Stichproben
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Stichproben
Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung Überblick Population - Stichprobenauswahl ] Definition der Begriffe ] Quantitative Studien: Ziehen von Stichproben (= Sampling) ] Qualitative Studien: Ziehen von Stichproben (= Sampling) Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Definition: Population (= Grundgesamtheit), Stichprobe Population ccccc ccccc ccccc ccccc Stichprobe cccc ccc ccc Auswahlverfahren Population= Personengruppe, über die man Informationen sammeln will (Umfang = N) Stichprobe= Auswahl aus den Personen oder Elementen der Population, die untersucht wird (Umfang = n) Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Vollerhebung Population ccccc ccccc ccccc ccccc Vollerhebung= Stichprobe ccccc ccccc ccccc ccccc Daten aller Elemente oder Personen einer Population werden untersucht Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Vor- und Nachteile: Vollerhebung Erhebung einer Stichprobe ] Vollerhebung, \ wenn der Umfang der Population gering ist \ Heterogenität in Bezug auf ein interessierendes Merkmal ] Vorteile \ die gesamte Verteilung der Merkmale einer Population sind bekannt, bei einer Stichprobe müssen sie geschätzt werden. ] Nachteile \ ab einer bestimmten Grösse, werden die Kosten grösser als bei einer Stichprobe \ Ergebnisse einer Stichprobe können genauer sein als diejenigen einer Vollerhebung [ bessere Ausbildung der Ausführenden der Erhebung [ grössere Kontrollmöglichkeiten [ bessere Elimination der Datenfehler bei der Erhebung und Bearbeitung Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Repräsentativität ] Repräsentativität = die Stichprobe ist ein verkleinertes Abbild der Population --> gleiche Verteilung der Merkmale der Population und der Stichprobe ] Dies ist nur in einer Zufallsstichprobe gegeben --> Repräsentationsschluss kann nur bei einer Zufallsauswahl gezogen werden. ] In der Praxis wird der Begriff „ repräsentative Stichprobe“ nicht nur im Zusammenhang mit Zufallsstichproben gebraucht. Auswahlverfahren zur Ziehung einer Stichprobe Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg ] Auswahlverfahren = Regeln und Vorgehensweisen nach denen Personen oder Elemente aus einer Population ausgewählt und in die Stichprobe aufgenommen werden ] Grundsatzentscheidung bei der Auswahl des Verfahrens: \ Zufalls-oder bewusste Auswahl \ Stichprobeneinheit Klumpen oder Elemente Auswahlverfahren zur Ziehung einer Stichprobe Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg ] Zufallsauswahl \ einstufig [ einfache Wahrscheinlichkeitsauswahl [ systematische Wahrscheinlichkeitsauswahl \ mehrstufig [ geschichtete Wahrscheinlichkeitsauswahl [ Klumpenauswahl [ mehrstufige Wahrscheinlichkeitsauswahl ] Bewusste Auswahl \ Auswahl nach festgelegten subjektiven Kriterien [ extrem Gruppen [ typische Fälle [ Auswahl nach dem Intensitätsauswahl \ Quota-Auswahl \ Auswahl nach dem Schneeballprinzip ] Willkürliche Auswahl \ keine subjektive Kriterien, ad-hoc-Auswahl Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Einstufige Zufallsauswahl: Einfache Zufallsstichprobe (=simple random sample) Population cccc001 cccc002 cccc... cccc120 Stichprobe 291 001 549 398 743 204 ... cccc ccc ccc Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Einstufige Zufallsauswahl: Systematische Zufallsstichprobe Population cccc001 cccc002 cccc... cccc120 Stichprobe 009 018 027 .... cccc ccc ccc 873 882 891 Jedes x-te Element wird ausgewählt Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Mehrstufige Zufallsauswahl: Geschichtete Zufallsstichprobe Population Proportional geschichtet cccccc ccccccc ccccc ccccc ccc Population Disproportional geschichtet cccccc ccccccc ccccc ccccc ccc Stichprobe cccc cccc cccc cc Stichprobe cccc cccc cccc Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Mehrstufige Zufallsauswahl: Klumpenstichprobe Population cccccc ccc ccc ccccc ccc ccc ccc Stichprobe ccc ccc ccc ccc Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Mehrstufige Zufallsauswahl: Mehrstufige Zufallsstichprobe Population cccccc ccc ccc ccccc ccc ccc ccc Stichprobe ccc ccc ccc ccc c c c c Bewusste Auswahl: Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Typische u. extreme Fälle als Stichprobe Population Typische Fälle (Bsp. Frauen) cdbcc ccd ccbc ccccc Population Extreme Fälle (Bsp. Knaben) cdbcc ccd ccbc ccccc Stichprobe ccc ccc cc Stichprobe dd Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Bewusste Auswahl: Intensitätsverfahren Population cdbcc ccd ccbc ccccc Stichprobe cc cd Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Bewusste Auswahl: Schneeballverfahren Population Stichprobe c cccc cc c c c cccccc cccc c c c c c cc cc cccc cc Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Bewusste Auswahl: Quota-Stichproben Population 70% Frauen 10% Männer 20% Kinder cddb c c cd c ccccc c cccb Stichprobe bdd 70% Frauen cccc 10% Männer c cc 20% Kinder Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Ausfälle ] Nonresponse-Problem: Personen, die nicht antworten: \ \ \ \ \ \ \ \ wollen keine Auskunft geben sind nur schwer erreichbar sind nicht mehr erreichbar Kontaktperson ist nicht erreichbar sind überfordert nicht aufgefundene Adressen Interviewfehler /Fragebogenfehler Datenerfassungs- und Aufbereitungsfehler ] Ausschöpfungsquote: Quotient zwischen der Zahl ausgewerteter Interviews und der bereinigten Stichprobe Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Repräsentationsschluss 1 • Beschreibung der Stichprobe durch statistische Kennwerte (u.a. Mittelwert) • Der Mittelwert der Zufallsstichprobe ist die Schätzung für den Mittelwert der Population. • Der Mittelwert von Mittelwerten von vielen Zufallsstichproben der gleichen Population ist der Mittelwert der Population (=Mittelwertsparameter). • Mit dem errechneten Mittelwert einer Stichprobe kann mit einer gewissen Fehlertoleranz (= Konfidenzintervall) auf den entsprechenden Wert der Population geschlossen werden. --> Repräsentationsschluss • Die Streuung der Mittelwerte der Stichproben (=Standardfehler σx) um diesen Parameter herum, ist abhängig von 2 Grössen: Varianz der σ2x Population (σ2x), Umfang der Stichprobe (n). σx = n • bei einem Wert von 80% kann man davon ausgehen, dass dieser unter Berücksichtigung des Konfidenzintervalls für die Population zutrifft. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Mittelwertsparameter der Population Stichprobe A M= 0.5 Stichprobe B Stichprobe C M= 0.6 M= 0.8 Population / Grundgesamtheit M=0.5 + Konfidenzintervall =Repräsentationsschluss • Mit dem errechneten Mittelwert einer Stichprobe kann mit einer gewissen Fehlertoleranz (= Konfidenzintervall) auf den entsprechenden Mittelwert (=Mittelwertsparameter) der Population geschlossen werden. --> Repräsentationsschluss Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Repräsentationsschluss 2 • Konfidenzintervall= der Bereich der Merkmalsausprägungen, in dem sich der Mittelwert der Population(=Parameter) mit einer 95% (oder 99%) Sicherheit befindet. -3 -2 -1 1 2 3 2/3 aller Fälle 95% aller Fälle 99% aller Fälle • Konfidenzintervall95%= p + z2.5% . P . (1-p) n • Konfidenzintervall99%= p + z0.5% . P . (1-p) n p= Anteil, der für die Stichprobe errechnet wurde z= Wert, der von den extremen der Standardnormalverteilung 2.5% (z=1.96) bzw. 0.5% (z=2.58) der Fälle abschneide = Stichprobengrösse Beispiel Von 400 repräsentativ ausgewählten Kindern der Schweiz finden 80% den Sporttag gut. Wie sieht es bei der Population (alle Kinder der Schweiz aus)? p= 0.8 Z=1.96 (Konfidenzintervall 95%) N=400 Konfidenzintervall 95%= p + z2.5% . p . (1-p) n =0.8+0.0392 Parameter für die Population liegt mit 95%iger Sicherheit zwischen 76% und 84% Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Stichprobenumfang 1 \ Keine eindeutige Regel, wie gross die optimale Stichprobe genau sein „muss“ \ ist nur bedingt abhängig von der Grösse der Population \ hängt von den Materiellen und personellen Ressourcen ab, die zur Verfügung stehen ] Grösse der Stichprobe steht im Zusammenhang mit der Schätzungsgenauigkeit der Stichprobe --> je nach tolerierbarem Fehler, kann die Stichprobengrösse bestimmt werden Bsp. n=800, p= 0.8 Konfidenzintervall 95% von 0.77 bis 0.83 n=400, p= 0.8 Konfidenzintervall 95% von 0.76 bis 0.84 n=200, p= 0.8 Konfidenzintervall 95% von 0.74 bis 0.85 n=100, p= 0.8 Konfidenzintervall 95% von 0.71 bis 0.87 \ Schätzgenauigkeit erhöht sich nicht proportional zum Umfang, der Gewinn der Schätzgenauigkeit ist vor allem bis 1000 Personen gross Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Stichprobenumfang 2 ] Wichtig für die Entscheidung der Grösse der Stichprobe ist (nebst der Überlegung bezüglich Schätzfehler) die Komplexität der Fragestellung \ Bei grösserer Komplexität und grösserer Differenzierung reduziert sich die einzelne Zellbesetzung und der Stichprobenumfang muss erhöht werden. ] Der Einsatz der Methoden beeinflusst den Stichprobenumfang. \ Z.B. Standardisierter Fragebogen grössere Stichprobe \ Narrative Interviews kleinere Stichprobe Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Qualität von Stichproben in qualitativen Studien ] Statistische Repräsentativität spielt in der Regel keine Rolle, hingegen die inhaltliche Repräsentativität (=Angemessene Zusammenstellung der Stichprobe) Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Kriterien für die Zusammenstellung von Stichproben ] Primäre Selektion von TeilnehmerInnen, allg. Kriterien: \ Mitglieder verfügen über reiche Informationen in Bezug auf die Fragestellung (Morse 1994, Stake 1994) [ [ [ [ sie sie sie sie haben die Fähigkeit zu reflektieren können sich artikulieren haben Zeit, interviewt zu werden sind bereit, an der Untersuchung teilzunehmen ] Sekundäre Selektion von TeilnehmerInnen: \ verschiedene Sampling-Möglichkeiten: Kriterien werden theoriebezogen festgelegt [ [ [ [ [ [ [ A-priori-Determinierung Vollerhebung Theoretisches Sampling abweichende oder extreme Fälle Intensitätsstichproben, Fälle, die im Zentrum des Geschehens stehen Variantions-maximierte Stichprobe, Fälle, die möglichst unterschiedlich sind kritische Fälle, Fälle, die für die Identifikation von kritischen Ereignissen wichtig sind u.a Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Ziehen von Stichproben --> Stichprobenziehung muss zu Beginn der Durchführung der Untersuchung noch nicht abgeschlossen sein, eine Ergänzung im Verlaufe des Prozesses ist gut möglich ] Vorab-Festlegung der Struktur der Stichprobe (eher selten) ] theoretisches Sampling (= Schrittweise Festlegung der Struktur der Stichprobe, Glaser & Strauss) bis zur theoretischen Sättigung (= es können keine weiteren Daten gefunden werden, mit Hilfe derer weitere Eigenschaften der Kategorien entwickelt werden können) \ Gate keeper (Türwächter), der der Forscherin den Zugang zu Feld öffnen kann \ Schneeballsystem: man beginnt mit einem Fall und lässt sich von diesem weitere nennen \ Top-down- Ansatz (= es wird in einer Institution an der Spitze begonnen und nach und nach die unterschiedlichen Hierarchiestufen miteinbezogen) --> Kombination der beiden Vorgehensweisen Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Ziehen von Stichproben Theoretisches Sampling 1 Umfang der Grundgesamtheit ist vorab unbekannt 3 Merkmale der Grundgesamtheit sind nicht vorab bekannt 5 Mehrmalige Ziehung von Stichprobenelementen nach jeweils neu festzulegenden Kriterien 7 Stichprobengrösse vorab nicht definiert 9 Sampling beendet, wenn theoretische Sättigung erreicht ist Statistisches Sampling 2 Umfang der Grundgesamtheit ist bekannt 4 Merkmalsverteilung der Grundgesamtheit ist abschätzbar 6 Einmalige Ziehung einer Stichprobe nach einem vorab festgelegten Plan 8 Stichprobengrösse vorab definiert 10 Sampling beendet, wenn die gesamte Stichprobe untersucht ist Flick (2002), Kap. 7 Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Problematik in der Praxis ] der gate keeper nimmt oft die Auswahl der Informaten vor --> versucht so die sich der Organisation wirksam werden zu lassen ] nicht alle gewünschten Informanten stehen zur Verfügung --> erheblicher Informationsverlust ] Abfolge der Interviews /Beobachtungen in ein System bringen ] Segmentierung einer Institution nach formalen Kriterien --> Zusammenarbeit der verschiedenen Segmenten miteinbeziehen Kriterienkatalog aufstellen im Sinne der Vollständigkeit ] Z.B. bei der Untersuchung einer Schule: Dr. Marianne Schüpbach, Dep. Erziehungswissenschaften, Universität Freiburg Literatur ] Obligatorische Literatur: Merkens, H. (1997). Stichprobe bei qualitativen Studien. In: B. Friebertshäuser, A. Prengel (Hrsg.). Handbuch qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim: Juventa Zöfel, P. (2002). Statistik verstehen. Kap. 2, Variablenklassifikation. München: Addison-Wesley. ] Vertiefungsliteratur: Atteslander, P. (1995). Methoden der empirischen Sozialforschung. Kapitel 2 (8. Aufl.). Berlin: Gruyter Schnell, R., Hill, P.B., Esser, E. (1999). Methoden der empirischen Sozialforschung. Kapitel 6 Auswahlverfahren. München: Oldenburg.