POKONFERENCYJNE niem

Transcrição

POKONFERENCYJNE niem
II Deutsch-Polnische Konferenz
Unser Grenzgebiet
- zwischen Vision und Praxis.
Konferenzmaterialien
Szczecin 2010
1
Begrüßung ................................................................................................................ 4
Piotr Krzystek, Präsident der Stadt Szczecin ................................................................ 4
Dr. Völker Böhning, Landrat des Landkreises Uecker-Randow ................................... 6
Leitreferate ............................................................................................................... 8
Transformation des Humankapitals und Arbeitsmarktes in Szczecin sowie
in den Grenzgebiet – demografische Wechsel, Bildungsniveau der Einwohner,
Wirtschaftsaktivitäten der Einwohner, Einkommensquellen der Einwohner, Janusz
Szewczuk, Direktor des Vereins für Wirtschaftsentwicklung der Gemeinden ............. 8
Perspektiven der regionalen Entwicklung für die Planungsregion Vorpommern,
Dr. Carola Schmidt, Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern,
Greifswald .................................................................................................................... 11
1. Diskussionblock: Wirtschaft/Bildung – Arbeitsmarkt und Berufsbildung
nach 2011 ............................................................................................................... 15
Zusammenarbeit im Bildungsbereich als Beitrag zur Überwindung der Sprachund interkulturellen Barrieren, Kinga Hartmann-Wóycicka – Sächsische Bildungsagentur Chemnitz ........................................................................................................ 15
Grenzüberschreitende berufliche Fortbildung der Lehrer als eine Chance
für die Erfüllung der gemeinsamen Bildungspolitik, Agnieszka Gruszczyńska,
Piotr Lachowicz, Westpommersches Zentrum für Lehrerweiterbildung .................... 16
Berufszertifizierung - Ekkehard Kammer, Ministerialrat im Ministerium für Bildung,
Wissenschaft und Kultur von Mecklenburg-Vorpommern ......................................... 18
Anerkennung und Vergleichbarkeit- Stand der Erarbeitung des Deutschen
Qualifikationsrahmens, Ellen Grull, IHK Neubrandenburg ......................................... 18
Der deutsche Arbeitsmarkt in der Grenzregion Westpommern - Mecklenburg
-Vorpommern, Christian Justa, Arbeitsagentur Pasewalk .......................................... 20
Gegenwärtige Erwartungen der Arbeitgeber an den Arbeitsmarkt
– Ergebnisse der Umfrage des Wojewodschaft Arbeitsamtes, Paweł Nowak,
das Wojewodschaft Arbeitsamt in Szczecin .............................................................. 21
Berufsausbildung und Arbeitsmarkt, Andrzej Zych, Westpommersches Zentrum
für Lehrerweiterbildung ............................................................................................... 22
2. Diskussionsblock: Good Governance – Vernetzung als eine wirksame
Methode der Zusammenarbeit .............................................................................. 27
Dr. Martin Niedermeyer, Leiter des Referats Grenzüberschreitende Zusammenarbeit SaarLorLux, Abteilung Europa, Interregionale Zusammenarbeit ............. 27
Grenzüberschreitende, sozioökonomische Untersuchungen am Beispiel
der Zusammenarbeit von Fachinstituten im Rahmen der Interregionalen
Arbeitsmarktbeobachtungstelle der Großregion (IBA), Dr. Lothar Kuntz,
Koordinator der IBA, INFO INSTITUT Saarbrücken ................................................... 32
2
Verbesserung der territorialen Kohäsion eines grenzüberschreitenden Gebiets
durch ein Kooperationsnetzwerk im Bereich der Raumplanung – Karl-Heinz
Hoffmann-Bohner, Verbandsdirektor im Regionalverband Hochrhein-Bodensee .... 34
Bildung von integrierten Banken von statistischen Daten am Beispiel
der Netzwerkkooperation von Statistischen Ämtern, Karl Schneider, Leiter
der Wirtschaftsstatistiken, Referent für Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen,
Umweltstatistiken, Saar-Lor-Lux-Koordination im Statistischen Landesamt
von Saarland ................................................................................................................ 36
Beispiele der Netzwerkkooperationen im Entwicklungs- und Handlungskonzept
der Euroregion Pomerania, Peter Heise, Geschäftsführer der Kommunalgemeinschaft Europaregion POMERANIA e.V ........................................................... 37
Regionaler Think-Tank – proactive Regionalentwicklungspolitik, Paweł Warszycki,
Wiss. Mitarbeiter, Koordinator der Internationalen Projekte, Hanseatic Institute
for Entrepreneurship and Regional Development at the University of Rostock ........ 39
3. Diskussionsblock: Kultur - Europäische Kulturhauptstadt als Integrationsund entwicklungsförderndes Faktor für das Grenzgebiet ................................... 42
Fallstudie: Europäische Kulturhauptstadt - Luxembourg 2007, Dunia Sinno,
Regionalkoordinatorin für grenzüberschreitende Kulturprojekte,
Kulturministerium Luxemburg ..................................................................................... 42
Integration der Kultur- und Kunsteinrichtungen in die grenzüberschreitende
Kooperation, Uschi Macher, Leiterin des Referats Internationales und
EU-Angelegenheiten im Ministerium für Bildung, Familie, Frauen und
Kultur von Saarland ..................................................................................................... 44
Diagnose der Situation im Kulturbereich in Szczecin – Notwendigkeit
der Erweiterung von Untersuchungen auf das Grenzgebiet, Dr. Marek Gorzko,
Institut für Soziologie, Universität Szczecin ............................................................... .46
Präsentation des Konzeptes zur Einbeziehung der Institutionen und
Organisationen vom Grenzgebiet in das Projekt Europäische Kulturhauptstadt 2016, Wojciech Kłosowski, Berater für Strategiefragen EKH 2016 ................... 48
Schlussfolgerungen von den Diskussionsblöcken .............................................. 51
Abschluss der Konferenz .......................................................................................... 60
Dennis Gutgesell, 1. Stellvertreter des Landrates von Uecker Randow .................... 60
Piotr Krzystek, Präsident der Stadt Szczecin .............................................................. 61
Programm der Konferenz ...................................................................................... 62
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Begrüßung, Konferenzeröffnung
Piotr Krzystek, Präsident der Stadt Szczecin
Guten Tag meine Damen und Herren. Ich möchte zunächst alle begrüßen,
die zu dieser Konferenz gekommen sind: Vertreter der Kommunalbehörden auf
lokaler und regionaler Ebene, Vertreter der Regierungsbehörden auf polnischer
und deutscher Seite, Vertreter aller Institutionen, die grenzüberschreitend auf
beiden Seiten der Grenze zusammenarbeiten. All diejenigen, die an der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit interessiert sind und vor allem die zu dieser
Konferenz geladenen Vertreter anderer Grenzregionen, deren Erfahrungen wir
kennenlernen wollen.
Meine Damen und Herren, die Grenzregion ist ein einheitlicher allerdings ein
komplexer Organismus. Diese Feststellung ist für die Einen selbstverständlich,
für Andere mag sie überraschend oder nur hypothetisch sein, jedoch bringt sie
konkrete Schlussfolgerungen mit sich. Die Komplexität dieser Grenzregion, dieser nächst gelegenen, im weitesten Sinne benachbarten und in der Reichweite
Szczecins stehenden Region, die wir selber als ein Gebiet, das in einer Stunde
Entfernung vom Stadtzentrum in allen Richtungen liegt, definieren, wird durch
vier deutsche Kreise zweier Bundesländer: Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, vier polnische Kreise: Policki, Goleniowski, Stargardzki und Gryfiński,
sowie durch Szczecin selbst bedingt. Ihre Beschränkung besteht darin, dass die
Wirklichkeit der Grenzregion, ihre Bereiche, Erscheinungen, Bedingungen, Prozesse und Herausforderungen, nahezu alle Lebensbereiche und Aktivitäten ihrer
Einwohner, die Politiken und die Verantwortlichkeit unterschiedlicher Behörden,
einen grenzüberschreitenden Charakter haben und gleichzeitig ein besonderes
System verbundener Gefäße bilden. Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Bildung und
Entwicklungschancen für Jugendliche, Tourismus, Sport und Freizeit, Umweltbedingungen und Raumplanung, Kultur, Transport und Verkehr, demografische
Erscheinungen und Migrationen, soziale Probleme, Sicherheit, Information und
Öffentlichkeitsarbeit bedingen sich gegenseitig und wirken direkt aufeinander.
Hinzu kommt, dass es sich dabei um einen dynamischen Organismus handelt,
der sich in ständiger Bewegung befindet, verändert und entwickelt. Zum Teil ist
es eine eigenständige, lebhafte, objektive Dynamik, zum Teil ist es das Resultat
des politischen Handelns von Behörden. Was schließen wir daraus? Wir sollten
erstens alle Bestandteile dieses Organismus erfassen. Wir sollten zweitens ihren
gegenseitigen Einfluss und Abhängigkeit untersuchen und schließlich verstehen. Wir sollten drittens alle Tendenzen, Impulse und Faktoren, die Veränderungen in der Grenzregion bedingen, sowie die Richtungen dieser Veränderungen,
identifizieren. Wir sollten viertens objektive und subjektive Missstände, Barrieren,
Bremsfaktoren, Entwicklungshürden für die Region und die nachbarschaftliche
Zusammenarbeit identifizieren. Wir sollten fünftens unser Handeln, Politik und
unsere Zusammenarbeit auf dieser Grundlage ausrichten. Wir sollten sechstens
überlegen, inwieweit die Instrumente und Methoden unserer Zusammenarbeit
effektiv, ausreichend und funktionsfähig hinsichtlich der vereinbarten und erwünschten Prioritäten, Ziele und Projekte sind.
Die Wirklichkeit der Grenzregion, in der die Mehrheit der Bereiche der geführten oder gewünschten Zusammenarbeit die Grenzen der Verwaltungshoheit, der
Branchenzugehörigkeit und der Berufsstände überschreitet, unterschiedliche
Kreise zusammenführt oder auch jene Kreise betrifft, die an dieser Zusammenar-
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beit nicht teilnehmen, bewirkt, dass ihre gewünschte Effektivität, unserer Meinung nach, durch interdisziplinäre Maßnahmenplanung und Koordination sichergestellt werden muss. Diese Maßnahmen erfordern eine enge Koordination
von unterschiedlichen Behörden, Institutionen, Programmen, Sozialpartnern und
Nichtregierungsorganisationen. Diese Zusammenarbeit soll zum Aufbau von interdisziplinären Kooperations- und Kontaktnetzwerken führen, die den sich verändernden Wahlergebnissen oder personellen Veränderungen nicht unterliegen.
Dieses Handlungsprinzip könnte, in einem größeren Maße wie bisher, die Kontinuität und die allmähliche Verbesserung unserer Projekte sicherstellen, was bereits einen Wert an sich darstellt. Es scheint auch, dass für uns immer noch eine
der größten Herausforderungen die Mentalitätsbarriere ist, die uns die Sicht auf
die Grenzregion, seine Wirklichkeit, Prozesse, Erscheinungen sowie unsere
Nachbarn und soziale Gemeinschaften in ihrer gesamten Komplexität erschwert.
Hinzu kommen noch die Barriere der beiderseitigen Unkenntnis und die lästige
Sprachbarriere. Es lohnt sich folgende Frage zu stellen: stellt uns die uns zur
Verfügung stehende Infrastruktur im Bereich der Analyse, des Expertenwissens,
der Schulungen, der Bildung, der intellektuellen Ressourcen, die der Grenzregion und der Zusammenarbeit ihrer Einwohner dienen soll, zufrieden? Ist sie in
der Lage den Herausforderungen einer Grenzregion zu begegnen? Trägt sie zur
beiderseitigen Annäherung der Polen und der Deutschen bei? Erleichtert und
fördert sie das gemeinsame Verständnis, die Verständigung und die Kreativität?
Schließlich bleibt die Frage offen, die wir uns letztes Jahr gestellt haben: welche
Erwartungen, Hoffnungen, Aufgaben verbinden wir mit Szczecin, in welcher Rolle sehen wir die Stadt mit dem größten grenzüberschreitenden Potential? Ohne
Zweifel brauchen wir einander.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, dass Sie unserer Einladung
gefolgt sind. Unsere Konferenz vereinigt bereits zum zweiten Male so zahlreich
erschienene Vertreter unterschiedlicher Fachgebiete, dass wir ohne zu übertreiben von einem „Grenzlandgipfel“ sprechen können. Ich freue mich, dass Sie
uns besuchen und mit uns arbeiten wollen, um zur Stärkung unserer nachbarlichen Zusammenarbeit beizutragen. Ich freue mich auch, dass es Gäste von außerhalb der Region gibt.
Ich wünsche Ihnen, uns allen, fruchtbare Gespräche und ein erfolgreiches
Treffen.
Ich danke Ihnen.
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Dr. Völker Böhning, Landrat des Landkreises Uecker-Randow
Meine sehr verehrten Damen Und Herren,
Ich freue mich, mit Ihnen heute gemeinsam hier in Szczecin die zweite
Deutsch-Polnische Konferenz: „Unser Grenzgebiet. Zwischen Vision und Praxis“
eröffnen zu können. Lassen Sie mich vorausschicken, dass überall auf der Welt
so auch beiderseits unserer gemeinsamen Grenze Menschen mit Visionen von
Ihren Zeitgenossen oft oder häufig kritisch betrachtet werden. Trotzdem und gerade deshalb sind Vordenker unerlässlich, wenn es um die Gestaltung und weitere Entwicklung unserer gemeinsamen Lebensgrundlagen geht. Noch vor wenigen Jahren hätten sich die meisten Zeitgenossen nicht träumen lassen, dass die
Republik Polen und die geeinte Bundesrepublik Deutschland sich Seite an Seite
als demokratische Staaten in der NATO wiederfinden. Es ist ebenfalls nicht lange her, da erschien es, dass der Beitritt der Republik Polen zur Europäischen
Union und zum Abkommen von Schengen noch ein weiter Weg sei. Diese heute
gemeinsam erreichten Ziele wurden zunächst als Visionen betrachtet. Wie groß
der gestalterische Einfluss guter gemeinschaftlicher und grenzüberschreitender
Arbeit sein kann, zeigt die Tatsache, dass viele Visionen zunächst in die planerische Praxis und damit in die Wirklichkeit überführt worden sind. Aus diesem
Grunde gefällt mir auch der Titel unserer heutigen Veranstaltung.
Meine sehr geehrte Damen und Herren, auch wir Polen und Deutsche, die wir
in unmittelbarer Grenznähe leben, haben maßgeblich und nach Kräften zu diesen Erfolgen beigetragen. Seit Jahren arbeiten wir unterstützt durch Förder- und
Entwicklungsgesellschaft, durch die Pomerania und viele weitere polnische und
deutsche Partner daran, dass die Region beiderseits der Grenze zusammenwächst. Den Anfang bildeten erfolgreiche Einzelprojekte, wie das Deutsch-polnische Gymnasium in Löcknitz, die Suche-Biete-Börse, Kooperationen von deutschen und polnischen Firmen, zahlreiche Sport- und Kulturveranstaltungen sowie die Werbung im Großraum Stettin für Wohnungen in Deutschland. Was als
Benzin- und Zigaretten-Tourismus begann, stellt sich heute erfreulicherweise als
seriöse und zunehmend tragfähige grenzüberschreitende Zusammenarbeit dar.
Zum Glück gibt es mittlerweile viele Menschen, deren Interessen für das Nachbarland weit über einen schnellen Einkauf hinausgehen. Es existieren zahlreiche
Projekte und Partnerschaften zwischen polnischen und deutschen Institutionen,
Firmen und Interessengruppen. Der Beitritt der Republik Polen zur Europäischen
Union und zum Abkommen von Schengen hat es ermöglicht, dass wir die Grenze heutzutage spürbar durchlässiger gestalten können. Diesen Prozess wollen
wir fortsetzten und auch die gemeinsame verbindende Verkehrsinfrastruktur
ausbauen. Dazu zählen nicht zuletzt Straßen und Wegverbindungen, um in naher Zukunft die gemeinsame Grenze noch leichter passierbar zu machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle diese Aufgaben und Chancen
haben wir in jüngster Vergangenheit auf beiden Seiten der Grenze als solche begriffen und auch genutzt. Polnische Firmen haben sich in Deutschland angesiedelt, Bürgerinnen und Bürger der Republik Polen wohnen im Landkreis UeckerRandow und zahlreiche polnische Ärzte verstärken die Teams in unseren Krankenhäusern. Polnische und deutsche Bauern treffen sich und tauschen konkrete
Erfahrungen zur modernen Landwirtschaft aus. Und wir treffen uns beliebig,
nicht nur um gute Nachbarschaft zu pflegen. Wir bewerben uns gemeinsam bei
EU-Programmen, arbeiten bei der Bildung unserer Kinder am Deutsch-Polnischen Gymnasium in Löcknitz zusammen und bringen gemeinsame Projekte für
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Wirtschaft, Tourismus und Kultur auf den Weg. Insbesondere zur Stadt Szczecin
und zu unserem Partnerlandkreis Police, mit denen wir seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeiten, haben wir ein gutes Verhältnis. Das freut mich persönlich und erfüllt mich mit Stolz. Gerade in dieser Woche werden wir zum III.
Grenzüberschreitenden Wirtschaftsforum in Police erneut gemeinsam die Stärken der Grenzregion erörtern und präsentierten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund habe ich
mich über Ihre Einladung zur heutigen Konferenz gefreut und bin ihr auch sehr
gerne gefolgt. Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft die Lebensbedingungen in
unserer gemeinsamen Grenzregion wirtschaftlich, touristisch, kulturell und infrastrukturell weiter verbessern werden. Dies tun wir im Sinne einer grenzüberschreitenden soliden Vernetzung und somit integrierten Regionalentwicklung für
unsere Bürgerinnen und Bürger sowie vor allem für unsere Kinder und deren Zukunft. Lassen Sie uns alle dazu beitragen, unsere Region mit allen uns zu Verfügung stehenden Mitteln zukunftsfähig und lebenswert zu gestalten. Als einen
Schritt auf diesem gemeinsamen Weg wünsche ich der zweiten Deutsch-Polnischen Konferenz „Unser Grenzgebiet. Zwischen Vision und Praxis“ gutes Gelingen und viel Erfolg.
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Leitreferate
Janusz Szewczuk, Direktor des Vereins für Wirtschaftsentwicklung der
Gemeinden – Transformation des Humankapitals und Arbeitsmarktes in
Szczecin sowie in den Grenzgebiet – demografische Wechsel, Bildungsniveau der Einwohner, Wirtschaftsaktivitäten der Einwohner, Einkommensquellen der Einwohner
In meiner Präsentation möchte ich heute gerne zwei Fragestellungen aufgreifen, die in den Panelrunden besprochen werden. Fragestellungen, die heute
auch unsere inoffiziellen Gespräche beschäftigen werden, gleichzeitig möchte
ich Erscheinungen vorstellen, die zur dynamischen Veränderung des Stadtbilds
von Szczecin und der Grenzregion beitragen, damit ersichtlich wird, was tatsächlich in der gesamten Region geschieht und nicht unbedingt nur jene Prozesse betrifft, die in den einzelnen Teilen der Region ablaufen.
Zu gleicher Zeit, im selben Gebiet beobachten wir unterschiedliche Erscheinungen, von unterschiedlicher Dynamik, von unterschiedlichen Richtungen der
Veränderung, mit unterschiedlichem Potential des Vorkommens dieser Erscheinungen. Das Betrachten des gesamten Gebiets führt zur Betrachtung aller einzelnen Standorte dieses Gebiets.
Ein weiterer Aspekt ist die Frage, was auf unserer Seite der Grenze geschieht, was geschieht auf der anderen Seite der Grenze, welche Prozesse bedingen einander, was für ein Bild des gesamten größeren Gebiets vermitteln sie.
Vor allem möchte ich unterstreichen, dass diese Betrachtung nicht nur auf
wirtschaftliche Aspekte herunter reduziert werden kann. Bei der gesellschaftsökonomischen Betrachtung möchte ich anführen, dass die Hauptdimension
jene Veränderungen darstellen, die im Kulturbereich zu finden sind. Wenn Sie alleine daran denken, wie sich das Konsumverhalten am Markt je nach kulturellen
Veränderungen der Kunden verändert.
Veränderungen von Wertvorstellungen, die dazu führen, dass diese oder jene
Güter nachgefragt, diese oder jene Investitionen vorgenommen werden, haben
einen wesentlichen Einfluss auf die Richtung der wirtschaftlichen Veränderungen. Demografische Veränderungen beeinflussen ebenfalls die Ausrichtung der
Wirtschaftsmechanismen, indem sie die ökonomischen Kräfte auf der Nachfrager- und Anbieterseite am Markt verändern. Im Rahmen der Theorie der Stadtentwicklung wird die Theorie der Ressourcen, also des Kreises immer besser
ausgebildeter, dynamischer Menschen, von den Wissenschaftlern als besonders
signifikant für die Entwicklung betrachtet. Es wird aber auch darüber gesprochen, dass in Wirklichkeit nicht nur intellektuelle Ressourcen für die Wirtschaftsentwicklung maßgeblich seien, sondern dass die Demografie als der Hauptträger für diese Entwicklung, als Maßstab für die Nachfrage, fungiere. Sie bedinge
die in einer bestimmten Region vorzunehmenden Investitionen, das Dienstleistungsangebot und das Warenangebot.
Veränderungen der traditionellen Wirtschaft, wissensgestützte Wirtschaftsentwicklung sind jene Schlüsselbegriffe, die wir sehr oft verwenden und über die wir
eigentlich alle sprechen. Was bedeutet aber dieser Mechanismus für die konkreten Gemeinden, sowohl hier, auf der polnischen, als auch auf der deutschen
Seite? Was bedeutet New Economy nicht in den makroökonomischen Maßstäben, sondern in den Maßstäben lokaler Wirtschaft? Welche Branchen tragen po-
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sitiv zur Einnahmesituation der Unternehmen bei? Welche Branchen bewirken
somit Erhöhung der Steuereinnahmen?
Von den Wirtschaftszweigen Szczecins ist die Hochschulbranche jener
Zweig, der in der letzten Zeit die höchste Zunahme der Zahl der Arbeitsplätze
aufweisen konnte. Diese Tatsache spiegelt das wider, was in Szczecin unter
dem Begriff wissensgestützte Wirtschaft bezeichnet wird. Den zweiten Rang
nahm etwas vollkommen Gegensätzliches ein. Das zweitgrößte Beschäftigungswachstum fiel auf den Sektor der „Objektreinigung“. Nicht unbedingt technologisch fortschrittliche Branchen müssen zu den Wachstumsbranchen gehören.
Branchen aus dem Dienstleistungsbereich können ebenfalls Beschäftigungswachstum aufweisen.
Veränderte Einnahmequellen für die Einwohner. Vor noch nicht langer Zeit
haben polnische Gemeindevorsteher, Bürgermeister, Stadtpräsidenten gesagt,
dass wir Arbeitsplätze brauchen. Heute beginnen wir zu verstehen, dass die
echte Ökonomie nicht nur das ist, was wir durch unsere Arbeit generieren können. Die echte Ökonomie sind auch Einnahmen aus Immobilien, also aus gut
angelegten und dem Konsum entzogene Mittel, die wir gut allokieren können
und die der Markt gut zu kapitalisieren vermag. Können wir in unserer Stadt solche Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Immobilienmarktes schaffen,
dass Mittel, die in Immobilien angelegt, und nicht verkonsumiert werden, eine
stabile Wirtschaftslage und eine Grundlage für die Entwicklung der Menschen,
die am Immobilienmarkt tätig sind, sicherstellen können? Veränderungen am Arbeitsmarkt und seiner Konjunktur stehen in direkter Verbindung mit dem Hauptrhythmus der Konjunkturzyklen. Veränderungen am Immobilienmarkt haben
eine ganz andere Sinuskurve. Deswegen stabilisieren sie auf eine ganz andere
Art die Wirtschaftssituation in der Region. Veränderungen an den Finanzmärkten
erinnern eher an ein Kardiogramm und sind mit hohem Risiko behaftet, ermöglichen andererseits die Finanzierung. Der Arbeitsmarkt ist der Lokalkonjunktur unterzogen. Der Immobilienmarkt ist keine Lokalkonjunktur mehr. Einwohner Szczecins, Pasewalks, Dobras können Immobilien auf anderen Märkten der Welt besitzen.
Wie ist die Lage im Bereich der ökonomischen Bildung in unseren Schulen?
Wer lehrt? Ich spreche nicht über Wirtschaftfächer, die an der Hochschule gelehrt werden. Ich meine eher das Schulfach „Unternehmertum“. Welche Grundlagen ökonomischen Denkens vermitteln wir jungen Menschen, die zwar nicht
Wirtschaftsfächer studieren werden, aber vom Verständnis ökonomischer Prozesse in ihrem Leben geleitet werden?
Die Entwicklung von Metropolengebieten ist ebenfalls ein Punkt, der auf jeden Fall aus Anlass einer solchen Konferenz, wie der heutigen, nicht unberührt
bleiben sollte. Das Metropolengebiet von Wielkopolskie entwickelt sich hervorragend und gehört, vor dem Hintergrund der Urbanistik, zu den am besten entwikkelten Regionen. In diesem Gebiet wird jedoch die zentrale Stadt immer kleiner.
Es schwindet in Poznań nicht nur seine Einwohneranzahl sondern auch sein Potential in diesem Gebiet. Auch wenn es Nominalwachstum gibt, kann es nicht als
echter Träger der Metropolenentwicklung angesehen werden.
Zum Hauptmotiv dieser Konferenz gehört die Untersuchung von Prozessen,
die auf lokaler Ebene stattfinden, aber zunächst einige Aspekte, die von eher
globaler Natur sind. Der Herausgeber des „Forbes“ hat bei einem der Rankings
gesagt, dass das wertvollste Gut dieses Jahrhunderts der Verstand und die
Menschen, die gleichzeitig sehr mobil seien, darstellen. Deswegen sollte beob-
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achtet werden, wohin sie sich begeben. Denn dort, wohin sie gehen, wird bald
eine dynamische Wirtschaftsentwicklung einsetzen und Städte und Regionen,
die es verstehen junge Menschen anzulocken, werden den Wettbewerb um Talente gewinnen. In einer schwierigen Situation sind jene Städte, die darauf vertrauen, dass alle jungen Menschen, die aus der Stadt verzogen sind, vor dem 30
Lebensjahr zurückkehren würden, damit sie sich etablieren und Familien gründen können. Orte, die einmal junge Menschen verloren haben, werden kaum
Chancen haben sich davon wieder zu erholen. Sie können eher mit einem anhaltenden Rückschritt rechnen. Zu den Gewinnern gehören die Orte, die eine
bestimmte kritische Masse erreichen und für Menschen über zwanzig attraktiv
werden. Diese Städte können langfristig einen Vorsprung für die nächsten Zeitperioden erlangen.
Eines der wissenschaftlichen Programme zur Untersuchung von Stadtentwicklung, Demografie und Gesellschaft – das Programm ESPON spricht von einer „dreifachen Zeitbombe“. Sie besteht darin, dass Regionen sehr starken demografischen Veränderungen unterliegen und am stärksten diejenigen Regionen gefährdet sind, die dem Prozess der Entvölkerung unterliegen, wodurch
drei unterschiedliche Wirkungen eintreten: Verminderung der Kinderzahl, Vermehrung älterer Personen und Abwanderung junger Menschen vom Ort. Deswegen müssen wir ständig die demografische Entwicklung und den Bildungsstand der Einwohner unserer Gemeinden beobachten. Heutzutage überträgt
sich der Bildungsstand direkt für das Einkommensniveau.
Die gesellschaftliche und ökonomische Aktivität der Einwohner. Auch auf diesem Gebiet besteht ein sehr großes Missverhältnis unter den Gemeinden. Sehr
unterschiedlich fällt dabei der Aspekt des Zugangs zu der Welt, zu den Märkten
aus. Wir können ihn unterschiedlich messen: durch die Entfernung zu Entwicklungszentren, Flughäfen, Kulturzentren. Wir können ihn aber auch durch die Anzahl der Einwohner mit Breitbandinternetzugang ermitteln.
Einkommenshöhe der Einwohner. Szczecin ist eine Stadt, deren Verhältnis
der Einwohner im arbeitsfähigen Alter hinsichtlich jener im unter arbeitsfähigen
Alter einen maximalen Wert erreicht hat, d.h. die Anzahl der älteren Einwohner
gegenüber den jüngeren Einwohnern ist am größten. Die Situation ist noch nicht
kritisch, aber ihre Analyse im Vergleich zu gesammelten Erfahrungen anderer
Städte zeigt, was im Verlauf der Jahre passieren wird. In dieser Hinsicht sind wir
in einer besseren Situation als Poznań, das seine Einwohner an sein Metropolengebiet verliert. Ein sehr wichtiges Element bei der Beurteilung des Entwicklungspotentials ist die Bildung. Die Ergebnisse einer der besten Schulen in Szczecin, einem Gymnasium, zeigen, dass es ein Angebot für Menschen gibt, die
am Ende zu sehr guten Ergebnissen kommen können. Es ist eine Schule, die
ein enormes Entwicklungspotential bietet, während andere Schulen im selben
Bereich (Pyrzyce) entlassen ihre Schüler mit schlechteren Ergebnissen.
Sehr wichtig ist die Untersuchung der Beziehungen dieser Erscheinungen
untereinander (Einwohnerzahl, Einwohnerzahl im arbeitsfähigen Alter, Aktivität
der Einwohner, Quellen und Einnahmen gegenüber den erreichten Einnahmen
und gezahlten Steuern, aber auch den erreichten Einnahmen gegenüber dem
Konsum-, und Investitionsvermögen). Dies sind heute die Hauptindizes für die
Aufstellung von Förderprogrammen. Das Einkommensniveau der Einwohner bedingt die Dynamik der Entwicklungsprozesse. Wenn wir junge Menschen mit höheren beruflichen Qualifikationen und Einkommen verlieren, dann wird die langfristige Perspektive Szczecins schlechter werden.
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Wir sollten überlegen, inwieweit unsere Strategien auf reellen Kontrollprozessen dessen aufbauen, was auf der Ebene unserer Gemeinden geschieht. Das
schwächste Glied in der Kette bei der Entwicklung unserer Strategien ist das
Monitoring des Umfelds, in dem die Strategien umgesetzt werden. Deswegen
soll das spezielle Monitoringsystem von dem, was sich auf unserer Seite der
Grenze befindet, aber auch von dem, was auf der anderen Seite der Grenze geschieht, die Grundlage für eine öffentliche Debatte sein, die auf harten Daten gestützt wird. Inwieweit können wir, als Fachleute und Beamte das wirkliche Bild
unserer Städte, echte Prozesse sowie ihre langfristigen Auswirkungen und wirkliche Probleme in die öffentliche Debatte hineinbringen.
Die bestehende Schwäche der institutionellen Infrastruktur muss dazu anregen über eine ganz andere Infrastruktur, vor allem vor dem Hintergrund des
Grenzgebiets, nachzudenken. Um gemeinsam über die Entwicklung dieses Gebiets nachzudenken, sollten wir folgende, auf vier Ebenen aufbauende, institutionelle Infrastruktur aufbauen: Informationsplattform, gemeinsame Kulturplattform,
gemeinsame Zugänglichkeit und Dienstleistungsplattform. Ein Teil dieser Projekte wird bereits umgesetzt, ein Teil muss noch initiiert werden.
Dr. Carola Schmidt, Amt für Raumordnung und Landesplanung
Vorpommern, Greifswald – Perspektiven der regionalen Entwicklung für die
Planungsregion Vorpommern
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich danke für die Einladung zu dieser Tagung, für die Gelegenheit, dieser Tagung einen Diskussionsimpuls zu geben und letztlich danke ich Ihnen auch
ganz persönlich für den Anstoß, über Grenzen, Grenzräume und über unseren
gemeinsamen Grenzraum nachzudenken.
Und ich wähle deshalb den persönlichen Weg, um mich dem Thema anzunähern.
Ich bin Jahrgang 1962, in Neubrandenburg – d.h. 70 km von der deutsch-polnischen Grenze entfernt – aufgewachsen, arbeite seit 1993 in Greifswald – von
wo aus es 100 km bis Swinoujście und 150 km bis Szczecin sind. Meine Eltern
stammen aus dem Sudetenland. Ich habe somit keinerlei familiäre Beziehungen
zu Polen und konkret zu Szczecin. Und insofern bin ich wahrscheinlich typisch
für viele Bewohner auf der deutschen Seite des Grenzraumes. Nur jeder Dritte
Einwohner von Mecklenburg-Vorpommern hat hier auch seine Wurzeln.
Zu DDR-Zeiten wurde Polen – und zwar ganz Polen – im Geographieunterricht der 6. Klasse mit 4 Stunden behandelt – was schon wenig war. Der Rahmenplan heutzutage sieht in Klasse 6 für Europa insgesamt 30 Stunden vor –
jede Schulwoche eine Stunde. Und trotz Rahmenplan hängt es wesentlich vom
Lehrer ab, welchen Stoff er wie tiefgründig behandelt. Somit können wir im Idealfall nur von 2 Unterrichtsstunden in Klasse 6 ausgehen, in denen Polen behandelt wird. Und mit großer Wahrscheinlichkeit wird es dann aus didaktischen
Gründen, der Frage, welcher Unterrichtsstoff an welchen Beispielen am besten
vermittelt werden kann, um die naturräumliche Gliederung Polens und um die
Kulturstadt Krakow gehen. Nicht um den deutsch-polnischen Grenzraum und
nicht um Szczecin. Nur eines der in Mecklenburg-Vorpommern gängigen Geographielehrbücher für Klasse 6 enthält ein eigenes Kapitel zu Polen – immerhin
eine Doppelseite. Später besteht noch einmal in Klasse 10 die Möglichkeit, unter
der großen Überschrift „Deutschland in Europa“ auf die deutsch-polnische
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Grenzregion, auf die Euroregion Pomerania einzugehen – aber der Lehrer kann
auch andere Euroregionen als Beispiel wählen. Und er wählt solche Beispiele,
zu denen er Informationen hat, die er kennt.
Warum diese Vorrede? Auch wenn Stettin jahrhundertelang DAS Zentrum in
diesem Teil des Ostseeraumes gewesen ist, auch wenn die Stadt Szczecin fast so
viele Einwohner hat wie die gesamte Planungsregion Vorpommern, • auch wenn
Szczecin so nahe an einer deutschen Grenze liegt, wie keine andere Großstadt
rund um die Bundesrepublik – das Interesse für Stettin ist auf deutscher Seite
nicht per se automatisch vorhanden. Es muss geweckt werden. Und das kann
aus sehr unterschiedlichen Motiven heraus passieren. Wobei für mich persönlich
das Motiv Neugier auf den anderen immer das zugkräftigste Motiv war, mich mit
anderen Regionen zu beschäftigen. Neugier – Lesen und Hören – Sehen und verstehen – weiterfragen. Und gerade deshalb halte ich diese Veranstaltungsreihe
der Stadt Szczecin, die auch der gegenseitigen Information unter uns Nachbarn
dient, für so wichtig. Denn wenn die Neugier auf den jeweils anderen erst einmal
geweckt ist, dann ist schon eine wichtige Hürde genommen. Und – um noch einmal auf einen Punkt von vorhin zurückzukommen – dabei spielen Schulpartnerschaften, Schüler- und Lehreraustausch langfristig eine sehr wichtige Rolle. Nicht
umsonst geht es auf diese Tagung ja auch um die Bereiche Schule und Bildung.
Aber mein Thema ist ein anderes – ein planerisches. Ich komme vom Regionalen Planungsverband Vorpommern, aus der Geschäftsstelle, die ihren Sitz im
Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern in Greifswald hat –
deshalb stehen beide Institutionen auf dem Titelblatt meiner Präsentation.
Der Regionale Planungsverband Vorpommern hat in den zurückliegenden 5
Jahren sein Regionales Raumentwicklungsprogramm erarbeitet. Anfang August
haben wir es zur Genehmigung bei der obersten Landesplanungsbehörde in
Schwerin eingereicht. Und wir hoffen, dass die Rechtsfestsetzung bis zum Jahresende erfolgt. Das Programm entstand in einem demokratischen Prozess, in
einem sehr transparenten Verfahren. Zu diesem Verfahren gehörten auch zwei
mehrmonatige Öffentlichkeitsbeteiligungen. In diesem Zusammenhang haben
wir die jeweiligen Entwürfe auch zweimal in der Wojewodschaft Westpommern –
als unserer Nachbarregion – vorgestellt. Vielleicht war der ein oder andere von
Ihnen auf einer dieser beiden Veranstaltungen hier in Szczecin dabei.
Es ist aus zwei Gründen an dieser Stelle nicht sinnvoll, die Planungsregion im
Detail vorzustellen. Erstens ist es eine Frage der Zeit. Und zweitens gibt es bei
den Räumen rechts und links der Grenze sehr viele Gemeinsamkeiten – erfolgversprechende ebenso wie problembehaftete, naturräumliche Potenziale und
wirtschaftsstrukturelle Probleme. Deshalb will ich an dieser Stelle nur eine Folie
mit wichtigen Zahlen für die Planungsregion Vorpommern präsentieren und Ihnen die jeweiligen Stichworte nennen: Kreise, Fläche, etc.
Zurück zum Programm. Wir haben zur Genehmigung diese beiden Dokumente eingereicht: Das Programm mit einem Textteil und einer Karte im Maßstab
1:100.000 sowie einen Umweltbericht, in dem die Umweltverträglichkeit des Programms nachgewiesen werden musste – und wurde. Alle Unterlagen – den Text
des Regionalen Raumentwicklungsprogramms Vorpommern, die Karte 1:100.000
und den Umweltbericht finden Sie auf der Internetseite des Regionalen Planungsverbandes Vorpommern www.rpv-vorpommern.de => Link: RREP-Entwurf.
Dem Programm vorangestellt wurden insgesamt 17 Leitlinien. Ich habe hier
die Leitlinien in Stichworten zusammengefasst. Aber eigentlich lassen sie sich
noch weiter verallgemeinern: Potenziale nutzen, Stärken stärken, Schwächen
abbauen.
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Aus der Grundkarte 1:100.000 des Raumentwicklungsprogramms habe ich
zur Demonstration einen Ausschnitt mit dem Landkreis Uecker-Randow und damit für unser Grenzgebiet ausgewählt. Die Karte ist schon im Original sehr komplex. Es ist mir klar, dass sie hier im Saal auf der Folie kaum etwas erkennen
können. Allerdings ähneln sich naturgemäß die Inhalte von Regionalplanungskarten, die Darstellungen auch. Darauf vertraue ich jetzt. Ich wollte einfach an
dieser Stelle für die deutsche Seite des Grenzraums, zu dem wir hier heute beraten, die wichtigsten Planungselemente nennen – solche, die für Sie von Interesse sein dürften: Zentrale Orte (rote Quadrate oder Kreise), Verkehrsinfrastruktur.
Unser Regionales Raumentwicklungsprogramm hat insgesamt 8 Kapitel. Ich
habe in dieser Gliederung jene Kapitel und Unterkapitel fett herausgehoben, in
denen es einen konkreten Bezug zur Großstadt Szczecin, zur Wojewodschaft
Westpommern oder zu Polen gibt. Auch hier gehe ich jetzt nicht ins Detail. Die
Aussagen in diesen Kapiteln und Unterkapiteln fasse ich an dieser Stelle zusammen mit den Worten: Potenziale nutzen, Stärken stärken, Schwächen abbauen.
Gemeinsam. Den planerischen Rahmen dafür haben wir mit unserem neuen Regionalen Raumentwicklungsprogramm gesetzt. Nun gilt es ihn mit Leben auszufüllen.
Mein Vorredner hat sich mit der Bevölkerungsentwicklung und dem demographischen Wandel für den polnischen Grenzraum beschäftigt. An dieses Thema möchte ich für die deutsche Seite anknüpfen: Die Gesamtbevölkerung
nimmt zahlenmäßig ab – hier 3 Prognosevarianten für das Land MecklenburgVorpommern.
Es ändert sich die Struktur der Bevölkerung – hier die Alterspyramiden für die
Planungsregion Vorpommern für das Jahr 2000 (Zustand vor 10 Jahren) und als
Prognose die Alterspyramiden für die Jahre 2020 und 2030.
Demographischer Wandel heißt:
• Veränderung der Zusammensetzung der Altersstruktur einer Gesellschaft
• sinkende Geburtenrate
• Zahl der Sterbefälle > Zahl der Geburten
• sinkende Anzahl von Frauen im gebährfähigen Alter
• steigende Lebenserwartung und steigendes Durchschnittsalter
Inzwischen wird immer deutlicher, dass der demographische Wandel Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens hat, niemand kann mehr davor die Augen
verschließen. Neulich wiesen Kulturschaffende darauf hin, dass jede Generation
ihre Musik hat und ihre Musik mitnimmt. Und die Anzahl der Konsumenten bestimmt, welche Musik gespielt wird. Das würde sich auf die Vielfalt auswirken.
Darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Aber da ist wohl was dran. Ich habe
noch nie darüber nachgedacht, warum die Anzahl von Volksmusiksendungen
im Fernsehen ständig zunimmt.
Ich bin Regionalplaner. Und aus dieser Sicht möchte ich nur 3 Bereiche nennen, die für die Regionalentwicklung wichtig sind:
Der demographischen Wandel hat Auswirkungen auf:
• das Wirtschaftssystem /Zahl der Erwerbstätigen, Altersstruktur der Beschäftigten in Unternehmen ó Personalpflege, Fachkräftenachwuchs, Personalgewinnung, Generationswechsel in den Leitungsebenen, Innovations- und
Leistungsfähigkeit der Unternehmen /
• das Sozialsystem /soziale Infrastruktur (Kindereinrichtungen, Schulen,
medizinische und Pflegeeinrichtungen), soziale Sicherungssysteme /
• die Verkehrssysteme / Mobilität der Bevölkerung
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In den beiden Landkreisen Uecker-Randow und Ostvorpommern, den beiden
unmittelbar an die Wojewodschaft angrenzenden Landkreisen hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in den zurückliegenden 1,5
Jahren ein Modellvorhaben durchgeführt, auf das möglicherweise / hoffentlich in
den Workshops eingegangen wird. In diesem Modellvorhaben mit dem Titel
„Demographischer Wandel. Region schafft Zukunft.“ wurde über verschiedene
Einzelprojekte nach Lösungsansätzen zum Umgang mit den Folgen des demographischen Wandels gesucht. In der Modellregion Stettiner Haff wurden 20 Projekte in 5 Handlungsfeldern in Angriff genommen. Im Zusammenhang damit entstand ein Netzwerk bestehend aus > 200 Akteuren.
Abgesehen von den vielen guten Ergebnissen, abgesehen von der Tatsache,
dass ein Beitrag zur Demographiepolitik für alle Ebenen (Bund, Land, Region,
Gemeinde) geleistet wurde – der wichtigste Ansatz und der Erfolg dieses Modellvorhabens bestehen für mich darin, dass der demographische Wandel nicht
mehr länger als unausweichliche Bedrohung verstanden wird, sondern als Aufforderung zum Handeln und als Chance zur Veränderung. Und es ist wie immer
– wenn der Kopf erst einmal frei ist, dann ist schon viel gewonnen. Ich bin mir
jedenfalls ziemlich sicher, dass die Ideen und Initiativen dieses Modellvorhabens
in der Modellregion Stettiner Haff weiterleben werden. Und vielleicht gelingt es ja
auch, sie in andere Teile der Planungsregion Vorpommern weiterzutragen. Und
vielleicht entdecken ja auch Sie Ideen, die Sie weiterverfolgen können.
Und damit schließe ich den Bogen zum Thema dieser Tagung: Unser (gemeinsamer) Grenzraum. Zwischen Vision und Praxis. Es gibt noch viel zu tun.
Packen wir es an. Gemeinsam.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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I Diskussionsblock: Wirtschaft / Bildung
Titel: Arbeitsmarkt und Berufsbildung nach 2011
Leitung: Paweł Bartnik – Büroleiter der Vereinigung Polnischer Gemeinden
der Euroregion Pomerania sowie Gerd Hamm – Fachbereichsleiter Jugend,
Kultur und Bildung im Landkreis Uecker-Randow
Paweł Bartnik: eröffnet die Panelrunde, die der Zusammenarbeit auf der Bildungs- und Wirtschaftsebene gewidmet ist und Problemstellungen vorstellt, die
Gegenstand von Beratungen in den nächsten Tagen sein werden. Aus den wesentlichen Themen hob er Aspekte hervor, die mit der Berufsbildung in Zusammenhang stehen, dabei vor allem die Zertifizierung und die Anerkennung gewonnener Qualifikationen und Kompetenzen, sowie Herausforderungen im Rahmen der Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für polnische Bürger im Mai
2011. In diesem Kontext bleibt die Frage nach der Rolle Szczecins für das
Grenzgebiet offen.
Kinga Hartmann-Wóycicka (Sächsische Bildungsagentur Chemnitz): nach
ihrer Meinung stellen die Sprache und die interkulturellen Kompetenzen einen
wesentlichen Faktor für die Wirtschaftsentwicklung der Grenzregion. Die Vernachlässigung eines dieser Faktoren würde negative Konsequenzen für die wirtschaftliche Situation entsprechender Region haben.
In ihrem Referat stellte sie das Modell der sächsischen Schulbildung vor, das
im südlichen Teil des deutsch-polnischen Grenzgebiets eingeführt worden ist.
Dieses Modell sieht eine enge Zusammenarbeit der Schüler, Lehrer, sowie entsprechender entscheidungstragender Institutionen, die für die Schulbildung zuständig sind, vor. Dies wird hauptsächlich mittels unterschiedlicher gemeinsamer Projekte, die von der Europäischen Union finanziert werden, umgesetzt.
Die Förderung der Sprachkompetenz ist ein wichtiger Faktor für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und für die Kulturförderung im Grenzgebiet.
Das durch Frau Wóycicka vorgestellte Modell geht davon aus, dass der deutschpolnische Arbeitsmarkt zu bilingualen Menschen mit hoher interkultureller Kompetenz „verdammt“ ist. Deswegen soll alles dafür unternommen werden, dass
junge Menschen auf diese Wirklichkeit entsprechend vorbereitet werden. Dabei
soll vor allem die Kenntnis der Nachbarsprache den negativen Trend der Migration der Menschen aus der Grenzregion aufhalten und damit negative Folgen für
die Wirtschaft der Grenzregionen beschränken. Die Durchführung konkreter Projekte sollte dazu führen, den Jugendlichen bewusst zu machen, dass das Grenzgebiet durchaus ein interessanter Ort zum Leben und für die berufliche Entwicklung sein kann.
Das Hauptziel des „sächsischen Modells“ ist die Schaffung langfristiger und
stabiler Strukturen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, sowie die Erarbeitung eines langfristigen Konzepts für den Bildungssektor auf interregionaler
Ebene. Die Langfristigkeit hierbei bedeutet den Zeitraum von mindestens zehn
Jahren. Das sächsische Bildungsmodell wurde 2003 eingeführt und auf die Umsetzung konkreter Projekte gestützt. Bis heute wurden acht Projekte von einem
Gesamtwert von 1 Mio. 300 Tsd. Euro durchgeführt.
Im Rahmen dieser Projekte wurde die Aktivität der Lehrer und Schüler, aber
auch anderer Personen, die für die Schulaufsicht auf verschiedenen Ebenen zuständig sind (z.B. Kuratorien), gestärkt.
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Diese Projekte konzentrierten sich auf Aspekte wie die gemeinsame deutschpolnische Geschichte, Spracherwerb, Erhöhung der interkulturellen Kompetenz
von Lehrern und Schülern, sowie die Organisation unterschiedlicher Kommunikationskurse und Schulungen.
Bei Projekten, die sich auf die historischen Aspekte bezogen, haben Lehrer
und Fachexperten von deutscher und polnischer Seite aus aktiv teilgenommen,
mit dem Ziel den Jugendlichen die schwierige Geschichte Polens und Deutschlands im Zeitraum 1933-1945 näherzubringen. Die Jugendlichen haben den Zugang zur Fachliteratur zum Thema der deutsch-polnischen Beziehungen jener
Zeitperiode erhalten. Es wurde ein deutsch-polnisches Geschichte Lehrbuch unter dem Titel „Geschichte verstehen - Zukunft gestalten. Die deutsch - polnischen Beziehungen in den Jahren 1933-1949“ publiziert. Bei Maßnahmen, die
der Stärkung der Kommunikation gewidmet waren, konnten die sächsischen
Lehrer polnische Sprache in einem Kurs an der Universität Wrocław lernen. Zum
Ende des Kurses hat die Polnische Staatliche Kommission eine Zertifikatprüfung
durchgeführt. Viele Studienreisen nach Polen mit Vorlesungen über polnische
Geschichte, Kultur und deutsch-polnische Beziehungen fanden statt.
Im Rahmen der durchgeführten Maßnahmen wurde in einigen Gymnasien in
der Oberstufe der bilinguale Geographie und Biologie Unterricht eingeführt. Es
wurden auch Projekte zur Stärkung der Kooperation der Schulen im Netzwerk
durchgeführt, wodurch u.a. in Görlitz/Zgorzelec das Kulturfestival der Jugend
veranstaltet werden konnte, im Rahmen dessen Workshops aus den Bereichen
Theater, Tanz und Pantomime angeboten wurden.
Eines der wichtigeren, durchgeführten Vorhaben, im Rahmen des von Frau
Wóycicka besprochenen Modells, war die Veranstaltung eines interkulturellen
Trainings für sächsische Lehrer. Die deutschen Lehrer konnten an einem Polnisch-Sprachkurs teilnehmen, gleichzeitig hatten sie die Möglichkeit verschiedene Aspekte, die mit der Zusammenarbeit mit den polnischen Lehrern in Zusammenhang stehen, zu besprechen.
Als Folge dieser Projekte entstanden zahlreiche zweisprachige Veröffentlichungen, die als Hilfslehrstoff für den Unterricht dienen.
Bezugnehmend auf die Effektivitätssicherung der Zusammenarbeit, hob sie
die Bedeutung der Erarbeitung einer gemeinsamen Maßnahmenstrategie, sowie
konsequenter Umsetzung der geplanten Maßnahmen, hervor.
Projekte, die durch die Sächsische Bildungsagentur im Rahmen des Interreg
III A Programms durchgeführt wurden:
1.) „Aufbau Europas durch Spracherwerb”
2.) „Das Netzwerk Görlitz-Zgorzelec“
3.) „Geschichte verstehen, Zukunft gestalten”
4.) „Deutsch und Polnisch, bitte sehr”.
Im Jahr 2010 wurden in Sachsen weitere Projekte durchgeführt:
- „Zivilcourage. Bürger gegen Diktatur. Niederschlesien und Sachsen in Jahren
1945 – 1989“
- „InterKulturManagement. Kultur Management in den sächsischen und niederschlesischen Schulen“.
Das Amt verantwortlich für Koordination der Projekte hat seinen Sitz in Görlitz. Die Koordinatorin der Projekte ist Frau Kinga Hartmann-Wóycicka.
Kontakt: [email protected]
Agnieszka Gruszczyńska, Piotr Lachowicz (Westpommersches Zentrum
für Lehrerweiterbildung): Als sie das Arbeitsspektrum des Lehrerfortbildungs-
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zentrums von Zachodniopomorskie vorgestellt haben, hoben sie das Jahr 2008
als den Zeitpunkt hervor, der die enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit,
die auf Dialog zwischen den polnischen und deutschen Bildungseinrichtungen
beruht, eingeleitet hat.
Die Hauptrichtung für die Entwicklung der Bildungspolitik des Lehrerfortbildungszentrums ist die Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen aus den Bundesländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Sie umfasst solche
Maßnahmen wie etwa: Lehreraustausch mit Schulen aus Brandenburg (das Zentrum war für die Gewinnung von polnischen Lehrern zuständig, die an einer Teilnahme in diesem Projekt interessiert waren), Organisation von Studienaufenthalten, sowie die Erarbeitung eines grenzüberschreitenden Fortbildungsangebots
für Lehrer. Um diese Ziele erreichen zu können, arbeitet das Zentrum auch mit
kommunalen Behörden und gemeinnützigen Einrichtungen der Grenzregion zusammen.
Zu den Prioritäten des Zentrums im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gehören:
- Erarbeitung gemeinsamer Lehrinhalte, sowie Austausch von Erfahrungen
und von methodischen Lösungsansätzen zwischen den Lehrern aus Polen
und Deutschland;
- Reduzierung und Bekämpfung vorherrschender Vorurteile im Rahmen der
allgemeinen Bildung;
- Erarbeitung von Fortbildungsformen, gestützt auf multikultureller und interkultureller Vorgehensweise, sowie auf sozialer Integration, unter Berücksichtigung der kulturellen Vielfalt und der Gemeinsamkeiten zwischen Polen und
Deutschland.
Die praktische Dimension der Zusammenarbeit zwischen dem Zentrum und
seinen deutschen Partnern wird vor allem durch konkrete Projekte ersichtlich.
Zu diesen gehören:
- Mitwirkung der Zentrumsmitarbeiter im Bezug auf die Ausstellertätigkeit und
die Durchführung von Workshops, die an die in Deutschland arbeitenden
polnischen Lehrer gerichtet sind und im Rahmen der Tage der Fremdsprachen in Potsdam stattfinden und durch das Kolleg für polnische Sprache und
Kultur in Potsdam mit organisiert werden;
- Vorbereitung und Herausgabe einer zweisprachigen Auflage von „Refleksje“
(Reflexionen), der alle 2 Monate erscheinenden Zeitschrift für Bildung von
Zachodniopomorskie, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung,
Wissenschaft und Kultur von Mecklenburg-Vorpommern;
- Ergreifung von Maßnahmen zur Schaffung eines Kooperationsnetzwerks der
Bildungseinrichtungen in der Grenzregion;
Derzeit werden Vorbereitungen zur Veranstaltung von I Deutsch-Polnischen
Konferenz Gender Mainstreaming im Bildungsbereich, sowie zur gemeinsamen
Erarbeitung des Schulungsangebots für polnische Lehrer in Deutschland, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur von
Mecklenburg-Vorpommern, getroffen: Ökologie, Berufsbildung, Förderung der
bürgerlichen Gesellschaft.
Unter den Herausforderungen, die vor der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich der Bildung stehen, wurde die Notwendigkeit der Durchführung von europäischen Programmen unterstrichen, sowie die Überwindung
von Skepsis hinsichtlich der Anwendung unterschiedlicher methodologischer
Ansätze, wie auch die Einführung neuartiger Lösungen, sowie des Konzepts zur
Vereinheitlichung der Bildungspolitik in der Grenzregion. Nicht ohne Bedeutung
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ist auch die Notwendigkeit der Umformulierung des bisherigen Ansatzes der beruflichen Bildung.
In der Zukunft wird sich das Lehrerfortbildungszentrum um die Fortführung
des deutsch-polnischen Publikationsprojekts bemühen und am Aufbau des Euroregionalen Zentrums für Lehrerfortbildung mitwirken. Das letztere hängt mit
der Errichtung einer grenzüberschreitenden Plattform für E-learning, sowie der
Erarbeitung gemeinsamer Standards für Lehrerbildung, der Erarbeitung einer
Lehrmethodik für Fremdsprachen, sowie die Nutzung bestehender Schulungsinfrastruktur für Einführung von Fortbildungsangeboten für Lehrer aus Deutschland und Polen, zusammen.
Ekkehard Kammer, Ministerialrat in Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur von Mecklenburg-Vorpommern: Zunächst hat er die Struktur
der beruflichen Bildung in Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt, um später die
demografischen Herausforderungen anzusprechen, vor denen Mecklenburg
steht. Im Kontext der besprochenen Thematik lenkte er die Aufmerksamkeit darauf, dass demografische Veränderungen sich stark auf den Bildungssektor auswirken werden.
Im Jahre 2002 wurden ca. 72 Tsd. Schüler herangebildet. Es wird prognostiziert, dass in den Jahren 2012/2013 diese Zahl um 30 Tsd. absinken wird. Dieser
Unterschied wir eine wesentliche Bedeutung für die Wirtschaftsentwicklung der
gesamten Region haben. Derzeit wird auf die sog. duale Bildung gesetzt, die
Praxis und Arbeit mit der Ausbildung verbindet. Zu diesem Zweck werden Vollzeitausbildungsformen zu Gunsten der dualen Bildung reduziert. Diese Maßnahmen sind mit der Befürchtung verbunden, dass es an notwendigem Personal auf
dem Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern mangeln könnte.
Es wurde aufgezeigt, dass von den 12 Tsd. möglichen Berufsausbildungsplätzen derzeit nur etwa 6 bis 7 Tsd. besetzt werden können. Laut Herrn Kammer ist dies eine beunruhigende Entwicklung.
In Zusammenhang mit der Zusammenarbeit im Bereich der Berufsbildung,
zeigte er eine interessante europäische Initiative auf, die im Zusammenhang mit
der Schaffung des europäischen Passes steht, der sämtliche Informationen über
die erlangten Abschlüsse und Qualifikationen enthalten wird.
Ellen Grull, Leiterin Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung, IHK zu
Neubrandenburg: stellte den Entwicklungsstand im Rahmen der Umsetzung
des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) und des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) in Deutschland vor.
Eingangs hob sie hervor, dass die Industrie- und Handelskammer, ihren im
Berufsbildungsgesetz vorgeschriebenen Kompetenzen entsprechend, verantwortlich für die Berufsbildung und gleichzeitig für die Anerkennung von erlangten Qualifikationen in den einzelnen Berufssparten ist. Gesetzliche Regelungen
bezüglich der Anerkennung von Abschlüssen, vor allem die Feststellung welche
Abschlüsse den deutschen Abschlüssen gleichgestellt sind, gibt es nach dem
Einigungsvertrag, dem Bundesvertriebenengesetz und nach bilateralen Abkommen mit Frankreich, Österreich und der Schweiz. Mit keinem anderen Staat gibt
es diesbezügliche rechtliche Regelungen.
Derzeit ist ein starker Wettbewerb um Fachkräfte zu beobachten. In diesem
Kontext ist die Qualifizierung des Personals immens wichtig. Ihrer Meinung nach
stünden die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit den demografi-
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schen Entwicklungen und schließlich mit der Sicherstellung eines qualitativ hohen Ausbildungsniveaus, sowie mit der Gewinnung von Personalressourcen.
Globalisierte Arbeitsmärkte erfordern die Transparenz von Bildungsabschlüssen.
Die Europäische Kommission hat einen Europäischen Qualifikationsrahmen
(EQR) vorgeschlagen und zwischenzeitlich verabschiedet. Über Nationale Qualifikationsrahmen (NQR) sollen zukünftig Qualifikationen in ein europaweit einheitliches Raster eingeordnet werden. Der EQR definiert dabei acht Niveaustufen
anhand von Lernergebnissen über sog. Deskriptoren: Kenntnisse (Knowledge),
Fertigkeiten (Skills), Kompetenzen (Comepetences).
Jeder EU-Mitgliedsstaat, der einen Nationalen Qualifikationsrahmen entwikkelt, ordnet seine nationalen Qualifikationen selbst zu.
Hinter dem Qualifikationsrahmen steht der Gedanke, dass erforderliche
Handlungskompetenzen in allen Betrieben Europas weitgehend vergleichbar
sind. Im Mittelpunkt steht, was jemand am Ende eines Lernprozesses tatsächlich
kann; unabhängig davon, in welchem Bildungsgang die Lernergebnisse erworben wurden. Der DQR soll dazu beitragen, das deutsche Qualifikationssystem
transparenter zu machen und Verlässlichkeit, Durchlässigkeit sowie Qualitätssicherung zu unterstützen. Die sich dabei ergebenden Gleichwertigkeiten und Unterschiede von Qualifikationen sollen sichtbarer gemacht werden. Den Akteuren
im Bildungs- und Beschäftigungssystem soll mit dem DQR ein Übersetzungsinstrument an die Hand gegeben werden, um Qualifikationen besser einordnen zu
können. Der DQR soll die Anerkennung von in Deutschland erworbenen Qualifikationen in Europa erleichtern. Die Mobilität von Lernenden und Beschäftigten
innerhalb Europas soll im Sinne bestmöglicher Chancen gefördert werden.
Nach Meinung Frau Grulls wird eine solche Lösung von der Wirtschaft aber nur
dann aufgenommen, wenn eine solche Lösung einen feststellbaren Mehrwert für
alle Anwender besitzt.
Die Mehrzahl der Mitgliedsstaaten hat mit der Umsetzung Nationaler Qualifikationsrahmen begonnen.
Aus Sicht der Industrie- und Handelskammern sind im DQR folgende wichtige Aspekte bislang verankert: Handlungskompetenz ist das zentrale Beschreibungsmerkmal, die Gleichwertigkeit hochschulischer und beruflicher Bildung in
Deutschland ist abbildbar, der Bezug zum realen Beschäftigungssystem wird
gewährleistet, das deutsche Berufskonzept ist berücksichtigt.
Für die IHKn ist besonders wichtig, dass die beruflichen Weiterbildungsabschlüsse mit ihrem hohen Kompetenzniveau auf den oberen Kompetenzstufen
eingeordnet werden. Die mit den Abschlüssen erworbenen Kompetenzen sind
denen des Bachelors und z.T. des Masters durchaus gleichwertig. Der DQR wird
deshalb zwangsläufig auch die Chance eröffnen, berufliche Abschlüsse in Teilen
auf ein akademisches Studium anzurechnen. In dieser Hinsicht wird jedoch eine
rege Diskussion mit den Vertretern der Hochschulebene geführt.
Frau Grull stellte auch den Arbeitsstand des Qualifikationsrahmens in
Deutschland (DQR) vor. Derzeit sind die einzelnen Kompetenzniveaus bereits
beschrieben und bis zum Frühjahr 2010 werden in 4 Arbeitsgruppen (Metall/
Elektro, Handel, Gesundheit / Pflege, IT-Branche) exemplarisch Bildungsabschlüsse den Kompetenzniveaus 1 bis 8 zugeordnet. Damit soll untersucht werden, ob die Niveaubeschreibungen der Realität entsprechen.
Frau Grull unterstrich, dass die Arbeiten am DQR Anfang 2009 begonnen
wurden und dass die Erprobung und Zuordnung der Ausbildungsabschlüsse bis
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Ende 2010 andauern werden. Es wurden die ersten Ergebnisse der Arbeiten vorgestellt, die zeigen, wie schwierig es ist, die Qualifikationen hinsichtlich einzelner
Bezugsgrößen auszuarbeiten und zu beschreiben. Es ist geplant, dass bis Ende
2012 die Arbeiten am Deutschen Qualifikationsrahmen abgeschlossen und umgesetzt werden und der DQR dann an den EQR gekoppelt wird.
Wie wird der DQR dann für die Menschen „sichtbar“? Jedes IHK-Prüfungszeugnis wird dann bspw. einen Hinweis auf das Qualifikationsniveau laut DQR
enthalten. Mit allen EU-Ländern, die bis dahin auch Nationale Qualifikationsrahmen geschaffen haben, können dann über den Europäischen Qualifikationsrahmen die Abschlüsse im Vergleich transparent übersetzt werden.
Paweł Bartnik: wies auf das Problem des Übergangszeitraums hinsichtlich
des Implementierungsprozesses des Europäischen Qualifikationsrahmens hin.
Im Kontext der Arbeitsmarktöffnung im Jahre 2011 müssen solche Lösungen erarbeitet werden, die den deutschen und polnischen Bürgern erlauben werden,
am gemeinsamen Arbeitsmarkt teilzunehmen. Einerseits bezieht sich dies auf
Personen, die bereits entsprechende Qualifikationen besitzen, wie auch auf diejenigen, die dabei sind, ihre Grundausbildung abzuschließen und gerade in der
Übergangszeit auf den Arbeitsmarkt gelangen werden. Wie soll eigentlich ein
Mitarbeiter im Nachbarland eingestellt werden, wenn es unklar ist, anhand welcher Bezugsgröße seine Qualifikationen anerkannt werden können? Es muss
die Möglichkeit des freien Wettbewerbs für die Arbeitsmarktteilnehmer geschaffen werden und deswegen ist eine entsprechende Lösung für die Übergangsperiode erforderlich. Er strich heraus, dass über dieses Problem das Ministerium
für Nationale Bildung der Republik Polen informiert werden müsse.
Christian Justa (Arbeitsagentur Pasewalk): stellte die allgemeine Arbeitsmarktsituation im Landkreis Uecker-Randow vor und wies darauf hin, dass im
Zeitraum der letzten 1,5 Jahre die Arbeitslosenquote sich kontinuierlich abgesenkt hat. Im September 2009 wies sie 14,2 % auf. Dieser Index umfasst jedoch
nicht Personen, die durch Förderprogramme zur Existenzgründung, oder sonstige Arbeitsförderungsmaßnahmen erfasst wurden. Wenn man diese Personen
berücksichtigen würde, so würde sich die Quote auf dem Niveau von 24 % bewegen.
Nach seiner Meinung hätten derzeit Frauen gegenüber Männern bessere
Chancen auf dem Arbeitsmarkt, da sie in der Regel über höhere Bildung verfügen, mobiler sind und eher einem Umzug zur Beschäftigungsaufnahme zustimmen würden. Gleichzeitig gibt es in ländlichen Regionen in der Wintersaison
mehr arbeitslose Männer, die in dieser Zeit ihrer Saisonbeschäftigung nicht
nachkommen können.
Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise wies er darauf hin, dass es im
Landkreis viele kleine und mittlere Unternehmer gäbe, die nicht so sehr vom Warenexport abhängig sind, was ihnen eine relativ stabile wirtschaftliche Situation
bescherte. Gleichzeitig wurde für Unternehmen, die an Auftragsmängeln litten,
finanzielle Unterstützung angeboten. Um die Mitarbeiter nicht entlassen zu müssen, wurde Kurzarbeit eingeführt und die Einkommensdifferenz durch das sogenannte „Kurzarbeitergeld“ teilweise ausgeglichen.
Er wies auch auf Berufssparten hin, in denen Personalmangel herrscht. Hier
sei vor allem das Personal von Call Centern, Lehrer, Personal des Gesundheitssektors sowie Personal der Metallbranche zu nennen. Ein Überschuss herrscht
dagegen bei folgenden Berufssparten: Gärtner, Köche und Küchengehilfen, Ver-
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käufer, Lagerarbeiter, mittleres Bankpersonal, Personal der Sicherheitsfirmen,
Reinigungsunternehmen sowie allerlei Hilfspersonal.
Zu den größten Herausforderungen zählte er negative Folgen demografischer Entwicklungen. Vom Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern verschwinden derzeit monatlich fast 2000 Personen im Alter zwischen 15 und 65
Jahren. In der Zukunft wird es an hoch qualifiziertem Fachpersonal mangeln,
was seiner Auffassung nach eine ernste Gefahr für das Wirtschaftswachstum
darstellt. Deswegen lautet das Leitmotiv jeglicher Maßnahmen: „Ausbilden, weiterbilden, hochqualifiziertes Fachpersonal von auswärts gewinnen“.
Herr Justa stellte darüber hinaus die Zusammenarbeit mit Kreis- und Wojewodschaftsarbeitsämtern im Rahmen des EURES-T vor, dessen Partner an unterschiedlichen Arbeits- und Beschäftigungsmessen teilnehmen, gemeinsame
Beratungen anbieten, sowie einander über freie Arbeitsstellen informieren. Beide
Seiten planen darüber hinaus die Veranstaltung von Hospitationen für Mitarbeiter aus dem jeweiligen Nachbarland.
Vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit verwies er auf die immer noch bestehende Mentalitätsbarriere unter den polnischen Unternehmern, die in den
Umfragen oft darauf hinweisen, dass sie einen Mitarbeiter von außerhalb Polens
nicht einstellen würden.
Er sprach positiv über die Perspektive der für den Mai 2011 geplanten Arbeitsmarktöffnung, was zur Erhöhung der Freizügigkeit von höher qualifiziertem
Personal führen wird, dessen Beschäftigung zur Zeit wegen der vorherrschenden rechtlichen Barrieren und der Arbeitsmarktsperrung nur schwer möglich ist.
Hinsichtlich der zukünftigen Zusammenarbeit und der mit ihr einhergehenden
Herausforderungen wies er auf einige Punkte hin. Auf deutscher Seite gibt es
Befürchtungen, dass mit der Öffnung des Arbeitsmarktes manche Bürger das
deutsche Sozialsystem missbrauchen könnten. Er unterstrich jedoch, dass dieser Aspekt von der deutschen Seite gelöst werden müsse und dass es sich einzig und alleine um ein deutsches Problem handle.
Er wies auf die Notwendigkeit hin, eine gemeinsame Internetseite einzurichten, welche über die Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme sowohl in Szczecin,
wie auch auf deutscher Seite informieren würde.
Eine wesentliche Barriere sieht er auch im unterschiedlichen Ansatz bei der
Förderung beruflicher Qualifikationen von beschäftigungslosen Personen. Diese
Systeme sind nicht kompatibel und es kann zu Problemen mit der Förderung
kommen. So unterstützt beispielsweise die deutsche Seite im hohen Maße benachteiligte Menschen, wo es im Polen eine Unterstützung in diesem Ausmaß
nicht gibt. Gut gebildete Personen werden von der Arbeitsverwaltung in
Deutschland dagegen seltener unterstützt. Wenn also beabsichtigt wird, gemeinsame Schulungen für Arbeitsuchende anzubieten, dann entsteht häufig ein
Problem mit der Zielgruppendefinierung.
Ohne Zweifel bleibt die Sprache die größte Barriere. Nicht ohne Bedeutung
ist ebenfalls der Aspekt des Einkommens. Die Einführung des Euro in Polen
würde hier eine große Vereinfachung darstellen.
Paweł Nowak (Wojewodschaftsarbeitsamt in Szczecin): In der Wojewodschaft Zachodniopomorskie sind fast 15 % Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren ohne Arbeit. In Zahlen sind es ca. 94 Tsd. Personen. Davon stellen Personen
im Alter zwischen 18 und 25 Jahren einen Anteil von 20 %. Es wird erwartet,
dass im ersten Quartal 2010 zu einer starken Zunahme der Arbeitslosenanmeldung kommen wird, was eine Folge des Niedergangs der Werftbranche ist.
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Das Problem sind auch Personen, die schwarzarbeiten, da angenommen
wird, dass sie ca. 14 % der arbeitslos gemeldeten Personen ausmachen. Ein anderes Problem sind Personen, die zwar angemeldet sind, aber über keinerlei berufliche Erfahrung verfügen.
Herr Nowak stellte Untersuchungsergebnisse vor, die vom Arbeitsamt hinsichtlich der Berufssparten bei denen ein Personalmangel, bzw. –überschuss
herrscht, ermittelt wurden. In diesem Bereich treten große Parallelen mit den Ergebnissen der deutschen Seite auf. Personalmangel herrscht also in folgenden
Branchen: Televerkauf, Dienstpersonal, Betreuerinnen, Kanzleimitarbeiter sowie
Investitionsberater. Diese Überprüfung bezieht sich lediglich auf die Stellenanzeigen, die in den Arbeitsämtern geschaltet wurden.
Aus den Umfragen (10 Tsd. Befragte) geht hervor, dass die Mehrheit der Unternehmer von seinen Mitarbeitern vor allem Berufserfahrung, danach entsprechende Ausbildung und erst am Schluss entsprechende Qualifikationen erwartet. Hinsichtlich des Persönlichkeitsbildes sollen die Mitarbeiter laut den Arbeitgebern arbeitsam, ehrlich und kommunikativ sein, sowie eine Fremdsprache,
am besten Englisch, beherrschen. In unterschiedlichen Branchen können diese
Präferenzen selbstverständlich variieren.
Laut Herrn Nowak fehlt es angesichts großer Menge unterschiedlichen statistischen Datenmaterials an konkreten Maßnahmen und strategischem Ansatz.
Dies erscheint umso dringlicher, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass bereits heute die Sicherstellung entsprechender Ausbildung, demographische
Veränderungen und Wirtschaftsmigration zu den größten Herausforderungen
zählen.
Andrzej Zych (Westpommersches Zentrum für Lehrerweiterbildung): Er
hat in seinem Referat drei Aspekte besprochen: berufliche Ausbildung von Jugendlichen in der Wojewodschaft Zachodniopomorskie, lebenslange Bildung,
sowie allgemeine Situation in diesem Bereich hinsichtlich der Aktivitäten im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.
In der Vergangenheit wurde die Mehrheit der Jugendlichen in Berufsschulen
ausgebildet. Derzeit sind es etwa 20%. Die Mehrheit lernt an den technischen
oder allgemeinbildenden Gymnasien der Oberstufe. Nicht ohne Bedeutung ist
auch die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, da viele die Berufsbildung
gewählt haben um nicht Wehrdienst leisten zu müssen. Zu den negativen
Trends zählen sowohl die zahlenmäßige Abnahme der Jugendlichen, die diesen
Bildungsweg gewählt haben, sowie die geringe Erfolgsquote bei der Abschlussprüfung (lediglich ca. 55% der Absolventen der technischen Gymnasien
belegen erfolgreich die Abschlussprüfung). Vor diesem Hintergrund ist auch der
zweite Versuch beim Belegen der Abschlussprüfung problematisch. Laut Herrn
Zych fehlt es an effizienten Systemlösungen. Ein anderes Problem ist die Finanzierung der Berufsschulen in den Kreisen sowie das Übergewicht der theoretischen gegenüber der praktischen Ausbildung.
Im Bezug auf die lebenslange Bildung wies er darauf hin, dass sie auf formeller, informeller und außerformeller Ebene durchgeführt wird. Formelle Ebene
umfasst die Erwachsenenbildung an entsprechenden Schulen sowie in Fortbildungszentren. Die informelle Ebene umfasst allerlei Kurse, darunter auch Berufsfortbildungskurse. Die außerformelle Ebene umfasst vor allem autodidaktische Bildung und Erfahrungsgewinnung bei der beruflichen Arbeit.
Laut Herrn Zych würden die Berufsschüler verschiedene Austauschprogramme sehr gut bewerten. Im Rahmen solcher Wochenausflüge werden Bedingun-
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gen geschaffen, um die Kultur des Nachbarn kennenzulernen und eigene
Fremdsprachkenntnisse in der Praxis zu überprüfen, vor allem aber wird dadurch die Integration unter den Jugendlichen gefördert. Sehr positiv werden
auch die Teilnahmemöglichkeiten an unterschiedlichen Handwerkswettbewerben, die im Nachbarsland veranstaltet werden, bewertet.
Ein Problem bleibt jedoch der Mangel an finanziellen Mitteln für den Jugendaustausch, der über eine Woche hinaus gehen könnte. Schwierigkeiten gibt es
außerdem bei der Abstimmung der Termine, da beide Systeme die Austauschmöglichkeiten in unterschiedlicher Weise regeln.
Zu den Hauptbarrieren und Herausforderungen gehört nach Meinung Herrn
Zychs Folgendes:
1) Unterschiede bei den Bildungssystemen, wo beispielsweise der Versuch der
Einrichtung zweisprachiger Berufsschulklassen heute vor Probleme formaler
Natur gestellt wird. Heute ist es bereits schwierig einen Schüleraustausch
abzustimmen, der zwei bis drei Monate lang sein würde;
2) zu wenig Jugendliche werden in Arbeiterberufen ausgebildet. Ein Umschlagen dieser Tendenz könnte eventuell mit der Öffnung des Arbeitsmarktes
erfolgen, wenn festgestellt wird, dass eine größere Nachfrage nach Facharbeitern besteht;
3) landesweit ist eine zu schwache Zusammenarbeit zwischen Firmen, Unternehmen, Vereinigungen und Gewerkschaften festzustellen. Allgemein betrachtet, besteht ein zu niedriger Grad an Netzwerkkooperationen zwischen
den Bildungseinrichtungen und dem Arbeitsmarkt;
4) es mangelt an Lösungen, die einen Vergleich von Qualifikationen erlauben
würde. In Polen befindet sich dieser Prozess erst in der Anfangsphase und
wird aus den EU-Mitteln gefördert.
Er hat auch die Gestaltungsmöglichkeiten für diese Zusammenarbeit auf
verschiedenen Feldern der Berufsausbildung herangeführt.
5) die zukünftige Zusammenarbeit kann auf der Grundlage der gewonnen
Erfahrungen aus dem Schüleraustausch gestaltet werden. Ein breites Handlungsfeld für die Schulen bietet die rechtliche Flexibilität im Rahmen der
Berufsprogrammgestaltung, bei der Implementierung innovativer Lösungen
oder pädagogischer Experimente an. Die Programme werden durch die
Schulleiter genehmigt, die in diesem Bereich den Bedarf des lokalen und
regionalen Arbeitsmarkts berücksichtigen können. Sie dürfen jedoch nicht
vergessen, dass diese Programme der in Polen geltenden Programmgrundlage für berufliche Bildung entsprechen müssen;
6) eventuelle Vorteile für diese Zusammenarbeit können auch im Vergleich der
geregelten Berufe in Polen und Deutschland gesucht werden;
7) nach seiner Meinung bietet das in Polen geltende Anerkennungssystem für
berufliche Qualifikationen und Handwerkerberufe, das kontinuierlich angewendet wird, ein breites Handlungsfeld. Es besteht die Möglichkeit seine
Regelungen zu nutzen, wenn irgendwelche interessante Vorhaben oder
Projekte in Erscheinung treten.
Herr Zych hat darüberhinaus Maßnahmen vorgeschlagen, die das Modell der
beruflichen Bildung im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
unterstützen könnten. Am wichtigsten ist also die Definition von Richtungen und
Zielen der Zusammenarbeit vor dem euroregionalen Hintergrund. Die inhaltliche
Gestaltung könnten Expertengruppen übernehmen, die aus bedeutenden Personen, die beide Seiten kennen, bestehen würden.
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Praktische Maßnahmen könnten folgende Aktivitäten umfassen:
1) Verlängerung der Aufenthaltsdauer des Schüleraustauschs;
2) bei der Ausarbeitung der Programme für die Zusammenarbeit sollten bestehende Anerkennungssysteme für berufliche Qualifikationen berücksichtigt
werden (es sollte die Möglichkeit geprüft werden, ob deutsche Schüler
Qualifikationen in Polen erlangen könnten);
3) Einrichtung gemeinsamer Schulklassen und die Erörterung der Möglichkeit
gemeinsame Schulen einzurichten;
4) Vorbereitung und Berufung von Berufsberatern, die neben den Berufsschulen
tätig sein würden;
5) Sicherstellung der angenommenen Maßnahmen und Lösungen. Es geht
dabei vor allem um eventuelle gemeinsame Schulklassen in den Berufsschulen, doppelte Qualifizierungszeugnisse, doppelte Berechtigungen (z.B. beim
Elektrikerberuf, etc.).
Paweł Bartnik: Bezugnehmend auf dem Vortrag von Herrn Zych hat er unterstrichen, dass finanzielle Mittel für den Schüleraustausch aus dem Fonds für
Kleine Projekte im Rahmen von INTERREG IVA beantragt werden können. Er bestätigte zugleich die weitführenden Kompetenzen des Schulleiters im Bezug auf
die Schulprogrammgestaltung. Er wies auch darauf hin, dass der Schulleiter weder einen Beruf benennen, noch ihn umschreiben darf, da diese Kompetenzen
auf Seiten der Regierungsbehörden liegen.
Er hat auch das Problem der Zertifizierung erlangter Qualifikationen angesprochen. Es ist eine Erschwernis, wenn ein junger Mensch zwei verschiedene
Prüfungen in zwei verschiedenen Sprachen ablegen müsste, damit seine Qualifikationen in einem anderen Staat anerkannt werden können. In diesem Bereich
müssen entsprechende Lösungen gefunden werden, die den Jugendlichen den
Zugang zum freien Arbeitsmarkt erleichtern.
Die wichtigsten Forderungen. Im Rahmen der Diskussion wurden viele
wichtige Bemerkungen und Vorschläge, aber auch Fragen die für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Bildung und Wirtschaft von Bedeutung sind, vorgebracht. Die wichtigsten sind:
– die Panelrundenteilnehmer kamen überein, dass die Sprache die wichtigste
Barriere stellt. Es wurde ein Zentrum für Deutsche und Polnische Sprache
gefordert, das einerseits die Erlernung beider Sprachen fördern würde, und
andererseits eine unterstützende Funktion für Kindergartenlehrer und Lehrer,
die zweisprachigen Unterricht erteilen oder die polnische und deutsche
Sprache lehren, haben würde.
– es wurde festgestellt, dass es notwendig ist Arbeitsgruppen einzuberufen, die
aus Vertretern der Ministerien, Lehrerbildungseinrichtungen, Schulen, Universitäten und Vertretern der Wirtschaft bestehen werden und die zum Ziel
haben, gemeinsame Handlungsstrategien zu entwerfen. Es ist auch wichtig
das Ministerium von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, sowie die
entsprechenden Organe auf der polnischen Seite von den vorgetragenen
Forderungen zu überzeugen;
– als Notwendig erachtet wurde die Ausarbeitung eines Konzepts gemeinsamer Maßnahmen zur Einführung der polnischen Sprache in Deutschland,
sowie der Förderung der deutschen Sprache in Polen. Es wurde auch unterstrichen, dass es wichtig ist Methoden zur Akzeptanzförderung für die Nachbarsprache zu entwickeln. Dieser Aspekt hat eine besondere Bedeutung bei
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–
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–
–
der Heranführung an die Kultur, Mentalität oder die unterschiedlichen Bräuche des jeweiligen Nachbarn;
es wurde auf das finanzielle und formelle Problem bei der Entsendung der
Lehrer für den polnischen Sprachunterricht in Deutschland hingewiesen. Die
Aufenthaltsdauer eines Lehrers außerhalb der Landesgrenzen verlängert den
dienstlichen Berufswerdegang des Lehrers, weil er nicht zu seiner Dienstzeit
hinzugerechnet werden kann;
im Hinblick auf die Zertifizierung von Qualifikationen und die Notwendigkeit
Übergangslösungen bis zur Implementierung des Europäischen Qualifikationsrahmens einzuführen wurde vorgeschlagen (E. Grull), dass die erlangten
Abschlüsse gleichzeitig in die Sprache des Nachbarn übersetzt werden
sollen. Auf diese Weise kann der potentielle Arbeitgeber eine Vorabverifizierung der Qualifikationen des polnischen oder deutschen Mitarbeiters vornehmen;
es wurde vereinbart, dass eine Berufung von euroregionalen Berufsberaten,
die neben den Schulen tätig sein könnten und den Schülern nahelegen
würden, was sie unternehmen müssen, um eine Beschäftigung in Polen oder
Deutschland (A. Zych) aufzunehmen, empfehlenswert ist. Die Umsetzung
dieser Absicht in die Praxis bedarf jedoch einer detaillierteren Ausarbeitung;
es wurde auf die Notwendigkeit der Gleichbehandlung von Lehrern hingewiesen, die an Bildungsprojekten teilnehmen. Es geht dabei vor allem um die
Angleichung von Einkommen;
es wurde die Notwendigkeit gemeinsamer Durchführung von Öffentlichkeitsarbeit für das Berufsschulwesen auf deutscher und polnischer Seite festgestellt (Schaffung eines gemeinsamen Angebots);
eingefordert wurde auch eine gemeinsame Internetplattform für Arbeitgeber,
die Angebote von Praktikumsplätzen für Schüler beinhalten würde;
im Hinblick auf wirtschaftliche Fragen, müsste eine entsprechende Arbeitsgruppe zwecks Beantwortung der Frage bezüglich der Nutzung des endogenen Potentials von Szczecin und des Landkreises Uecker-Randow, eingerichtet werden. Bei der Gestaltung der Entwicklungsrichtungen der Wirtschaft in
der Region muss überlegt werden, wie das Potential junger Menschen und
ihre Ausbildung, aber auch die auf beiden Seiten bestehenden Steuerimpulse, Investitionserleichterungen, niedrigere Personalkosten, genutzt werden
können, damit einem potentiellen Investor solche Lösungen geboten werden
können, die er z.B. im Ruhrgebiet oder in Warschau nicht findet. Solche
Lösungen würden nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Region
erhöhen, sie würden auch eine harmonische Entwicklung und gleichmäßig
verteilte Vorteile für beide Seiten garantieren. Beim Vorhandensein solcher
Lösungen würde es einfacher sein das deutsch-polnische Metropolengebiet
nach außen hin zu vermarkten;
25
– beide Seiten waren sich über die Notwendigkeit des Monitorings im Hinblick
auf die Entwicklung der Demografie und des Arbeitsmarktes im Grenzgebiet,
einig;
– es wurde die Forderung aufgestellt, die Arbeitsgruppe Nord-Süd unter Beteiligung aller Euroregionen aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet einzuberufen, damit ein Erfahrungs- und Informationsaustausch bezüglich universeller Lösungen im Rahmen grenzüberschreitender Zusammenarbeit vorgenommen werden kann (Netzwerkbildung);
– aufgrund seiner besonderen Lage sieht die Mehrheit der Teilnehmer die
Stadt Szczecin in der Rolle einer Koordinationsstelle für vorzuschlagende
Maßnahmen sowie für Implementierung festgelegter Projekte.
26
II Diskussionsblock: Good Governance
Titel: Netzwerkbildung als effiziente Methode der Zusammenarbeit
Leitung: Marek Tałasiewicz – Berater des Stadtpräsidenten von Szczecin
und Burkhardt Preißler – Landratsamt des Landkreises Uecker-Randow.
Dr. Martin Niedermeyer, Leiter des Referates Grenzüberschreitende Zusammenarbeit SaarLorLux, Abteilung Europa, Interregionale Zusammenarbeit (Staatskanzlei des Saarlandes): Während seines Vortrags nahm er zunächst Bezug auf das Thema des Workshops, also auf die Vision von Good Governance in Grenzräumen; der Workshop biete Transfermöglichkeit für bewährte
Praktiken und zugleich die Chance, voneinander zu lernen. Es gebe ein großes
Interesse, die Kooperationsstrukturen in anderen Grenzgebieten, insbesondere
dem deutsch-polnischen Grenzgebiet kennenzulernen. Seine Erfahrungen in
diesem Bereich stellte er aus der Perspektive der Großregion/Grandregion SaarLorLux vor.. Er unterstrich, dass in den Grenzregionen im Westen Deutschlands
seit vielen Jahrzehnten intensive Bemühungen unternommen werden, um die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen zu verbessern, wobei dies nicht immer mit Erfolg, dennoch stetig und konsequent geschieht.
Nach seiner Meinung hat der Begriff Good Governance seit einiger Zeit sowohl im wissenschaftlichen Diskurs als auch in den Diskussionen auf der europäischen Ebene Konjunktur. Der Begriff an sich sollte nicht mit einem allgemeingültigen Konzept für politisches Handeln oder einer politischen Struktur assoziiert werden. Vielmehr ist es als Paradigma zu verstehen. Das Bundesland Saarland unterstütze und fördere das Engagement aller Ministerien sowie behördlichen Ressourcen bei der Durchführung konkreter Maßnahmen und Projekte
grenzüberschreitend. Diese zentrale Aufgabe der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist im Saarland „Chefsache” und untersteht dem Ministerpräsidenten des Landes. Neben dem Saarland sind das Bundesland Rheinland-Pfalz,
das Großherzogtum Luxemburg, Lothringen (Frankreich) sowie die belgischen
Region Wallonien, die Franzsösiche und die Deutschsprachige Gemeinschaft
Belgiens Kooperationspartner der Großregion. Dies ist ein Beispiel für eine multilaterale Zusammenarbeit, die aufgrund der Unterschiedlichkeit der Partnerstrukturen verschiedenen Hemmnisse bewältigen muss. Sie lässt sich daher nur bedingt mit der Zusammenarbeit im deutsch-polnischen Grenzgebiet vergleichen,
wo Entscheidungsfindung bilateral stattfindet.
Niedermeyer hob hervor, dass die Großregion keine eigenständige Region
ist, die auf Landkarten mit einer fest umrissenen Struktur zu finden ist. Sie ist viel
eher ein politisches Projekt, ein Kooperationsgebiet, das rund 11 Mio. Einwohner umfasst und dessen Fläche nahezu 65 Tsd. km2 groß, also größer als das
Gebiet von Irland oder des Freistaats Bayern ist.
Gestützt auf die fast 50 jährige Erfahrung bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit knüpfte er in seinem Vortrag an die in diesem Zeitraum durchgeführten Projekte, aber auch an die Kompetenzen, die Maßnahmen in europäischen Dimension zu verwirklichen erlauben. In diesem Kontext stellte er die Erfahrungen und Konsequenzen der durchgeführten Projekte vor, d.h. was sich
aus diesem Zeitraum für die Zukunft ergibt, welche sind die gemeinsamen Visionen und Maßnahmen.
Er wies auf die heterogene Struktur dieses Gebiets hin, die u.a. durch unausgeglichene Besiedlung und somit durch das Vorhandensein von Peripherie und
27
großen Agglomerationen gekennzeichnet wird. Dieser Aspekt bleibt wichtig,
nicht nur deswegen, weil er die Diskussion und Aktivität der Partner hinsichtlich
eines interregionalen Ausgleichs anregt, indem er sie dazu bewegt nach Lösungen im Rahmen der Raumplanung oder gemeinsamer Politik der Metropolenregion zu suchen, sondern ist auch für die geführte Debatte auf europäischer Ebene hinsichtlich der territorialen Kohärenz der Europäischen Union von Bedeutung.
Herr Niedermeyer zeichnete die Entstehungsgeschichte dieser Zusammenarbeit auf und wies dabei auf das schwierige Erbe dieser Region, nämlich ihre Geschichte hin. In dieser Region befanden sich riesige Rohstoffvorkommen, wo
noch im Jahre 1917 fast 15 % des Stahls im globalen Maßstab gefördert wurde.
Dieses Gebiet erlebte immer dann Blütezeiten, wenn es im rechtlichen und fiskalischen Sinne als eine Einheit geführt wurde. Grenzziehungen und Teilungen beeinträchtigten die o.g. strukturelle Kooperation und führten zu weitreichenden
Problemen. Das Hauptinteresse der früheren politischen Auseinandersetzungen
in dieser Region waren ihre natürlichen Ressourcen. Er wies darauf hin, dass jemand, der in dieser Region 100 Jahre durchlebt hätte, vier Mal seine Nationalität
und somit seinen Pass wechseln müsste. Und genau diese gemeinsame Geschichte, mit ihren tragischen Erfahrungen, trotz der Tatsache, dass sie unterschiedlich interpretiert wird, hat das Bewusstsein und die Überzeugung geprägt,
dass dies sich nie wieder wiederholen dürfe. Nicht ohne Bedeutung ist vor diesem Hintergrund auch die Tatsache, dass Gründerväter der Europäischen Gemeinschaft, wie Robert Schuman und Jean Monnet, gerade aus dieser Region
stammten bzw. hier lebten.
Er unterstrich, dass in den letzten 25 Jahren die Grenze zwischen Frankreich
und Deutschland durch die Vertiefung und Konstituierung von Europa ohne
Grenzen eine neue Qualität erlangt hat. Es kamen neue Herausforderungen auf,
die eine intensivere Kooperation der polizeilichen oder Rettungsdienste zur Folge hatte. Durch den Abschluss des Schengener Abkommens wurde die berufliche und gesellschaftliche Freizügigkeit gestärkt. In Anknüpfung an die Rede des
Präsidenten Krzystek gab er zu, dass auch unterschiedliche Mentalitäten und
Verhaltensweisen die Entwicklung von Mobilität erschwerten. Dieser Aspekt
bleibt eine wichtige Herausforderung für die Region.
Er wies auf die Karte Europas hin und bemerkte, dass es weitaus mehr durch
die Grenzen geteilt ist, als durch irgendwelche andere Elemente und vielleicht
deswegen haben wir so viele Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Dies bezieht sich sowohl auf die regionale, wie auch auf die lokale Kooperation. Die Überwindung der Grenzen, die Normierung der Anerkennung von Abschlüssen und der erlangten Qualifikationen sowie die Vereinheitlichung der
Steuerpolitik stellen zahlreiche Herausforderungen dar. Andererseits sollte überlegt werden, ob das Vorhandensein der Grenzen nicht auch positive Wirkungen
auf einige Bereiche wie z.B. Kultur oder Tourismus entfalten kann. Überall dort,
wo die Vielfalt eine Attraktivität eines gegebenen Gebiets ausmacht, sollten die
Grenzen beibehalten werden. Es wäre nicht gut, wenn alle diese Aspekte vereinheitlicht werden würden. Seiner Meinung nach ist es viel wichtiger angemessene
Anpassungsinstrumente zu finden, die interkulturelle Kompetenz bei gleichzeitiger Beibehaltung der Andersartigkeit fördern würden.
In den 1990er Jahren entwarf der französische Regionalwissenschaftler Brunet das europäische Entwicklungsmodell der „blauen Banane“. Es zeichnet sich
dadurch auszeichnete, dass es die größte Entwicklungsdynamik in jenen Gebieten, die auch durch grenzüberschreitende Rahmenbedingungen geprägt waren,
28
nach sich zog. Dies würde bedeuten, dass die Grenzlage an sich nicht als eine
Abseitsstellung, sondern viel eher als eine Chance wahrzunehmen ist. Herr Niedermeyer unterstrich anhand dem Beispiel eines planerischen Ansatzes und unter dem Hinweis auf verschiedene frühere Formen grenzüberschreitender Zusammenarbeit, dass es kein einheitliches und einzig richtiges Muster für die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit gibt. Wir können Regionen mit geringer
Bevölkerungszahl beobachten, die ihre Zusammenarbeit auf lokaler Ebene führen, es gibt aber auch solche Beispiele wie die Großregion. Alle entsprechen in
gewisser Hinsicht dem Ansatz des Good Governance, aber um zu beurteilen,
welche Praktiken als die besten beurteilt werden können, muss jeder für sich
entscheiden. Ohne Zweifel ist dies ein Beispiel dafür, dass viele Grenzgebiete in
der Europäischen Union nach ihrem eigenen Weg für eine effektive Zusammenarbeit suchen.
Zugleich wies er darauf hin, dass der Ausgangspunkt für die Großregion ihre
Geschichte war, wobei hier anzumerken ist, dass nicht die Politik, sondern die
Wirtschaft die Grundlage dieser Zusammenarbeit geboten hatte. Als in den 60er
Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Region von einer Wirtschaftkrise wegen einem drastischen Nachfragerückgang nach Stahl heimgesucht wurde, haben beide Seiten, sowohl die deutsche als auch die französische, ihre eigene
Konzepte für die Bekämpfung dieser Wirtschaftskrise entwickelt. Es ist erstaunlich, dass beide Seiten in ihren Schlussfolgerungen, unabhängig von ihren Ideen zur Verbesserung der Situation, auf die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit
und eines integrierten Ansatzes zur Überwindung der Wirtschaftskrise hingewiesen haben. In der Konsequenz haben beide Seiten angefangen, auch im politischen Sinne sehr, ehrgeizige Projekte weiterer Zusammenarbeit vorzuschlagen.
Leider konnten viele von ihnen nicht umgesetzt werden. Zum Erfolg führten aber
Projekte auf der Mikroebene, die auf kleinen Raumplanungsstudien gestützt
wurden und die Bedürfnisse beider Seiten berücksichtigten. In weiterer Folge
brachte dies das Verständnis für die Handlungsweise des Nachbarn auf verschiedenen Gebieten mit sich. Auf diese Weise haben die Partner ihre gegenseitigen Verwaltungsstrukturen, das jeweilig geltende Rechtssystem kennengelernt
und erfahren, wie ihre Kompetenzstruktur aufgebaut ist. Dadurch konnte in den
1990er Jahren ein Entwicklungskonzept für die gesamte Region erarbeitet werden, das die Methodologie des Europäischen Raumentwicklungskonzepts
(REK) auf die Großregion übertragen hat. Das Europäische Raumentwicklungskonzept unterstützt ein polyzentrisches System von Städten, die ausgewogene
Entwicklung des ländlichen Raums, den gleichberechtigten Zugang zur Infrastruktur und Wissen sowie die Aufwertung des Kultur- und Naturerbes. Analog
zum REK war auch das regionale Raumentwicklungskonzept der Großregion
ohne planungsrechtliche Verbindlichkeit, sondern zeigte eher Denkrichtungen
an und öffnete neue Horizonte, als eine Art Impulsgeber. Eine Region, die sich
durch interregionalen und grenzüberschreitenden Erfahrungsschatz auszeichnet, die gleichzeitig nicht über entsprechende rechtliche Instrumente und europäische Kompetenzen verfügt, hat damit den Versuch unternommen, europäische Lösungen auf eigenem Gebiet einzuführen. Die Franzosen sprechen von
Les petites Europes (Franz. kleines Europa). Im politischen Sinne also ein sehr
ehrgeiziger Ansatz, bei dem sich die jeweilige Seite als eine Art Experimentallabor für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit betrachtet.
Bei der Darstellung der institutionellen Struktur hob Herr Niedermeyer die Bedeutung des menschlichen Faktors bei der Ausführung der Zusammenarbeit in
einer Region, wo 11 Partner miteinander kooperieren, hervor. Die über Jahre
29
hinweg aufgebaute Netzwerkkooperation nahm ihren Anfang mit der Einberufung einer administrativ angelegten Regionalkommission im Rahmen eines Regierungsabkommens und wurde weiter. Durch die Gründung eines interregionalen Parlamentarierrates in den 1980-er Jahren wurde die Zusammenarbeit und
Abstimmung auch von regionalen Parlamentariern und Gewählten dieser Region
fortgeführt. Diese Zusammenarbeit bekam in den 90er Jahren, im Rahmen der
INTERREG-Initiative, zusätzliche Mittel zur Durchführung unterschiedlicher Vorhaben. Mitte der 90er Jahre wurde der erste Gipfel der Großregion einberufen,
bei dem die wichtigsten politischen Vertreter der Regionen zusammenkommen.
Seither kommt es zu regelmäßigen Treffen unter wechselndem Vorsitz, bei denen konkrete Themen und Handlungsrichtungen im Rahmen der bestehenden
Kompetenzbereiche abgesprochen und festgelegt werden, wodurch die Implementierung konkreter Vorhaben vorangebracht werden konnte. Neben den politischen Verabredungen zwischen den beteiligten Regionen gibt es für die Zusammenarbeit anderer Ebene Rechtsinstrumente für Kooperationsverbünde, wie
z.B. das Karlsruher Übereinkommen, das Mainzer Abkommen oder der EU-weit
gültige Rechtsrahmen für das EVTZ (Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit). Nicht in allen Fällen benötigt die konkrete Zusammenarbeit eine
rechtliche Fixierung, wie die unterschiedlichen Herangehensweise aus der Großregion illustrieren. Entscheiden sei unbedingt das Vorhandensein entsprechenden politischen Willens.
Auf solcher Grundlage hat sich die exekutive und legislative Ebene, unter Mitwirkung zahlreicher Vereinigungen und Verbände, herausgebildet. Das Ganze
beruht jedoch weiterhin auf Netzwerkkooperation. Alles geschieht auf der Basis
eines gemeinsamen Konsenses und es gibt noch kein verbindliches Reglement
für die interregionale Zusammenarbeit. Einerseits bedeutet dies eine große
Chance im Hinblick auf Gestaltungsmöglichkeiten, andererseits stellt es für die
Zusammenarbeit eine große Herausforderung im Hinblick auf die Verbindlichkeit
und Schnelligkeit der Kooperation dar.
Die Gipfeltreffen sind ein Beispiel für klassische Zusammenarbeit der Regierungen, beim Einsatz aller Ebenen der Verwaltungsstruktur, die miteinander kooperieren und weitere Handlungsfelder besprechen. Seit der Konstituierung dieses Gremiums wurde eine Reihe von Themen besprochen. Es ging dabei u.a.
um: Infrastruktur, Verkehr, Tourismus, Wissenschaft, Forschung, Aspekte der
Raumplanung. Das zentrale Motto des aktuellen 12. Gipfels ist eine „Mobilitätsinitiative für die Großregion”. Im Zentrum der Mobilitätsinitiative stehe der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt. Eine Domäne dieser Region ist die Tatsache,
dass sie 4 Staaten, 5 Regionen umfasst und dass ihre Einwohner 3 verschiedene Sprachen verwenden. Fast 200 Tsd. Personen passieren täglich zu beruflichen Zwecken die Grenze, was derzeit im EU-Maßstab einzigartig bleibt. Ohne
Zweifel trägt dies zur Ausnahmestellung dieser Region bei, es stellt die Behörden vor große Herausforderungen und ist zugleich eine Chance für die Zusammenarbeit, um möglichst optimale Rahmenbedingungen für einen hohen Grad
an Freizügigkeit in der gesamten Region zu gewährleisten.
Im Bezug auf das Konferenzthema: „zwischen Vision und Praxis“, knüpfte
Herr Niedermeyer an die gewonnen Erfahrungen der Großregion an, die 2003
eine Diskussion über die Zukunft ihrer Zusammenarbeit eingeleitet hat. Unter
der Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten der Zusammenarbeit war
die Zielstellung die Definition von Aspekten, die mit der Identität, den zukünftigen Möglichkeiten der Kooperation, aber auch mit der Kohärenz unterschiedlicher Maßnahmen, zusammenhingen. Dieses Jahr ging der größten EU-Erweite-
30
rung ihrer Geschichte voran und es sollte dazu Stellung genommen werden, wie
sich die gesamte Region im Vergleich mit anderen Regionen Europas präsentiert. Der von den Partnern übernommene Ansatz divergierte von dem klassischen Ansatz, d.h. der Untersuchungsgegenstand war nicht die Feststellung
von Stärken und Schwächen dieser Region, sondern vielmehr der Versuch eine
Antwort auf die Frage zu finden: wohin gehen wir? Wie soll diese Zusammenarbeit im Jahre 2020 aussehen? Eingangs schon waren sich alle der großen Unterschiede zwischen dem gewünschten und dem bestehenden Zustand bewusst. In der Folge wurden jedoch Schlüsselprojekte sowie Handlungsagenden
identifiziert, die die Marschroute der Zielerreichung vorgaben. Es wurden thematisch alle wichtigsten Bereiche berücksichtigt, angefangen mit der Infrastruktur
bis hin zur Bildung und den Aspekten der kulturellen Zusammenarbeit. Viele dieser Vorhaben konnten realisiert werden, so z.B. die Einrichtung gemeinsamer
Schulen, deren Abschlüsse bei allen Partnern anerkannt werden. Im Jahre 2007
war erstmals Luxemburg und die Großregion die Kulturhauptstadt Europas.
Dank dieser Initiative Luxemburgs konnten rund 500 Projekte aus dem kulturellen Bereich durchgeführt werden. Aus dem Gesamtaufkommen an Projekten
hatten mindestens 1/3 der Projekte einen grenzüberschreitenden Charakter. Ein
wesentlicher Aspekt dabei war ebenfalls die Tatsache, dass die im Rahmen der
EKH 2007 initiierte Zusammenarbeit Strukturen für die kontinuierliche Kooperation hervorgebracht hat.. Auch im Hochschulbereich wird das ehrgeizige Ziel der
Errichtung einer Universität in der Großregion verfolgt.
In Anknüpfung an die Worte von Jean Monnet: „nichts ist möglich ohne das
Engagement von Menschen, aber nichts ist beständig ohne entsprechende Institutionen“, wies er darauf hin, dass die institutionelle Kooperationsstruktur in der
Großregion einen beratenden Charakter besitzt und zugleich eines höheren Grades an Verbindlichkeit bedarf. Besonders wichtig ist bei diesem Aspekt die Positionierung der Region innerhalb ihres europäischen Umfelds und in der Konstellation mit den Institutionen der EU.
Im Bezug auf die Positionierungsmöglichkeit der Grenzregionen im europäischen Rahmen, wies er auf die bestehenden Trends im Bereich der Raumplanung hin. Nach seinem Empfinden wird die Diskussion über die territoriale Kohärenz durch eine schlichte Annahme bedingt, dass nämlich Europa seine Integration fortführen wird, wenn die Regionen besser miteinander kooperieren. Ein
sehr wichtiges finanzielles Instrument für diese Kooperation bleibt die Gemeinschaftsinitiative INTERREG. Beim Blick in die Zukunft, besonders hinsichtlich
des neuen Finanzrahmens nach 2014, brachte er die Möglichkeit, der gemeinsamen Ansprache von Problemen und Herausforderungen von Grenzregionen in
Brüssel zum Vorschein. Es sind schließlich Regionen, in Rahmen deren Europa
zusammenwächst und sich integriert.
Seinen Vortrag beendete er mit einem Zitat des Ministerpräsidenten Peter
Müller: „Europa entsteht sicherlich nicht allein an den Grenzen, aber Europa
wächst vor allem in den Grenzregionen zusammen.” Die Grenzregionen leisten
daher einen wichtigen Beitrag für die Kohäsion und die Integration Europas.
Marek Tałasiewicz: Wenn das Good Governance als die Anwendung guter
Praktiken und Vorbilder zur Verwirklichung gut definierter Interessen verstanden
wird, so befindet sich diese Konferenz, angesichts dieses politischen und situativen Umfeld, in einem guten Rahmen. Er knüpfte auch an die Vergangenheit an,
als gerade die rechtlichen Hürden die Verwirklichung berechtigter und sehr guter Praktiken verhindert haben.
31
Dr. Lothar Kuntz, Koordinator der IBA, INFO INSTITUT Saarbrücken: griff
in seinem Referat die Arbeitsmarktproblematik in der Grossregion am Beispiel
von Untersuchungen der Interregionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstelle (IBA)
auf. Dabei handelt es sich um ein grenzüberschreitendes Netzwerk von Fachinstituten aus allen Teilen der Großregion, die sich mit Fragen des Arbeitsmarkts,
insbesondere des grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts, beschäftigen. Die IBA
ist eine Einrichtung des Gipfels der Großregion und erstellt für die jeweiligen
Gipfel der Großregion, die alle 18 bzw. zukünftig 24 Monate stattfinden, den Bericht ‚Die Arbeitsmarktsituation in der Großregion‘. Er hob hervor, dass gerade
der Arbeitsmarkt und der Grad der Freizügigkeit der Arbeitskräfte diese Region
kennzeichnen: Siebildet einen einzigartigen Mobilitätsraum mit dem größten
Pendleraufkommen in Europa.
Bevor er auf die Spezifik des Arbeitsmarkts der Grossregion einging, unterstrich er einen wesentlichen Aspekt, der mit der Untersuchung dieses Gebiets
zusammenhängt. Dabei ging es um die Tatsache, dass die Möglichkeit der Einwirkung der Grenzgebiete auf den Arbeitsmarkt hinsichtlich seiner Funktionsweise durch die Staatsgrenzen der jeweiligen Partner beschränkt wird und dass
sein Potential von den nationalen Regelungen abhängt.
Im Bezug auf die Grossregion kann festgestellt werden, dass der Arbeitsmarkt noch immer nicht frei von Barrieren und Problemen ist, trotz jahrelanger
Kooperation in diesem Bereich. Es wurden zwar verschiedene rechtliche und
administrative Aspekte geklärt, dennoch bestehen eine Vielzahl von Hemmnissen, gerade auch im rechtlichen Bereich. Da innerhalb der Großregion die Nationalgrenzen Frankreichs, Luxemburgs, Belgiens und Deutschlands verlaufen,
treffen hier unterschiedliche Rechtssysteme aufeinander, die Auswirkungen im
täglichen Leben der Grenzgänger entfalten. Zu den Hauptzentren, die zahlreiche
Arbeitsplätze generieren und somit Einfluss auf die Richtung der Arbeitskräfteflüsse haben, zählen Luxemburg und das Saarland, wobei das Schwergewicht
eindeutig bei Luxemburg liegt. In diesem Zusammenhang gewinnen infrastrukturelle Lösungen und Verkehrslösungen eine zunehmend größere Bedeutung, da
die Mehrheit der Personen, die ihrer Beschäftigung auf der anderen Seite der
Grenze nachgeht, entlang der Hauptverkehrsachsen ansässig ist. Dies wiederum bedeutet, dass die Stärkung der Erwerbsfreizügigkeit auch mit der Notwendigkeit der Gewährleistung entsprechender Transportinfrastruktur einhergeht.
Im Gebiet der Grossregion passieren täglich rund 200 Tsd. Personen zu Erwerbszwecken eine nationale Grenze, um in einem anderen Land zu arbeiten.
Rund ? dieser Pendler oder Grenzgänger arbeiten in Luxemburg und rund die
Hälfte aller Grenzgänger stammen aus Lothringen. Diese Tatsache bewirkt, dass
die Thematik der grenzüberschreitenden Erwerbsmigration zu den wichtigsten
Aspekten der Zusammenarbeit gehört. Mit der Thematik der Grenzgänger und
des grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts beschäftigen sich in der Grossregion
verschiedene spezifische Institutionen mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen: Konkrete Dienstleistungs- und Beratungsangebote für Grenzgänger bietet
das Netzwerk EURES-Transfrontalier. Insgesamt gibt es in der Großregion zwei
EURES-T-Netzwerke. Wissenschaftliche Untersuchungen, Analysen und Handlungsempfehlungen mit Blick auf den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt erstellt die IBA. Dritte Säule ist die derzeit in Gründung befindliche Task Force
Grenzgänger, die sich um die Entwicklung von Lösungsansätzen für Rechtsfragen kümmern soll.
Eures-T ist eine spezielle Struktur der Europäischen Union, deren Aufgabe
die Förderung der Erwerbsfreizügigkeit in den Grenzgebieten ist. Sie wurde vor
32
15 ins Leben gerufen und so lange gibt es auch im Gebiet der Grossregion zwei
EURES-T-Netzwerke. Zu den wichtigsten Aufgaben von Eures-T gehört die Bürgerinformation über all jene Aspekte, mit denen die Bürger im Rahmen ihrer
grenzüberschreitenden Erwerbsfreizügigkeit konfrontiert sind, z.B.: soziale Sicherheit, Familienrecht, Steuerangelegenheiten, Bildung von Kindern und Jugendlichen, etc.
Die Aufgabe der IBA besteht darin, die interregionale Arbeitsmarktsituation
wissenschaftlich zu untersuchen, zu bewerten und politische Handlungsempfehlungen für die strukturelle Weiterentwicklung und stärkere Vernetzung des Arbeitsmarktes in der Grossregion vorzubereiten. Die IBA nutzt für Ihre Analysen
Daten der statistischen Ämter der Großregion und anderer statistischer Quellen,
etwa Eurostat, oder aber Daten der Arbeitsverwaltungen. Die IBA ist als Einrichtung einzigartig in Europa, keine andere europäische Region kann eine derart
intensive und tiefgehende Auseinandersetzung mit den Fragen des grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts aufweisen, was die besondere Bedeutung dieses
Themas für die Grossregion unterstreicht. Wie schon erwähnt, treffen in der
Großregion verschiedene nationale Systeme aufeinander, was auch Probleme
für derartige grenzüberschreitende Studien und Analysen mit sich bringt. Aufgrund unterschiedlicher nationaler gesetzlicher Regelungen sind die Daten aus
den unterschiedlichen Quellen leider nur bedingt miteinander vergleichbar, weshalb soweit als möglich auch auf Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat zurückgegriffen wird, die allerdings nur eingeschränkt für alle Teilregionen
der Grossregion zur Verfügung stehen. Allerdings hat die IBA in den nunmehr 10
Jahren ihres Bestehens Verfahren entwickelt, um mit dieser Problematik umzugehen. Neben einem Mix von Datenquellen nutzt sie u.a. qualitative eigene Untersuchungen zu ausgewählten Fragenstellungen für Ihre Analysen. Im Mittelpunkt des Konzepts der Task Force Grenzgänger in der Grossregion, die wiederum Teil eines Netzwerks ähnlicher Einrichtungen entlang der deutschen
Grenze sein wird, steht die Identifizierung aktueller Rechtsprobleme, die mit der
grenzüberschreitenden Erwerbsfreizügigkeit verbunden sind und die Erarbeitung von Lösungsansätzen. Es geht dabei also um die Systematisierung und die
Artikulation von Rechtsproblemen, die sich daraus ergeben, dass entlang der
nationalen Grenzen innerhalb der Grossregion unterschiedliche Rechtssysteme
aufeinanderstoßen. Für den Grenzgänger bedeutet dies, dass er aufgrund der
Tatsache, dass er in unterschiedlichen Nationalstaaten wohnt und arbeitet, mit
zum Teil unterschiedlichen oder gar widersprüchlichen Regelungen konfrontiert
sein kann. Aufgabe der Task Force Grenzgänger wird es nun sein, für diese Probleme, die sich aus den unterschiedlichen Rechtsregelungen ergeben, Lösungsansätze herauszuarbeiten und diese dann den zuständigen nationalen und europäischen Stellen vorzustellen, um sie für eine Änderung der betreffenden Regelungen zu sensibilisieren. Das Hauptziel dieser Bemühungen ist also die Einschränkung bzw. Eliminierung von bestehenden rechtlichen Barrieren und Hürden in diesem Bereich.
Gleichzeitig hob Herr Kuntz hervor, dass die Intensivierung der Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten zwar bereits zur Lösung vieler bestehender Probleme und zum Abbau von Barrieren geführt hat, wobei aber durch die Erschaffung
des EU-Rechtsystems und neuer nationaler Regelungen auch gleichzeitig eine
Reihe neuer Herausforderungen entstanden sind, die gerade die in den Grenzgebieten eingetretene Dynamik nicht berücksichtigen. In dieser Hinsicht haben
wir es mit einem hohen Grad an Komplexität bezüglich unterschiedlicher
Rechtsakte zu tun, die im Endergebnis die Zusammenarbeit in den Grenzgebie-
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ten erschweren. Dieser Zustand ist sicherlich nicht erfreulich, denn es kann doch
nicht sein, dass Menschen, die sich bewusst für eine grenzüberschreitende Erwerbsmigration entschieden haben, sich nun vor zusätzliche Probleme und Erschwernisse gestellt sehen.
Im Bezug auf die Arbeit der IBA, als einem Modell für eine Netzwerkkooperation, kann festgestellt werden, dass sich die Zusammenarbeit der beteiligten Institute, die seit Gründung der IBA, also seit gut 10 Jahren, in unveränderter Zusammensetzung gemeinsam arbeiten, sehr bewährt hat. Sie legen regelmäßig
ihre Analysen vor und führen ergänzende Projekte gemeinschaftlich durch. Ihren
Erfolg verdankt die IBA der konsequenten Befolgung aller Prinzipien, die in einer
Netzwerkstruktur Anwendung finden: Eines starken Engagements der kooperierenden Subjekte, klarer innerer Struktur, die der Koordination und der Zuweisung von Verantwortlichkeiten gegenüber den kooperierenden Seiten dient.
Ein weiteres wichtiges Element der Netzwerkkooperation ist ohne Zweifel die
Fachkompetenz der Partner, ebenso wichtig ist aber auch die interkulturelle
Kompetenz aller beteiligten Partner. Darunter ist die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit Personen zu verstehen, die unterschiedliche Vorgehensweise im Umgang mit Problemstellungen haben, die einen anderen Arbeitsstil besitzen. Es
bedeutet kurz gesagt Offenheit gegenüber dem Anderen und seine Einstellung
zu bestimmten Angelegenheiten oder Problemen.
Burkhardt Preißler: Die Herausforderungen und Probleme hinsichtlich der
Arbeitsmarktöffnung, die vom Vorredner dargestellt wurden, befinden sich noch
vor uns, dennoch sollte überlegt werden, welche der durch die Zusammenarbeit
bedingten, bestehenden Lösungen, angewandten Methoden und Mittel in unserem Gebiet genutzt werden könnten.
Karl Heinz Hofmann-Bohner, Verbandsdirektor in Regionalverband Hochrhein-Bodensee: In seinem Referat stellte er die Schwerpunkte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet im Hinblick auf die Raumplanung vor.
Im Bezug auf die durch die Vorredner dargebrachten Probleme, die mit dem
gegenseitigen Verständnis der Partner im Sinne mit der „gleichen Sprache“
sprechen zu können verbunden sind, strich er die bestehenden Barrieren heraus, die mit der unterschiedlichen Herangehensweise an viele Aspekte, mit dem
unterschiedlichem Verständnis und Interpretation desselben Datenmaterials und
mit dem Vorhandensein unterschiedlicher Strukturen, in Zusammenhang stehen. Er veranschaulichte dies am Beispiel eines Brückenbaus am Rhein zwischen Deutschland und der Schweiz, als nach 20 Jahren Planung, nach 5 Jahren seit dem Baubeginn und eigentlich in der abschließenden Bauphase die Ingenieure festgestellt haben, dass die von beiden Seiten aus gebauten Brückenteile sich in der Mitte nicht treffen werden, weil es einen Unterschied von 52 cm
gibt. Es stellte sich heraus, dass die deutschen Planer als Maßstab für die Nullhöhe die Nordsee und die Schweizer das Mittelmeer verwendet haben. Dieser
Irrtum beruhte auf der fehlenden Koordination der Maßnahmen in der Planungsphase. Schließlich wurde ein deutsch-schweizerisches Wörterbuch für Planer
entwickelt.
K.H. Hoffmann-Bohner wies auf die Notwendigkeit hin, bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit die kulturellen Unterschiede zu berücksichtigen.
In Anlehnung an eigene Erfahrungen zeigte er auf, dass z.B. die französische
Seite einen hohen Stellenwert den geschichtlichen und kulturellen Aspekten bei-
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misst, die deutsche Seite zeitigt eine eher analytische und systematische Herangehensweise, während die schweizerische Seite sich durch praktische Aspekte
leiten lässt: wie kann ein bestimmtes Gebiet hinsichtlich eines bestimmten Verwendungszwecks bewirtschaftet werden? Wenn wir dies alles berücksichtigen,
entsteht ein Bild, das zuvor Herr Kuntz gezeichnet hat, nämlich eine vollkommen
verschiedene Sichtweise auf ein Problem oder eine Aufgabe. Wesentlich scheint
also die Frage, in welcher Form werden eigene Erwartungen kommuniziert, wie
ist die Herangehensweise an ein konkretes Problem, welchen Ansatz verfolgen
unsere Partner? Seine eigenen Erfahrungen zeigten, dass sie zunächst 20 Treffen veranstalten mussten, bevor sie zum gleichen Nenner kommen konnten, um
dann Schritt für Schritt weitere Maßnahmen festzulegen.
Der Referent unterstrich die Tatsache, dass sie bei ihrer Zusammenarbeit versuchen sich weniger auf die Strukturen der Zusammenarbeit zu konzentrieren,
als vielmehr auf konkrete Maßnahmen und Projekte, bei denen verfügbare Finanzmittel der Gemeinschaftsinitiative INTERREG genutzt werden können. Es
sind zwar streng genommen nur Projekte aus dem Bereich der Raumbewirtschaftung, dennoch beziehen sie sich auf die Zusammenarbeit unterschiedlicher
Verbände und Vereinigungen, Schulen und Jugendlichen oder gar Kirchen.
Nachdem also ein solides Fundament der auf Projekten gestützten Zusammenarbeit errichtet wurde, konnten Schritte zur Gewinnung politischer Unterstützung
und der Strukturierung dieser Zusammenarbeit unternommen werden, die
schließlich die Form des Hohen Rheinausschusses angenommen hat. Es wurde
ein Büro eingerichtet, das sich mit Projektarbeit beschäftigt, es wurde ein Vorstand gewählt und heute arbeitet dieses Gremium vollkommen eigenständig.
In Anknüpfung an die von Herrn Kuntz besprochenen Kooperation von Facheinrichtungen, die den Arbeitsmarkt überwachen, haben sie den Versuch unternommen eine Struktur einzurichten, die es erlauben würde die Entwicklung im
Bereich der Raumplanung im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet zu überwachen. Ziel dieser Maßnahmen ist die Erhebung von nur den Daten, die von Bedeutung für das Treffen entsprechender Übereinkünfte im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind. Zu den weiteren Zielen gehören die
Reduktion von unnötigen Daten sowie gleichzeitig die Einrichtung eines Datenund Informationenaustauschsystems, zu dem andere interessierte Subjekte Zugang haben werden. Vor diesem Hintergrund führte er das Beispiel eines Projekts an, bei dem 16 Partner, sowie nahezu 1000 Gemeinden aus dem Gebiet,
das Deutschland, die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein umfasste, teilgenommen haben.
Er führte einige Punkte auf, die nach seiner Meinung hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Erwägung gezogen werden sollen:
1) Grenzen als Chancen wahrnehmen;
2) Projekte als Möglichkeit zur Umsetzung konkreter Maßnahmen wahrnehmen.
In diesem Sinne wird durch die Projektumsetzung eine „gemeinsame Sprache“ gefunden und es geht hierbei nicht nur um den Bereich der Raumplanung, aber um einen breiteren Kontext der Zusammenarbeit und Kooperation;
3) grenzüberschreitende Zusammenarbeit funktioniert nur dann, wenn das
Prinzip „win – win“ Anwendung findet;
4) unter grenzüberschreitender Kompetenz kann auch das Interesse an dem,
was beim Nachbar passiert, wie betrachtet er die uns wichtigen Probleme
und Themen, verstanden werden;
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5) im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit sollte die Eigenart bewahrt
werden;
6) wirtschaftliche Missverhältnisse können eine Chance bedeuten und zwar in
diesem Sinne, dass die Bürger der einen und der anderen Seite davon in
einer bestimmten Weise profitieren;
7) grenzüberschreitende Zusammenarbeit schafft die Möglichkeit kreativer
Aktivität und trägt zur Intensivierung der Zusammenarbeit bei;
8) Grenzen müssen offen sein und gleichzeitig sollten die an den Grenzen
bestehenden Unterschiede als Chancen betrachtet werden.1
Marek Tałasiewicz: In Anknüpfung an das vorgetragene Referat bestätigte
er, dass der Aspekt der Kohäsion eine Herausforderung bleibt. Gleichzeitig wies
er auf Maßnahmen hin, die im deutsch-polnischen Grenzgebiet Anfang der 90er
Jahre unternommen wurden, als das erste Übereinkommen zwischen der Wojewodschaft Szczecin und Mecklenburg-Vorpommern über den Bau einer Bahnverbindung von Szczecin nach Pasewalk, unterzeichnet wurde (II.1991).
Karl Schneider, Leiter der Wirtschaftsstatistiken, Referent für Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Umweltstatistiken, Saar-Lor-Lux-Koordination im Statistischen Landesamt von Saarland: Stellte eine der sehr spezifischen Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vor, nämlich die Zusammenarbeit im Bereich der amtlichen Statistik. In diesem Bereich arbeiten die
Partner im Gebiet der Großregion seit 35 Jahren zusammen.
Ein wesentliches Problem bleibt nach wie vor das Fehlen klarer rechtlicher
Grundlagen für eine solche Zusammenarbeit, sowie Unterschiede in der Methodik, der Systematik, den Begriffsbestimmungen und in den Prozeduren. Als Ergebnis der regelmäßig stattfindenden Treffen der Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Thema befasst, konnten allgemeine Prinzipien zum Vergleich verfügbarer
Daten herausgearbeitet werden. Herr Schneider wies gleichzeitig darauf hin,
dass die Präsentation regionaler Daten, deren Erhebung und Verarbeitung auf
der EU-Ebene harmonisiert sind, einfacher sei als bei den Daten, bei denen entgegengesetzte nationale Interessen eine Rolle spielen, wie z. B. Arbeitsmarkt,
Gesundheit, Finanzen, Steuern oder Aspekte der Sozialpolitik.
Zu den Hauptnutzern der erhobenen und aufbereiteten Daten gehören Ministerien, regionale Politiker, Unternehmer, Lehrer oder Studenten. Großes Interesse findet auch die Webseite, wo zahlreiche Tabellen mit langen Zeitreihen in
einer großen Datenbank dargestellt werden.
Im Rahmen der langjährigen Zusammenarbeit konnte eine Reihe von Statistikveröffentlichungen über Demografie, Wirtschaft, Umwelt, Arbeitsmarkt oder
grenzüberschreitende Berufspendler publiziert werden. Mehrheitlich wurden diese Projekte aus INTERREG-Mitteln finanziert.
Marek Tałasiewicz: stellte fest, dass Statistik ein Abbild der Vergangenheit
ist. Unsere Herausforderung, die die Kollegen aus der Grossregion erfolgreich
gemeistert haben, ist die Verwendung dieser statistischen Daten zur Zukunftsplanung, der Prognose in welcher Richtung sich beispielsweise das Schulwesen
oder der Arbeitsmarkt entwickeln wird, um dann entsprechende Entscheidungsfindung vornehmen zu können.
1
der Vortrag wurde nicht autorisiert
36
Gleichzeitig wies er auf das Problem der Vergleichbarkeit der Daten und ihrer
Interpretation hin. Oft werden nämlich vollkommen verschiedene Dinge gleich
benannt. Es besteht weiterhin das Problem mit den EU-Statistikeinheiten und
der Tatsache, dass beispielsweise das Stettiner Metropolengebiet (SMG) sich
mit keinem anderen solchen statistischen Gebiet deckt. In der Zukunft soll eine
Zusammenarbeit zwischen den polnischen und den deutschen Statistikämtern
aufgenommen werden, um glaubwürdige Daten für das SMG, aber auch für das
gesamte polnisch-deutsche Grenzgebiet zu gewinnen.
Peter Heise, Geschäftsführer der Kommunalgemeinschaft Europaregion
POMERANIA e.V.: Am Anfang seines Referats führte er grundlegende Daten bezüglich der Euroregion Pomerania an. Er wies gleichzeitig darauf hin, dass die
Zusammenarbeit im polnisch-deutschen Grenzgebiet grundsätzlich anders
strukturiert ist, wie die im vorangegangenen Beitrag zur Saar Lor Lux Region.
Er knüpfte an die Anfänge der Zusammenarbeit an, und zwar an den Zeitraum vor dem EU-Beitritt Polens, als die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
und insbesondere Projekte aus dem Bereich der Infrastruktur, Verkehr oder Gesellschaft noch aus den Phare CBC Programmen finanziert wurden. Er unterstrich dabei, dass die Euroregion Pomerania als letzte im polnisch-deutschen
Grenzgebiet entstanden ist.
Er wies auf Beispiele guter Netzwerkkooperation im Gebiet der Euroregion
Pomerania hin und stellte zwei Projekte vor.
Das erste Projekt „Telemedizin in der EUROREGION POMERANIA“ wurde
aus den INTERREG-Mitteln finanziert und in der Zusammenarbeit mit medizinischen und akademischen Kreisen durchgeführt. Gegenstand dieses Projekts
war die Einrichtung eines Datenaustauschnetzes zwischen verschiedenen medizinischen Einrichtungen. Auf diese Weise werden Patientendaten, je nach Bedarf, an die Fachabteilungen geschickt, damit sie dort für medizinische Untersuchung vorliegen. Der Leitgedanke dieses Projekts ist die Feststellung, dass Daten von einer Stelle zur anderen wandern sollen und nicht die Patienten. Am Projekt nehmen 34 Partner teil und sein innovativer Aspekt besteht im elektronischen Datentransfer. Dieses Projekt wurde im Jahre 2007 durch EU-Institutionen
als musterhaft im telemedizinischen Bereich ausgezeichnet.
Das zweite Projekt, das von Herrn Heise angeführt wurde, betrifft die Einrichtung von „Service- und BeratungsCentren in der EUROREGION POMERANIA“,
es bezieht sich auf die unterstützende Arbeit für insbesondere Klein- und Mittelständische Unternehmen. Die im Projektrahmen durchgeführten Maßnahmen
sollen vor allem die Zusammenarbeit für kleine und mittlere Unternehmen durch
den Aufbau eines Kooperationsnetzwerks erleichtern. Zu diesem Zwecke wurden Beratungszentren auf polnischer und deutscher Seite eingerichtet, zu deren
Aufgaben die Partnervermittlung, Organisation von Treffen und Kooperationsbörsen, etc. gehört. In dieser Hinsicht wies er außerdem auf die in Löcknitz eingerichtete Kontakt- und Beratungsstelle hin, die anders als bei den vorhin angeführten Zentren, auch Beratungsdienste für physische Personen aus Polen und
Deutschland leistet.
Vor dem Hintergrund einer Reihe von Herausforderungen hat Herr Heise die
Absichten der EUROREGION POMERANIA hinsichtlich der Gründung des Europäischen Verbunds für Territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) vorgestellt und besprochen.
Er wies darauf hin, dass es im deutsch-polnischen Grenzgebiet keine vergleichbaren Regelungen, wie etwa der Vertrag von Karlsruhe, gibt, die größere
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Handlungsmöglichkeiten im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verschaffen würden. Er hob hervor, dass bereits Schritte zur Gründung des
EVTZ unternommen worden sind. Zurzeit wird das Statut dieses Verbunds erarbeitet, das Ende des Jahres vorgestellt werden wird. Eines seiner Hauptziele ist
die selbständige Verwaltung der Finanzmittel im Rahmen der INTERREG-Initiative. Die Antragstellung und damit die Übernahme der Verwaltung des INTERREG
IVA-Programms wird im Jahre 2012 erfolgen.
Gleichzeitig schlug er eine Zusammenarbeit im Bereich der Raumplanung
vor, wobei er anmerkte, dass dies durch die Möglichkeiten der Gründung eines
EVTZ erleichtert worden ist. Nach seiner Meinung könnte Szczecin das Zentrum
dieser Zusammenarbeit bilden.
Zum Schluss hat er noch zahlreiche Projekte aus den Bereichen Sport, Bildung, Kultur und Jugendarbeit, die im Gebiet der Euroregion Pomerania durchgeführt werden, vorgestellt. Kritisch bemerkter er, dass für die Akteure vor Ort
eine bedeutend stärkere Einbeziehung erfolgen sollte. Erfahrungen anderer Regionen sollte man stets nutzen, die Umsetzung von Strategien und Entwicklungen erfolge jedoch vor Ort mit den entsprechenden Akteuren
Marek Tałasiewicz: knüpfte an die Rede des Herrn Heise an, indem er zeigte, dass die Euroregion Pomerania zwar als letzte geschaffen wurde, aber das
Konzept der Zusammenarbeit als erstes entstanden ist. Die Gründung der Euroregion war eine Antwort auf den damaligen sog. Stolpe-Plan, der im März 1991
in Szczecin und Warschau vorgestellt wurde.
Vor dem Hintergrund des vom Vorredner vorgestellten Konzepts der Einrichtung des EVTZ stellte er fest, dass die polnische Seite zu dieser Initiative Stellung nehmen wird, weil die deutsch-polnischen Beziehungen immer enger werden.
Der Aspekt der fehlenden Anpassung von Entscheidungsstrukturen ist ohne
Zweifel eine große Barriere. Gleichzeitig unterstrich er, dass an die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit einem verbindlichen Charakter schon vor 15
Jahren gedacht wurde. Als Beispiel dafür, stellte er Maßnahmen aus dem Bereich der Raumplanung vor: Deutsch-Polnischer Plan zur Bewirtschaftung des
Oderstreifens, bei dem polnische Wojewodschaften und deutsche Bundesländer
teilgenommen haben. Da Mecklenburg-Vorpommern dabei nicht teilgenommen
hat, wurde der Plan jedoch verworfen. Er zeigte noch andere Initiativen aus der
Vergangenheit auf, wie z.B.: der Landschaftsschutzpark Unteres Odertal, oder
die Deutsch-Polnische Wirtschaftsgesellschaft, als eine Antwort auf den misslungenen Versuch die deutsch-polnische Förderbank für das Grenzgebiet zu gründen.
Er stellte klar heraus, dass diese Zusammenarbeit nicht von Null auf beginnt.
Viele Dinge müssen neu überdacht, verifiziert und an die neuen Verhältnisse angepasst werden. Ein Teil der Initiativen konnte damals nicht realisiert werden,
heute besteht eventuell diese Möglichkeit wieder.
Er führte das Problem der Anerkennung polnischer Abiturabschlüsse an. Die
Schulsysteme auf beiden Seiten der Grenze sind ohne Zweifel kohärent und entsprechend an die jeweiligen Verhältnisse angepasst, aber wenn sie miteinander
konfrontiert werden, kommen viele Diskrepanzen und Ungenauigkeiten zutage.
Sehr deutlich sieht man dies beim Betrachten der Raumordnungspläne, wo alle
bisherigen Pläne nur das eigene Gebiet berücksichtigen, im Nachbargebiet herrschen jedoch Leere und Datenmangel. Nach seiner Meinung müsste eine gemeinsame Vorstellung von diesem Gebiet entwickelt werden.
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Er erinnerte ebenfalls daran, dass jede sinnvolle Handlung, damit sie effektiv
ist, auf folgenden drei Aspekten gestützt werden muss: 1) man muss handeln
wollen, 2) man muss wissen wie und 3) man muss es können, d.h. über entsprechende Kompetenz verfügen.
Stanisław Dendewicz, Direktor des Regionalen Büro für Raumwirtschaft
der Wojewodschaft Zachodniopomorskie: brachte zum Ausdruck, dass die
Euroregion Pomerania als Gebiet sich gut für einen Raumordnungsplan eignet.
Insbesondere im Hinblick auf die Aktualisierung der Raumpolitiken. Gleichzeitig
erklärte er sich zu einer weitgehenden Zusammenarbeit in diesem Gebiet bereit.
Bei der Aktivität im Rahmen der Euroregion bedürfen solche Handlungen keine weitgehenden Übereinkommen auf Regierungsebene, die Arbeiten könnten
im Rahmen des Ausschusses für Raumordnung der Deutsch-Polnischen Regierungskommission geführt werden. Der Handlungsbedarf besteht u.a. darin, dass
der Raumordnungsplan der Wojewodschaft Zachodniopomorskie an ihrer Westgrenze abrupt endet, ein weiteres Argument ist z.B. das fehlende Raumordnungsstudium des Stettiner Metropolengebiets (SMG) hinsichtlich seines Einflusses und Einwirkung auf vielen Ebenen auf die deutsche Seite.
Gleichzeitig wies er auf das Oder-Regio-Studium hin, das nach seinem Dafürhalten die einzige planerische Veröffentlichung bezüglich des deutsch-polnischen Grenzgebiets ist, bei der eine planerische Synthese der festgestellten Situation im Hinblick auf ihren grenzüberschreitenden, ja sogar transnationalen
Charakter vorgenommen wurde, und zwar wegen der Mehrstufigkeit der vereinbarten Übereinkünfte auf Kartenunterlagen 1:50000, die für den gesamten Odereinzugsgebiet integriert wurden.
Ähnliche Maßnahmen sollen im Rahmen des geplanten OdraAxisConnect
Projekt durchgeführt werden.
Dr. Carola Schmidt: Bestätigte in ihrem Vortrag die Begrenztheit der Raumordnungspläne in Mecklenburg nicht nur gegenüber dem polnischen Nachbarn,
sondern auch gegenüber andern deutschen Bundesländern. Dies rührt ohne
Zweifel aus den Kompetenzbeschränkungen her. Gleichzeitig sieht sie den Bedarf zur Erarbeitung eines planerischen Konzepts für die Euroregion Pomerania,
das unter der Schirmherrschaft des Deutsch-Polnischen Ausschusses für Raumordnung entstehen könnte.
Im Hinblick auf die Möglichkeit der Erarbeitung eines Raumordnungsstudiums für das SMG unter Berücksichtigung der deutschen Seite, wies sie auf die
bereits ausgearbeitete Untersuchung aus dem Jahre 2000 hin, die als Ausgangspunkt für eine weitere Diskussion dienen könnte.
Paweł Warszycki (Universität Rostock): In seinem Referat stellte er die
grundlegenden Trends in der Weltwirtschaft vor, die für die Tätigkeit auf regionaler Ebene von Bedeutung sind und schlug vor diesem Hintergrund die Errichtung eines Netzes von Untersuchungszentren im baltischen Raum vor.
Herr Warszycki führte folgende große Wirtschaftstrends auf: 1) Umwandlung
der Wirtschaft von der nationalen Ebene hin zur globalen und regionalen Ebene;
2) unkontrollierter Kapitalfluss, der nicht geographisch an eine bestimmte Region gebunden ist; 3) Vorhandensein von immer mehr Globalplayern, deren Budgets oft die Haushalte ganzer Volkswirtschaften übersteigen, was ihnen die
Möglichkeit verschafft, Einfluss auf die Entwicklungsrichtung von Regionen zu
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nehmen; 4) die Tatsache, dass die Auflösung solcher Volkswirtschaften, wie die
der ehemaligen Sowjetunion, heute keine regionale Bedeutung mehr besitzt.
Sehr wichtig bleiben nachwievor die Folgen demographischer Veränderungen auf die Arbeitsmärkte. Zum einen gibt es negatives Bevölkerungswachstum
bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung, was sich sicherlich auf die Staatshaushalte auswirken wird, zum anderen wird ein immer größerer Humankapitalfluss beobachtet, der ebenfalls nicht geographisch gebunden ist.
Ein weiterer wichtiger Trend ist die Gestaltung wissensbasierter Volkswirtschaften. Regionen, deren Wirtschaft auf natürlichen Ressourcen gestützt sind,
spielen nachwievor eine große Rolle, jedoch darf nicht vergessen werden, dass
Innovation und Wissen nicht gänzlich regional gebunden sind, was eine Chance
für die Regionen darstellt, die über keine natürlichen Ressourcen verfügen.
In diesem Zusammenhang brachte er die von R. Floryde aufgestellte These
von den drei T vor: Toleranz, Talente, Technologie. Sie besagt, dass in einem
toleranten und freundlichen Umfeld lassen sich Talente nieder und dass diese
Menschen fähig sind neue Lösungen und Technologien zu entwickeln. Die
Schlüsselaufgabe besteht also in der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen für diese Personen.
Wenn dies in den Bereich der Gestaltung neuer Lösungen und der auf Untersuchungen basierenden Entscheidungsfindung übertragen werden soll, so ist
dabei die Funktionsweise der sog. Think-Tanks hervorzuheben und er stellte ein
Konzept für die Errichtung eines Netzwerks von solcher Untersuchungseinrichtungen vor.
Es sind Einrichtungen, die auf der Ebene der Entwicklung von Lösungen tätig
sind und die im Stillen neueste Trends, Prozesse und Erscheinungen im globalen,
nationalen und regionalen Maßstab untersuchen, um anschließend mögliche Lösungen und Handlungsempfehlungen anzubieten. Die Effektivität der vorgestellten Analysen durch solche Einrichtungen hängt im großen Maße von der Zusammenarbeit der Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ab. Die Kooperation von Akteuren aus diesen drei Bereichen vergrößert die Wahrscheinlichkeit optimale Entscheidungsfindung vorzunehmen. Es handelt sich dabei um Entscheidungen, bei
denen das Risiko minimiert und deren Folgen gründlich durchdacht wurden.
Das Projekt, das die Erschaffung eines solchen auf Think-Tanks basierenden
Kooperationsnetzwerks vorsieht, wird nicht nur zur Aufgabe haben den Ist-Zustand zu untersuchen, es sollte auch auf der Grundlage der gewonnenen Informationen neue Lösungen und eventuelle Auswege aus schwierigen Situationen
aufzeigen.
Marek Tałasiewicz: hob hervor, dass die Entscheidungsfindung dazu führt,
eine Auswahl aus mehreren bekannten Varianten zu treffen. Die Rolle eines solchen Think-Tank wäre somit die Darlegung von Lösungsansätzen, die für die
Entscheidungsträger im gegebenen Augenblick unbekannt sind. Gleichzeitig hat
er unterstrichen, dass die Entscheidungsfindung nicht ohne entsprechender, gesellschaftlicher Akzeptanz möglich ist. Zum Aufgabenspektrum einer solchen
Einrichtung gehört also auch die Methodenwahl für die Umsetzung einer entsprechenden Entscheidung. Dabei geht es vor allem um die weniger beliebten
und schwierigen Entscheidungen, die jedoch wichtig sind und sich längerfristig
als vorteilhaft erweisen werden.
Karl Heinz Hofmann-Bohner: knüpfte an das durch den Vertreter des Regionalen Büros für Raumplanung der Wojewodschaft Zachodniopomorskie vorge-
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stellte Deutsch-Polnische Raumplanungs-Informationssystem D-P-Plis an und
zeigte auf, dass ein ähnliches Projekt bereits im deutsch-schweizerischen
Grenzgebiet durchgeführt wird.
Nach seiner Einschätzung führen diese Maßnahmen zur Erhebung eines umfangreichen Datenmaterials mit Tendenz zur Gewinnung von noch mehr Daten.
Vor dem Hintergrund dessen, was eingangs über den Entscheidungsfindungsprozess gesagt wurde, unterstrich er die große Herausforderung, die darin besteht, die Verarbeitung und synthetische Darstellungsweise zwecks Übertragung
von Lösungsansätzen auf die Ebene politischer Entscheidungsfindung vorzunehmen.
Nach seiner Meinung soll der Weg verfolgt werden, sich auf 5 bis 10 für die
Entscheidungsfindung relevante Bereiche zu beschränken, wodurch ihre Verständlichkeit für die Bürger gewahrt werden würde. Er sprach sich für eine Vereinfachung und Reduzierung aus, damit die oft komplexen thematischen Bereiche allgemein verständlich bleiben.2
Dr. Lothar Kuntz: Nach seiner Meinung ist es wichtig, die Komplexität unterschiedlicher Daten zu reduzieren, was aber problementsprechend erfolgen soll,
wobei die Lösungsansätze unter Berücksichtigung der Auftraggeberbedürfnisse
präsentiert werden sollen. Er hob auch hervor, dass bei der Zieldefinition und
der Gestaltung der gesamten Projektdurchführung jene Aspekte berücksichtigt
werden müssen, die vor dem Hintergrund der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit konkrete Vorteile nach sich ziehen.
Dr. Martin Niedermeyer: Nach seinem Dafürhalten liegt der Schlüssel für die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Teilnahme der Bürger an diesem
Prozess. Wenn die Bürger ein höheres Engagement seitens der Politik im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erwarten, wird dies ohne
Zweifel die Maßnahmenumsetzung nicht nur auf der nationalen sondern auch
auf der europäischen Ebene erleichtern. Dadurch würde das Thema der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit einen neuen Stellenwert erlangen.
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III Diskussionsblock: Kultur
Titel: Europäische Kulturhauptstadt als integrierendes Element, das
Einfluss auf die Entwicklung des Grenzgebiets ausübt
Leitung: Marek Sztark – EKH – Beauftragter des Stadtpräsidenten von Szczecin und Klaus Hirsch – Tabakfabrik Vierraden
Marek Sztark: bei der Einleitung der Panelrunde zum Thema „Kultur“, stellte
er das in drei Sitzungen unterteiltes Programm des Treffens vor:
1. Vorträge der Gäste aus Luxemburg, die ihre Erfahrungen hinsichtlich der
Veranstaltungen im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Luxemburg
vorstellen. Eine Diskussion, die durch Herrn Klaus Hirsch moderiert wird.
2. Fallstudie im Rahmen des Projekts „Transkultur“, das in Partnerschaft mit
dem Kunstzentrum Schloss Bröllin, dem Theaterzentrum „Kana“ und der
Expo Szczecin Gesellschaft durchgeführt wird. Das Projekt wird durch Frau
Teresa Walde vorgestellt.
3. Präsentation erster öffentlicher Schlussfolgerungen aus den Untersuchungen
im Rahmen des Projekts „Kulturobservatorium“, das durch die Stiftung für
Kultur und Sport „Prawobrzeże“ unter der Bezeichnung „Kulturdiagnose in
Szczecin“ durchgeführt wurde. Vortrage von Herrn Dr. Marek Gorzko.
Nach der Pause:
1. Diskussion über die Schlussfolgerungen aus den Untersuchungen im Rahmen der Stettiner Kulturdiagnose
2. Vortrag des Herrn Wojciech Kłosowski, der den strategischen Ansatz bei den
Vorbereitungen für die Bewerbung Szczecins um den Titel der Europäischen
Kulturhauptstadt im Jahre 2016 vorstellt.
Dunia Sinno, Regionalkoordinatorin für grenzüberschreitende Kulturprojekte, Kulturministerium Luxemburg: Sie stellte in ihrem Referat eine Fallstudie
bezüglich der Veranstaltung der Europäischen Kulturhauptstadt vor, die im Jahre 2007 organisiert wurde. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Initiative,
wurde die Kulturhauptstadt nicht nur von einer Stadt, sondern von Luxemburg
gemeinsam mit den angrenzenden Teilregionen der Großregion durchgeführt.
Dunia Sinno stellte die Großregion (11 Mio. Einwohner, 65.000 km?) vor, die fünf
miteinander kooperierende Teilregionen (das Saarland, Rheinland-Pfalz, Wallonien, Lothringen und Luxemburg) im Grenzgebiet von Deutschland, Frankreich,
Luxemburg und Belgien umfasst.
Aus ihrer eigenen Erfahrung als Koordinatorin der grenzüberschreitenden
Projekte 2007 erläuterte sie, dass die Organisation von grenzüberschreitenden
Kulturprojekten innerhalb eines solch komplexen Gebiets eine strukturierte Zusammenarbeit erforderte. In Luxemburg wurde die Hauptkoordinationszentrale,
in den übrigen Teilregionen wurden Satelliten als regionale Koordinationsstellen
in den entsprechenden Kulturministerien der teilnehmenden Partner eingerichtet. Zu den Aufgaben dieser Satelliten gehörten die Koordination der regionalen
Maßnahmen und die Begleitung der Projekte und der Kulturschaffenden. Unter
Berücksichtigung der jeweils regionalen politischen und geschichtlichen Besonderheiten, sollte jede Teilregion ein Hauptthema behandeln:
Saarland – Industriekultur, Rheinland-Pfalz – Europäische Persönlichkeiten,
Lothringen – Kultur und Erinnerung, Wallonien – Moderne Kunst und ihre Ausdrucksform, Luxemburg – Migrationen.
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Parallel wurden weitere, eher allgemein gehaltene Unterthemen definiert, um
den Teilregionen eine größtmögliche Flexibilität bei der Umsetzung ihrer Projekte zu gewährleisten.
Den Titel Europäische Kulturhauptstadt erhielt die Stadt Luxemburg zum ersten Mal bereits im Jahre 1995. Während der Durchführung dieses Kulturjahres,
konnten die Luxemburger Behörden von der Notwendigkeit eines zusätzlichen
Finanzierungsbedarfs und der Schaffung einer zusätzlichen kulturellen Infrastruktur überzeugt werden, so dass der kulturelle Grundstein für die Zukunft gelegt wurde. Es entstanden nach und nach zusätzliche kulturelle Zentren, wie z.B.
die Philharmonie, die Abtei Neumünster, das MUDAM und viele andere Kultureinrichtungen.
Als Luxemburg sich 2000 um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt
2007 bewarb, schlug der Luxemburger Premierminister Jean Claude Junker seinen Kollegen aus den benachbarten Teilregionen vor, sie bei der Bewerbung
um den o.g. Titel einzubeziehen. Sie stimmen zu und gaben damit einen wichtigen Impuls für den kulturellen und grenzüberschreitenden Aspekt.
In der Vorbereitungsphase der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 wurde
zunächst ein vorläufiges Programm erstellt das dazu diente, die Aufmerksamkeit
der Einwohner der Großregion für dieses Ereignis zu gewinnen. Es wurden Informationsbroschüren zu den kulturellen Ereignissen und den Veranstaltungsorten
herausgegeben. Gleichzeitig wurden auch neue Kulturstandorte beworben, die
eigens für das Kulturjahr 2007 als Veranstaltungsorte her- und eingerichtet wurden (Rotunden, alte und leer stehende Industrie- und Gewerbegebäude).
Bei der Organisation von grenzüberschreitenden Projekten stand u. a. im
Vordergrund, die Mobilität der Besucher, der Künstler und der Werke zu erhöhen. Die Besucher sollten angespornt werden, Bestandteile eines Gesamtprojekts auch in den Nachbarregionen zu besichtigen. Zudem wurde darauf geachtet, dass jede der Partnerregionen die Gelegenheit bekam, für sie bedeutende
Themen einzubinden. Bei den interregionalen Projekten wurde versucht, die
Vielfalt der Themen und der Ausdrucksform der kulturellen Veranstaltungen zu
berücksichtigen. Eine besondere Form die Einwohner für die Kultur zu gewinnen, waren die vier saisonalen Feste im öffentlichen Raum (kostenlose Paraden,
Konzerte, Installationen…). Eine der wichtigsten Zielgruppen für die grenzüberschreitenden Initiativen waren die Jugendlichen. Ziel der Initiativen waren integrierende Maßnahmen (Theater/ Musical, klassische Konzerte, Chöre…).
Eine große Herausforderung bei der Organisation der gesamten Feierlichkeiten im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 war das Fehlen eines
gemeinsamen Budgets. Mit dem Territorialitätsprinzip stellte jede Teilregion ein
eigenes Budget für die grenzüberschreitenden Projekte zu Verfügung, über deren Zuschussregelung nur sie selber entscheiden konnten. Dies führte dazu,
dass die Teilregionen sich bei der Kofinanzierung eines jeden grenzüberschreitenden Projekts neu abstimmen mussten und damit zum einen oftmals Kompromisse eingegangen wurden, um ein Projekt zu realisieren bzw. zum anderen bedeutete es, dass einige Projektpartner wegen einer fehlenden Kofinanzierung
von einer Projektbeteiligung absehen mussten.
Projekte, die im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 durchgeführt wurden, mussten neben der Garantie einer hohen Qualität des Projekts, folgende Kriterien erfüllen: sie mussten zur Bewerbung der Großregion beitragen,
nachhaltig sein, einen grenzüberschreitenden und multidisziplinären Charakter
haben und zur Professionalisierung der Kulturschaffenden beitragen.
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Die von Luxemburg in ihrer neuen Form organisierte Veranstaltung der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 führte dazu, dass das gesamte Vorhaben nicht
nur einen kurzfristigen Charakter hatte. Bereits im Herbst desselben Jahres sprachen sich die Kulturminister der Teilregionen dafür aus, die koordinierte kulturelle grenzüberschreitende Zusammenarbeit fortzusetzen und zu fördern. Es entstand der Verein „Espace Culturel Grande Région“ (www.espaceculturelgr.eu)
und es wurde ein grenzüberschreitendes Kulturportal (www.PLURIO.net) eingerichtet, das zu einer wichtigen kulturellen Informationsplattform in der Großregion wurde.
Es wurde beobachtet, dass durch einen intensiven Erfahrungsaustausch vor
während und nach der Europäischen Kulturhauptstadt 2007, tatsächlich eine
Professionalisierung der Kulturschaffenden erfolgen konnte.
Durch das durchgängig zahlreiche und qualitative Angebot an Projekten
während des Kulturjahres und durch die Partnerschaft mit den öffentlichen Verkehrsanbietern gelang es, die Mobilität der Besucher, der Künstler und der Werke zu erhöhen. Zudem hat man erkannt, dass die Kultur ein wichtiger Faktor für
die wirtschaftliche regionale Entwicklung sein kann und gefördert werden sollte.
Es sollte hinzugefügt werden, dass auch die internationale Presse auf die in
der Großregion durchgeführten Veranstaltungen aufmerksam wurde.
Laut Dunia Sinno haben die im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt
2007 durchgeführten Vorhaben in ihrer Gesamtheit zur Verbesserung der Lebensqualität der Einwohner der Großregion beigetragen, einen Informationsund Erfahrungsaustausch zwischen den Kulturakteuren ermöglicht, die Verantwortlichen im Bereich Kulturpolitik sensibilisiert und die Wahrnehmung der
Großregion als europäische Kulturregion verbessert.
Uschi Macher, Leiterin des Referates Internationales und EU-Angelegenheiten im Ministerium für Bildung, Familie, Frauen und Kultur von Saarland:
In Ihrem Vortrag erläuterte sie die zahlreiche Herausforderungen, die mit den unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen und Kompetenzbereichen im Rahmen
der Zusammenarbeit von fünf Partnern in vier Ländern, verbunden sind. Nach
Meinung von Frau Macher hat diese Tatsache die Kulturschaffenden und die
Verwaltungen zu „Meistern“ der Problemlösung im rechtlichen und verwaltungstechnischen Bereich gemacht. In ihrem Referat stellte sie die Entstehungsgeschichte der institutionellen Kulturzusammenarbeit vor. Sie unterstrich, dass die
60er und die 70er Jahre durch Abkommen zwischen Deutschland, Frankreich
und Luxemburg die Regionalkommission mit Arbeitsgruppen unter anderen eine
im Bereich der Kultur eingerichtet. In den 80er und 90er Jahren kam es dank der
finanziellen Unterstützung der INTERREG-Initiative zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Institutionen, Hochschulen, Verbänden und Vereinen sowie zu
ersten grenzüberschreitenden Veranstaltungen wie z.B. das SaarLorLux Filmund Videofestival und das SaarLorLux Orchester.
Der Durchbruch im Rahmen dieser Zusammenarbeit erfolgte 1988, als es zur
Erarbeitung einer Charta für kulturelle Zusammenarbeit kam, die entsprechende
Ziele und Maßnahmen für alle Partner vorgab. Sie wurde zwei Jahre lang vorbereitet.
Weitere wichtige Projekte sind „Die Straße des Friedens“ zwischen Paris und
Moskau“, die Einrichtung eines gemeinsamen Jugendchores, aber auch die
Stärkung der Zusammenarbeit der Museen. Im Rahmen der 150 grenzüberschreitenden Projekte der EKH gab es sowohl die oben genannten bestehenden
Projekten als auch neue, speziell konzipierten Projekte.
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Als Folge der im Rahmen der EKH begonnen Zusammenarbeit haben alle
Kulturministerien der Großregion einen Verein (e.V.) gegründet, dessen Ziel es
ist, die Stärken der Großregion durch eine durchdachte und koordinierte Kulturpolitik zu stärken und Schwächen auszugleichen. Darüber hinaus führte Frau
Macher an, dass die Förderung der interkulturellen Kompetenz und der Zweisprachigkeit sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region auswirken wird. In dieser Hinsicht gehört zu den wichtigsten Zielen der Vereinigung die
Förderung der Mobilität der Künstler und Kulturschaffenden aber auch der Einwohner der Region. Die Arbeitsstruktur des Vereins besteht aus einem Verwaltungsrat, einem Koordinator für jede der teilnehmenden Regionen, einem gemeinsamen Sekretariat (dessen Arbeit durch die INTERREG-Initiative finanziert
wird). Um die wichtigsten Schwerpunkte der Zusammenarbeit zu definieren wird
jedes Jahr eine Konferenz der Kulturminister der Großregion organisiert.
Die Hauptbetätigungsfelder der Vereinigung sind folgende: grenzüberschreitende Projekte, Förderung der Netzwerkkooperation, Förderung der interkulturellen Kompetenz, Unterstützung der Kulturakteure sowie die Verbindung der
Kultur mit anderen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens.
Ein wichtiges Instrument der kulturellen Zusammenarbeit der Partner ist das
o.g. Internetportal Plurio, das über einen Kulturveranstaltungskalender für das
gesamte besprochene Gebiet verfügt und eine Plattform für die Zusammenarbeit
unterschiedlicher kultureller Institutionen bietet.
Dariusz Mikuła, Direktor des Theaters „Kana“: fasste die Präsentation des
Projekts „Transkultura“ zusammen. Das Projekt „Transkultura“ hatte u.a. die
Überwindung der Sprach-, Unwissenheits- und Verkehrsbarrieren durch die gemeinsame Information hinsichtlich der stattfindenden kulturellen Ereignisse zum
Ziel. Es wurden Informationen auf Flugblättern, Internetseiten, Katalogen in polnischer, deutscher und englischer Sprache veröffentlicht. Die Informationen bezogen sich nicht nur auf die kulturellen Veranstaltungen des Schlosses Bröllin
und des „Kana“-Theaters, sondern auch auf Veranstaltungen der während des
Projekts gewonner Partner. Der Informationsaustausch bestand in der Distribution von Werbematerial innerhalb der gesamten Euroregion. Als Antwort auf die
Verkehrsbarrieren wurden Busfahrten und Gästetransport organisiert. Ziel dieser
Maßnahmen war die Aktivierung von Menschen, damit sie an wichtigen Veranstaltungen des „Kana“-Theaters und des Schlosses Bröllin teilnehmen konnten.
Der gesamte Transport- und Logistikbereich baute auf den Erfahrungen der Vereinigung Szczecin Expo auf.
Die Projektidee an sich baute auf den künstlerischen Erfahrungen beider
Partner auf. Die Zusammenarbeit besteht seit 1997. Die künstlerischen Erfahrungen ermöglichten es, den Einwohnern der Euroregion einige wichtige Ereignisse, die seit Jahren stattfinden, anzubieten. Dank dem Projekt hat es sich herausgestellt, dass viele Gäste Szczecin zum ersten Male besucht haben. Sie hörten
von dem für die gesamte Euroregion einzigartigen Festival „Spoiwa Kultury“
(Kulturbande). Es wurde neues Publikum gewonnen, das nun weitere kulturelle
Veranstaltungen verfolgen wird.
Der Kunstaspekt des Projekts sieht vor, möglichst breites Publikum für die
Theater- und Musikveranstaltungen zu gewinnen. Das Festival dient auch der
Umsetzung von kleinen Projekten, die lokale Gemeinschaften aktivieren. Zu diesen Projekten gehört z.B. das Projekt „Umzug“ –, das im Stadtviertel Niebuszewo organisiert wurde und welches die Geschichte der dortigen Einwohner er-
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zählte. Es wurden auch andere Open-Air-Veranstaltungen an vielen ungewöhnlichen Orten organisiert. Zur Aufgabe alldieser Projekte gehörte die Aktivierung
der lokalen Gesellschaft, um sie zur Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen zu
bewegen.
Marcin Kowalski, Vorsitzender des Vorstands der Sport und Kultur Stiftung „Prawobrzeże“: stellte das Projekt „Kulturobservatorium“ vor. Er beschrieb
das Projekt und seine Durchführung, sowie die wichtigsten Aufgaben die in der
nächsten Zeit zu bewältigen sind. Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Untersuchung der Stettiner Kultur im Hinblick auf ihre Funktionsweise und ihre Ressourcen. Hier werden wiederum zwei weitere Aufgaben ersichtlich: erstens: Durchführung einer Untersuchung bezüglich den Erwartungen der Einwohner Szczecins sowie der Wahrnehmung der Kultur durch andere Kultureinrichtungen (Institutionen), zweitens: Aufbau einer Datenbank über die Kultureinrichtungen von
Szczecin. Die Datenbank würde folgende Sektoren verbinden: institutioneller
Sektor, der durch die öffentliche Verwaltung finanziert wird; NGO-Sektor sowie
informelle Gruppen, um zu zeigen, worüber Szczecin verfügt.
Dr. Marek Gorzko wurde zur Umsetzung dieses Projekts eingeladen, er hat
die Teamleitung übernommen und die Untersuchungen durchgeführt. Am Ende
dieser Untersuchungen wurde ein Bericht erstellt.
Dr. Marek Gorzko (Universität Szczecin): Der erste Teil der Untersuchung
wurde von Herrn Dr. Marek Gorzko und Magdalena Fiternicka-Gorzko durchgeführt. Für den zweiten Teil war Herr Tomasz Czubara zuständig.
Der Ausgangspunkt und das Ziel der Untersuchung war die Erstellung einer
Diagnose bezüglich des in Szczecin herrschenden Kulturzustands. Allgemeine
Untersuchungsziele waren folgende: worin besteht die Teilnahme an der Kultur
unter lokalen Bedingungen der städtischen Wirklichkeit Szczecins, wie ist sie zu
verstehen, worin besteht die kulturelle Tätigkeit, wie wird sie durch Menschen,
die von diesem Bereich „betroffen sind“, verstanden. Gegenstand der Untersuchung waren sowohl die Stadteinwohner von Szczecin, wie auch die Mitarbeiter
von Kultureinrichtungen. Als Untersuchungsmethode wurde ein erweitertes Interview (120 Gespräche mit Mitarbeitern von Kultureinrichtungen, sowie 120 Gespräche mit Stadteinwohnern) gewählt.
Die Forscher interessierten die Problematik der kulturellen Wahrnehmung,
der Kulturkanon, die Definition eines kultivierten Menschen, der ästhetischer Geschmack, die Vorlieben, die Präferenzen sowie die kulturelle Aktivität der Stettiner Einwohner.
Die Untersuchung wurde unter durchschnittlichen Einwohnern und auf der
mittleren Mitarbeiterebene der Kultureinrichtungen vorgenommen.
Laut den Befragten zeichnet sich Szczecin unter anderen Städten durch folgende Faktoren aus: günstige Lage, viele Grünflächen, kein typischer Stadtaufbau und Verkehrsinfrastruktur. Die Charakteristik der Vorzüge von Szczecin fällt
recht typisch aus, wobei interessant erscheint, dass ein großer Nachdruck auf
die Lage der Stadt, die Anbindung an Berlin und Skandinavien gelegt wird. Dies
legt nahe, dass die Stadt aus der Perspektive der Befragten eine Transitrolle
übernehmen kann, sie ist ein Verbindungsglied zwischen Polen und Europa.
Die Vorzüge Szczecins im kulturellen Bereich hängen mit seinen Hauptattraktionen zusammen: schöne Architektur, historisches Erbe, menschliche Ressourcen.
Die Untersuchung stellte eine charakteristische Überzeugung fest, dass nämlich das kulturelle Leben Szczecins sich zwar auf hohem Niveau befindet, jedoch
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„versteckt“ ist und für die Einwohner unsichtbar bleibt. Nach Meinung der Befragten würden kulturelle Ereignisse keine große Bekanntheitswirkung haben.
Eine Ursache dafür kann mangelnde Promotion sein.
Überraschend für die Forscher war der Aspekt des sog. negativen Diskurses
über die Stadt, der eine Art gesellschaftliche Tatsache, d.h. also eine allgemein
geltende Wahrnehmungs- und Beurteilungsweise, darstellt.
Es wurde eine Klassifizierung der negativen Beurteilungsweise der Stadt vorgenommen.
1. Rhetorik von fehlender Identität der Stadt. Charakteristisch für Szczecin sei
die fehlende Identität der Stadt und ihrer Einwohner. Diese Probleme entspringen der spezifischen Stadtgeschichte. Die Folge dieser Denkweise ist
die Unfähigkeit die Einzigartigkeit der Stadt zu erkennen und sie positiv zu
empfinden. Eine andere Folge der fehlenden Identität ist das Empfinden sich
ewig im vorläufigen Zustand zu befinden.
2. Rhetorik von Provinzionalität und Verlassensein. Diese Rhetorik zeichnet sich
durch den ständigen Vergleich Szczecins mit Wrocław oder Poznań, als den
Bezugspunkten aus. Die Überzeugung, dass wesentliche kulturelle Werte
außerhalb Szczecins entstünden und hierher importiert werden müssten, wird
von der Denkweise geprägt, dass „Kultur woanders stattfindet“.
3. Rhetorik von fehlendem Großstadtformat. Den Einwohnern Szczecins mangelt
es an Großstadtformat, es gäbe keine Kommunikation, kein ineinander Übergehen. Die Stadt wird als Kleinstadt empfunden, was als negativ gewertet wird.
4. Rhetorik von der Entfremdung im gesellschaftlichen Leben. Dies ist ein
Konzept einer weitgehenden Atomisierung der Gesellschaft, verbunden mit
ihrer Isolierung.
5. Rhetorik von der fehlenden Ausrichtung des städtischen Raums. Die Befragten sind der Meinung, dass Szczecin im symbolischen Sinne über kein
Stadtzentrum verfügt. Es gibt keinen Treffort, der den städtischen Raum
symbolisch zusammenbringen würde.
6. Rhetorik von organisatorischer Unfähigkeit. Bei dieser Denkweise ist die
Überzeugung charakteristisch, dass „Szczecin eine Stadt der verpassten
Möglichkeiten“ sei. Die Behörden würden keine Politik zum Wohle der Stadteinwohner betreiben. Keine der Initiativen würde abgeschlossen werden.
In der Schlussfolgerung lässt sich feststellen, dass der negative Diskurs ein
ständiger Bestandteil der öffentlichen Meinung ist und dass er sich negativ auf
die Arbeit im Kulturbereich auswirkt.
Die verschiedenen Arten der Wahrnehmung eigener Arbeit im Kulturbereich
hängen von der Umsetzung unterschiedlicher Wertvorstellungen ab. Zur Arbeit
im Kulturbereich gehören die Persönlichkeitsentfaltung, Freizeitgestaltung und
Gemeinschaftsentwicklung.
Die Einwohner Szczecins teilen die Kultur in hohe und niedrige Kultur ein. Institutionen und kulturelle Ereignisse, die von den Befragten benannt werden,
sind folgende: Kana-Theater, Modernes Theater, Philharmonie, Kontrapunkt, „13
Musen“, Tage der See (als einzige Veranstaltung wird diese kontrovers wahrgenommen, die Hälfte der Befragten beurteilt sie positiv, die andere Hälfte negativ).
Die ideale Kulturinstitution für die Befragten wäre eine große Einrichtung in
der Stadtmitte mit einem breiten Angebot für jede Altersgruppe, wo ständig „was
los“ wäre. Die Forscher benannten diese Einrichtung als „Großmarkt für Kultur“
und ihr Äquivalent ist das Handelszentrum „Galaxy“, das wie ein schwarzes
Loch alle Einwohner verschlingt.
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Die Kulturdiagnose von Szczecin ist in der Präsentation recht oberflächlich
behandelt worden. Es handelt sich dabei um eine vorläufige Analyse, weil das
Forschungsmaterial sich noch in der Aufbereitung befindet. Der Gesamtbericht
wird im März 2010 herausgegeben.
Wojciech Kłosowski, Berater für Strategiefragen EKH 2016: hat in seinem
Referat die Vorbereitungsstrategie der Stadt für die Bewerbung um den Titel der
Europäischen Kulturhauptstadt im Jahre 2016 vorgestellt.
Es wird allgemein erwartet, dass der Kulturbetrieb einer Stadt nach Abschluss der Veranstaltungen im Rahmen der EKH sich spürbar positiv ändern
wird und mit ihm das kulturelle Leben der Stadt. In dieser Hinsicht können jene
Städte profitieren, die noch nicht über ein stark entwickeltes, kulturelles Angebot
verfügen.
Die Vorbereitung der Stadt erfordert eine strategische und langfristig geplante Herangehensweise, damit am Ende ein positiver Urteilsspruch zu hören ist.
Er stellte die Entwicklungsgeschichte für die Initiative der Bewerbung Szczecins um den Titel der EKH 2016 vor. Die Initiative ist im April 2009 auf das Betreiben einer Nichtregierungsorganisation hin entstanden. Diese Tatsache ist einzigartig im Landesmaßstab, denn es war das erste Mal, das eine NGO und nicht
eine Stadtbehörde die Initiative ergriff, was der Fall der übrigen Kandidaten war.
Da die Bewerbung bis zum 30.08.2010 im Ministerium für Bildung und Nationales Erbe vorgelegt werden muss, wurde ein detaillierter Aktionsplan entwickelt.
Der gesamte Bewerbungsprozess wurde in einzelne Etappen aufgeteilt, in deren
Rahmen Arbeiten vorgenommen und unterschiedliche Erscheinungen analysiert
werden, um anschließend dies alles synthetisch in ein Gesamtbild zu verbinden.
Der Zeitplan sieht auch Termine für einzelne Projekte und Initiativen vor.
Herr Kłosowski wies darauf hin, dass derzeit die Planungsphase auf der
Grundlage der gesammelten Daten vorgenommen werde, anschließend würden
auf Basis von erstellten Diagnosen strategische Ziele, die sich an lokale Rahmenbedingungen anpassen, definiert werden.
Er führte an, dass viele Kandidaten um den Titel der EKH 2016 die gleiche
Herangehensweise verfolgen, wie die Städte, die in der Vergangenheit diesen Titel bereits errungen hätten. Szczecin will jedoch seinen eigenen Weg verfolgen,
der auf seinem endogenen Potential basiert. Deswegen wurde eine solide Diagnose über den Kulturzustand der Stadt vorgenommen, die oft nicht positiv
stimmt, jedoch notwendig ist, um weitere Schritte einplanen zu können. Er stellte klar, dass sich die Veranstalter der Möglichkeit den Titel nicht zu gewinnen
bewusst sind, dennoch hoffen sie, dass die unternommenen Schritte auch langfristige Maßnahmen und Konzepte zur Folge haben werden.
Herr Kłosowski sprach auch den Begriff der Kulturrevitalisierung an. Dieser
Begriff wird als eine gesellschaftliche Erneuerung der Einwohner verstanden, die
marginalisierte Stadtviertel bewohnen. Szczecin folgt damit dem Beispiel vieler
anderer Städte, wo ähnliche gesellschaftliche Phänomene zu beobachten sind
und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Es geht hierbei nicht
um den Bereich des Städtebaus, sondern vielmehr um die Reaktion auf soziale
und gesellschaftliche Probleme, die zuvor festgestellt wurden. Es ist also wichtig, jegliche Schritte zu unternehmen, um die Erneuerung der gesellschaftlichen
Beziehungen und die Aktivierung von Menschen mittels ihrer Einbindung in konkrete kulturelle Maßnahmen zu gewährleisten.
Er knüpfte auch an den grenzüberschreitenden Aspekt bei den Bemühungen
der Stadt um den Titel der EKH 2016 und hob die Bereitschaft zur Beteiligung
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der deutschen Partner an den vorgenommenen Maßnahmen hervor. Gleichzeitig
wies er darauf hin, dass das Einwirkungsgebiet der Maßnahmen nicht klar mit
einem Zirkel umrissen ist, sondern es geht viel mehr um ein funktionales Wechselspiel auf der Grundlage bestehender Netzwerkkooperation, Kontakten und
Partnerschaften.
Nach Meinung des Herrn Kłosowski bleibt nachwievor die Herausforderung,
viele Partner vom Bemühen der Stadt um den Titel der EKH 2016, als von einem strategischen Projekt mit langfristigen Folgewirkungen zu überzeugen.
Das Problem liegt in den vielen Vorurteilen und in der stereotypen Denkweise
über Kultur.
Eine andere Herausforderung ist die Aufrechterhaltung der Strategieflexibilität, die einerseits klar und präzise bleiben soll, andererseits aber nicht die Kulturanimateure und Kulturkonsumenten einschränken soll.
Die größte Herausforderung bleibt allerdings nach seiner Meinung die Vorbereitung einer solchen Strategie, die, auch im Falle einer für die Stadt ungünstigen Entscheidung hinsichtlich der EKH, weiterhin von den für das Kulturmanagement verantwortlichen Stellen, den Kulturanimateuren und den Kulturkonsumenten unterstützt und fortgeführt wird.
Bei der Zusammenfassung des ersten Tages appellierte Herr Marek Sztark
an unterschiedliche Akteure des Kulturbereichs, sie mögen untereinander Kontakt aufnehmen und ihre Ideen und Initiativen übermitteln, denn es sei für die
Veranstalter unmöglich, alle zu erreichen. Er wies darauf hin, dass möglichst viele Projekte berücksichtigt werden sollten, es ist jedoch klar, dass es nicht immer
möglich sein wird.
Im Bezug auf die Bewerbung zeichnete er die Herausforderungen und eine
Reihe von Aufgaben auf, die bewältigt werden müssen, um in die engere Auswahl, auf die sog. kurze Liste zu gelangen. Dabei ist eine angemessene Formulierung der Idee und des Programms, die im Rahmen der Veranstaltungen der
EKH umgesetzt werden, am wichtigsten. Die Wahrung eines angemessenen
Stils und Niveaus der Veranstaltung ist ebenso wichtig, wie die Nachhaltigkeit ihrer langfristigen Folgen. Das Budget, die Finanzierungsstruktur und die Finanzierungsquellen des jeweiligen Vorhabens, aber auch der ganze Bereich der Verkehrsinfrastruktur und Logistik, müssen sehr klar umrissen werden. Dabei soll
beachtet werden, dass die gesamte Veranstaltung und die in ihrem Rahmen
durchgeführten Projekte ihre europäische Dimension aber auch ihre Bürgernähe
beibehalten sollen.
Angesichts so vieler Kriterien und Vorgaben, die berücksichtigt werden sollten,
wurde entschieden, die Vorbereitung unter Anwendung der Methode aktiver strategischer Planung vorzunehmen. Auf der Grundlage einer weitgehenden Ist-Zustand-Analyse können Synthese, Vorhaben, Prioritäten sowie Hauptprogrammpunkte formuliert und nacheinander präzisiert werden. Laut Plan werden im März
2010 die Prioritäten bekannt gegeben und später, bis Ende Juni, sollen alle Projekte im Rahmen unterschiedlicher Maßnahmen und Prioritäten festgelegt werden.
Die Gesamtheit der Projekte wird auf der einen Seite alle angemeldeten Initiativen
enthalten, die andere Seite sind die „beantragten“ Projekte selbst.
Herr M. Sztark wandte sich an die deutsche Seite mit der Bitte, Projekte aber
auch mögliche Partner vorzuschlagen, die an diesen Projekten aktiv teilnehmen
könnten.
In diesem Kontext brachte er eine offene Frage vor und zwar mit der Bitte um
Vorschläge bezüglich guter Beispiele für die Errichtung eines effizienten Organisationsrahmens für die Zusammenarbeit mit der deutschen Seite.
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Die Vertreter Luxemburgs und Saarlands schlugen die Einrichtung von „runden Tischen“ in den jeweiligen Branchen vor. Die Erfahrungen Luxemburgs als
der Europäischen Kulturhauptstadt zeigten, dass die Wahl einer solchen Kooperationsform besonders effizient war. Vor allem deswegen, weil es die Instrumentenwahl im Rahmen des Kooperationsnetzwerks erleichtert, die wiederum die
Umsetzung konkreter Ideen ermöglichen. Die vorgeschlagenen kleineren Projekte können einfacher in ein Ganzes zusammengefügt und anschließend realisiert werden. Selbstverständlich bleibt die Wahl entsprechender Partner und Finanzierungsquellen weiterhin eine Herausforderung. In Luxemburg hat man im
Rahmen der EKH einen Kunstausschuss einberufen, der die Vorbereitung des
gesamten Vorhabens geleitet hat.
Dieser Vorschlag wurde besonders dankbar empfangen und sehr oft wurde
die Bereitschaft ausgedrückt, solche runden Tische einzurichten. Darüberhinaus
wurde entschieden, dass im Rahmen der Montagskonsultationen, die in der Vorbereitungsphase veranstaltet wurden, jeder letzte Montag des Monats für grenzüberschreitende Konsultationen vorgesehen ist. Auch der Vorschlag die Treffen
nach Themen und nicht nach Branchen veranstalten zu lassen hat breite Zustimmung gefunden.
Es wurde auch der Vorschlag vorgebracht, dass in bestimmten Zeitabständen Treffen organisiert werden sollten, die der Diskussion über kulturelles Leben
im Grenzgebiet gewidmet sein würden.
Die Mitarbeiter der Institution Szczecin 2016 haben darüberhinaus zwei wichtige Instrumente für kulturelle Zusammenarbeit vorgestellt, die im Rahmen der
Arbeiten des Forschungsteams erarbeitet worden sind:
- Kulturobservatorium beschäftigt sich mit der Überwachung und der Untersuchung von Erscheinungen, die im kulturellen Bereich entstehen. Diese
Einrichtung publiziert und testet neue Ideen und Projekte, wodurch es zu
einer Art Kulturlabor umgewandelt wird. Sie führt gute Praktiken ein und wirkt
sich gleichzeitig positiv auf die Erhöhung der Kompetenz von Kulturbetreibern aus.
- Kulturlabyrinth stellt eine internetgestützte Datenbank der im Bereich der
Kultur tätigen Subjekte dar. Wegen der hohen Dynamik des kulturellen
Lebens bietet dieses Instrument unterschiedlichen Subjekten eine herausragende Möglichkeit an, im Kulturbereich bekannt zu werden und damit lenkt
es die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihre Tätigkeit. Die Flexibilität dieses
Instruments besteht darin, dass jedes Subjekt Daten über sich selbst oder
seine Einheit beliebig gestalten kann. In kurzer Zeit wird auch eine Domäne
in deutscher und englischer Sprache entstehen.
Die Konferenzteilnehmer schlugen vor, die Untersuchung in der Zukunft auch
um die Gebiete zu erweitern, die die Stadt umgeben.
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Schlussfolgerungen von den Diskussionsblöcken
Paweł Bartnik
Zunächst möchte ich allen Diskussionsteilnehmern herzlich danken.
Es scheint, dass solche Treffen, solche Gemeinschaftsarbeit auch tagtäglich
notwendig ist. Aus diesem Grunde haben wir dieser notwendigen Aufgabe die
Bezeichnung „Monitoring-Ausschuss“ gegeben. Wir behandelten die Themen
Bildung, Arbeitsmarkt, aber wir waren uns einig, dass es noch mehr Gemeinsamkeiten gibt.
Notwendig ist auch die Einrichtung einer strukturierten, mit entsprechenden
Kompetenzen ausgestatteten Arbeitsgruppe, die gemeinsame Diskussionen führen und Untersuchungen anstellen wird, um später entsprechenden lokalen und
staatlichen Behörden alles das zu berichten, was im Grenzgebiet geschieht. Diese Arbeitsgruppe würde seine Vorschläge an die entsprechenden Behörden auf
polnischer und deutscher Seite heranreichen, damit diese zu ihnen Stellung
nehmen können, ohne sie unbedingt akzeptieren zu müssen. Wir sind gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass die für die Durchführung dieses Vorhabens angemessene Institution die Euroregion Pomerania ist.
Unser Problem im Grenzgebiet ist die Sprachbarriere. Alle Bildungsprojekte,
die bilateral ablaufen, bedürfen einer Förderung und Unterstützung. Dies ist eine
Forderung, die bereits im letzen Jahr aufgestellt wurde. Ein Postulat für die Einrichtung eines grenzüberschreitenden Sprachzentrums für die polnische und die
deutsche Sprache, das zwei Ziele verfolgt: Sprachförderung (der polnischen
Sprache in Deutschland und der deutschen Sprache in Polen), sowie Unterstützung für Lehrer, nicht nur Sprachlehrer, sondern auch Lehrer anderer Fächer,
auch in den Kindergärten. Dazu benötigen wir mehr Partner. Wir brauchen auf
beiden Seiten Universitäten, sowie Fachschulungszentren. Leader dieser Maßnahmen sollte die Stadt Szczecin sein und hier sollte sich der Sitz dieses Zentrums befinden. Bei der Durchführung dieses Vorhabens erscheint es sinnvoll,
eine Förderung aus dem INTERREG IV A Programm zu beantragen.
Wir haben auch das Thema der Anerkennung beruflicher Qualifikationen behandelt. Im Jahre 2011 wird sich der deutsche Arbeitsmarkt gänzlich öffnen. Für
Hochschulabsolventen ist er bereits offen. Wir haben Probleme mit der Anerkennung, weil es gewaltige formale Unterschiede zwischen Polen und Deutschland
gibt, wenn aus darum geht, die notwendigen Qualifikationen vorzuweisen, um
entsprechende Zertifizierung für einen entsprechenden Beruf auf beiden Seiten
der Grenze zu bekommen. In der Europäischen Union treten solche Probleme
auch auf, es ist kein gesondertes polnisch-deutsches Problem. Deswegen wurde ein Systematisierungsverfahren in die Wege geleitet. Die Arbeiten in Deutschland und auch in Polen, im Ministerium für Nationale Bildung, dauern an. Dieses
Verfahren wird jedoch noch einige Jahre andauern. Es herrscht ein großer
Handlungsbedarf, damit dieses Problem in der Übergangszeit (bis 2011) gelöst
werden kann. Deswegen lautete eines der ersten Postulate, dass Politiker, der
Stadtpräsident von Szczecin und andere sich an das Ministerium für Nationale
Bildung wenden mögen, um eine Lösung für die Übergangszeit herbeizuführen.
Wir haben eine viel einfachere und schnellere Lösung gefunden, nämlich die
Übersetzung von Zertifikaten auf beiden Seiten der Grenze, damit ein Arbeitgeber, an den sich ein Arbeitnehmer wendet, in Erfahrung bringen kann, welche
Qualifikationen dieser Mitarbeiter besitzt, wenn er eine Meisterprüfung oder Gesellenprüfung abgelegt hat oder über ein Technikerdiplom oder Facharbeiterdi-
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plom aus Polen verfügt. Dies wäre die einfachste Lösung und sie könnte in Eigenregie in die Wege geleitet werden, denn sie bedarf keinerlei behördlicher
Entscheidungsfindung auf der Regierungsebene, sondern lediglich auf der lokalen Ebene. Das Hauptproblem liegt beim Ministerium für Nationale Bildung und
es sollte uns bei der Lösung dieses Problems helfen.
Ein weiteres Problem, das während unserer Diskussion in Erscheinung getreten ist, bezieht sich auf die berufliche Beratung. Vor allem an den Berufsschulen
funktioniert auf beiden Seiten der Grenze ein Berufsberatungssystem. Wir brauchen auf beiden Seiten der Grenze eine euroregionale Berufsberatung, die darüber informieren wird, welche Möglichkeiten ein deutscher Absolvent besitzt und
was er zu tun hat, um am polnischen Arbeitsmarkt teilzunehmen, genauso wie
umgekehrt der polnische Absolvent in Deutschland. Es gab schon Hinweise von
der deutschen Arbeitsagentur, dass solche Möglichkeiten umsetzbar seien. Dies
ist ein guter Ansatz. Auf der polnischen Seite gestaltet sich dies viel schwieriger,
denn die polnischen Arbeitsämter beschäftigen sich nicht mit der Berufsberatung
oder aber sie beschäftigen sich nicht nur mit ihr alleine. Das muss koordiniert werden. Wir denken, dass dies ein guter Ansatz ist, um eine Lösung herbeizuführen.
Es gibt ein anderes Problem, das von Zeit zu Zeit von der deutschen oder
von der polnischen Seite aus behandelt wird, was jedoch nur in einer unzureichenden Art und Weise geschieht, nämlich der Aspekt der Berufspraktika für
Schüler der Berufsschulen. Hier sind einige Probleme aufgetreten. Außer den
formalen Aspekten, die zu überwinden sind, offenbarte sich die Frage nach der
Finanzierung. Es gibt Mittel in europäischen Programmen, wie dem INTERREG
IV A, es gibt sie auch im Deutsch-Polnischen Jugendwerk. Damit eine Schule,
die einen Partner auf der anderen Seite der Grenze hat, diese Mittel beanspruchen kann, ist sie auf die Unterstützung der Kreisverwaltung oder der Gemeindeverwaltung angewiesen (je nach dem Verwaltungsorgan der gegeben Schule), da in diesen Programmen die Ausgaben vorfinanziert werden müssen.
Es gibt die sehr gute, jedoch nicht einfach umzusetzende Idee einer gemeinsamen Plattform für Arbeitgeber auf beiden Seiten der Grenze, die daran interessiert sind, Schülern Praktikumstellen anzubieten. Obwohl dies auf der deutschen
Seite einfacher ist, da es dort Industrie- und Handelskammern gibt, die alle Arbeitgeber vereinigen und damit eine solche Plattform relativ schnell aufgebaut
werden kann, so gibt es auf polnischer Seite keine Verpflichtung solchen Institutionen beizutreten. Deswegen ist es schwierig hier alle notwendigen Daten zu erfassen. Die polnischen Wirtschaftskammern könnten jedoch mit Sicherheit Partner bei der Durchführung eines solchen Vorhabens sein. Auch Handwerks- und
Handelskammern, die in Polen tätig sind, kämen hierbei in Betracht. Solches
Vorhaben erscheint uns sehr wichtig.
Während der Diskussion über Projekte trat das Problem der Gleichbehandlung von polnischen und deutschen Arbeitnehmern im Rahmen der Projekte auf.
Dieses Problem offenbart sich am Beispiel eines Kindergartenprojekts, das auf
polnischer und deutscher Seite durchgeführt wird. Es ist leider so, dass jede der
beiden Seiten ihre eigenen Lehrer finanziert. Die polnische Lehrerin verdient viel
weniger als ihre deutsche Kollegin. Nach meiner Meinung ist dies eine berechtigte Anmerkung, denn außer sozialer Gerechtigkeit gibt es noch so etwas wie
die Projektkontinuität. Wenn Lehrer eine andere Stelle mit gleich hohem Einkommen finden, werden sie nicht gewillt sein am Projekt teilzunehmen. Es gibt
eine Möglichkeit diesen Sachverhalt zu korrigieren. INTERREG IV A bietet die
Möglichkeit der Projektbezuschussung in diesem Bereich an, es muss lediglich
ein Antrag ausgefüllt werden.
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Es kam der Vorschlag auf, gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit für das Berufsschulwesen zu betreiben. Außer dem Arbeitsmarkt gibt es noch den Bildungsmarkt, der sich auf unser gesamtes Gebiet erstreckt. Die Präsentation seiner
Möglichkeiten würde von den Schulen auf polnischer und deutscher Seite eine
Vorbereitung erfordern, damit ein solches Angebot zusammengestellt werden
kann. Dies erscheint unumgänglich, um eine solche Öffentlichkeitsarbeit betreiben zu können.
Zum Schluss wurde der Vorschlag aufgeworfen, etwas Einfaches zu unternehmen, nämlich eine Zählung der Hochschulabsolventen, Techniker, Gesellen,
Arbeiter unserer Region vorzunehmen, was vor dem Hintergrund der Gespräche
über die wirtschaftliche Entwicklung unserer Region als sehr wichtig erscheint.
Was sind das für Menschen? Welche Hochschulen oder Schulen haben sie abgeschlossen (in der gesamten polnisch-deutschen Region)? Es handelt sich dabei um eine notwendige Information aus Sicht der Gespräche mit Investoren.
Dies sind acht Rückschlüsse, die während unseres Treffens gezogen wurden.
Sie behandeln jedoch nicht den gesamten Inhalt unserer Diskussion. Wenn uns
der erste Schritt gelingen würde und zwar die Einrichtung eines Steuerungsausschusses und der euroregionalen Akademie, könnten wir dann weitere Probleme lösen.
Marek Tałasiewicz
In den Beratungen unserer Panelrunde wurde zweierlei behandelt. Zum einen
wurde die Vorstellung von guten Praktiken und Vorbildern vorgenommen. Dabei
handelte es sich um eine Reihe von Vorträgen unserer Gäste aus Deutschland.
Sie bezogen sich auf sehr unterschiedliche Themen. Es wurden statistische,
räumliche Aspekte behandelt, etc. Zum zweiten wurde eine Diskussion geführt,
die unterschiedliche Aspekte beinhaltet hat, weniger Themen aus dem deutschfranzösisch-schweizerischen oder luxemburgischen Grenzgebiet, vielmehr Themen aus dem polnisch-deutschen Grenzgebiet. Mein vorzüglicher Gesprächspartner war Herr Burkhard Preißler, dem ich für eine zuvorkommende und inhaltlich hervorragende Zusammenarbeit danken möchte.
Die sich aus den Gesprächen ergebenden Anträge und Postulate sind nicht
nach ihrer Priorität geordnet. Wenn wir davon ausgehen, dass die Netzwerkbildung eine Methode darstellt, um bessere Resultate zu erlangen, möchte ich Ihnen diese Anträge in folgender Weise vorstellen.
• Es wurde das Postulat der besseren territorialen Kohäsion des Grenzgebiets
aufgestellt. Wenn wir im Gebiet der Europäischen Union die Durchsetzung
der vier grundlegenden Freiheiten gewährleisten sollen, nämlich der Freizügigkeit von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital, sollte uns viel
daran gelegen sein, diese Freiheit auch materiell im Grenzgebiet zu ermöglichen. Dazu ist eine territoriale Kohäsion notwendig, sowohl im Bereich des
Transports und der Telekommunikation, als auch im Bereich des freien
Zugangs zu Gütern und Ressourcen.
• Festgestellt wurde die Notwendigkeit eines Programms zur Definition von
Hauptentwicklungsrichtungen und zur Auswahl der geförderten Entwicklungsprioritäten, damit alle wichtige Projekte gefördert werden können, vor
allem jedoch die, die zu einem kohärenten System der Hauptentwicklungsrichtungen in der Euroregion beitragen.
• Es wurde viel über Raumplanung gesprochen. Dabei ging es um zwei Hauptaspekte. Zum einen, um die formaljuristische Anforderungen, dass nämlich
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•
•
•
•
•
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jeder nur bis zur Grenze seiner Gemeinde oder seines eigenen Staates plant,
zum anderen, dass wir, ohne die Souveränität des Nachbarn zu gefährden,
auch in der eigenen Dokumentation seine Absichten oder Zwecke berücksichtigen sollen, damit Raumplanung nicht vor der eigenen Gemeinde-,
Kreis-, Land- oder Regionalgrenze halt macht. Alle waren sich einig, dass bei
der Anwendung von solchen Instrumenten im Rahmen der Grenzgebietspolitik gerade die Euroregion stärker genutzt werden sollte. Sie stellt ein Instrument dar, das bisher nicht genutzt wurde, weil es vor 15 Jahren entwickelt
wurde, als noch andere gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche
Gegebenheiten herrschten. Jetzt muss es angesichts der neuen, prognostizierten Situation umgestaltet und neu definiert werden, wobei seine Möglichkeiten neu überprüft werden müssen.
Ein weiteres wichtiges Postulat bezieht sich auf Szczecin selbst. Es geht dabei
nicht darum, dass die Stadt nur angepriesen wird, sondern darum, dass
Szczecin seiner Stellung als Hauptstadt der Grenzregion gerecht wird. Szczecin soll die Rolle des Leaders übernehmen, was mit Ansehen, aber auch mit
Verpflichtungen verbunden ist. Bei der Planung ihrer Vorhaben sollte die Stadt
die Tatsache berücksichtigen, dass sie nicht nur den Kern des Metropolengebiets stellt, sondern einer viel weiter gefassten Grenzregion.
Ein weiterer Antrag behandelt das Modell eines grenzüberschreitenden
Arbeitsmarktes, und zwar nach dem 01. Mai 2011. Wir sprachen über die
Notwendigkeit der Inventarisierung von Initiativen, denn von Zeit zu Zeit, bei
jeder neuen Konferenz, die gleiche Feststellung gemacht wird, nämlich dass
die gerade behandelten Fragen bereits in der Vergangenheit erörtert wurden.
Im Büro der Euroregion sollte eine solche Inventarisierung vorgenommen
werden, und zwar nicht um gebieterischer Koordination und Managements
willen, sondern um einfach eine Datenbank zur Verfügung zu haben.
Es wurde auch der Bedarf eines regionalen Think-Tanks erörtert, damit also ein
Team eingerichtet wird, das über die Rahmenbedingungen der Entwicklung
des polnisch-deutschen Grenzgebiets, unter der Berücksichtigung politischer,
wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Notwendigkeiten, nachdenkt. Es wurde
auch der Bedarf einer statistischen Datenbank des polnisch-deutschen Grenzgebiets behandelt, damit Vergleichbarkeit vom statistischen Datenmaterial
gewährleistet werden kann. Schade, dass die Redner die Schwierigkeiten
eines solchen Unterfangens in den Vordergrund gestellt haben.
Ein weiteres Postulat behandelte die Notwendigkeit eines, nennen wir es
vorläufig, touristischen Produkts des polnisch-deutschen Grenzgebiets, das
eine Hauptmarke, z.B. das Stettiner Haff, aufweisen würde, und das ein
kohärentes, intermodales System darstellt, das z.B. Aspekte des Wasser-,
Fahrrad-, Draisine- oder anderer Art Tourismus aufgreifen könnte.
Noch ein letzter, sehr wichtiger Aspekt. Es wurde über die Überwindung von
Grenzen gesprochen, von politischen, wirtschaftlichen, räumlichen, statistischen Grenzen. Vor allem jedoch wurde über die Überwindung von zwischenmenschlichen Grenzen gesprochen, nämlich über die Aktivierung von
Menschen mit Behinderung. Nicht über ihre Pflege, sondern über die Möglichkeit sie am Leben des polnisch-deutschen Grenzgebiets zu beteiligen. Es
müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die diesen Menschen eine
eigenständige Existenz erlauben.
Klaus Hirsch
Herr Präsident, Meine Damen und Herren,
Ich möchte Ihnen gerne die Ergebnisse, bzw. auch den Inhalt unserer Arbeitsgruppe unter dem Titel „Europäische Kulturhauptstadt als Integrations- und
entwicklungsfördernden Faktor für das Grenzgebiet“ kurz darstellen. Naturgemäß
lag dieser Titel sehr nah, da Szczecin als Metropole in unserem Grenzgebiet
gerne einen Antrag stellen möchte als Kulturhauptstadt 2016. Den Inhalt unserer
Arbeitsgruppe möchte ich kurz umreißen, in dem ich einige Worte sage zu den
Referaten, die wir hatten. Wir begannen mit einem Ergebnisbericht aus der Kulturhauptstadt Luxemburg, bzw. Gro?region SaarLorLux, die 2007 Europäische
Kulturhauptstadt waren. Zum ersten Mal wurde eine Grenzüberschreitende Region insgesamt als Kulturhauptstadt ausgewählt. Ein sehr gutes Beispiel, bzw.
eine Anregung, die wir hier in unserem Grenzgebiet aufnehmen sollten.
Die Ziele dieser Kulturhauptstadt SaarLorLux wurden von den Referentinnen
(Frau Dunia Sinno und Uschi Macher) vorgestellt. Sie werden viele Begriffe wiedererkennen, denn es sind Ziele, die wir uns hier in unseren grenzüberschreitenden Region auch gesetzt haben: überregionale oder gar Europaweite Aufmerksamkeit, Überwindung von Grenzen, Einbeziehung von Bürgern. Auch die Probleme kommen uns durchaus bekannt vor: die Integration der Region, grenzüberschreitende Kommunikation und Überwindung von Sprachbarrieren.
Ich möchte jetzt gar nicht auf die konkreten Ergebnisse während der Kulturhauptstadt eingehen, sondern auf die längerfristigen Effekte, die uns von den
beiden Referentinnen dargestellt wurden.
So wurde ein funktionierendes Kulturportal etabliert, das auch nach der Kulturhaupatstadt 2007 funktioniert hat und dazu beigetragen hat, dass die Koordination der Kulturschaffenden über die Grenzen hinweg dauerhaft besser funktioniert, dass es eine Plattform gab, auf der die Kommunikation stattgefunden hat.
Die Kulturschaffenden genauso wie die Besucher wurden einfach mobiler und
nahmen die Grenze nicht mehr als so trennend wahr. Projekte, Institutionen,
auch Personen haben sich grenzüberschreitend kennengelernt.
Beide Referentinnen haben uns Mut gemacht, die Bewerbung 2016 umzusetzen und dies auch grenzüberschreitend zu tun, als Chance für die Region. Sie
meinten wir hätten auch eine bessere Ausgangsposition, einen ca. zwei bis drei
Jahre längeren Vorlauf, sind weiter mit dem Stand des Antrages als die Region
SaarLorLux zum vergleichbaren Zeitpunkt ihrer Bewerbung. Eigentlich, wenn
man sich den sehr schwierigen Namen Kulturhauptstadt Grossregegion SaarLorLux anhört, dann haben wir hier mit den Namen Pomerania einen sehr viel
gängigeren Begriff und mit der Metropole Szczecin die Federführung.
Wir hörten dann einen Vortrag über ein Beispiel sehr lebendiger grenzüberschreitender Kulturkooperation, die schon seit Jahren existiert: Teatr Kana und
Schloss Bröllin. Herr Mikuła hat uns die Zusammenarbeit ausführlich dargestellt.
Dr. Gorzko hat danach eine Studie vorgestellt zur Diagnose der Situation im Kulturbereich in Szczecin, er hat die Defizite aber auch die Stärken der Stadt benannt, die wiederum einfließen werden in die konkrete Bewerbung Szczecins
um die Kulturhauptstadt 2016. Herr W. Kłosowski, hat dann als Strategieberater
den Fahrplan erläutert, hat einen Vortrag gehalten zur Einbeziehung von Institutionen und Organisationen im Grenzgebiet in den Antrag Europäische Kulturhauptstadt 2016, hat den Stand des Konzeptes erläutert und den Charakter des
Antrages nach heutigem Stand dargestellt. Ich möchte hier nur drei Begriffe aus
seinem Vortrag nennen, die ich nur unterstützen kann:
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Ehrlichkeit, die Situation so realistisch wie möglich mit den Defiziten und
Stärken der Region darzustellen, die Einbeziehung der Grenze als charakteristisches Merkmal und als Chance der Bewerbung Szczecins und schließlich die
besondere Situation Szczecin, die gebrochene deutsch-polnische Geschichte
der Stadt. Das sind auch die Alleinstellungsmerkmale die in dieser Art und Weise in diesen Antrag mit einfließen werden. Damit möchte ich den ersten Tag beschließen.
Heute haben wir darüber gesprochen wie wir die Kommunikation verbessern
können. Hier wird es eine Webseite geben Labirynt Kultury, die ähnlich wie der
Plattform in dem Region SaarLorLux geschaffen wurde, um die Kulturschaffenden und Akteure im Kulturbereich der Region grenzüberschreitend zusammenzuführen. Danach haben wir noch eine sehr anregende und weit gehende Diskussion gehabt über die Möglichkeiten wie sich die Akteure auf beiden Seiten
der Grenze beteiligen können an der Bewerbung Szczecin 2016. Ich denke,
dass auch die anwesenden deutschen Akteure ihre Bereitschaft signalisiert und
deutlich gemacht haben, dass sie das vom ganzem Herzen unterstützen. Sie haben weiterhin zum Ausdruck gebracht, dass sie sich beteiligen werden - im Rahmen ihrer Möglichkeiten und dass sich durch die Bewerbung für die Region, im
Prinzip auch darüber hinaus eine große Chance ergibt.
Wie kann die Beteiligung konkret umgesetzt werden? Ich möchte dazu drei
Phasen benennen wie sie auch von Organisationkomitee festgelegt würden: ca.
bis Ende März 2010 wird die Strategie festgelegt, werden Ideen und Projektvorschläge skizziert und eingereicht, in einer zweiten Phase bis ca. Ende Juni ist
Konzeptfindung und dann natürlich die Antragformulierung bis ca. Ende August.
Es kamen auch die Vorschläge die wir dann nach der Diskussion in der Gruppe
als Ergebnisse aufgenommen haben und zwar, dass man diese drei Phasen thematisch nutzt zur Gründung von rund Tischen im Bereich bildende Kunst, im Bereich Theater/Tanz oder im Bereich Musik, um dann in den einzelnen Phasen
der Bewerbung auch grenzüberschreitende Projekte zu finden. Zum Beispiel in
der Phase eins Brainstorming, Teamfindung und Kontaktaufnahme der Akteure
über die Grenze hinweg und in Phase zwei, die Ausarbeitung der Projektein den
gefundenen Teams.
Insbesondere hoffen wir, dass die Runden Tische im Rahmen eines Jour fixe,
angeboten durch das Organisationskomitee in der Villa Lenz immer montags,
entstehen und dort werden auch die Projekte weiter konkretisiert. In der dritten
Phase heißt dann das natürlich, dass die gefundenen Projekte, die dann Eingang finden werden in den Antrag Szczecin 2016 natürlich nochmal konkret
ausgearbeitet werden.
Über diese konkrete Antragstellung hinaus werden die Ergebnisse die ich
jetzt schon skizziert habe, und die uns insbesondere unsere Gäste aus Luxemburg ans Herz gelegt haben, natürlich bleiben. Das ist diese Kommunikationsplattform die als Netzwerk dient und die es den Akteuren erleichtert, grenzüberschreitend Projekte zu initiieren. Wir hoffen und erwarten auch, dass die Runden
Tische, die wir im nächsten Jahr beginnen werden, dass die am enden münden
in einem dauerhaften, in einen gewissen Rhythmus stattfindet, und am Ende in
einen festen deutsch-polnischen Kulturdialog enden. Dass sich also die Kulturschaffenden weiterhin treffen, und wir hoffen auch, dass über die Projektideen
und Projektfindung sich dauerhafte weitere Kooperation und Kontakte über den
Antrag hinaus bilden werden.
Ich möchte allen Beteiligten, Referenten, unseren Dolmetschern und der
Stadt Szczecin danken, dass sie es uns auch in diesem Jahr ermöglicht haben,
56
die Konferenz über Visionen und Praxis im grenzüberschreitenden Gebiet zu erleben und kann nur anregen, dass wir uns auch im nächsten Jahr wieder treffen.
Janusz Szewczuk
Vor den Vorbereitungen zu dieser Konferenz trafen wir uns im Büro der Euroregion „Pomerania“ unter Menschen, die gebeten wurden, darüber nachzudenken wie diese Konferenz aussehen soll, was wir zu unternehmen gedenken, wie
kann sie zu unserem gemeinsamen Wirken in der Grenzregion beitragen, welche Aspekte möchten wir als Folge von früheren Konferenzen fortführen. Wir trafen uns mit Herrn Marek Sztark und Marek Tałasiewicz, die sich als Moderatoren
betätigt haben, aber auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem Büro
der Euroregion „Pomerania“ und von der Stadtverwaltung.
Aus den Diskussionen, die wir früher geführt haben und die im Rahmen der
Gruppen noch fortgeführt werden, tritt eine Reihe von Problemstellungen hervor,
die eine natürliche Fortführung erfahren sollten.
Wir sollten dabei nicht nur all das zusammenfassen, was in der Vergangenheit seit der Gründung von „Pomerania“ geschehen ist, sondern wir müssen einen Ausblick in die Zukunft wagen. Es kamen Termine auf, die ich mir erlaube in
dieser Präsentation aufzuführen. Es kam auch die Erwartung auf, einen Fahrplan
für die Zukunft auszuarbeiten, um die Frage zu beantworten, wohin wir mit unserer Zusammenarbeit gelangen wollen und wozu sie uns führen soll. Dies legte
die Feststellung nahe, dass wir eine neue institutionelle Infrastruktur für die Euroregion „Pomerania“ brauchen. Es geht dabei nicht nur um feste Dimensionen
dieser Infrastruktur, sondern um den Aufbau einer institutionellen Infrastruktur,
die in der nächsten Zeit erlaubt, unsere Ressourcennutzung durch Netzwerkaufbau zu optimieren. Wir haben beschlossen, ein solches Gerüst aus jenen Projekten aufzubauen, die den Gruppen vorgestellt wurden. Es geht uns dabei nicht
darum, eine vollständige Liste von Programmen zu erstellen oder alle Projekte
miteinander zu koordinieren. Es geht uns dabei vielmehr darum, sich der Rolle
der Euroregion bewusst zu machen, und zwar in der Form, wie sie sein sollte.
Wenn wir davon ausgehen, dass wir nichts unternehmen sollten, was andere gut
machen, sondern sich darauf konzentrieren was Notwendig erscheint, damit diese Zusammenarbeit sich noch besser entwickelt, entsteht die Frage, wie wir eine
institutionelle Infrastruktur, ein Gerüst aufbauen können, damit alle diese Projekte, über die wir sprechen, einen Bezugspunkt bekommen? Wenn wir dieses Puzzle zusammenlegen, sollte ein gemeinsames Bild entstehen. Daher wurden solche Vorschläge gemacht und werden von bestimmten Absichtserklärungen gefolgt.
Akademie des Grenzgebiets ist genau das, was im großen Maße unterschiedliche Aktivitäten, die zwischen den Städten oder den öffentlichen Institutionen
stattfinden, vereinigen würde. Die Europäische Kulturhauptstadt ist ein solches
Unterfangen, das zu einem Vorhaben nicht nur von Szczecin, sondern auch von
unserem deutschen Partner werden kann. Wie stellen wir uns die Akademie des
Grenzgebiets vor? Es sind mehrere Handlungsfelder. Vor allem geht es dabei
um die „Pomeranian Road Map“. Diese Bezeichnung hat zwei wichtige Bestandteile. „Road“ – Weg, „map“ – Karte. Ein gemeinsamer Weg bedeutet ein Gespräch über eine gemeinsame Richtung, es geht dabei um die Abklärung gemeinsamer Politiken. Dieses Gespräch erfordert Zeit. Das Besprechen gemeinsamer Politiken bedeutet, dass sowohl professionelle Raumplaner, wie auch Politiker, die neue Richtungen ihrer Entwicklungspolitiken abstecken, einige Zeit
brauchen, um gemeinsame Vorhaben, sowohl von der formalen Seite, wie auch
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von der öffentlichen, kulturellen und allen anderen Seiten zu koordinieren.
„Road map“ besitzt noch einen zweiten Bestandteil – die gemeinsame Karte. Es
geht dabei darum, in absehbarer Perspektive einen Zustand zu erreichen, wo
diese Karte nicht an der Oder aufhört, damit alle diese Karten, die wir für unser
Grenzgebiet zeichnen, immer auch die andere Seite aufweisen. Es müssen
schnellstens neue „Road maps“ mittels einer Reihe von Angebotsanalysen, z.B.
bezüglich des Arbeitskräfteangebots, der gesellschaftlich-wirtschaftlichen Situation, der Straßenverkehrsinfrastruktur, erstellt werden. Sie müssen somit Teil einer professionellen Debatte über all das werden, was im Grenzgebiet geschieht.
Die Informationsplattform. Wir sollten über uns ein wenig mehr wissen. Alle
Karten dürfen nicht an der Odergrenze aufhören.
Gemeinsamer Dienstleistungsmarkt. Die Plattform ist auch deswegen wichtig,
um zu wissen, was über den öffentlichen Sektor hinaus geschieht. Der Alltag der
Euroregion findet in unseren Handelszentren und Dienstleistungszentren statt.
Wenn wir dies nicht als eine Perspektive für unser Handeln berücksichtigen, wird
diese Region viel verlieren. Deswegen eine weitere Plattform, ein weiteres Portal,
dessen Vorschlag bereits vorbereitet wurde. Es ist ein Portal, das zwei Elemente
vereinigt: die Nachfrageseite der Partner der Grenzregion und die Angebotsseite. Das Portal wird den teilnehmenden Partnern ermöglichen, ihre Informationen
zu publizieren. Das vereinigende Element ist die E-Business-Plattform, wo Internettransaktionen des Grenzgebiets getätigt werden können.
Es wurde auch darauf hingewiesen, dass wir die institutionelle Form dieses
Treffens bis zum nächsten Treffen beibehalten sollen, damit wir beim nächsten
Treffen nicht wieder darüber sprechen, was wir im letzten Jahr gemacht haben.
Deswegen wurde der Begriff des Steuerungsteams eingeführt. Wir haben festgestellt, dass wir nicht nur ein Standbein haben sollen. Es gibt einige Themen, die
Gegenstand gesonderter Diskussionen sein sollten. Dieses strategische Team,
der Steuerungsausschuss, der führende Köpfe der Kommunen sowohl auf der
einen wie auf der anderen Seite vereinigen wird, passt vorzüglich in die erste
Aufgabengruppe, also in das strategische Management - Pomeranian Good Governance. Alles was mit dem Good Governance zu tun hat, bietet eine gute Basis, um über all die Problemstellungen zu beraten, die hier besprochen wurden
und die vielleicht noch nicht einer gesonderten Aufgabengruppe zugeteilt werden können. Dazu gehören unsere soziale Themen, z.B. Menschen mit Behinderung, über die Herr Marek Tałasiewicz gesprochen hat. Diese Menschen brauchen nicht nur unsere Hilfe, sie können uns auch was anbieten.
Aspekte, die bereits näher umrissen wurden, können praktisch gesonderten
Aufgabengruppen zugeteilt werden, wo auf sie nicht nur führende Vertreter der
Kommunen warten, sondern auch Fachleute aus den betreffenden Branchen,
um über gemeinsame Projekte und Maßnahmen zu sprechen.
Bildung für eine gemeinsame Zukunft, also das, was direkt auf der einen und
der anderen Seite zum Aufgabenspektrum der Kommunen gehört, damit diese
und die nächsten Generationen bereit sind, sich den gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen im Grenzgebiet stellen zu können.
Tourismus im Grenzgebiet. Lernen wir gemeinsam unsere Freizeit zu verbringen. Die bestehende Infrastruktur und Dienstleistungen können ein attraktives
Angebot darstellen. Es muss kein großer Urlaub geplant werden, es reicht für
mehrere Stunden die andere Seite der Grenze zu besuchen.
Das Arbeitsteam, also die Gruppe, die für die Vorbereitung dieser Konferenz
zuständig war, sollte beibehalten werden.
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Worüber bereits vor der Konferenz gesprochen wurde, ist das Sprachenzentrum, das Lehrerfortbildungszentrum. Es stellt eine große institutionelle Herausforderung für das Grenzgebiet dar. Gleichzeitig ist es eine der Verpflichtungen
seitens des Partners, also der Stadt. Szczecin zu sein verpflichtet.
Europäische Kulturhauptstadt mit zwei wichtigen Aspekten: runder Tisch, wo
wir auf keine äußere Bezuschussung warten müssen, wir müssen uns nur organisieren, damit dieser runde Tisch regelmäßig tagen kann; den zweiten Aspekt
stellt das Kulturlabyrinth dar, also die bisher virtuelle Komponente. Gemeinsames Kulturangebot, das dazu dient, sich gemeinsam kennenzulernen. Wenn wir
mehr voneinander erfahren wollen, brauchen wir eine gemeinsame Informationsplattform. Jungen, ehrgeizigen Menschen muss ein Informationsportal, eine sekundäre Informationsplattform, eine Software zum automatischen Betrachten virtueller Welt geboten werden, damit sie nicht in andere Städte wegziehen. Es ist
eine Lösung, die erlaubt Informationen entsprechend den Hauptlebensbereichen zu ordnen, Informationsservices für Stammuser zu bearbeiten. Dazu werden auch Translationsprogramme genutzt. Diese Lösung bietet noch eine andere Funktion an. Sie kann dazu dienen, alles das zu digitalisieren, was bereits im
Rahmen der Arbeiten an der Euroregion „Pomerania“ geleistet wurde. Viele Dinge wurden vor der Informatikära geschaffen. Wir brauchen einen solchen Ort im
virtuellen Raum, damit alle Dokumente und die geleistete Arbeit für jene zugänglich bleiben, die in der Zukunft neue Projekte durchführen werden.
Wer ist für die gesamte Organisation zuständig? Vor allem die Euroregion
„Pomerania“. Das hier tätige Team wurde geschaffen, damit Projekte dieser Art
durchgeführt werden. Die Hoffnung von der Verwirklichung dieser ehrgeizigen
Pläne bleibt nur dann aufrechterhalten, wenn die Unterstützung der beiden Kommunen, Szczecin und Uecker-Randow, weiterhin sichergestellt werden kann.
So stellen wir uns also unsere weiteren Aktivitäten vor. Wir hegen nicht nur
die Hoffnung, dass es zu einer weiteren Konferenz kommen wird, sondern dass
diese Gruppen fortgeführt werden und Sie nicht nur zur Konferenzteilnahme eingeladen werden, sondern auch zur aktiven Beteiligung an den Arbeiten.
Vielen Dank.
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Abschluss der Konferenz
Dennis Gutgesell, 1. Stellvertretender des Landrates von Uecker-Randow
Sehr geehrter Herr Stadtpräsident Krzystek, sehr geehrter Herr Szewczuk,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben in den letzten zwei Tagen sehr viel gehört, sehr viele Inputs bekommen und angeregt diskutiert. Zum Schluss muss man natürlich ein Resümee ziehen und ich möchte nicht alles wiederholen, was von den drei Moderatoren bereits vorgetragen wurde. Aber was nehmen wir nun mit, was ist wichtig?
Es ist deutlich geworden, dass Szczecin sich in Dynamik und im Wachstum
Richtung Westen entwickelt. Je dichter man an die Grenze kommt, um so
mehr gibt es Menschen, welche die Potenziale und die Vorteile der Grenzregion bereits erkannt haben. Diese Potenziale müssen genutzt und die Vorteile
weiter herausgearbeitet werden. Die Entwicklungsvoraussetzungen müssen
verbessert und ausgebaut werden. An allererster Stelle stehen hier natürlich
unsere Menschen in unserer Region und deshalb ist es richtig, dass wir hier
einen Schwerpunkt setzen, um sprachliche Kompetenzen voranzubringen, um
interkulturelle Kompetenzen weiterzuentwickeln, und es ist auch heute gesagt
worden, dass die Akzeptanz für die Sprache des jeweiligen Nachbarn erhöht
werden muss. Das nehmen wir mit und müssen versuchen, an diesen Themen
weiter zu arbeiten. Ein vorbildliches Beispiel, wie man es machen kann, haben
wir aus dem sächsischen Raum gehört. Da können wir sehr viel lernen und
müssen das Rad nicht neu erfinden.
Gemeinsam müssen wir nun die Aufgaben, die vor uns stehen, angehen.
Wir sind gemeinsam stärker, als wenn jede Seite allein versuchen würde, sich
den jeweiligen Herausforderungen zu stellen. Es gibt sehr viel zu tun, viele Aufgaben wurden heute definiert und ich denke, wenn es gelingt, uns im nächsten
Jahr hier wiederzusehen und vielleicht die Hälfte der Aufgaben schon angearbeitet oder gelöst ist, dann sind wir schon ein großes Stück weiter.
Gemeinsam wollen wir den Antrag „Szczecin - Kulturhauptstadt 2016“ voranbringen. Kultur wollen wir auch als Begegnungs-Strategie verstehen, um die
Menschen besser zueinander zu bringen. Gemeinsam wollen wir die deutschpolnische Metropolregion Szczecin entwickeln und unser Ziel muss es sein,
dass unserer Region kein Jugendlicher mehr verloren geht. Jeder einzelne von
Ihnen hier im Raum ist aufgefordert, mitzuarbeiten. Ich bitte Sie, kräftig mit anzupacken, um die genannten Ziele zu erreichen.
Ich möchte an diese Stelle für die deutsche Seite sprechen und von uns
Dank sagen. Dank für die Initiative und das Engagement der Stadt Szczecin,
die erkannt hat, dass es richtig ist, sich gemeinsam mit der deutschen Seite
auf den Weg zu machen und damit auch ein entsprechendes „Know-how“, ein
gewisses Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten, welches andere große
Städte in Polen so nicht aufweisen können. Ich denke, gemeinsam können wir
diese Region entwickeln. Ich möchte Dank sagen den Moderatoren und den
Referenten aus Polen und aus Deutschland und ich möchte Dank sagen all denen, die diese Veranstaltung so gut vorbereitet haben: Frau Berlińska, Herr
Ceran und den vielen anderen polnischen und deutschen Kolleginnen und Kollegen, die hier so fleißig mitgeholfen haben, damit die Konferenz ein voller Erfolg wird. Herzlichen Dank.
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Piotr Krzystek, Präsident der Stadt Szczecin
Ich habe mit größter Aufmerksamkeit die Vorträge der Moderatoren, die Zusammenfassungen verfolgt, weil ich der Meinung bin, dass unsere Konferenz ihr Ziel erreicht hat. Letztes Jahr haben wir uns zum ersten Mal in dieser Form getroffen, da wir
genau nach dieser Möglichkeit für unsere Diskussionen, Gespräche und schließlich
unsere Zusammenarbeit gesucht haben. Wir sind uns alle bewusst, dass „Pomerania“ einen großen Wert an sich darstellt. Einen Wert, der viel Gutes bringt, sowohl für
die eine, als auch für die andere Seite der Oder. Diese Botschaft beginnt bereits heute eine reelle Dimension anzunehmen.
Während der Konferenz haben wir etliche konkrete Aspekte besprochen. All diese
Bereiche, die sich unseres großen Interesses erfreuen. Es stellt sich heraus, dass dieses Interesse auf beiden Seiten mittels genau dieser Themen in ein Ordnungssystem
geleitet werden kann. Es handelt sich dabei um die EKH – eine große Herausforderung für Szczecin und gleichzeitig ein weites Betätigungsfeld für Zusammenarbeit, für
verschiedene gemeinsame Projekte, das einen Mehrwert, sowohl auf der polnischen,
als auch auf der deutschen Seite, mit sich bringt.
Wir sprachen über die Bildung vor dem Hintergrund des Arbeitsmarktes und dessen, was uns erwartet. Es werden gute Ideen vorgebracht. Wir freuen uns über die
dynamische Entwicklung der Sprachprogramme. Szczecin will diese Projekte aktiv
angehen. Die Sprachenakademie ist sicherlich eine gute Herausforderung. Auch
wenn wir keine spezielle Institution einrichten werden, die solche Programme umsetzen würde, kann ein gutes Team, das diese Programme koordinieren und vereinheitlichen wird, gute Effekte zeitigen und dazu beitragen, dass die Sprachenkenntnis
Jahr für Jahr verbessert wird. Heute können wir feststellen, dass die Bereitstellung
guter Lehrkräfte auf allen Niveaus für uns ein Problem sein könnte, denn es gibt sehr
viele, die lernen wollen und deswegen stellt uns die Vorbereitung eines kohärenten
Systems, eines Programms und des Lehrpersonals, das all dies sinnvoll realisieren
könnte, vor eine große Herausforderung. Dies ist eine Aufgabe für uns, die in den
Kommunen auf beiden Seiten der Grenze tätig sind.
Ich freue mich, dass wir über die neue Rolle der Euroregion „Pomerania“ als einer
Institution gesprochen haben. Erfahrungen, die wir bis jetzt sammeln konnten, erlauben uns die Ziele neu zu definieren, die durch die Euroregion verwirklicht werden
können. Sie hat ihre Rolle erfüllt, denn sie lehrte uns die Nutzung von EU-Fördermitteln. Heute steht das Büro der Euroregion vor neuen Herausforderungen und wird
seine Aktivitäten entfalten, um die Koordination der Netzwerkbildung sicherzustellen
und uns bei unserer täglichen Arbeit zu unterstützen.
Aus der heutigen Konferenzperspektive werden wir gewahr, dass nicht nur die
Veranstaltung alljährlicher Konferenz, sondern die Arbeit an weiteren Unternehmungen in Arbeitsteams und Funktionsteams genau dies ist, was geschehen sollte. Die
Konferenz sollte ein Element sein, das die Möglichkeit gibt, Bilanz zu ziehen, das uns
erlaubt sich zu treffen, Meinungen auszutauschen und neue Inspirationen für unser
Handeln zu suchen. Ich denke, dass dies realisiert werden konnte.
Ich danke allen sehr herzlich für das zahlreiche Erscheinen. Ich danke all jenen,
die den größten Beitrag dazu geleistet haben. Ich denke, dass wir die an uns, die
Kommunen, gestellten Erwartungen erfüllen werden.
Wir wissen genau, wie wichtig diese Beziehungen sind, wie wichtig die Schaffung
von Rahmenbedingungen ist, nur dann werden wir Synergieeffekte realisieren können, die für uns alle besonders wertvoll sind.
Ich danke Herrn Landrat, als dem Mitveranstalter dieser Unternehmung. Ich lade
Sie zur Aufnahme dieser täglichen Kontakte herzlich ein. Ich denke, dass wir in einem
Jahr uns wieder treffen werden, um seine Bilanz zu ziehen und über weitere Ideen
und Projekte nachzudenken, die uns ermöglichen, eine noch höhere Stufe gemeinsamer Zusammenarbeit und gemeinsamer Beziehungen zu erreichen. Vielen Dank.
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Programm der 2. Deutsch-Polnischen Konferenz
„Unser Grenzgebiet – zwischen Vision und Praxis”
Szczecin 2./3.12.2009, Hotel Radisson SAS
I Tag 2.12.2009
09.30 - 10.30
Eröffnung der Konferenz
Piotr Krzystek – Präsident der Stadt Szczecin
Dr. Volker Böhning – Landrat des Landkreises Uecker-Randow
Leitreferate:
Transformation des Humankapitals und Arbeitsmarktes in Szczecin sowie in den
Grenzgebiet – demografische Wechsel, Bildungsniveau der Einwohner, Wirtschaftsaktivitäten der Einwohner, Einkommensquellen der Einwohner, Wechsel
der Wirtschaftsstrukturen – Janusz Szewczuk, Direktor des Vereins für Wirtschaftsentwicklung der Gemeinden
Perspektiven der regionalen Entwicklung für die Planungsregion Vorpommern –
Dr. Carola Schmidt, Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern,
Greifswald
11.15 – 14.30
Beratungen in Diskussionsblöcken
1. Diskussionsblock: Wirtschaft / Bildung
Titel: Arbeitsmarkt und Berufsbildung nach 2011
Moderation: Paweł Bartnik – Geschäftsführer Verband der Polnischen Gemeinden der Euroregion Pomerania und Gerd Hamm, Fachbereichsleiter FB Jugend,
Kultur und Bildung, Landkreis Uecker-Randow
Vorträge:
1. Zusammenarbeit im Bildungsbereich als Beitrag zur Überwindung der Sprachund interkulturellen Barrieren - Kinga Hartmann-Wóycicka – Sächsische Bildungsagentur Chemnitz;
2. Berufszertifizierung – Ekkehard Kammer, Ministerialrat im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur von Mecklenburg-Vorpommern und Ewa Kunikowska-Kruk, Fachbereichsleiterin FB Berufsbildung im Ministerium für Nationale Bildung, Warszawa;
3. Gegenwärtige Erwartungen der Arbeitgeber an den Arbeitsmarkt – Ergebnisse
der Umfrage des Wojewodschaftsarbeitsamtes – Paweł Nowak, Wojewodschaftsarbeitsamt in Szczecin;
Der deutsche Arbeitsmarkt in der Grenzregion Westpommern – Mecklenburg-Vorpommern, Christian Justa, Arbeitsagentur Pasewalk
4. Anerkennung und Vergleichbarkeit- Stand der Erarbeitung des Deutschen Qualifikationsrahmens - Ellen Grull, IHK Neubrandenburg;
Berufsausbildung und Arbeitsmarkt – Andrzej Zych, Westpommersches Zentrum
für Lehrerweiterbildung;
5. Agnieszka Gruszczyńska, Piotr Lachowicz, Westpommersches Zentrum für
Lehrerweiterbildung;
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2. Diskussionsblock: Good Governance
Titel: Vernetzung als eine wirksame Methode der Zusammenarbeit
Moderation: Marek Tałasiewicz – Berater des Stadtpräsidenten von Szczecin und
Burkhardt Preißler – Landkreisamt Uecker-Randow
Vorträge:
1. Grenzüberschreitende sozioökonomische Untersuchungen am Beispiel der
Zusammenarbeit von Fachinstituten im Rahmen der Interregionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstelle der Großregion (IBA) – Dr. Lothar Kuntz, Koordination der
IBA, INFO-Institut Saarbrücken;
2. Verbesserung der territorialen Kohäsion eines grenzüberschreitenden Gebiets
durch ein Kooperationsnetzwerk im Bereich der Raumplanung – Karl-Heinz Hoffmann-Bohner, Verbandsdirektor im Regionalverband Hochrhein-Bodensee;
3. Bildung von integrierten Banken von statistischen Daten am Beispiel der Netzwerkkooperation von Statistischen Ämtern – Karl Schneider, Leiter der Wirtschaftsstatistiken, Referent für Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Umweltstatistiken, Saar-Lor-Lux-Koordination im Statistischen Landesamt von Saarland;
4. Beispiele der Netzwerkkooperationen im Entwicklungs- und Handlungskonzept
der Euroregion Pomerania – Peter Heise, Geschäftsführer der Kommunalgemeinschaft Europaregion POMERANIA e.V.;
5. Regionaler Think-Tank – proactive Regionalentwicklungspolitik, Paweł Warszycki, Wiss. Mitarbeiter, Koordinator der Internationalen Projekte, Hanseatic Institute for Entrepreneurship and Regional Development at the University of Rostock;
6. Dr. Martin Niedermeyer, Leiter des Referats Grenzüberschreitende Zusammenarbeit SaarLorLux, Abteilung Europa, Interregionale Zusammenarbeit;
3. Diskussionsblock: Kultur
Titel: Europäische Kulturhauptstadt als Integrations- und entwicklungsförderndes Faktor für das Grenzgebiet
Moderation: Marek Sztark – Bevollmächtigter des Präsidenten der Stadt Szczecin für das Projekt Europäische Kulturhauptstadt 2016 und Klaus Hirsch – Tabakfabrik Vierraden
Vorträge:
1. Fallstudie: Europäische Kulturhauptstadt - Luxembourg 2007 – Dunia Sinno,
Regionalkoordinatorin für grenzüberschreitende Kulturprojekte, Kulturministerium Luxemburg;
2. Integration der Kultur- und Kunsteinrichtungen in die grenzüberschreitende Kooperation- Uschi Macher, Leiterin des Referats Internationales und EU-Angelegenheiten im Ministerium für Bildung, Familie, Frauen und Kultur von Saarland;
3. Diagnose der Situation im Kulturbereich in Szczecin – Notwendigkeit der Erweiterung von Untersuchungen auf das Grenzgebiet – Dr. Marek Gorzko, Institut
für Soziologie, Universität Szczecin;
4. Präsentation des Konzeptes zur Einbeziehung der Institutionen und Organisationen vom Grenzgebiet in das Projekt Europäische Kulturhauptstadt 2016 – Wojciech Kłosowski, Berater für Strategiefragen EKH 2016;
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16.00 – 17.30
Fortsetzung der Arbeit in Diskussionsblöcken – Diskussion mit Teilnahme
der Hörer
17.30 – 18.00
Treffen der Moderatoren und Zusammenfassung des ersten Tages der Konferenz – Vorbereitung von vorläufigen Schlussfolgerungen
II Tag 03.12.2009
09.00 – 12.00
Arbeit in Diskussionsblöcken / Zusammenfassung des 1. Tages / Formulierung von Empfehlungen und Schlussfolgerungen
13.30 – 15.30
Zusammenfassung der Konferenz und Präsentation der Schlussfolgerungen
von den Diskussionsblöcken – Janusz Szewczuk und Moderatoren Podiumsdiskussion
Abschluss der Konferenz
Piotr Krzystek – Präsident der Stadt Szczecin
Dennis Gutgesell – 1. Stellvertreter des Landrates von Uecker-Randow
15.30 – 16.00
Pressekonferenz
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