Stärkung der Stadt- und Metropol regionen im deutsch

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Stärkung der Stadt- und Metropol regionen im deutsch
MORO-Informationen 8/1
Stärkung der Stadtund Metropol­
regionen im
deutsch-polnischen
Grenzgebiet
Eine MORO-Initiative
Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), betreut vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und
Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
Stärkung der Stadt- und Metropolregionen
Motor für die
Entwicklung
des deutsch­
polnischen
Grenzgebiets
Während man von Berlin mindestens
stündlich per Bahn nach Hannover fah­
ren kann, gibt es in die entgegengesetzte
Richtung, nach Poznań, nur drei durch­
gehende Zugpaare am Tag. Die Züge von
Berlin nach Hannover sind rund einein­
halb Stunden unterwegs, für die ähnliche
Entfernung nach Poznań benötigt man
fast drei Stunden. Dabei ist die Strecke als
Bestandteil des europäischen Korridors
Berlin – Warszawa – Moskwa die am
besten ausgebaute Verbindung zwischen
Deutschland und Polen.
Die wichtigen Städte und Metropol­
regionen im deutsch-polnischen Grenz­
gebiet sind noch unzureichend per Bahn
miteinander verbunden. Doch gute Ver­
kehrsverbindungen sind ein entscheiden­
der Faktor für die nachhaltige Entwick­
lung der Region, um die dort vorhande­
nen Potenziale besser zu nutzen und zur
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bei­
zutragen. Hier setzt das MORO-Projekt
zur Stärkung der Stadt- und Metropolre­
gionen an. Es zielt auf bessere Erreichbar­
keiten – vor allem mit der Bahn – im
deutsch-polnischen Grenzgebiet. Es fragt
danach, welche Möglichkeiten es gibt, die
vorhandene und neu entstehende Infra­
struktur besser zu nutzen:
• Wie lassen sich Fahrtzeiten verkürzen
und Taktzeiten verbessern?
• Wie kann das Umsteigen erleichtert
werden?
• Wo können Zubringerdienste mit
Bussen besser an die Fahrtzeiten der
Bahn angepasst werden?
• Wie lässt sich der Service verbessern,
damit sich die Fahrgäste im jeweils
anderen Land leichter orientieren
können?
• Wie können vorhandene, aber nicht
ausreichend genutzte attraktive Bahn­
angebote besser vermarktet werden?
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Analyse der Schwachstellen
Die Bahn hat bei grenzüberschreitenden Reisen zwischen Deutschland und
Polen nur einen vergleichsweise geringen Stellenwert. Lange Fahrtzeiten,
geringe Taktfrequenzen, ungünstige Umsteigeverbindungen und fehlende
fremdsprachige Informationen sind Ursachen dafür, dass die meisten Reisen­
den lieber den Pkw nutzen. Dabei zeigt der Regionalexpress zwischen Dres­
den und Wrocław, dass mit neuen und attraktiven Angeboten auch zusätzli­
che Fahrgäste zu gewinnen sind. Bessere Verbindungen zwischen den Stadtund Metropolregionen tragen dazu bei, dass sich die Menschen beiderseits
von Oder und Neisse näher kommen und sie sind eine entscheidende Voraus­
setzung für die wirtschaftliche Entwicklung des gesamten Grenzgebiets.
In den kommenden Jahren wird es
zusätzliche Herausforderungen geben.
Die Öffnung der Grenzen nach Polens
Beitritt zum Schengen-Abkommen
sorgte bereits für mehr Verkehr zwi­
schen beiden Ländern. Die Öffnung des
deutschen Arbeitsmarkts für Ar­
beitskräfte aus den neuen EU-Ländern
ab 2011 wird zu mehr Pendlern im
deutsch-polnischen Grenzgebiet füh­
ren. Der neue Großflughafen Berlin
Brandenburg International wird ab
Herbst 2011 wie ein Magnet bis in weite
Teile Westpolens hinein wirken. Und
schließlich dürfte die Fußball-EM 2012,
die unter anderem in den westpolni­
schen Städten Poznań und Wrocław
ausgetragen wird, einen starken Zu­
strom von Fans aus Deutschland zur
Folge haben. Nicht zuletzt unter dem
Aspekt des Klimaschutzes müssen Lö­
sungen gefunden werden, wie zumin­
dest ein Teil der wachsenden Verkehrs­
ströme auf die Schiene geleitet werden
kann.
Experten aus beiden Ländern
sitzen an einem Tisch
Ein Ziel des MORO-Projektes ist es,
die zahlreichen bereits vorhandenen
Ideen und Vorschläge aufzuarbeiten, auf
ihre Umsetzbarkeit zu prüfen und daraus
konkrete Handlungsempfehlungen zu
entwickeln. Zu diesem Zweck kommen
Experten aus den Verwaltungen der vier
grenznahen Wojewodschaften und Bun­
desländer, aus den in der Region tätigen
Schienenverkehrsunternehmen und Ver­
kehrsverbünden sowie von Seiten der
Ministerien in Deutschland und Polen an
einen Tisch. In bislang zwei Fachgesprä­
chen in Berlin und Szczecin wurden aus­
gehend von den gemeinsam benannten
Schwachstellen bereits konkrete Vor­
schläge für Verbesserungen entwickelt.
Diese sollen im weiteren Verfahren auf
ihre Umsetzbarkeit überprüft werden.
Das MORO-Projekt ist vernetzt
mit anderen deutsch-polnischen Initia­
tiven, insbesondere mit der Oder-Part­
nerschaft der acht grenznahen Bundes­
länder und Wojewodschaften. Auf dem
letzten Gipfel der Oder-Partnerschaft,
der im Januar 2010 in Potsdam statt­
fand, standen die Verbesserungen der
Verkehrsverbindungen im Mittelpunkt
der Gespräche. Bis zum nächsten Tref­
fen im Herbst sollen konkrete Vorschlä­
ge erarbeitet werden. Der Diskussions­
prozess im Rahmen des MORO-Pro­
jektes kann hierfür wertvolle Anregun­
gen liefern.
In den bisherigen Diskussionen wur­
den zahlreiche Probleme im Bahnverkehr
aufgelistet:
• Zum Teil mehrfache Wechsel der
Triebfahrzeuge an der Grenze verlän­
gern die Fahrtzeiten.
• Viele Umsteigeverbindungen sind
durch lange Wartezeiten unattraktiv.
• Busse und Bahnen sind oft unzurei­
chend aufeinander abgestimmt.
• Häufig fehlt es an Informationen über
Anschlussverbindungen, die auch für
ausländische Nutzer verständlich
sind.
• Tarife sind oft nicht aneinander ange­
passt; so sind auf einigen grenzüber­
schreitenden Strecken keine durchge­
henden Fahrkarten nutzbar.
• Für polnische Fahrgäste sind die Tari­
fe in Deutschland teilweise zu hoch,
weshalb sie preiswertere Busse bevor­
zugen.
• Günstige Angebote sind noch zu
wenig bekannt, z.B. das Branden­
burg-Berlin-Ticket, mit dem fünf
Personen für 27 Euro von Berlin nach
MORO-Informationen 8/1 - 03/2010
Analyse der Schwachstellen
Stärkung der Stadt- und Metropolregionen
Auf den einzelnen Strecken wurden
Defizite in unterschiedlichen Bereichen
ermittelt. So ist eine Fahrt zwischen den
beiden größten Städten im Norden,
Szczecin und Rostock, nur mit Umstei­
gen möglich, die Fahrzeit von 3:30 h ist –
verglichen mit der Fahrt über die Auto­
bahn A 20 – zu
Bahnstrecken im deutsch-polnischen Grenzgebiet
lang. Zwischen Lü­
beck und Szczecin
gibt es eine Verbin­
dung im Zwei­
Stunden-Takt, die
Fahrzeit ist mit
4:45 h im Vergleich
zum Pkw zu lang.
Zwischen Berlin
und Szczecin gibt
es zahlreiche Bahn­
verbindungen, in
der Regel ist aber
ein Umsteigen in
Angermünde er–
forderlich und mit
zwei Stunden ist
auch hier die Fahrt­
zeit nicht gerade
konkurrenzfähig.
Die Reisezeiten
von Berlin über
Frankfurt (Oder) und Poznań nach schwindigkeiten bis 160 km/h ausgelegt
Warszawa sind mit der Bahn im Ver­ sein. Auf deutscher Seite fehlen der Aus­
gleich zum Pkw günstiger, allerdings gibt bau und die Elektrifizierung der Strecke
es bislang nur drei durchgehende Zug­ Für eine schnellere Fahrt wären ohne
paare des Berlin-Warszawa-Express. Die Streckenausbau spezielle Fahrzeuge er­
Fahrzeiten sind für die Fahrgäste aus forderlich. Sehr schlecht angebunden ist
Poznań ungünstig, da es von dort keine das polnische Riesengebirge. Hier gibt es
Tagesrandverbindung nach Berlin gibt. regionale Initiativen, die Bahnverbindun­
Es fehlen auf dieser Strecke außerdem gen ab Görlitz zu verbessern, um die tou­
Verbindungen nach Zielona Góra.
ristisch attraktive Region besser mit dem
Zwischen den beiden größten Städten deutschen Grenzgebiet zu verknüpfen.
Die meisten Verbindungen gibt es
im Grenzgebiet, Berlin und Wrocław,
gibt es nur eine durchgehende Verbin­ zwischen dem deutschen und polnischen
dung mit einer Fahrzeit von fast sechs Teil der Insel Usedom. Die Usedomer
Stunden, die im Vergleich zum Pkw nicht Bäderbahn fährt hier im Stundentakt, im
konkurrenzfähig ist. Besser sieht es zwi­ Sommer halbstündig nach Świnoujście.
schen Dresden und Wrocław aus, wo im Von Berlin nach Kostrzyn verkehrt die
letztem Jahr eine durchgehende Regio- Oderlandbahn stündlich, allerdings nicht
nalexpress-Verbindung mit täglich drei vom Berliner Stadtzentrum, sondern ab
Zugpaaren eingerichtet wurde. Die Fahr­ Berlin-Lichtenberg. Auf der anderen
zeit beträgt derzeit 3:30 h. Auf polnischer Seite fehlt die direkte Anbindung von
Seite wird die Strecke in Kürze auf Ge- Gorzów Wielkopolski.
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Szczecin und in umgekehrte Rich­
tung fahren und in beiden Städten
den Nahverkehr nutzen können.
• Unterschiedliche Zugsicherungs- und
Stromsysteme und unterschiedliche
Anforderungen für die Zulassung von
Fahrzeugen erschweren es, neue und
schnellere Angebote auf die Schiene
zu bringen.
• Die Zahl der Verbindungen im grenz­
überschreitenden Fernverkehr zwi­
schen Deutschland und Polen ging
seit Mitte der 1970er Jahre schrittwei­
se zurück – von ehemals 16 Verbin­
dungen 1972 auf heute noch sechs.
Eine Folge der genannten Schwach­
stellen ist die geringe Bedeutung der
Bahn im grenzüberschreitenden Ver­
kehr. Schon generell hat die Bahn in
Deutschland nur einen Anteil von drei
bis vier Prozent am grenzüberschreiten­
den Verkehr, zwischen den Nachbarlän­
dern Deutschland und Polen erreicht sie
gerade einmal zwei Prozent. Die Anteile
des Luft- und Busverkehrs liegen dort
mit drei bzw. acht Prozent darüber, der
Pkw ist mit 87 Prozent das dominieren­
de Verkehrsmittel. Betrachtet man allein
das deutsch-polnische Grenzgebiet, so
wird die Dominanz des Pkw noch
größer. Die Bahn kommt hier auf einen
Anteil von einem Prozent, Busse liegen
bei fünf und Pkw bei 94 Prozent.
Zu lange Fahrtzeiten,
zu wenig Verbindungen
Stärkung der Stadt- und Metropolregionen
MORO-Projekt
will mehr
Verkehr auf
die Schiene
bringen
Die Bahnverbindungen zwischen
Deutschland und Polen entsprechen oft
nicht den Hauptachsen zwischen den
Metropolregionen, sondern sind sehr
stark an nationalen und bahntechnischen
Gegebenheiten orientiert. So enden zahl­
reiche grenzüberschreitende Verbindun­
gen bislang in kleineren Eisenbahnknoten
wie Angermünde, Kostrzyn oder Rzepin,
die nicht den Zielorten der Reisenden
entsprechen. Das dadurch erforderliche
Umsteigen auf zumeist nicht sehr kom­
fortabel ausgestatteten Bahnhöfen stellt
für die Fahrgäste eine erhebliche Hürde
dar, insbesondere wenn sie der jeweiligen
Landessprache nicht mächtig sind.
Die dichtesten Zugangebote gibt es
bisher auf eher regional bedeutsamen
Strecken wie Stralsund – Świnoujście
oder Berlin – Kostrzyn und nicht zwi­
schen den großen Zentren der Region.
Daher gilt es, diese vorhandenen regio­
nalen Verbindungen mit schnellen
Direktverbindungen zwischen den Zen­
tren des Grenzgebietes zu ergänzen, da
hier die größten Verkehrspotenziale lie­
gen. Im bisherigen Diskussionsprozess
des MORO-Projektes wurden bereits
einige konkrete Überlegungen für ver­
schiedene Korridore entwickelt. Sie sol­
len nun konkretisiert und auf ihre
Umsetzung überprüft werden.
Überlegungen für den Korridor
Berlin – Szczecin (– Gdańsk)
Zwischen Berlin und Szczecin gibt es
vergleichsweise viele Bahnverbindungen.
Auch die Tarife sind attraktiv und liegen
häufig sogar unter den vermeintlich gün­
stigeren Angeboten von Minibussen. Das
gilt insbesondere für das BrandenburgBerlin-Ticket, das für fünf Personen
auch im InterCity und im Nahverkehr
von Berlin und Szczecin gilt. Dennoch
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Lösungsansätze für einzelne Korridore
Aktuelle Erfahrungen zeigen, dass bei einem verbesserten Bahnangebot auch
die Nachfrage steigt. So hat nach Angaben der Deutschen Bahn der im März
2009 eingeführte Regionalexpress von Dresden nach Wrocław die Erwartun­
gen hinsichtlich der Auslastung bisher mehr als erfüllt. Im ersten Jahr nutz­
ten 46.000 Fahrgäste die Verbindung. Im Jahr 2008, als man noch in Görlitz
umsteigen musste und die Fahrt entsprechend länger dauerte, waren auf die­
ser Strecke nur 12.000 Menschen mit der Bahn unterwegs. Auch für andere
Korridore wurden bereits Überlegungen entwickelt, wie die Bahnverbindun­
gen attraktiver werden können. Sie sollen jetzt konkretisiert und auf ihre
Umsetzbarkeit überprüft werden.
Zugzahlen Personenverkehr 2010
ist die Zahl der
Korridore im nördlichen Grenzgebiet ilośc pociągów pazazerskich 2010
Fahrgäste mit we­
> 1 Mio.
niger als 500 am
> 500.000
> 100.000
Tag vergleichswei­
> 50.000
> 20.000
se niedrig. Das
< 20.000
Zugpaare / 24h
liegt einerseits an
Pary pociągów/24h
0-4
den vergleichswei­
5-8
9 - 16
se langen Fahrtzei­
16 - 32
> 32
ten von ca. zwei
Stunden, vor allem
aber an dem für die
Reisenden unattra­
tiven Umsteigen in
Angermünde.
Ein Grund für
die fehlenden Di­
rektverbindungen und die langen Fahrt­ ge Umsteigen die Fahrpläne in den Kno­
zeiten ist die Elektrifizierungslücke zwi­ tenbahnhöfen aufeinander abgestimmt
schen Passow und Szczecin. Der Ausbau und durchgehende Fahrkarten angeboten
und die Elektrifizierung dieses Ab­ werden. Weiterhin können kombinierte
schnitts sind zwar im Bundesverkehrs­ Angebote für Unterkunft und Anreise
wegeplan enthalten, jedoch gibt für die die Bahnverbindung aufwerten.
Realisierung noch keinen Zeitplan.
Ab Herbst 2010 wird das Angebot
Kurzfristig sollten aber auch ohne eine auf der Strecke durch ein neues ECElektrifizierung mehr Direktverbindun­ Zugpaar von Praha über Dresden und
gen zwischen Berlin und Szczecin und Berlin nach Szczecin ergänzt. Notwen­
eine Fahrtzeit von weniger als zwei dig wäre darüber hinaus ein verbessertes
Stunden möglich sein. Einzelne Verbin­ Marketing, um preisgünstige Angebote
dungen sollten über Szczecin hinaus zur wie das Brandenburg-Berlin-Ticket und
polnischen Ostseeküste führen. Bereits die Sparpreise der Deutschen Bahn
für dieses Jahr bereiten DB Regio und bekannter zu machen. Mittelfristig ist
PKP eine neue Direktverbindung von ein Ausbau der Strecke erforderlich, um
Berlin in das Ostseebad Kołobrzeg vor.
dort eine Fahrtzeit von unter 90 Minu­
Einen Ansatz für kurzfristig realisier­ ten zu erreichen.
bare Direktverbindungen bilden die der­
zeit in Szczecin endenden Fernverkehrs­ Überlegungen für den Korridor
züge aus Gdańsk. Einzelne Züge in Berlin – Poznań (Zielona Góra)
Tagesrandlage könnten über Szczecin
hinaus bis Berlin weiterfahren. Dieses
Der meistgenutzte Grenzübergang
Angebot würde nicht nur Berlin mit der Eisenbahn zwischen Deutschland
Szczecin und dem künftigen EM-Spielort und Polen ist die Oderbrücke bei Frank­
Gdańsk verbinden, sondern auch mit furt (Oder) mit rund 1.000 Reisenden
Ostseebädern wie Darłowo, Ustka und pro Tag. Die Potenziale auf diesem
Łęba. Um die Erreichbarkeit dieser Bade­ bedeutenden internationalen Korridor
orte zu erleichtern, müssten für das nöti- zwischen Berlin, Poznań und Warszawa
MORO-Informationen 8/1 - 03/2010
Lösungsansätze für einzelne Korridore
sind aber noch deutlich höher. Wenn
auch die Infrastruktur beiderseits der
Oder in den vergangenen Jahren ausge­
baut wurde, blieb das Zugangebot seit
Mitte der 1990er Jahre nahezu unverän­
dert. Der Korridor ist insofern ein Bei­
spiel dafür, dass Infrastrukturausbau
und Angebotsentwicklung im deutsch­
polnischen Grenzgebiet noch besser
koordiniert werden können.
Weil die Abfahrtzeiten bislang vor
allem für Reisende aus Polen ungünstig
sind, plant die Wojewodschaft Wielko­
polska bereits seit einiger Zeit eine neue
Tagesrandverbindung von Poznań nach
Berlin. Sie soll es Geschäftsreisenden
aus Poznań ermöglichen, morgens nach
Berlin zu fahren und abends zurück zu
kommen, soll aber auch für junge Leute
und Touristen attraktiv sein. Gerade aus
polnischer Sicht ist der Preis ein entschei­
dendes Kriterium für die Akzeptanz.
Deshalb strebt man maximal 15 Euro pro
Strecke an, was noch unter den günstig­
sten Preisen im Berlin-WarszawaExpress liegt. Um eine Fahrtzeit von
rund drei Stunden zu erreichen, sollen
Loks eingesetzt werden, die für beide
Systeme zugelassen sind, um den Lok­
wechsel an der Grenze zu vermeiden.
Wünschenswert sind darüber hinaus
weitere Zusteigemöglichkeiten in ande­
ren Städten in Wielkopolska und
Lubuskie. Wichtige Hürden für diese
zusätzliche Regionalverbindung wur­
den bereits genommen. Mittelfristig ist
das Zugangebot zwischen diesen beiden
bedeutenden Zentren so zu erweitern,
dass flexiblere Reisen über den gesam­
ten Tageszeitraum möglich sind.
Weitere Überlegungen zielen darauf
ab, die Anschlüsse am Knoten Rzepin in
Richtung Zielona Góra zu optimieren
und eine Direktverbindung von Berlin
über Frankfurt (Oder) und Rzepin nach
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Stärkung der Stadt- und Metropolregionen
Zielona Góra zu schaffen. Da eine
Erneuerung der Eisenbahninfrastruktur
zwischen Rzepin und Zielona Góra der­
zeit noch nicht terminiert ist, sind die
Fahrzeiten zwischen Frankfurt (Oder)
und Zielona Góra bis auf weiteres sehr
lang. Daher könnten kurzfristig Busan­
schlüsse vom Bahnhof Świebodzin nach
Zielona Góra das Angebot auf der Schie­
ne ergänzen. Um diese Umsteigeverbin­
dungen attraktiv zu gestalten, sind die
Anschlüsse zu sichern und durchgehende
Fahrkarten anzubieten.
Überlegungen für den Korridor
Dresden – Wrocław
Seit März 2009 gibt es wieder direkte
Züge auf der Strecke Dresden –
Wrocław. Der Regionalexpress der Linie
100 verkehrt dreimal täglich in dreiein­
halb Stunden zwischen den beiden Städ­
ten. Zuvor musste man in Görlitz
umsteigen, die Reisezeiten betrugen
rund fünf Stunden. Die neue und schnel­
lere Direktverbindung ermöglicht auch
Tagesausflüge zwischen beiden Städten.
Gleichzeitig mit den neuen Verbindun­
gen wurden attraktive Tarife wie das
Dresden-Wrocław-Spezial eingeführt.
Das neue Angebot wird von den Fahrgä­
sten sehr gut angenommen. So konnten
bereits im ersten Jahr die Fahrgastzahlen
von vormals 12.000 auf 46.000 gesteigert
werden, obwohl in der Zwischenzeit die
durchgehende Autobahn fertig gestellt
wurde.
Das neue Angebot ist ein guter
Anfang, um die Bahnverbindungen auf
diesem europäischen Korridor attrakti­
ver zu gestalten. Ein nächster Schritt
wäre es, das Zugangebot zu erhöhen und
in den nachfragestarken Abschnitten
(insbesondere zwischen Wrocław und
Legnica) mehr Sitzplätze anzubieten. Bis
Mitte 2011 sollen die Bauarbeiten auf
dem polnischen Abschnitt abgeschlos­
sen werden, womit sich die Fahrzeit
zwischen Dresden und Wrocław auf
rund drei Stunden verringern wird. Mit­
telfristig sind komfortablere Fahrzeuge
einzusetzen, die den unterschiedlichen
technischen Anforderungen auf polni­
scher und deutscher Seite gerecht wer­
den, und Ziele über Dresden und
Wrocław hinaus in das Angebot einzu­
binden. Für einen effizienten Mittelein­
satz sind hier der noch fehlende Strek­
kenausbau auf deutscher Seite und der
Fahrzeugeinsatz auf der gesamten
Strecke aus einer Hand zu planen.
Vertreter polnischer Gemeinden aus
dem Riesengebirge und Glatzer Berg­
land setzen sich zudem für eine direkte
Schienenverbindung von Dresden über
Görlitz nach Jelenia Góra und weiter
über Wałbrzych nach Kłodzko ein.
Damit soll diese touristisch attraktive
Korridor Berlin – Poznań (Zielona Góra)
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Stärkung der Stadt- und Metropolregionen
Lösungsansätze für einzelne Korridore
Überlegungen für den Korridor
Lübeck/Rostock – Szczecin
Zugzahlen Personenverkehr 2010
ilośc pociągów pazazerskich 2010
>1 Mio.
>500.000
>100.000
> 50.000
> 20.000
< 20.000
Zugpaare / 24h
Pary pociągów/24h
0-4
5-8
9 - 16
16 - 32
> 32
Korridor Dresden – Wrocław ( Jelenia Góra – Wałbrzych)
Region mit zahlreichen bekannten Kur­
orten für Gäste aus Deutschland besser
erreichbar werden. Denkbar hierfür ist
ein Abzweig von der bestehenden Ver­
bindung in Görlitz über Lubań nach
Jelena Góra. Die Fahrzeit zwischen
Dresden und Jelenia Góra läge wegen
der teilweise schlechten Infrastruktur
zwar bei knapp drei Stunden, was jedoch
schon deutlich schneller als heute und
nur unwesentlich länger als mit dem
Pkw wäre. Nach Beseitigung der beste­
henden Langsamfahrstellen ließe sich die
Fahrzeit um rund 30 Minuten, bei
durchgehender Streckenmodernisierung
sogar auf unter zwei Stunden verkürzen.
Überlegungen für den Korridor
Berlin – Kostrzyn – Gorzów Wlkp.
Auf der Strecke von Berlin nach
Kostrzyn gibt es bereits heute einen
dichten Verkehr mit der Oderlandbahn
im Stundentakt. In den kommenden
Jahren wird die Strecke auf deutscher
wie polnischer Seite für Geschwindig­
keiten bis 120 km/h ausgebaut. Eine
Besonderheit der auch Ostbahn ge­
nannten Strecke ist die „Interessenge­
meinschaft Eisenbahn Berlin-Gorzów
IGOB“, in der sich Gebietskörper­
6
schaften, Institutionen und Einzelper­
sonen entlang der Strecke zusammenge­
schlossen haben, die den Ausbau und
die Vermarktung der Eisenbahnverbin­
dung aktiv unterstützen. Für die Ver­
bindungen zwischen Berlin und Gor­
zów Wielkopolski werden durchgehen­
de Fahrscheine angeboten, die auch im
öffentlichen Nahverkehr der beiden
Städte gültig sind.
Ab Juni 2010 soll ein neuer Schie­
nenbus von Kostrzyn über Gorzów
nach Poznań verkehren. Eine zusätzli­
che Abendverbindung soll Fahrgästen,
die mit den Zügen der Oderlandbahn
aus Richtung Berlin nach Kostrzyn
kommen, die Weiterfahrt nach Wielko­
polska und den Anschluss an den
Nachtzug nach Warszawa ermöglichen.
Nächste Schritte zu attraktiveren
Verbindungen sind durchgehende Fahr­
ten zwischen Berlin und Gorzów. Hier­
für sind allerdings die eingesetzten Fahr­
zeuge über den Grenzabschnitt hinaus
für das Nachbarland zuzulassen, was bis­
her noch nicht erreicht werden konnte.
Darüber hinaus könnten einzelne Fahr­
ten über Gorzów hinaus führen, z.B.
nach Toruń. Mittelfristig sind in Berlin
die Fahrten über Berlin-Lichtenberg hin­
aus ins Stadtzentrum zu verlängern.
Die vergleichsweise langen Fahrt­
zeiten zwischen den wichtigen Städten
im Norden ließen sich durch optimierte
Anschlüsse im Knotenbahnhof Pase­
walk verkürzen – u.a. für Rostock,
Stralsund und Greifswald. Diesem Ziel
dient auch die geplante Modernisierung
der Strecke Lübeck – Szczecin für
Geschwindigkeiten bis 120 km/h. Das
Umsteigen in Pasewalk ist qualitativ
durch eine Anschlusssicherung und
mehrsprachige Ansagen aufzuwerten.
Überlegungen für den Korridor
Berlin – Wrocław (– Kraków)
Um die Verbindung zwischen die­
sen beiden größten Städten im deutsch­
polnischen Grenzgebiet auf der Schiene
zu verbessern, gibt es bereits zahlreiche
politische Initiativen. Insbesondere das
Projekt ViaRegia hat diesen Korridor
zum Schwerpunkt. Um Doppelarbeiten
zu vermeiden, wird das MORO-Vorha­
ben bezüglich der Verbindung Berlin –
Wrocław vor allem die Ergebnisse aus
dem ViaRegia- und anderen Projekten
in die Diskussion einfließen lassen.
Für den Korridor gibt es unter­
schiedliche Entwicklungsoptionen mit
verschiedenen Streckenverläufen über
Poznań, Zielona Góra, Cottbus – Żary
oder Horka/Görlitz. Bei allen mögli­
chen Varianten sind die Fahrzeiten der­
zeit sehr lange, werden sich aber durch
laufende Modernisierungsmaßnahmen
in Polen und Deutschland in den kom­
menden Jahren deutlich verkürzen. Für
diese neue Infrastruktur sind dann ent­
sprechende Angebots- und Fahrzeug­
konzepte mit stufenweisen Verbesse­
rungen zu entwickeln.
MORO-Informationen 8/1 - 03/2010
Programm der 1. Regionalkonferenz Programm der
1. Regional­
konferenz in
Słubice
Stärkung der Stadt- und Metropolregionen
Nach den beiden Fachgesprächen mit Experten aus den Verwaltungen der
grenznahen Länder und Wojewodschaften sowie von Verkehrsverbünden
und Bahnunternehmen sollen die ersten Ergebnisse des MORO-Projektes in
Słubice einem größeren Kreis von politisch Verantwortlichen, Vertretern aus
Verwaltungen und Verbänden, aus Wirtschaft und Tourismus sowie den
Medien vorgestellt und diskutiert werden. Die Ergebnisse der Diskussion sol­
len in die weitere Projektarbeit einfließen. Nach weiteren Gesprächen im
Expertenkreis sollen auf einer zweiten Regionalkonferenz Anfang September
2010 die konkreten Ergebnisse des MORO-Projektes präsentiert werden.
Programm der Regionalkonferenz
11.30 Uhr: Einlass
12.00 Uhr: Eröffnung der 1. Regionalkonferenz, Klaus Klöppel, team red Deutschland GmbH
12.05 Uhr: Informationen zum MORO-Projekt, Jens Kurnol, Projektleiter BBSR
12.15 Uhr: Anforderungen an die Entwicklung des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs im Korridor Berlin –
Frankfurt/Oder – Poznań (Zielona Góra)
Tomasz Hałas, Vize-Marschall der Wojewodschaft Lubuskie
Detlef Höppe, Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg
Dr. Jürgen Murach, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Berlin
Jerzy Kriger, Direktor des Departements für Transport, Marschallamt der Wojewodschaft Wielkopolskie
13.00 Uhr: Entwicklungsoptionen zur Verbesserung des Schienenverkehrs im deutsch-polnischen Grenzgebiet,
insbesondere auf den Korridoren Berlin – Szczecin, Berlin – Poznań und Dresden – Wrocław. Analysen
und Ergebnisse der bisherigen Fachgespräche im Projekt, Torsten Perner, ETC Transport Consultants GmbH
13.20 Uhr: Nachfragen und Diskussion
13.45 Uhr: Mittagspause im Foyer und Pressegespräch
14.30 Uhr: Anforderungen an die Entwicklung des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs aus Sicht der Nutzer
Robert Radzimanowski, IHK Ostbrandenburg, Frankfurt (Oder)
Stanisław Owczarek, Direktor Westliche Industrie- und Handelskammer, Gorzów Wielkopolski
Jan Wawrzyniak, Direktor des Polnischen Fremdenverkehrsamtes in Deutschland
Filip Bebenow, Verein Mobilny Poznań
Matthias Gibtner, Interessengemeinschaft Eisenbahn, Nahverkehr und Fahrgastbelange Berlin e.V. (IGEB)
15.15 Uhr: Initiativen zur Verbesserung der Verkehrsverbindungen im deutsch-polnischen Grenzgebiet. Statements
von Vertretern aus verschiedenen Regionen und von beteiligten Schienenverkehrsunternehmen
• Erfahrungen mit der Verlängerung der Usedomer Bäderbahn (UBB) nach Świnoujście
Jörgen Boße, Geschäftsführer der Usedomer Bäderbahn (UBB)
Andrzej Szczodry, stellvertretender Stadtpräsident Świnoujście
• Entwicklung der Ostbahn (Berlin – Gorzów – Piła) zur europäischen Modellkorridorregion
Urszula Stolarska, stellvertretende Stadtpräsidentin Gorzów Wielkopolski
Karl-Heinz Boßan, Geschäftsführer IGOB Interessengemeinschaft Ostbahn EWIV • Erfahrungen mit der neuen Bahnverbindung Dresden – Wrocław; Möglichkeiten des Ausbaus und eines
Abzweigs von Görlitz ins Iser- und Riesengebirge und ins Glatzer Bergland
Christoph Mehnert, Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien GmbH (ZVON)
Dr. Maciej Zathey, Niederschlesisches Wojewodschaftsbüro für Urbanistik, Wrocław
Dr. Markus Löw, DB Regio AG
16.15 Uhr: Nachfragen und Diskussion
16.45 Uhr: Zusammenfassung der Diskussion, Dr. Katharina Erdmenger, Referatsleiterin im BMVBS
17.00 Uhr: Abschluss der Konferenz
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Impressum
Stärkung der Stadt- und Metropolregionen
Herausgeber
Gestaltung und Satz
Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung
(BMVBS), Berlin
team red Deutschland GmbH,
Berlin
Druck
Wissenschaftliche Begleitung
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und
Raumforschung (BBSR) im Bundes­
amt für Bauwesen und Raumord­
nung (BBR), Bonn
Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung, Bonn
Bestellungen
[email protected]
Bearbeitung
Nachdruck und Vervielfältigung
ETC Transport Consultants
GmbH, Berlin
Torsten Perner (Leitung)
Ingolf Berger
Alle Rechte vorbehalten.
Nachdruck nur mit genauer
Quellenangabe gestattet.
Bitte senden Sie uns zwei
Belegexemplare zu.
team red Deutschland
GmbH, Berlin
Klaus Klöppel
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und
Raumforschung (BBSR), Bonn
Jens Kurnol
ISSN 1614-8908
S.
Weitere Informationen:
www.bbsr.bund.de
Mustertext