -by- Step
3
Fotos
Große Fotokarten, Fotos mit Personen, Essen,
Spielzeug
1
Foto + Ganzwort
Fotos + Namen
4
Bilder, Piktogramme,
Symbole
Boardmaker- Symbole, Bildkärtchen, SmallTalker/ Super- Talker mit Piktogrammen
3
Bilder, Piktogramme,
Symbole+ Ganzwort
Wetterbericht, Stundenplan
3
Ganzwörter
Stundenplan, Datum, Satzanfänge,
Vokabelheft für Ganzwörter
2
Wortgebärden
3
Anlaute/Buchstaben
Stempel, Anlaut + Gebärdenbild,
Holzbuchstaben, Magnetspiel, Knete
Jede der vier Klassen besitzt Material mit Bildern, Piktogrammen und Symbolen. Das stellt einen
106
Unterschied zur Unterstufe dar, wo weniger als die Hälfte der Klassen mit Bildern und
Piktogrammen arbeiten. Auch die Ganzwörter stellen einen deutlichen Unterschied zum
Materialfundus der Unterstufenklassen dar. Ganzwörter, die geübt werden sind wie auch schon in
der Unterstufe: Namen, Wörter aus dem Stundenplan, einige wichtige Themen-bezogene Wörter
und Ganzwörter aus den Leselehrgängen. Zusätzlich bieten die Lehrkräfte hier jedoch auch
Sachthemen- bezogene Wörter, z.B. aus den Bereichen Wetter, Feste, Jahreskreis, Städtenamen etc.
an. Außerdem gibt es Wörter aus speziellen Interessensgebieten wie der Bundesliga, Wörter aus der
Ganzwortsammlung „Leseschwänke- Brüggemann“ und es werden Satzanfänge geübt. Angesichts
dieses vielfältigen Materials sehen wir uns in unserer Schlussfolgerung aus dem letzten Unterpunkt
bestätigt, dass hier der Schwerpunkt auf der Festigung und Ausweitung des Ganzwortvokabulars
liegt.
Wie schon erwähnt, haben wir das Material für Anlaute und Buchstaben in die Materialdarstellung
der „Bilder- Ganzwortleser“ aufgenommen, wir wissen jedoch nicht genau, ob dieses Material auch
von dieser Gruppe genutzt wird. Dafür spricht, dass das Material, wie beispielsweise
Holzbuchstaben unserer Meinung nach vor allem für das Erlernen der ersten Buchstaben geeignet
ist. Dagegen spricht jedoch, dass für keine der Gruppen das Schreiben von Buchstaben von den
Lehrkräften explizit als Ziel für den Unterricht angegeben wurde (siehe Tabelle e6 in Anhang 5).
Daher vermuten wir, dass das Training der Buchstaben/Anlaute eine zusätzliche Hilfe für das Lesen
von Ganzwörtern oder für das Schreiben des eigenen Namens darstellt.
„Leser und Schreiber“
Gruppen
Die „Leser und Schreiber“ werden in drei von uns untersuchten Klassen in drei verschiedene
leistungshomogene Gruppen unterteilt, in der vierten Klasse gibt es nur ein Gruppe (siehe Tabelle
e8 in Anhang 5).
In der folgenden Tabelle teilen wir diese Gruppen in fünf verschiedene Leistungsebenen ein. Einen
Schüler, der eine eigene Leistungsgruppe bildet, haben wir bewusst nicht aufgenommen, da er aus
Migrationsgründen über mangelnde Deutschkenntnisse verfügt. Grundsätzlich wird dieser jedoch
von der Lehrkraft den „Lesern und Schreibern“ zugeordnet.
107
Anzahl
der
Gruppen
Gruppe (Ist- Stand)
Ziel am Ende des
Schuljahres
Ziel am
Schulende
2
Textlesen+ Fragen dazu
beantworten,
selbstständiges
Textschreiben,
vereinfachte
Ausgangsschrift,
überwiegend
lautgetreues Schreiben,
aber Kenntnis einiger
orthographischer Regeln
Satzanfänge
großschreiben, Punkt am
Ende des Satzes
schreiben, Lernwörter
richtig schreiben,
Unterscheidung
zwischen Verben und
Nomen (Groß- und
Kleinschreibung), freies
Briefe schreiben
Zeitung lesen
können,
Briefe verfassen
und Mitteilungen
schreiben (z.B.
SMS,
Einkaufszettel)
Orientierung im
Alltag durch
Lesen
Kleine Lektüren
lesen
1
Selbstformuliertes
Schreiben von Sätzen,
sinnentnehmendes lesen
von kurzen einfachen
Texten+ Fragen
beantworten
Verbesserte Grammatik
(Präpositionen und
Pronomen),
Verbesserung der
Fähigkeit sich schriftlich
auszudrücken
Schriftliche
Informationen
einholen
3
Zusammenschleifen
kurzer Wörter, kurze
Sätze mit bekannten
Wörtern lesen,
abschreiben,
Bildergeschichten
Abbau von
Hilfestellungen, weitere
Förderung,
Einfache Wörter
aus dem Kopf
aufschreiben,
Lesen im Alltag
zur Orientierung,
1 x keine Angabe
2
Silben
zusammenschleifen,
Buchstabenkenntnis
Kenntnis neuer Silben,
akustische Analyse
trainieren
Zeitung lesen
können, Briefe
verfassen und
Mitteilungen
schreiben,
alltägliche
Informationen
Beschaffen (z.B.
TV- Programm),
SMS schreiben
1
Kommunikation durch
Gebärdensprache,
Kenntnis aller
Buchstaben von
Festigung der
Buchstaben, einige neue
Buchstaben erlernen,
Gebärden unterstütztes
Kurze klare Texte
sinnentnehmend
lesen
Verständnis für
Geschichten erweitern,
routinierteres
Zusammenschleifen,
Standartsätze lesen
108
„Momel 1“, Laute
Lesen, Silben –
verbalisieren, Kenntnis
zusammenschleifen
von Ganzwörtern, Sätze
aus Ganzwörtern lesen
Insgesamt zeigen sich große Unterschiede in den Leistungsständen der Schüler. Während sich die
Schüler der stärksten drei Gruppen sinnentnehmend mit Texten auseinandersetzen und eigene
Texte /Sätze schreiben können, beschäftigen sich die Schüler der anderen fünf Gruppen mit dem
Zusammenschleifen von kurzen Wörtern/Silben. Eine Gruppe von Schülern, die sich auf der Wortoder Satzebene befinden, zeigt sich hier also nicht.
Insgesamt ist hervorzuheben, dass es in zwei der vier Klassen Gruppen gibt, die Schreibschrift
schreiben, Texte sowohl eigenständig lesen als auch produzieren und über einige orthographische
Kenntnisse verfügen. Besonders interessant finden wir eine offensichtlich nicht- lautsprachliche
Gruppe, die vorher Ganzwörter trainierte und darin weit fortgeschritten ist. Diese hat
augenscheinlich
erst
später
mit
der
Alphabetisierung
begonnen
und
übt
nun
das
Zusammenschleifen. Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass sich einige Schüler nicht von Beginn
der Schulzeit an mit Buchstaben auseinandersetzen, sondern erst an Ganzwörter herangeführt
werden.
Die Ziele zum Ende der Schulzeit sind nicht direkt am derzeitigen Lernstand orientiert, sondern
sehr hochgesteckt und detailliert formuliert. Eine einzige Gruppe bildet eine Ausnahme, da für sie
gar kein Ziel für das Schulende angegeben wurde. Hier ist ein deutlicher Unterschied zu den
Aussagen der Lehrkräfte in den Unterstufenklassen erkennbar, wo die Ziele bezogen auf das
Schulende sehr oft nicht oder nur ungenau angegeben wurden. Wir vermuten, dass die Lehrkräfte
die von ihren Schülern erreichbaren Ziele nun besser einschätzen können, da das Ende der Schulzeit
nicht mehr so weit weg ist wie in der Unterstufe.
Unterrichtskonzeption
Auch hier haben wir aus den Aussagen der Lehrkräfte Konzeptionen herausgearbeitet. Da es sich
um vier sehr verschiedene Vorgehensweisen handelt, konnten wir jedoch keine Gruppierung
vornehmen:
109
Anzahl
der
Klassen
Konzeption
1
„Momel“ [-Folgeband] als Basis
•
Zusätzlich: Oldenburger Programm: „Leseschule“, Arbeitsblätter
für Buchstaben/ Wörter aus anderen Programmen
•
Eine Anlauttabelle für einen Schüler
•
Computerprogramme: Lernwerkstatt, Budenberg, Cesear- lesen
1+2
•
Lernwortkartei für Orthographie
•
Textformen: Liedtexte, Gedichte, Kinderbücher, Lektüren mit
Fragen dazu
1
„Lesenlernen mit Hand und Fuß“ [-Folgeband] als Basis (ohne
Stationen) , Lautgebärden vom Programm „Lesen lernen mit Hand
und Fuß“ zum Zusammenschleifen von Lautverbindungen
•
Zwei weitere Lehrgänge: „Mit kleinen Texten durchs Jahr“
„Grammatikalische Grundübungen“ (Schrödel- Verlag),
Computerprogramm: „Budenberg“ und zusätzlich Arbeitsblätter
1
•
Schreibanlässe schaffen, Texte, Lückentexte
•
Übung der Graphomotorik (für einige Schüler)
•
Anlauttabelle für einige Schüler
Kein standardisiertes Programm als Grundlage
•
Vorläuferfähigkeiten: Wahrnehmungsübungen und Graphomotorik
•
geübt werden: einfache Wörter, Zusammenschleifen und Sätze
lesen mit: Bergedorfer Kopiervorlagen, Computerprogramm:
„Lernwerkstatt“
110
1
Kein standardisiertes Programm als Grundlage
•
Vorläuferfähigkeiten: graphomotorische Übungen
•
Schreibanlass /Projekt: persönliches Tagebuch anfertigen über das
ganze Schuljahr (Wetterbericht, Anwesenheitspflicht,
Verschönerung, freie Erweiterung) individuelle Bearbeitung
möglich (Ganze Sätze, handschriftlich, am PC, Ganzwort- Bild
basiert), Lernworte (Orthographie und Gebärden)
•
Zusätzliches Material aus den Programmen (individuell für
Schüler, die vorher damit gearbeitet haben): „Lesenlernen mit
Hand und Fuß“, „Lesen mit Lo“+ Lautgebärden, „Momel“
•
Selbst hergestelltes Programm für einen Schüler (basiert auf
Interesse): Fußball, Städtenamen, etc.,
•
Zusätzliche Programme: „Lernkiste Lesen und Schreiben“,
Computerprogramm: „Budenberg“
•
Für fortgeschrittene Leser/Schreiber: „Gelesen- Verstanden“,
„Lesetraining- interaktiv“
In allen Mittelstufenklassen finden sich unterschiedliche Unterrichtskonzeptionen. Zwei Klassen
haben wie auch in den Unterstufenklassen jeweils einen Leselehrgang als Basis. Zwei weitere
Klassen gehen nicht nach einem Leselehrgang vor, sondern stellen ihr Material selbst zusammen,
wobei eine Klasse ihren Deutschunterricht auf einem (Tagebuch-) Projekt aufbaut. Hier zeigt sich
ein Unterschied zur Unterstufe, in der sich alle Klassen an Leselehrgängen orientieren. Der Einsatz
eines Leselehrgangs hat jedoch sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits bietet er den zu
lernenden Stoff strukturiert und mit geeigneten Übungen an. Dies erleichtert es dem Lehrer den
Unterricht zu planen und auch die Schüler profitieren von der starken Strukturierung des
Unterrichts. Der Nachteil bei der Orientierung an einem einzigen Lehrgang ist allerdings, dass nicht
auf das Lerntempo und den Zugang jedes einzelnen Schülers eingegangen werden kann, so wie dies
bei dem Einsatz verschiedener Materialien der Fall ist.
Unserer Meinung nach orientiert sich der Unterricht in den Unterstufen aus mehreren Gründen
stärker an Lehrgängen:
•
Weil die meisten Schüler der Unterstufe zunächst die ersten Buchstaben erlernen sollen und
der Unterricht damit eine ähnliche Zielsetzung verfolgt.
•
Weil das Arbeitsverhalten und die Konzentrationsspanne der Schüler eine stärkere Präsenz
111
der Lehrkraft im Unterricht erfordert, so dass eine individuelle Unterrichtsgestaltung für
jeden Schüler schwer umzusetzen ist. Vorstrukturiertes Material ist deshalb hilfreich.
Im Gegensatz dazu sind in der Mittelstufe die Ziele der Schüler unterschiedlicher. Sie arbeiten
selbständiger, so dass die Lehrkraft mehr Zeit für einzelne Schüler zu Verfügung hat. Dadurch bietet
sich eine Vorgehensweise an, die sich nicht nur an einem Lehrgang orientiert. Es kann stärker auf
die Bedürfnisse einzelner Schüler eingegangen werden, wie es beispielsweise in einer von uns
untersuchten Klasse der Fall ist. Hier wird im Deutschunterricht der Mittelstufe ein Projekt
durchgeführt, zusätzlich werden in Übungseinheiten unterschiedliche Materialien für jeden Schüler
angeboten.
Material
In dieser Tabelle haben wir aus den angegebenen Materialien und Übungen der verschiedenen
Klassen zehn Materialgruppen gebildet. Unter Lektüre fassen wir die Bücher zusammen, die von
den Schülern gelesen und im Unterricht bearbeitet werden:
Anzahl Materialder
gruppen
Klassen
Material
1
Wahrnehmung
3
Anlaute
Anlauttabelle, „Budenberg“
4
Feinmotorische
Übungen
Vorübungen von „Momel“
3
Ganzwörter
Organisatorisches (Stundenplan,
etc.), Bild- Wort-Zuordnung,
Vokabelheft mit Ganzwörtern+
Gebärden
4
Übungen zu
Graphemen/
Phonemen
„Momel“, „Lesenlernen mit Hand
und Fuß“, „Budenberg“,
Buchstaben- gebärden Verbindung,
„Bergedorfer Kopiervorlagen“
3
Silben
Material aus„Budenberg“
4
Worte
(Orthographie)
Oldenburger Programm:
„Leseschule“, „Budenberg“,
Gebärden „Lernwerkstatt“,
Übungen
Wahrnehmungsübungen
Schreiben in der
Lineatur
Knete, Stempel,
Magnetspiel,
Diphthonge üben
112
Lernwortkartei, Arbeitsblätter,
Lückentexte, „Bergedorfer
Kopiervorlagen“
4
Sätze
Arbeitsblätter, „Budenberg“,
Lernwerkstatt, „Cesaer- Lesen“
Fragen (umformulieren),
„grammatikalische Grundübungen“
Projekt: „Tagebuch“
4
Texte
„Cesear- Lesen“, Gedichte,
Liedtexte, Schreibanlässe,
Lückentexte, „Mit kleinen Texten
durchs Jahr“, Projekt: „Tagebuch“
„Gelesen- Verstanden“,
„Lesetraining interaktiv“
2
Lektüre
Bücher, Kinderbücher
Themenplakate
erstellen
Im Gegensatz zur Unterstufe stellen die Materialien in der Mittelstufe teilweise die Basis der
Unterrichtskonzeption dar und nehmen deswegen einen hohen Stellenwert ein. Bezogen auf die
oben dargestellten Leistungsgruppen innerhalb der „Leser und Schreiber“ zeigt sich, dass sich die
zwei stärksten Gruppen mit Lektüren auseinandersetzen. Für diese und die weitere fortgeschrittene
Gruppe wird Material auf der Satz-, Text- und Wortebene angeboten. Alle weiteren Gruppen
befinden sich noch nicht auf Wortebene. Wir vermuten, dass für diese das Material zum Üben von
Worten, Buchstaben, Ganzwörtern und Silben verwendet wird, wobei wir Materialien zur
Feinmotorik, zu Anlauten und zu Graphemen/Phonemen als Buchstaben-Material zusammenfassen.
Es ist auffällig, dass in allen Klassen Material auf Text- und Satzebene angegeben wurde, obwohl
sich nur in drei der Klassen Gruppen auf diesem Leistungsstand befinden. Eventuell ist uns ein
Fehler bei der Zuteilung der Materialien unterlaufen, oder die Texte bzw. Sätze werden von den
Lehrkräften anders genutzt, wie z. B. zum Training des Hörverständnisses.
Nur in einer der Klassen werden Wahrnehmungsübungen durchgeführt. Möglicherweise wird in den
anderen Klassen das Training der Wahrnehmung, falls es stattfindet, nicht mehr dem
Schriftspracherwerb zugeordnet.
113
4.4.2.3 Unterrichtsziele
Lesen versus Schreiben
Die Aussagen der Lehrkräfte bezogen auf ihre Zielsetzung beim Lesen und Schreiben haben wir in
vier Kategorien eingeteilt. Für einige Lehrkräfte ist Lesen wichtiger als Schreiben, während für
andere beides gleich wichtig ist. In einigen Klassen wird mit dem Lesen bzw. dem Schreiben
begonnen und anschließend beides gleichwertig unterrichtet.
Die Lehrkräfte haben sich, mit einer Ausnahme, bei dieser Frage auf alle Schüler ihrer Klasse
bezogen. Eine Lehrkraft unterscheidet in Bezug auf die Zielsetzung zwischen den leistungsstärkeren
und -schwächeren Schülern, so dass diese Klasse in zwei Kategorien auftaucht und wir insgesamt
19 Aussagen haben.
Anzahl der
Aussagen
Gruppen
Begründungen
1x
Unterstufe
Beides gleich
wichtig
Schreiben: Briefe verfassen,
2x
Mittelstufe
(1x nur
stärkere
Gruppe)
1x Vorstufe
7x
Unterstufe
Lesen: sinnentnehmendes Lesen, durch Lesen wird
Schreiben gefördert
Für leistungsstärkere Schüler der Mittelstufe
Erst mal
Lesen, dann
sowohl Lesen
als auch
Schreiben
Lesen geht erstmal besser/ hat Vorrang wegen
Orientierung im Alltag, aber Zusammenschleifen ist
schwierig
Schreiben ist schwieriger wegen der motorischen
Leistung, erfordert sehr viel Übung, Schüler erlernen
schneller Lesen, bevor sie selbst schreiben können,
Schreiben kommt zeit verzögert: Schwerpunkt liegt
deshalb auf Kommunikation und Freude daran, 2x
Schreiben trainiert das Lesen,
2x Wichtig: eigenen Namen schreiben, Adresse
schreiben
durch Lesen kommt Interesse für das Schreiben,
Ziel: Selbstständigkeit
2x Vorstufe
1x
Unterstufe
Erst mal
Schreiben,
dann sowohl
Schreiben als
Schreiben muss mehr geübt werden,
Lesen ist schwierig wegen dem Zusammenschleifen
114
auch Lesen
2x
Unterstufe
Lesen ist
wichtiger
3x
Mittelstufe
(1x nur
schwächere
Gruppe)
Lesen: 2 x ist Lebensnäher, wichtig zur Orientierung/
Kommunikation,
Schreiben: wird nie nutzbar, freies Schreiben ist fast
unmöglich, motorisch schwierig (möglicherweise mit
PC) Schreiben wird trotzdem gefördert, 2x ist nicht
lebensnah/ alltagsrelevant, das Anspruchslevel ist zu
hoch,
Wichtig: Eigenen Namen schreiben
„Nicht- schreiben zu können ist nicht so stigmatisiert
wie nicht- Lesen zu können“
Für leistungsschwächere Schüler der Mittelstufe
Wir haben uns mit dieser Frage auseinandergesetzt, da die Zielsetzung des einzelnen Lehrers
Auswirkungen auf den Unterricht bzw. die jeweilige Unterrichtskonzeption hat. Betrachtet man alle
Stufen im Vergleich, dann wird sichtbar, dass sie unterschiedliche Schwerpunkte bezogen auf das
Lesen und Schreiben setzen.
In zwei der drei Vorstufen legen die Lehrkräfte zunächst mehr Wert auf das Schreiben, wobei sie
später beide Kulturtechniken als gleichwertig ansehen. Das Zusammenschleifen beim Lesen sehen
sie als schwierig an, aber sie legen sehr viel Wert auf das Schreiben des eigenen Namens. Da diese
Kategorie überwiegend von Vorstufenlehrern genannt wird, scheint es sich hierbei um ein
Kennzeichen der Konzeption der Schuleingangsstufe zu handeln.
Betrachtet man die Aussagen der Lehrkräfte der Unterstufe, so fällt auf, dass über die Hälfte
momentan das Lesen als wichtiger einschätzen, später das Lesen und Schreiben als gleich wichtig
ansehen. Im Gegensatz zur Vorstufe wird hier das Schreiben als schwieriger beschrieben. Auf
Grund seiner motorischen Anforderung braucht es mehr Übung als das Lesen und dadurch mehr
Zeit. In zwei weiteren Unterstufenklassen legen die Lehrkräfte mehr Wert auf das Lesen, da dieses
für die Orientierung im Alltag notwendig ist. Insgesamt sehen sie das Schreiben als weniger
Bedeutsam an, eine Ausnahme bildet das Schreiben des eigenen Namens.
Auch in der Mittelstufe gibt es drei Aussagen von Lehrkräften, die das Lesen als wichtiger ansehen.
Wir möchten eine Aussage dazu hervorheben: „Nicht- Schreiben zu können ist nicht so stigmatisiert
wie nicht- Lesen zu können“. Im Gegensatz dazu sehen zwei Lehrkräfte der Mittelstufe Lesen und
Schreiben als gleich bedeutsam an. Ihrer Meinung nach wird das Lesen durch das Schreiben
115
gefördert und bezogen auf das Schreiben wurde, anders als in den anderen Kategorien eine konkrete
Zielsetzung: „Briefe schreiben“ angegeben.
Grundsätzlich wird das Lesen als wichtiges Ziel betrachtet, da es zur besseren Orientierung in der
Umwelt dient und so die Selbstständigkeit der Schüler fördert. Das Schreiben ist nicht für alle
Lehrkräfte gleich wichtig. Was stärker gefördert wird, hängt von der jeweiligen Schulstufe ab.
Die unterschiedliche Gewichtung des Lesens und Schreibens wird also sowohl von der aktuellen
Zielsetzung der verschiedenen Schulstufen, als auch von der Einstellung der Lehrkräfte zum
Schreiben beeinflusst.
116
5. Fazit
Insgesamt sind wir mit dem Verlauf unserer Untersuchung und den daraus entnehmbaren
Ergebnissen sehr zufrieden. Besonders der persönliche Kontakt zu den Lehrkräften und die oft sehr
netten Interviews haben uns viel Freude bereitet. Die Ergebnisse unserer Untersuchung ermöglichen
uns zunächst eine Darstellung der Bedingungen des Schriftspracherwerbsunterrichts auf
verschiedenen Ebenen. Insgesamt mussten wir feststellen, dass in den von uns untersuchten Schulen
die Schrift- bzw. Bücherkultur nicht sehr ausgeprägt ist. Es gibt oft kaum oder keine außerunterrichtlichen Angebote zur Schriftsprache, kaum Schulbüchereien und ein geringes Angebot an
AGs. Diese Tatsache bemängeln wir, da wir es als Teil des Schriftspracherwerbs ansehen, dass sich
die Schüler auch außerhalb des Unterrichts mit der Schriftsprache auseinandersetzen.
Weiter zeigte sich, dass es in den meisten Schulen – außer in den Unterstufen - kein einheitliches
Schulkonzept gibt. Dies macht die Planung des Unterrichts sehr stark von der Kompetenz der
Lehrkraft abhängig. Da viele Kollegen fachfremd unterrichten steigt ihre Belastung durch das
Fehlen eines einheitlichen Konzeptes noch zusätzlich.
Die Effektivität des Unterrichts wird aber auch durch weitere Faktoren beeinflusst, wie
beispielsweise durch die Anzahl der Blöcke Deutschunterricht pro Woche. In den von uns
untersuchten Klassen variiert diese jedoch stark. In einigen der untersuchten Klassen mussten wir
leider feststellen, dass die für den Deutschunterricht eingeplante Zeit als zu gering zu betrachten ist.
Im Durchschnitt der untersuchten Klassen werden drei Blöcke pro Woche unterrichtet, was unserer
Vermutung nach hinter dem zeitlichen Raum den der Deutschunterricht an Grundschulen einnimmt
zurückbleibt.
Positive Auswirkung auf den Unterricht konnten wir bei der räumlichen Situation in den Klassen
feststellen, weil durch diese in der Regel ein weiterer Raum zur Differenzierung zur Verfügung
steht. Auch der durchschnittlich gute Betreuungsschlüssel und die gute Versorgung mit
Pflegekräften tragen dazu bei, dass die Lehrkräfte offenbar genügend Zeit für den Unterricht haben
auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler eingehen können.
Da wir davon ausgehen, dass die von der Lehrkraft formulierten Ziele, einerseits ihre Kompetenz
widerspiegeln und andererseits die Förderung des Schülers festlegen, interessierten uns die in den
Interviews angegebenen Zielsetzungen besonders. Diese wurden jedoch von den Lehrkräften
oftmals gar nicht angegeben oder nur ungenau formuliert. Besonders auffällig war in diesem
117
Zusammenhang, dass die Ziele für schwächere Unterstufenschüler deutlich ungenauer formuliert
wurden, als für die übrigen Schülergruppen. Das könnte damit erklärt werden, dass die Lehrkräfte
in der Förderung der leistungsstärkeren Schüler kompetenter sind und deshalb die Zielsetzung und
Förderung der Schüler besser im Blick behalten können. Ist also ein Ergebnis dieser Arbeit die
Kompetenzdiskrepanz der Lehrkräfte zwischen dem Schriftspracherwerb leistungsstarker und
leistungsschwacher
Schülergruppen?
Obwohl
die
auffälligen
Unterschiede
in
den
Zielformulierungen dafür sprechen ist dies hier und mit unserem Material nicht abschließend
festzustellen und bedürfte einer eingehenden, weiteren Untersuchung.
Des weiteren stellt sich uns allerdings die Frage, wie genau die Ziele formuliert werden sollen.
Kann man bei einzelnen Schülern schon in der Unterstufe das Erlernen der alphabetischen Schrift
ausschließen, oder sollte man die Förderung mit möglichst vielen Angeboten auf allen Ebenen
durchführen? Hier macht u. a. der erweiterte Lese- und Schreibbegriff Sinn, welcher dazu beiträgt,
auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Schülers einzugehen.
Insgesamt ist vielen Lehrkräften das Lesen aufgrund seiner Alltagsrelevanz wichtiger als das
Schreiben.
Doch
sollte
die
Zielsetzung
im
Deutschunterricht
an
Schulen
mit
dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung nicht sowohl das Lesen, als auch das Schreiben
umfassen, anstatt diese auf den lebenspraktischen Gebrauch zu reduzieren? Lesen und auch
Schreiben hat dem lebenspraktischen Aspekt auch kulturell eine große Bedeutung. Hier besteht
unserer Meinung nach die Gefahr, dass die Schüler nicht ihren Möglichkeiten entsprechend
gefördert werden, sondern dass von der Behinderung ausgegangen wird, diese in den Mittelpunkt
gestellt und sie so aufrecht gehalten wird. Allen Schülern sollten im Deutschunterricht möglichst
viele Lernangebote gemacht werden und die Ziele sollten so formuliert werden, dass sie das
Potenzial der Schüler ausbauen und nicht von vorne herein in Frage stellen.
Ein weiterer wichtiger Teil der Unterrichtsgestaltung ist der Umgang mit der Heterogenität der
Schüler. In allen Klassen werden die Schüler zunächst in möglichst leistungshomogene
Lerngruppen unterteilt. Innerhalb dieser variiert die Arbeitsform nur wenig, es wird bevorzugt
Einzelarbeit durchgeführt. Bei einer solchen homogenen Lernsituation steht die Leistung der
Schüler im Vordergrund, der soziale Aspekt des Lernens wird jedoch benachteiligt. Es sollte unserer
Meinung nach ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Arbeitsformen hergestellt werden, so
dass die Zusammenarbeit der Schüler untereinander gefördert wird.
Die Unterrichtskonzeptionen fast aller Klassen des ersten Schulbesuchsjahres haben gemeinsam,
dass noch nicht mit dem eigentlichen Leselehrgang begonnen wird. Sie unterscheiden sich jedoch in
118
den trainierten Vorläuferfähigkeiten zum Schriftspracherwerb und somit in den angebotenen
Materialien.
Hier
zeigt
sich
ein
großer
Unterschied
zum
Deutschunterricht
an
der
allgemeinbildenden Grundschule, wo bereits ab der ersten Klasse der Schriftspracherwerb auf Basis
von Graphem- Phonem- Verbindungen stattfindet.
Ab dem zweiten Schulbesuchsjahr werden die Schüler in verschiedene Leistungsgruppen unterteilt,
die nach unterschiedlichen Konzeptionen unterrichtet werden. Auf der einen Seite gibt es
Schülergruppen, die sich mit Bildern und Ganzwörtern auseinandersetzen, andere Schülergruppen
beschäftigen sich hingegen mit Buchstaben. Für die Gruppe der „Bilder-Ganzwort-Leser“ finden
sich verschiedene Materialien. Diese erstrecken sich über die Bereiche: Wahrnehmungsförderung,
Feinmotorik, Bilder, Symbole, Ganzwörter und Talker. Da in den Interviews der Schwerpunkt der
Lehrkräfte auf den Schülergruppen liegt, die sich mit Buchstaben auseinandersetzen, können wir für
die Schüler, die sich mit Bildern und Ganzwörtern beschäftigen, keine eigene Unterrichtskonzeption
herausarbeiten. Es stellt sich die Frage, warum dies so ist. Haben die Lehrer überhaupt eine
Konzeption für die Schüler auf Bilder- und Ganzwortebene? Offensichtlich liegt das
Hauptaugenmerk auch bei Lehrkräften, die in Förderschulen unterrichten, auf dem „wirklichen“
Lesen und Schreiben im engeren Sinne.
Im Folgenden setzen uns mit den Konzeptionen für den Lese- und Rechtschreiberwerb auseinander.
Ein wesentliches Merkmal für die Unterrichtskonzeptionen sind die Leselehrgänge. Hier gibt es
spezifische Lehrgänge für die Förderschule. Wie wir in der Untersuchung festgestellt haben, wird in
der Unterrichtspraxis überwiegend der Lehrgang „Momel“ benutzt. Dieser arbeitet - wie andere
aktuelle Fibeln der Grundschule auch - methodenintegriert, d. h. er verbindet sowohl synthetische
als auch analytische Verfahren und führt die einzelnen Buchstaben in einem sinnvollen Ganzen ein.
Zusätzlich beinhaltet „Momel“ aber auch Lautgebärden und motivierende Elemente. Andere
Lehrgänge, wie „Lesenlernen mit Hand und Fuß“ und „Lesen mit Lo“ sind schon älter und werden
in vielen Klassen lediglich als Zusatzmaterial verwendet. In der Mittelstufe werden seltener
einheitliche Lehrgänge angeboten, hier finden sich eher individuelle Konzeptionen der Lehrkräfte.
Zusätzlich zu den Lehrgängen werden in jeder Klasse jedoch vielfältige Materialien angeboten. Der
Leselehrgang selbst bildet in der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung - im
Gegensatz zur Grundschule - nur eine Grundlage, der den Unterricht strukturiert. Zum Festigen und
Üben der Unterrichtsinhalte werden viele Zusatzmaterialien angewendet. Hier finden sich
Materialien zu allen Bereichen des Schriftspracherwerbs wie beispielsweise Laute/Buchstaben,
Silben oder Wörter. Man sieht, dass das Material in der Unterrichtskonzeption einen hohen
Stellenwert einnimmt. Daraus ist abzuleiten, dass der Unterricht an Schulen mit dem
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung sich im Gegensatz zur Grundschule nicht so stark am
119
Tempo des Leselehrgangs, sondern stärker an den individuellen Bedürfnissen der Schüler orientiert.
Insgesamt konnten wir ein sehr vielseitiges und in vielen Bereichen durchaus positives Bild des
Schriftspracherwerbs an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung gewinnen.
Allerdings ist uns auch bewusst geworden, dass für viele Lehrkräfte beim Schriftspracherwerb die
lebenspraktischen Ziele im Mittelpunkt stehen.
120
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