Öffnen und Reinigen Feldstechers D.F.6x (Carl Zeiss Jena)

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Öffnen und Reinigen Feldstechers D.F.6x (Carl Zeiss Jena)
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Öffnen und Reinigen
eines
Feldstechers D.F.6x (Carl Zeiss Jena)
November 2014
von
Clemens Schmidt
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Internet, nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors. Der Autor ist zu erreichen über
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Inhaltsverzeichnis
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EINLEITUNG .................................................................................................................. 3
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AUSBAU DES OBJEKTIVES .......................................................................................... 4
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PRISMEN ....................................................................................................................... 9
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OKULAR ........................................................................................................................11
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ERGEBNIS ....................................................................................................................14
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REFERENZEN ..............................................................................................................15
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Unterseite des Fernglases ....................................................................... 4
Abbildung 2: Objektiv nach Entfernung des Ausblickstutzens ....................................... 5
Abbildung 3: Ausblickstutzen nach Entfernung ............................................................. 6
Abbildung 4: Objektiv, entfernt...................................................................................... 7
Abbildung 5: Fernglasarm, Objektiv entfernt ................................................................. 7
Abbildung 6: Abschlussdeckel, mit Gewinde für Ausblickstutzen .................................. 8
Abbildung 7: Prismenbefestigung ................................................................................. 9
Abbildung 8: Fernglaskörper, Prisma entfernt ............................................................. 10
Abbildung 9: Aufbau des Okulars von aussen ............................................................ 11
Abbildung 10:Okular mit Abdeckring für Zentrierschrauben ........................................ 12
Abbildung 11: Ergebnis der Säuberung ...................................................................... 14
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EINLEITUNG
Der Feldstecher Carl Zeiss Jena, Seriennummer 504137 ist ein 6x24 Fernglas vom
Typ D.F.03, wie es vor und im 1. Weltkrieg genutzt wurde. Laut dem Buch von Hans
Seeger datiert das Glas etwa aus dem Jahre 1915 (s. /1/, S. 133). Da es noch die
Abschlußdeckel aus Messing und nicht aus Zink hat, dürfte auch diese Tatsache die
geschätzte Datierung unterstützen.
Das Glas ist in einem guten bis sehr guten Erhaltungszustand. Leider war auf den
Objektivlinsen eine Trübung vorhanden, die die sehr guten optischen Eigenschaften
des Gerätes teilweise zunichte machte. Sie rührt wahrscheinlich von reichlich
verarbeitetem Dichtungsmittel, welches im Laufe der Jahrzente „ausgaste“. Es sollte
der Versuch unternommen werden, mit „Hobby“-Mitteln die Objektive und möglichst
auch Prismen und Okulare zu reinigen, um dem Glas wieder zu einer ungetrübten
Verwendung zu verhelfen. Es wurde auch bei einer von Insidern genannten Adresse,
welche wohl professionelle Reinigungen durchführt, angefragt, ob eine Unterstützung
möglich wäre. Leider wurde die Anfrage nicht einmal beantwortet.
Der prinzipielle Aufbau eines Porro-Feldstechers ist bekannt. Trotzdem sollte mit der
notwendigen Vorsicht zu Werke gegangen werden, da keinerlei Konstruktionsdetails
verfügbar waren. Im Ergebnis konnten daher wohl die Objektive und das objektivseitige
Prisma ausgebaut und gereinigt werden, nicht jedoch das Okular. Das Risiko, etwas zu
zerstören, wäre einfach zu groß gewesen.
Die folgenden Abschnitte behandeln Öffen und Ausbau von Objektiv, objektivseitigem
Prisma sowie den Versuch des Ausbaus des Okulars.
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AUSBAU DES OBJEKTIVES
Abbildung 1 zeigt die Unterseite des einen Fernglasarmes mit Abschlußdeckel sowie
das Objektiv mit seinem Ausblickstutzen (Bezeichnung aus /1/, S. 95). Die drei
Schrauben
des
Abschlußdeckels
konnten
ohne
Probleme
mit
einem
Uhrmacherschraubenzieher entfernt werden. Diese Schrauben waren aber so ziemlich
das Einzige, was ohne Probleme zu lösen war.
Abbildung 1: Unterseite des Fernglases
Als nächstes sollte der Ausblickstutzen entfernt werden. Er widerstand jedoch allen
Versuchen zum Abschrauben. Als Grund wurde vertrocknetes bzw. verharztes
Dichtungsmittel angenommen. Da keine Erfahrung beim Gängigmachen von
verharzten Gewinden vorhanden war, wurde im Internet sowie in der Literatur gesucht.
Das Internet lieferte nichts Fernglas-Spezifisches, dafür jede Menge Hinweise auf
Entfernung von Loctite aller möglichen Farben.
Fündig wurde ich im Handbuch der US-Navy „Opticalman 3&2“ („We serve with
honor“), was ich vor Jahren gekauft hatte. Ein herrliches, reich bebildertes Buch. Es
ersetzt eine komplette Feinmechanikerausbildung, erklärt es doch z.B. Teile und
Benutzung von Drehbank und Fräsmaschine. Es hat auch eine eigene „Binoculars“
Abteilung („Binoculars are the eyes of the Fleet“), die allerdings etwas „Bausch&Lomb“
lastig ist („Drilling a hole in the hinge axle and hinge barrel“). Nicht zu vergessen den
beeindruckenden „Mark5 binocular collimator“ auf S. 468. Dieses Buch erklärt auf
S.183 unter „Removal of Frozen Parts“:
…
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4. When time permits, soak frozen joints in penetrating oil,
…
6. If a joint is still frozen after you have soaked it a reasonable time in penetrating oil, proceed as
follows:
- Wipe off excess penetrating oil and apply heat to the exterior part as you turn it slowly.
- If the part breaks free, remove the heat, apply penetrating oil and carefully separate the parts.
…
CAUTION: Use extreme care and patience when you apply heat and pressure to frozen joints, …
Zeit hatte ich mehr als genug, „heat“ ebenfalls in Form eines Haarföns, für „penetrating
oil“ genügte ein Besuch bei Fa. Conrad. Dort gab es Kriechöl, für die gekaufte Menge
könnte ich wohl für den Reste meiner Tage Gewinde gängig machen. „Soaked“ habe
ich allerdings nicht, sondern immer nur einen kleinen Tropfen angewendet.
Also: Erwärmen, ölen, erwärmen, versuchen zu drehen, etc etc. Das Öl über Nacht
einwirken lassen, danach dasselbe noch mal. Und tatsächlich: Bei aller mir zur
Verfügung stehenden Kraftanstrengung beim Drehen des Ausblickstutzens bewegte er
sich plötzlich ein kleines Stück. Der Rest war dann nur noch Geduldsarbeit, und
Anwendung der immer gleichen Methode. Abbildung 2 und Abbildung 3 zeigen das
corpus delicti nach erfolgreicher Entfernung. Da war dann auch klar, warum der
Stutzen nicht durch einfaches Drehen zu entfernen war. Seinerzeit wurde bei CZJ
jedenfalls mit Dichtungsmittel nicht gespart.
Abbildung 2: Objektiv nach Entfernung des Ausblickstutzens
Abbildung 2 zeigt auch deutlich die Trübung innen auf der Objektivlinse.
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Abbildung 3: Ausblickstutzen nach Entfernung
Als nächstes sollten Objektiv und Abschlussdeckel entfernt werden. Aber welches
zuerst? Normalerweise wird zuerst das Objektiv ausgeschraubt, danach kann dann der
Abschlußdeckel abgehoben werden. Aber war das hier auch so? Oder musste
vielleicht der Abschlussdeckel zuerst entfernt werden? Wo ist das Gewinde befestigt,
welches den Ausblickstutzen hält? Am Objektiv? Am Abschlussdeckel? Von allen mir
bisher untergekommenen Gläsern hatte keines dieses Gewinde am Abschlussdeckel
befestigt. Man bedenke, dass die Teile alle mit diesem Dichtungszeug verschmiert
waren. D.h. wenn der Abschlussdeckel nicht zu entfernen war, herrschte große
Unsicherheit, ob noch vorhandene Dichtungsmasse oder mechanische Blockierung
durch z.B. das Objektiv die Entfernung verhinderte. Und es war jetzt davon
auszugehen, dass bei allen Gewinden große Kraftanstrengung zum Öffnen nötig war,
gepaart mit der beschriebenen Öl-Wärme-Massage.
Kurz und gut, das Risiko, hier etwas zu zerstören, war mir zu groß. Ich suchte daher
bei einem bekannten Internetauktionator (wo sonst?) nach einem ähnlichen Glas,
möglichst Schrott, zur Untersuchung der Konstruktion. Ich wurde auch recht bald
fündig, und erwarb ein Schrottglas zum völlig überteuerten Preis von 23 EUR.
Eigentlich hätte ich noch Geld bekommen müssen, für die Entsorgung des Glases.
Dieses war objektivseitig genauso aufgebaut und es war zu sehen, dass – wie
eigentlich auch zu erwarten – zuerst das Objektiv ausgeschraubt werden musste.
Selbst durch Anwendung von ausgiebig Öl und Wärme bewegte sich das Objektiv
keinen müden Millimeter, beim Drehversuch mit der Hand. Was tun?
No risk, no fun. Eine Wasserrohrzange mit „Filzpantoffeln“, d.h. geschützten Backen
musste ran. Die Objektivhalterung schien dafür ausreichend stabil zu sein. Die
Methode war am Schrottglas ausprobiert worden. Und es funktionierte. Und mit nur
einer klitzekleinen Macke. Abbildung 4 zeigt das entfernte Objektiv, gereinigt.
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Abbildung 4: Objektiv, entfernt
Und das Rätsel des Abschlussdeckels? Abbildung 5 und Abbildung 6 zeigen die
Lösung: Das Gewinde für den Ausblickstutzen ist tatsächlich an ihm befestigt. Die
Dichtungsmasse musste natürlich auch zwischen Abschlussdeckel und Fernglaskörper
entfernt werden: Hitze, Öl und eine scharfe, dünne Klinge zum Auskratzen führten zum
Erfolg. Als Klinge verwendete ich ein normales Teppichmesser.
Abbildung 5: Fernglasarm, Objektiv entfernt
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Abbildung 6: Abschlussdeckel, mit Gewinde für Ausblickstutzen
Ein Teil der Arbeit war erledigt. Die innenseitige Objektivlinse konnte gereinigt werden.
Mit Brillenreiniger und einem Mikrofasertuch.
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PRISMEN
Als nächste war das objektivseitige Prisma an der Reihe. Die Befestigung zeigt
Abbildung 7.
Abbildung 7: Prismenbefestigung
Nach gängiger Lehrmeinung sollte das ein Kinderspiel sein, auch da ja hier keinerlei
Dichtungsmasse im Spiel ist: Schraube auf, mit dem Uhrmacher der richtigen Größe,
Prisma raus, Flächen reinigen und wieder einbauen. Eine Justiermöglichkeit für die
Prismen ist nicht vorhanden.
So weit die Theorie. In der Praxis verweigerte die Schraube jegliche Bewegung. Da ich
nach vielen Versuchen Angst hatte, die Schraube völlig zu verhunzen und damit
unbrauchbar zu machen, schien mir die Lösung, auf einen kräftigeren Schraubenzieher
umzusteigen, mit dem ein höheres Drehmoment möglich war. Bei diesem musste die
Klinge auf die Breite des Schraubenschlitzes zurückgeschliffen werden („Dremel is
your friend“). Und damit ging es dann endlich. Diese Schraube hatte es sich einfach
nur 100 Jahre lang gemütlich gemacht. Kein Kleber, keine Dichtungsmasse. Abbildung
8 zeigt den Fernglaskörper ohne objektivseitiges Prisma.
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Abbildung 8: Fernglaskörper, Prisma entfernt
Damit konnten alle Glasflächen, außer der Dachfläche des okularseitigen Prismas und
dem Okular selber gereinigt werden.
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OKULAR
Die Krönung des Ganzen sollte der Ausbau des Okulars werden. Das schien mir ja nun
einfach, da ich die Konstruktion am „Schrottglas“ studieren konnte. Glaubte ich
jedenfalls. Abbildung 9 zeigt den äußeren Aufbau mit maximal ausgedrehtem Okular.
Abbildung 9: Aufbau des Okulars von aussen

Madenschraube: Mit ihr wird der eingeschraubte Einblickstutzen arretiert. Sie
ließ sich problemlos entfernen (und ist durch Unachtsamkeit in die ewigen
Jagdgründe entschwunden).

Schutzring für Justierschrauben: Dünner Messingring, der die darunter
liegenden drei Justierschrauben abdeckt.

Loch für ?: Sah zuerst aus, als ob eine Madenschraube drin wäre, ist aber
tatsächlich nur ein kleines Loch. Die Verwendung kann nur vermutet werden
s.u.).

Okulartubus: Er ist in den Fernglaskörper eingeschraubt und muss entfernt
werden, soll der Abschlußdeckel abgenommen werden.
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Abbildung 10:Okular mit Abdeckring für Zentrierschrauben
Eigentliches Ziel ist nicht das Zerlegen des Okulars, sondern das Entfernen, d.h.
Herausschrauben des Okulartubus. Mit montiertem Okularaufbau war es nicht
möglich, den Okulartubus von Hand herauszuschrauben. Auch die Öl-WärmeMethode half nicht. Da der Tubus nur ein relativ dünnes Messingrohr ist, musste
natürlich auch die Wasserrohrzange im Werkzeugkasten bleiben. Durch die
wahrscheinlich ebenfalls reichlich eingesetze Dichtungsmasse widersetzte sich das
Okular den Ausbauversuchen.
Trotzdem interessierte mich der Aufbau. Das Problem beim Zerlegen des Okulars
ist, über den oberen Anschlag der Dioptrieneinstellung wegzukommen. Am
Schrottglas mit den Zinkdeckeln war alles ganz einfach. Dort fehlt auch
bezeichnenderweise das „Loch für ?“ (s. Abbildung 9):

Lösen der Zentrierschrauben. Es sind bei diesem Glas mit den
Zinkabdeckungen sechs statt nur drei Zentrierschrauben vorhanden.

Vorsichtiges Kippen des nun lockeren Okulars und über den Arretierring am
Okulartubus nach oben abheben. Der Arretierring am Okulartubus ist dazu
an einer Stelle abgeflacht.
Diese einfachere Konstruktion ist bei den Gläsern mit Messingabdeckung nicht
vorhanden. Nach Lösen der (hier drei) Zentrierschrauben kann weder das lockere
Okular gekippt werden noch über den Anschlag der Dioptrieneinstellung abgehoben
werden. Wie kann das Okular aber dann ausgebaut werden?
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Hierüber kann ich nur spekulieren. Im Forum von astronomie.de gibt es vom
Mitglied „Ringo“ einen Beitrag „Okularausbau beim Zeiss Jena DF7x40“, der auch
genau auf mein Glas hier passen könnte /3/. Danach lässt sich der konische Teil mit
der Dioptrienskala von dem darüber liegenden, gebördelten Teil abschrauben. Das
Loch ist demnach für die Aufnahme eines speziellen Hakenschlüssels vorgesehen,
der eine halbkreisförmige Öffnung mit einem Dorn in der Mitte hat, welcher in
besagtes Loch passt und mit dessen Hilfe der konische Ring mit der Dioptrienskala
abgeschraubt werden kann.
Selbst wenn es gelungen wäre, den Okulartubus freizulegen, bliebe immer noch die
Aufgabe, dessen Gewinde frei zu bekommen. Da ohne spezielleres Werkzeug,
welches z.B. verhindert, dass der Tubus beim Anwenden von Kraft zerdrückt wird,
nur mit der Hand gedreht werden kann, habe ich auf weitere diesbezügliche
Aktionen verzichtet. Der okularseitige Abschlußdeckel sowie das obere Prisma
blieben so, wie vor ca. 100 Jahren montiert.
Offensichtlich wurde bei der Umstellung auf die Variante mit Zinkdeckeln auch die
Okularkonstruktion vereinfacht. Möglicherweise ist die hier vorliegende frühere
Variante so wie sie in späteren Gläsern wieder zu finden ist.
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ERGEBNIS
Nach dem problemlosen Zusammenbau bietet diese Fernglashälfte jetzt wieder
einen
wesentlich
klareren
Durchblick.
Auf
das
Wiederherstellen
der
Wasserdichtigkeit wurde schweren Herzens verzichtet. Wer weiß, ob nicht jemand
in vielleicht 100 Jahren sonst vor ähnlichen Problemen stünde. Abbildung 11 zeigt
sehr deutlich das Ergebnis der Säuberung des Objektives. Bleibt nur noch, dieselbe
Aktion auch für die zweite Hälfte über die Bühne zu bekommen.
Abbildung 11: Ergebnis der Säuberung
Natürlich stellt sich die Frage: Lohnt sich das alles, um vielleicht 250EUR zu sparen
und das Ganze nicht besser von einer Firma machen zu lassen, die das schon öfter
erledigt hat? Meine Meinung ist: Ganz klar, ja! (Sonst hätte ich es nicht versucht).
Erstens sind 250EUR auch kein Pappenstiel, aber das Wichtigere sind der Spaß und
der Lerneffekt, den man dabei hat, auch wenn ein Madenschräubchen „flöten“
gegangen ist. Selbstverständlich würde man eine ähnliche Aktion an einem
wertvolleren Glas niemals angehen, sondern das „den Profis“ überlassen. Trotzdem
freut sich der Amateur, wenn manches auch noch mit einfacheren Mitteln geht, ohne
Profis, die, wie die Erfahrung hier gezeigt hat, nicht gerade auskunftsfreudig waren.
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REFERENZEN
/1/
Hans Seeger, Militärische Ferngläser in Heer, Luftwaffe und Marine, 2.
Auflage 2002, ISBN 3-00-000457-2
/2/
Opticalman 3&2, Navy Training Course, Navpers 10205, First Edition 1966
/3/
http://forum.astronomie.de/phpapps/ubbthreads/ubbthreads.php/topics/912
413/Okularausbau_beim_Zeiss_Jena_D

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